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Frank registrierter User
Anmeldungsdatum: 31.07.2003 Beiträge: 6643
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(#319574) Verfasst am: 27.07.2005, 05:07 Titel: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Hatte Gestern eine RL-Diskussion mit einem bekennenden Christen. Dieser meine, wir hätten dem Christentum die Charaktereigenschaft Mitleid zu verdanken. Aus darwinistischer Sicht meinte er wäre Mitleid kontraproduktiv, da schwache Mitglieder einer Spezies nicht der Weiterentwicklung derselben dienen.
Wie würdet Ihr argumentieren?
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JTB Niemand
Anmeldungsdatum: 17.03.2004 Beiträge: 429
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(#319576) Verfasst am: 27.07.2005, 05:22 Titel: |
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Wenn man es genau nimmt, stammen alle unsere Werte irgendwie aus dem Christentum. Auch die Philosophen, die bestimme Werte auf ein Fundament der Vernunft stellen wollten, haben sich nur deshalb für diese Werte entschieden, weil sie in diesen christlichen Werten aufgewachsen sind.
Man sollte sich in solchen Fällen auf die christliche Inkonsequenz in Bezug auf diese Werte berufen.
Das "Mitleid" an sich ist schwer zu greifen und lässt sich aus meiner Sicht je nach Situation so und so auslegen.
_________________ Und genau dann, als ich alle überzeugt hatte, wurde mir klar, dass ich mir irrte.
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Rasmus entartet und notorisch gottlos - Ich bin Papst
Anmeldungsdatum: 20.05.2004 Beiträge: 17559
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(#319577) Verfasst am: 27.07.2005, 05:50 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Frank hat folgendes geschrieben: | Hatte Gestern eine RL-Diskussion mit einem bekennenden Christen. Dieser meine, wir hätten dem Christentum die Charaktereigenschaft Mitleid zu verdanken. Aus darwinistischer Sicht meinte er wäre Mitleid kontraproduktiv, da schwache Mitglieder einer Spezies nicht der Weiterentwicklung derselben dienen.
Wie würdet Ihr argumentieren? |
Dein Christ (Freund? Bekannter? Nachbar? Bewährungshelfer? Nicht, daß man mir vorwirft ich würde Leute in Schubladen einsortieren, ich weiß es halt nur nicht besser...) hat wie so oft in solchen Fällen die Evolutionstheorie nicht verstanden. Die Ansicht, daß es gut für eine Spezies ist, möglichst viele Nachkommen in die Welt zu werften und dabei möglichst groß, stark und aggresiv zu sein, ist weit verbreitet.
Es überleben aber nicht die stärkeren, sondern die angepassteren.
Ferner geht es dabei um "Spezies", und nur in Einzelfällen um Individuen. Daß möglichst viele Individuen einer Spezies sich möglichst schnell und oft vermehren ist nur eine mögliche Strategie. Soweit ich weiß dürften Kaninchen in diese Kategorie fallen.
Einen anderen Ansatz verfolgen z.B. staatenbildenen Insekten - da gibt es nur eine eierlegende Mutter, ein paar befruchtende Männchen und unzählgies Keabbelvieh, daß niemals auch einen einzigen Nachkommen haben wird.
Alternativ wären da Rudeltiere wie Wölfe, wo ein paar Individuen wenige Nachkommen zeugen; deren Überleben durch die Gruppe sichergestellt werden soll. (Das alleine könnte man schon als Ansatz von Nächstenliebe verstehen - jedenfalls ist es ein gutes Gegenargument, da hier die Eltern ihren Nachwuchs nicht ohne die Unterstützung des Rudels großkriegen würden.)
Auch Menschen leben in Gemeinschaften, und wer das Überlebe nder Gemeinschaft schützt, schützt sowohl doe Spezies als auch sich selber. Wenn ich heute einem anderen Mitglied helfe, dann habe ich Morgen eventuell Unterstützung, wenn ich sie brauche. Insbesondere beim Menschen und insbesondere in der Neuzeit sind für das Überleben viele unterschiedliche Fähigkeiten notwendig. Wer auf einem Gebiet schwach ist, kann auf anderer Ebene durchaus überlebensnotwendige Fähigkeiten haben. (ich kenne z.B. Ärzte die im Rollstuhl sitzen, Prof. Stephen Hawking dürfte jedem ein Begriff sein und die Liste dürfte sich problemlos erweitern lassen, wenn mir bloß noch ein paar mehr Leute einfielen.)
Mitleid ist eine nette egoistische Funktion: Wenn ich in einer Kultur das Empfinden von Mitleid verbreite, habe ich eine größere Chance auf fremde Hilfe, wenn ich sie mal brauche. In vielen Fällen kostet Mitleid demjenigen der es ginbt nicht viel, es kann für den Empfänger aber ungleich wertvoller sein. D.h. in der Gemeinschaft verbessert sich die Lebensqualität unterm Strich. Mitleid ist nichts anderes als jede andere Form von Koperation, und die Existiert ja nun fraglos auch in der Natur.
Ferner vermute ich, daß hier ein paar Alternativen außer acht gelassen worden sind - Mitleid gab es auch in vorchristlichen Kulturen und dürfte auch in China und Indien z.B. nicht völlig unbekannt gewesen sein. D.h. selbst wenn es eine Menschliche Erfindung ist, bliebe zu klären, ob wir sie in Europa dem Christentum verdanken.
Rasmus.
_________________ Brother Sword of Enlightenment of the Unitarian Jihad
If you ask the wrong questions you get answers like '42' or 'God'.
"Glaubst Du noch oder hüpfst Du schon?"
Sylvia Browne - Wahrsager oder Scharlatan?
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#319579) Verfasst am: 27.07.2005, 06:25 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Frank hat folgendes geschrieben: | Hatte Gestern eine RL-Diskussion mit einem bekennenden Christen. Dieser meine, wir hätten dem Christentum die Charaktereigenschaft Mitleid zu verdanken. Aus darwinistischer Sicht meinte er wäre Mitleid kontraproduktiv, da schwache Mitglieder einer Spezies nicht der Weiterentwicklung derselben dienen.
Wie würdet Ihr argumentieren? |
Nun ja, zunächst einmal kann sich Mitleid keiner Idee verdanken, da es sich um eine Gefühlsbereitschaft handelt – und eine solche ist angelegt. Außerdem gibt es das Phänomen Mitleid weltweit; also auch dort, wo das Christentum nicht bekannt ist / war.
Darüber hinaus gilt festzuhalten, dass Eigenschaften nicht der Weiterentwicklung der Spezies dienen, sondern dem eigenen Überleben (bzw. dem der eigenen Gene).
Ein Grund, warum Mitleid sinnvoll ist, ist folgender: Es motiviert als Handlungs- und Gefühlsbereitschaft z.B. eine Mutter dazu, ihrem in einer misslichen Situation sich befindenden und dies zum Ausdruck bringenden Kind zur Hilfe zu kommen bzw. es emotional oder sonstwie zu unterstützen.
Das ganze lässt sich sicher auch auf menschliche Beziehungen generell ausweiten. Emotionale Bande, gegenseitige Hilfe, Kooperation, das Wissen um die geistig-emotionalen Zustände der Artmitglieder oder auch darüber, was man meiden sollte (Schmerzgefahren) etc. – all das ist vorteilhaft.
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wowie registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.06.2005 Beiträge: 80
Wohnort: frankfurt/main//GER
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(#319585) Verfasst am: 27.07.2005, 08:24 Titel: |
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katatonia schrieb:
Zitat: | Ein Grund, warum Mitleid sinnvoll ist, ist folgender: Es motiviert als Handlungs- und Gefühlsbereitschaft z.B. eine Mutter dazu, ihrem in einer misslichen Situation sich befindenden und dies zum Ausdruck bringenden Kind zur Hilfe zu kommen bzw. es emotional oder sonstwie zu unterstützen.
Das ganze lässt sich sicher auch auf menschliche Beziehungen generell ausweiten. Emotionale Bande, gegenseitige Hilfe, Kooperation, das Wissen um die geistig-emotionalen Zustände der Artmitglieder oder auch darüber, was man meiden sollte (Schmerzgefahren) etc. – all das ist vorteilhaft. |
EXAKT
CHRISTENTUM, ursache für ein gefühl ?
das ist genau der schwachsinn dem alle gläubigen auf den leim gehen.
nur weil sich durch die ORGANISATION kirsche/christentum leute versammeln und eben gemeinschaft erzeugt wird.
alle gefühle waren auch schon vorher da, d.h.6000 v.Chr.
ganz im gegenteil, die konzentration von MACHTPUNKTEN hat dafür gesorgt das GEFÜHLE VERARMEN ! ! !
kann ja sein das die kirsche an einem gewissen punkt gegen diese verarmung kämpft, das ganze ist aber dadurch paradox, daß dies nicht mit der kirschlichen hierarchie, dem gehorsam und der demut verträglich ist.
ob ich hilfe leiste oder nicht ist nach seinen ursachen sehr schwer zu bewerten.
nehmen wir an es gibt ein 'schwächstes' glied in der kette, dann stellt sich die frage:
Aussortieren oder Aufklären ? ! !
das aussortieren/seperieren findet ja statt. und ist für beide seiten positiv zu betrachten.
ausser dem separatisten weden bestimmte ressourcen verweigert.
die tatsache das der separatis wohlmöglich nicht seine art erhalten kann weil er es nicht kann...nun ja. unter einer art findet sowas aber sehr selten statt.
und besonders unter der menschlichen.
dazu kommt der wichtigste faktot, die zunahme der massen.
Das aufklären macht das system zwar für einen moment schwach
dennoch ist es ein zeichen dafür, das man mit jedem problem fertig wird.
es sichert vor allem auch wie katatonia geschrieben hat die Fürsprge und geborgenheit des nachwuchses und ist so teil der arterhaltung.
letztenendes kann es nur positiv sein da mehr aufgeklärte menschen mehr erreichen können.
zusammen sind sie stark ! längerefristig gesehen !
abgesehen davon, würde ohne mitleid/empathie keiner verstehen was der andere will !
Aussonderung ist eigentlich nur gut, wenn garantirert ist das eine vermischung mit dem schwächsten glied nicht zum totalen artenuntergang führt und wenn eine minderheit/einzelner seine kurzfristige macht sichern will.
stichwort: degenerierung
ich versteh aber auch nicht die logik, das wirs zwar dem Christentum zu verdanken haben, aber es eigentlich contra-produktiv ist.
warum ist er dann noch christ? oder ist er manchmal christ und dann darwinist?
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#319604) Verfasst am: 27.07.2005, 10:21 Titel: |
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Katatonias beritrag ist nicht viel hinzuzufügen, nur dass man Regungen, die man als Mitleid interpretieren kann (oder als dessen evolutionäre Vorstufe) auch bei Hunden und anderen fleischfressenden Rudeltieren beobachten kann.
Ich bin allerdings relativ sicher, dass die Christen keine Hunde missionieren.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Johnnyboy Stück Scheiße
Anmeldungsdatum: 26.06.2005 Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon
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(#319836) Verfasst am: 28.07.2005, 10:07 Titel: |
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Mitleid gab es also nicht vor Jesus? Aha...selten dämliches Argument, es ist letzendlich auch das Mitleid mit den aufgeschlitzten Schwangeren und denen die abgeschreckt von deartiger Abscheulichkeit in der Hölle schmorren müssen, was einen denkenden, pardon, fühlenden Menschen davon abhält Christ zu werden...
Mitleid ist in der Tat mysteriös, insofern muss man Schopenhauer wohl recht geben, aber ein Patent darauf haben die christlichen Sünder nicht.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#319842) Verfasst am: 28.07.2005, 10:48 Titel: |
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Nix Jesus. Mitleid/Mitgefühl/Empathie ist eine wesentliche Voraussetzung für sozial-kooperatives Verhalten und damit zur Gruppenbildung. Psychopathen z.b. fehlt sie. Als Einzelgänger sind Menschen aber im Überlebenskampf ohne Rückhalt einer Gruppe chancenlos. Indem auch schwächeren Gruppenmitgliedern geholfen wird, wird die Gruppenkohäsien insgesamt gestärkt. Das wiederum bietet einen wichtigen Überlebensvorteil für alle Gruppenmitglieder, auch die Stärkeren. Hat Rasmus sehr schön erklärt.
_________________ posted by Babyface
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osmund kath. Chaosphilosoph
Anmeldungsdatum: 20.11.2003 Beiträge: 205
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(#319846) Verfasst am: 28.07.2005, 11:16 Titel: |
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Nietzsche hat folgendes geschrieben: | Das Mitleid hat ebensowenig die Lust des Andern zum Ziele, als, wie gesagt, die Bosheit den Schmerz des Andern an sich. Denn es birgt mindestens zwei (vielleicht viel mehr) Elemente einer persönlichen Lust in sich und ist dergestalt Selbstgenuss: einmal als Lust der Emotion, welcher Art das Mitleid in der Tragödie ist, und dann, wenn es zur That treibt, als Lust der Befriedigung in der Ausübung der Macht. Steht uns überdiess eine leidende Person sehr nahe, so nehmen wir durch Ausübung mitleidvoller Handlungen uns selbst ein Leid ab. — Abgesehen von einigen Philosophen, so haben die Menschen das Mitleid, in der Rangfolge moralischer Empfindungen, immer ziemlich tief gestellt: mit Recht. |
Nietzsche hat folgendes geschrieben: | Herzliches Mitleid mit sich selbst ist die höchste Empfindung, zu der es der Mensch bringen kann. |
Nietzsche hat folgendes geschrieben: | Mitleid. — In der vergoldeten Scheide des Mitleides steckt mitunter der Dolch des Neides. |
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#319886) Verfasst am: 28.07.2005, 12:59 Titel: |
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Bei sehr kleinen Kindern gibt es ein Phänomen, dass sich emotionale Ansteckung nennt. Zeigen Menschen in ihrer Umgebung Stress oder Angst werden sie selbst ängstlich oder erregt. Die emotionale Ansteckung hat eine wichtige Funktion in der Entwicklung von Kindern. Sie lernen auf diesem Wege, welche Reize und Umgebungsbedingungen sie als bedrohlich wahrnehmen sollen und welche nicht. Ungefährlich ist, wobei andere gelassen bleiben. Gefährlich ist, wobei andere in Panik geraten. Man könnte die emotionale Ansteckung als erste Stufe des Mitleids interpretieren, die im Gegensatz zur Behauptung der oben genannten Christin sehr wohl einen Selektionsvorteil bringt.
In späteren Entwicklungsstadien kommt eine immer ausgeprägtere Fähigkeit zur sozialen Kognition hinzu. Kinder lernen, gedanklich den Standpunkt einer anderen Person einzunehmen und deren Absichten und Gefühle zu verstehen. Auch die Rollenspiele kleiner Kinder unterstützen diese Entwicklung. Die Fähigkeit, sich mit anderen Menschen zu identifizieren, ist zweifellos sehr nützlich für das Überleben in einer Umwelt, die in erster Linie durch das Verhalten von Menschen bestimmt wird.
Um selber nicht zu sehr von den Gefühlszuständen anderer betroffen und somit im eigenen Handeln eingeschränkt zu sein, lernen Kinder zunehmend, sich von den Gefühlen anderer zu distanzieren und deren Gemütslagen abstrakter zu denken. Ferner lernen sie, welche Formen des Ausdrucks von Mitleid als angemessen gelten, und in welchen Situationen Mitleid als erwünscht oder unverdient gilt. Auch diese erworbene Fähigkeit hat Selektionsvorteile.
Mitleid ist daher entwicklungspsychologisch betrachtet nichts, zu dem man sich aufgrund einer Ideologie entschließt. Kinder empfinden Mitleid bevor sie kognitiv in der Lage sind, Ideologien zu verstehen. Vielmehr werden ursprüngliche, naive Gefühle von Mitleid zunehmend einer kognitiven und normativen Kontrolle unterzogen. Dabei spielen zum Beispiel auch Vorstellungen von Sünde oder gerechter Strafe eine Rolle.
Falls der christliche Glaube überhaupt Mitleid begünstigt, dann indem er einer entwicklungspsychologisch älteren Fähigkeit, die mittlerweile durch neuere Fähigkeiten kontrolliert wird, wieder mehr Leine gibt.
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#319970) Verfasst am: 28.07.2005, 17:19 Titel: |
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Zitat: | Um selber nicht zu sehr von den Gefühlszuständen anderer betroffen und somit im eigenen Handeln eingeschränkt zu sein, lernen Kinder zunehmend, sich von den Gefühlen anderer zu distanzieren und deren Gemütslagen abstrakter zu denken. Ferner lernen sie, welche Formen des Ausdrucks von Mitleid als angemessen gelten, und in welchen Situationen Mitleid als erwünscht oder unverdient gilt. Auch diese erworbene Fähigkeit hat Selektionsvorteile. |
Seneca hat das Mitleid aus diesem Grund als Schwäche bezeichnet. Es ist dem Augenblick unterworfen und verhindert/behindert die Überlegung. Durch das Mitleid kann der Mensch leicht manipuliert werden.
Ansonsten wird im Buddhismus sehr viel von Mitleid gesprochen. Das Christentum ist sicher nicht die einzige Ideologie, die Mitleid zum Thema hat und schon gar nicht hat sie es erfunden.
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wowie registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.06.2005 Beiträge: 80
Wohnort: frankfurt/main//GER
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(#319979) Verfasst am: 28.07.2005, 17:44 Titel: re |
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mit nietzsche würde ich lieber hier nicht kommen denn genau an diesem punkt ist er verzweifelt.
der böse deutsche mob....
emotionale ansteckung find ich gut das du (wygotsky) das gesagt hast, ich schreib grad ne hausarbeit über Trieb,Affekt und Kultur....
ums nochmal auf den entscheidenden punkt zu bringen, vielleicht hab ich mich nicht klar genug ausgedrückt:
Mitleid kann positiv/produktiv oder negati/destruktiv sein.
ich hab gedacht ich hät auch dargestellt das es mehr positiver natur ist.
Jede Särke ist auch eine schwäche
die frage ist !....WAS IST LETZTENENdES DAS WAS UNS MEHR BRINGT ?
klare antwort, EMPATHIE... hier geht es doch nicht nur um MITLEID sondern auch um MITFREUDE !
geanu da ist der punkt wo der der 'mitleid' hat glücklicher ist als der der es nicht hat !
...und nur wenn man jede form von empathie durchlaufen hat ist man in der lage sich von allem zu lösen, um sich mit allem zu verbinden.
ansonsten ist man nur ein einsamer herscher oder eine notwendige mutation der natur...
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#319997) Verfasst am: 28.07.2005, 19:02 Titel: |
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Naja, dass sonst keiner wüsste, was der andere will, ließe sich dadurch beheben, dass jeder klar sagt, was er will.
Sicher ist Mitfreude auch eine Freude und über die Freude sollte man sich in jedem Falle freuen. Ich finde dennoch, dass das Mitfühlen ansich eben auch zu erheblichen Nachteilen führen kann. Wäre ein jeder emotional weitgehend autonom, wären Massenmanipulationen etc. wohl schwerer möglich.
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Nergal dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11433
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(#319999) Verfasst am: 28.07.2005, 19:15 Titel: |
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Klingt alles sehr nach der Diskussion zum Egoismus oder was das war was ich hier zwe mal begonnen habe (werds mal zu finden versuchen).
Ich denke nicht dass der Mensch nur so handelt wie es für ihn persönlich am besten ist, bzw immer mit dem eigenen Vorteil im Hinterkopf.
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Frank registrierter User
Anmeldungsdatum: 31.07.2003 Beiträge: 6643
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(#320105) Verfasst am: 29.07.2005, 03:36 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Rasmus hat folgendes geschrieben: |
Dein Christ (Freund? Bekannter? Nachbar? Bewährungshelfer? Nicht, daß man mir vorwirft ich würde Leute in Schubladen einsortieren, ich weiß es halt nur nicht besser...)
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Rasmus hat folgendes geschrieben: |
Ferner vermute ich, daß hier ein paar Alternativen außer acht gelassen worden sind - Mitleid gab es auch in vorchristlichen Kulturen und dürfte auch in China und Indien z.B. nicht völlig unbekannt gewesen sein. D.h. selbst wenn es eine Menschliche Erfindung ist, bliebe zu klären, ob wir sie in Europa dem Christentum verdanken.
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Da stimme ich Dir doch vollkommen zu.
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Frank registrierter User
Anmeldungsdatum: 31.07.2003 Beiträge: 6643
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(#320106) Verfasst am: 29.07.2005, 03:48 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: |
Ein Grund, warum Mitleid sinnvoll ist, ist folgender: Es motiviert als Handlungs- und Gefühlsbereitschaft z.B. eine Mutter dazu, ihrem in einer misslichen Situation sich befindenden und dies zum Ausdruck bringenden Kind zur Hilfe zu kommen bzw. es emotional oder sonstwie zu unterstützen.
Das ganze lässt sich sicher auch auf menschliche Beziehungen generell ausweiten. Emotionale Bande, gegenseitige Hilfe, Kooperation, das Wissen um die geistig-emotionalen Zustände der Artmitglieder oder auch darüber, was man meiden sollte (Schmerzgefahren) etc. – all das ist vorteilhaft. |
OK, innerhalb einer Spezies mag das zutreffen. Aber man empfindet auch Mitleid gegenüber Tieren. Manchen Menschen liegt der Hund, die Katze, der Hamster etc. weit mehr am Herzen als der Nachbar nebenan. Und dass nicht nur als Haustier. Ein verletzter Delphin oder gestrandeter Wal kann Millionen Menschen bewegen, die obdachlosen Kinder in Deutschlands Großstädten dagegen weit weniger.
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Rasmus entartet und notorisch gottlos - Ich bin Papst
Anmeldungsdatum: 20.05.2004 Beiträge: 17559
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(#320107) Verfasst am: 29.07.2005, 04:47 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Frank hat folgendes geschrieben: | Rasmus hat folgendes geschrieben: |
Dein Christ (Freund? Bekannter? Nachbar? Bewährungshelfer? Nicht, daß man mir vorwirft ich würde Leute in Schubladen einsortieren, ich weiß es halt nur nicht besser...)
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Ich war mir nicht klar, mit wem Du Dich da unterhalten hast, und ob das eventuell einen unterschied hätte machen können. Bei einem guten Freund z.B. würde ich in der weiteren Diskussion davon ausgehen, daß Du ihn gut genug kennst, um auch kleinere Nuancen in der Argumentation so wiederzugeben, wie sie wohl intendiert waren.
Zitat: | Da stimme ich Dir doch vollkommen zu. |
Na also, geht doch!
Zitat: | OK, innerhalb einer Spezies mag das zutreffen. Aber man empfindet auch Mitleid gegenüber Tieren. Manchen Menschen liegt der Hund, die Katze, der Hamster etc. weit mehr am Herzen als der Nachbar nebenan. Und dass nicht nur als Haustier. Ein verletzter Delphin oder gestrandeter Wal kann Millionen Menschen bewegen, die obdachlosen Kinder in Deutschlands Großstädten dagegen weit weniger. |
Nun ja, beim eigenen Haustier ist das ja noch leicht zu erklären: Das ist vermutlich weit mehr Mitglied des eigenen Rudels als so mancher Nachbar.
Es spricht auch sonst nicht gegen die evolutionären Vorteile von Mitleid - es steht nicht isoliert im Raum und andere Emotionen mischen sich ein. Obdachlsoe Kinder z.B. sind ein sehr abstraktes Problem, solange man nicht gerade in der Fußgängerzone über eins stolpert. Der gestrandete Wal im Fernsehen ist viel konkreter.
Und slebst wenn mal ein obdachloses Kind zu sehen bekommt, ist nicht offensichtlich, unter was für Umständen es leidet. Wenni ch blute, dann siehst Du das, wenn ich keine Wohnung habe, dann muß ich Dir erstmla davon erzählen.
Ich dneke einfach, daß undere Gesellschaft imer weniger solidarisch wird, auch in der Natur ist es ja nicht unüblich, daßverschiedene Rudel, Insektenstaaten, etc. stark miteinander konkurrieren. Das das beim Mensachne wenig sozial ist, und die Gruppenzugehörigkeit nach wenig logischen Gesichtspunkten erfolgt ändert daran wenig, oder?
Rasmus.
_________________ Brother Sword of Enlightenment of the Unitarian Jihad
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Sylvia Browne - Wahrsager oder Scharlatan?
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Frank registrierter User
Anmeldungsdatum: 31.07.2003 Beiträge: 6643
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(#320108) Verfasst am: 29.07.2005, 05:29 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Rasmus hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | OK, innerhalb einer Spezies mag das zutreffen. Aber man empfindet auch Mitleid gegenüber Tieren. Manchen Menschen liegt der Hund, die Katze, der Hamster etc. weit mehr am Herzen als der Nachbar nebenan. Und dass nicht nur als Haustier. Ein verletzter Delphin oder gestrandeter Wal kann Millionen Menschen bewegen, die obdachlosen Kinder in Deutschlands Großstädten dagegen weit weniger. |
Nun ja, beim eigenen Haustier ist das ja noch leicht zu erklären: Das ist vermutlich weit mehr Mitglied des eigenen Rudels als so mancher Nachbar.
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Stimmt, aber es geht bei dem von mir Geschilderten nicht primär um Haustiere.
Rasmus hat folgendes geschrieben: |
Es spricht auch sonst nicht gegen die evolutionären Vorteile von Mitleid - es steht nicht isoliert im Raum und andere Emotionen mischen sich ein. Obdachlsoe Kinder z.B. sind ein sehr abstraktes Problem, solange man nicht gerade in der Fußgängerzone über eins stolpert. Der gestrandete Wal im Fernsehen ist viel konkreter. |
Der gestrandete Wal im Fernsehen ist genau so abstrakt wie die hungernden Kinder in Afrika im selben Medium.
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#320246) Verfasst am: 29.07.2005, 17:25 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Frank hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: |
Ein Grund, warum Mitleid sinnvoll ist, ist folgender: Es motiviert als Handlungs- und Gefühlsbereitschaft z.B. eine Mutter dazu, ihrem in einer misslichen Situation sich befindenden und dies zum Ausdruck bringenden Kind zur Hilfe zu kommen bzw. es emotional oder sonstwie zu unterstützen.
Das ganze lässt sich sicher auch auf menschliche Beziehungen generell ausweiten. Emotionale Bande, gegenseitige Hilfe, Kooperation, das Wissen um die geistig-emotionalen Zustände der Artmitglieder oder auch darüber, was man meiden sollte (Schmerzgefahren) etc. – all das ist vorteilhaft. |
OK, innerhalb einer Spezies mag das zutreffen. Aber man empfindet auch Mitleid gegenüber Tieren. Manchen Menschen liegt der Hund, die Katze, der Hamster etc. weit mehr am Herzen als der Nachbar nebenan. Und dass nicht nur als Haustier. Ein verletzter Delphin oder gestrandeter Wal kann Millionen Menschen bewegen, die obdachlosen Kinder in Deutschlands Großstädten dagegen weit weniger. |
Das ist wohl mit einem generalisierten Fürsorgeverhalten zu erklären. Die Mitleid- bzw. soziale Komponente hat in der menschlichen Evolution eine solch herausragende Bedeutung eingenommen, dass es passieren kann, dass Empathie auch gegenüber anderen Lebewesen empfunden wird, dass unser Fürsorgeverhalten also auch eine Ausweitung auf andere Tierarten erfährt. Man darf z.B. auch nicht vergessen, dass wir überdies dem Kindchen-Schema erliegen. Wenn ein kleines, süßes Hündchen vor Schmerzen jammert - wer empfindet da kein Mitleid?
Interessant übrigens, dass du Delphine erwähnt hast. Diese setzen sich mitunter nämlich auch über ihre Artgrenze hinaus für andere Lebewesen ein und beschützen diese z.B. vor Haien.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#320255) Verfasst am: 29.07.2005, 17:58 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Frank hat folgendes geschrieben: | Rasmus hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | OK, innerhalb einer Spezies mag das zutreffen. Aber man empfindet auch Mitleid gegenüber Tieren. Manchen Menschen liegt der Hund, die Katze, der Hamster etc. weit mehr am Herzen als der Nachbar nebenan. Und dass nicht nur als Haustier. Ein verletzter Delphin oder gestrandeter Wal kann Millionen Menschen bewegen, die obdachlosen Kinder in Deutschlands Großstädten dagegen weit weniger. |
Nun ja, beim eigenen Haustier ist das ja noch leicht zu erklären: Das ist vermutlich weit mehr Mitglied des eigenen Rudels als so mancher Nachbar.
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Stimmt, aber es geht bei dem von mir Geschilderten nicht primär um Haustiere.
Rasmus hat folgendes geschrieben: |
Es spricht auch sonst nicht gegen die evolutionären Vorteile von Mitleid - es steht nicht isoliert im Raum und andere Emotionen mischen sich ein. Obdachlsoe Kinder z.B. sind ein sehr abstraktes Problem, solange man nicht gerade in der Fußgängerzone über eins stolpert. Der gestrandete Wal im Fernsehen ist viel konkreter. |
Der gestrandete Wal im Fernsehen ist genau so abstrakt wie die hungernden Kinder in Afrika im selben Medium. |
Wenn eine Fähigkeit angeboren ist, bedeutet das freilich nicht, dass sie nicht einer individuellen, sozialen und kulturellen Überformung unterliegt . Es geht ja um generelle Reaktionstendenzen, die selbstverständlich immer auch lerntheoretischen Mechanismen wie Konditionierung und Habituation unterliegen, also entsprechend durch äußere Einflüsse (Medien, Eziehung, Ereignisse) gehemmt oder verstärkt werden können.
_________________ posted by Babyface
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wowie registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.06.2005 Beiträge: 80
Wohnort: frankfurt/main//GER
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(#320443) Verfasst am: 30.07.2005, 09:09 Titel: re |
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Tegularius schrieb:
Zitat: | Naja, dass sonst keiner wüsste, was der andere will, ließe sich dadurch beheben, dass jeder klar sagt, was er will. |
hier sieht man wie wichtig empathie ist !
im falle einer nicht funktionierenden sprachlichen kommunikation, oder besser gesagt bevor es sprache überhaupt gab, gibt es empathie.
die soziale konstruktion von gefühlsregeln/rollenverhalten spielt klar eine rolle. dennoch besitzt ja jeder die grundemotionen.
wichtiger ist wohl, was kulturellen wert hat.
in den meisten 'nationalen' kulturen (und das sind ja eigentlich immer noch alle, ausser vielleicht in afrika, da ist afrika die nation) spielen andere menschen keine bedeutende rolle.
da sind bestimmte tiere wertvoller als menschen.
ich sag nur INDIEN....
die konzentrierung von machtpunkten hat dort dafür gesorgt das viele gefühle abgestumpft sind.
an ihrer stelle sind die abstrakten vorstellungen dieser gefühle gekommen (inklusive kontrollorgan), die religion.
das ist der größte witz aller zeiten.
beim buddismus ist freiheit und selbstverantwortung deshalb so groß weil es keinen wert der liebe gibt. es gibt fast kein konkretes gefühl und wenn dann soll man sich von ihm befreien um ins nichts zu kommen, oh mein god...
christentum ist aber insofern paradox, das obwohl ich von gott geliebt werde, ich hier unten sehn muss wie ich zurecht komme, als folge dessen 'nächstenliebe' zwischen allen brüdern und schwestern.
doch kommen beide religionen, genau so wie die forherrschenden ideologien (egalitär/elitär),
in extreme existenzprobleme da die relativität aller menschen nun mal gegeben ist.
deswegen zählt eigentlich nur:
1. das individuelle ziel (individuelle ffreiheit)
2. soziale organisation (verantwortung über sich selbst als auch über das was man seinen mitmenschen antut, also kat. Imperativ)
der extreme fall der sozialen verantwortung, also hilfeleistung, ist vollkommen frei von irgendeiner verpflichtung. ausser:
-man erwartet eine gegenleistung (oder man hat sie schon dadurch das man hilft, empathie !)
-man hat einen weiterführenden vertrag abgeschlossen (gegenleistung vorher abgeklärt, also hilfe ist selbst gegenleistung)
der aufklärung sei danke überschreitet die nationale sozialität endlich seine grenzen und wird international. immer mehr mitleid wird erzeugt für immer mehr menschen.
aussicht ? der globale staat
ein hemmschuh hierfür sind alle unsicheren religionsbehüter die aufgrund ihrer eigenen fehlenden identität nicht bereit sind über ihren dogmatischen schatten zu springen ...
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#320459) Verfasst am: 30.07.2005, 11:03 Titel: |
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Zitat: | hier sieht man wie wichtig empathie ist !
im falle einer nicht funktionierenden sprachlichen kommunikation, oder besser gesagt bevor es sprache überhaupt gab, gibt es empathie.
die soziale konstruktion von gefühlsregeln/rollenverhalten spielt klar eine rolle. dennoch besitzt ja jeder die grundemotionen.
wichtiger ist wohl, was kulturellen wert hat. |
Bestimmt ist Empathie als Grundlage der Sozialisation notwendig. Wenn der Mensch zur Reflexion und zum sprachlichen Ausdruck fähig ist, ist es meiner Meinung nach jedoch vorteilhaft, wenn man sich von ihr lösen kann. Gefühle sind unklar. Wenn ein Mensch etwas sagt, kann ich es überprüfen und entweder annehmen oder ablehnen (wenn beides nicht möglich ist, frage ich nach und wenn ich am Ende mit dem Gesagten noch immer nichts anfangen kann, muss ich es - zumindest vorläufig - unbeachtet lassen). Wenn ich ein Gefühl des anderen übernommen habe und aufgrund dieses Gefühles mein weiteres Handeln einrichte, ist der Zeitpunkt der Wahl bereits überschritten ohne dass ich bewusst gewählt hätte. Wenn man das Gefühl nicht bewusst wahrnimmt, nicht "darübersteht", hat man nur in beschränktem Maße die Möglichkeit, vernünftig zu handeln. Je stärker diese Unterordnung unter das Gefühl ausgepägt ist, desto weniger ist man frei im Denken und letztlich auch im Handeln.
Zitat: | beim buddismus ist freiheit und selbstverantwortung deshalb so groß weil es keinen wert der liebe gibt. es gibt fast kein konkretes gefühl und wenn dann soll man sich von ihm befreien um ins nichts zu kommen, oh mein god... |
Soweit ich weiß, ist das Nichts im Buddhismus kein Ort außerhalb der dinglichen Welt, sondern ein ungetrübtes Erkennen derselben. Man kann nicht ins Nichts kommen, man ist schon immer darin, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wenn man sich von seinen Leidenschaften gelöst hat, ist man erlöst. Es gibt kein Nirvana irgendwo als Gegenwelt zur diesseitgen. Es ist kein Auslöschen der Gefühle, sondern ein Bewusstwerden derselben.
Zitat: | deswegen zählt eigentlich nur:
1. das individuelle ziel (individuelle ffreiheit)
2. soziale organisation (verantwortung über sich selbst als auch über das was man seinen mitmenschen antut, also kat. Imperativ) |
Sehe ich ebenso. Der kategorische Imperativ ist aber doch gerade von der Empathie unabhängig.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#320469) Verfasst am: 30.07.2005, 11:41 Titel: |
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Tegularius hat folgendes geschrieben: | Der kategorische Imperativ ist aber doch gerade von der Empathie unabhängig. |
Dem würde ich widersprechen. Der KI trägt - auf der Ebene der praktischen Moral - der Tatsache Rechnung, daß wir unseren Sozialpartnern vertrauen können müssen. Er macht Empathie geradezu zum methodischen Prinzip, da er ein Einfühlen in die Bedeutung einer Handlung aus der Sicht Anderer fordert.
Übrigens liegt auch genau da mE die wesentliche Schwäche des KI: Sowohl Empathie wie auch Tauglichkeit als allgemeine Maxime sind keine eindeutigen Funktionen im sozialen Kontext. Daher bietet der KI keine Lösung für moralische Dilemmas, konfligierende empathische Relationen und dgl.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#320470) Verfasst am: 30.07.2005, 11:44 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Hi Frank!
Frank hat folgendes geschrieben: | Hatte Gestern eine RL-Diskussion mit einem bekennenden Christen. Dieser meine, wir hätten dem Christentum die Charaktereigenschaft Mitleid zu verdanken. Aus darwinistischer Sicht meinte er wäre Mitleid kontraproduktiv, da schwache Mitglieder einer Spezies nicht der Weiterentwicklung derselben dienen.
Wie würdet Ihr argumentieren? |
Empathie ist eine sehr nützliche Eigenschaft: Sie ermöglicht die Abschätzung von Handlungen und Reaktionen. Hieraus kann dann die Entwicklung von sozial unterstützenden Fähigkeiten abgeleitet werden. Eine solche Fähigkeit ist das Empfinden von Mitleid. Mitleid wiederum ist ein Antrieb zu einer tatkräftigen Unterstützung. Auch wenn Du nicht daran denkst, so ist hier in der Regel als Gegenleistung Dankbarkeit zu erwarten. Das ist dann gegebenenfalls ziemlich nützlich, wenn Du selbst mal die Hilfe von Freunden gebrauchen kannst. Hier liegt also eine soziale Stabilisierung vor. Und genau deswegen findet auch der barmherzige Samariter Respekt - aber dafür brauchst Du nun keineswegs eine Religion.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#320473) Verfasst am: 30.07.2005, 12:03 Titel: |
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Hi step!
step hat folgendes geschrieben: | Tegularius hat folgendes geschrieben: | Der kategorische Imperativ ist aber doch gerade von der Empathie unabhängig. |
Dem würde ich widersprechen. Der KI trägt - auf der Ebene der praktischen Moral - der Tatsache Rechnung, daß wir unseren Sozialpartnern vertrauen können müssen. Er macht Empathie geradezu zum methodischen Prinzip, da er ein Einfühlen in die Bedeutung einer Handlung aus der Sicht Anderer fordert.
Übrigens liegt auch genau da mE die wesentliche Schwäche des KI: Sowohl Empathie wie auch Tauglichkeit als allgemeine Maxime sind keine eindeutigen Funktionen im sozialen Kontext. Daher bietet der KI keine Lösung für moralische Dilemmas, konfligierende empathische Relationen und dgl. |
Der Kategorische Imperativ ist Ausdruck einer Tit-for-Tat-Strategie. Interessanterweise übt Sartre hier Kritik an Kant mittels der Aufstellung eines klassischen Gefangenendilemmas. Aber was meinst Du mit "keine eindeutigen Funktionen im sozialen Kontext"?
Cheers,
Lamarck
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Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#320482) Verfasst am: 30.07.2005, 12:55 Titel: Re: Hat Mitleid einen evolutionären Sinn? |
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Frank hat folgendes geschrieben: | Hatte Gestern eine RL-Diskussion mit einem bekennenden Christen. Dieser meine, wir hätten dem Christentum die Charaktereigenschaft Mitleid zu verdanken. |
Da stimme ich ihm zu. Als ich Christ war, spruddelte ich vor Selbstmitleid...
Aber um auf die evolutionäre Bedeutung von Mitleid zu kommen: Es könnte ein sozialer Faktor unter den Menschen sein. Menschen haben viele Gefühle, die aneinander sozial binden, was Tiere nicht oder bestenfalls nur sehr schwach haben. Das dürfte Einiges zur Kooperation zwischen den Menschen beigetragen haben.
_________________ Meinungsfreiheit ausnahmslos für alle! Auch für Nazis!
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#320488) Verfasst am: 30.07.2005, 13:05 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Der KI trägt - auf der Ebene der praktischen Moral - der Tatsache Rechnung, daß wir unseren Sozialpartnern vertrauen können müssen. Er macht Empathie geradezu zum methodischen Prinzip, da er ein Einfühlen in die Bedeutung einer Handlung aus der Sicht Anderer fordert.
Übrigens liegt auch genau da mE die wesentliche Schwäche des KI: Sowohl Empathie wie auch Tauglichkeit als allgemeine Maxime sind keine eindeutigen Funktionen im sozialen Kontext. Daher bietet der KI keine Lösung für moralische Dilemmas, konfligierende empathische Relationen und dgl. |
Der Kategorische Imperativ ist Ausdruck einer Tit-for-Tat-Strategie. |
Ja, aber nicht nur. Die Formulierung "... daß Deine Handlung Grundlage einer Maxime für das allgemeine Handeln sein könnte" (o.ä.) impliziert auch indirekte Reziprozität.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Interessanterweise übt Sartre hier Kritik an Kant mittels der Aufstellung eines klassischen Gefangenendilemmas. |
Was nicht ganz falsch ist, s.o.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Aber was meinst Du mit "keine eindeutigen Funktionen im sozialen Kontext"? |
Gesellschaft funktioniert, indem man Mitglied in verschiedenen - teils virtuellen - Sozialverträgen ist, etwa Familie, Freunde, Arbeit, Verfassung, Armee, ... All die Mechanismen der direkten und indirekten Reziprozität, Empathie, Tauglichkeit als Maxime usw. sind jeweils auf einen dieser Verträge bezogen. Untereinander können sie widersprüchlich sein und sind es i.a. oft auch. So ist es beispielsweise mithilfe des KI nicht leicht zu entscheiden, ob man als Soldat töten soll oder nicht, oder ob man seine Kinder wegen Straftaten anzeigen soll oder nicht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Nergal dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11433
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(#320503) Verfasst am: 30.07.2005, 14:05 Titel: |
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Interessante Frage dazu:
Denkt ihr die Menschen sehen die Menschheit als so einen Sozialvertrag?
Oder was haben die Leute davon für die Flutopfer in Asien zu spenden?
Weder den neitzeanischen Machtrausch noch die Hoffnung diese könnten mal ihnen helfen.
Das selbe wurde ja bereits bei Tieren angesprochen, aber das gilt nicht nur für den Haushund sondern auch den Igel den man im Wohnzimmer überwintern lässt.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#320505) Verfasst am: 30.07.2005, 14:10 Titel: |
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Hi step!
step hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Der KI trägt - auf der Ebene der praktischen Moral - der Tatsache Rechnung, daß wir unseren Sozialpartnern vertrauen können müssen. Er macht Empathie geradezu zum methodischen Prinzip, da er ein Einfühlen in die Bedeutung einer Handlung aus der Sicht Anderer fordert.
Übrigens liegt auch genau da mE die wesentliche Schwäche des KI: Sowohl Empathie wie auch Tauglichkeit als allgemeine Maxime sind keine eindeutigen Funktionen im sozialen Kontext. Daher bietet der KI keine Lösung für moralische Dilemmas, konfligierende empathische Relationen und dgl. |
Der Kategorische Imperativ ist Ausdruck einer Tit-for-Tat-Strategie. |
Ja, aber nicht nur. Die Formulierung "... daß Deine Handlung Grundlage einer Maxime für das allgemeine Handeln sein könnte" (o.ä.) impliziert auch indirekte Reziprozität. |
Natürlich. Denn Tit-for-Tat ist eine Strategie gegen einen Strategen. Dieser Zusammenhang führt - jedenfalls über eine gewisse Bandbreite - zu einem autostabilisierenden Effekt. Die Strategie kann also als Imperativ formuliert werden:
Tit-for-Tat-"Imperativ": Handle als Maxime stets kooperativ, denn Du kannst aufgrund dieser Forderung allgemein Kooperation erwarten; wird Deine Erwartung enttäuscht, übe Vergeltung!"
⇔
Kategorischer Imperativ: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde."
Anmerkung: Vielleicht nicht gleich zu erkennen, aber es dürfte bei näherer Überlegung klar sein, in welchem Zusammenhang Vergeltung und Gesetz stehen.
step hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Interessanterweise übt Sartre hier Kritik an Kant mittels der Aufstellung eines klassischen Gefangenendilemmas. |
Was nicht ganz falsch ist, s.o. |
Bei Kant liegt hier symmetrische, bei Sartre asymmetrische Informationsverteilung vor.
step hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Aber was meinst Du mit "keine eindeutigen Funktionen im sozialen Kontext"? |
Gesellschaft funktioniert, indem man Mitglied in verschiedenen - teils virtuellen - Sozialverträgen ist, etwa Familie, Freunde, Arbeit, Verfassung, Armee, ... All die Mechanismen der direkten und indirekten Reziprozität, Empathie, Tauglichkeit als Maxime usw. sind jeweils auf einen dieser Verträge bezogen. Untereinander können sie widersprüchlich sein und sind es i.a. oft auch. So ist es beispielsweise mithilfe des KI nicht leicht zu entscheiden, ob man als Soldat töten soll oder nicht, oder ob man seine Kinder wegen Straftaten anzeigen soll oder nicht. |
Das, was Du hier schilderst, ist dem Prinzip nach nun nicht so schwer in "KI" zu modellieren. Schwieriger sieht die Sache allerdings mit Begriffen wie etwa Staftaten aus.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#320510) Verfasst am: 30.07.2005, 14:29 Titel: |
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Zitat: | Dem würde ich widersprechen. Der KI trägt - auf der Ebene der praktischen Moral - der Tatsache Rechnung, daß wir unseren Sozialpartnern vertrauen können müssen. Er macht Empathie geradezu zum methodischen Prinzip, da er ein Einfühlen in die Bedeutung einer Handlung aus der Sicht Anderer fordert. |
Kann man da nicht einen Unterschied zwischen Mitfühlen und Eindenken machen? Unter Empathie verstehe ich ein spontanes Mitfühlen. Ich denke nicht, dass dies zum Bewerten der Gesamtsituation und der Entwicklung einer Lösung, mit der, dem eigenen Wissen und Gewissen nach, jedem Teilnehmer am besten gedient ist, notwendig ist. Vielmehr denke ich, dass es oftmals hinderlich ist, da man so durch die Launen seiner Mitmenschen unbewusst manipuliert werden kann (wobei der andere dies natürlich in der Regel ebenfalls unbewusst tun wird).
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