Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Willensfreiheit, Determinismus & Zufall
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 8, 9, 10 ... 24, 25, 26  Weiter
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Weltanschauungen und Religionen
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#273440) Verfasst am: 12.03.2005, 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

Heike N. hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Jeder, der denkt, sich entscheidet usw., erfährt <b>sich</b> ... als den Urheber dieses Gedankens, dieser Entscheidung usw. Jeder, der mit anderen interagiert, betrachtet <b>diese anderen</b> ... als Urheber ihrer Handlungen.

Werden bestimmte Hirnregionen elektrisch gereizt, so hebst Du den Arm und behauptest danach steif und fest, "Du" seist der Urheber dieser freien Entscheidung gewesen. Du erfindest sogar ein - offensichtlch falsches - Motiv für die Armhebung dazu. Wie erklärst Du das?

Ist das so, step? Bisher habe ich solche Erfahrungen noch nicht gemacht (mit Stimulierung einer Hirnregion), allerdings beim Neurologen, der nach einem Schleudertrauma die Nerven in meinem rechten Arm analog stimuliert hat, um zu schauen, ob die Taubheit des Armes daher rührt. Ich war zwar nicht in der Lage, die Bewegungen des Armes zu unterdrücken, aber für mich war definitiv klar, dass ich das nicht wollte, sondern Verursacher der elektrische Reiz war.

Das gibt es ebenfalls, siehe das Penfield-Experiment von 1969. Es kommt eben drauf an, welche Hirnregion stimuliert wird. Beispiele für den von mir genannten Effekt gibt es z.B. von Jose Delgado und Brasil-Neto. In diesen Fällen gelang es, bei der Versuchsperson das definitive Gefühl des Gewollthabens reproduzierbar zu erzeugen. Diese Experimente sind alle schon älter, inzwischen gibt es bestimmt bessere.

Eine Einschränkung bei solchen Experimenten ist die Schwierigkeit, wirklich komplexere Gefühle zu erzeugen - kein Wunder, wenn man einfach nur mit ner Elektrode reinhält ... für den freien Willen scheint das aber schon ausreichend zu sein.

Sehr gut finde ich idZ das Kapitel "Handlungspsychologische Erkenntnisse zur Steuerung von Willenshandlungen" in Gerhard Roth, "Fühlen, Denken, Handeln" - suhrkamp tb, ab Seite 513. Die Begriffe, Zusammenhänge und Fehlschlüsse rund um den FW sind dort sehr schön auseinandergenommen und möglichst objektiv bewertet.

gruß/step
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#273458) Verfasst am: 12.03.2005, 23:13    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Offensichtlich können die reduzierenden Naturwissenschaften (hier: Physik, Neurobiologie) sehr erfolgreich bestimmte Philosophien widerlegen, aber man benötigt dennoch nichtreduzierte Herangehensweisen für den soziologischen Alltag. Es erschiene mir allerdings höchst irrationalistisch, metaphysischen Konzepten im soziologischen Alltag auch dann noch eine Rolle zu überlassen, wenn sie naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen, also nachdem sie entmystifiziert wurden.

Welche Konzepte meinst Du? Meinst Du die Seele? Seele ist keineswegs ein "mystisches" Konzept. Ich würde Dich bitten, einmal bei Wikipedia nachzulesen, was gemeinhin unter einer Seele verstanden wird. Diese wurde nicht von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widerlegt und falls doch, bitte ich, eine Quelle dafür anzugeben.

step hat folgendes geschrieben:
Ich jedenfalls kann nicht den Kopf in den Sand stecken und weiter an einen echt freien Willen oder das Fortleben einer "Seele" nach dem Tode glauben, nur weil ich es schöner fände, wenn es so wäre.

Nun, schon etwas arg wertend ausgedrückt, findest Du nicht?

Von einem Leben der Seele nach dem Tode hat hier (in diesem Thread) noch niemand gesprochen.

Und ich glaube nicht deswegen an einen freien Willen, weil es "schöner" ist, sondern weil ich es in meinem Weltbild sehr viel zweckmäßiger finde, als an einen Determinismus zu glauben.

step hat folgendes geschrieben:
Nein. Der Determinismus ist genau dann nicht die derzeit beste Annahme, wenn es keine bessere Erklärung für den scheinbar "echten" Zufall in der QM gibt. Und er ist genau dann die derzeit beste Annahme, wenn es eine naturgesetzliche Erklärung für den scheinbar "echten" Zufall in der QM gibt. Wie bereits nehrfach gezeigt wurde, gibt es in beiden Fällen keinen (echt) freien Willen. Und wenn Du Dich zu einer hinreichenden Konkretisierung des Begriffs "Seele" verleiten ließest, wäre es da vermutlich ebenso.

QM hat nichts mit dem freien Willen zu tun. (Und warum ist Determinismus die "beste" Annahme? Das finde ich keineswegs.)

step hat folgendes geschrieben:
So ähnlich hat man auch gegen die moderne Medizin, oder in der Theologie gegen die Astronomie argumentiert.

Du weißt aber schon, dass das kein Argument ist, oder?

step hat folgendes geschrieben:
Wie gesagt, reduzierende Wissenschaften eignen sich zwar meist nicht zur praktischen Abdeckung des emergenten Fachgebiets, aber doch zum mächtigen Ausschluß von Hirngespinsten, die oft durch anthropozentrische Sichtweise, kulturelle Traditionen, subjektive Wünsche usw. in den emergenteren Wissenschaften getrübt sind.

Was genau meinst Du? Freier Wille? Also: Freier Wille = Hirngespinst? Oder meinst Du das einfach so, einfach mal so allgemein? Dann würde ich dem durchaus zustimmen.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was mich an dieser Diskussion weiterhin interessiert, sind die gesellschaftlichen Folgerungen, die man ziehen müsste, falls man davon überzeugt ist, dass der freie Wille nicht existiert. Dies hätte mE große Auswirkungen auf unser Rechtssystem, aber auch z.B. auf die Erziehung unserer Kinder.

So ist es.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sollte der freie Wille nicht existieren, dann dürfte man die Begriffe Schuld und auch Verantwortung nicht mehr mit gutem Gewissen verwenden, oder doch? Auch die Begriffe Moral und Ethik müssten überdacht werden (und würden mE ebenso nutzlos).

Das ist zum Teil richtig, ich habe dazu ja schon ausführlich Stellung bezogen. Es ergibt sich ein "funktionalistisches Dilemma", d.h. wir bezahlen die Aufklärung und Entmystifizierung mit einem Minus an naiver Verbindlichkeit. Die nötige ethische Verbindlichkeit muß dann aus komplexeren Mechanismen gewonnen werden, als es Steitafeln und Gurus waren.

Niemand redet hier von Religionen. Das Konzept von Seele und Geist hat mit Religion nicht unbedingt etwas zu tun.

Das "Minus von 'naiver' Verbindlichkeit", das würde gerne noch etwas vertiefen.

step hat folgendes geschrieben:
Werden bestimmte Hirnregionen elektrisch gereizt, so hebst Du den Arm und behauptest danach steif und fest, "Du" seist der Urheber dieser freien Entscheidung gewesen. Du erfindest sogar ein - offensichtlch falsches - Motiv für die Armhebung dazu. Wie erklärst Du das?

und
step hat folgendes geschrieben:
Es gibt auch den Fall, daß jemandem in Hypnose befohlen wird, nach dem Aufwachen unter das Bett zu kriechen. Der macht das tatsächlich, behauptet aber, dort etwas verloren zu haben (oder findet sonst einen Grund).

Dass Menschen manipuliert werden können, würde ich niemals bestreiten. Ich würde auch nie behaupten, dass alle Entscheidungen von Menschen durch ihren freien Willen bestimmt werden. Das hat aber mE nichts (nada, niente, rien) mit irgend einem Determinismus zu tun, sondern mit gesellschaftlichen Konventionen und sonstigen sozialen Einflüssen.

Aber warum mögliche Manipulationen ein Beweis gegen einen freien Willen sein soll, das müsstest Du doch noch etwas näher erklären, das kann ich nämlich nicht nachvollziehen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Schmerzlos
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.08.2003
Beiträge: 4554

Beitrag(#273470) Verfasst am: 12.03.2005, 23:50    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Seele ist keineswegs ein "mystisches" Konzept.


- Aber ein "Konzept". fool
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#273517) Verfasst am: 13.03.2005, 00:40    Titel: Antworten mit Zitat

Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Seele ist keineswegs ein "mystisches" Konzept.


- Aber ein "Konzept". fool

Ja. Na und?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
vanitas
Ranglos



Anmeldungsdatum: 28.01.2005
Beiträge: 517
Wohnort: Freiberg

Beitrag(#273530) Verfasst am: 13.03.2005, 02:19    Titel: Antworten mit Zitat

@Mautpreller

Um mal klarzustellen was ich meinte.

vanitas hat folgendes geschrieben:

Fast alles was man als lebensnah bezeichnen kann deckt sich heute nicht mehr mit unserem physikalischen "Weltbild". Es ist daher recht einerlei welcher Aspekt nun näher beleuchtet wird, abstrakt und unseren Alltagserfahrungen scheinbar wiedersprechend ist hier fast alles. Man kann daher mE nach solche Attribute heute nicht mehr als qualitative Argumente für oder gegen eine Sache nutzen. Es sind lediglich die Eindrücke die wir haben, wenn wir uns diesen Inhalten annähern.

vanitas hat folgendes geschrieben:

Intuitiv meint das man Dinge wie die Tatsache das die Erde ein Geoid ist, das die Zeit relativ ist und sich hohe Geschwindigkeiten nicht vektoriell addieren, das Ort und Impuls eines Teilchens nicht beliebig genau bestimmbar sind und nahezu alles was sich im Verlauf eines Erkenntnisprozesses vollzieht den Erfahrungen und Weltauffassungen entgegen laufen die wir intuitiv, also ohne äußeres zutun, in der Kindheit entwickelt haben.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
vanitas hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon ist schon spätestens seit dem Höhlengleichnis die Sache mit dem "Erfahrungen" und dem "intuitiven Weltbild" umstritten, erst recht unhaltbar jedoch seit Relativitätstheorie und Quantenmechanik.

Entschuldige, aber das halte ich für absurd. Dass die Antinomien des freien Willens, der Erfahrung, dass die Vorstellungen eines intuitiven Weltbildes usw. seit langem umstritten sind, stimmt. Dass sie "seit Relativitätstheorie und Quantenmechanik" unhaltbar wären, ist eine Nullaussage. Keine dieser beiden Theorien beschäftigt sich mit Erfahrung und Intuition und ihrem Zustandekommen. Sie vermögen diese nicht zu erklären, warum auch - sie haben ja einen völlig anderen Gegenstand. Sie formulieren sehr überzeugend Sätze, die gegen die Intutition sind (was ja auch nicht grad eine Neuigkeit ist, davon gibts ja schon lange welche). Erfahrung, Intuition, Wille bleiben aber unverzichtbare Faktoren bei jeder Art des Nachdenkens über die Welt. Sie sind unhintergehbar.


Ich schrieb intuitiv und meinte auch intuitiv. In deiner Argumentation machst du auch Sprünge die von dir nicht erläutert werden. Warum sollte die Relativitätstheorie die Intuition erklären und weshalb sollte daraus, das dem nicht so ist, folgern das sie nicht in der Lage wäre ein intuitives Verständnis der Realität (bspw. der Zeit) widerlegen zu können? Die letzten beiden Sätze sind dann auch ein Postulat ohne Bezug zu dem was ich schrieb und auch ohne Begründung warum man sie postulieren müsste. Das kann man freilich tun, jedoch wäre das für den Thread eher OT da wir hier zwar Methoden der Erkenntnistheorie beachten sollten, diese jedoch nicht von grundauf hier diskutieren können. Übrigens ist dieses ganze Ich, du, er, sie, es entscheidet; Folgen des Determinismus auf unser Weltbild und alle solches zwar berechtigten, aber auch uferlos und zweckentfremdet. Wenn man nicht bei einem begrenzten Sachverhalt stehen bleibt und diesen ausdiskutiert, sondern immer gleich auf Gott und die Welt zurückkommen will, wird man am Ende nichts erreichen als einen extrem langen Thread ohne Ergebnis, den niemand im Nachhinein noch verstehen kann und den wohl auch niemand mehr lesen wird.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
vanitas hat folgendes geschrieben:
Ist die intuitive Vorstellung eines absolut freien Willens, der weder zufällig, noch determiniert ist, falsch oder richtig? Um noch einmal klar zu stellen welche Art freien Willen ich hier ausschließlich meine: es geht mir nicht um ein empfinden von Willensfreiheit, das nicht kennen unserer Zukunft oder irgendwelche uns erscheinende Optionen einer Entscheidung; es geht schlicht um die Vorherbestimmtheit unserer Entscheidungen bzw. die vollkommene Selbstbestimmung dieser Entscheidung in der man abwägen kann was man letztlich tun will und nicht von absoluten Zufall (bitte die übliche Definition eines Zufalls in der Stochastik/Statistik beachten und beides strickt trennen) oder Determinismus zu dieser Entscheidung gebracht wird. Das ist wohl auch genau das was der "Normalbürger" unter freiem Willen versteht.

Ich nehme an, step, dass Du diese Definition meinst. Leider ist sie in sich nicht sonderlich stimmig, sprich: Es wird zuviel verlangt. "Die vollkommene Selbstbestimmung" nimmt nicht der "Normalbürger" und nicht der reflektierte Denker usw. für sich in Anspruch. Es ist ja seit langer Zeit bekannt, dass der "freie Wille" nicht in dem Sinne frei ist, dass er an nichts gebunden wäre (sondern vielmehr an andere Verhältnisse ähnlichen Status: Gefühle, Gedanken, Triebe ...). Dass man "abwägen kann, was man letztlich tun will" und dies tatsächlich Konsequenzen für die Entscheidung hat - dass es sich also dabei nicht um ein Epiphänomen handelt - ist aber ein Kernstück. (Nur ist auch eine gefühlsmäßig getroffene Entscheidung nicht in dem Sinne "vorherbestimmt" und kann durchaus willensbestimmt sein.) Ich finde dagegen die Abgrenzung gegen ein bloßes "Gefühl" und gegen den "Zufall" berechtigt und in Ordnung.

Aber mit welcher Definition auch immer, wie man mit der Quantenmechanik oder der Relativitätstheorie eine Aussage zu Erfahrung, Intuition oder Willen treffen will, ist mir ein Rätsel. Das könntet Ihr mir ja mal erklären.


Erstens handelt es sich hier um eine, nicht um die Definition des freien Willens. Zweitens muss man sich auf etwas einigen und kann eben dann auch an anderer Stelle die sonstigen Definitionen durchkauen (es war nur ein Vorschag, mach einen besseren und wir werden sehen). Drittens nimmt der "Normalbürger" nicht in von vornherein in Anspruch einen FW dieser Definition zu besitzen, es ist aber wohl die Definition die er in der Regel geben würde, da alles andere mehr oder weniger inkonsistent und erklärungsbedürftig ist.
_________________
Nackt duschen widerspricht katholischer Moral.
(Generalkirchenvikariat Köln)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden
vanitas
Ranglos



Anmeldungsdatum: 28.01.2005
Beiträge: 517
Wohnort: Freiberg

Beitrag(#273533) Verfasst am: 13.03.2005, 02:31    Titel: Antworten mit Zitat

vanitas hat folgendes geschrieben:

Beispiel: Ein Pfarrer sagt bei einer Predigt: "jeder Mensch muss an etwas glauben, auch Atheisten glauben an die Gültigkeit der Naturgesetze ohne diese beweisen zu können."
Wo liegt das Problem eines solchen Arguments das für viele Laien nachvollziehbar erscheint, von dem der Pfarrer aber wohl weiss oder zumindest wissen müsste das es unlogisch ist? Kann man nicht sagen es ist unredlich solcherlei "Argumente" zu nutzen um die Zuhörerschaft gezielt in die Irre zu führen?


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
vanitas hat folgendes geschrieben:
Fast alles was man als lebensnah bezeichnen kann deckt sich heute nicht mehr mit unserem physikalischen "Weltbild". Es ist daher recht einerlei welcher Aspekt nun näher beleuchtet wird, abstrakt und unseren Alltagserfahrungen scheinbar wiedersprechend ist hier fast alles.

Siehst Du, genau das ist das Problem bei unserer Diskussion. Ich habe niemals von einem "physikalischen" Weltbild gesprochen. Wenn ich von Weltbild rede, dann ist Physik oder sind physikalische Phänomene nur der allerkleinste Teil davon. Das, was ich Weltbild nenne, muss mindestens Wissen, Politik, Kultur, Geschichte, Psychologie, Philosophie usw. umfassen.


Weltbild (Wikipedia):

"Das Weltbild ist die Summe aller Begriffe, Vorstellungen und Einschätzungen, allen Wissens und Glaubens, aller Erfahrungen und Erkenntnisse auf deren Grundlage jeder Mensch die Welt um sich herum begreift, und demgemäß er seine Handlungen plant.

Im Begriff Weltbild vermischen sich die Tatsachen und Wahrheiten, die man über die Umwelt und die einen umgebende Gesellschaft anerkennt und die eigenen Ziele, die man im Leben erreichen will."

Ein Weltbild ohne Physik oder dessen intuitive Entsprechungen ist undenkbar. Was ich aber vielmehr zum Ausdruck bringen wollte sind die erkenntnistheoretischen Aspekte die sich im Laufe der Zeit als wesentlicher Grundsatz der Naturwissenschaften herausgebildet haben. Wer diese ignoriert hat mit aufgeklärtem Denken nicht mehr viel zu tun. Der Wahrnehmung und der eigenen Vorstellung von der Welt zu misstrauen ist elementar und wenn man dies missachtet, mündet man in der Esoterik oder eben den religiösen Vorstellungen vergangener Jahrtausende (rezent gibts die freilich auch noch recht häufig). Ganz besonders wichtig und für nicht-Naturwissenschaftler meist kaum nachvollziehbar sind hierbei die Konzepte der Falsifizierbarkeit allen Wissens und dem Leitkonzept von Ockhams Rasiermesser (das bei einer Wahl zwischen echtem Zufall und Viele-Welten-Hypothese jedoch auch nicht gerade hilft). Ein Weltbild ohne die eigentliche Grundlagenwissenschaft der Welt (in das andere wie Psychologie auch irgendwann integriert sein werden) wäre mir ein Graus, denn man würde sich zur ewigen Spekulation auf Basis unserer "Wahrnehmung" stützen müssen ohne diese mit der Realität unserer Welt vergleichen zu können (zu beachten gilt das Philosphie und Naturwissenschaft nicht immer getrennt waren und das das was man heute als Philosophie bezeichnet eine Art "Krüppel" der früheren Philosophie darstellt).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nein, das ist genau das, was ich überhaupt nicht glaube und was uns unterscheidet. Die Naturwissenschaft hat selbstverständlich ihre Berechtigung, aber auch ihre Grenzen. Die Naturwissenschaften können niemals die anderen Wissenschaften ersetzen (Philosophie, Psychologie, Politologie, Soziologie usw.)


Begrenzt wäre hier ein ersetzen vorstellbar. Man muss sich aber immer klar machen das man es hier mit Wissenschaften zu tun hat die sich auf ihre Weise mit der Realität auseinandersetzen und das man sie daher auch generell nicht trennen kann. Die Psychologie und die pädagogischen Wissenschaften lernen sehr viel aus Neurologie und Neurobiologie, werden aber deshalb auch nicht gleich durch diese ersetzt. Diese Verknüpfung sieht man am besten zwischen Physik und Chemie. Auch die Philosophie kann schon lange nicht mehr ihre Denkgebäude ohne die "harten" Wissenschaften aufbauen. Kein ernstzunehmender Philosoph würde den Willen heute noch mit dem Stand des Uranus in Zusammenhang bringen oder sonstige Vorstellungen äußern die mit der Physik unvereinbar sind. Hier gibt es überall Wechselwirkungen und nur Narren und die Kirche bzw. Religion würden diese ignorieren. Warum sollte man das auch tun wenn man durch einbeziehen dieser Wechselwirkungen bessere Resultate erhält? Freilich darf sich dieses einbeziehen nicht auf das simple nachplappern irgendwelcher Ideen begrenzen, man muss sich wirklich austauschen.

Ich hoffe jedoch von hier aus wieder zum eigentlichen Thema kommen zu können.
_________________
Nackt duschen widerspricht katholischer Moral.
(Generalkirchenvikariat Köln)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#273564) Verfasst am: 13.03.2005, 10:28    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sollte der freie Wille nicht existieren, dann dürfte man die Begriffe Schuld und auch Verantwortung nicht mehr mit gutem Gewissen verwenden, oder doch? Auch die Begriffe Moral und Ethik müssten überdacht werden (und würden mE ebenso nutzlos).

Das ist zum Teil richtig, ich habe dazu ja schon ausführlich Stellung bezogen. Es ergibt sich ein "funktionalistisches Dilemma", d.h. wir bezahlen die Aufklärung und Entmystifizierung mit einem Minus an naiver Verbindlichkeit. Die nötige ethische Verbindlichkeit muß dann aus komplexeren Mechanismen gewonnen werden, als es Steitafeln und Gurus waren.

Niemand redet hier von Religionen. Das Konzept von Seele und Geist hat mit Religion nicht unbedingt etwas zu tun.

Du selbst hast das Thema Moral angesprochen. Deren absolute Begründung war nunmal religiös verbrämt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das "Minus von 'naiver' Verbindlichkeit", das würde gerne noch etwas vertiefen.

Naja, in dem Maße, in dem man versteht, daß Moral nicht gegeben ist, sondern genetische, soziobiologische, kulturelle, spieltheoretische Ursachen hat, müssen wir uns unserer Werte und deren Relativität stärker bewußt werden. Wir müssen, um Werten in der Gesellschaft eine gewisse Verbindlichkeit zu geben, ungewohnt utilitaristisch argumentieren.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Werden bestimmte Hirnregionen elektrisch gereizt, so hebst Du den Arm und behauptest danach steif und fest, "Du" seist der Urheber dieser freien Entscheidung gewesen. Du erfindest sogar ein - offensichtlch falsches - Motiv für die Armhebung dazu. Wie erklärst Du das?

und
step hat folgendes geschrieben:
Es gibt auch den Fall, daß jemandem in Hypnose befohlen wird, nach dem Aufwachen unter das Bett zu kriechen. Der macht das tatsächlich, behauptet aber, dort etwas verloren zu haben (oder findet sonst einen Grund).

Dass Menschen manipuliert werden können, würde ich niemals bestreiten. Ich würde auch nie behaupten, dass alle Entscheidungen von Menschen durch ihren freien Willen bestimmt werden.

Du sollst es nicht nur nicht bestreiten, sondern eine Erklärung dafür finden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber warum mögliche Manipulationen ein Beweis gegen einen freien Willen sein soll, das müsstest Du doch noch etwas näher erklären, das kann ich nämlich nicht nachvollziehen.

Wenn dieselbe Handlung und dasselbe Gefühl des FW durch physiologische Einwirkung verursacht werden kann, ist ein zusätzlicher "echter" FW nicht mehr zur Erklärung eines Phänomens notwendig. Um Dein Hypothese überhaupt zu halten, wäre es an Dir zu zeigen,

(i) warum dieselbe Handlung und dasselbe Gefühl des FW durch physiologische Einwirkung verursacht werden kann, obwohl es extra dafür angeblich einen eigenständigen FW gibt

(ii) für welche Phänomene ein eigenständiger FW als Erklärung notwendig ist.

gruß/step
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tso Wang
Vergiß es



Anmeldungsdatum: 21.09.2003
Beiträge: 1433

Beitrag(#273620) Verfasst am: 13.03.2005, 13:28    Titel: Tip Antworten mit Zitat

Lesetip:

Nächste SdW-Ausgabe (4/2005) ab 31.März :

"Die Freiheit des Nichtwollens

Noch bevor wir bewußt entscheiden, etwas zu tun, wird das Gehirn
bereits aktiv. Wie also gelingt es dem Gehirn, Handlungen zu steuern,
die wir als »frei« empfinden ? "

()
_________________
Geh' weiter
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tso Wang
Vergiß es



Anmeldungsdatum: 21.09.2003
Beiträge: 1433

Beitrag(#273621) Verfasst am: 13.03.2005, 13:31    Titel: Re: Tip Antworten mit Zitat

P.S.:

Ich vermute, daß es in dem Artikel u.a. darum gehen wird, daß wir keinen freien Willen dahingehend haben, Entscheidungen zu initiieren, jedoch einen freien Willen dahingehend haben, unbewußte Handlungsimpulse abzubrechen oder aber deren Ausführung zuzulassen: Also so ähnlich, wie wir in einem (gewöhnlichen) Restaurant Serviervorschläge des Kellners ablehnen bzw. zustimmen können, jedoch auf die Gestalt der Speisekarte selbst keinen Einfluß haben, eben eine "Freiheit des Nichtwollens bzw. des Zulassens" (ähnlich wie es Tor Nörretranders in "Spüre die Welt" formuliert hat).

()
_________________
Geh' weiter
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#273630) Verfasst am: 13.03.2005, 13:59    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Niemand redet hier von Religionen. Das Konzept von Seele und Geist hat mit Religion nicht unbedingt etwas zu tun.

Du selbst hast das Thema Moral angesprochen. Deren absolute Begründung war nunmal religiös verbrämt.

Wenn ich mal kurz eine Wikipedia-Definition von Moral unterbringen dürfte:

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Der Gegensatz zwischen Moral und Ethik besteht darin, dass die faktische Moral teilweise emotionale Ursprünge hat (Ekel, Hass, Angst) sowie kultur- und gesellschaftsabhängig ist, die Ethik hingegen mit Logik auf "absoluten" Maßstäben aufzubauen versucht. Ethik kann auch als das Nachdenken über Moral verstanden werden.

Für mich hat Moral nichts mit Religion zu tun und ich würde auch gerne das Thema Religion aus diesem Thread komplett heraushalten.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das "Minus von 'naiver' Verbindlichkeit", das würde gerne noch etwas vertiefen.

Naja, in dem Maße, in dem man versteht, daß Moral nicht gegeben ist, sondern genetische, soziobiologische, kulturelle, spieltheoretische Ursachen hat, müssen wir uns unserer Werte und deren Relativität stärker bewußt werden. Wir müssen, um Werten in der Gesellschaft eine gewisse Verbindlichkeit zu geben, ungewohnt utilitaristisch argumentieren.

Deinen Standpunkt würde ich als technokratisch bezeichnen. Unten werde ich noch darauf eingehen.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Dass Menschen manipuliert werden können, würde ich niemals bestreiten. Ich würde auch nie behaupten, dass alle Entscheidungen von Menschen durch ihren freien Willen bestimmt werden.

Du sollst es nicht nur nicht bestreiten, sondern eine Erklärung dafür finden.

Es ist möglich, den Menschen (und damit den freien Willen) zu manipulieren. Das ist so, das wissen wir alle und das hat noch keiner hier bestritten.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber warum mögliche Manipulationen ein Beweis gegen einen freien Willen sein soll, das müsstest Du doch noch etwas näher erklären, das kann ich nämlich nicht nachvollziehen.

Wenn dieselbe Handlung und dasselbe Gefühl des FW durch physiologische Einwirkung verursacht werden kann, ist ein zusätzlicher "echter" FW nicht mehr zur Erklärung eines Phänomens notwendig.

Soll das jetzt ein Beweis sein? Nochmal: Der freie Wille kann unbestritten auf vielfältigste Weise manipuliert werden (Stichworte: Hypnose, Drogeneinfluss, Stimulation von Gehirnbereichen, Propaganda, sozialer Druck usw.), das ist aber kein Beweis dafür, dass der freie Wille nicht existiert.

step hat folgendes geschrieben:
Um Dein Hypothese überhaupt zu halten, wäre es an Dir zu zeigen,

(i) warum dieselbe Handlung und dasselbe Gefühl des FW durch physiologische Einwirkung verursacht werden kann, obwohl es extra dafür angeblich einen eigenständigen FW gibt

(ii) für welche Phänomene ein eigenständiger FW als Erklärung notwendig ist.

"Um meine Hypothese zu halten". Das ist wirklich gut, weil der freie Wille nicht meine Hypothese ist, sondern die Grundlage, auf der unsere Gesellschaft funktioniert. Wenn Du diese Grundlage in Frage stellst, wäre es doch wohl an Dir, Deine Hypothese zu beweisen.

Eine Hypothese übrigens, die auf einer Philosophie fußt (nämlich dem Determinismus), die eigentlich Deiner naturwissenschaftlichen Denkweise widersprechen müsste, da sie weder bewiesen noch widerlegt werden kann (deswegen nennt die Wikipedia sie auch "Philosophie" und nicht "Theorie").
--
Machen wir doch einfach mal ein Gedankenspiel und nehmen wir an, der freie Wille würde nicht existieren.

Wie müsste sich z.B. unsere Rechtsprechung ändern?

Der Begriff der Schuld ist in unserem jetzigen Rechtssystem die Grundlage für jede Strafe. Schuldig kann man aber nur sein, wenn ein freier Wille vorausgesetzt wird. Der freie Wille ist auch entscheidend für das Strafmaß. Wenn der freie Wille eingeschränkt war (z.B. durch Drogeneinfluss, Handlung im Affekt, usw.), dann wird die Strafe geringer ausfallen, als wenn von einer normalen Situation ausgegangen wird.

Wenn der freie Wille anerkanntermaßen nicht existieren würde, dann müsste man nach anderen Kriterien verurteilen. Begründung wäre dann vielleicht: Strafe als Abschreckung für andere.

Unterschiede würde es mE aber im Strafmaß geben müssen. Die Begriffe verminderte Schuldfähigkeit, Unzurechnungsfähigkeit, Vorsatz, niedere Motive oder Affekt dürften nicht mehr verwendet werden. Die Tat wäre ja passiert, ohne dass der Täter sie zu verantworten hat, ohne dass er die Möglichkeit hatte, Einfluss zu nehmen. Er würde eben deswegen bestraft, weil es gesellschaftlich opportun schiene.

Ich denke, die Begriffe "Mord" und "Totschlag" müssten auch aus unserer Sprache verschwinden. Übrig bliebe mE der Begriff "Tötung". Das Rechtssystem würde sehr viel einfacher werden. Man würde nicht mehr sagen: X wird des Mordes an Y schuldig gesprochen, sondern man würde vielleicht sagen: X wird zweifelsfrei die Tötung von Y zugeordnet. Die Motive spielen dann keine Rolle mehr (ohne freien Willen eben auch keine Motive), es gibt keine niederen oder höheren (z.B. Notwehr) Motive mehr. Die Tat ist eben passiert, weil sie passieren musste. Die Strafe für eine Tötung müsste dann für alle gleich ausfallen.

Ein solches Szenario würde ich als technokratisch bezeichnen. Eine technokratische Gesellschaft würde ich genauso unerträglich finden wie eine theokratische Gesellschaft.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Mautpreller
Ortograf



Anmeldungsdatum: 17.02.2005
Beiträge: 246

Beitrag(#273632) Verfasst am: 13.03.2005, 14:04    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Jeder, der denkt, sich entscheidet usw., erfährt <b>sich</b> ... als den Urheber dieses Gedankens, dieser Entscheidung usw. Jeder, der mit anderen interagiert, betrachtet <b>diese anderen</b> ... als Urheber ihrer Handlungen.

Werden bestimmte Hirnregionen elektrisch gereizt, so hebst Du den Arm und behauptest danach steif und fest, "Du" seist der Urheber dieser freien Entscheidung gewesen. Du erfindest sogar ein - offensichtlch falsches - Motiv für die Armhebung dazu. Wie erklärst Du das?

gruß/step

Ich hätte gern eine genaue Angabe dazu. Die Richtigkeit zunächst mal unterstellt, finde ich, dass zelig schon lange im Voraus (auf Seite 1 dieses langen Threads) die richtige Antwort gegeben hat:

zelig hat folgendes geschrieben:
Dies ist genau die Art von Freiheit, wie Dr. Lieschen Müller sie sich vorstellt.
Man braucht nur jemand an die Kette zu legen, dann hat man den Beweis, daß er nicht gehen kann.
Ist das nicht lächerlich?


Dass jemand sich Motive "zurecht erfindet", ist eine alltägliche und bereits recht alte Erfahrung. Es gilt ebenso, wenn jemand z.B. Gründe erfindet, eine (eigentlich) als notwendig angesehene Arbeit nicht zu machen. Das sind eben charakteristische Gesetze des Handelns im Ich, im Bewusstsein, im Denken, per Innensicht, Kommunikation und Reflexion seit langem beobachtet und erforscht. Sie sind nicht nur ungeeignet, eine brauchbare Willenstheorie zu widerlegen, sie sind noch nicht einmal ein taugliches Argument dagegen.
_________________
Die niederen Alkanthiole sind widerlich riechende Flüssigkeiten ohne besondere praktische Bedeutung (Lautenschläger u.a. 1987, Chemie - Fakten und Gesetze). --- Die Ärmsten!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#273650) Verfasst am: 13.03.2005, 14:54    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Für mich hat Moral nichts mit Religion zu tun und ich würde auch gerne das Thema Religion aus diesem Thread komplett heraushalten.

Von mir aus. Möchtest Du Ethik auch aus diesem thread heraushalten, also die Frage nach der Begründung von Werten?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... in dem Maße, in dem man versteht, daß Moral nicht gegeben ist, sondern genetische, soziobiologische, kulturelle, spieltheoretische Ursachen hat, müssen wir uns unserer Werte und deren Relativität stärker bewußt werden. Wir müssen, um Werten in der Gesellschaft eine gewisse Verbindlichkeit zu geben, ungewohnt utilitaristisch argumentieren.
Deinen Standpunkt würde ich als technokratisch bezeichnen.

Mal schauen, ob wir einen Standpunkt finden, der rational ist, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften nicht leugnet und dennoch nicht als technokratisch empfunden wird. Oder gibt es einen solchen dE gar nicht?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber warum mögliche Manipulationen ein Beweis gegen einen freien Willen sein soll, das müsstest Du doch noch etwas näher erklären, das kann ich nämlich nicht nachvollziehen.
Wenn dieselbe Handlung und dasselbe Gefühl des FW durch physiologische Einwirkung verursacht werden kann, ist ein zusätzlicher "echter" FW nicht mehr zur Erklärung eines Phänomens notwendig.
Soll das jetzt ein Beweis sein?

Was heißt schon Beweis, wir befinden uns ja nicht in einem formalen System. Aber ich würde schon sagen, in der Naturwissenschaft reicht oben gesagtes aus, um den "echten" FW in die Mottenkiste zu verbannen. Wenn ich Dir jetzt ähnliche Beispiele aus der Wissenschaftsgeschichte nenne, kommt aber sicher wieder so ein Spruch wie "Du weißt aber schon, daß das kein Beweis ist?"

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nochmal: Der freie Wille kann unbestritten auf vielfältigste Weise manipuliert werden (Stichworte: Hypnose, Drogeneinfluss, Stimulation von Gehirnbereichen, Propaganda, sozialer Druck usw.), das ist aber kein Beweis dafür, dass der freie Wille nicht existiert.

Doch. Das von mir genannte Experiment zeigt einigermaßen deutlich, daß die manipulierte Situation (in der es nur physiologische Prozesse gab) ab dem Entstehen des Hirnregionreizes hinreichend äquivalent zu der unmanipulierten Situation ist. Wer jetzt den FW noch retten will, muß sich wirklich was einfallen lassen, und nicht immer nur noch mehr Beweise fordern. Meines Wissens haben Vertreter eines echten FW vor dem Experiment sogar zugestimmt, daß es eine Widerlegung wäre, denn sie rechneten nicht damit, daß es funktioniert. Muß ich aber noch mal nachschauen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Um Deine Hypothese überhaupt zu halten, wäre es an Dir zu zeigen,

(i) warum dieselbe Handlung und dasselbe Gefühl des FW durch physiologische Einwirkung verursacht werden kann, obwohl es extra dafür angeblich einen eigenständigen FW gibt

(ii) für welche Phänomene ein eigenständiger FW als Erklärung notwendig ist.

"Um meine Hypothese zu halten". Das ist wirklich gut, weil der freie Wille nicht meine Hypothese ist, sondern die Grundlage, auf der unsere Gesellschaft funktioniert.

Ob diese Hypothese zu nichtwissenschaftlichen Zwecken benutzt wird, tut für ihre wissenschaftliche Beurteilung nichts zur Sache. Das ist nicht technokratisch, sondern ehrlich.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn Du diese Grundlage in Frage stellst, wäre es doch wohl an Dir, Deine Hypothese zu beweisen.

Die Wissenschaft hat vorgelegt, den FW zu widerlegen. Wie wir mit dieser Erkenntnis in der Gesellschaft umgehen, ist eine andere Frage. Wer das Ergebnis nicht akzeptiert, weil es gesellschaftliche Grundlagen erschüttert, ist Irrationalist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Eine Hypothese übrigens, die auf einer Philosophie fußt (nämlich dem Determinismus), die eigentlich Deiner naturwissenschaftlichen Denkweise widersprechen müsste, da sie weder bewiesen noch widerlegt werden kann (deswegen nennt die Wikipedia sie auch "Philosophie" und nicht "Theorie").

Du unterstellst mir fälschlicherweise, die naturwissenschaftliche Widerlegung des freien Willens fuße auf dem Determinismus. Das ist aber gar nicht der Fall. Das Experiment bleibt gültig, auch wenn man bspw. Indeterminist ist. Nirgendwo geht der Determinismus als Annahme hinein. Einzige Annahme ist die wissenschaftliche Methode.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Machen wir doch einfach mal ein Gedankenspiel und nehmen wir an, der freie Wille würde nicht existieren.

Wie müsste sich z.B. unsere Rechtsprechung ändern?

Der Begriff der Schuld ist in unserem jetzigen Rechtssystem die Grundlage für jede Strafe. Schuldig kann man aber nur sein, wenn ein freier Wille vorausgesetzt wird.

Genau. Jedes "absolute" Schuldkonzept müsste fallengelassen werden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Der freie Wille ist auch entscheidend für das Strafmaß. Wenn der freie Wille eingeschränkt war (z.B. durch Drogeneinfluss, Handlung im Affekt, usw.), dann wird die Strafe geringer ausfallen, als wenn von einer normalen Situation ausgegangen wird.

Auch das ist richtig, ich würde auch das Konzept "Strafe" fallenlassen, denn ohne Schuld keine Strafe.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn der freie Wille anerkanntermaßen nicht existieren würde, dann müsste man nach anderen Kriterien verurteilen. Begründung wäre dann vielleicht: Strafe als Abschreckung für andere.

Ja, das könnte man machen. Ich persönlich würde aber auch die Abschreckung noch zu vermeiden suchen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Unterschiede würde es mE aber im Strafmaß geben müssen. Die Begriffe verminderte Schuldfähigkeit, Unzurechnungsfähigkeit, Vorsatz, niedere Motive oder Affekt dürften nicht mehr verwendet werden. Die Tat wäre ja passiert, ohne dass der Täter sie zu verantworten hat, ohne dass er die Möglichkeit hatte, Einfluss zu nehmen. Er würde eben deswegen bestraft, weil es gesellschaftlich opportun schiene.

Hier gefällt mir die pejorative Formulierung nicht, obwohl ich im Prinzip zustimme: "Opportun" würde ich durch "notwendig und mit dem Grundwertekonsens kompatibel" oder sowas ersetzen. "Opportun" suggeriert, daß es notwendig mehr Mißbrauch gäbe als jetzt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich denke, die Begriffe "Mord" und "Totschlag" müssten auch aus unserer Sprache verschwinden. Übrig bliebe mE der Begriff "Tötung". Das Rechtssystem würde sehr viel einfacher werden. Man würde nicht mehr sagen: X wird des Mordes an Y schuldig gesprochen, sondern man würde vielleicht sagen: X wird zweifelsfrei die Tötung von Y zugeordnet. Die Motive spielen dann keine Rolle mehr (ohne freien Willen eben auch keine Motive), es gibt keine niederen oder höheren (z.B. Notwehr) Motive mehr. Die Tat ist eben passiert, weil sie passieren musste. Die Strafe für eine Tötung müsste dann für alle gleich ausfallen.

Hier trennen sich unsere Gedankenwege, mE schüttest Du hier aus Unkenntnis über bestimmte Aspekte von Ethiken das Kind mit dem Bade aus. Eine Gesellschaft bildet immer auch spieltheoretische Mechanismen aus, z.B. indirekte Reziprozität. Das Hauptziel im Zusammenhang mit Verstößen gegen die vereinbarten Kooperationswerte muß sein, die Gemeinschaft zu schützen. Gleichzeitig möchte aber auch jeder Einzelne vor Willkür und Machtmißbrauch geschützt sein. Die primäre Strategie könnte also dahin gehen,

- durch physiologische, genetische, pädagogische Techniken vorsichtig vorzubeugen
- Wiederholungstaten zu vermeiden, etwa durch elektronische Fußfesseln, notfalls durch Wegschluß.
- anstelle von Schuld und Strafe träten bspw. ihr aufgeklärtes Pendant, der Opfer-Täter-Ausgleich. Dieser kann natürlich oft nicht komplett erfolgen (etwa bei Mord), stellt aber mE einen wesentlichen Aspekt im Zusammenleben dar.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein solches Szenario würde ich als technokratisch bezeichnen. Eine technokratische Gesellschaft würde ich genauso unerträglich finden wie eine theokratische Gesellschaft.

Ich sehe das eher als Chance / Risiko - Abwägung. Und ob eine Gesellschaft mit absolutem Schuld- und Strafkonzept menschenwürdiger ist?

gruß/step
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#273651) Verfasst am: 13.03.2005, 14:55    Titel: Antworten mit Zitat

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Sie sind nicht nur ungeeignet, eine brauchbare Willenstheorie zu widerlegen, sie sind noch nicht einmal ein taugliches Argument dagegen.

So ist es.
Übrigens zeigt die Vorstellung, der Proband möge doch bitte aus sich heraus erkennen, daß die Bewegung, die sein Arm gerade ausführt -und das womöglich in einer Situation, in der er mit geöffnetem Schädel daliegt- nicht Ausdruck der eigenen Entscheidung, sondern einzig Folge einer elektrischen Stimulation sei, eine gewisse Beschränktheit des Menschenbildes.
Eines, welches in behavioristischer Weise den Mensch zu einer Turingmaschine reduzieren möchte.

Der Punkt wäre doch, ob der Proband nach Aufklärung darauf beharrt, daß die Bewegung selbstbestimmt war. Und das ist der Punkt, an dem Dr. Roth (hiess der Hirnforscher so?) ebensowenig Einsichtsfähigkeit zeigt, wie jemand der die Fremdbestimmung nicht akzeptieren kann:
Der Ganze Vorgang war absehbar, und zwar bereits als Vorstellung deren materielle Basis unter anderem das Gehirn von Dr. Roth bildet.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#273660) Verfasst am: 13.03.2005, 15:15    Titel: Antworten mit Zitat

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Werden bestimmte Hirnregionen elektrisch gereizt, so hebst Du den Arm und behauptest danach steif und fest, "Du" seist der Urheber dieser freien Entscheidung gewesen. Du erfindest sogar ein - offensichtlch falsches - Motiv für die Armhebung dazu. Wie erklärst Du das?
... Die Richtigkeit zunächst mal unterstellt, finde ich, dass zelig schon lange im Voraus (auf Seite 1 dieses langen Threads) die richtige Antwort gegeben hat:
zelig hat folgendes geschrieben:
Dies ist genau die Art von Freiheit, wie Dr. Lieschen Müller sie sich vorstellt. Man braucht nur jemand an die Kette zu legen, dann hat man den Beweis, daß er nicht gehen kann. Ist das nicht lächerlich?

Das ist überhaupt keine inhaltliche Antwort, sondern ein rein rhetorischer Gegentritt, wenn man keine Argumente hat. Falsche Analogie (Kette), Heruntermachen des Gegners (Lieschen Müller). Deswegen ignorierte ich das auch.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Dass jemand sich Motive "zurecht erfindet", ist eine alltägliche und bereits recht alte Erfahrung. Es gilt ebenso, wenn jemand z.B. Gründe erfindet, eine (eigentlich) als notwendig angesehene Arbeit nicht zu machen. Das sind eben charakteristische Gesetze des Handelns im Ich, im Bewusstsein, im Denken, per Innensicht, Kommunikation und Reflexion seit langem beobachtet und erforscht. Sie sind nicht nur ungeeignet, eine brauchbare Willenstheorie zu widerlegen, sie sind noch nicht einmal ein taugliches Argument dagegen.

Strohmann. Die Widerlegung besteht nicht in der Dazuerfindung des Motivs.

zelig hat folgendes geschrieben:
Übrigens zeigt die Vorstellung, der Proband möge doch bitte aus sich heraus erkennen, daß die Bewegung, die sein Arm gerade ausführt - und das womöglich in einer Situation, in der er mit geöffnetem Schädel daliegt - nicht Ausdruck der eigenen Entscheidung, sondern einzig Folge einer elektrischen Stimulation sei, eine gewisse Beschränktheit des Menschenbildes. Eines, welches in behavioristischer Weise den Mensch zu einer Turingmaschine reduzieren möchte.

So ein Unsinn! Es geht doch nicht darum, daß der Proband aus sich heraus erkennt, daß er keinen freien Willen hat, sondern daß der Wissenschaftler das erkennt. ((Und daß 10 - 1000 Jahre später auch Mystiker uns sonstige Irrationalisten es einsehen.))

zelig hat folgendes geschrieben:
Der Punkt wäre doch, ob der Proband nach Aufklärung darauf beharrt, daß die Bewegung selbstbestimmt war. Und das ist der Punkt, an dem Dr. Roth (hiess der Hirnforscher so?) ebensowenig Einsichtsfähigkeit zeigt, wie jemand der die Fremdbestimmung nicht akzeptieren kann: Der Ganze Vorgang war absehbar, und zwar bereits als Vorstellung deren materielle Basis unter anderem das Gehirn von Dr. Roth bildet.

Deswegen fordert ja auch Uri Geller, daß beim Löffelverbiegen keiner genau hinschauen darf. Dann klappt es besser. Herzlichen Glüchwunsch zu diesem völlig unlogischen Einwand.

Sacht ma, habt ihr alle Gehirnpilz oder was ???

Eh ich aber jetzt noch ausraste, diskutiert halt alleine weiter.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#273676) Verfasst am: 13.03.2005, 15:51    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

ich bedaure wenn das so angekommen ist. Es liegt mir fern jemanden runterzumachen und würde micht freuen, wenn wir den Ton wieder entschärfen könnten.
Mein "Dr. Lieschen Müller" bezog sich auf auf die Formulierung in der SZ. Und so wie sie dahsteht
Zitat:
"Wir tun nicht was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun."
Zahlreiche spätere Experimente kamen zu dem gleichen Ergebnis, berichtete Gerhard Roth anschließend. Diese gehen so weit, dass es schon gelungen sei, einer Versuchsperson mittels eines Reizes in einer bestimmten Hirnregion dazu zu zwingen, den Arm zu bewegen, und die Versuchsperson ist anschließend der sicheren Überzeugung, sie habe den Arm aus freiem Willen bewegt.
zeigt sie meiner Meinung nach tatsächlich eine Art intellektuelle Unbedarftheit.
Das geht nicht gegen Deine Argumente, schon gar nicht gegen den User step. Nochmals: sorry, wenn es so ankam.
Eventuell haben wir aber ein anderes Problem, welches mit der Wertigkeit (sagt man das so?) von Begriffen zusammenhängt. Ich war beispielsweise über Deinen Vorwurf, ich würde unredlich diskutieren einigermassen entsetzt und hatte mir voregenommen auf Deine Beiträge gar nicht mehr zu reagieren. Das lässt sich natürlich nur verstehen, wenn man weiß, für wie bedeutend ich Redlichkeit halte. Und daß ich eben versuche eben immer möglichst redlich zu argumentieren. Ich kann natürlich oft daneben liegen. Aber ich mag keine Sophisterei, und ich mag keine Unredlichkeit.

Grüße
zelig

Nachtrag: Dies ist keine Retourkutsche.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#273722) Verfasst am: 13.03.2005, 17:52    Titel: Antworten mit Zitat

Hi zelig,

zelig hat folgendes geschrieben:
... und würde micht freuen, wenn wir den Ton wieder entschärfen könnten.

Versuchen wirs.

zelig hat folgendes geschrieben:
Mein "Dr. Lieschen Müller" bezog sich auf auf die Formulierung in der SZ. Und so wie sie dahsteht
Zitat:
"Wir tun nicht was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun." Zahlreiche spätere Experimente kamen zu dem gleichen Ergebnis, berichtete Gerhard Roth anschließend. Diese gehen so weit, dass es schon gelungen sei, einer Versuchsperson mittels eines Reizes in einer bestimmten Hirnregion dazu zu zwingen, den Arm zu bewegen, und die Versuchsperson ist anschließend der sicheren Überzeugung, sie habe den Arm aus freiem Willen bewegt."

zeigt sie meiner Meinung nach tatsächlich eine Art intellektuelle Unbedarftheit. Das geht nicht gegen Deine Argumente, schon gar nicht gegen den User step. Nochmals: sorry, wenn es so ankam.

ok. Welche "intellektuelle Unbedarftheit" meinst Du dann? Die einzige, die ich für möglich halte, ist, daß er sich mglw. wenig Gedanken über die gesellschaftlichen Folgen macht. Aber das wissen wir nicht, und es wäre auch nicht gut, wenn er das als Wissenschaftler vermischen würde. Es geht darum, ob man irgendwelche Phänomene, die uns auf den ersten Blick als FW erscheinen, nicht durch naturgesetzliche Gegebenheiten (+ evtl. echter Zufall) erklären kann.

zelig hat folgendes geschrieben:
Eventuell haben wir aber ein anderes Problem, welches mit der Wertigkeit (sagt man das so?) von Begriffen zusammenhängt. Ich war beispielsweise über Deinen Vorwurf, ich würde unredlich diskutieren einigermassen entsetzt und hatte mir voregenommen auf Deine Beiträge gar nicht mehr zu reagieren. Das lässt sich natürlich nur verstehen, wenn man weiß, für wie bedeutend ich Redlichkeit halte. Und daß ich eben versuche eben immer möglichst redlich zu argumentieren. Ich kann natürlich oft daneben liegen. Aber ich mag keine Sophisterei, und ich mag keine Unredlichkeit.

Ich bin mir nicht mehr sicher, worauf genau sich mein Vorwurf bezog, vermutlich ist mir eine ganz konkrete Diskussionstaktik so erschienen. Vielleicht war mein Vorwurf ebenfalls unredlich.

Um sowas zu vermeiden, solten wir meines Erachtens Fakten sprechen lassen, und wem die nicht ausreichen, der sollte sie anhand seines konkreten Gegenkonzeptes erläutern, für dieses Fakten anführen, am besten auch hypothetische Tests, die zwischen den konkurriereden Hypothesen diskriminieren, also eine davon falsifizieren würden.

Also: Wie kann eine relativ unspezifische Hirnreizung nicht nur die Aktion, sondern dasselbe Gefühl des Gewollthabens hervorrufen wie im Normalfall? Wo in oder außerhalb dieser Kette sitzt der freie Wille, woraus besteht er und wie könnte man ihn auf eine Weise nachweisen, die das reduktionistische Konzept widerlegen würde?

gruß/step
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Schmerzlos
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.08.2003
Beiträge: 4554

Beitrag(#273723) Verfasst am: 13.03.2005, 18:21    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Seele ist keineswegs ein "mystisches" Konzept.


- Aber ein "Konzept". fool

Ja. Na und?


- Lachen

Eine Erfindung, bzw. Vorstellung; "Schöpfung"(dem Wortsinn nach). zwinkern
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44216

Beitrag(#273737) Verfasst am: 13.03.2005, 19:02    Titel: Antworten mit Zitat

Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Seele ist keineswegs ein "mystisches" Konzept.


- Aber ein "Konzept". fool

Ja. Na und?


- Lachen

Eine Erfindung, bzw. Vorstellung; "Schöpfung"(dem Wortsinn nach). zwinkern


So wie die Sprache. zwinkern
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#273743) Verfasst am: 13.03.2005, 19:13    Titel: Antworten mit Zitat

Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Seele ist keineswegs ein "mystisches" Konzept.

- Aber ein "Konzept". fool

Ja. Na und?

- Lachen
Eine Erfindung, bzw. Vorstellung; "Schöpfung"(dem Wortsinn nach). zwinkern

Ja. Na und? Seele ist ein Konzept, eine Vorstellung, eine Schöpfung des Menschen. Was daran so lustig ist, bleibt mir leider schleierhaft. Vielleicht könnte ich es verstehen, wenn Du nicht so wortfaul wärest und versuchen würdest, mir Unwissendem die Intention Deiner Telegramme zu erklären.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#273744) Verfasst am: 13.03.2005, 19:13    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Also: Wie kann eine relativ unspezifische Hirnreizung nicht nur die Aktion, sondern dasselbe Gefühl des Gewollthabens hervorrufen wie im Normalfall?

Ich denke, das ist einfach ein bekanntes psychologisches Phänomen: Menschen versuchen immer, Geschehnisse in ihr Weltbild einzuordnen. Man kennt es einfach nur so: mein Arm hebt sich nicht von alleine, ich muss mir erst überlegen, das zu tun. Hebt sich der Arm nun doch von alleine (bzw. nicht wegen meines Willens, sondern wegen eines elektrischen Impulses im Gehirn), dann passt das erst mal nicht in mein gewohntes Weltbild und ich bilde mir ein, ich hätte es selber gewollt.

Kleiner Exkurs: Es gibt ein anderes Experiment (hab ich neulich erst gelesen, weiß leider nicht mehr, wo), in dem Probanden mehrere Knöpfe einer Maschine drücken müssen. Diese Knöpfe sind funktionslos. Es gibt eine Lämpchen, das von außerhalb zum Leuchten gebracht werden kann. Den Probanden wird erzählt, eine bestimmte Reihenfolge des Knopfdrückens würde das Lämpchen zum Leuchten bringen. Die Probanden probieren also verschiedene Kombinationen aus; am Anfang wird das Lämpchen zufällig zum Leuchten gebracht, dann eine Weile gar nicht und am Ende dann jedesmal, wenn die Probanden auf die Knöpfe drücken. Alle Probanden waren am Ende des Experimentes felsenfest davon überzeugt, die richtige Reihenfolge herausgefunden zu haben und dadurch die Lampe zum Leuchten gebracht zu haben. Als man ihnen erzählte, dass die Knöpfe nicht angeschlossen seien, wollten sie das erst überhaupt nicht glauben. Sie glaubten eher, dass der Versuchsleiter getäuscht worden sei und sie Recht hätten. Erst als sie sahen, dass von den Knöpfen keine Kabel abgingen, glaubten sie es.

Das Experiment, das Du beschrieben hast, ist mE nicht vollständig. Man muss den Versuch mit demselben Probanden mehrmals durchführen und ihm erzählen, wie das mit dem elektrischen Impuls zustande kommt. Interessant wäre dann, ob er nach ein paar Sitzungen erkennen könnte, ob sein Armheben durch einen elektrischen Impuls oder durch seinen Entschluss verursacht worden wäre.

Aber selbst wenn er das nicht erkennen könnte, wäre es kein Beweis gegen den freien Willen. Es wäre lediglich der Nachweis, dass Menschen beeinflusst werden können.

step hat folgendes geschrieben:
Wo in oder außerhalb dieser Kette sitzt der freie Wille, woraus besteht er und wie könnte man ihn auf eine Weise nachweisen, die das reduktionistische Konzept widerlegen würde?

Der freie Wille sitzt natürlich vor der Aktion. Woraus er besteht, wie er entsteht und wie er nachgewiesen werden kann, das weiss ich nicht (und die Wissenschaft auch nicht).

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Für mich hat Moral nichts mit Religion zu tun und ich würde auch gerne das Thema Religion aus diesem Thread komplett heraushalten.

Von mir aus. Möchtest Du Ethik auch aus diesem thread heraushalten, also die Frage nach der Begründung von Werten?

Nein, natürlich nicht. Wie kommst Du darauf?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Deinen Standpunkt würde ich als technokratisch bezeichnen.

Mal schauen, ob wir einen Standpunkt finden, der rational ist, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften nicht leugnet und dennoch nicht als technokratisch empfunden wird. Oder gibt es einen solchen dE gar nicht?

Doch, den gibt's. Meinen. zwinkern

step hat folgendes geschrieben:
Die Wissenschaft hat vorgelegt, den FW zu widerlegen. Wie wir mit dieser Erkenntnis in der Gesellschaft umgehen, ist eine andere Frage. Wer das Ergebnis nicht akzeptiert, weil es gesellschaftliche Grundlagen erschüttert, ist Irrationalist.

Letzter Satz: OK. Der Beweis wird aber nicht akzeptiert.

step hat folgendes geschrieben:
Nirgendwo geht der Determinismus als Annahme hinein.

OK, lassen wir den mal beiseite.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich denke, die Begriffe "Mord" und "Totschlag" müssten auch aus unserer Sprache verschwinden. Übrig bliebe mE der Begriff "Tötung". Das Rechtssystem würde sehr viel einfacher werden. Man würde nicht mehr sagen: X wird des Mordes an Y schuldig gesprochen, sondern man würde vielleicht sagen: X wird zweifelsfrei die Tötung von Y zugeordnet. Die Motive spielen dann keine Rolle mehr (ohne freien Willen eben auch keine Motive), es gibt keine niederen oder höheren (z.B. Notwehr) Motive mehr. Die Tat ist eben passiert, weil sie passieren musste. Die Strafe für eine Tötung müsste dann für alle gleich ausfallen.

Hier trennen sich unsere Gedankenwege, mE schüttest Du hier aus Unkenntnis über bestimmte Aspekte von Ethiken das Kind mit dem Bade aus.

Danke.
step hat folgendes geschrieben:
Eine Gesellschaft bildet immer auch spieltheoretische Mechanismen aus, z.B. indirekte Reziprozität.

Das sagt mir garnichts.

step hat folgendes geschrieben:
Das Hauptziel im Zusammenhang mit Verstößen gegen die vereinbarten Kooperationswerte muß sein, die Gemeinschaft zu schützen. Gleichzeitig möchte aber auch jeder Einzelne vor Willkür und Machtmißbrauch geschützt sein. Die primäre Strategie könnte also dahin gehen,

- durch physiologische, genetische, pädagogische Techniken vorsichtig vorzubeugen

Das wird heute (mit Ausnahme der Genetik Verwundert) auch getan
step hat folgendes geschrieben:
- Wiederholungstaten zu vermeiden, etwa durch elektronische Fußfesseln, notfalls durch Wegschluß.

das ebenfalls
step hat folgendes geschrieben:
- anstelle von Schuld und Strafe träten bspw. ihr aufgeklärtes Pendant, der Opfer-Täter-Ausgleich. Dieser kann natürlich oft nicht komplett erfolgen (etwa bei Mord), stellt aber mE einen wesentlichen Aspekt im Zusammenleben dar.

Das allerdings ist neu. Wie soll das gehen? Du sagst ja selber, dass es bei Mord (diesen Begriff kann es wie gesagt nicht mehr geben, es muss Tötung heißen) nicht möglich ist. Wie soll der Ausgleich z.B. bei Vergewaltigung erfolgen?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein solches Szenario würde ich als technokratisch bezeichnen. Eine technokratische Gesellschaft würde ich genauso unerträglich finden wie eine theokratische Gesellschaft.

Ich sehe das eher als Chance / Risiko - Abwägung. Und ob eine Gesellschaft mit absolutem Schuld- und Strafkonzept menschenwürdiger ist?

Nun, das ist das Konzept, das wir haben, kennen und abschätzen können.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Schmerzlos
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.08.2003
Beiträge: 4554

Beitrag(#273751) Verfasst am: 13.03.2005, 19:23    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Seele ist keineswegs ein "mystisches" Konzept.


- Aber ein "Konzept". fool

Ja. Na und?


- Lachen

Eine Erfindung, bzw. Vorstellung; "Schöpfung"(dem Wortsinn nach). zwinkern


So wie die Sprache. zwinkern


- Wenn Du jetzt noch nen "Anfang"(ein Wort) daraus machen willst... Cool
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Schmerzlos
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.08.2003
Beiträge: 4554

Beitrag(#273753) Verfasst am: 13.03.2005, 19:30    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Seele ist keineswegs ein "mystisches" Konzept.

- Aber ein "Konzept". fool

Ja. Na und?

- Lachen
Eine Erfindung, bzw. Vorstellung; "Schöpfung"(dem Wortsinn nach). zwinkern

Ja. Na und?


- Vielleicht ist Dir das Wort Fiktion oder Illusion lieber.
Das schmeckt aber sehr vielen Leuten nicht,
weil es ihre gewohnte Realtitätswelt ins
beben bringt. Wohingegen das Wort
"Erscheinungswelt" den meisten
wohl besser mundet - also im
Gegensatz zu "Scheinwelt".

Zitat:
Seele ist ein Konzept, eine Vorstellung, eine Schöpfung des Menschen. Was daran so lustig ist, bleibt mir leider schleierhaft.


- Wenn Du herausgefunden hast, was alles ein "Konzept" ist,
können wir darüber reden.

Zitat:
Vielleicht könnte ich es verstehen, wenn Du nicht so wortfaul wärest und versuchen würdest, mir Unwissendem die Intention Deiner Telegramme zu erklären.


Weltanschauung ist nichts anderes als unser Sprachschatz.
Sprachschatz ist nichts anderes als unser Gedächnis.
Und umgekehrt.

Urteile haben daher alle was tautologisches.

Die Welt die ihre Begriffe "spinnt".
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
pyrrhon
registrierter User



Anmeldungsdatum: 22.05.2004
Beiträge: 8770

Beitrag(#273756) Verfasst am: 13.03.2005, 19:33    Titel: Antworten mit Zitat

Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
- Vielleicht ist Dir das Wort Fiktion oder Illusion lieber.
Das schmeckt aber sehr vielen Leuten nicht,
weil es ihre gewohnte Realtitätswelt ins
beben bringt. Wohingegen das Wort
"Erscheinungswelt" den meisten
wohl besser mundet - also im
Gegensatz zu "Scheinwelt".

Lachen Zustimmung Daumen hoch!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#273763) Verfasst am: 13.03.2005, 19:41    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Also: Wie kann eine relativ unspezifische Hirnreizung nicht nur die Aktion, sondern dasselbe Gefühl des Gewollthabens hervorrufen wie im Normalfall?

Ich denke, das ist einfach ein bekanntes psychologisches Phänomen: Menschen versuchen immer, Geschehnisse in ihr Weltbild einzuordnen. Man kennt es einfach nur so: mein Arm hebt sich nicht von alleine, ich muss mir erst überlegen, das zu tun. Hebt sich der Arm nun doch von alleine (bzw. nicht wegen meines Willens, sondern wegen eines elektrischen Impulses im Gehirn), dann passt das erst mal nicht in mein gewohntes Weltbild und ich bilde mir ein, ich hätte es selber gewollt.

Moment mal. Die Frage war ja gar nicht, wie es kommt, daß wir uns das Gewollthaben einbilden. Sondern woraus Du schließt, daß es sich - trotz desselben Gefühls und sonstigen Ablaufs - im nichtgereizten Fall plötzlich nicht um dieses "bekannte psychologische Phänomen" handelt. Immerhin hast Du (oder war es mautpreller?) vor kurzer Zeit noch genau so argumentiert, daß es offensichtlich einen freien Willen gebe, weil wir uns entscheidungsfrei fühlen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das Experiment, das Du beschrieben hast, ist mE nicht vollständig. Man muss den Versuch mit demselben Probanden mehrmals durchführen und ihm erzählen, wie das mit dem elektrischen Impuls zustande kommt. Interessant wäre dann, ob er nach ein paar Sitzungen erkennen könnte, ob sein Armheben durch einen elektrischen Impuls oder durch seinen Entschluss verursacht worden wäre.

Ja, das wäre interessant. Es würde darüber Aufschluß geben, ob die Wahrnehmung das Geschehen entmystifizieren kann oder nicht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Aber selbst wenn er das nicht erkennen könnte, wäre es kein Beweis gegen den freien Willen. Es wäre lediglich der Nachweis, dass Menschen beeinflusst werden können.

Wieso schlägst DU es dann vor? Ich warte also weiter auf ein experimentum crucis, das Dich überzeugen würde, daß also bei Deiner Hypothese so und bei meiner anders ausgehen muß.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wo in oder außerhalb dieser Kette sitzt der freie Wille, woraus besteht er und wie könnte man ihn auf eine Weise nachweisen, die das reduktionistische Konzept widerlegen würde?
Der freie Wille sitzt natürlich vor der Aktion.

Sitzt er vor der (im Experiment etwas grob nachgestellten) Hirnreizung?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Woraus er besteht, wie er entsteht und wie er nachgewiesen werden kann, das weiss ich nicht (und die Wissenschaft auch nicht).

Du hast also gar keine Theorie? Was hast Du dann der Theorie entgegenzusetzen, daß der FW nur eine Illusion sei, die im Nachhinein gebastelt wird (dem "bekannten psychologischen Phänomen")?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Eine Gesellschaft bildet immer auch spieltheoretische Mechanismen aus, z.B. indirekte Reziprozität.
Das sagt mir garnichts.

So nennt man es, wenn jemand etwas nicht deshalb tut, weil er dafür von jemand direkt etwas bekommt, sondern z.B. um damit Kooperationsbereitschaft und Verläßlichkeit zu signalisieren - was ihm indirekt nutzt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Vorbeugung ... Wiederholung vermeiden ... Opferausgleich ...
Das wird heute (mit Ausnahme der Genetik Verwundert) auch getan

Ja klar. Und? Es ging doch darum, welche Begründungen und Techniken noch bleiben, wenn die absolute Schuld fehlt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein solches Szenario würde ich als technokratisch bezeichnen. Eine technokratische Gesellschaft würde ich genauso unerträglich finden wie eine theokratische Gesellschaft.
Ich sehe das eher als Chance / Risiko - Abwägung. Und ob eine Gesellschaft mit absolutem Schuld- und Strafkonzept menschenwürdiger ist?
Nun, das ist das Konzept, das wir haben, kennen und abschätzen können.

Was nicht heißt, das es besser ist. Aber es taugt eh nicht mehr, denn wir haben ein weiteres Mal vom Baum der Erkenntnis gegessen und können es nicht mehr ernst nehmen, ohne unser Hirn vorher auszuschalten. Jedenfalls gilt das für mich.

gruß/step
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#273774) Verfasst am: 13.03.2005, 20:16    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Immerhin hast Du (oder war es mautpreller?) vor kurzer Zeit noch genau so argumentiert, daß es offensichtlich einen freien Willen gebe, weil wir uns entscheidungsfrei fühlen.

Das kann natürlich nur so lange gelten, bis das Gegenteil bewiesen ist. Wenn das Gegenteil in einem (Sonder-) Fall bewiesen ist, ist das jedoch, wie schon mehrfach gesagt, kein Beweis für alle anderen Fälle.

step hat folgendes geschrieben:
Wieso schlägst DU es dann vor?

Weil es mich interessieren würde.

step hat folgendes geschrieben:
Ich warte also weiter auf ein experimentum crucis, das Dich überzeugen würde, daß also bei Deiner Hypothese so und bei meiner anders ausgehen muß.

Der freie Wille ist ein philosophisches Problem. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass er naturwissenschaftlich nachgewiesen oder widerlegt werden kann. Der einzige Beweis gegen einen freien Willen wäre mE die zuverlässige Vorhersage aller Handlungen von Menschen.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Woraus er besteht, wie er entsteht und wie er nachgewiesen werden kann, das weiss ich nicht (und die Wissenschaft auch nicht).

Du hast also gar keine Theorie? Was hast Du dann der Theorie entgegenzusetzen, daß der FW nur eine Illusion sei, die im Nachhinein gebastelt wird (dem "bekannten psychologischen Phänomen")?

Die Theorie, dass der freie Wille existiert.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Vorbeugung ... Wiederholung vermeiden ... Opferausgleich ...
Das wird heute (mit Ausnahme der Genetik Verwundert) auch getan

Ja klar. Und? Es ging doch darum, welche Begründungen und Techniken noch bleiben, wenn die absolute Schuld fehlt.

Wieso sagst Du jetzt "absolute" Schuld? Wenn kein freier Wille existiert, dann existiert auch keine Schuld und auch keine Verantwortung für die eigenen Taten.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein solches Szenario würde ich als technokratisch bezeichnen. Eine technokratische Gesellschaft würde ich genauso unerträglich finden wie eine theokratische Gesellschaft.
Ich sehe das eher als Chance / Risiko - Abwägung. Und ob eine Gesellschaft mit absolutem Schuld- und Strafkonzept menschenwürdiger ist?
Nun, das ist das Konzept, das wir haben, kennen und abschätzen können.

Was nicht heißt, das es besser ist. [...]

Nein, das heißt nicht, dass es besser ist. Aber es könnte eben auch viel schlimmer kommen. Das Problem ist, dass etwas an die Stelle unseres heutigen Konzeptes von "Schuld" und "Verantwortung" und "Gewissen" gesetzt werden muss. Und da sehe ich noch nicht, wie das gehen kann.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#273778) Verfasst am: 13.03.2005, 20:21    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

SZ hat folgendes geschrieben:
"Wir tun nicht was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun." Zahlreiche spätere Experimente kamen zu dem gleichen Ergebnis, berichtete Gerhard Roth anschließend. Diese gehen so weit, dass es schon gelungen sei, einer Versuchsperson mittels eines Reizes in einer bestimmten Hirnregion dazu zu zwingen, den Arm zu bewegen, und die Versuchsperson ist anschließend der sicheren Überzeugung, sie habe den Arm aus freiem Willen bewegt."


step hat folgendes geschrieben:
ok. Welche "intellektuelle Unbedarftheit" meinst Du dann? Die einzige, die ich für möglich halte, ist, daß er sich mglw. wenig Gedanken über die gesellschaftlichen Folgen macht. Aber das wissen wir nicht, und es wäre auch nicht gut, wenn er das als Wissenschaftler vermischen würde.

Da bin ich absolut Deiner Meinung. Zunächst mal müssen wir beschreiben was wir sehen. Und erst dann können wir Schlußfolgerungen ziehen.

step hat folgendes geschrieben:
Es geht darum, ob man irgendwelche Phänomene, die uns auf den ersten Blick als FW erscheinen, nicht durch naturgesetzliche Gegebenheiten (+ evtl. echter Zufall) erklären kann.

Ich glaube hier fangen schon unsere Schwierigkeiten an.
Wenn ich mich richtig erinnere, dann hast Du mal auf meine Frage, was denn nun eigentlich unter Freiheit, Wille und Freier Wille zu verstehen sei geantwortet, daß es sowas eigentlich gar nicht gibt. Meiner Meinung nach operierst Du also mit einem Begriff, der vor jeder Begriffsklärung bereits leer ist.
Dagegen versuche ich den Freien Willen gegen eine entscheidende falsche Vorstellung in Schutz zu nehmen, die ich aus dem SZ-Zitat herauslese. Und diese falsche Vorstellung ist es auch, um die hier in der Regel gestritten wird. Sie wird durch die Ketten-Analogie, welche Du als falsch bezeichnest verdeutlicht.
Diese falsche Vorstellung besagt:
Wer den Freien Willen postuliert, der behauptet auch, daß man Kraft seines Willens gegen Naturgesetze verstoßen kann.
Das Gehirn-Experiment hebelt aber genau diese Vorstellung aus. Diese Vorstellung ist -entschuldige, ich mein es nicht bös- eher schlicht. So schlicht wie meine Analogie es zeigt.
Daß ein gefesselter Mensch sich nicht bewegen kann, bedeutet nicht, daß er ohne Fesseln nicht laufen kann. Aber genau das, und nicht mehr wird durch das Experiment gezeigt. Es ist untauglich ein metaphysisches Konzept zu widerlegen. Wir haben das vor längerer Zeit mal ausgefochten, meine ich. suchen....

step hat folgendes geschrieben:
Um sowas zu vermeiden, solten wir meines Erachtens Fakten sprechen lassen, und wem die nicht ausreichen, der sollte sie anhand seines konkreten Gegenkonzeptes erläutern,

Ist es unhöflich, wenn ich Dich auf die damalige Diskussion verweise?
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=181432#181432
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=181568#181568
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=181612#181612
Ich finde wir haben die wichtigen Punkte damals ziemlich gut herausgearbeitet.
step hat folgendes geschrieben:
am besten auch hypothetische Tests, die zwischen den konkurriereden Hypothesen diskriminieren, also eine davon falsifizieren würden.

Ich bin da nicht so theoriesicher. Aber wie soll das funktionieren? Bist Du so offen, Dein Konzept hier aufzugeben? Hier, wegen unserer Diskussion? Damals waren wir in der Lage - kam mir zumindest so vor- dem anderen sein Konzept zu lassen.

step hat folgendes geschrieben:
Also: Wie kann eine relativ unspezifische Hirnreizung nicht nur die Aktion, sondern dasselbe Gefühl des Gewollthabens hervorrufen wie im Normalfall?

Ich habe damit kein Problem. Dieses Gefühl ist eine Selbsttäuschung, welche als spontane Reaktion geradezu notwendig ist um die Unversehrtheit des Ich aufrechtzuerhalten.

Grüße
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narziss
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#273779) Verfasst am: 13.03.2005, 20:27    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Der freie Wille ist ein philosophisches Problem. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass er naturwissenschaftlich nachgewiesen oder widerlegt werden kann. Der einzige Beweis gegen einen freien Willen wäre mE die zuverlässige Vorhersage aller Handlungen von Menschen.
Hat das Wetter denn einen freien Willen, nur weil wir es nicht komplett vorherberechnen können?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#273781) Verfasst am: 13.03.2005, 20:29    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich warte also weiter auf ein experimentum crucis, das Dich überzeugen würde, daß also bei Deiner Hypothese so und bei meiner anders ausgehen muß.
Der freie Wille ist ein philosophisches Problem. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass er naturwissenschaftlich nachgewiesen oder widerlegt werden kann.

Dann wird sich die Naturwissenschaft zurecht erlauben, ihn als nicht real bzw. als reduziert zu betrachten. Daß Philosophen mit einem Konzept ein Problem haben (oder ohne eines hätten), reicht nicht aus.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Vorbeugung ... Wiederholung vermeiden ... Opferausgleich ...
Das wird heute (mit Ausnahme der Genetik Verwundert) auch getan
Ja klar. Und? Es ging doch darum, welche Begründungen und Techniken noch bleiben, wenn die absolute Schuld fehlt.
Wieso sagst Du jetzt "absolute" Schuld? Wenn kein freier Wille existiert, dann existiert auch keine Schuld und auch keine Verantwortung für die eigenen Taten.

"Absolute" Schuld sage ich, weil man natürlich dennoch relative Schuldkonzepte definieren könnte, etwa eine Hypothek bei der Bank oder wenn man in jemandes Schuld steht. Verantwortung gibt es weiterhin, allerdings nicht als Eigenschaft einer Person, sondern als nur Zumessung durch die Anderen. Man kann jemand die Verantwortung übertragen, er hat sie dann in dem Sinne, daß die anderen etwas bestimmtes von ihm erwarten.

gruß/step
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Schmerzlos
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.08.2003
Beiträge: 4554

Beitrag(#273789) Verfasst am: 13.03.2005, 21:07    Titel: Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Der freie Wille ist ein philosophisches Problem. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass er naturwissenschaftlich nachgewiesen oder widerlegt werden kann. Der einzige Beweis gegen einen freien Willen wäre mE die zuverlässige Vorhersage aller Handlungen von Menschen.
Hat das Wetter denn einen freien Willen, nur weil wir es nicht komplett vorherberechnen können?


- Sofern Du davon ausgehst von der Natur getrennt zu sein...
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Schmerzlos
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.08.2003
Beiträge: 4554

Beitrag(#273791) Verfasst am: 13.03.2005, 21:09    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube in diesem "Thread" ist das Wort "Zirkelschluß" noch nicht angekommen. zwinkern
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Weltanschauungen und Religionen Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 8, 9, 10 ... 24, 25, 26  Weiter
Seite 9 von 26

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group