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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#138306) Verfasst am: 14.06.2004, 01:03 Titel: |
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Hi Martin,
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
ja. Aber es gibt auch Befunde, die ID ausschließen würden (zumindest nach Meinung der ID-ler, ich kann das aber nicht nachvollziehen). Derzeit zwar noch nicht, können aber noch kommen. |
Geht mir auch so. Das, was ID angeblich ausschließen würde (z.B. die vollständige Aufklärung der evolutionären Entstehung einer Genwirkkette o.ä.), ist doch kein logisches Kriterium. Abgesehen davon, daß in diesem Bereich immer Fragen bestehen bleiben, kann mir niemand erzählen, daß damit der Eingriff eines Designers denkunmöglich geworden wäre. Der Witz an Behes Design-Argument ist, daß es sowohl Evolution als auch Design problemlos miteinander kombiniert, wie dies ("Birkenspanner")-Coyne auch schon kritisiert hat. Wenn man in Teilbereichen "mehr Evolution" findet, als man gedacht hat, verschiebt sich halt das Gleichgewicht "Evolution <-> Design" ein bißchen weiter nach links. :) |
vermutlich sind wir uns einig: eine Falsifizierung von ID ist nicht möglich, bestenfalls hat man Occams Rasiermesserchen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Klar. Genauso kann jeder Evolutionist sagen, dass ihm irgendwann noch was zu IC (sollte es so etwas geben) etc. einfallen wird. |
Wobei hier natürlich zu bedenken ist, daß es bei IC um eine rein mechanismische Frage geht, die vom der Deszendenzfrage ja logisch unabhängig ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich ein "Evolutionist" noch großartig was zu IC überlegt, nachdem er die Überreste eines versteinerten Automobils aus dem Kambrium geborgen hat. |
Ich sehe das auch so. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ein aufrechter Evolutionist dann nicht eher in Dimensionen von UFOs denken würde als seinen Standpunkt aufzugeben. Wenn man bedenkt, wie viele Beobachtung _für_ Evolution sprechen, wäre das vermutlich gar nicht mal soooo irrational.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der Knackpunkt ist, daß der Kreationismus (sensu stricto) unter umgekehrten Vorzeichen genau das tut, während ID von vorne herein gar nicht erst Gefahr läuft, in eine solche Situation zu geraten, weil die Theorie so gut wie nichts über die Welt aussagt und daher nicht einmal im Prinzip widerlegbar ist. |
ACK
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Hier sind wir uns doch einig. Das 'Problem' ist doch nur, dass ID explizit die naturalistische _Methode_ anerkennt und IMAO durchaus berechtigte Fragen an die _Ergebnisse_ der Forscher unserer Baustelle stellt. Selbstverständlich vertrete ich eine Ontologie ohne Designer, aber ich kann nicht sehen, warum man nicht ID vertreten und problemlos erstklassig forschen kann. Bei Kreationisten scheint mir das nicht möglich zu sein, sobald man in irgendwelche Bereiche kommt, die ein Alter der Erde etc. betreffen (und bei solchen Gebieten ist man sehr schnell). |
Klar. Wie gesagt, ich will nichts gegen die wissenschaftliche Reputation von ID-Menschen gesagt haben. Nur ich sehe nicht, wo aus der Ecke die "Forschungsimpulse" herkommen sollen. |
Beispielsweise, weil sie noch nach Funktionen von Strukturen suchen, die wir als 'Atavismen' oder 'Rudimente' abhaken würden. Oder indem sie kritisieren, was die 'scientific community' als Wahrheit anerkennt. Das kann durchaus Fortschritt der Wissenschaften bedeuten.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Obwohl sie auf Probleme hinweisen, kommt die Evolutionsbiologie sehr gut ohne ID zurecht. Einerseits wissen die Evolutionsbiologen selber nur allzu gut über ihre offenen Fragen bescheid. Und andererseits haben sie zur Problemlösung nichts konstruktives beizutragen, weil sie ja keine mechanismischen Erklärungsalternativen offerieren. |
Mit ID geht es mir wie mit der Philosophie: sie ist gut, wenn sie die richtigen _Fragen_ stellt, aber daneben, wenn sie _Antworten_ geben möchte. Das machen wir Naturalisten dann doch besser selber.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | In den meisten Bereichen warten sie nicht einmal die Ergebnisse der Forschung ab, sondern begnügen sich damit, unser Unwissen aufgrund fragwürdiger Analogien mit der Technik durch voreilige Annahmen zu überbrücken, um dann z.B. irgendwelche unausgegorenen Wahrscheinlichkeitsrechnungen durchzuführen. Ich kann daher nicht erkennen, daß und in welchem Bereich ID die Forschung beflügeln soll. Aber wem sag ich das... :) |
Wie gesagt, die _Fragen_ erkenne ich an, die _Antworten_ sind daneben.
[ ... ]
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Aber ich würde die einfach werkeln lassen (was die herausfinden, können wir ja problemlos verwenden, solange es methodisch sauber erarbeitet wurde) und die immer damit provozieren, warum sie denn, wenn sie schon genauso wie wir forschen, meinen, wenn sie 'wir erforschen SEINE Spuren' sagen, irgendeinen Mehrwert anbieten könnten. |
Vollste Übereinstimmung. Ich habe, falls es Dich interessieren sollte, übrigens schonmal das eine oder andere Argument aus meinem neuen Text bemüht (der aber noch nicht auf der HP steht, weil der 5-seitige Ausschnitt noch nicht in der MIZ erschienen ist). Kutschera liest meinen MIZ-Artikel gerade korrektur, der nächste Woche (falls er keine Böcke findet) nur noch den Feinschliff bekommt und gemeinsam mit den anderen Beiträgen der MIZ zugeschickt wird. Wird aber mindestens noch bis Juli (eher sogar bis August) dauern, bis die Beiträge erscheinen. Ich fürchte nur, daß ich Dir nach Deinem Artikel im Skeptiker nicht mehr arg viel Neues bieten kann :cry:
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Bin gespannt.
BTW, auf der Hauptversammlung von Wort und Wissen wurde Bublaths Film heftigst kritisiert. Leider war ich zu spät angekommen und habe daher die eigentliche Diskussion nicht mehr mitbekommen. Trend schien gewesen zu sein, dass die Amis den Ansatz kaputt machen und dass die eigenen Ansätze durch die Darstellung nicht betroffen sind. Ich habe mir den Film dort nochmals mit den Menschen angesehen, die an der 'eigentlichen' Diskussion nicht teilnehmen konnten. Die Diskussion war sehr sachlich. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen auf meiner Baustelle auch in der Lage wären, 'gegnerische' Auffassungen in dieser Fairness zu diskutieren. Interessant war, dass sich die Kritikpunkte mit den meinigen deckten. Und aufgrund fehlender Kompetenz kamen diese Menschen zu einer positiveren Beurteilung des Films als ich. Die waren von der Technik so begeistert, dass die gar nicht merkten, wie problematisch viele Details waren.
Grüßle
Thomas
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#138598) Verfasst am: 14.06.2004, 23:27 Titel: Re: Buddha und Zufall |
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Hi shiningthrough!
shiningthrough hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Jetzt habe ich das Problem schon auf buddhistisch übersetzt und Du hast es doch nicht verstanden? - Vermutlich ist mein Buddha noch zu schlecht. Also neuer Versuch: Sinnsuche ist Unsinn. Jedenfalls bei diesem Beispiel. Es lassen sich Absichten auch dort finden, wo keine sind. Für die einen sind diese Absichten Zeichen Gottes. Für die anderen ist es Zufall. |
Im Buddhadharma gibt es keinen Zufall, sondern Kausalität. D.h., dass das, was uns als Zufall erscheint, seine eigenen Kausalketten aufweist. Diese können aber dermaßen komplex sein, dass ein Untersuchen derselben weniger Sinn macht, als das Lösen gegenwärtiger und dringenderer Probleme. "Absichten" im landläufigen Sinn stimmt natürlich nicht, denn niemand setzt z.B. bewußt Ursachen für künftiges Leid. Nach buddhistischer Auffassung generieren wir selber (meist ohne uns dessen bewußt zu sein) unsere Wahrnehmungen aufgrund früherer Taten. So gesehen ist letztlich weder Evolution noch Kreation sondern nur Schlußfolgern aus wahrgenommenen Prozessen und Phänomenen das womit wir es zu tun haben.
Da aber die Annahme eines Gott-Kreators zu absurden Konsequenzen führt, hat Evolution einen "Punktevorteil". |
Gut, wenn dir Zufall nicht gefällt, nimm halt eine 'Kausalität' im Sinne der MWI. So oder so bist du 'Absichten' los.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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shiningthrough deaktiviert
Anmeldungsdatum: 08.11.2003 Beiträge: 1099
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(#138606) Verfasst am: 14.06.2004, 23:50 Titel: MWI |
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Hi Lamarck,
Zitat: | Gut, wenn dir Zufall nicht gefällt, nimm halt eine 'Kausalität' im Sinne der MWI. So oder so bist du 'Absichten' los. |
Blöde Frage: Was heißt MWI? "Mehrere Welten Interpretation" nach der QM (Everett-Wheeler-Graham Modell)?
Wenn das gemeint ist, sehe ich eine Straße die zum Konsens führen könnte. Ich bevorzugte mal ein anderes Modell: Pulsierendes Universum!
Damit hätte ich Anfangslosigkeit und alle Möglichkeiten für einen wahrhaften Daseinskreislsuf. MWI - falls von mir richtig verstanden - wäre in etwa die räumliche Transformation des gleichen Sachverhaltes (hier parallel dort seriell). "Time turns into space - at Fernando`s place", wie es in der Verfilmung vom "Steppenwolf" nach Hesse heißt.
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#138616) Verfasst am: 15.06.2004, 00:14 Titel: |
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Vielleicht einst dein pulsierendes Universum nur eins von vielen pulsierenden Universen.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#138634) Verfasst am: 15.06.2004, 01:24 Titel: Re: MWI |
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Hi shiningthrough!
shiningthrough hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Gut, wenn dir Zufall nicht gefällt, nimm halt eine 'Kausalität' im Sinne der MWI. So oder so bist du 'Absichten' los. |
Blöde Frage: Was heißt MWI? "Mehrere Welten Interpretation" nach der QM (Everett-Wheeler-Graham Modell)?
Wenn das gemeint ist, sehe ich eine Straße die zum Konsens führen könnte. Ich bevorzugte mal ein anderes Modell: Pulsierendes Universum!
Damit hätte ich Anfangslosigkeit und alle Möglichkeiten für einen wahrhaften Daseinskreislsuf. MWI - falls von mir richtig verstanden - wäre in etwa die räumliche Transformation des gleichen Sachverhaltes (hier parallel dort seriell). "Time turns into space - at Fernando`s place", wie es in der Verfilmung vom "Steppenwolf" nach Hesse heißt. |
Ja, ich meine das "Everett-Wheeler-Graham-Modell". Es gefällt mir zwar nicht, aber ich fürchte, es ist ein unlösbares Problem. Dafür gefällt mir der Steppenwolf! Klar, Radikaler Konstruktivist ... . Den Film kenne ich allerdings nicht.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
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„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
Zuletzt bearbeitet von Lamarck am 15.06.2004, 01:32, insgesamt einmal bearbeitet |
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#138638) Verfasst am: 15.06.2004, 01:29 Titel: |
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Hi narziss!
narziss hat folgendes geschrieben: | Vielleicht einst dein pulsierendes Universum nur eins von vielen pulsierenden Universen.  |
Ich gehe von unendlich vielen Dimensionen aus. Das erinnert dann ein wenig an die unendliche Geschichte ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#138641) Verfasst am: 15.06.2004, 01:54 Titel: Re: Ankündigung: "Evolution - die große Lüge?" |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Da muß ich Dawkins verteidigen. Sicher ist der zugrunde liegende Algorithmus primitiv - aber er läßt sich stufenlos im Komplexitätsgrad steigern (und laß Dich da ja nicht von Frieder Meis in die Irre führen). |
Also, was Du mir wieder unterstellst...
Hast Du meinen Wahrscheinlichkeitstext nicht gelesen? |
Na klar, ich hab' Deine Texte gelesen. Und die von Frieder Meis! |
Und, wie sieht Deine Punktevergabe aus? |
And the winner is ... Maaaaaaaaaartiiiiin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Könnte aber der genzentrische Ansatz von Dawkins durch Modifikation des "Wiesels" geheilt werden? - Und wäre das dann noch ein genzentrischer Ansatz? |
Was meinst Du mit "Modifikation des 'Wiesels'"? Wenn man alle vorgeschlagenen Faktoren für eine halbwegs realistische Simulation berücksichtigen würde, hätte die Evolutionssimulation keine Ähnlichkeit mehr mit dem Wiesel. Dazu müßte man es aber fertigbringen, die Gen- in eine Phänebene zu übersetzen... |
So meine ich das. Das mit der Unähnlichkeit mußt Du nur noch spezifizieren und ich kann sagen: Paßt scho ... !
Die Übersetzung der Gen- in die Phänebene ist programmtechnisch übrigens ein Klacks und führt zu einer bekannten Form von Nichtlinearität ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Natürlich sehe ich den Denkfehler der ID/Kreationisten auch: Das Rhodopsin findet man IIRC bereits bei Euglena, was bedeutet, daß ein Wirbeltierauge unter Berücksichtigung von Doppelfunktionen sehr wohl schrittweise entstehen kann, nur eben nicht auf direktem "Darwinschen" Wege. Ich fürchte aber, daß man für eine halbwegs realistische Simulation, in der z.B. die Struktur von Fitneßlandschaften, die schrittweise Merkmalsaddition, Genkopplung, "developmental constraints", Doppel-, Brückenfunktionen usw. berücksichtigt werden sollten, in der Praxis kaum realisierbar ist. Dawkinsens Simulation ist (wen wundert's?) zu stark "gen-" bzw. "buchstabenzentrisch" und nicht ausreichend nichtlinear. Auf den linearen Vereinfachungen der STE reiten die Kreationisten ja gerade herum (obwohl sie kurioserweise in ihren Münzwurfspiel-Rechnereien selbst nichts anderes tun)
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Sind Fitneßlandschaften denn keine "Wiesel"? Die von Dir genannten "Nichtlinearitäten" machen im einfachsten Fall nur wenige KB aus. |
Wie gesagt, man bräuchte Bewertungskriterien, die weder konstant sind noch sich linear ändern, sondern in komplizierter Weise miteinander rückgekoppelt sind, so daß sich das System von selbst Ordnungszustände schafft. Ich sehe im Wiesel aber keine Rückkopplungsschleifen.
Zugegeben: Das Beispiel ist insofern lehrreich, als es den Zweistufenprozeß Mutation/Selektion ganz passabel veranschaulicht. Es macht eben deutlich, daß Biosysteme nicht in einem Schritt entstehen müssen. Aber die Vorgabe irgendwelcher fixen Parameter hat, wie Thomas schon festgestellt hat, eben auch ein G'schmäckle, weil der Kritiker immer behaupten kann, daß man auf diese Weise das "gewünschte" Ergebnis quasi vorfabriziere. Und mir deucht, da ist 'was d'ran. |
Aus bestimmten Gründen drücke ich mich jetzt allgemein aus ... .
Gleichwohl ist da jetzt nix dran am "quasi vorfabrizieren". Evolutionäre Algorithmen (EAs) wurden von Ingenieuren entwickelt, die versuchten, mittels biologisch motivierter Heuristiken bestimmte Probleme, die anderweitig nicht lösbar sind, bestmöglichst zu lösen. Und die Ergebnisse waren/sind zum Teil erstaunlich kreativ! Der Ingenieur - Du wirst es wissen - formuliert eben ein bestimmtes Problem. EAs sind aber nicht problemabhängig! Konstruiere also ein bewegliches "Ziel": Nimm statt des statischen "Wiesels" bsw. eine beliebige Zeichenkette, die sich spontan ändert - das wäre wohl das einfachste "ungezielte Ziel" Oder konstruiere sonstwie eine dynamisch simulierte Umwelt.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wobei ich freimütig eingestehen muß, daß ich vom Informationsbegriff in der Biologie nichts halte. Was Gitt da produziert, ist doch ein Kategorienfehler erster Güte. Die DNA enthält weder eine Syntax noch eine semantische Information. Da werden weder irgendwelche Daten gesendet, die im Gehirn eines Benutzers (und nur dort!) irgendeine Art von "Wissen" erzeugen könnten, noch tauschen Biomoleküle untereinander irgend etwas aus - schon gar keine nachrichtentechnisch verwertbaren "Botschaften". Alles, was Gitt für seine "Beweisführung" braucht, wird doch in einem fatalen Zirkel in die Begriffe "hineingelegt"... (BTW, kennst Du Janich vs. Küppers) |
Was ist der Informationsbegriff in der Biologie? Ich benutze die Begriffe der theoretischen Informatik (Die offenbar erst weit nach Gitts Promotion erfunden wurden ). |
Eben (wenn sie vorher erfunden wurden, hättest Du ein Argument gehabt). Spaß beiseite: Ich halte nicht nur den Informationsbegriff aus der Informatik/Nachrichtentechnik, sondern auch die Shannon-Information für deplaziert. In der Biologie gibt es Passungen, Funktionen, dissipative Systeme, physico-chemische Wechselwirkungen zwischen Biomolekülen... aber mit Sicherheit keine "Information". |
Kommt alles auf die Fragestellung an. Bei meinen Computern, gibt es auch Passungen, Funktionen, dissipative Systeme, Wechselwirkungen - aber jetzt, wo Du es mir sagst, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn ich mich frage, wo die Informationen geblieben sind ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Aber hast Du mit dem "Wiesel" nicht analog einen Kategorienfehler begangen? |
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Ich beziehe mich hier auf folgende Bemerkung:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Alles, was Gitt für seine "Beweisführung" braucht, wird doch in einem fatalen Zirkel in die Begriffe "hineingelegt"...
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Janich sagt mir was, Küppers sagt mir was, aber das "vs." sagt mir nichts!? |
Ich bin im Internet vor ein paar Wochen über einen Artikel von Janich gestolpert, in dem er den "Informationismus", wie er z.B. in der Molekularbiologie üblich ist, unter Rekurs auf Küppers niedermacht. Vorhin habe ich nochmals mit denselben Keywords gegoogelt - und der Artikel ist verschwunden. Blöderweise hab' ich den nicht gespiegelt, so daß ich Dir nicht einmal den Titel nennen kann...
Aber die Kritik gegen den ausufernden Informationismus in der Biologie, kannst Du auch bei Mahner und Bunge sehr ausführlich nachlesen. Ich gehe davon aus, daß Du die Standard-Argumente kennst. |
Wie gesagt, die Fragestellung ... . Die Kritik von Janich würde mich allerdings interessieren.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das dahinter stehende Prinzip ist interessant, nicht die Simulation. Die Simulation ist nur ein "wenn Du was verstehen willst, baue es nach." Ich würde Rechenberg für den Physik-Nobelpreis vorschlagen! |
OK, in der Technik sind evolutionäre Optimierungen nicht ohne. Ich verspreche mir auch und vor allem von der evolutionären Biotechnologie, die in situ maßgeschneiderte Ribozyme für bestimmte Nutzanwendungen evolvieren läßt, außerordentlich viel. Die Experimente nehmen jenen Kreationisten, die behaupten, aus Wahrscheinlichkeitsgründen sei die Entstehung neuer Funktionsproteine praktisch unmöglich, den Wind aus den Segeln. Sehr aufschlußreich ist z.B.:
Keefe, A.D.; Szostak, J.W. (2001): Functional proteins from a random-sequence library. Nature 410, 715-718.
Aber um zu Rechenberg zurückzukommen: Ein Kritiker dieses Prinzips (wie z.B. Schindewolf) würde vermutlich einwenden, Rechenberg habe mithilfe des Mutations-Selektions-Erklärungsschemas der STE zwar gezeigt, wie ein fertiger Typus (Anströmplatte) durch mikroevolutive Optimierung ausgeformt wird. Aber die eigentlich interessante Phase der Typenentstehung habe er nicht nachvollzogen. Rechenberg hat gewissermaßen die Faktorenfrage höchst unvollständig beantwortet.
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Das grundsätzliche Problem habe ich weiter oben erläutert. Typologie ist jedoch nicht mein Ding. Ich kritisiere ja auch die Begriffe Phänotypus und Genotypus. Was ist also Typenentstehung?!
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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frajo dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 25.08.2003 Beiträge: 11440
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(#138663) Verfasst am: 15.06.2004, 04:50 Titel: Re: MWI |
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shiningthrough hat folgendes geschrieben: |
Blöde Frage: Was heißt MWI? "Mehrere Welten Interpretation" nach der QM (Everett-Wheeler-Graham Modell)?
Wenn das gemeint ist, sehe ich eine Straße die zum Konsens führen könnte. Ich bevorzugte mal ein anderes Modell: Pulsierendes Universum!
Damit hätte ich Anfangslosigkeit und alle Möglichkeiten für einen wahrhaften Daseinskreislsuf. MWI - falls von mir richtig verstanden - wäre in etwa die räumliche Transformation des gleichen Sachverhaltes (hier parallel dort seriell). "Time turns into space - at Fernando`s place", wie es in der Verfilmung vom "Steppenwolf" nach Hesse heißt. |
und hast du dir auch schon das ekpyrotische modell angesehen?
(neuerdings firmiert es auch als zyklisches universum; aber mir gefällt die frühere bezeichnung besser.)
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shiningthrough deaktiviert
Anmeldungsdatum: 08.11.2003 Beiträge: 1099
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(#138742) Verfasst am: 15.06.2004, 13:10 Titel: Zyklen |
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@frajo
Ja, habe ich mir angesehen. Klingt interessant, das Kollisionsmodell mit der M-Theorie. Ich denke, es gibt da eine Mengen Theorien und Hypothesen und die Zukunft wird zeigen, welche sich durchsetzt.
http://abenteuer-universum.vol4u.de/ekpy.html
Ich hatte da mal einen ganz naiven Ansatz, in welchem ich davon ausging, das zunächst nichts ist als Raum. Durch Aktionen des Raumes entstehen alle Phänomene. Danach wäre es nicht so, dass der Raum durch Massen gekrümmt wird, sondern dass die Krümmung des Raumes in uns den Eindruck von Massen hervorruft.
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pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
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(#140412) Verfasst am: 20.06.2004, 23:16 Titel: Re: Frankfurter Schule |
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Hi Thomas!
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Ich persönlich hätte Gould, Mayr und Darwin geschrieben. Okay, ich bin altmodisch und mag keine Rechnereien. |
Ist das dieser Mayr: "Das ist Evolution" von Ernst Mayr? Kennst Du dieses Buch und kannst Du es empfehlen?
Gasshô
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#140415) Verfasst am: 20.06.2004, 23:26 Titel: Re: Frankfurter Schule |
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Hi Nagarjuna,
Nagarjuna hat folgendes geschrieben: |
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Ich persönlich hätte Gould, Mayr und Darwin geschrieben. Okay, ich bin altmodisch und mag keine Rechnereien. |
Ist das dieser Mayr: "Das ist Evolution" von Ernst Mayr? Kennst Du dieses Buch und kannst Du es empfehlen? |
ja. Das Buch ist auch aus einem anderen Grund sehr interessant. Mayr hat sich zeitlebens geweigert, mit Kreationisten zu diskutieren. Dieses Buch hat er diesen Menschen 'gewidmet', damit die sich wenigstens informieren können.
Falls Dich Mayrs Wissenschafts'theorie' interessiert, kann ich Dir auch
Mayr, E. (1998) 'This is Biology. The Science of the Living World. Sixth Printing' Cambridge, Mass; London, Belknap
sehr empfehlen. HardCore Reduktionisten bzw. Physikalisten lesen so was gar nicht gerne. Wirklich interessant, wie er Pauli anhand eines 'individualen Gases' erklärt, was Populationsdenken ist.
Grüßle
Thomas
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#140418) Verfasst am: 20.06.2004, 23:38 Titel: Re: Frankfurter Schule |
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Hi Nagarjuna,
Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Ich persönlich hätte Gould, Mayr und Darwin geschrieben. Okay, ich bin altmodisch und mag keine Rechnereien. |
Ist das dieser Mayr: "Das ist Evolution" von Ernst Mayr? Kennst Du dieses Buch und kannst Du es empfehlen? |
Ja, genau dieser Ernst Mayr. Eine Empfehlung dieses Buches hängt davon ab, was Du erwartest. In der Evolutionsdiskussion ist Mayr allgemein aufgrund seiner Bedeutung (= "herrschende Meinung") immer zu berüchsichtigen. Und er hat ja so einiges geschrieben. Ob er allerdings immer richtig liegt, ist aber eine andere Frage.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#140454) Verfasst am: 21.06.2004, 05:52 Titel: Re: Frankfurter Schule |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Ja, genau dieser Ernst Mayr. Eine Empfehlung dieses Buches hängt davon ab, was Du erwartest. In der Evolutionsdiskussion ist Mayr allgemein aufgrund seiner Bedeutung (= "herrschende Meinung") immer zu berüchsichtigen. Und er hat ja so einiges geschrieben. Ob er allerdings immer richtig liegt, ist aber eine andere Frage. :teufel: |
ein Mensch, dessen Namen ich nicht nennen möchte, hat das so ausgedrückt: die Hälfte dessen, was Mayr geschrieben hat, ist genial, die andere Hälfte abgrundtief daneben.
Daher kann man ihn lieben oder hassen ;-)
Grüßle
Thomas
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pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
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(#140459) Verfasst am: 21.06.2004, 07:22 Titel: |
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Hi Thomas!
Hi Lamarck!
Danke!
Gasshô
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#140467) Verfasst am: 21.06.2004, 09:08 Titel: Re: Frankfurter Schule |
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Hi Lamarck
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Ich persönlich hätte Gould, Mayr und Darwin geschrieben. Okay, ich bin altmodisch und mag keine Rechnereien. |
Ist das dieser Mayr: "Das ist Evolution" von Ernst Mayr? Kennst Du dieses Buch und kannst Du es empfehlen? |
Ja, genau dieser Ernst Mayr. Eine Empfehlung dieses Buches hängt davon ab, was Du erwartest. In der Evolutionsdiskussion ist Mayr allgemein aufgrund seiner Bedeutung (= "herrschende Meinung") immer zu berüchsichtigen. Und er hat ja so einiges geschrieben. Ob er allerdings immer richtig liegt, ist aber eine andere Frage. |
Es gibt da eine wunderbare Rezension zu Mahner/Bunges Biophilosophie-Buch bei Amazon. Dem Rezensenten ist wie mir auch aufgefallen, daß Mayr in dem Buch gar nicht gut wegkommt, weil seine Philosophie (zumindest aus Sicht M/B) in vielen Bereichen etwas unausgegoren zu sein scheint.
Ich muß gestehen, daß ich mich mit einigen Positionen Mayrs auch nicht identifizieren kann. (Vieles, was er z.B. zur Systematik geschrieben hat, war aus meiner Sicht nicht unbedingt erste Sahne - man denke nur an die z.T. wirklich bösen Kabbeleien mit Mahner.) Und obwohl er alles andere als eine platte, reduktionistische Auffassung von der STE vertritt, bin ich bei ihm nie den Eindruck losgeworden, daß aus seiner Sicht die wesentlichen mechanismischen Aspekte bereits geklärt sind und der Rahmen nur noch mit ein paar Details ausstaffiert zu werden braucht. Obwohl ihm Riedl da einiges gesteckt zu haben scheint (und Mayr ihm ursprünglich zu seiner "Ordnung des Lebendigen" sogar gratulierte), hat er sich für weitergehende (systemtheoretische) Ansätze offenbar nicht erwärmen können. Schade eigentlich...
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Spock lebt noch
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 4185
Wohnort: Herbipolis
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(#140497) Verfasst am: 21.06.2004, 11:43 Titel: Re: Frankfurter Schule |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ob er allerdings immer richtig liegt, ist aber eine andere Frage. | Von dem, was er über WIrbeltiere in dem Buch schreibt, ist vieles nicht auf dem neuesten Stand, den ich im letzten Wintersemester gehört habe. Von meiner subjektiven Einschätzung her würde ich das ganze mal auf 10 Jahre hinter der Zeit tippen, weil so alt in etwa die Funde von Urvögeln aus China sind, die er noch gar nicht mit einbezieht.
_________________ "Wieviel dieses Märchen von Christus uns un den Unseren genützt hat, ist allbekannt!" (Papst Leo x.)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#140506) Verfasst am: 21.06.2004, 12:24 Titel: Re: Frankfurter Schule |
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Hi Spock,
Spock hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ob er allerdings immer richtig liegt, ist aber eine andere Frage. :teufel: | Von dem, was er über WIrbeltiere in dem Buch schreibt, ist vieles nicht auf dem neuesten Stand, den ich im letzten Wintersemester gehört habe. Von meiner subjektiven Einschätzung her würde ich das ganze mal auf 10 Jahre hinter der Zeit tippen, weil so alt in etwa die Funde von Urvögeln aus China sind, die er noch gar nicht mit einbezieht. |
irgendwie scheint mir das sehr irrelevant zu sein, wenn man sich die Frage nach den _Mechanismen_ der Evolution stellt. Wie man Stammbäume bastelt, ist doch ein anderer Thread.
Grüßle
Thomas
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Spock lebt noch
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 4185
Wohnort: Herbipolis
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(#140545) Verfasst am: 21.06.2004, 14:15 Titel: |
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Natürlich ist das bei den Mechanismen völlig unerheblich, allerdings sollte man beim Archaeopteryx auch sagen, dass er keine Zwischenform zwischen Reptilien und Vögeln bildet, sondern lediglich eine Nebenlinie
Immerhin behauptet Mayr ja auch mit dem Buch die Evolution zu "beweisen".
_________________ "Wieviel dieses Märchen von Christus uns un den Unseren genützt hat, ist allbekannt!" (Papst Leo x.)
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pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
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(#140560) Verfasst am: 21.06.2004, 14:42 Titel: |
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Spock hat folgendes geschrieben: | Immerhin behauptet Mayr ja auch mit dem Buch die Evolution zu "beweisen". |
Wie meinst Du das: Will er beweisen, dass Evolution stattgefunden hat oder dass sie auf eine bestimmte Weise stattgefunden hat? Und was genau versteht er unter "Beweis"?
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#140572) Verfasst am: 21.06.2004, 15:34 Titel: |
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Hi Nagarjuna,
Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Spock hat folgendes geschrieben: | Immerhin behauptet Mayr ja auch mit dem Buch die Evolution zu "beweisen". |
Wie meinst Du das: Will er beweisen, dass Evolution stattgefunden hat oder dass sie auf eine bestimmte Weise stattgefunden hat? Und was genau versteht er unter "Beweis"? |
das ist bei Mayr eine ganz verzwickte Geschichte. Bewiesen ist natürlich nur, dass es im Lauf der Erdgeschichte eine Abfolge von Lebensformen gibt. Das kann man 'Evolution' nennen und das ist eine historische Tatsache. So sicher belegt wie die Existenz jeder historischen Persönlichkeit.
Dann gibt es noch Deszendenz und die Mechanismen der Evolution. Mayr sagt zwar üblicherweise expressis verbis, dass nur die historische Tatsache bewiesen ist, es passiert ihm aber ab und an, dass er im folgenden Text dann so formuliert, dass man ihn so interpretieren muss, als sei der Mechanismus der STE bewiesen.
Mayr, E. (1994) 'Evolution - Grundfragen und Mißverständnisse' Ethik und Sozialwissenschaften 5 (2):203-209
<cite S.203>
Schon die erste Frage [Die Überschrift zu dieser Passage lautet "Hat man die Evolutionstheorie bewiesen?", T.W.] ist voller Probleme. Es gibt so und so viele Evolutionstheorien (<b class = 'a'>Darwin</b> z.B. hatte 5 Haupttheorien), und welche von ihnen meint der Frager? Vermutlich meint er, ob die reiche und voll angepaßte Welt der Lebewesen ein Produkt der Evolution ist.
<p>
Das war allerdings 1859, als <b class = 'a'>Darwin</b> sein <i>On the Origin of Species</i> veröffentlichte, noch eine Theorie. Aber in den 134 Jahren seitdem sind derartig viele Beweise für die Evolution gefunden worden, daß ich keinen ernsthaften Biologen kenne, der die Evolution für irgend etwas anderes hält als für eine Tatsache. Die Anzahl von beinahe lückenlosen Fossilienreihen mit äußerst exakten radio-chronologischen Datierungen wächst von Jahr zu Jahr. Übergangsformen zwischen den Hauptgruppen (außer den ganz früh entstandenen) der Tiere sind fossil gefunden worden und der Übergang ist manchmal so gleitend, wie zum Beispiel bei dem zwischen Therapsiden (Reptilien) und Säugern, daß man sich streiten kann, welche Gattung man als ersten Säuger betrachtet. Seitdem man entdeckt hat, daß die Moleküle des Genotyps sich genauso entwickeln wie Körperstrukturen, hat man die Molekül-Phylogenese immer wieder mit größtem Erfolg benützt, um die durch morphologische Beweise erzielten Schlußfolgerungen zu prüfen. Eigentlich bedarf es all dieser neuen Beweise gar nicht mehr, denn welcher ernsthafte Forscher würde heute noch bezweifeln, daß die Evolution eine Tatsache ist?
</cite>
Grüßle
Thomas
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#140575) Verfasst am: 21.06.2004, 15:41 Titel: |
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Hi Spock,
Spock hat folgendes geschrieben: | Natürlich ist das bei den Mechanismen völlig unerheblich, allerdings sollte man beim Archaeopteryx auch sagen, dass er keine Zwischenform zwischen Reptilien und Vögeln bildet, sondern lediglich eine Nebenlinie ;) |
klar. Bist Du sicher, dass Mayr das nicht tut? Kennst Du seine Definition von 'Zwischenform' aus 'Artbegriff und Evolution?' IIRC geht Mayr von Mosaikevolution aus, dann ist es nich sooo problematisch, eine Nebenlinie als _Modell_ für einen Übergang zu postulieren. Es geht ja nicht darum, eine 'smoking gun' zu finden, sondern Lebewesen, die irgendwie 'zwischen' 'Typen' stehen.
Spock hat folgendes geschrieben: | Immerhin behauptet Mayr ja auch mit dem Buch die Evolution zu "beweisen". |
Dazu habe ich Nagarjuna etwas geschrieben. _Wenn_ Mayr sorgfältig formuliert, ist das, was er unter 'Beweis' versteht, durchaus korrekt. Leider formuliert er nicht immer sorgfältig.
Grüßle
Thomas
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pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
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(#140576) Verfasst am: 21.06.2004, 15:42 Titel: |
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Hi Thomas!
Danke!
Gasshô
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Spock lebt noch
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 4185
Wohnort: Herbipolis
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(#140811) Verfasst am: 22.06.2004, 12:29 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | klar. Bist Du sicher, dass Mayr das nicht tut? Kennst Du seine Definition von 'Zwischenform' aus 'Artbegriff und Evolution?' IIRC geht Mayr von Mosaikevolution aus, dann ist es nich sooo problematisch, eine Nebenlinie als _Modell_ für einen Übergang zu postulieren. Es geht ja nicht darum, eine 'smoking gun' zu finden, sondern Lebewesen, die irgendwie 'zwischen' 'Typen' stehen. |
Ein Stück weit hast du damit schon Recht. Gerade wenn eine neue "Erfindung" in der Evolution gemacht wurde kam es immer wieder zu einer ganzen Menge neuer Gruppen, die diese Merkmale in verschiedensten Kombinationen in sich tragen. Das war ja auch beim Landgang der ersten "Amphibien" so.
_________________ "Wieviel dieses Märchen von Christus uns un den Unseren genützt hat, ist allbekannt!" (Papst Leo x.)
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#140862) Verfasst am: 22.06.2004, 15:09 Titel: |
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Spock hat folgendes geschrieben: | Ein Stück weit hast du damit schon Recht. |
Warum nur ein Stück weit?
Wenn die Hypothese der schrittweisen Entwicklung (und der Nichtkonstanz der Arten) richtig ist, dann muss man genau solche Übergangsformen finden.
Wenn man also keine solchen Formen findet, dann hat man ein Problem: Dann wäre das ein starkes Argument gegen die Hypothese der schrittweisen Entwicklung. Wenn man solche Formen findet, ist die Hypothese dadurch gestärkt. Unabhängig davon, ob man zufällig einen direkten Vorfahren oder eine Seitenlinie gefunden hat.
Also noch mal: warum nur "ein Stück weit"?.
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Spock lebt noch
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 4185
Wohnort: Herbipolis
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(#140869) Verfasst am: 22.06.2004, 15:18 Titel: |
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Nur ein Stück weit deshalb, weil der Archaeopterix ja kein Vorgänger der Vögel ist, sondern ein Nebenzweig aus der Gruppe der Urvögel.
_________________ "Wieviel dieses Märchen von Christus uns un den Unseren genützt hat, ist allbekannt!" (Papst Leo x.)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#140874) Verfasst am: 22.06.2004, 15:39 Titel: |
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Hi Spock,
Spock hat folgendes geschrieben: | Nur ein Stück weit deshalb, weil der Archaeopterix ja kein Vorgänger der Vögel ist, sondern ein Nebenzweig aus der Gruppe der Urvögel. |
es kommt darauf an, was man behauptet. Wenn man sagte, Archaeopteryx sei der _Vorfahr_ der Vögel, hast Du Recht. Wenn man sagt, Archaeopteryx sei eine _Übergangsform_ zwischen meinethalben Reptilien und Vögeln, ist das korrekt.
Aus Mayrs Sicht ist entscheidend, dass das Wesen ein Merkmals_mosaik_ aufweist. Die exakte systematische Stellung ist weniger relevant. Was zählt ist, dass es _kontinuierliche_ Übergänge gibt.
Grüßle
Thomas
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Spock lebt noch
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 4185
Wohnort: Herbipolis
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(#140981) Verfasst am: 22.06.2004, 18:25 Titel: |
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Hi Thomas!
Ja, mit dieser Einteilung bin ich einverstanden. Was mich nur wundert ist, dass Mayr eben nicht auf die aktuellen Funde eingeht, die eben den Übergang noch wesentlich genauer schließen.
Gruß, Stefan
_________________ "Wieviel dieses Märchen von Christus uns un den Unseren genützt hat, ist allbekannt!" (Papst Leo x.)
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pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
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(#141167) Verfasst am: 23.06.2004, 07:44 Titel: |
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Wenn ich nocheinmal nachfragen darf: Ich habe in der Buchhandlung noch ein Buch über Evolution gefunden: "Evolutionsbiologie" von Volker Storch, Ulrich Welsch, Michael Wink. Dieses erscheint mir recht gut zu sein, ich will mir aber vorerst einmal nur ein Buch über Evolution kaufen und mich dann eventuell weiter vertiefen. Wer kennt beide Bücher, das vom Mayr und dieses? Welches ist besser?
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#141176) Verfasst am: 23.06.2004, 08:36 Titel: |
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Hi Nagarjuna,
Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Wenn ich nocheinmal nachfragen darf: Ich habe in der Buchhandlung noch ein Buch über Evolution gefunden: "Evolutionsbiologie" von Volker Storch, Ulrich Welsch, Michael Wink. Dieses erscheint mir recht gut zu sein, ich will mir aber vorerst einmal nur ein Buch über Evolution kaufen und mich dann eventuell weiter vertiefen. Wer kennt beide Bücher, das vom Mayr und dieses? Welches ist besser? |
die beiden Bücher sind nicht vergleichbar. Das Buch von Storch et al. ist die Neuausgabe des 'Klassikers', den Remane mit Storch und Welsch in mehreren Auflagen geschrieben hat. Dieses Buch war mit dem von Mayr vergleichbar: ein 'reifer' Wissenschaftler hat seine Sicht der Welt dargestellt. Die aktuelle Ausgabe ist dann aber ein ganz anderes Buch geworden: ein echtes Lehrbuch.
Das Buch von Storch et al. finde ich teilweise überfrachtet. Zu viel wird erwähnt und nicht ausgeführt. Es ist aber sehr gut bebildert, ein typisches Lehrbuch eben. Das Buch von Mayr hingegen ist eher ein umfassendes Buch über die Bedeutung der Evolutionslehre, mit historischen Aspekten.
Wenn Du als Laie eher an den allgemeinen Konzepten interessiert bist und das Risiko eingehst, eine Story zu lesen, die recht 'whiggish' ist, würde ich Dir auf jeden Fall den Mayr empfehlen.
So 'richtig gute' Bücher über Evolution neueren Datums gibt es eigentlich nur in englischer Sprache. Vielleicht noch zwei 'Tipps', falls Du Laie bist:
Schulbücher, vor allem die Einzelbände über Evolution, sind gar nicht schlecht, wenn man sich nur über die 'Basics' informieren möchte.
Wenn Dich eher Kontroversen darüber, ob es Evolution überhaupt gab bzw. ob man nicht doch vielleicht einen Schöpfer braucht, interessieren, ist
Junker, R.; Scherer, S.; (Hrsg.) (2001) 'Evolution. Ein kritisches Lehrbuch. 5., aktualisierte Auflage' Gießen, Weyel
gar nicht so schlecht. Das, was die als Fakten anbieten, ist auch nicht falscher als das, was in anderen Büchern steht, und wenn sie 'abheben', schreiben die Autoren meist dazu, dass sie nun eine Grenzüberschreitung machen.
Grüßle
Thomas
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