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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2037111) Verfasst am: 28.12.2015, 15:49 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Dialektik ist nicht "nur eine Idee" von Hegel. Dieser hat letzten Endes die Erkenntnisse über die Evolution des Lebens dialektisch verstanden bzw. hat die Dialektik, die sich in der Natur findet, quasi extrahiert. |
Wenn du damit meinst, daß alle Entwicklungen in der unbelebten wie der belebten Natur sich der "Dialektik" verdanken, so steht der Beweis dafür ja wohl aus. |
Die Anwendung der Dialektik auf die Natur oder nur auf Subjekt-Objekt-Beziehungen (Mensch-Natur) ist in der Tat eine konträre Diskussion. Trotzdem hätte Hegel seine Dialektik nicht entwickeln können ohne die Erkenntnisse der Evolutionstheorie. Mehr wollte ich an dieser Stelle nicht sagen.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | In einem dialektischen Verständnis von Entwicklung trägt ein Ding *Keime der Negation* in sich, die zunächst das Ding stabilisieren und es schließlich auflösen. Das ist der Punkt des dialektischen Widerspruchs. |
Versuche mal, die Entstehung von Helium aus Wasserstoff in einer Sonne "dialektisch" zu erklären, oder die Entwicklung der Säugetiere (mit und ohne Meteoriten-Einschlag am Ende der Kreidezeit). "Dialektik" erklärt nicht, ist nichts anderes als ein metaphysisches Überbleibsel des 19. Jh.
Und das gilt nicht nur für die Physik oder die Biologie, sondern auch für das, was Marxisten für ihr ureigenstes Gebiet hatten, nenne es Sozialwissenschaften, oder Geschichte. Auch hier "erklärt" Dialektik nicht, sondern verklärt. Selbst die Entwicklung europäischer Gesellschaften des 19. Jh., zB England, Frankreich und Deutschland, versteht man nicht, wenn man sie nur als eine Entwicklung dialektischer Widersprüche begreif …. |
Zunächst mal grundsätzlich: Erklären heisst nicht, Voraussagen zu erstellen. Es ist ohnehin ein falsches Verständnis wissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten, wenn man diese an ihre Fähigkeit bemisst, etwas voraus zu sagen. Vielmehr sind z.B. physikalische Gesetze dann gut, wenn sie auch in der Lage sind, die Ursachen eines bereits vorhanden Zustandes - nachträglich - anzugeben.
So kann man auch den Dialektikern nicht zumuten, jetzt zu neuen Propheten zu mutieren.
Was aber Anspruch der Dialektik ist, das ist die Benennung relevanter Einflüsse und Bedingungen für die (Weiter-)Entwicklung einer Sache. Bei der Wasserstofffusion sind diese Bedingungen zunächst mal allgemein durch physikalische Gesetze anzugeben. Betrachtet man aber das System "Sonne", dann muss man zusätzlich ihre Wechselbeziehungen innerhalb des Sonnensystems verstehen oder ihren Metallgehalt, ihre Entstehungsgeschichte, ihr Alter, u.a. und kann dann nicht nur sagen, wie ihr Zustand zustande gekommen ist, sondern auch, wie stabil er ist.
Die Entwicklung der Säugetiere muss natürlich im Zusammenhang damit betrachtet werden, dass die Erde von Meteoriten umgeben ist und dass auch andere kosmische Einflüsse zu den gesamten Entwicklungsbedingungen gehören.
Also ist es eine Aufgabe der Dialektik, die relevanten Objekte der Wechselbeziehung z.B. als entscheidende Momente der Veränderung einer Sache zu finden. Man kann sagen, das ist die Suche nach den Kern-Antagonismen. Diese haben zu tun mit dem möglichen Moment der Negation aber auch mit der Einheit der Widersprüche in einem Objekt.
In der tierischen Evolution haben wir es empirisch gesehen mit der Entstehung neuer Qualitäten zu tun. Neue Sinne, das Bewusstsein - all das ist entstanden aus zunächst quantitativen Veränderungen.
Die Entstehung der bürgerlichen und Industriegesellschaften in England, Frankreich und Deutschland muss auch die für deren Entwicklung relevanten Bedingungen und Objekte finden und benennen. Dazu reicht es natürlich nicht aus, ein dialektisches Schema über die Geschichte zu legen, sondern hier muss man eine sehr spezifische Analyse aller Faktoren durchzuführen, hinsichtlich ihren jeweiigen Bedeutungen untereinander und füreinander, um dann schließlich irgendwann zu dem Ergebnis zu kommen: "Holla! Die Ökonomie spielt hier eine Hauptrolle!"
Und wie die Ökonomie zusammenhängt mit den gesellschaftlichen Akteuren, mit den Menschen, den Subjekten, den Produktivkräften - das ist nicht nur eine Frage der Fakten, sondern geht über diese hinaus.
Im Nachhinein muss man sagen, dass die Entwicklung der drei Länder auch anders hätte verlaufen können, auch unter den gleichen Bedingungen. Trotzdem muss man verstehen, dass diese jeweils in ihrer konkreten Bedeutung zu gewichten sind als vorantreibende Objekte und Beziehungen von Objekten, die das Gesamtding nicht stabilisieren, sondern zu einem sich ständig selbst negierenden Prozess gestalten.
Die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten interagieren so mit den psychologischen Gesetzmäßigkeiten, mit den geographischen Gesetzmäßigkeiten, mit den Gesetzmäßigkeiten der internationalen Handelsbeziehungen und kulturellen Austausches usw.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Eine Erklärung von Entwicklungsprozessen setzt eine korrekte Analyse der real wirkenden Antagonismen innerhalb der untersuchten Objekte voraus ...- |
… weil du deine Erklärung, es müsse sich um den Ausdruck von "Antagonismen" handeln, schon mitbringst. Es geht auch nicht um reine "Faktensuche", sondern um die Suche nach nachprüfbaren Modellen von Zusammenhängen zwischen den beobachtbaren Fakten. |
Wenn solche Modelle Entwicklungsprozesse und nicht nur Strukturen, Systeme oder Gleichgewichte abbilden können, sind sie zudem noch dialektisch. Damit kämen sie dann der Realität umso näher.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Welches sind die wesentlichen Widersprüche der Gesellschaft? Wodurch entwickelte und entwickelt diese sich, wenn sie sich entwickelt?
Auf jeden Fall ist es auch hier so, dass Gesellschaften und Teile von ihr sich aus ihren internen und wechselseitigen Interaktionen verändern und sicherlich nicht, weil da metaphyisische Mächte eingreifen. |
Wie kommst du auf "metaphysische Mächte"? Gesellschaften bestehen ausschließlich aus Menschen und ihren wechselseitigen Abhängigkeiten, ihren Beziehungen zueinander, in Kooperation oder Konfrontation. Da die Menschen sich verändern (schon allein dadurch, daß sie heranwachsen, älter werden und sterben), verändern sich auch diese Interdependenzen. Daß Gesellschaften sich also verändern, ist der zu erwartende Normalfall. Zu erklären wäre eher, warum sie sich offenbar langsamer verändern als die Menschen, von denen sie gebildet werden. |
Dabei blendest du eine Menge aus. Es ist ja nicht so, dass a) nur die Menschen die Gesellschaft veränderen, sondern umgekehrt mindestens genau so und b) muss man folglich die Gesamtheit aller Bedingungen betrachten in denen die Menschen leben. So findet man dann z.B. Beziehungen zwischen dem Bewusstsein von Individuen/Gruppen/Schichten zu diversen Mikro- und Makroverhältnissen.
Es ist undialektisch, wenn man gegenüberstellt a) die Veränderung der Menschen und b) die Veränderung der Gesellschaft, auch wenn man dies durch die Aussage ergänzt, beide hätten etwas miteinander zu tun. Die Dialektische Frage lautet hier: Was genau? Wie sind denn die Beziehungen zwischen welchen Objekten und Subjekten genau und was bewirken diese in der Gesamtheit, in der Totalität der Gesellschaft?
Übrigens: "metaphysische Mächte" kommen in gewissen Debatten immer dann ins Spiel, wenn es um die *Schöpfung* neuer Qualitäten geht. In der gesellschaftlichen Debatte treten an deren stelle gelegentlich auch die *großen weisen Führer* oder so. Das heisst, das Schöpferische, welches die Dialektik auf ihre Weise erklärt, wird durch jene Externalisierung und/oder Personalisierung des Schöpferischen zu etwas, was kein Teil der sich entwickelnden Dinge selber ist und über ihnen steht.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Wenn man nach Modellen sucht, ob und wie aus diesen Veränderungen der einzelnen Menschen und ihren Beziehungen zu anderen Menschen etwas wird, was man "strukturierte soziale Entwicklungen" nennen könnte, muß man die beobachtbaren Fakten betrachten, um aus ihnen Erklärungsmodelle zu bilden, die sich überprüfen, belegen und weiterentwickeln lassen.
Das Marx'sche Modell war einer der ersten Versuche, und im Geiste des 19. Jh. und mit dem Vorbild der Physik vor Augen meinte er das "Bewegungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise", das "Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte" gefunden zu haben. Dem war ganz offensichtlich nicht so. |
Ja, das hat Marx aber schon konkreter durchgeführt. Und eigentlich sollte man das als gute Grundlage und Anregung sehen. Insbesondere seine Untersuchungen zum Wertgesetz sind von zentraler Bedeutung, wobei dies den Inhalt der kapitalistischen Widersprüche betrifft, dessen Formen aber sehr stark variiieren und ihrerseits einen Einfluss auf den Inhalt ausüben können.
Auf jeden Fall bleibt hier noch viel zu forschen. Keinesfalls geht es darum, ein Schema in der Welt wiederzufinden, sondern die Dinge jeweils konkret in ihren internen und externen Triebkräften zu untersuchen. Und wohin die Bewegung schließlich geht, das weiß man noch nicht, aber man kann heraus finden, wovon sie abhängt ...-
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K.I.Z - Frieden
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2037113) Verfasst am: 28.12.2015, 16:58 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Er_Win hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Dialektik ist nicht "nur eine Idee" von Hegel. Dieser hat letzten Endes die Erkenntnisse über die Evolution des Lebens dialektisch verstanden bzw. hat die Dialektik, die sich in der Natur findet, quasi extrahiert.
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naja ...
hättest du geschrieben dass in der Natur Polaritäten sowie dynamische Gleichgewichtsprozesse beobachtbar sind könnte ich dir zustimmen. Aber "Extraktion der Dialektik" - nenene ... |
So viel zum Strukturalismus und dem lediglich dazu gepappten Begriff "dynamisch".
Wir können die Weiter- und Höherentwicklung des Lebens und der Gesellschaft wohl kaum durch Anwendung des Massenwirkungsgesetzes verstehen.
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Was interpretierst du da wieder rein - ich meinte damit nicht chemische Prozesse... |
Nicht? Hörte sich aber so an.
Da hat ja selbst Luhmann schon protestiert. Da brauche ich dann nichts mehr anzumerken.
Aber einen hätte ich noch: Das Umkreisen der Sonne um die Erde! Ein sehr stabiler Zustand! (Dachte man einst.)
Bei der Systemtheorie fällt oft deren Beschränkung auf das System selbst auf (z.B. das *System Familie* etc.). Das wurde bereits oben in dem rote-ruhr-Text angesprochen ...-
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K.I.Z - Frieden
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unquest auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.10.2010 Beiträge: 3326
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(#2037119) Verfasst am: 28.12.2015, 18:05 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
...Dialektik... , ...Dialektik... ,...Dialektik... |
Mein Guru sagt immer Ying und Yang.
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#2037120) Verfasst am: 28.12.2015, 18:14 Titel: |
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unquest hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
...Dialektik... , ...Dialektik... ,...Dialektik... |
Mein Guru sagt immer Ying und Yang. |
abgesehen von dem "g" das zuviel ist, geht das gar nicht - viel zu esoterisch ...
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#2037122) Verfasst am: 28.12.2015, 18:25 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Bei der Systemtheorie fällt oft deren Beschränkung auf das System selbst auf (z.B. das *System Familie* etc.). Das wurde bereits oben in dem rote-ruhr-Text angesprochen ...- |
ah ja ...
Eventuell hat auch sie nur ein etwas beschränktes Verständnis über Abstraktionsbildung in systemtheoretischem Sinn. Und wie Dialektik etwas erweitern könnte, das polare Bezogenheit (zB. beim Tetralemma) bereits als Spezialfall auch abstrahiert, das muss ich nun nicht wirklich verstehen ...
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2037129) Verfasst am: 28.12.2015, 19:04 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ....
Zunächst mal grundsätzlich: Erklären heisst nicht, Voraussagen zu erstellen. Es ist ohnehin ein falsches Verständnis wissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten, wenn man diese an ihre Fähigkeit bemisst, etwas voraus zu sagen. Vielmehr sind z.B. physikalische Gesetze dann gut, wenn sie auch in der Lage sind, die Ursachen eines bereits vorhanden Zustandes - nachträglich - anzugeben..... |
Was hast Du denn geraucht?
Die Trefferquote der Vorhersagen ist überhaupt die einzige Möglichkeit, die Richtigkeit gefundener Gesetzmäßigkeiten zu belegen. Und die Vorhersagemöglichkeiten sind auch der einzige Grund, nach solchen Gesetzmäßigkeiten zu suchen, weil wir nur damit die Zukunft kontrollieren können, die Vergangenheit ist sowieso nicht zu kontrollieren.
Nur Gesetzmäßigkeiten mit Vorhersagekraft ermöglichen uns, sinnvoll Häuser und die Geräte unseres täglichen Lebens herzustellen oder auch nur unser eigenes Leben zu planen. Dir traue ich nach diesem Absatz allerdings zu, dass Du eine Bastelpackung kaufen würdest, auf der folgende Warnung steht:
Zitat: | Leider können wir nicht garantieren, dass Sie mit dem Inhalt dieser Packung wirklich ein Haus bauen können, dass sich auch nur selbst trägt. Der Architekt war von der dialektischen Fakultät und bestand darauf, kein Prophet zu sein. |
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2037130) Verfasst am: 28.12.2015, 19:07 Titel: |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | "Dialektik" hat für die Religion des Marxismus die selbe Aufgabe wie "Exegese" für die christlichen Religionen: Es ist eine Methode, logische Widersprüche wegzuerklären, und erfüllt damit eine apologetische bzw. kritikimmunisierende Funktion. Der Nachteil dieser Methoden ist, wie bei allen Methoden, die Widersprüche "fruchtbar" machen wollen, dass gemäß dem logischen Prinzip "ex falso quodlibet" neben durchaus vernünftigen Thesen auch jeder beliebige Unsinn damit hergeleitet werden kann. |
Ich habe ja keine Ahnung von Dialektik, aber nachdem, was Skeptiker gerade losgelassen hat, scheinst Du Recht zu haben.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#2037134) Verfasst am: 28.12.2015, 19:46 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ....
Zunächst mal grundsätzlich: Erklären heisst nicht, Voraussagen zu erstellen. Es ist ohnehin ein falsches Verständnis wissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten, wenn man diese an ihre Fähigkeit bemisst, etwas voraus zu sagen. Vielmehr sind z.B. physikalische Gesetze dann gut, wenn sie auch in der Lage sind, die Ursachen eines bereits vorhanden Zustandes - nachträglich - anzugeben..... |
Was hast Du denn geraucht? |
mit etwas mehr Dialektik - oder war's Yin/Yang - *egal - würdest du sofort die riesigen Vorteile dieser *ähm "altlinken" Wissenschaftstheorie erkennen. Etwas vorauszusagen, das bereits eingetroffen ist, erhöht die Trefferwahrscheinlichkeit ungemein - das wußte Oma doch schon, dass man hinterher immer schlauer ist.
Das ganze muss man dann noch mit etwas Habermas würzen:
Zitat: | Theorien sind Ordnungsschemata, die wir in einem syntaktisch verbindlichen Rahmen beliebig konstruieren.
Sie erweisen sich für einen speziellen Gegenstandsbereich dann als brauchbar, wenn sich ihnen die reale Mannigfaltigkeit fügt. |
... und schon klingt das abgehoben genug, um jedes beliebige syntaktisch korrekte Konstrukt, das zu dem bereits bekannten historischen Ergebnis führt, als "wissenschaftliche Erkenntnis" zu preisen
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2037171) Verfasst am: 28.12.2015, 23:20 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ....Zunächst mal grundsätzlich: Erklären heisst nicht, Voraussagen zu erstellen. Es ist ohnehin ein falsches Verständnis wissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten, wenn man diese [nur] an ihre Fähigkeit bemisst, etwas voraus zu sagen. Vielmehr sind z.B. physikalische Gesetze dann gut, wenn sie auch in der Lage sind, die Ursachen eines bereits vorhanden Zustandes - nachträglich - anzugeben..... |
[Fehlendes Wort in blau eingefügt, wichtiges Wort gefettet - S.]
Was hast Du denn geraucht?
Die Trefferquote der Vorhersagen ist überhaupt die einzige Möglichkeit, die Richtigkeit gefundener Gesetzmäßigkeiten zu belegen. Und die Vorhersagemöglichkeiten sind auch der einzige Grund, nach solchen Gesetzmäßigkeiten zu suchen, weil wir nur damit die Zukunft kontrollieren können, die Vergangenheit ist sowieso nicht zu kontrollieren.
Nur Gesetzmäßigkeiten mit Vorhersagekraft ermöglichen uns, sinnvoll Häuser und die Geräte unseres täglichen Lebens herzustellen oder auch nur unser eigenes Leben zu planen. Dir traue ich nach diesem Absatz allerdings zu, dass Du eine Bastelpackung kaufen würdest, auf der folgende Warnung steht:
Zitat: | Leider können wir nicht garantieren, dass Sie mit dem Inhalt dieser Packung wirklich ein Haus bauen können, dass sich auch nur selbst trägt. Der Architekt war von der dialektischen Fakultät und bestand darauf, kein Prophet zu sein. | |
Physiker, die die Entstehung der Welt rekonstruieren, Mordkommissare, die den Tathergang untersuchen und Evolutionsbiologen, die erforschen, wie es zu uns Menschen gekommen ist oder auch Dialektiker, die die Entstehung des Kapitals verstehen wollen suchen alle nach den Ursachen eines vorhandenen Zustandes und sie suchen nach den Gesetzmäßigkeiten, die zu einem Zustand geführt haben.
Das zweite Anwendungsfeld der Wissenschaften und Forschung ist in der Tat die Anwendung gefundener Gesetzmäßigkeiten für die Entwicklung technischer Projekte, ökonomischer Konzepte oder auch Pflanzenzucht.
Ich habe nicht geleugnet, dass es zwei Dinge sind, die hier entscheidend sind:
a) Ein Zustand und die Zuordnung verschiedener möglicher Gesetzmäßigkeiten als Ursachen (je nach verschiedenen Bedingungen),
b) Eine Gesetzmäßigkeit und die Zuordnung verschiedener möglicher resultierender Zustände bei dessen Anwendung (je nach verschiedenen Bedingungen).
Die Zusätze in Klammern darf man nicht vergessen. Die Dialektik beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen der Gesamtheit relevanter Bedingungen.
Den Disput hatte ich bereits schon mal hier im Forum, wo es um meine Kritik an der einseitigen Evaluierung von Gesetzmäßigkeiten ging (nämlich nur im Sinne von b)).
Dass man z.B. die Entstehung und Ausbreitung der Säugetiere so nicht vorhersehen konnte, liegt einerseits an der extrem komplexen Vielfalt der dabei beteiligten Bedingungen und Wechselwirkungen und zum zweiten an der Tatsache, dass mehr als nur ein probabilistisches Element - hier: der Komet - dabei ist. Deshalb will der Dialektiker lieber nicht den Propheten spielen.
Rauchen brauche ich dazu nichts, das ist keine psychedelische Erkenntnis ...-
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K.I.Z - Frieden
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2037172) Verfasst am: 28.12.2015, 23:49 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Bei der Systemtheorie fällt oft deren Beschränkung auf das System selbst auf (z.B. das *System Familie* etc.). Das wurde bereits oben in dem rote-ruhr-Text angesprochen ...- |
ah ja ...
Eventuell hat auch sie nur ein etwas beschränktes Verständnis über Abstraktionsbildung in systemtheoretischem Sinn. |
Das kann sein. Aber ist das nun ein Vorteil oder ein Nachteil?
Er_Win hat folgendes geschrieben: | Und wie Dialektik etwas erweitern könnte, das polare Bezogenheit (zB. beim Tetralemma) bereits als Spezialfall auch abstrahiert, das muss ich nun nicht wirklich verstehen ... |
Das Tetralemma soll ja ein Spezialfall des indischen Buddhismus sein.
Die Dialektik hat eine philosophische aber keine religiöse Herkunft.
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K.I.Z - Frieden
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#2037179) Verfasst am: 29.12.2015, 00:37 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Er_Win hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Bei der Systemtheorie fällt oft deren Beschränkung auf das System selbst auf (z.B. das *System Familie* etc.). Das wurde bereits oben in dem rote-ruhr-Text angesprochen ...- |
ah ja ...
Eventuell hat auch sie nur ein etwas beschränktes Verständnis über Abstraktionsbildung in systemtheoretischem Sinn. |
Das kann sein. Aber ist das nun ein Vorteil oder ein Nachteil? |
*imho eindeutig ein Nachteil.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Er_Win hat folgendes geschrieben: | Und wie Dialektik etwas erweitern könnte, das polare Bezogenheit (zB. beim Tetralemma) bereits als Spezialfall auch abstrahiert, das muss ich nun nicht wirklich verstehen ... |
Das Tetralemma soll ja ein Spezialfall des indischen Buddhismus sein.
Die Dialektik hat eine philosophische aber keine religiöse Herkunft. |
Spezialfall des indischen Buddhismus ist es nicht, es nimmt Bezug darauf, wurde dann aber - wie auch bei wikipedia beschrieben im "westlich logischen" Sinne adaptiert.
Ob abseits der Folklore der Buddhismus Religion oder Philosophie ist, darüber kann man streiten - rein dialektisch klarerweise
Das ist auch nicht der Kernpunkt, auf den ich dich hinweisen wollte. Es ist mir unverständlich wie man ein theoretisches Konstrukt, welches NUR auf Polarität beruht, so idealisieren kann wie du das machst - insbesondere wenn es um Theoriebildung in komplexen selbstorganisierenden Systemen geht.
Es ist ja nicht nur das Tetralemma, welches Polaritäten um andere Konzepte erweitert. Wenn du es gerne formaler hättest, dann ist mit Sicherheit auch die Fuzzylogik kein "Produkt" der Dialektik, genauso wenig wie die (seltsamen) Attraktoren in der Chaostheorie oder allgemeiner der gesamte Bereich der https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Nichtklassische_Logik
Diese Konzepte decken auch Polaritäten ab, gehen aber darüber hinaus ...
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#2037315) Verfasst am: 29.12.2015, 20:46 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Ich denke, man sollte auch begrifflich klarer unterscheiden zwischen der biologischen Evolution, die zum ersten Mal Darwin und Wallace modellhaft beschrieben haben, und der sozialen Entwicklung menschlicher Gesellschaften, die zwar ebenso wie die biologische Evolution ein strukturierter, ungeplanter Prozeß ist, aber eben ganz anders "funktioniert". |
Natürlich funktioniert das anders.
Scherzhaft gesagt: Kulturen vögeln nicht miteinander, um Nachwuchs zu zeugen. Eher noch teilen sie sich wie Einzeller, aber auch das Bild versagt von Fall zu Fall. Hier fehlen tatsächlich noch klare Vorstellungen, was eine "kulturelle DNA" ausmacht. Wir befinden uns in der gleichen Situation wie Darwin, der noch nichts von Genen wußte.
Ein ganz aktuelles Beispiel, wie Evolution fachfremd verwendet wird. Es geht um die Evolution kreationistischer Argumente. Nicholas Matzke hat Gesetzesinitiativen aus der kreationistischen Ecke untersucht und seine Daten dann in eine Stammbaumanalyse gesteckt, wie sie auch für DNA oder Dinosaurier verwendet wird.
Zitat: | How Creationism Has Evolved Since The Dover Trial
Over the years since the trial, he told Scientific American’s Steve Mirsky, Matzke kept in touch with NCSE staff and they periodically discussed how anti-evolution bills introduced in different states looked like they were just being copied and modified. It would be useful (and amusing) to do a phylogeny of them all.
Once the number of bills reached about 60, he said, “I took all those bills, lined up all those texts, coded all the characteristics, all the variations between these texts, and then ran them through the standard phylogenetic analyses that we use for DNA. We use them for dinosaurs, they get used to study virus evolution. Those same programs can be used on texts that have been copied and modified.”
http://www.forbes.com/sites/johnfarrell/2015/12/20/how-creationism-has-evolved-since-the-dover-trial/ |
Ergebnis war dieser Stammbaum:
Das ist "survival of the fittest" bei kreationistischen Thesen. Sicher kein biologischer Vorgang. Aber, Gretchenfrage, ist es Evolution?
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#2037455) Verfasst am: 31.12.2015, 09:01 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | ....
Das ist selektives Zitieren: einen Satz beispielhaft herausheben, aber den Zusammenhang ignorieren. Ich halte das für ziemlich unfein. ... |
Ich halte das nicht für unfair, sondern für unverstanden. |
Diese Rezension zu Neffes Buch, in dem er die Stationen von Darwins Reise erneut bereist, spricht von undifferenzierter Kultur- und Biologiekritik.
Zitat: | Das wahre Abenteuer des Lebens
Wendemanöver auf gefährlichem Grund
Wenn Neffe über Darwins Reise und die allmähliche Entwicklung der Darwinschen Theorie schreibt, schlägt er die Leser durchaus in seinen Bann. Auch die Schilderung vieler seiner persönlichen Begegnungen ist recht unterhaltsam, und der Vergleich der Naturerscheinungen im zeitlichen Abstand von fast 200 Jahren ist atmosphärisch gelungen.
Problematisch und ärgerlich wird es dann aber, wenn Neffe Darwin als originellem Theoretiker nacheifern möchte, dabei aber lediglich undifferenzierte Kultur- und Biologiekritik präsentiert. Anders als bei Darwin findet man hier gerade keine durchdachten Argumente. An ihre Stelle treten sattsam bekannte, politisch korrekte Halbwahrheiten zur Ressourcenausbeutung und Artenzerstörung, zum Verhältnis von Natur und Kultur sowie zur Eugenik – und dabei widerspricht er sich auch noch selbst.
So soll uns durch genetische Manipulation und Eugenik ein nicht näher spezifiziertes Unheil drohen: „Als unfertiges Wesen, das sich selbst nicht genügt hat, macht sich der Mensch daran, nun auch biologisch seinen alten Traum von Selbsterschaffung und -verbesserung zu verwirklichen. […] Durch gentechnisch gestützte Eugenik geraten wir zum Subjekt und Objekt eines Experiments mit offenem Ausgang“ (S. 463). Kurz darauf wird dann aber der Einfluss der Gene bei Menschen (und damit ja auch die genetische Manipulierbarkeit) auf lapidare 5% marginalisiert: „Anders gesagt verdankt die Menschheit ihre Existenz zu mehr als fünfundneunzig Prozent jenem staunenswerten Phänomen namens Kultur“ (S. 464).
Ein weiteres Beispiel ist die Diskussion des Begriffs ‚Rasse’, die Neffe an vielen Stellen seines Berichts führt. So meint er: „Der Begriff ‚Rasse’, wie ihn Züchter auf Haustiere anwenden, ergibt auf Menschen übertragen ohnehin keinen Sinn“ (S. 148). Kurz darauf erfasst ihn dann aber eine „seltsame Ergriffenheit, einer letzten ‚Reinrassigen’ gegenüberzustehen“ (S. 151) und auf St. Helena bemerkt er: „Während mir in Südafrika jeder seine Rassenzugehörigkeit nennen kann, ist auf St. Helena dazu niemand imstande“.
http://www.darwin-jahr.de/evo-magazin/wahre-abenteuer-lebens |
Der Artikel ist übrigens von Sabine "PaläoPower" Paul.
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#2037514) Verfasst am: 31.12.2015, 14:42 Titel: |
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Beim Stöbern nach Neffe-Rezensionen bin ich auf folgendes Buch gestoßen. Da trifft Darwin, Kultur und Evolution wieder auf's Threadthema.
Marcellinus wird mit den Augen rollen, wenn er "biologisch" liest.
Kilian möchte erklären, wie Religion funktioniert. Und zwar alle Religionen. Das geht gründlich in die Hose, weil das Ergebnis von Anfang an feststeht: Religion ist eine parasitäre Fehlanpassung.
Spektrum-Rezension hat folgendes geschrieben: | Bis heute fehlt eine allgemein akzeptierte Definition dessen, was unter Religion eigentlich zu verstehen ist. Nicht einmal die Religionswissenschaftler können ihren Forschungsgegenstand hinreichend präzise bestimmen – wenig verwunderlich bei mehr als 100 000 verschiedenen Glaubensgemeinschaften weltweit mit reichlich einer halben Million Göttern. Gegen entsprechende Versuche der Geisteswissenschaftler setzt der promovierte Biologe Andreas Kilian sein Unternehmen, von der Warte des Biologen her dem nachzugehen, was immer man unter Religion oder Spiritualität verstehen mag.
http://www.spektrum.de/rezension/die-logik-der-nicht-logik/1068883 |
Bei dieser Vielzahl an Religionen ist es erstaunlich, wie Kilian alle unter einen Hut bringt. Oder es wenigstens versucht.
Heise-Interview hat folgendes geschrieben: | Der religiöse Glauben ist ein Ergebnis, von dem niemand weiß, wie man dort hin gekommen ist, noch wie die Glaubensinhalte zu überprüfen sind.
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35016/1.html |
Gegenbeispiel: Konfuzianismus.
Heise-Interview hat folgendes geschrieben: | Religiöser Glauben ist immer fundamentalistisch. |
Egal wie ich den Satz drehe und wende, dazu passt er nicht:
Heise-Interview hat folgendes geschrieben: | In der polytheistischen Antike herrschte die individuelle Glaubensfreiheit und damit die Glaubensvielfalt. Es gab den persönlichen Glauben und jeder Reisende war frei die lokalen Götter seiner Reiseziele mit in seinen Pantheon aufzunehmen und um Schutz zu bitten. Da die meisten Menschen mehrere Götter hatten, wurden alle Vorstellungen als gleichwertig toleriert. |
Heise-Interview hat folgendes geschrieben: | Fragt man die Vertreter der Religionen höchstpersönlich, so sind alle Überzeugungen falsch bis auf eine einzige: nämlich ihre eigene. |
Hat er wohl keinen Bahai gefragt?
Heise-Interview hat folgendes geschrieben: | Das imaginäre Alphatier, genannt Gott, muss unerforschbar sein, damit die unredliche Argumentationsebene nicht hinterfragt oder gar widerlegt werden kann. |
Jetzt bin ich verwirrt.
Geht es Kilian nur um Religionen mit Alphatier? Dann wäre seine Arbeit Flickwerk. Es fehlen die östlichen atheistischen Religionen und es fehlen Stammesreligionen - in denen das etwas anders läuft.
"RELIGION, EINE SPEZIELLE ART VON EGOISMUS"
So faßt eine Rezension Kilians Standpunkt zusammen.
Darwin-Jahr-Rezension hat folgendes geschrieben: | Für Kilian ist Religion ein Verhalten, eine Strategie, eine spezielle Art von Egoismus. Ein wesentlicher Kern von Religion ist ihre Nicht-Logik, der Verweis ihrer Vertreter auf nicht überprüfbare Argumente. Diese Nicht-Logik folgt einer eigenen Evolution, einer eigenen Logik, die für untergeordnete „Beta-Tiere“ zahlreiche Möglichkeit bietet, sich Macht und Ressourcen zu sichern und in der gesellschaftlichen Hierarchie aufzusteigen.
Die biologische Definition, die Kilian erarbeitet, läuft darauf hinaus, dass Religion ein Verhalten ist, mit Hilfe von nicht-logischen und nicht-überprüfbaren Argumentationsebenen den je eigenen Egoismus mit und gegen die Gruppenmitglieder zu rechtfertigen, durchzusetzen und befriedigen zu können. Anders gesagt: Religion ist eine Vorteilsnahme, die sich unredlicher Argumente bedient.
http://www.darwin-jahr.de/evo-magazin/logik-nicht-logik-0 |
Kilian stellt das in diesen theoretischen Rahmen:
Heise-Interview hat folgendes geschrieben: | Aus der Sichtweise der Biologie ist Egoismus der Antrieb jeglichen Handelns. Altruismus bedeutet lediglich, dass es sich für ein Gen mehr lohnt auf eine seiner Kopien - sprich Verwandten - zu setzen. Auch für reziproken Altruismus und Kooperationen mit Nicht-Verwandten gibt es eine subjektive Kosten-Nutzen-Schwelle, ab der es sich eher lohnt zusammen zu arbeiten. Geht die Rechnung nicht auf, wird die Kooperation abgebrochen.
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35017/1.html |
Zwei Absätze weiter wirft er das etwas um. Die Kosten-Nutzen-Schwelle sei zugunsten einiger weniger verschiebbar, der große Rest hat den Schaden.
Zitat: | Religionen sind zur Befriedung des Egoismus Einzelner entwickelt worden: In einer Welt, in der alle Teilnehmer logisch denken können und sich logisch verhalten, ist das Verhalten anderer vorhersagbar. Will ich mir Vorteile erschleichen, ohne durchschaut zu werden, so muss ich meine Absichten verschleiern. Dies gilt auch für die Argumentation und Rechtfertigung von Verhalten. Religionen liefern als Argumentationsebenen hierfür nicht-überprüfbare und nicht-widerlegbare Argumente.
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35017/1.html |
Das widerspricht dem obigen "Wenn die Rechnung nicht aufgeht, dann wird die Kooperation abgebrochen." Warum wird die Kooperation nicht auch hier abgebrochen, warum werden die egoistischen Einzelnen nicht in die Schranken verwiesen?
Das schaut nicht wie eine stabile Strategie aus. Kilian weiß das eigentlich auch.
Heise-Interview hat folgendes geschrieben: | Es gibt allerdings so etwas wie eine "Evolution" von Glaubensinhalten zwischen dem Wunschdenken der Gläubigen und dem, was den gebildeten Gläubigen gerade noch verkauft werden kann. Nicht umsonst bemühen sich die Kirchen, den Einklang von Glauben und Wissenschaft zu betonen. Sie verschweigen dabei aber die permanente Aktualisierung ihrer Glaubensinhalte hin zu den Light-Versionen.
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35017/1.html |
Er ignoriert das, weil sonst sein Gedankengebäude einfällt.
Aus dem gleichen Grund bürstet er auch Michael Blume so ab, der hat über adaptiven Nutzen von Religion geschrieben. Ketzerei! Es war doch von vorneherein ausgemacht, daß Religion eine Fehlanpassung ist.
Aber vielleicht verstehe ich ihn auch falsch, denn hier sagt er, Religion könne sowieso nichts an den Spielregeln ändern.
Heise-Interview hat folgendes geschrieben: | Da brechen auch keine Weltbilder zusammen, weil alle Religionen bisher nur auf den Spielregeln existieren konnten, die der Mensch sowieso schon seit dem Pleistozän hat. Nicht umsonst zeigen Untersuchungen, dass alle Menschen auf der Welt über die gleichen Grundbegriffe von Moral und Ethik verfügen. Daran haben auch Religionen nie etwas ändern können. |
Soviel zur Logik der Nicht-Logik.
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#2037561) Verfasst am: 31.12.2015, 18:49 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Beim Stöbern nach Neffe-Rezensionen bin ich auf folgendes Buch gestoßen. Da trifft Darwin, Kultur und Evolution wieder auf's Threadthema.
Marcellinus wird mit den Augen rollen, wenn er "biologisch" liest.  |
Ich wunder' mich schon über nichts mehr. Das passiert, wenn man sich in Biologismen verliert, weil man keine halbwegs zuverlässige Theorie sozialer Prozesse hat, denn das sind Religionen: soziale Prozesse. Sie richten sich auch nicht nach einer wie auch immer gearteten Definition, und haben höchstens etwas, was Wittgenstein Familienähnlichkeit nannte.
Hinzu kommt, daß die Besetzung dieses Begriffes auch mit Interessen verbunden ist. Während jahrhundertelang die Christen alle Nicht-Christen verächtlich als Heiden abtaten, ganz egal, ob sie etwas anderes glaubten oder nichtgläubig waren, und sich eher was abgebissen hätten, als mit den Andersgläubigen Gemeinsamkeiten festzustellen, versuchen sie nun, wo ihre Glaubensgemeinschaften an Attraktivität verlieren, andere Religionen für sich zu vereinnahmen, um sich der wachsenden Zahl von Nichtgläubigen zu erwehren.
Es könnte also sein, daß es das Gemeinsame, das der Begriff "Religion" impliziert, nur in den Wunschträumen mancher Religiöser gibt, was nun allerdings diesem Begriff durchaus angemessen wäre.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2037568) Verfasst am: 31.12.2015, 19:47 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ....
Ich wunder' mich schon über nichts mehr. Das passiert, wenn man sich in Biologismen verliert, weil man keine halbwegs zuverlässige Theorie sozialer Prozesse hat, denn das sind Religionen: soziale Prozesse. Sie richten sich auch nicht nach einer wie auch immer gearteten Definition, und haben höchstens etwas, was Wittgenstein Familienähnlichkeit nannte..... |
Mein Brut drängelt und quängelt - deshalb nur eine ganz kurze Einwendung:
Man hat innerhalb der Biologie sehr wohl ein Theorie sozialer Prozesse, allerdings keine Theorie kuturgesteuerter sozialer Prozesse. Du Anthropozentrist!
Ansonsten ist das prozessuale an Religion individuell (und auch Gegenstand der Psychologie) und der soziale Prozess darin besteht auf der einen Seite auf rituellem Synchronverhalten mit den dadurch hervorgerufenen entprechenden Gefühlen. Ansonsten wird dieser Prozess weniger durch die Religion bestimmt als durch deren Priesterschaft, die aber immer nur einen Teil des Rligiösen ausmacht.
Guten Rutsch
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#2037570) Verfasst am: 31.12.2015, 19:55 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: |
Du Anthropozentrist!
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Klar bin ich das! Sonst machte das alles, was wir hier treiben, keinen Sinn!
Guten Rutsch auch dir!
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#2037674) Verfasst am: 01.01.2016, 19:44 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Beim Stöbern nach Neffe-Rezensionen bin ich auf folgendes Buch gestoßen. Da trifft Darwin, Kultur und Evolution wieder auf's Threadthema.
Marcellinus wird mit den Augen rollen, wenn er "biologisch" liest.  |
Danke für den Hinweis. Allerdings weisen Deine Links darauf hin, dass es sich für mich nicht lohnt, das Buch zu lesen. Es sieht, vor allem nach dem Interview bei Heise, so aus, als sei das nur ein eher platter Vulgäratheismus, der sich mit ein paar szientistischen Argumenten aufgepumpt hat. Mir scheint, da habe ich bereits ein deutlich besseres Buch gelesen, das letztlich zu vergleichbaren Schlussfolgerungen kommt, das ich aber im Gegensatz zu Kilians Buch hiermit uneingeschränkt empfehlen möchte:
Daniel C. Dennett - Den Bann brechen: Religion als natürliches Phänomen
Das Buch ist - wie leider viele der deutschen Ausgaben von Dennett-Büchern, vergriffen und nur sehr teuer antiquarisch zu erhalten, aber jede gut sortierte Bibliothek müsste es eigentlich haben.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#2037681) Verfasst am: 01.01.2016, 20:26 Titel: |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: |
Danke für den Hinweis. Allerdings weisen Deine Links darauf hin, dass es sich für mich nicht lohnt, das Buch zu lesen. Es sieht, vor allem nach dem Interview bei Heise, so aus, als sei das nur ein eher platter Vulgäratheismus, der sich mit ein paar szientistischen Argumenten aufgepumpt hat. Mir scheint, da habe ich bereits ein deutlich besseres Buch gelesen, das letztlich zu vergleichbaren Schlussfolgerungen kommt, das ich aber im Gegensatz zu Kilians Buch hiermit uneingeschränkt empfehlen möchte:
Daniel C. Dennett - Den Bann brechen: Religion als natürliches Phänomen
Das Buch ist - wie leider viele der deutschen Ausgaben von Dennett-Büchern, vergriffen und nur sehr teuer antiquarisch zu erhalten, aber jede gut sortierte Bibliothek müsste es eigentlich haben. |
Was ja nicht heißt, daß niemand es hat! Ja, Dennett ist besser. Aber seine Darstellung krankt an einer anderen Stelle, und die hat auch damit zu tun, daß er Philosoph ist. Er kann sich einfach nicht entschließen, ob er das Thema philosophisch oder wissenschaftlich angehen will. Diese Unentschiedenheit steckt schon im Titel: "Den Bann brechen" und "Religion als natürliches Phänomen", einerseits antireligiöses Pamphlet, andererseits ein Buch, daß das Phänomen "Religion" wissenschaftlich erklären will. Mit dem ersteren hätte er sich kürzer fassen können, mit dem zweiten hat er sich eindeutig übernommen.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2037700) Verfasst am: 01.01.2016, 23:57 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: |
Danke für den Hinweis. Allerdings weisen Deine Links darauf hin, dass es sich für mich nicht lohnt, das Buch zu lesen. Es sieht, vor allem nach dem Interview bei Heise, so aus, als sei das nur ein eher platter Vulgäratheismus, der sich mit ein paar szientistischen Argumenten aufgepumpt hat. Mir scheint, da habe ich bereits ein deutlich besseres Buch gelesen, das letztlich zu vergleichbaren Schlussfolgerungen kommt, das ich aber im Gegensatz zu Kilians Buch hiermit uneingeschränkt empfehlen möchte:
Daniel C. Dennett - Den Bann brechen: Religion als natürliches Phänomen
Das Buch ist - wie leider viele der deutschen Ausgaben von Dennett-Büchern, vergriffen und nur sehr teuer antiquarisch zu erhalten, aber jede gut sortierte Bibliothek müsste es eigentlich haben. |
Was ja nicht heißt, daß niemand es hat! Ja, Dennett ist besser. Aber seine Darstellung krankt an einer anderen Stelle, und die hat auch damit zu tun, daß er Philosoph ist. Er kann sich einfach nicht entschließen, ob er das Thema philosophisch oder wissenschaftlich angehen will. Diese Unentschiedenheit steckt schon im Titel: "Den Bann brechen" und "Religion als natürliches Phänomen", einerseits antireligiöses Pamphlet, andererseits ein Buch, daß das Phänomen "Religion" wissenschaftlich erklären will. Mit dem ersteren hätte er sich kürzer fassen können, mit dem zweiten hat er sich eindeutig übernommen. |
Das Problem mit Dennett ist, dass für ihn einfach alles Natur ist, also auch die Religion. Somit übernimmt sich dieser biologisierende Philosoph *natürlich* auch mit der Religionskritik.
Einer wie S. Freud war doch schon sehr viel weiter und betrachtete die Kultur quasi als eine *zweite Natur*, die anderen und eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Freud war somit fähig zu einer schon relativ gehaltvollen Kultur- und auch Religionskritik, wozu Dennett nicht fähig ist.
Es ist darüber hinaus schon komisch, dass seine Manie, überall Prinzipien der Evolution erkennen zu wollen, einigen überhaupt nicht verdächtig erscheint, denen es aber völlig inakzeptabel ist, wenn jemand irgendwo Dialektik erkennt, noch dazu dort, wo es sie wirklich gibt ...-
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#2037702) Verfasst am: 02.01.2016, 00:33 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das Problem mit Dennett ist, dass für ihn einfach alles Natur ist, also auch die Religion. Somit übernimmt sich dieser biologisierende Philosoph *natürlich* auch mit der Religionskritik.
Einer wie S. Freud war doch schon sehr viel weiter und betrachtete die Kultur quasi als eine *zweite Natur*, die anderen und eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Freud war somit fähig zu einer schon relativ gehaltvollen Kultur- und auch Religionskritik, wozu Dennett nicht fähig ist.
Es ist darüber hinaus schon komisch, dass seine Manie, überall Prinzipien der Evolution erkennen zu wollen, einigen überhaupt nicht verdächtig erscheint, denen es aber völlig inakzeptabel ist, wenn jemand irgendwo Dialektik erkennt, noch dazu dort, wo es sie wirklich gibt ...- |
Für ein solches Urteil über Dennett bin ich nicht der richtige. Dafür habe ich zu wenig von ihm gelesen. Ich habe mich nur über dieses eine Buch geäußert. Meine Abneigung für Autoren, die Prinzipien der biologischen Evolution auf soziale Entwicklungen zu übertragen versuchen, ist ja wohl kein Geheimnis. Meine Kritik an diesem Buch von Dennett speist sich aus meiner allgemeineren Kritik an der Philosophie.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26443
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2037706) Verfasst am: 02.01.2016, 02:35 Titel: |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | .... Mir scheint, da habe ich bereits ein deutlich besseres Buch gelesen, das letztlich zu vergleichbaren Schlussfolgerungen kommt, das ich aber im Gegensatz zu Kilians Buch hiermit uneingeschränkt empfehlen möchte:
Daniel C. Dennett - Den Bann brechen: Religion als natürliches Phänomen
Das Buch ist - wie leider viele der deutschen Ausgaben von Dennett-Büchern, vergriffen und nur sehr teuer antiquarisch zu erhalten, aber jede gut sortierte Bibliothek müsste es eigentlich haben. |
Das Buch wird im April bei Suhrkamp als Taschenbuch erscheinen.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#2037708) Verfasst am: 02.01.2016, 03:18 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | .... Mir scheint, da habe ich bereits ein deutlich besseres Buch gelesen, das letztlich zu vergleichbaren Schlussfolgerungen kommt, das ich aber im Gegensatz zu Kilians Buch hiermit uneingeschränkt empfehlen möchte:
Daniel C. Dennett - Den Bann brechen: Religion als natürliches Phänomen
Das Buch ist - wie leider viele der deutschen Ausgaben von Dennett-Büchern, vergriffen und nur sehr teuer antiquarisch zu erhalten, aber jede gut sortierte Bibliothek müsste es eigentlich haben. |
Das Buch wird im April bei Suhrkamp als Taschenbuch erscheinen. |
Danke für den Hinweis.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#2037712) Verfasst am: 02.01.2016, 10:12 Titel: |
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Lustig, ich habe gerade sein Buch "Ellenbogenfreiheit" gelesen. Ich finde es so enttäuschend, daß ich alleine aus dieser Leseerfahrung heraus Hemmungen hätte, ein weiteres Werk von ihm zu lesen. Andererseits wird häufig auch von vernünftigen Leuten auf ihn referiert. Vielleicht habe ich nur Pech gehabt, das als erstes Buch von ihm zu lesen.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#2037714) Verfasst am: 02.01.2016, 11:41 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Lustig, ich habe gerade sein Buch "Ellenbogenfreiheit" gelesen. Ich finde es so enttäuschend, daß ich alleine aus dieser Leseerfahrung heraus Hemmungen hätte, ein weiteres Werk von ihm zu lesen. Andererseits wird häufig auch von vernünftigen Leuten auf ihn referiert. Vielleicht habe ich nur Pech gehabt, das als erstes Buch von ihm zu lesen. |
Just dieses Buch habe ich noch nicht gelesen. Allerdings kann es in der Tat sein, dass dies sein schwächstes Buch ist, wie es auch in einer (in meinen Augen sehr guten) Rezension bei Amazon zu lesen ist. Dafür dürfte es mehrere Gründe geben.
1. Das Buch stammt aus dem Jahr 1983. Da war die Brillanz seiner Argumentation noch lange nicht ausgereift, und auch seine Argumente waren ziemlich sicher noch nicht auf dem bestmöglichen Stand. Ich schließe das auch daraus, dass ich sein "The Intentional Stance" kenne, das von 1987 stammt, und dort sind seine Argumente noch lange nicht so ausgereift wie 1991 in "Consciousness Explained", in meinen Augen seinem wichtigsten Werk.
2. Das Buch dürfte (wie gesagt: Ich habe es nicht gelesen) sich ausschließlich an Fachpublikum richten. Es dürfte also die typischen Argumente wälzen, die im Jahr 1984 zum Thema "Freier Wille" auf dem Tisch lagen. Um das Buch gut zu finden, muss man wohl den Stand der Fachdiskussion im Detail kennen. Ich zumindest tue das nicht.
3. Womöglich irrt Dennett in diesem Buch tatsächlich, als er (womöglich) einen fehlerhaften Determinismusbegriff seinen Überlegungen zugrunde legt. Das was einige durchaus wohlwollende Autoren über Dennetts Position schreiben, legt diesen Verdacht nahe, allerdings weiß ich auch, dass viele Leute, auch ihm wohlgesinnte, ihn einfach falsch verstehen, weil seine Ideen manchmal kompex sind. Diese Vermutung ist der Hauptgrund, warum ich das Buch selber lesen möchte.
4. So oder so dürfte das Buch "Freedom Evolves" aus dem Jahre 2003 die bessere Wahl gewesen sein, wenn man etwas über den Freien Willen und Dennetts Ideen dazu erfahren möchte. Leider scheint dieses Buch nicht auf Deutsch vorzuliegen.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#2037739) Verfasst am: 02.01.2016, 19:08 Titel: |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Lustig, ich habe gerade sein Buch "Ellenbogenfreiheit" gelesen. Ich finde es so enttäuschend, daß ich alleine aus dieser Leseerfahrung heraus Hemmungen hätte, ein weiteres Werk von ihm zu lesen. Andererseits wird häufig auch von vernünftigen Leuten auf ihn referiert. Vielleicht habe ich nur Pech gehabt, das als erstes Buch von ihm zu lesen. |
Just dieses Buch habe ich noch nicht gelesen. Allerdings kann es in der Tat sein, dass dies sein schwächstes Buch ist, wie es auch in einer (in meinen Augen sehr guten) Rezension bei Amazon zu lesen ist. Dafür dürfte es mehrere Gründe geben.
1. Das Buch stammt aus dem Jahr 1983. Da war die Brillanz seiner Argumentation noch lange nicht ausgereift, und auch seine Argumente waren ziemlich sicher noch nicht auf dem bestmöglichen Stand. Ich schließe das auch daraus, dass ich sein "The Intentional Stance" kenne, das von 1987 stammt, und dort sind seine Argumente noch lange nicht so ausgereift wie 1991 in "Consciousness Explained", in meinen Augen seinem wichtigsten Werk.
2. Das Buch dürfte (wie gesagt: Ich habe es nicht gelesen) sich ausschließlich an Fachpublikum richten. Es dürfte also die typischen Argumente wälzen, die im Jahr 1984 zum Thema "Freier Wille" auf dem Tisch lagen. Um das Buch gut zu finden, muss man wohl den Stand der Fachdiskussion im Detail kennen. Ich zumindest tue das nicht.
3. Womöglich irrt Dennett in diesem Buch tatsächlich, als er (womöglich) einen fehlerhaften Determinismusbegriff seinen Überlegungen zugrunde legt. Das was einige durchaus wohlwollende Autoren über Dennetts Position schreiben, legt diesen Verdacht nahe, allerdings weiß ich auch, dass viele Leute, auch ihm wohlgesinnte, ihn einfach falsch verstehen, weil seine Ideen manchmal kompex sind. Diese Vermutung ist der Hauptgrund, warum ich das Buch selber lesen möchte.
4. So oder so dürfte das Buch "Freedom Evolves" aus dem Jahre 2003 die bessere Wahl gewesen sein, wenn man etwas über den Freien Willen und Dennetts Ideen dazu erfahren möchte. Leider scheint dieses Buch nicht auf Deutsch vorzuliegen. |
Punkt 2 kann ich nicht bestätigen. Im Gegenteil arbeitet er dauernd mit seinen "Intuitionspumpen", die dem (anscheinend in seinen Augen zu unbedarften) Leser seine Einsichten vermitteln soll. Das ist mit das nervigste am Buch. Damit sage ich inhaltlich noch nichts zum Buch.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#2037745) Verfasst am: 02.01.2016, 20:35 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: |
Punkt 2 kann ich nicht bestätigen. Im Gegenteil arbeitet er dauernd mit seinen "Intuitionspumpen", die dem (anscheinend in seinen Augen zu unbedarften) Leser seine Einsichten vermitteln soll. Das ist mit das nervigste am Buch. Damit sage ich inhaltlich noch nichts zum Buch. |
Die Idee der "Intuitionspumpen" richtet sich keineswegs an "zu unbedarfte Laien", vulgo "Deppen". Im Gegenteil. Intuitionspumpen sind nichts anderes als Gedankenexperimente, die bestimmte intuitive Gedankengänge befördern sollen (aber auch hemmen können). Sie sind ein zentrales Mittel in der Philosophie des Geistes, und ich mache jede Wette, dass er einige Intuitionspumpen seiner Gegener scharf kritisiert und auseinandergenommen hat (Zum Beispiel die Idee von Searles "chinesischem Zimmer") und dafür einige eigene Intutionspumpen dem entgegengesetzt hat. Searles "chinesisches Zimmer" ist zum Beispiel von der Pumpleistung her auf dem selben Stand wie die berühmte Leibnitzsche Mühle, mit der dieser die Intuition befördern wollte, der Geist könnne keinesfalls mechanisch arbeiten. Dass diese Intuition trügt, kann man zum Beispiel daran zeigen, dass heutige Computer, die ohne Zweifel rein "mechanisch" wie eine komplizierte Mühle arbeiten, durchaus "geistig" hochwertige Leistungen vollbringen können, zum Beispiel Schachspielen.
"Intuitionspumpen" zielen also keinesfalls auf "Deppen", sondern, im Positiven wie im Negativen, auf ausgewachsene und kritisch argumentierende Philosophen.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#2037749) Verfasst am: 02.01.2016, 20:54 Titel: |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: |
Punkt 2 kann ich nicht bestätigen. Im Gegenteil arbeitet er dauernd mit seinen "Intuitionspumpen", die dem (anscheinend in seinen Augen zu unbedarften) Leser seine Einsichten vermitteln soll. Das ist mit das nervigste am Buch. Damit sage ich inhaltlich noch nichts zum Buch. |
Die Idee der "Intuitionspumpen" richtet sich keineswegs an "zu unbedarfte Laien", vulgo "Deppen". Im Gegenteil. Intuitionspumpen sind nichts anderes als Gedankenexperimente, die bestimmte intuitive Gedankengänge befördern sollen (aber auch hemmen können). Sie sind ein zentrales Mittel in der Philosophie des Geistes, und ich mache jede Wette, dass er einige Intuitionspumpen seiner Gegener scharf kritisiert und auseinandergenommen hat (Zum Beispiel die Idee von Searles "chinesischem Zimmer") und dafür einige eigene Intutionspumpen dem entgegengesetzt hat. Searles "chinesisches Zimmer" ist zum Beispiel von der Pumpleistung her auf dem selben Stand wie die berühmte Leibnitzsche Mühle, mit der dieser die Intuition befördern wollte, der Geist könnne keinesfalls mechanisch arbeiten. Dass diese Intuition trügt, kann man zum Beispiel daran zeigen, dass heutige Computer, die ohne Zweifel rein "mechanisch" wie eine komplizierte Mühle arbeiten, durchaus "geistig" hochwertige Leistungen vollbringen können, zum Beispiel Schachspielen.
"Intuitionspumpen" zielen also keinesfalls auf "Deppen", sondern, im Positiven wie im Negativen, auf ausgewachsene und kritisch argumentierende Philosophen. |
Nach meinem Geschmack braucht es das nicht. Eine analytische Spache ist mir lieber. Nichts gegen Gedankenspiele, aber Dennett vermittelt in diesem Buch zu stark den Eindruck, daß der Leser nicht versteht, was er, der Leser, selber denkt, und er somit die Aufgabe übernimmt, mithilfe eben jener (Gegen-)Intuitionspumpen dessen Gedankenwelt aufzuräumen. In den letzten Kapiteln ändert sich das zwar ein wenig, aber insgesamt könnte man meinen, daß der Streit um den Freien Willen für ihn in erster Linie ein Psychologisches Problem darstellt (Ich weiß, daß dem nicht so ist).
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#2037777) Verfasst am: 03.01.2016, 01:09 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: |
Nach meinem Geschmack braucht es das nicht. Eine analytische Spache ist mir lieber. Nichts gegen Gedankenspiele, aber Dennett vermittelt in diesem Buch zu stark den Eindruck, daß der Leser nicht versteht, was er, der Leser, selber denkt, und er somit die Aufgabe übernimmt, mithilfe eben jener (Gegen-)Intuitionspumpen dessen Gedankenwelt aufzuräumen. In den letzten Kapiteln ändert sich das zwar ein wenig, aber insgesamt könnte man meinen, daß der Streit um den Freien Willen für ihn in erster Linie ein Psychologisches Problem darstellt (Ich weiß, daß dem nicht so ist). |
Mir scheint, das Buch ist doch nicht so schlecht. Dennett hat dir seine wichtigen Punkte vermittelt, sie gefallen dir bloß nicht. Ich finde du hast das sehr gut beschrieben. Dennetts Modell ist kontraintuitiv. Deshalb versucht er, die Denkfehler, die uns, die Leser, am Verständnis hindern, zu dekonstruieren. Ich finde deine Rezeption wie gesagt bemerkenswert zutreffend. Ich wüsste allerdings nicht, wie man dieses Verständnis rein analytisch bewerkstelligen könnte.
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unquest auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.10.2010 Beiträge: 3326
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(#2037786) Verfasst am: 03.01.2016, 02:45 Titel: |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | ...Dass diese Intuition trügt, kann man zum Beispiel daran zeigen, dass heutige Computer, die ohne Zweifel rein "mechanisch" wie eine komplizierte Mühle arbeiten, durchaus "geistig" hochwertige Leistungen vollbringen können, zum Beispiel Schachspielen.
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Unter der Voraussetzung, dass sich mein Hund "freut" wenn ich nach Hause komme.
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