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das hat mir gerade noch gefehlt...

 
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Misterfritz
mini - mal



Anmeldungsdatum: 09.03.2006
Beiträge: 21867
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Beitrag(#2043592) Verfasst am: 10.02.2016, 22:17    Titel: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

... obwohl das wahrscheinlich nicht unrichtig ist.
Religion und Evolution: Strafende Götter als Erfolgsgeheimnis der Menschheit
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Defätist
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Anmeldungsdatum: 09.06.2010
Beiträge: 8557

Beitrag(#2043618) Verfasst am: 11.02.2016, 00:09    Titel: Re: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

Misterfritz hat folgendes geschrieben:
... obwohl das wahrscheinlich nicht unrichtig ist.
Religion und Evolution: Strafende Götter als Erfolgsgeheimnis der Menschheit

Das Angst eine durchaus wichtige Triebfeder menschlicher Handlungen ist, ist ja nun nicht neu. Auch, dass es i.d.F. auf irrationaler Angst tradiert, ist keine Neuigkeit.
Viel aufschlussreicher wäre gewesen, was den Menschen befähigt diese irrationalen Ängste abzubauen und in sinnvolle rationale Tätigkeiten umzuwandeln. Da gibt es auch gute Studien. Und im Gegensatz zu der im Spiegel thematisierten, fehlen diese mir nicht.
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Naastika
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Anmeldungsdatum: 23.11.2003
Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen

Beitrag(#2043653) Verfasst am: 11.02.2016, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

Die geschilderten Mechanismen waren sicherlich in der Zeit der Zivilisationswerdung hilfreich. Nun sind wir zivilisiert zwinkern und wissen, dass kein verärgerter Überpapa die Blitze sendet.

Die monotheistischen Religionen erweisen sich mittlerweile eher als Hindernis auf dem Weg zu weiterer sozialen Entwicklung der Menschheit.
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vrolijke
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Anmeldungsdatum: 15.03.2007
Beiträge: 46343
Wohnort: Stuttgart

Beitrag(#2043654) Verfasst am: 11.02.2016, 11:23    Titel: Antworten mit Zitat

Naastika hat folgendes geschrieben:
Die geschilderten Mechanismen waren sicherlich in der Zeit der Zivilisationswerdung hilfreich. Nun sind wir zivilisiert zwinkern und wissen, dass kein verärgerter Überpapa die Blitze sendet.

Die monotheistischen Religionen erweisen sich mittlerweile eher als Hindernis auf dem Weg zu weiterer sozialen Entwicklung der Menschheit.


Du überschätzt maßlos die Zivilisiertheit.
Das ist nur eine ganz dünne Lackschicht.
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Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm

Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

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Naastika
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Anmeldungsdatum: 23.11.2003
Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen

Beitrag(#2043657) Verfasst am: 11.02.2016, 11:49    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Naastika hat folgendes geschrieben:
Die geschilderten Mechanismen waren sicherlich in der Zeit der Zivilisationswerdung hilfreich. Nun sind wir zivilisiert zwinkern und wissen, dass kein verärgerter Überpapa die Blitze sendet.

Die monotheistischen Religionen erweisen sich mittlerweile eher als Hindernis auf dem Weg zu weiterer sozialen Entwicklung der Menschheit.


Du überschätzt maßlos die Zivilisiertheit.
Das ist nur eine ganz dünne Lackschicht.


Das mag sein. Ist aber da, und zwar im unterschiedlichem Ausmaß je nach Gruppe. Z.B. Gewalt gegen Frauen ist in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich ausgeprägt.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2043664) Verfasst am: 11.02.2016, 12:34    Titel: Antworten mit Zitat

Naastika hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Naastika hat folgendes geschrieben:
Die geschilderten Mechanismen waren sicherlich in der Zeit der Zivilisationswerdung hilfreich. Nun sind wir zivilisiert zwinkern und wissen, dass kein verärgerter Überpapa die Blitze sendet.

Die monotheistischen Religionen erweisen sich mittlerweile eher als Hindernis auf dem Weg zu weiterer sozialen Entwicklung der Menschheit.


Du überschätzt maßlos die Zivilisiertheit.
Das ist nur eine ganz dünne Lackschicht.


Das mag sein. Ist aber da, und zwar im unterschiedlichem Ausmaß je nach Gruppe. Z.B. Gewalt gegen Frauen ist in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich ausgeprägt.


Und spätestens dann sind wir bei der Notwendigkeit einer soziologischen "Zivilisations"-theorie, einschließlich der Rolle, die gedankliche Orientierungsmittel wie die Religionen dabei spielen. Den Begriff "Zivilisation" habe ich dabei in Anführungsstriche gesetzt, weil gerade wir Deutschen leidvolle Erfahrungen mit der Brüchigkeit dieses Prozesses haben, und der Begriff (zusammen mit seinem Zwilling "Kultur") ja auch nicht ganz unbelastet ist.

Ob und inwieweit zB Gewalt gegen Frauen, oder allgemeiner, das Machtgefälle zwischen den Geschlechtern, sich in bestimmten Gesellschaften verändert hat, und welche Rolle dabei Religionen gespielt haben und noch spielen, das wäre noch genauer zu sehen. Dann könnte man auch genauer beurteilen, wie zutreffend die Aussagen der des Artikels und die dahinterliegende Studie ist, auf die sich dieser Thread bezieht. Was meint in diesem Zusammenhang zB "Erfolg"?

Im Moment bewegt sich das für mich noch zu sehr auf der Ebene von Wunsch- oder Angstträumen, eine Formulierung oder Zurückweisung von Vorurteilen, recht charakteristisch für das, was SPON letzthin für "meinungsstarke Berichterstattung" hält. zwinkern
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Skeptiker
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Beitrag(#2043978) Verfasst am: 12.02.2016, 21:00    Titel: Re: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

Misterfritz hat folgendes geschrieben:
... obwohl das wahrscheinlich nicht unrichtig ist.
Religion und Evolution: Strafende Götter als Erfolgsgeheimnis der Menschheit


Was hat eigentlich der Begriff *Evolution* da zu suchen? So weit ich diesen bruchstückhaften Stammelartikel verstehe, geht es doch wohl konkret darum, dass eine Gruppe mit bestimmten Religionstypen im Vergleich mit anderen Gruppen untereinander *altruistischer* oder *kooperativer* ist, was wohl einen Konkurrenzvorteil für die erste Gruppe nahelegen soll - wobei man dies eigentlich erst mal zeigen müsste.

Nein, *Evolution* ist hier die völlig falsche Schublade und *geprüft* wird auch nicht Altruismus oder Solidarität, sondern selektiver Altruismus und selektive Solidarität - jeweils gepaart mit selektivem "Anti-Altruismus" und selektiver "Anti-Solidarität" (gegenüber anderen Gruppen).

Denn Altruismus und Solidarität sind ja in ihr Bedeutungen gerade nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, sondern stehen höchstens im Gegensatz zu "Egoismus" und "fehlender Solidarität".

Das scheint also wieder so eine bunte Mixtur übereifriger Empiristen zu sein, die stets Empirie schon für Theorie halten. Sehr glücklich

Insgesamt ist die Kombination zwischen Zusammenhalt nach innen und Krieg nach außen für die menschliche Horden- bis Großgruppengeschichte nix ungewöhnliches, aber sicherlich auch nicht das, was letzten Endes die sozialen Fortschritte bestimmter Gesellschaften begründete. Die Ausbreitung internationalen Handels und Wissenschaftsaustausches z.B. setzt voraus, dass mit *Fremden* kooperiert wird, dass Wissen und Waren geteilt werden. Die bloß selektive Kooperation hemmt nur den moralischen und kulturellen Fortschritt.

Nun kann man aber - empirisch! - feststellen: Die autoritären strafenden Religionen, die gibt's ja. Also - *Evolution*! Ja, mei, das Vorhandensein von etwas, das vorhanden ist, ist sozusagen sein eigener Zirkelschluss.

Mir fällt dabei der Vergleich zweier Fußballteams ein, wo das Team B einen strafenden und immer böse guckenden Trainer hat, der bei Niederlagen mit Medizinballtraining droht - im Vergleich mit einem Team A, dessen Trainer souverän und locker mit seinen Spielern umgeht und diese Mentalität auch seinen Spielern damit vorlebt.

----

Die Rolle strafender und kontrolierender Über-ich-Ideologien, z.B. in Form metaphysischer Mythen, haben gar nicht die Funktion, (selektiven) Altruismus zu fördern. Sie haben die Funktion, Klassenherrschaft und Ausbeutung ideologisch zu legitimieren und als Beifang sozusagen die Selbstlosigkeit der Untertanen zu stimulieren, damit sie etwa auf Lohnsteigerungen verzichten und für Kapital & Kaiser ihren Tribut zollen.

Aber das hat ja der Test der empirischen Psychologen erst gar nicht in Betracht gezogen ...-
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smallie
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Beitrag(#2043994) Verfasst am: 12.02.2016, 22:59    Titel: Antworten mit Zitat

Ha! Ich kann nahtlos da weitermachen, wo ich im anderen Thread aufgehört habe. Das hat euch sicher gerade noch gefehlt ... Pfeifen Mr. Green


Der Spiegel-Artikel läßt einige Fragen offen. Insbesondere würde mich interessieren, ob auch die östlichen Religionen untersucht wurden und wie sie abschnitten.



Das Thema supernatural punishment ist nicht neu. Dominic D. P. Johnson hat das Thema vor zehn Jahren schon einmal beharkt. Seine Ergebnisse lassen bei mir leichten Zweifel aufkommen, daß göttliche Strafe als monokausale Erklärung taugt.

Johnson teilte Religionen und ihr Gottesbild in vier Kategorien:

Zitat:
Göttesbild

1 - abwesend oder keine Berichte
2 - vorhanden, greift aber nicht in menschliche Angelegenheit ein
3 - vorhanden, eingreifend, aber nicht moralisch fordernd
4 - vorhanden, eingreifened und moralisch fordernd


Hier die örtliche Verteilung:

Zitat:
God’s Punishment and Public Goods
A Test of the Supernatural Punishment Hypothesis in 186 World Cultures
Dominic D. P. Johnson - 2005



http://www.dominicdpjohnson.com/publications/pdf/2005JohnsonGodsPunishmentAndPublicGoods.pdf

Die graphische Darstellung der vier Kategorien ist grottig. Für meine Zwecke reicht es. Ziemlich deutlich überwiegt in China, Korea, etc. die Kategorie 1. Von der Bevölkerungszahl dürften diese Gegenden anderen in nichts nachstehen.


Weiter präsentiert Johnson diese Korrelationen des Gottesbildes zu SCCS-Kategorien. (SCCS - Standard Cross-Cultural Sample ist eine Datenbank über Kulturen der Welt.)

Zitat:



Zu einzelnen Werte sag' ich nichts, sonst wird's uferlos.

Interessant ist Spalte A. Wo ein X steht ist der Zusammenhang nach Verrechnung einer Kontrollgröße immer noch signifikant. Was Johnson da genau macht, habe ich leider nicht verstanden. Jedenfalls: Gesellschaftsgröße, community size, fällt dann 'raus.


Mein Tipp: "Übernatürliche Strafe" scheint nicht notwendig zu sein, um Gesellschaften gewisser Größe zu bilden. Was nicht heißt, daß das Konzept immer unwirksam ist.
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Skeptiker
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Beitrag(#2043996) Verfasst am: 12.02.2016, 23:26    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Ha! Ich kann nahtlos da weitermachen, wo ich im anderen Thread aufgehört habe. Das hat euch sicher gerade noch gefehlt ... Pfeifen Mr. Green


Cool

smallie hat folgendes geschrieben:
Mein Tipp: "Übernatürliche Strafe" scheint nicht notwendig zu sein, um Gesellschaften gewisser Größe zu bilden. Was nicht heißt, daß das Konzept immer unwirksam ist.


"Gesellschaften gewisser Größe" sind in der Geschichte meist sehr hierarchische Gebilde, die eine rigide irdische Herrschaft hatten/haben.

Die Religionen segnen das halt ab, schaffen es aber nicht. Das sollte man nicht versuchen, auf den Kopf zu stellen.

*Religion als Gemeinschaftsstifter* oder ähnliches ist ein Paradigma, welches schlicht und einfach die (Herrschafts)Strukturen der Gesellschaften hinten runter fallen lässt.

Mein Tipp: Religion ist nicht gemeinschaftsstiftend, sondern herrschaftsstiftend.

Hier ein ganz guter Kommentar dazu auf TP:

http://www.heise.de/tp/foren/S-So-ein-Schwachsinn-Strafende-und-belohnende-Religionsvorstellungen-als/forum-297227/msg-27128379/read/showthread-1/
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smallie
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Beitrag(#2044056) Verfasst am: 13.02.2016, 15:16    Titel: Re: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
... obwohl das wahrscheinlich nicht unrichtig ist.
Religion und Evolution: Strafende Götter als Erfolgsgeheimnis der Menschheit


Was hat eigentlich der Begriff *Evolution* da zu suchen?

Das Problem ist, wie du von den kleinen Stämmen aus der Zeit vor der Landwirtschaft zu BGB und Heilsarmee kommst. zwinkern

In kleinen Stämmen kannte jeder jeden. Klatsch und Tratsch sind hier ein Weg, um Gruppennormen durchzusetzen.

Wie kam es, daß sich Gemeinschaften in immer größeren Formen organisierten? Es gibt Berichte, nach denen sich Stammesleute untereinander sehr sozial verhalten, Fremden hingegen nicht. Die ganz dumme Frage lautet: warum ist die Menschheit nicht ein Haufen Stammesvölker geblieben?

Darauf gibt es eine Vielzahl an Antworten. Eine davon: Ibn Chaldun meinte vor über 600 Jahren zum Beispiel, daß nur große Gesellschaften Spezialisten hervorbringen können. Was natürlich zum weiteren Wachstum der Gesellschaften beiträgt.



Das Problem ganz anderes betrachtet:

woran orientieren sich Menschen in ihrem Handeln? Eine Antwort darauf versucht zum Beispiel die "Theorie der rationalen Entscheidung" zu geben. Hmm. Errm - vielleicht sollte eher nach einer "Theorie der irrationalen Entscheidung" gesucht werden. Pfeifen


Ein kleines Gedankenexperiment:

Stell dir vor du lebst in einem Stamm vor 5000 Jahren. Ein fremder Reisender kommt durch. Er hat einen Rucksack voller McGuyvers dabei. Die könntest du gut gebrauchen. Was tust du?

    [] ihm eins über die Rübe ziehen, ihn berauben und dann verjagen
    [] ihn unbehelligt ziehen lassen


Variante 1 ist die rationale Wahl eines "homo eoconomicus", der versucht, seinen Gewinn zu maximieren.
Variante 2 ist aus der Warte eines Menschen des 21. Jahrhunderts die richtige Antwort.


Mach ich gerade einen Denkfehler, oder versteckt sich hier ein Widerspruch, der erklärt werden muß?
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schtonk
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Beitrag(#2044069) Verfasst am: 13.02.2016, 17:26    Titel: Re: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

...

Ein kleines Gedankenexperiment:

Stell dir vor du lebst in einem Stamm vor 5000 Jahren. Ein fremder Reisender kommt durch. Er hat einen Rucksack voller McGuyvers dabei. Die könntest du gut gebrauchen. Was tust du?

    [] ihm eins über die Rübe ziehen, ihn berauben und dann verjagen
    [] ihn unbehelligt ziehen lassen


Variante 1 ist die rationale Wahl eines "homo eoconomicus", der versucht, seinen Gewinn zu maximieren.
Variante 2 ist aus der Warte eines Menschen des 21. Jahrhunderts die richtige Antwort.


Mach ich gerade einen Denkfehler, oder versteckt sich hier ein Widerspruch, der erklärt werden muß?

Ich habe gesnipt, weil es mir gerade nur auf die Handlungsoptionen in deinem Beispel ankommt.
Da gibt es doch noch mehr Varianten, z.B. Tauschhandel (zweckorientiert, ohne Gewalt) oder Verehrung/Anbetung (Anerkennung der Überlegenheit des Fremden).
Bei letzterer liefe es dann vllt auf den zitierten Artikel im Eröffnungsbeitrag hinaus.
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smallie
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Beitrag(#2044357) Verfasst am: 15.02.2016, 01:55    Titel: Re: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

schtonk hat folgendes geschrieben:
Ich habe gesnipt, weil es mir gerade nur auf die Handlungsoptionen in deinem Beispel ankommt.



Passt. Das ist der Punkt, auf den es mir ebenfalls ankommt.


schtonk hat folgendes geschrieben:
Da gibt es doch noch mehr Varianten, z.B. Tauschhandel (zweckorientiert, ohne Gewalt)

Einige Handlungsoption habe ich tatsächlich ausgelassen:

Zitat:
[ ] ihn zum Partner meines neuen Import-und-Export-Business zu machen
[ ] ihm eins über die Rübe ziehen, weil der Kerl bereits Partner in einem anderen Import-und-Export-Business eines weit entfernten Stammes ist


Was braucht es, damit Tauschhandel überhaupt entstehen kann?

Solch ein Handel ist spieltheoretisch dem Gefangenendilemma vergleichbar. Wird es nur einmal gespielt, dann ist die rationale Handlungsoption eines Homo eoconomicus der Treubruch: der Mitgefangene wird verpfiffen, dem Kunden wird billiger Wein als teurer eingeschänkt, um ein weniger martialisches Bild als oben zu gebrauchen.

Die Situation ändert sich, wenn mehrere Akteure mehrmals spielen oder tauschhandeln. Dann zahlt sich Kooperation plötzlich aus. Denn die Spieler erinnern sich daran, wer fair und wer unfair gespielt hat. Stichwort: Reputation. Die wird in den weiteren Runden entsprechend berücksichtigt.


Nächstes Problem: in größeren Gesellschaften treffen sich dann auch Menschen, die nicht in einer direkten Handelsbeziehung stehen. Warum sollte ich denen keine über die Rübe ziehen - ich könnte dabei nur gewinnen?

An dieser Stelle kommt Evolution ins Spiel. Das hatte Skeptiker als unbegründet angehmahnt. Was erscheint dir, was erscheint euch als wahrscheinlicher?

    - daß sich die prähistorische/antike Menschenen aus rationalen Gründen für Tauschhandel und gegen Rübe einschlagen entschieden haben?

    - daß Rübe einschlagen trotz seines kurzfristigen Vorteils langfristig ein Nachteil ist. Rübe einschlagen ist ein Nullsummenspiel. Kooperation nicht. So rational dürfte das damals niemand betrachtet haben. Freizügigige, merkantilistische haben sich aufgrund der "Kooperationsdividende" durchgesetzt. Mit ihnen wohl auch jede weltanschauliche/religiöse Idee, die gerade in diesen erfolgreichen Gesellschaften präsent war.

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schtonk
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Anmeldungsdatum: 17.12.2013
Beiträge: 12078

Beitrag(#2044392) Verfasst am: 15.02.2016, 12:14    Titel: Re: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
schtonk hat folgendes geschrieben:
Ich habe gesnipt, weil es mir gerade nur auf die Handlungsoptionen in deinem Beispel ankommt.



Passt. Das ist der Punkt, auf den es mir ebenfalls ankommt.


schtonk hat folgendes geschrieben:
Da gibt es doch noch mehr Varianten, z.B. Tauschhandel (zweckorientiert, ohne Gewalt)

Einige Handlungsoption habe ich tatsächlich ausgelassen:

Zitat:
[ ] ihn zum Partner meines neuen Import-und-Export-Business zu machen
[ ] ihm eins über die Rübe ziehen, weil der Kerl bereits Partner in einem anderen Import-und-Export-Business eines weit entfernten Stammes ist


Was braucht es, damit Tauschhandel überhaupt entstehen kann?

Bisschen Grips zur Differenzierung und die damit verbundene Einsicht in vorteilhaftes Handeln oder Notwendigkeiten.

Zitat:
Solch ein Handel ist spieltheoretisch dem Gefangenendilemma vergleichbar. ...

Das passt nicht auf dein Beispiel (Stamm vor 5000 Jahren).

Zitat:
Nächstes Problem: in größeren Gesellschaften treffen sich dann auch Menschen, die nicht in einer direkten Handelsbeziehung stehen. Warum sollte ich denen keine über die Rübe ziehen - ich könnte dabei nur gewinnen?

Um diese Handelsbeziehung, mag sie auch erst rudimentär sein, aus der von mir angesprochenen Einsicht heraus herzustellen.

Zitat:
An dieser Stelle kommt Evolution ins Spiel. Das hatte Skeptiker als unbegründet angehmahnt. Was erscheint dir, was erscheint euch als wahrscheinlicher?

Kann natürlich auch sein, dass die Rüben-Option gewählt wird/wurde. Muss aber nicht. Eine (größere) Wahrscheinlichkeit für das eine oder andere kann niemand angeben.

Zitat:
- daß Rübe einschlagen trotz seines kurzfristigen Vorteils langfristig ein Nachteil ist. Rübe einschlagen ist ein Nullsummenspiel. Kooperation nicht. So rational dürfte das damals niemand betrachtet haben. Freizügigige, merkantilistische haben sich aufgrund der "Kooperationsdividende" durchgesetzt. Mit ihnen wohl auch jede weltanschauliche/religiöse Idee, die gerade in diesen erfolgreichen Gesellschaften präsent war.

Tauschhandel gab es bereits im Neolithikum. Vor den von dir angegebenen 5000 Jahren befand man sich in der Kupfersteinzeit.
Kupfer wurde importiert (Handelsbeziehungen) und verhüttet. Es gab auch schon eine gewisse soziale Ausdifferenzierung unter unseren Vorfahren.
Kurz gesagt: Deine Annahme, dass das damals niemand "so rational" betrachtet haben dürfte, ist falsch. Ein Holzweg in der Steinzeit Smilie
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Skeptiker
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Beitrag(#2044404) Verfasst am: 15.02.2016, 13:29    Titel: Re: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
... obwohl das wahrscheinlich nicht unrichtig ist.
Religion und Evolution: Strafende Götter als Erfolgsgeheimnis der Menschheit


Was hat eigentlich der Begriff *Evolution* da zu suchen?

Das Problem ist, wie du von den kleinen Stämmen aus der Zeit vor der Landwirtschaft zu BGB und Heilsarmee kommst. zwinkern

In kleinen Stämmen kannte jeder jeden. Klatsch und Tratsch sind hier ein Weg, um Gruppennormen durchzusetzen.


Schau, der Versuchsaufbau der Psychologen und theorielosen Empiriker ist vergleichbar mit dem Test eines neuen Medikamentes bspw. gegen Krebs per Laborversuch im Reagenzglas mit Zellkulturen. Wie du weisst, sind solche Versuchsergebnisse selten auf ganze Organismen, etwa den Menschen übertragbar.

Ähnlich ist es, wenn besagte Empiristen meinen, ohne ein tieferes Verständnis gesellschaftlicher Differenzierungen, das Verhalten von Kleingruppen auf große Gesellschaften übertragen zu können und dann noch auf deren gegenseitige Interaktionen und Entwicklungen. Sorry, das ist unwissenschaftlicher Müll.

Ich hatte bereits auf den fundamentalen und qualitativen Unterschied zwischen den Kategorien "Gemeinschaft" und "Gesellschaft" hingewiesen:

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Darwin äußert sich auch gar nicht über Gesellschaften, sondern über Gemeinschaften. Siehe dazu meine Differenzierung:

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=2032443&highlight=gemeinschaft+gesellschaft#2032443

Der Versuch, aus antagonistischen Klassengesellschaften mit Gewalt und per Dekret Gemeinschaften zu machen, endet in solchen Wahn-Ideologien wie der *Volksgemeinschaft*. Die Unterscheidung dieser beiden Grundkategorien stammt vom Soziologen Ferdinand Tönnies.

Wie gesagt, Darwin spricht von Gemeinschaften, Gruppen, Stämmen und er bezieht sich sozusagen damit auf die sozialen Anfänge der Menschheit.


Im Gefetteten habe ich noch mal den Autor dieser Unterscheidung genannt.

Wir hatten ja an anderer Stelle die Problematik einer Übertragung des Evolutionsbegriffs auf gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen diskutiert und wie du weisst, gibt es da einige Autoren, die diesen Reduktionismus ziemlich kritisch sehen.

Außerdem: Die Frage, ob nun eine autoritäre Strafreligion einen Vorteil für eine bestimmte Gesellschaft darstellt oder ob nicht vielmehr bestimmte autoritäre Gesellschaften auch ebensolche Religionen hervor bringen und deren *Evolution* erklären, könnte man auch noch mal debattieren, wenn man will. Also wie herum läuft denn nun die Selektion? Bestimmen kulturelle Vorstellungen die Gesellschaft oder umgekehrt? Die ganze Mem-Theorie deutet auf einen tendenziell idealistischen philosophischen Ansatz hin.

Du hattest mich gefragt, worin ich die große stärke von Ernst Mayr sehe. Ich sehe sie u.a. darin, dass Mayr auf derartige idealistische Fallstricke nicht herein fällt und jeden Reduktionismus in bezug auf gesellschaftliche Theorien vermeidet.

smallie hat folgendes geschrieben:
Wie kam es, daß sich Gemeinschaften in immer größeren Formen organisierten? Es gibt Berichte, nach denen sich Stammesleute untereinander sehr sozial verhalten, Fremden hingegen nicht. Die ganz dumme Frage lautet: warum ist die Menschheit nicht ein Haufen Stammesvölker geblieben?

Darauf gibt es eine Vielzahl an Antworten. Eine davon: Ibn Chaldun meinte vor über 600 Jahren zum Beispiel, daß nur große Gesellschaften Spezialisten hervorbringen können. Was natürlich zum weiteren Wachstum der Gesellschaften beiträgt.


Du hast wieder das Element der Herrschaft negiert. Es handelt sich nicht einfach um eine rationale, demokratisch bestimmte Arbeitsteilung, sondern da gab es Eigentümer und irgendwann auch Sklaven. Diese Form der frühen Vergesellschaftung hat sich durchgesetzt, weil der Stand der Produktivkräfte wenig anderes zuließ. Der Zusammenhalt einer solche frühen Klassengesellschaft war auch durch religiöse Schuldgefühle mit beeinflußt, so dass sich quasi Tötungshemmungen gegenüber den Herrschenden *entwickelten*, denn sie waren ja auch Teil der selben Religion. Dennoch war der Zusammenhalt der Gesellschaft letzten Endes erzwungen.

Dazu kamen Kriege nach außen, die immer ein Risiko beinhalteten für alle Kriegsbeteiligten und sozusagen auch die Kehrseite des inneren Zusammenhalts.

In der heutigen Zeit ist dieser Mechanismus immer noch vorhanden und wird auf ganze Nationen und Militärbündnisse ausgeweitet. Das ist fatal und anachronistisch. Die Entwicklung einzelner Regionen hemmt heute die Entwicklung der Menschheit insgesamt, in zunehmendem Maße.

smallie hat folgendes geschrieben:
Das Problem ganz anderes betrachtet:

woran orientieren sich Menschen in ihrem Handeln? Eine Antwort darauf versucht zum Beispiel die "Theorie der rationalen Entscheidung" zu geben. Hmm. Errm - vielleicht sollte eher nach einer "Theorie der irrationalen Entscheidung" gesucht werden. Pfeifen

Ein kleines Gedankenexperiment:

Stell dir vor du lebst in einem Stamm vor 5000 Jahren. Ein fremder Reisender kommt durch. Er hat einen Rucksack voller McGuyvers dabei. Die könntest du gut gebrauchen. Was tust du?

    [] ihm eins über die Rübe ziehen, ihn berauben und dann verjagen
    [] ihn unbehelligt ziehen lassen


Variante 1 ist die rationale Wahl eines "homo eoconomicus", der versucht, seinen Gewinn zu maximieren.
Variante 2 ist aus der Warte eines Menschen des 21. Jahrhunderts die richtige Antwort.

Mach ich gerade einen Denkfehler, oder versteckt sich hier ein Widerspruch, der erklärt werden muß?


Wenn man Adam Smith mal zitieren würde, dann ist der Egoismus auch im 21. Jahrhundert die rationalste Wahl. Die 'invisible hand' maximiert dann für alle den Nutzen. Der Egoismus schlägt dialektisch in den Altruismus um und ich brauche gar nichts zu tun.

Das ist natürlich die vulgäre, zugespitzte Formulierung dieser Theorie, die Smith so extrem ja auch nicht formuliert hat.

Aber ich will halt sagen, dass es so einfach nicht ist, auch nicht in der Frühzeit des Menschen. Und auch später nicht.

Wenn man etwa an den Siegeszug der Germanen gegen die Römer denkt, dann kann man das getrost als eine Art von Pyrrhussieg bezeichnen. Denn danach folgte eine Zeit der Finsternis, von der sich die Menschheit bis heute nicht erholt hat. Das europäische Mittelalter wirkt immer noch sehr mächtig nach, leider und es kommt durchaus nicht nur von außen herein.

Im Zusammenhang damit steht die Fortexistenz der Religion(en), welche sich heute an die *moderne* Klassengesellschaften angepasst hat. Aber auf eine solche *Evolution* kann man pfeifen.

Überhaupt ist es so, dass eine Sache noch lange nicht fortschrittlich ist, nur weil sie sich behauptet (hat) ...-
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3628

Beitrag(#2044866) Verfasst am: 18.02.2016, 00:15    Titel: Re: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

schtonk hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
schtonk hat folgendes geschrieben:
Da gibt es doch noch mehr Varianten, z.B. Tauschhandel (zweckorientiert, ohne Gewalt)

Einige Handlungsoption habe ich tatsächlich ausgelassen:

Zitat:
[ ] ihn zum Partner meines neuen Import-und-Export-Business zu machen
[ ] ihm eins über die Rübe ziehen, weil der Kerl bereits Partner in einem anderen Import-und-Export-Business eines weit entfernten Stammes ist


Was braucht es, damit Tauschhandel überhaupt entstehen kann?

Bisschen Grips zur Differenzierung und die damit verbundene Einsicht in vorteilhaftes Handeln oder Notwendigkeiten.

Da fällt mir Kurt Tucholsky ein, der sagte "Deutsche, kauft deutsche Bananen!".

Wenn Einsicht reicht, warum gab und gibt es dann Gesellschaften, die einen unterschiedlichen Grad an "Merkantilismus" zeigen?


schtonk hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Solch ein Handel ist spieltheoretisch dem Gefangenendilemma vergleichbar. ...

Das passt nicht auf dein Beispiel (Stamm vor 5000 Jahren).

Die Auszahlmatrix bei einem Handel sieht im Prinzip nicht anders aus als beim Gefangenendilemma. Ein Zahlenbeispiel.

Laß uns handeln. Bei mir gibt es Pelztiere im Überfluß, Felle zu machen kostet mich 40, dir sind sie 60 Wert. Bei dir gibt es passendes Gestein für Faustkeile. Sie kosten dich 40, mir sind sie 60 Wert. Außerdem haben wir beide noch Ware dritter Qualität, die wir uns in betrügerischer Absicht unterjubeln könnten, sie soll uns 10 Kosten und auch nicht mehr wert sein.

Damit ergibt sich diese Auszahlmatrix:

    Beide betrügen: 10
    Beide kooperieren: 20
    Einer betrügt, einer kooperiert: 50 für den Betrüger, 10 für den kooperativen.


Betrug zahlt sich aus. In diesem Beispiel wie auch beim Gefangenendilemma ist Betrug (defection) die beste Wahl, unabhängig davon, was dein Gegenüber macht.

Nun werden wir aber im Alltag nicht ständig nach Strich und Faden betrogen. Warum nicht? Teilantwort: Betrug zahlt sich nur aus, solange es sich nicht herumspricht.


schtonk hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Nächstes Problem: in größeren Gesellschaften treffen sich dann auch Menschen, die nicht in einer direkten Handelsbeziehung stehen. Warum sollte ich denen keine über die Rübe ziehen - ich könnte dabei nur gewinnen?

Um diese Handelsbeziehung, mag sie auch erst rudimentär sein, aus der von mir angesprochenen Einsicht heraus herzustellen.

Rudimentär ist ein gutes Stichwort. Mehr wollte ich nicht sagen, als daß der Weg vom Rudimentären bis zum Weitverbreiteten erklärungsbedürftig ist.

Wovon du mich noch überzeugen müßtest, ist daß Menschen aus Einsicht handeln ...




schtonk hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
- daß Rübe einschlagen trotz seines kurzfristigen Vorteils langfristig ein Nachteil ist. Rübe einschlagen ist ein Nullsummenspiel. Kooperation nicht. So rational dürfte das damals niemand betrachtet haben. Freizügigige, merkantilistische haben sich aufgrund der "Kooperationsdividende" durchgesetzt. Mit ihnen wohl auch jede weltanschauliche/religiöse Idee, die gerade in diesen erfolgreichen Gesellschaften präsent war.

Tauschhandel gab es bereits im Neolithikum. Vor den von dir angegebenen 5000 Jahren befand man sich in der Kupfersteinzeit.
Kupfer wurde importiert (Handelsbeziehungen) und verhüttet. Es gab auch schon eine gewisse soziale Ausdifferenzierung unter unseren Vorfahren.
Kurz gesagt: Deine Annahme, dass das damals niemand "so rational" betrachtet haben dürfte, ist falsch. Ein Holzweg in der Steinzeit Smilie

Die 5000 Jahre habe ich genannt, weil damals einerseits schon die neolithische Revolution in Gange war, weil es andererseits aber weder Überlieferungen wie den Codex Hammurabi gab, noch die frühen Religionen wie Zoroastrismus oder Hinduismus etc.

Weiter hast du völlig recht, mir mein unbedacht daher gesagtes "niemand" um die Ohren zu hauen. Das ziehe ich umgehend zurück. Verlegen Korrekt wäre gewesen, von einem Schwellenwert zu sprechen, der überschritten werden muß, bevor Kooperation zum Selbstläufer wird.

Um mich festzulegen: Meine Annahme ist dann falsch, wenn es im Zeitraum von 10 000 vor der Zeitenwende bis heute keine wesentliche Änderung in der Art der Handelsbeziehung zwischen weit entfernten Gruppen gab.
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3628

Beitrag(#2045057) Verfasst am: 19.02.2016, 01:03    Titel: Re: das hat mir gerade noch gefehlt... Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Was hat eigentlich der Begriff *Evolution* da zu suchen?

Das Problem ist, wie du von den kleinen Stämmen aus der Zeit vor der Landwirtschaft zu BGB und Heilsarmee kommst. zwinkern

In kleinen Stämmen kannte jeder jeden. Klatsch und Tratsch sind hier ein Weg, um Gruppennormen durchzusetzen.


Schau, der Versuchsaufbau der Psychologen und theorielosen Empiriker ist vergleichbar mit dem Test eines neuen Medikamentes bspw. gegen Krebs per Laborversuch im Reagenzglas mit Zellkulturen. Wie du weisst, sind solche Versuchsergebnisse selten auf ganze Organismen, etwa den Menschen übertragbar.

Ähnlich ist es, wenn besagte Empiristen meinen, ohne ein tieferes Verständnis gesellschaftlicher Differenzierungen, das Verhalten von Kleingruppen auf große Gesellschaften übertragen zu können und dann noch auf deren gegenseitige Interaktionen und Entwicklungen. Sorry, das ist unwissenschaftlicher Müll.

Hast du ihre Arbeit schon gelesen, so daß du den Versuchsaufbau kennst? Kennst du die Leute dahinter, oder woher weißt du, daß sie Psychologen sind und obendrein theorielos?


Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ich hatte bereits auf den fundamentalen und qualitativen Unterschied zwischen den Kategorien "Gemeinschaft" und "Gesellschaft" hingewiesen:

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Darwin äußert sich auch gar nicht über Gesellschaften, sondern über Gemeinschaften. Siehe dazu meine Differenzierung:

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=2032443&highlight=gemeinschaft+gesellschaft#2032443

Der Versuch, aus antagonistischen Klassengesellschaften mit Gewalt und per Dekret Gemeinschaften zu machen, endet in solchen Wahn-Ideologien wie der *Volksgemeinschaft*. Die Unterscheidung dieser beiden Grundkategorien stammt vom Soziologen Ferdinand Tönnies.

Wie gesagt, Darwin spricht von Gemeinschaften, Gruppen, Stämmen und er bezieht sich sozusagen damit auf die sozialen Anfänge der Menschheit.


Im Gefetteten habe ich noch mal den Autor dieser Unterscheidung genannt.

Ich möchte nicht sagen, daß der Unterschied falsch ist, aber für meine Zwecke scheint er mir unwesentlich. Es gibt viele Wege, eine Population statistisch zu partitionieren. Wenn der Unterschied real ist, dann wird er sich in einer empirischen Studie von selbst zeigen.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wir hatten ja an anderer Stelle die Problematik einer Übertragung des Evolutionsbegriffs auf gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen diskutiert und wie du weisst, gibt es da einige Autoren, die diesen Reduktionismus ziemlich kritisch sehen.

Naja, du hast ein Buch vorgestellt, in dem ein Autor die Thesen von Leuten wie Luhman bespricht. Mag sein, daß diese Leute etwas Wichtiges zum Thema gesagt haben, und ich kenne es nur nicht. Ich hätte es besser gefunden, wenn Stephan S. W. Müller sich an zeitgenössischen Autoren abgearbeitet hätte.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Außerdem: Die Frage, ob nun eine autoritäre Strafreligion einen Vorteil für eine bestimmte Gesellschaft darstellt oder ob nicht vielmehr bestimmte autoritäre Gesellschaften auch ebensolche Religionen hervor bringen und deren *Evolution* erklären, könnte man auch noch mal debattieren, wenn man will. Also wie herum läuft denn nun die Selektion? Bestimmen kulturelle Vorstellungen die Gesellschaft oder umgekehrt?

Ich sage ganz vorsichtig: das sind zwei Seiten einer Medaille.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Du hattest mich gefragt, worin ich die große stärke von Ernst Mayr sehe. Ich sehe sie u.a. darin, dass Mayr auf derartige idealistische Fallstricke nicht herein fällt und jeden Reduktionismus in bezug auf gesellschaftliche Theorien vermeidet.

Die idealistischen Fallstricke vermeidet man am Besten, wenn man nahe an der Empirie bleibt.

Reduktionismus ist eins dieser Wörter, die in meinem Denken überhaupt nicht stattfinden. Entweder läßt sich Phänomen A nach den Regeln der Kunst auf Phänomen B reduzieren, oder eben nicht.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wie kam es, daß sich Gemeinschaften in immer größeren Formen organisierten? Es gibt Berichte, nach denen sich Stammesleute untereinander sehr sozial verhalten, Fremden hingegen nicht. Die ganz dumme Frage lautet: warum ist die Menschheit nicht ein Haufen Stammesvölker geblieben?

Darauf gibt es eine Vielzahl an Antworten. Eine davon: Ibn Chaldun meinte vor über 600 Jahren zum Beispiel, daß nur große Gesellschaften Spezialisten hervorbringen können. Was natürlich zum weiteren Wachstum der Gesellschaften beiträgt.


Du hast wieder das Element der Herrschaft negiert. Es handelt sich nicht einfach um eine rationale, demokratisch bestimmte Arbeitsteilung, sondern da gab es Eigentümer und irgendwann auch Sklaven. Diese Form der frühen Vergesellschaftung hat sich durchgesetzt, weil der Stand der Produktivkräfte wenig anderes zuließ. Der Zusammenhalt einer solche frühen Klassengesellschaft war auch durch religiöse Schuldgefühle mit beeinflußt, so dass sich quasi Tötungshemmungen gegenüber den Herrschenden *entwickelten*, denn sie waren ja auch Teil der selben Religion. Dennoch war der Zusammenhalt der Gesellschaft letzten Endes erzwungen.

Fasse ich dich so richtig zusammen:

    Herrschaft hat sich durchgesetzt, weil der Stand der Produktivkräfte nichts anderes zuließ.


Wie genau kommt es, daß sich eine Elite durchsetzen kann, ohne Zustimmung der Mehrheit zu haben? Warum gilt nicht diese Darstellung aus der Cover-Illustration von Steven Franks Buch Foundations of Social Evolution:





Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Dazu kamen Kriege nach außen, die immer ein Risiko beinhalteten für alle Kriegsbeteiligten und sozusagen auch die Kehrseite des inneren Zusammenhalts.

Das erscheint mir als einer der wesentlichsten Gründe, warum es nicht bei kleinen Stammesgesellschaften geblieben ist. Sobald sich zwei oder mehr Stämme zu einem Bündnis zusammenschließen, haben "einzelgängerische" das Nachsehen. Sie müssen sich ebenfalls organisieren oder werden geschluckt. Der Rest ist Geschichte.



Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wenn man Adam Smith mal zitieren würde, dann ist der Egoismus auch im 21. Jahrhundert die rationalste Wahl. Die 'invisible hand' maximiert dann für alle den Nutzen. Der Egoismus schlägt dialektisch in den Altruismus um und ich brauche gar nichts zu tun.

Das ist natürlich die vulgäre, zugespitzte Formulierung dieser Theorie, die Smith so extrem ja auch nicht formuliert hat.

Ich finde das gar nicht vulgär und zugespitzt. Du sprichst ein Problem an, das ich ebenso sehe.

Weiter oben sagtest du:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Denn Altruismus und Solidarität sind ja in ihr Bedeutungen gerade nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, sondern stehen höchstens im Gegensatz zu "Egoismus" und "fehlender Solidarität".

In der einschlägigen Literatur wird "Altruismus" traditionell als Minderung der eigenen Fortpflanzung zu gunsten der eigenen Gemeinschaft verstanden. Ich halte das für eine schlechte Tradition. Besser wäre es, Begriffe zu vermeiden, die in der Alltagssprache eine andere Bedeutung haben.



Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Überhaupt ist es so, dass eine Sache noch lange nicht fortschrittlich ist, nur weil sie sich behauptet (hat) ...-

Daraus läßt sich ein schönes Paradox bauen. Denke ich. Aber nicht mehr heute.
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