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Hebart
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 09.12.2015
Beiträge: 431

Beitrag(#2074740) Verfasst am: 05.11.2016, 03:33    Titel: Antworten mit Zitat

schtonk hat folgendes geschrieben:
Fuxing hat folgendes geschrieben:
sponor hat folgendes geschrieben:
Ich denke, es ist komplizierter.
(Und i.A. etwas wohlfeil, auf andere Leute zu schimpfen. Ich bin nicht sicher, ob ich mich -- trotz Schulungen und der "richtigen" Haltung -- immer vorbildlich verhalten würde.)

Siehe z.B. Zuschauereffekt. Dem kann man sich nicht durch inneren Beschluss einfach entziehen, sondern man müsste das trainieren.
Fiel mir auch in meinen Kursen als Ersthelfer für die Firma auf: Der Effekt wurde thematisiert, aber als "Lösung" präsentiert wurde quasi bloß ein "geht halt hin und helft". So funktionieren Menschen nicht, zumal wenn sie in Gruppen auftreten.


Der Zuschauereffekt spielt m.E. in dem konkreten Fall hier aber keine Rolle:

- auf den veröffentlichten Fotos ist eine am boden liegende Person zu sehen, die "anständig" angezogen ist; weit und breit ist da sonst niemand zu sehen:
[img]Liegender[/img]


- es gab mindestens eine Person, die über den Mann hinweggestiegen ist, um von/zu einem Automaten zu gelangen:

[img]Person steigt über Liegenden[/img]

Das wirkt auf mich doch recht grotesk


Das ist mehr als grotesk. Diese Gleichgültigkeit ist Ausdruck einer Empathielosigkeit, deren Schwester die Egozentrik ist - eine Form großer Brutalität. Im Internet findet man tausende von hochgeladenen Bildern oder Filmen mit Szenen von Gewalt und Unglücken, Darstellungen von Momenten der Qual und des Todes. Früher war es den Dokumentaristen oder der Sensationspresse vorbehalten, mit jeweils unterschiedlicher Intention. Heute ist dank Smartphone jeder sein eigener Sensationsreporter, der z.B. auf der Autobahn Unfallopfer ablichtet, um sie dann umgehend auf einer Plattform zu veröffentlichen. Rettungskräfte werden behindert, um die Szene einzufangen, koste es was es wolle - und wenn es das Leben des Unfallopfers ist.

Ein Millionenpublikum vor den PC-Bildschirmen konsumiert die gefilmten oder fotografierten Opfer eines jedweden Ereignisses. Das Unglück anderer Menschen wird zur Massenware, zum kostenlosen und infamen Artikel. Der Konsument pendelt zwischen der Lust am Grauen und dem Gefühl der Erleichterung, selbst nicht betroffen gewesen zu sein.

Ein Film von Ertrinkenden in den Wellen des Tsunami? Da muss es doch noch mehr davon geben. Ein Mensch wird erschossen? Das kann doch nicht die einzige derartige Szene sein. Die Distanz zum Schrecklichen schwindet mehr und mehr, Verrohung schleicht sich in Denken, Fühlen und Handeln.

Ein am Boden liegender Mensch verblasst vor dem Hintergrund all dessen zur bloßen Petitesse.


Alles "nicht so schlimm". allerdings nur solange Du nicht selbst damit "Auge in Auge" konfrontiert wirst... Ich habe Leute kennen gelernt, Elite-Soldaten, Polizisten, Sanitäter, waren z.B. in Afghanistan... Ich habe selbst Leute von der Straße "gekratzt", deshalb bin ich auch so "cool" Mr. Green

Ja, es liegt Vieles ziemlich stark im Argen, was in Anbetracht unserer Möglichkeiten locker zu bewältigen wäre, aber ihr wählt ja immer wieder die gleichen Idioten Mr. Green



nix Handy-Video, VOR ORT...
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25892
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2074776) Verfasst am: 05.11.2016, 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Das ist jetzt bestimmt 20 Jahre her, damals bin ich mit meiner damaligen Freundin durch die Hauptstrasse in unserer kleinen Fussgängerzone gegangen und wir kamen an einem Schlachterladen vorbei, der auch heisse Würstchen verkaufte. Vor dem Laden lag ein Obdachloser bewusstlos mit seiner Bockwurst an die Wand gelehnt und wir gingen erst verunsichert daran vorbei. Wir waren beide verunsichert, was wir tun sollten, aber auch erstaunt darüber, dass sich keiner kümmert. Es hat bestimmt eine Minute gedauert, bis wir zurück gekehrt sind und den Mann angesprochen haben. Er hat nicht reagiert, also haben wir die Frau vom Wurststand angesprochen, dass sie einen Rettungswagen ruft. Daraufhin kam eine Frau auf uns zu die sagte "Ich beobachte das jetzt schon länger, der arme Mann lag da schon seit 10 Minuten und keiner hat reagiert. Sie sind die ersten, die den überhaupt bemerkt haben."

Ich frage mich bis heute: Warum hat diese Frau so lange zugeschaut? Aber auch: Hätte ich was getan, wenn ich alleine unterwegs gewesen wäre? Irgendwie ist man doch feige und hofft darauf, das andere was tun.

Dieses Problem ist aber nicht neu, und es ist halt auch persönlichkeitsbedingt, wie hoch die Schwelle ist, ein unbekannte Person anzusprechen (s.u.) - ganz unabhängig davon, ob man Hilfe braucht oder Hilfe geben will. Die Erfahrungen dabei sind auch nicht immer angenehm: Was mir spontan einfällt, ist ein Betrunkener, den ich mal nachts im Schneesturm - ich war auch zu Fuß unterwegs - aus einer Scheewehe zog, aus denen er praktisch nur noch mit den Beinen rausguckte, die noch leicht zuckten. Als er wieder in der Senkrechten war, wurde er wieder munter und fing so an zu pöbeln, dass ich dann einfach weggegangen bin, obwohl es mir selbst gegen den Strich ging, den in dem Zustand da stehen zu lassen. Das ist aber 40 Jahre her, und damals gab es keine Handys. Ich bin dann zu Hause nochmal ans Telefon um der Polizei zu sagen, wo ich 30 Minuten vorher einen relativ hilflosen Mann zurückgelassen habe.

Bei jemandem, der wirklich auf dem Boden liegt, hätte ich mit Sicherheit mehr Schwierigkeiten vorbeizugehen als zu sehen ob ich helfen kann - meine persönliche Schwelle ist da sehr niedrig; zum "Ausgleich" dafür frage ich aber auch Passanten, ob sie mal mit anpacken können, wenn ich das brauche. Wir leben hier in einer hochgradig individualisierten Gesellschaft, in der die Hauptübung aller Menschen darin besteht, niemandes Individualdistanz zu unterschreiten und die eigene aufrecht zu erhalten. Spontane Hilfsangebote in relativ normalen Situationen wie eine alte Frau mit zu schwerer Einkaufstasche werden mit Erstaunen bis Misstrauen beantwortet - die Frau aus der Szene, an die ich gerade denke, ließ sich dann helfen, als sie sich erinnerte, dass ich zwei Häuser weiter wohnte.

Aber Tests zu diesem Thema hat es auch schon vor X Jahren gegeben, ohne dass damals der Anteil Helfender wesentlich größer war als er es heute ist.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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