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Die Kunst des Lügens
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Kramer
postvisuell



Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2083789) Verfasst am: 28.01.2017, 01:33    Titel: Die Kunst des Lügens Antworten mit Zitat

"Postfaktisch" war das deutsche Wort des Jahres 2016. "post-truth" das britisch-englische. In den USA wird auch alljährlich von der American Dialect Society ein Wort des Jahres gekürt. Man möchte erwarten, dass im Jahr des Wahlkampfes zwischen Trump und Clinton ein vergleichbares Wort gewählt wird, aber man entschied sich für "dumpster fire, noun: an exceedingly disastrous or chaotic situation". Ja, das beschreibt die Situation da drüben wohl ganz gut. Cool

Aber die American Dialect Society 'prämiert' nicht nur ein Wort, sondern verleiht Preise in verschiedenen Kategorien. In der Kategorie "Political Word of the Year" gewann dann doch das Wort "post-truth" und in der Kategorie "Most Useful/Most Likely to Succeed" das Wort "gaslight: psychologically manipulate a person into questioning their own sanity". Quelle: http://www.americandialect.org/wp-content/uploads/2016-Word-of-the-Year-PRESS-RELEASE.pdf

Die Wahl für "gaslight" oder "gaslighting" hat eine interessante Vorgeschichte. Der Begriff ist nicht neu, darum gab es auch Diskussionen darüber wie so ein altes Wort, dass es schon seit Jahrzehnten gibt, es in die Liste der Worte des Jahres schaffen kann? Die Antwort auf diese Frage lasse ich hier mal offen. Ich finde, "gaslighting" ist die perfekte Ergänzung zu "postfaktisch" oder "post-truth".

Während 'postfaktisch' nur einen Zustand beschreibt, erklärt der Begriff "gaslighting", wie es zu diesem Zustand kommt. "Gaslighting" ist ursprünglich kein politischer Begriff, sondern er beschreibt ein Phänomen oder eine Taktik, die häufig mit häuslicher Gewalt einher geht, obwohl hier nicht physische oder sexuelle Übergriffe gemeint sind, sondern psychischer Missbrauch. Definitionen des Begriffs und die Erklärung seiner Herkunft findet man bei Wikipedia, aber die beste Beschreibung habe ich in diesem Beitrag gefunden:

Zitat:
Gaslighting is a psychological tactic used by abusers, (...) to confuse, shame and manipulate others into believing that they cannot accurately interpret reality.

(Gaslighting ist eine psychologische Taktik, die von Missbrauchstätern (...) benutzt wird, um andere Menschen zu verwirren, zu beschämen und zu manipulieren, um sie glauben zu lassen, dass sie die Wirklichkeit nicht richtig interpretieren können.)


Diese Unterscheidung ist wichtig: Gaslighting ist nicht einfach nur ein anderes Wort für 'lügen', Gaslighting geht über die Lüge hinaus. Gaslightning ist die beharrliche Verzerrung der Realität - auch wenn die Lüge bereits offensichtlich ist. Dass der Begriff, nachdem er Jahrzehnte lang in Selbsthilfe-Büchern und psychologischen Aufsätzen geschlummert hat, seinen Weg in die Politik gefunden hat, liegt an - wen wundert's? - Donald Trump.

Der Begriff kam 2016 immer wieder vor, aber "viral" wurde wohl durch einen vielgelobten Beitrag an ungewohnter Stelle. Nein, nicht die New York Times oder der Boston Globe, sondern die amerikanische 'Bravo' war es, die 'TeenVogue': http://www.teenvogue.com/story/donald-trump-is-gaslighting-america

Ergänzender Link dazu: https://en.wikipedia.org/wiki/Gaslighting#In_the_media

Mir geistern unzählige Beispiele durch den Kopf, wie sich Gaslighting im öffentlichen Diskurs, aber auch in Internetdiskussionen manifestiert. Ich beschränke mich auf eines, dass das Problem hoffentlich genau genug beschreibt. Dazu muss ich eines vorweg schicken: Gasligthing ist kein esoterischer Psychotrick, sondern ein alltägliches Phänomen. Jeder - und damit meine ich wirklich JEDER - hat es schon einmal selber erfahren. Und viele haben es auch schon selber praktiziert. Da nehme ich mich selbst nicht aus.

Eine noch relativ harmlose, aber nicht weniger effektive Methode des Gaslightings ist z.B. , emotionale Reaktionen herunter zu spielen. Aktuelles Beispiel: In den Medien kursieren Audioaufnahmen von Trump, in denen er sich abfällig über Frauen äussert und jemand sagt in der Diskussion: "Ich verstehe die Hysterie nicht. Das sind doch nur Worte, worüber regt Ihr Euch so auf?" Diese Taktik hat zwei Komponenten: 1. Man signalisiert den anderen, dass sie überreagieren, dass sie "zu emotional" reagieren. 2. Man präsentiert sich selber als rationaler Beobachter, der eben nicht hysterisch oder emotional reagiert. Diese Taktik funktioniert, weil es ja die "Regel" gibt, dass man in Debatten möglichst rational argumentieren soll. Wer emotional reagiert, hat schon von vorn herein einen schlechteren Stand. Eventuell ist man als Kritiker des "Pussygrabbings" verunsichert, ob man nicht überreagiert hat. Auf jeden Fall steht man in der Defensive und der "Pussygrabber" ist nicht mehr Thema der Diskussion, sondern nur noch die eigene - vermeintliche - Überreaktion.

Jetzt zu meinem Beispiel: Das Wort "Lügenpresse". Die sinnvolle Regel lautet: "Man soll nicht alles glauben, das in der Zeitung steht." Wer aber mit Begriffen wie "Lügenpresse", "MSMedien", "(vermeintliche) Qualitätsmedien" hantiert, der rät nicht zu gesunder Skepsis, sondern erklärt pauschal "Alle Medien lügen. Alle Journalisten wollen Dich nur verarschen. Traue niemanden!" Die Botschaft lautet letztendlich: Du bist allein, da ist keiner, dem Du vertrauen darfst. Jedenfalls keiner von denen, denen Du bisher vertraut hast. Die sind alle "postfaktisch". Und dann kommt das Gegenangebot - die alternativen Medien, mit ihren alternativen Fakten.

Bisher war das nur ein Internetphänomen, aber mit Donald Trump hat dieses Phänomen jetzt die Präsidentschaft eines der mächtigsten Länder unserer Welt erreicht. Die Revolte gegen die "Lügenpresse", gegen die vierte Macht, war bisher nur ein Aufbegehren im Internet, aber jetzt sitzt da ein Mann im Oval Office, der schon in den ersten Tagen seiner Amtszeit mit "alternativen Fakten" Schlagzeilen macht.

Und gleichzeitig schwappt der Begriff "Gaslighting" zu uns rüber - allerdings in extrem entstellter Form. Es kommt mir fast so vor, als hätten die Rechtspopulisten erkannt, dass sie den Begriff kapern müssen, bevor er dazu benutzt wird, ihre Manipulationen zu entlarven.

Code:
http://www.blauenarzisse.de/gaslighting-oder-die-zerstoerung-der-wirklichkeit/


Da die Schreiber von der Blauen Narzisse Donald Trump als Opfer von Gaslighting darstellen möchten, können sie natürlich nicht auf die viel passenderen Beispiel aus dem Artikel der jungen Autorin der TeenVogue zurück greifen. Eine falsche Behauptung, die im Internet kursiert, ist eben noch kein Gaslighting, sondern nur eine falsche Behauptung.
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zelig
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Beitrag(#2083795) Verfasst am: 28.01.2017, 07:50    Titel: Antworten mit Zitat

Die Lüge betrachte ich als eine Sonderform der Täuschung. Sie ist der Versuch einen Bewußtseinszustand zu kommunizieren, der vom Eigentlichen abweicht. Manchmal denke ich, daß die überragende Fähigkeit des Menschen zu täuschen, überhaupt ein wesentliches Merkmal von ihm ist. Tiere und Pflanzen können auch täuschen (Mimikry etc..) Aber nicht mit dieser Perfektion.

Für Leute wie Trump und seine Entourage scheint mir Wahrheit allerhöchstens eine art Option zu sein, die dann gezogen wird, wenn sie einen Nutzen bringt. Könnte sein, daß wir in eine Ära eintreten, in der die Energie hauptsächlich dafür draufgeht, herauszufinden, was wahr ist, und damit der Streit um die normative Bewertung an Bedeutung verliert, weil die gemeinsame Faktenbasis verschwindet.
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zelig
Kultürlich



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Beitrag(#2083796) Verfasst am: 28.01.2017, 08:00    Titel: Antworten mit Zitat

Das Gruselige am Gaslighting ist, daß sie die "Theory of Mind" voraussetzt, die wir als Voraussetzung für die Entwicklung von sozialen Verbänden verstehen. Hier aber in ein böses Gegenstück verwandelt wird.
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fwo
Caterpillar D9



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Beitrag(#2083800) Verfasst am: 28.01.2017, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Die Lüge betrachte ich als eine Sonderform der Täuschung. Sie ist der Versuch einen Bewußtseinszustand zu kommunizieren, der vom Eigentlichen abweicht. Manchmal denke ich, daß die überragende Fähigkeit des Menschen zu täuschen, überhaupt ein wesentliches Merkmal von ihm ist. Tiere und Pflanzen können auch täuschen (Mimikry etc..) Aber nicht mit dieser Perfektion.
....

Es ist schon komisch: Ich käme nie auf die Idee, Mimikry als Täuschung im Sinne von Irreführung, also als bewussten Akt zu sehen. Dabei gibt es bei in Gefangenschaft gehaltenen Schimpansen Beispiele, die kaum mehr anders als zu interpretieren sind, als dass auch diese Tiere über soetwas wie theory of mind verfügen (ich habe gerade keine Zeit, aber google mal nach t.o.m und Schimpanse, da bekommst Du bestimmt ein paar neuere Artikel geliefert), schon Beobachtungen mit Washoe legten eine bewusste Täuschung nahe.

Sehr gerne wird bei diesem Thema das Verleiten von Beutegreifern durch die Altvögel erwähnt, das die machen, wenn ihre Brut in Gefahr ist - aber da würde ich auch einfach von einem erfolgreichen Verhalten, das sich vererbt hat ausgehen und nicht von Täuschung.

Man kann also festhalten, dass so intelligente Tiere wie der Mensch es lernen können, dass Täuschung ein erfolgreiches Verhalten ist. Auf der anderen Seite ist es ein Verhalten, das eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Art, den sozialen Zusammenhalt, stört - wir haben also in allen Kulturen Anteile, die erkennbare Hindernisse gegen das Lernen der Täuschung als Erfolg darstellen - Moral ist im Grunde nicht anderes. Insofern ist es schon bemerkenswert und aus dieser Sicht auch als kultureller Verfall zu werten, wenn hier das Hohelied der Täuschung gesungen wird.

Ich halte es auch nicht für besonders schwierig, vorherzusehen, dass das auf Dauer nach hinten losgeht.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Er_Win
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Beitrag(#2083807) Verfasst am: 28.01.2017, 14:04    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Ich halte es auch nicht für besonders schwierig, vorherzusehen, dass das auf Dauer nach hinten losgeht.


Wir befinden uns bereits mitten im Prozess des "Nach-Hinten-Losgehens". Anders als @kramer insinuiert, dass "gaslighting, propagada, lügen, täuschung, manipulation etc." mit Trump eine neue gefährliche "präsidiale Qualität" bzw. Gefahr erreiche, ist Trump in seiner Plumpheit höchstens ein reaktiver Kollateralschaden einer Entwicklung, die schon lange in höchsten Kreisen zu Hause ist und nur in dem immer brüchiger werdenden System neoliberaler, westlicher repräsentativer Demokratien, sowie der "inter-netten" Informations(r)evolution, einer größeren Bevölkerungsgruppe auffällt.

Eine sehr gute (wenig bekannte) ARTE-Doku über die manipulativen Anfänge nach WK II
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sehr gut
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#2083809) Verfasst am: 28.01.2017, 16:02    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
Eine sehr gute (wenig bekannte) ARTE-Doku über die manipulativen Anfänge nach WK II

Daraus:
"Mittlerweile.. bis in die Gegenwart hinein ... ist ja wohl auch dem letzten... und damit auch mir ... deutlich geworden, daß dieser CIA eine kriminelle Vereinigung ist."
Günter Grass

Überrascht
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sünnerklaas
Mietzekatzenkater - treibt den Kessel



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Beitrag(#2083810) Verfasst am: 28.01.2017, 16:30    Titel: Antworten mit Zitat

sehr gut hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:
Eine sehr gute (wenig bekannte) ARTE-Doku über die manipulativen Anfänge nach WK II

Daraus:
"Mittlerweile.. bis in die Gegenwart hinein ... ist ja wohl auch dem letzten... und damit auch mir ... deutlich geworden, daß dieser CIA eine kriminelle Vereinigung ist."
Günter Grass

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Geheimdienste sind auf Abwehr ausgelegt - sie spielen quasi politischen Catenaccio. Ihre einzige Aufgabe ist es, den Status quo festzuschreiben.
Das Dumme: werden die Geheimdienste zu stark, richtet sich die Politik ausschließlich an ihren Erkenntnissen aus - dann gerät auch die Politik massiv in die Defensive. Politik ist eben kein Fußballspiel.
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"Bullshit ist eine dritte Kategorie zwischen Wahrheit und Lüge" (Harry Frankfurt)

Ausser Hypochondrie habe ich alle Krankheiten.

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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2083849) Verfasst am: 29.01.2017, 00:22    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Das Gruselige am Gaslighting ist, daß sie die "Theory of Mind" voraussetzt, die wir als Voraussetzung für die Entwicklung von sozialen Verbänden verstehen. Hier aber in ein böses Gegenstück verwandelt wird.


Noch gruseliger finde ich, dass es im Fall von Trump in aller Öffentlichkeit, völlig unverhohlen statt findet und dennoch kaum Konsequenzen hat. Die Diskussion hier bewegt sich schon wieder in Richtung CIA, Geheimdienste und dunkle Machenschaften. Trumps Gasligthing ist aber keine geheime, dunkle Machenschaft, sondern offensichtlich ein tief eingeprägter Charakterzug des neuen Präsidenten. Er macht es auch Gewohnheit, er macht es sogar dann, wenn es gar nicht nötig ist, z.B. bei den Besucherzahlen seiner Inauguration. Damit möchte ich nicht behaupten, dass es bei Trump keine dunklen Machenschaften gibt, doch würden die - wenn sie mal zutage kämen - in der Flut der längst als normal akzeptierten anderen Skandälchen Trumps völlig untergehen oder sogar denjenigen, die es aufdecken, zum Vorwurf gemacht werden.

Ich denke nicht, dass das eine bewusste Taktik ist, das ist wohl eher ein erlerntes Verhalten. Wie kommt jemand wie Trump auf die Idee, er würde keine Wählerstimmen verlieren, wenn er jemanden auf öffentlicher Strasse erschiesst? Und wie kommt er auf die noch schrägere Idee, das öffentlich zu äussern? Weil er weiss, dass er in der Vergangenheit immer irgendwie durch kam. Er beherrscht die Kunst des Lügens und die Kunst, sich mit weiteren Lügen aus jedem Schlamassel heraus zu reden.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2083854) Verfasst am: 29.01.2017, 01:35    Titel: Antworten mit Zitat

Inzwischen hat sich auch der Stern des Themas angenommen:

http://www.stern.de/politik/ausland/donald-trump--seine-psycho-tricks---wie-er-mit-jedem-von-uns-spielt-7287492.html
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fwo
Caterpillar D9



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Beitrag(#2083860) Verfasst am: 29.01.2017, 07:44    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Das Gruselige am Gaslighting ist, daß sie die "Theory of Mind" voraussetzt, die wir als Voraussetzung für die Entwicklung von sozialen Verbänden verstehen. Hier aber in ein böses Gegenstück verwandelt wird.


Noch gruseliger finde ich, dass es im Fall von Trump in aller Öffentlichkeit, völlig unverhohlen statt findet und dennoch kaum Konsequenzen hat. Die Diskussion hier bewegt sich schon wieder in Richtung CIA, Geheimdienste und dunkle Machenschaften. Trumps Gasligthing ist aber keine geheime, dunkle Machenschaft, sondern offensichtlich ein tief eingeprägter Charakterzug des neuen Präsidenten. Er macht es auch Gewohnheit, er macht es sogar dann, wenn es gar nicht nötig ist, z.B. bei den Besucherzahlen seiner Inauguration. Damit möchte ich nicht behaupten, dass es bei Trump keine dunklen Machenschaften gibt, doch würden die - wenn sie mal zutage kämen - in der Flut der längst als normal akzeptierten anderen Skandälchen Trumps völlig untergehen oder sogar denjenigen, die es aufdecken, zum Vorwurf gemacht werden.

Ich denke nicht, dass das eine bewusste Taktik ist, das ist wohl eher ein erlerntes Verhalten. Wie kommt jemand wie Trump auf die Idee, er würde keine Wählerstimmen verlieren, wenn er jemanden auf öffentlicher Strasse erschiesst? Und wie kommt er auf die noch schrägere Idee, das öffentlich zu äussern? Weil er weiss, dass er in der Vergangenheit immer irgendwie durch kam. Er beherrscht die Kunst des Lügens und die Kunst, sich mit weiteren Lügen aus jedem Schlamassel heraus zu reden.

Da kann was dran sein. Aber diese Erfahrungen sammelte er in einem - relativ - zivilisierten Land, das die Folgen seines Handeln bei den Betroffenen zumindest teilweise abmilderte. An der Stelle, an der er im Moment sitzt, zerstört er mit seinen Handlungen genau die Zivilisation, die ihn bisher auf diese Weise geschützt hat. Ich frage mich, ob diese Lügentechnik auch noch trägt, wenn es genügend Leute, denen es sowieso schon dreckig ging, ziemlich schnell noch dreckiger geht. Ich weiß nicht, wie groß die Gefahr wirklich ist, aber ich kann mir vorstellen, dass er dabei ist, für revolutionäre Situationen zu sorgen. Denn das "Durchkommen", von dem Du sprichst, funktioniert wahrscheinlich nur im geregelten Staat.

Ich habe ihn mir schlimm vorgestellt, aber er übertrifft das locker und ich frage mich, wie lange der amerikanische Staat das durchhält, und ob er dadurch kollabiert, oder sich nur schüttelt, bis Trump in irgendeiner Form abgefallen ist.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2083941) Verfasst am: 30.01.2017, 00:41    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Aber diese Erfahrungen sammelte er in einem - relativ - zivilisierten Land, das die Folgen seines Handeln bei den Betroffenen zumindest teilweise abmilderte. An der Stelle, an der er im Moment sitzt, zerstört er mit seinen Handlungen genau die Zivilisation, die ihn bisher auf diese Weise geschützt hat. Ich frage mich, ob diese Lügentechnik auch noch trägt, wenn es genügend Leute, denen es sowieso schon dreckig ging, ziemlich schnell noch dreckiger geht. Ich weiß nicht, wie groß die Gefahr wirklich ist, aber ich kann mir vorstellen, dass er dabei ist, für revolutionäre Situationen zu sorgen.


Ob Trump für revolutionäre Situationen sorgt, kann ich nicht beurteilen. Aber ich hege die leise Hoffnung, dass er ungewollt einen aufklärerischen Trend ins Rollen bringt, der es anderen Populisten in Zukunft schwerer macht, die Öffentlichkeit zu gaslighten.

Zu den Regeln, die bisher in den - relativ - zivilisierten USA galten, gehören ja nicht nur die, die Trump gebrochen hat, sondern auch welche, die ihn bisher geschützt haben, z.B. die Goldwater-Rule:

Zitat:
Another renowned registered psychotherapist from Johns Hopkins University Medical School, John D. Gartner, says that Trump is one with a serious problem. Dr. Gartner teaches psychiatric residents at Hopkins and took the extra-ordinary step of betraying the ethical code known as the “Goldwater Rule” to warn the “American public about the dangerousness of its new commander-in-chief’s mental state.”

The “Goldwater Rule” is typically defined as “the informal term for part of the ethics code of the American Psychiatric Association saying it is wrong to provide a professional opinion of a public figure without examining that person and gaining consent to discuss the evaluation.” It is noteworthy that for a growing number of psychological experts, violating that part of their “ethical code” has become more important than remaining silent simply because the fate of the nation, and the world, is at stake.

http://www.politicususa.com/2017/01/28/opinion-leading-psychologists-trump-mentally-deranged.html

Es ist eine Binsenweisheit, dass Politiker gerne mal lügen und vor der Wahl das eine sagen und nach der Wahl etwas völlig anderes. Wir haben uns daran gewöhnt, dass solche Verzerrungen der Wahrheit oder der eigenen Absichten zum Spiel, das sich Wahlkampf nennt, dazu gehören. Ebenso wie wir uns daran gewöhnt haben, dass der Begirff "Steinofen-Pizza" auf der Pappschachtel einer Tiefkühlpizza nicht wirklich bedeutet, dass man eine Pizza auf den Teller bekommt, die wie eine Steinofenpizza schmeckt. Letztendlich sind das auch Lügen, aber wir können diese Lügen in unsere Weltsicht integrieren, ohne völlig die Orientierung zu verlieren. Wir wissen, das ist Werbung, die will uns manipulieren und wir können uns entscheiden, ob wir darauf eingehen oder nicht.

Aber wenn Politiker Aussagen machen, die eindeutig zu verstehen sind, und nachher behaupten, man hätte sie falsch oder im falschen Kontext zitiert (selbst wenn der Kontext eindeutig und nachvollziehbar ist) oder sogar bestreiten, so etwas jemals behauptet zu haben, obwohl es Beweise dafür gibt, dann ist das eine andere Form der Lüge. Das sind nicht mehr nur Lügen, die Tatsachen verdrehen sollen, sondern es sind Lügen, die Dich an Deiner eigenen Wahrnehmung zweifeln lassen sollen - oder an Deinem Vertrauen in die Medien.

Wenn Internetseiten wie z.B. bildblog die Meldungen von einflussreichen Medien hinterfragen und Falschmeldungen korrigieren, dann ist das eine Sache. Eine ganz andere Sache ist es, wenn Politiker mit Macht und Einfluss davon anfangen, von der "Lügenpresse" und von "fake news" zu sprechen.

Der Umgang von Trump und seinem Berater Bannon mit den Medien wird hierzulande von denen, die immer sofort "Lügenpresse" rufen, wenn jemand mal SPON, die Zeit, die Süddeutsche, die FAZ usw. verlinkt, noch bejubelt. Aber das kann sich auch bald ändern, wenn diese Menschen merken, dass da nicht Internetrebellen gegen die bösen Medien da oben kämpfen, sondern eine Regierung versucht, die freie Presse auszuschalten.

Die nationalen/rechtspopulistischen Parteien in Europa sehen in Trumps Wahlsieg ein Signal für eine Zeitenwende - jetzt bricht ihre Zeit an. Trump ist aber nicht nur ein Nationalist und Populist, er ist ein offensichtlich gestörter Mensch - und zwar dermassen gestört, dass er nur versagen kann. Anders als Erdogan oder Berlusconi - die ähnlich narzisstisch strukturiert sind - ist Trump extrem impulsiv, ungeduldig und verfügt über erhebliches Aufmerksamkeitsdefizit. Er will alles - und zwar sofort. Da wo 'normale' Narzissten erst mal eine Charme-Offensive starten und sich zurück nehmen, um das Vertrauen ihrer Zielobjekte zu gewinnen, walzt Trump wie eine Dampfwalze über seine Opfer hinweg. Aber Erdogan und Berlusconi sind auch nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Trump ist es gewohnt, alles sofort zu bekommen. Er musste nie für etwas kämpfen - jedenfalls nie um Wohlstand, Macht und Einfluss. Und das könnte ihm - und seinen Nachahmern in Europa - jetzt zum Verhängnis werden.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2084706) Verfasst am: 05.02.2017, 00:40    Titel: Antworten mit Zitat

Alternative Fakten: Keine Macht der Lüge - Von Marina Weisband

Zitat:
Die Verwirrung und Belastung durch die Vielfalt der widersprüchlichen Information in den sozialen Medien sind ohnehin gewaltig. Nun kommt der Kniff der Lügner hinzu, dieses Potenzial bewusst zu instrumentalisieren.

Wenn ich Ihnen sage: "Der Himmel ist grün", dann ist es gar nicht so sehr mein Ziel, dass Sie mir auf Anhieb glauben. Mein Ziel ist es vielmehr, so häufig zu behaupten, der Himmel sei grün, bis Ihre Ressourcen, den Widerspruch auszuhalten, erschöpft sind und Sie einlenken und sagen: "Das ist Ihre Meinung. Ich denke, der Himmel ist blau. Es gibt wohl keine Möglichkeit, die Farbe des Himmels objektiv festzustellen." Steter Tropfen höhlt den Schädel. Das Ziel offensichtlicher Lügen ist der Beweis der Machtlosigkeit von Wahrheit; die Verschiebung des Diskurses, sodass alles plötzlich infrage gestellt wird.
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 21760

Beitrag(#2084752) Verfasst am: 05.02.2017, 11:29    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Der Umgang von Trump und seinem Berater Bannon mit den Medien wird hierzulande von denen, die immer sofort "Lügenpresse" rufen, wenn jemand mal SPON, die Zeit, die Süddeutsche, die FAZ usw. verlinkt, noch bejubelt. Aber das kann sich auch bald ändern, wenn diese Menschen merken, dass da nicht Internetrebellen gegen die bösen Medien da oben kämpfen, sondern eine Regierung versucht, die freie Presse auszuschalten.

Das finde ich arg optimistisch. Auch bei den Lügenpresse-Rufern hierzulande kann man ja beobachten, dass es ihnen gar nicht um die Korrektheit der Nachrichten geht - entdeckte Fehler in der Presse sind für die nur Munition, nicht das Problem. Ihnen geht es darum, dass Medien anders berichten, als es ihnen passt. Auch korrekte Meldungen der Medien werden als Lüge hingestellt, während Falschaussagen der eigenen Leute egal sind. Diesen Leuten gilt als "Lüge" nicht die bewusste Falschaussage, sondern die andere Meinung.

Deswegen finden sie Maßnahmen der polnischen oder ungarischen Regierungen gegen die Pressefreiheit ja auch in Ordnung und sind Fans ausgerechnet von russischen Staatsmedien. Dass solche Leute Eingriffe ind die Pressefreiheit, solange sie nur von den "richtigen" kommen, irgendwie schlimm finden würden, halte ich für nicht sehr wahrscheinlich.

Kramer hat folgendes geschrieben:
Die nationalen/rechtspopulistischen Parteien in Europa sehen in Trumps Wahlsieg ein Signal für eine Zeitenwende - jetzt bricht ihre Zeit an. Trump ist aber nicht nur ein Nationalist und Populist, er ist ein offensichtlich gestörter Mensch - und zwar dermassen gestört, dass er nur versagen kann. Anders als Erdogan oder Berlusconi - die ähnlich narzisstisch strukturiert sind - ist Trump extrem impulsiv, ungeduldig und verfügt über erhebliches Aufmerksamkeitsdefizit. Er will alles - und zwar sofort. Da wo 'normale' Narzissten erst mal eine Charme-Offensive starten und sich zurück nehmen, um das Vertrauen ihrer Zielobjekte zu gewinnen, walzt Trump wie eine Dampfwalze über seine Opfer hinweg. Aber Erdogan und Berlusconi sind auch nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Trump ist es gewohnt, alles sofort zu bekommen. Er musste nie für etwas kämpfen - jedenfalls nie um Wohlstand, Macht und Einfluss. Und das könnte ihm - und seinen Nachahmern in Europa - jetzt zum Verhängnis werden.

Das könnte sein. Die Frage ist, was er bis dahin zerstört.
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"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2084805) Verfasst am: 05.02.2017, 15:38    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Der Umgang von Trump und seinem Berater Bannon mit den Medien wird hierzulande von denen, die immer sofort "Lügenpresse" rufen, wenn jemand mal SPON, die Zeit, die Süddeutsche, die FAZ usw. verlinkt, noch bejubelt. Aber das kann sich auch bald ändern, wenn diese Menschen merken, dass da nicht Internetrebellen gegen die bösen Medien da oben kämpfen, sondern eine Regierung versucht, die freie Presse auszuschalten.

Das finde ich arg optimistisch. Auch bei den Lügenpresse-Rufern hierzulande kann man ja beobachten, dass es ihnen gar nicht um die Korrektheit der Nachrichten geht - entdeckte Fehler in der Presse sind für die nur Munition, nicht das Problem. Ihnen geht es darum, dass Medien anders berichten, als es ihnen passt. Auch korrekte Meldungen der Medien werden als Lüge hingestellt, während Falschaussagen der eigenen Leute egal sind. Diesen Leuten gilt als "Lüge" nicht die bewusste Falschaussage, sondern die andere Meinung.

Deswegen finden sie Maßnahmen der polnischen oder ungarischen Regierungen gegen die Pressefreiheit ja auch in Ordnung und sind Fans ausgerechnet von russischen Staatsmedien. Dass solche Leute Eingriffe ind die Pressefreiheit, solange sie nur von den "richtigen" kommen, irgendwie schlimm finden würden, halte ich für nicht sehr wahrscheinlich.


Stimmt, da war ich wohl wirklich zu optimistisch.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2086481) Verfasst am: 21.02.2017, 01:23    Titel: Antworten mit Zitat

Das hier ist ein schönes Beispiel für eine wirklich kunstvoll gestaltete Lüge. Anlässlich des Black History Month hat Donald Trump am 1. Februar behauptet, dass er als Kandidat der Republikaner wesentlich mehr Stimmen von der afroamerikanischen Wählern erhalten hat, als andere republikanische Kandidaten in den Jahren davor.

Es stimmt zwar, dass Trump mehr Stimmen von Afroamerikanern als John McCain 2008 und Mitt Romney 2012 erhalten hat. Aber von allen republikanischen Kandidaten seit 1972, die nicht gegen einen schwarzen Gegenkandidaten angetreten sind, hat Trump das schlechteste Ergebnis eingefahren: https://www.washingtonpost.com/news/fact-checker/wp/2017/02/01/trumps-claim-that-he-did-substantially-better-with-blacks-than-other-gop-presidential-candidates/

Der Republikaner mit den meisten schwarzen Stimmen in dieser Liste ist übrigens Richard Nixon.
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Samson83
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Anmeldungsdatum: 18.01.2013
Beiträge: 6833

Beitrag(#2086490) Verfasst am: 21.02.2017, 11:05    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Alternative Fakten: Keine Macht der Lüge - Von Marina Weisband

Zitat:
Die Verwirrung und Belastung durch die Vielfalt der widersprüchlichen Information in den sozialen Medien sind ohnehin gewaltig. Nun kommt der Kniff der Lügner hinzu, dieses Potenzial bewusst zu instrumentalisieren.

Wenn ich Ihnen sage: "Der Himmel ist grün", dann ist es gar nicht so sehr mein Ziel, dass Sie mir auf Anhieb glauben. Mein Ziel ist es vielmehr, so häufig zu behaupten, der Himmel sei grün, bis Ihre Ressourcen, den Widerspruch auszuhalten, erschöpft sind und Sie einlenken und sagen: "Das ist Ihre Meinung. Ich denke, der Himmel ist blau. Es gibt wohl keine Möglichkeit, die Farbe des Himmels objektiv festzustellen." Steter Tropfen höhlt den Schädel. Das Ziel offensichtlicher Lügen ist der Beweis der Machtlosigkeit von Wahrheit; die Verschiebung des Diskurses, sodass alles plötzlich infrage gestellt wird.


Ein sehr kluger Text, wirklich schade dass die Dame politisch nicht mehr wirklich präsent ist. Dieses Schädelhöhlungsphänomeen kenne ich auch aus der Gerichtspraxis - es ist eine weder seltene noch neue Strategie, Unsinn so oft zu wiederholen, bis die Energie zum Widerstand erlahmt. Der beste Abschnitt ist aber dieser:

Zitat:
Die neuen rechten Regierungen und Parteien zwingen demokratische Gesellschaften derzeit dazu, den Kampf um bereits ausgefochtene Werte noch einmal zu führen. Diesen Kampf zu verlieren wäre schlicht fatal. Anfangen müssen wir damit, unserer Wahrnehmung und unserer Vernunft zu vertrauen. Totalitäre Methoden müssen als das benannt werden, was sie sind. Es gilt, ihnen entgegenzutreten.


Der Kampf um die "Werte" ist eben nicht abgeschlossen. Wir lernten demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien wie ein Glaubensbekenntnis, ohne deren ideelle Begründung zu erforschen. Eben dies rächt sich, wenn man die Ketzer dieses Bekenntnisses nicht mehr einfach nur niederbrüllen kann. Eben dies meinte ich in meinem etwas entglittenen Thread "die Arroganz der Empathen". Es ist falsch, zu glauben, als liberaler Demokrate ideel wie faktisch bereits gesiegt zu haben. Und die Überlegenheit der eigenen Position ist nie selbstverständlich.
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beachbernie
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Beitrag(#2086530) Verfasst am: 21.02.2017, 20:42    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Alternative Fakten: Keine Macht der Lüge - Von Marina Weisband

Zitat:
Die Verwirrung und Belastung durch die Vielfalt der widersprüchlichen Information in den sozialen Medien sind ohnehin gewaltig. Nun kommt der Kniff der Lügner hinzu, dieses Potenzial bewusst zu instrumentalisieren.

Wenn ich Ihnen sage: "Der Himmel ist grün", dann ist es gar nicht so sehr mein Ziel, dass Sie mir auf Anhieb glauben. Mein Ziel ist es vielmehr, so häufig zu behaupten, der Himmel sei grün, bis Ihre Ressourcen, den Widerspruch auszuhalten, erschöpft sind und Sie einlenken und sagen: "Das ist Ihre Meinung. Ich denke, der Himmel ist blau. Es gibt wohl keine Möglichkeit, die Farbe des Himmels objektiv festzustellen." Steter Tropfen höhlt den Schädel. Das Ziel offensichtlicher Lügen ist der Beweis der Machtlosigkeit von Wahrheit; die Verschiebung des Diskurses, sodass alles plötzlich infrage gestellt wird.



Die Frau Weissbrand taete gut daran die Baelle etwas flacher zu halten. Ihre "Berichterstattung" ueber die Vorgaenge beim Putsch in der Ukraine war, nun sagen wir mal so, durchaus recht einseitig gefaerbt und nicht gerade von uebertriebener Wahrheitsliebe durchdrungen.
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Samson83
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Beitrag(#2086532) Verfasst am: 21.02.2017, 20:48    Titel: Antworten mit Zitat

To quoque. Das ändert nichts an der Richtigkeit ihrer Thesen
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smallie
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Beitrag(#2086535) Verfasst am: 21.02.2017, 21:41    Titel: Antworten mit Zitat

Gleich die grobe Keule ausgepackt:


Hanna Arendt hat folgendes geschrieben:
Der ideale Untertan totalitärer Herrschaft ist nicht der überzeugte Nazi oder der überzeugt Kommunist, es sind Menschen, für die der Unterschied zwischen Tatsache und Erfindung (d.h. die Wirklichkeit der Erfahrung) und der Unterschied zwischen wahr und falsch (d.h. ein Qualitätsanspruch ans Denken) nicht länger existiert.


The ideal subject of totalitarian rule is not the convinced Nazi or the convinced Communist, but people for whom the distinction between fact and fiction (i.e., the reality of experience) and the distinction between true and false (i.e., the standards of thought) no longer exist.

http://explore.brainpickings.org/image/154766583048

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smallie
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Beitrag(#2086536) Verfasst am: 21.02.2017, 21:43    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Die neuen rechten Regierungen und Parteien zwingen demokratische Gesellschaften derzeit dazu, den Kampf um bereits ausgefochtene Werte noch einmal zu führen. Diesen Kampf zu verlieren wäre schlicht fatal. Anfangen müssen wir damit, unserer Wahrnehmung und unserer Vernunft zu vertrauen. Totalitäre Methoden müssen als das benannt werden, was sie sind. Es gilt, ihnen entgegenzutreten.


Der Kampf um die "Werte" ist eben nicht abgeschlossen. Wir lernten demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien wie ein Glaubensbekenntnis, ohne deren ideelle Begründung zu erforschen. Eben dies rächt sich, wenn man die Ketzer dieses Bekenntnisses nicht mehr einfach nur niederbrüllen kann.

Da schließe ich mich an.


Samson83 hat folgendes geschrieben:
Es ist falsch, zu glauben, als liberaler Demokrate ideel wie faktisch bereits gesiegt zu haben.

Wie konnte der Bundespräsident a.D. eigentlich von persönlicher Freiheit reden, wenn in Deutschland Dinge verboten sind, die in England, der Schweiz oder Tschechien erlaubt sind? Ich sehe da einen gewissen Widerspruch.
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beachbernie
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Beitrag(#2086537) Verfasst am: 21.02.2017, 22:34    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
To quoque. Das ändert nichts an der Richtigkeit ihrer Thesen


Das macht die Sache um so schlimmer.
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Kramer
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Beitrag(#2086547) Verfasst am: 22.02.2017, 00:00    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:

Die Frau Weissbrand taete gut daran die Baelle etwas flacher zu halten. Ihre "Berichterstattung" ueber die Vorgaenge beim Putsch in der Ukraine war, nun sagen wir mal so, durchaus recht einseitig gefaerbt und nicht gerade von uebertriebener Wahrheitsliebe durchdrungen.


Ich muss zugeben, ich bin da schlecht informiert. Ich habe darum gegoogelt, aber zunächst nur Artikel aus etablieren Medien gefunden, in denen nichts darüber steht, dass Marina Weisband irgendwelche Lügen verbreitet hat. Der erste Link, der da etwas zu sagte, war ausgerechnet PI-News. Da bin ich dann ausgestiegen.
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Beitrag(#2086548) Verfasst am: 22.02.2017, 00:06    Titel: Oktoberfestlügen beim Facebook-Fakenews-Jäger Focus Antworten mit Zitat

Ich bring mal wieder einen FAZ-Blogartikel von Don Alphonso,
eine ähnliche Thematik hatten wir ja schon mal von ihm hier - jetzt hat er dieses Thema aber weiter beleuchtet.

Oktoberfestlügen beim Facebook-Fakenews-Jäger Focus

http://blogs.faz.net/deus/2017/02/21/oktoberfestluegen-beim-facebook-fakenews-jaeger-focus-4164/

daraus:

Zitat:
(...)
war eine alte Fake News bei der taz, die kurz nach Silvester von Feministinnen ausgegraben wurde, um die Silvesternacht Köln zu relativieren. Es ging offensichtlich darum, kriminelle Migranten und ihre Straftaten als ein Phänomen zu beschreiben, das auch weisse, deutsche Männer begehen. Manche Medien haben daraufhin die Lügen ihrer Autoren zurückgezogen, bei anderen steht das, versteckt im Archiv, bis heute.

(...)
die Hauptverantwortliche Anne Wizorek, die mit diesem Hoax durch die Medien tingelte und zudem unterstellte, die Straftaten auf dem Oktoberfest würden hauptsächlich von “weissen Bio-Deutschen” verübt. Ungeachtet dessen sitzt Wizorek auch weiterhin in der vom Familienministerium berufenen Sachverständigenkommission für den 2. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Konsequenzen für die Fake News Verbreitung: Offensichtlich keine. Allerdings sorgt sich Ministerin Schwesig trotz ihres eigenen Team-GinaLisa-Skandals sehr um das Thema Fake News, wenn sie nicht in ihre parteipolitische Wunschlandschaft passen, und macht Druck auf Facebook. Dort sucht man nun nach Helfern, um Fake News zu entlarven. Facebook ist dazu offensichtlich in Gesprächen mit dem Portal Focus Online recht weit gekommen.
(...)
Nicht alle Beiträge dort können mit renommierten Wissenschaftlern wie dem Soziologen und Risikoforscher Ortwin Renn aus Potsdam aufwarten. Focus Online veröffentlicht am 14. Februar 2017 ein Interview mit Renn zum Thema Gefahreneinschätzung, bei dem es auch um die Angst vor Flüchtlingen geht. Und Renn behauptet:
(...)


und was Renn im Focus behauptete,
und alles weitere,
das lest dann bitte selbst.
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beachbernie
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Beitrag(#2086556) Verfasst am: 22.02.2017, 02:25    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:

Die Frau Weissbrand taete gut daran die Baelle etwas flacher zu halten. Ihre "Berichterstattung" ueber die Vorgaenge beim Putsch in der Ukraine war, nun sagen wir mal so, durchaus recht einseitig gefaerbt und nicht gerade von uebertriebener Wahrheitsliebe durchdrungen.


Ich muss zugeben, ich bin da schlecht informiert. Ich habe darum gegoogelt, aber zunächst nur Artikel aus etablieren Medien gefunden, in denen nichts darüber steht, dass Marina Weisband irgendwelche Lügen verbreitet hat. Der erste Link, der da etwas zu sagte, war ausgerechnet PI-News. Da bin ich dann ausgestiegen.


Die Frau Weisband hat die Rolle, die ukrainische Neonazis und andere rechtsradikale bei den Ereignissen auf dem Maidan gespielt haben, geleugnet bzw. sehr stark heruntergespielt. Als man sie auf den rechten Sektor ansprach wollte sie bei denen nur "hilfsbereite, sympathische junge Menschen" gesehen haben. In den Bildberichten, die z.T. live auf verschiedensten Fernsehkanaelen zu sehen waren, sah das alles ganz anders aus. Da die Frau Weisband vor Ort anwesend war, muss sie auch gesehen haben, was ihre "hilfsbereiten, sympathischen jungen Menschen" dort so trieben.

Es mag ja durchaus stimmen, was die ueber die Luegen der russischen bzw. der Trump-Propaganda schreibt. Nur wenn man sie selber an den gleichen Masstaeben misst, dann sieht sie auch nicht viel besser aus. Marina Weisband war nie unparteiisch, sondern betrieb genauso einseitige Propaganda wie die russische Regierung und ihre Helfershelfer. Sie war und ist genauso Helfershelfer, naemlich des ukrainischen Regimes, das sich damals an die Macht geputscht hat.
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Kramer
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Beitrag(#2086558) Verfasst am: 22.02.2017, 02:32    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:

Die Frau Weisband hat die Rolle, die ukrainische Neonazis und andere rechtsradikale bei den Ereignissen auf dem Maidan gespielt haben, geleugnet bzw. sehr stark heruntergespielt. Als man sie auf den rechten Sektor ansprach wollte sie bei denen nur "hilfsbereite, sympathische junge Menschen" gesehen haben.


Das hier Marina Weisband warnt vor Rechtsradikalen in der Ukraine klingt für mich aber ganz anders.
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zelig
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Beitrag(#2086563) Verfasst am: 22.02.2017, 06:22    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Alternative Fakten: Keine Macht der Lüge - Von Marina Weisband

Zitat:
Die Verwirrung und Belastung durch die Vielfalt der widersprüchlichen Information in den sozialen Medien sind ohnehin gewaltig. Nun kommt der Kniff der Lügner hinzu, dieses Potenzial bewusst zu instrumentalisieren.

Wenn ich Ihnen sage: "Der Himmel ist grün", dann ist es gar nicht so sehr mein Ziel, dass Sie mir auf Anhieb glauben. Mein Ziel ist es vielmehr, so häufig zu behaupten, der Himmel sei grün, bis Ihre Ressourcen, den Widerspruch auszuhalten, erschöpft sind und Sie einlenken und sagen: "Das ist Ihre Meinung. Ich denke, der Himmel ist blau. Es gibt wohl keine Möglichkeit, die Farbe des Himmels objektiv festzustellen." Steter Tropfen höhlt den Schädel. Das Ziel offensichtlicher Lügen ist der Beweis der Machtlosigkeit von Wahrheit; die Verschiebung des Diskurses, sodass alles plötzlich infrage gestellt wird.


Ein sehr kluger Text, wirklich schade dass die Dame politisch nicht mehr wirklich präsent ist. Dieses Schädelhöhlungsphänomeen kenne ich auch aus der Gerichtspraxis - es ist eine weder seltene noch neue Strategie, Unsinn so oft zu wiederholen, bis die Energie zum Widerstand erlahmt. Der beste Abschnitt ist aber dieser:

Zitat:
Die neuen rechten Regierungen und Parteien zwingen demokratische Gesellschaften derzeit dazu, den Kampf um bereits ausgefochtene Werte noch einmal zu führen. Diesen Kampf zu verlieren wäre schlicht fatal. Anfangen müssen wir damit, unserer Wahrnehmung und unserer Vernunft zu vertrauen. Totalitäre Methoden müssen als das benannt werden, was sie sind. Es gilt, ihnen entgegenzutreten.


Der Kampf um die "Werte" ist eben nicht abgeschlossen. Wir lernten demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien wie ein Glaubensbekenntnis, ohne deren ideelle Begründung zu erforschen. Eben dies rächt sich, wenn man die Ketzer dieses Bekenntnisses nicht mehr einfach nur niederbrüllen kann. Eben dies meinte ich in meinem etwas entglittenen Thread "die Arroganz der Empathen". Es ist falsch, zu glauben, als liberaler Demokrate ideel wie faktisch bereits gesiegt zu haben. Und die Überlegenheit der eigenen Position ist nie selbstverständlich.



Guter Text, guter Kommentar. Vielleicht ein Einwand. Wir haben uns - auch in der Schule - schon mit den ideellen Grundlagen demokratischer Prinzipien auseinandergesetzt. Allerdings haben wir sie als gegeben hingenommen. Es war nicht denkbar, daß wir mal in die Lage geraten würden, diese Prinzipien gegen stärker -oder nur lauter?- werdende Gegner verteidigen müssten. Jahrzehntelang wurde die Linke zum bundesrepublikanischen Popanz gemacht. Seit einigen Jahren muss man jedoch zur Kenntnis nehmen, daß wir es mit einer gefährlichen Gemengelage unterschiedlicher Gruppierungen zu tun haben, die aus der Mitte und von Rechts sich in ihrer Gegnerschaft zur offenen Gesellschaft einig sind, letztlich in ihrer Gegnerschaft zur Verfassung. Mein Lebensgefühl ist zwar immer noch geprägt von einem selbstverständlichen demokratischen Konsens. Aber die Notwendigkeit dafür zu werben, nimmt zu. Ja, die eigene Position ist nie selbstverständlich. Man muss sie der Kritik aussetzen. Schon alleine deswegen, damit die Kritik an Gegenpositionen überhaupt glaubwürdig ist.
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beachbernie
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Beitrag(#2086565) Verfasst am: 22.02.2017, 06:45    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:

Die Frau Weisband hat die Rolle, die ukrainische Neonazis und andere rechtsradikale bei den Ereignissen auf dem Maidan gespielt haben, geleugnet bzw. sehr stark heruntergespielt. Als man sie auf den rechten Sektor ansprach wollte sie bei denen nur "hilfsbereite, sympathische junge Menschen" gesehen haben.


Das hier Marina Weisband warnt vor Rechtsradikalen in der Ukraine klingt für mich aber ganz anders.



Nicht wirklich....

Zitat:
...."Durch ihre bessere Organisation und durch militantes Vorgehen" hätten rechte Gruppen "die friedliche Revolution tatsächlich schützen können und sich beliebt gemacht", schreibt Weisband. Sie unterscheidet dabei zwischen der rechtsextremistischen Swoboda-Partei und dem Bündnis Rechter Sektor, "die untereinander jeweils verfeindet sind". Beide würden "zahlenmäßig keinen großen Teil" ausmachen, "sind aber sichtbar und gut organisiert"....


Die verteidigt hier eindeutig die Neonazis vom rechten Sektor!

Wie passt das eigentlich zusammen von wegen "militantes Vorgehen" und "friedliche Revolution"? Dies ist genau die Art von Propaganda, die sie in ihrem Zeit-Artikel (zu recht) kritisiert. Aber scheinbar kommt es ihr dabei darauf wer das macht und ob es "der guten Sache dient". Glaubwuerdig geht jedenfalls anders...
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AdvocatusDiaboli
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Beitrag(#2086567) Verfasst am: 22.02.2017, 08:08    Titel: Antworten mit Zitat

Die Kunst des Lesens verdient unbedingt einen Thread. Unbedingt.
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Samson83
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Beitrag(#2086570) Verfasst am: 22.02.2017, 09:38    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Samson83 hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Alternative Fakten: Keine Macht der Lüge - Von Marina Weisband

Zitat:
Die Verwirrung und Belastung durch die Vielfalt der widersprüchlichen Information in den sozialen Medien sind ohnehin gewaltig. Nun kommt der Kniff der Lügner hinzu, dieses Potenzial bewusst zu instrumentalisieren.

Wenn ich Ihnen sage: "Der Himmel ist grün", dann ist es gar nicht so sehr mein Ziel, dass Sie mir auf Anhieb glauben. Mein Ziel ist es vielmehr, so häufig zu behaupten, der Himmel sei grün, bis Ihre Ressourcen, den Widerspruch auszuhalten, erschöpft sind und Sie einlenken und sagen: "Das ist Ihre Meinung. Ich denke, der Himmel ist blau. Es gibt wohl keine Möglichkeit, die Farbe des Himmels objektiv festzustellen." Steter Tropfen höhlt den Schädel. Das Ziel offensichtlicher Lügen ist der Beweis der Machtlosigkeit von Wahrheit; die Verschiebung des Diskurses, sodass alles plötzlich infrage gestellt wird.


Ein sehr kluger Text, wirklich schade dass die Dame politisch nicht mehr wirklich präsent ist. Dieses Schädelhöhlungsphänomeen kenne ich auch aus der Gerichtspraxis - es ist eine weder seltene noch neue Strategie, Unsinn so oft zu wiederholen, bis die Energie zum Widerstand erlahmt. Der beste Abschnitt ist aber dieser:

Zitat:
Die neuen rechten Regierungen und Parteien zwingen demokratische Gesellschaften derzeit dazu, den Kampf um bereits ausgefochtene Werte noch einmal zu führen. Diesen Kampf zu verlieren wäre schlicht fatal. Anfangen müssen wir damit, unserer Wahrnehmung und unserer Vernunft zu vertrauen. Totalitäre Methoden müssen als das benannt werden, was sie sind. Es gilt, ihnen entgegenzutreten.


Der Kampf um die "Werte" ist eben nicht abgeschlossen. Wir lernten demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien wie ein Glaubensbekenntnis, ohne deren ideelle Begründung zu erforschen. Eben dies rächt sich, wenn man die Ketzer dieses Bekenntnisses nicht mehr einfach nur niederbrüllen kann. Eben dies meinte ich in meinem etwas entglittenen Thread "die Arroganz der Empathen". Es ist falsch, zu glauben, als liberaler Demokrate ideel wie faktisch bereits gesiegt zu haben. Und die Überlegenheit der eigenen Position ist nie selbstverständlich.



Guter Text, guter Kommentar. Vielleicht ein Einwand. Wir haben uns - auch in der Schule - schon mit den ideellen Grundlagen demokratischer Prinzipien auseinandergesetzt. Allerdings haben wir sie als gegeben hingenommen. Es war nicht denkbar, daß wir mal in die Lage geraten würden, diese Prinzipien gegen stärker -oder nur lauter?- werdende Gegner verteidigen müssten. Jahrzehntelang wurde die Linke zum bundesrepublikanischen Popanz gemacht. Seit einigen Jahren muss man jedoch zur Kenntnis nehmen, daß wir es mit einer gefährlichen Gemengelage unterschiedlicher Gruppierungen zu tun haben, die aus der Mitte und von Rechts sich in ihrer Gegnerschaft zur offenen Gesellschaft einig sind, letztlich in ihrer Gegnerschaft zur Verfassung. Mein Lebensgefühl ist zwar immer noch geprägt von einem selbstverständlichen demokratischen Konsens. Aber die Notwendigkeit dafür zu werben, nimmt zu. Ja, die eigene Position ist nie selbstverständlich. Man muss sie der Kritik aussetzen. Schon alleine deswegen, damit die Kritik an Gegenpositionen überhaupt glaubwürdig ist.


In meiner Schulzeit (90er/00er Jahre) gab es keinen linken Popanz, und den Rechten konnte man mit einem schlichten "Nazis raus" hinreichend entgegentreten. Reps und NPD gab es zwar, hatten aber nicht die Relevanz eine echte Bedrohung zu bilden.

Aber.: es gibt keinen "selbstverständlichen demokratischen konsens". Ich finde es gerade interessant, Morus, Hobbes und Montesquieu zu lesen. Und Platons Vergleich der antiken Staatsformen. Ich denke, hierdurch kann man lernen, demoratische Prinzipien argumentativ zu verteidigen, wenn diese nicht dem herrschenden Konsens entsprechen.

M.E. ist die anzustrebende Denkübung, wie zu argumentieren ist, wenn man nicht Feinde eines herrschenden demokratischen Konsens bekämpfen will, sondern im Rahmen eines fehlenden demokratischen Konsens diesen argumentativ (und nicht agitativ) schaffen will.
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Samson83
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Beitrag(#2086571) Verfasst am: 22.02.2017, 09:41    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:

Die Frau Weisband hat die Rolle, die ukrainische Neonazis und andere rechtsradikale bei den Ereignissen auf dem Maidan gespielt haben, geleugnet bzw. sehr stark heruntergespielt. Als man sie auf den rechten Sektor ansprach wollte sie bei denen nur "hilfsbereite, sympathische junge Menschen" gesehen haben.


Das hier Marina Weisband warnt vor Rechtsradikalen in der Ukraine klingt für mich aber ganz anders.



Nicht wirklich....

Zitat:
...."Durch ihre bessere Organisation und durch militantes Vorgehen" hätten rechte Gruppen "die friedliche Revolution tatsächlich schützen können und sich beliebt gemacht", schreibt Weisband. Sie unterscheidet dabei zwischen der rechtsextremistischen Swoboda-Partei und dem Bündnis Rechter Sektor, "die untereinander jeweils verfeindet sind". Beide würden "zahlenmäßig keinen großen Teil" ausmachen, "sind aber sichtbar und gut organisiert"....


Die verteidigt hier eindeutig die Neonazis vom rechten Sektor!

Wie passt das eigentlich zusammen von wegen "militantes Vorgehen" und "friedliche Revolution"? Dies ist genau die Art von Propaganda, die sie in ihrem Zeit-Artikel (zu recht) kritisiert. Aber scheinbar kommt es ihr dabei darauf wer das macht und ob es "der guten Sache dient". Glaubwuerdig geht jedenfalls anders...


Wieso ist die deskriptive Darstellung einer "besseren Organisation" eine Verteidigung? Wenn man erwähnt, dass die NPD und andere Nazigruppen in Ostdeutschland gut organisiert sind und sich beliebt gemacht haben, verteidigt man diese auch nicht.

Und:
Zitat:
"Die rechten Gruppen stellen insofern ein echtes Bedrohungspotenzial dar, als sie gerade während der Eskalation zu Helden und Beschützern stilisiert werden konnten", meint die Piraten-Politikerin in dem Text. "Dass ihre Ideen jetzt in das Vakuum eindringen, das in der Ukraine entstanden ist, ist eine große Gefahr."

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