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Was ist ein "Christ" (>"Christentum") ?
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2089697) Verfasst am: 26.03.2017, 23:46    Titel: Antworten mit Zitat

DonMartin hat folgendes geschrieben:
Ein bissel zivilisatorischen Fortschritt haben sie sich also abgeguckt. Für die Zukunft wage ich da keine Vorhersage, man wird ja bescheiden.


Ich muß dich schon wieder enttäuschen. Der zivilisatorische Fortschritt befand sich zu erst auf Seiten der muslimischen Staaten. Erst im 17. u. 18. Jh. beginnen sich die Gewichte zu verschieben. Deine Geschichtskenntnisse könnten durchaus ein Upgrade vertragen. zwinkern
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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DonMartin
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Anmeldungsdatum: 13.08.2013
Beiträge: 6817

Beitrag(#2089698) Verfasst am: 26.03.2017, 23:57    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Ein bissel zivilisatorischen Fortschritt haben sie sich also abgeguckt. Für die Zukunft wage ich da keine Vorhersage, man wird ja bescheiden.


Ich muß dich schon wieder enttäuschen. Der zivilisatorische Fortschritt befand sich zu erst auf Seiten der muslimischen Staaten.

Im Mittelalter vielleicht. Um 1100 hätte ich vermutlich auch lieber in Damaskus oder Bagdad gehaust als im versifften christlichen Europa. Ab der Renaissance wäre ich mir da nicht mehr so sicher.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2089709) Verfasst am: 27.03.2017, 09:04    Titel: Antworten mit Zitat

DonMartin hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Ein bissel zivilisatorischen Fortschritt haben sie sich also abgeguckt. Für die Zukunft wage ich da keine Vorhersage, man wird ja bescheiden.


Ich muß dich schon wieder enttäuschen. Der zivilisatorische Fortschritt befand sich zu erst auf Seiten der muslimischen Staaten.

Im Mittelalter vielleicht. Um 1100 hätte ich vermutlich auch lieber in Damaskus oder Bagdad gehaust als im versifften christlichen Europa. Ab der Renaissance wäre ich mir da nicht mehr so sicher.


Oh, die Renaissance war noch eine ziemlich raue Zeit, zwar mit viel Licht, aber eben auch viel Schatten. Aber du hast Recht, danach begann es zu kippen.
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25893
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2089710) Verfasst am: 27.03.2017, 09:11    Titel: Antworten mit Zitat

DonMartin hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Ein bissel zivilisatorischen Fortschritt haben sie sich also abgeguckt. Für die Zukunft wage ich da keine Vorhersage, man wird ja bescheiden.


Ich muß dich schon wieder enttäuschen. Der zivilisatorische Fortschritt befand sich zu erst auf Seiten der muslimischen Staaten.

Im Mittelalter vielleicht. Um 1100 hätte ich vermutlich auch lieber in Damaskus oder Bagdad gehaust als im versifften christlichen Europa. Ab der Renaissance wäre ich mir da nicht mehr so sicher.

Warum seid Ihr so kleinlich?

Wenn man sich die Zeit aussuchen kann, kann man sich doch bestimmt auch die gesellschaftliche Stellung aussuchen. Als Adeliger in Florenz oder Rom hat bestimmt auch das 12 Jahrhundert Spaß gemacht, und ich schätze, irgendwo in Schweden hätte man da auch ein gutes Leben führen können, wenn auch ganz anders.

Auch glaube ich nicht, dass die philosophischen Schriften aus dem Schutzbereich einzelner Herrscher, die smallie so begeistern, ein Bild des normalen Lebens wiedergeben, denn zu dieser Zeit fangen mW auch schon die ersten innerislamischen Kriege um den rechten Glauben an.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3626

Beitrag(#2089746) Verfasst am: 27.03.2017, 20:39    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ein Christ ist, wer sich zum Christentum bekennt.

Das ist mir zu beliebig.


Moment, aus Sicht des Gläubigen ist das Bekenntnis das Gegenteil von Beliebigkeit. Sich zu etwas bekennen, bedeutet eine schwer aufkündbare Relation zu etwas zu haben.

Kann man eine schwer aufkündbare Relation zu etwas haben, das man nicht benennen kann? Ich tendiere zu "nein", gebe aber zu, daß es soetwas wie Intuition gibt, die manchmal nicht so leicht zu fassen. Wenigstens grob sollte sich sagen lassen, wozu der Gläubige eine Relation hat - womit die Frage des Theads beantwortet wäre.

Ich könnts ja verstehen, wenn jemand die Worte Jesu als göttliche Offenbarung sieht und deshalb eine schwer aufkündbare Relation dazu hat. Was ich nicht verstehen kann, ist, wie man eine schwer aufkündbare Relation zu späteren Auslegungen und Ergänzungen haben kann.



zelig hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

    Ein Sozialist ist, wer sich zum Sozialismus bekennt.
    Ein Demokrat ist, wer sich zur Demokratie bekennt.

Oft genug haben sich Herrscher zur Demokratie bekannt, und dann 95%-Wahlergebniss eingefahren.


Sind das nicht Überlegungen zur Frage, was für das Christentum essentiell ist?

smallie hat folgendes geschrieben:
Wenn man sich nach Belieben zum Christentum bekennen kann, ohne inhaltliche Einschränkungen, wäre das Christentum dann nicht selbst etwas völlig beliebiges?


s.o.

Auf diese Überlegung läuft es hinaus.

Wenn du, fwo und Marcellinus der Meinung seid, jeder der sich Christ nennt, sei auch Christ, dann heißt das, es gäbe nichts Essentielles im Christentum.

Daß das dem Forum in den Kram passt, leuchtet mir ein. Bei dir noch nicht.



zelig hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Denn das erwarte ich von Religion: eine Haltung - wenn es aber nur zu einem Satz frommer Jahres- und Lebensabschnittritualen reicht, dann hätte die Menschheit auch beim Schamanismus bleiben können.

Katholiken, Katharer, Anglikaner, Quäker, Heinrich der VIII. von England und Thomas Morus, alles Christen. Trotzdem schreibe ich den einen weniger, den anderen mehr christliche Haltung zu. Du nicht?


Manchmal habe ich den Eindruck, daß nicht wirklich verstanden wird, daß im Namen des Christentums schreckliche Dinge geschehen sind.

Eigentlich sollten die erwähnten Katharer ausreichen, um den Eindruck nicht aufkommen zu lassen.

Ich hab' das so gemeint:

Katholiken - unchristlich wg. Kreuzzug gegen die Katharer
Katharer - christlich, aber dumm, weil sie sich nicht gewehrt haben.

Anglikanische Kirche - unchristlich schon vom Ansatz her. Sehr repressiv.
Quäker - christlich im besten Sinn.



zelig hat folgendes geschrieben:
Es kommt mir vor, als würdest Du implizit ein verklärtes Bild vom praktizierten Christentum in der Geschichte verteidigen. Es tut weh, aber das ist falsch.

Ich habe nicht vor, dem Christentum einen Persilschein auszustellen. Genausowenig werde ich es verteufeln.

Aber ja, es gibt zwei Dinge, bei denen meine Sicht auf's Christentum vom Standard abweicht.

Die erste Sache sollte historisch belegbar sein: das Christentum war in seiner Frühzeit eine sozialrevolutionäre Bewegung. Das machte seine Attraktivität und seinen Erfolg aus. Es endete, als Rom seine Leute in den Kirchengemeinden installierte.

Die zweite Sache ist spekulativ. Es gibt in den Evangelien immer wieder Stellen, die sich deutlich vom Rest abheben und die so gar nicht zur landläufigen Vorstellung vom Christentum passen. Sicher ist, daß die Evangelien gelegentlich geschönt sind. Ich halte es darum für möglich - und zu 40% wahrscheinlich - daß herkömmliche Deutung eine Fehldeutung, ein Mißverständnis ist. Das müßte ich genauer aufschreiben, sonst ist nicht klar, was ich genau meine.


PS: hab' ich gerade das Christentum gegenüber zelig verteidigt? Pfeifen



zelig hat folgendes geschrieben:
Wenn wir eines gelernt haben sollten, dann ist das doch die Aufrichtigkeit gegenüber der eigenen Geschichte, der eigenen Tradition. Weil es sonst überhaupt keine Chance gäbe, daß sich mal was verbessert. Und das erwarte ich übrigens von jedem, gleichgültig wozu er oder sie sich bekennt, oder in welche Tradition sich jemand stellt. Das ist ein universeller Anspruch, der sich nicht auf das Christentum beschränkt.

Das ist in der Tat ein universeller Anspruch. Meiner Ansicht nach der universellste Anspruch überhaupt.

Aus der Einsicht der Fehlbarkeit folgen alle weiteren ethischen Prinzipien relativ zwanglos. Naja, sollten daraus folgen - soweit sind wir leider noch nicht.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2089751) Verfasst am: 27.03.2017, 21:24    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

Wenn du, fwo und Marcellinus der Meinung seid, jeder der sich Christ nennt, sei auch Christ, dann heißt das, es gäbe nichts Essentielles im Christentum.


Nun, fest steht, daß jemand Christ ist, wenn er sich selbst so bezeichnet und von anderen Christen (keineswegs von allen) für einen gehalten wird. Wenn es dafür ein inhaltliches Kriterium gibt, für das man nicht ein Gegenbeispiel findet, so ist es mir noch nicht begegnet. Insofern ist „Christ sein“ einfach erst einmal eine soziale Tatsache, und wenn es überhaupt etwas gibt, was die allermeisten Christen miteinander gemeinsam haben, so ist es das Aufwachsen in einer Tradition, in der es üblich ist, sich Christ zu nennen. Darüber hinaus sind die christlichen Konfessionen und Sekten ein solcher Gemischwarenladen, daß sich jeder seinen Teil herausfischen kann, so daß man wohl niemandes Zugehörigkeit bestreiten wird, solange er getauft ist und sich an gewisse sprachliche Konventionen hält. Walter Kaufmann hat dazu mal folgendes geschrieben:

"Der Zweifler, solange er das Wort "Gott" noch als Aushängeschild benützt, hat keine öffentliche Verurteilung zu erwarten. Er braucht seinen Glauben nicht zu definieren. Den Leuten geht es lediglich um sein Einverständnis in der Formel "Gott existiert" und "ich glaube an Gott". Wer den Gebrauch dieser Formel verweigert oder wer, was noch schlimmer ist, zugibt, daß er nicht an die Existenz Gottes glaubt, verstört seine Mitmenschen, obgleich er möglicherweise nur eine Glaubensvorstellung ablehnt, die sie ebenfalls für Aberglauben halten. Versucht man in diesen Dingen vorbehaltlos aufrichtig zu sein, entzieht man sich der Forderung, verbrauchte Begriffe in modischem Aufputz neu zu verwenden, gilt dies als schwere Versündigung."
(Walter Kaufmann: Der Glaube eines Ketzers, 1965, S. 42)
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3626

Beitrag(#2089752) Verfasst am: 27.03.2017, 21:31    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Auch glaube ich nicht, dass die philosophischen Schriften aus dem Schutzbereich einzelner Herrscher, die smallie so begeistern, ein Bild des normalen Lebens wiedergeben, denn zu dieser Zeit fangen mW auch schon die ersten innerislamischen Kriege um den rechten Glauben an.

NeinNein

Würdest du von den Schriften eines John Locke, eines Diderot oder Voltaire, darauf schließen, daß sie in einer lebenswerten Zeit und Gesellschaft lebten?



Aber sag, dich hat das nicht begeistert? Geschockt Du weißt nicht, was du versäumst.

Zitat:
Ibn Khaldun - Muqaddimah 1377

In the Muslim community, the holy war is a religious duty, because of the universalism of the (Muslim) mission and (the obligation to) convert everybody toIslam either by persuasion or by force. Therefore, caliphate and royal authority areunited in (Islam), so that the person in charge can devote the available strength to both of them at the same time.

The other religious groups did not have a universal mission, and the holy war was not a religious duty to them, save only for purposes of defense.

Der Mann ist wirklich gut. Sein Begriff von der Asabiyyah - damit ist der Zusammenhalt in einer Gemeinschaft gemeint - taucht in letzter Zeit häufig in einschlägigen Arbeiten zur kulturellen Evolution auf. Ich wette, es dauert nicht mehr lange, bis er in der Zeit, der SZ usw. erwähnt wird.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2089753) Verfasst am: 27.03.2017, 21:36    Titel: Antworten mit Zitat

P.S.: Natürlich können Christen versuchen zu definieren, was am Christentum essentiell ist, nur müssen sie dann eben auch die Widerspruch all der anderen Christen aushalten, die das anders sehen, und sagen, was sie mit denen machen möchten, die ihrer Definition nicht entspechen.

Nichtchristen sollten sich dagegen meiner Ansicht nach auf die beobachtbaren Tatsachen beschränken.
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swifty
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Anmeldungsdatum: 26.03.2017
Beiträge: 5000

Beitrag(#2089754) Verfasst am: 27.03.2017, 21:40    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin nicht ganz einverstanden mit Marcellinus seiner Sichtweise, dass das etwas Jahrhunderte-dauerndes gewesen ist, in denen sich die Gepflogenheiten langsam ändern und man sozusagen allmählich zum Christen mutiert. Zwischen der Legalisierung des Christentums im Römischen Reich und dem Verbot aller anderen Religionen vergingen gerade gute siebzig Jahre, wer dann nicht an den dreieinigen Gott glaubte war mit einem Mal Staatsfeind. Ebenso plötzlich hatte plötzlich jeder Sachse Christ zu sein als Widukind sich taufen ließ, da war nichts mit nach-und-nach. Ebenso könnte man an dieser Stelle eigentlich alle indigenen Völker nennen. Der Missionar kommt, sagt wies gemacht wird und wers nicht einsieht, der lernt neben dem überlegenen Gott auch die überlegenen Waffen der neuen Heilsbringer kennen, das muss man nicht romantisch verklären.

Zum topic:

Christ ist, wer glaubt, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist oder vorgibt dies zu tun. Punkt.

Das bedeutet, ein Christ muss an Gott glauben und an ein wie auch immer geartetes 'verwandschaftliches' Verhältnis zu Jesus Christus.
Wie ein solches verwandschaftliches Verhältnis zwischen einer hypothetischen metaphysischen Entität und einer mehr oder weniger unbewiesenen historischen Persönlichkeit der Antike in der entlegensten Römischen Provinz im 21. Jahrhundert aussehen mag, ist natürlich offen und lässt einigen Spielraum, eine bloße Offenbarung durch Jesus scheidet aber aus, denn als Propheten sehen ihn die Moslems auch.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2089756) Verfasst am: 27.03.2017, 21:57    Titel: Antworten mit Zitat

Despiteful hat folgendes geschrieben:
Ich bin nicht ganz einverstanden mit Marcellinus seiner Sichtweise, dass das etwas Jahrhunderte-dauerndes gewesen ist, in denen sich die Gepflogenheiten langsam ändern und man sozusagen allmählich zum Christen mutiert. Zwischen der Legalisierung des Christentums im Römischen Reich und dem Verbot aller anderen Religionen vergingen gerade gute siebzig Jahre, wer dann nicht an den dreieinigen Gott glaubte war mit einem Mal Staatsfeind.


Ja, richtig: Theodosius I. (347-395) - Christentum als Staatsreligion, Verbot der heidnischen Kulte

Aber warum dann das: Justinian I. (482-565) - Verfolgung von heidnischen Gebildeten und Bücherverbrennungen?

Antwort: Weil das Römische Reich kein Staat in unserem Sinne war. Der Kaiser, so mächtig er jeweils gewesen sein mag, hatte schlicht keine Kontrolle über die Glauben all seiner Untertanen. Er konnte nur die lokalen Autoritäten in seinem Reich geneigt machen, seinem Beispiel zu folgen. Aber das dauerte. In seinem direkten Herrschaftsbereich, also in der Stadt Konstantinopel zB, war das anders. Dazu recht interessant: Peter Heather, Der Untergang des Römischen Weltreiches.

Despiteful hat folgendes geschrieben:

Ebenso plötzlich hatte plötzlich jeder Sachse Christ zu sein als Widukind sich taufen ließ, da war nichts mit nach-und-nach.


Das war viel später, wie du weißt, und in einer anderen Weltgegend und unter anderen Bedingungen. Wenn der Fürst sich taufen ließ, taten das auch seine Gefolgsleute. Und bis Widukind sich taufen ließ, hat es eine ganz Zeit gedauert.
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3626

Beitrag(#2089765) Verfasst am: 27.03.2017, 23:18    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Insofern ist „Christ sein“ einfach erst einmal eine soziale Tatsache, und wenn es überhaupt etwas gibt, was die allermeisten Christen miteinander gemeinsam haben, so ist es das Aufwachsen in einer Tradition, in der es üblich ist, sich Christ zu nennen. Darüber hinaus sind die christlichen Konfessionen und Sekten ein solcher Gemischwarenladen, daß sich jeder seinen Teil herausfischen kann, so daß man wohl niemandes Zugehörigkeit bestreiten wird, solange er getauft ist und sich an gewisse sprachliche Konventionen hält. Walter Kaufmann hat dazu mal folgendes geschrieben:

"Der Zweifler, solange er das Wort "Gott" noch als Aushängeschild benützt, hat keine öffentliche Verurteilung zu erwarten. ...

Keine Einwände, das beschreibt den Ist-Zustand korrekt.

Und trotzdem. Ich bin zwar eher Pragmatiker, aber in dieser Sache bin ich lieber Purist. Etwa derart:



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wenn du, fwo und Marcellinus der Meinung seid, jeder der sich Christ nennt, sei auch Christ, dann heißt das, es gäbe nichts Essentielles im Christentum.


Nun, fest steht, daß jemand Christ ist, wenn er sich selbst so bezeichnet und von anderen Christen (keineswegs von allen) für einen gehalten wird. Wenn es dafür ein inhaltliches Kriterium gibt, für das man nicht ein Gegenbeispiel findet, so ist es mir noch nicht begegnet.

Wenn sich Christen auf Jesus berufen, aber nicht entsprechend handeln, dann ist das Flickschusterei, aber kein Christ-Sein. Solange sich die Christen auf die alten Schriften berufen, solange müssen sie sich daran messen lassen.



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
P.S.: Natürlich können Christen versuchen zu definieren, was am Christentum essentiell ist, nur müssen sie dann eben auch die Widerspruch all der anderen Christen aushalten, die das anders sehen, und sagen, was sie mit denen machen möchten, die ihrer Definition nicht entspechen.

Nichtchristen sollten sich dagegen meiner Ansicht nach auf die beobachtbaren Tatsachen beschränken.

Errm. Nicht-Marxisten dürfen versuchen, Marxismus zu definieren. Dazu muß man Marx lesen. Warum sollte das für das Christentum nicht genauso gelten?
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2089767) Verfasst am: 27.03.2017, 23:46    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

Wenn sich Christen auf Jesus berufen, aber nicht entsprechend handeln, dann ist das Flickschusterei, aber kein Christ-Sein.


Christen berufen sich auf Chistus, das ist etwas anderes. zwinkern

smallie hat folgendes geschrieben:

Solange sich die Christen auf die alten Schriften berufen, solange müssen sie sich daran messen lassen.


Christen berufen sich aber nicht ausschließlich auf "alte Schriften", zumindest nicht die Katholiken.

smallie hat folgendes geschrieben:

Errm. Nicht-Marxisten dürfen versuchen, Marxismus zu definieren. Dazu muß man Marx lesen. Warum sollte das für das Christentum nicht genauso gelten?


Ja, dürfen tut man schon, nur sollte man nicht erwarten, daß die Marxisten diese Definition teilen.

BTW seit wann ist der Marxismus eine Glaubensgemeinschaft? (Nicht, daß ich mit einer solchen Einordnung ein Problem hätte) Sehr glücklich
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vrolijke
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Anmeldungsdatum: 15.03.2007
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Beitrag(#2089768) Verfasst am: 28.03.2017, 00:10    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:

BTW seit wann ist der Marxismus eine Glaubensgemeinschaft? (Nicht, daß ich mit einer solchen Einordnung ein Problem hätte) Sehr glücklich
Was soll es denn sonst sein?
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Anmeldungsdatum: 17.12.2013
Beiträge: 12078

Beitrag(#2089770) Verfasst am: 28.03.2017, 01:21    Titel: Antworten mit Zitat

Kaum fällt der Begriff 'Marxismus', schon reagieren seine Kenner affektiv Sehr glücklich
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
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Beitrag(#2089771) Verfasst am: 28.03.2017, 02:01    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
....
Zitat:
Ibn Khaldun - Muqaddimah 1377

In the Muslim community, the holy war is a religious duty, because of the universalism of the (Muslim) mission and (the obligation to) convert everybody toIslam either by persuasion or by force. Therefore, caliphate and royal authority areunited in (Islam), so that the person in charge can devote the available strength to both of them at the same time.

The other religious groups did not have a universal mission, and the holy war was not a religious duty to them, save only for purposes of defense.

Der Mann ist wirklich gut. Sein Begriff von der Asabiyyah - damit ist der Zusammenhalt in einer Gemeinschaft gemeint - taucht in letzter Zeit häufig in einschlägigen Arbeiten zur kulturellen Evolution auf. Ich wette, es dauert nicht mehr lange, bis er in der Zeit, der SZ usw. erwähnt wird.

Nachdem ich den Artikel in Wikipedia gelesen habe, würde ich es einfach mit besoffenem Nationalismus übersetzen.
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25893
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2089772) Verfasst am: 28.03.2017, 02:12    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
...
Despiteful hat folgendes geschrieben:

Ebenso plötzlich hatte plötzlich jeder Sachse Christ zu sein als Widukind sich taufen ließ, da war nichts mit nach-und-nach.


Das war viel später, wie du weißt, und in einer anderen Weltgegend und unter anderen Bedingungen. Wenn der Fürst sich taufen ließ, taten das auch seine Gefolgsleute. Und bis Widukind sich taufen ließ, hat es eine ganz Zeit gedauert.

Nicht nur das. Dadurch, dass der Fürst sich taufen ließ, war noch lange nicht das da, was man eine kirchliche Infrastruktur nennen könnte. Da fehlen einige Jahrhunderte, bis die Mönche auch so viel weltliche Macht haben, dass Gottesfurcht auch etwas wird, was mit dem Gefühlsgehalt des Wortes Gott weitergegeben wird.

Ich gehe auch nicht davon aus, dass das Christentum inhaltlich sofort in unserem heutigen Sinn übernommen wurde - die Leute waren damals pragmatischer. So ist z.B. von den Wikingern bekannt, dass sie die Götter mehr lokal begriffen und auf ihren Fahrten auch die Götter der Landschaft anbeteten, in der sie gerade waren. Man konnte ja nie wissen .....

Das war im Norden zumindest am Anfang kein entweder oder, da hat man halt beides gemacht.
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Effô Tisetti
Königsblau bis in den Tod



Anmeldungsdatum: 18.09.2003
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Beitrag(#2089781) Verfasst am: 28.03.2017, 11:58    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Wenn sich Christen auf Jesus berufen, aber nicht entsprechend handeln, dann ist das Flickschusterei, aber kein Christ-Sein.


Christen berufen sich auf Chistus, das ist etwas anderes. zwinkern


Wenn man unter "Christus" eine mythologische Figur versteht und unter "Jesus" einen (womöglich historischen) Menschen, dann gibt es durchaus Christen, die sich explizit auf Letzteren beziehen. Lüdemann & Co. versuchen ja die ganze Zeit nix anderes, als den Jesus vom Christus zu entkleiden. Vor allem so manch "echter" Christ möchte sich ja gerade nach dem "echten" Jesus bzw. "echten" Jesusworten richten. Da braucht´s noch nicht mal die Auferstehung.
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2089783) Verfasst am: 28.03.2017, 12:17    Titel: Antworten mit Zitat

Effô Tisetti hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Wenn sich Christen auf Jesus berufen, aber nicht entsprechend handeln, dann ist das Flickschusterei, aber kein Christ-Sein.


Christen berufen sich auf Chistus, das ist etwas anderes. zwinkern


Wenn man unter "Christus" eine mythologische Figur versteht und unter "Jesus" einen (womöglich historischen) Menschen, dann gibt es durchaus Christen, die sich explizit auf Letzteren beziehen. Lüdemann & Co. versuchen ja die ganze Zeit nix anderes, als den Jesus vom Christus zu entkleiden. Vor allem so manch "echter" Christ möchte sich ja gerade nach dem "echten" Jesus bzw. "echten" Jesusworten richten. Da braucht´s noch nicht mal die Auferstehung.


Und wenn meine Oma vier Reifen hätte, wäre sie ein Bus. Die ganze Entwicklung des Christentums kann man auch verstehen als die Diskussion um die Frage, was unter diesem "Christos" zu verstehen sei, und in welchem Verhältnis er zu diesem "Jesus" steht. Es gibt kaum eine Variante, die dabei keine Anhänger gefunden hätte. Die offizielle Linie unserer beiden großen Kirchen ist sowohl das eine als auch das andere, und beides zu 100%. Prozentrechnung und Theologie gehen also schon mal nicht widerspruchsfrei zusammen. Aber wie heißt es so schön: Credo quia absurdum est. zwinkern
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Effô Tisetti
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Beitrag(#2089784) Verfasst am: 28.03.2017, 12:17    Titel: Antworten mit Zitat

Ich fand das Bild von MSS ganz schön, der ja sagt, dass Terrorismus kein "Missbrauch" von Religion (hier: Islam) sei, sondern ein "Gebrauch". Vielleicht muss man das mit der Christen-Definition auch so sehen: Ein Christ ist jemand, der das Christentum (was auch immer das konkret ist) "gebraucht". So wie ein Auto. Denn wer ist "Autofahrer"? Jemand, der gerade fährt? Jemand, der ein Auto hat? Jemand mit einem Führerschein? Jemand der überhaupt schon mal irgendwann ein Auto bewegt hat? Und was ist überhaupt ein Auto? Wo fängt das an, wo hört das auf? Wenn man das Christsein jedenfalls am individuellen Gebrauch festmacht, wird auch klar, dass jede Definition scheitern muss, weil das eben völlig frei gestaltbar ist.
Vielleicht ist der Gedanke aber auch einfach nur Schwachsinn... Lachen
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Marcellinus
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Beitrag(#2089785) Verfasst am: 28.03.2017, 12:23    Titel: Antworten mit Zitat

Nun, es gibt offizielle Kirchenmitglieder. Bei denen müssen die Kirchen am Ende entscheiden, ob die dazugehören oder nicht. Das ist nicht die Sache von Außenstehenden. Und dann gibt es die "Privatgläubigen". Da ist der Fantasie keine Grenze gesetzt, nur fragt es sich, ob sich da der Aufwand der Beschäftigung lohnt. Und schließlich kann einen natürlich niemand daran hindern, sich auch als Außenstehender eine Meinung über den ganzen Kram zu bilden, wohl wissend, daß man damit keinen Gläubigen überzeugt, manchmal nicht mal sich selbst. zwinkern
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Beitrag(#2089790) Verfasst am: 28.03.2017, 15:37    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Despiteful hat folgendes geschrieben:
Ich bin nicht ganz einverstanden mit Marcellinus seiner Sichtweise, dass das etwas Jahrhunderte-dauerndes gewesen ist, in denen sich die Gepflogenheiten langsam ändern und man sozusagen allmählich zum Christen mutiert. Zwischen der Legalisierung des Christentums im Römischen Reich und dem Verbot aller anderen Religionen vergingen gerade gute siebzig Jahre, wer dann nicht an den dreieinigen Gott glaubte war mit einem Mal Staatsfeind.


Ja, richtig: Theodosius I. (347-395) - Christentum als Staatsreligion, Verbot der heidnischen Kulte

Aber warum dann das: Justinian I. (482-565) - Verfolgung von heidnischen Gebildeten und Bücherverbrennungen?

Antwort: Weil das Römische Reich kein Staat in unserem Sinne war. Der Kaiser, so mächtig er jeweils gewesen sein mag, hatte schlicht keine Kontrolle über die Glauben all seiner Untertanen. Er konnte nur die lokalen Autoritäten in seinem Reich geneigt machen, seinem Beispiel zu folgen. Aber das dauerte. In seinem direkten Herrschaftsbereich, also in der Stadt Konstantinopel zB, war das anders. Dazu recht interessant: Peter Heather, Der Untergang des Römischen Weltreiches.


Ich habe einigermaßen gerätselt was Du mir damit sagen willst, aber es geht mir doch ein bisschen durcheinander. Zum Einen, was Du ansprichst gilt doch wohl noch eher für Konstantin als später für ein geteiltes Reich, also dass die religiöse Kontrolle schwieriger gewesen sein sollte. Zumal es ja vorher auch Religion nicht in diesem Ausmaß, mit diesem Anspruch und dieser Organisation gab, das hatte sich später bereits als Römisch-Katholische bzw. orthodoxe Kirche etabliert. Und die Anfänge dessen lagen eben bei Konstantin. Während die Religion bis dahin überhaupt nicht diesen Stellenwert hatte, hatte er es nun plötzlich mit einem gut organisierten 'Staat im Staat' zu tun, dem nur ein altes, tolerantes und persönliches Heidentum gegenüberstand, das es - auf Druck der Kirche - im Namen des Staates, freundlich gesagt: zu christianisieren galt.

Die Säuberungen später kann man einesteils so auslegen wie Du sagst, man kann es aber auch ganz einfach als konsequente Fortsetzung einer zunehmend rigiden Kirchenpolitik sehen, die sich bereits im Konzil von Nicäa und der Kanonisierung des NT abzeichnete. Während der Kaiser und das Reich schwächelten, wussten die organisierten Christen ihre Interessen sehr wohl abzustimmen und zu vertreten. Könnte man sagen zwinkern So dauerte es weniger als Hundertfünfzig Jahre zwischen der letzten Christenverfolgung und der staatlich gelenkten, christlichen Verfolgung Andersdenkender. Auch das ist historisch gesehen ein Katzensprung und steht dem Gedanken einer langsam schleichenden und nach und nach sich durchsetzenden Christianisierung eher entgegen. Das spricht doch viel eher dafür, dass die Leute dem neuen Glauben - erst einmal übergetreten und durch die Taufe besiegelt - frenetisch huldigten und sich schnell radikalisierten, ähnlich wie man das bei westlichen Überläufern zu einem fundamentalistischem Islam heute beobachten kann.
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Despiteful hat folgendes geschrieben:

Ebenso plötzlich hatte plötzlich jeder Sachse Christ zu sein als Widukind sich taufen ließ, da war nichts mit nach-und-nach.


Das war viel später, wie du weißt, und in einer anderen Weltgegend und unter anderen Bedingungen. Wenn der Fürst sich taufen ließ, taten das auch seine Gefolgsleute. Und bis Widukind sich taufen ließ, hat es eine ganz Zeit gedauert.


Darum geht es mir ja. Wenn Du eine (halbwegs) allgemein gültige Aussage über die Christianisierung treffen willst, dann darfst Du eben nicht nur vom theoretischen langsamen Übertritt im Römischen Imperium ausgehen, sondern Du musst ebenso die relativ abrupten Übertritte und Christianisierungen ganzer Völker berücksichtigen. Dass es die gibt oder gegeben hat, stellen meine Beispiele, denke ich, doch sehr deutlich heraus.
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Tarvoc
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Beitrag(#2089792) Verfasst am: 28.03.2017, 16:52    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
BTW seit wann ist der Marxismus eine Glaubensgemeinschaft? (Nicht, daß ich mit einer solchen Einordnung ein Problem hätte) Sehr glücklich
Was soll es denn sonst sein?

Hier in Deutschland gibt es inzwischen unter sozialistischen und kommunistischen Theoretikern, die sich explizit auf Marx beziehen (also unter genau Leuten, die man üblicherweise wohl "Marxisten" nennen würde), eine Diskussion darüber, ob der Ausdruck "Marxismus" überhaupt einen Sinn hat oder man ihn besser als irreführend fallenlassen sollte. M.W. wurde das ursprünglich von Leuten aus dem Umfeld von Gegenstandpunkt losgetreten - bin mir aber nicht ganz sicher. Ich habe mich selbst hier in Bonn an ein paar Debatten diesbezüglich beteiligt. Es gibt schon ein paar gute Argumente dafür, dass der Begriff wenig hilfreich ist - aber man hat sich halt so an ihn gewöhnt. zwinkern

schtonk hat folgendes geschrieben:
Kaum fällt der Begriff 'Marxismus', schon reagieren seine Kenner affektiv Sehr glücklich

Und das ist jetzt überraschend, weil...?
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Marcellinus
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Beitrag(#2089810) Verfasst am: 28.03.2017, 20:06    Titel: Antworten mit Zitat

@Despiteful
Ich habe nicht vor, hier mit dir die Geschichte des Römischen Reiches durchzudeklinieren. Darüber haben andere schon ganze Bücher geschrieben. Nur ein paar Anmerkungen, die meinen von deinem abweichenden Standpunkt deutlich machen dürften.

Es ist einfach falsch, daß Religion im Römischen Reich keine Rolle spielte, im Gegenteil, nur war es eben eine ganz andere Art von Religion. Sie beruhte auf Traditionen, nicht auf einer Offenbarung, weshalb Assmann sie auch als primäre Religionen bezeichnet. Die Durchsetzung des Christentums im Römischen Reich erfolgte von oben nach unten. Anders ging das gar nicht, denn es gab einfach zu wenige Christen.

Es war auch keine Art „Staatsstreich“, in dem die lokalen, heidnischen Autoritäten durch christliche ersetzt worden wären, sondern es läßt sich nachweisen, daß gerade durch die Christianisierung, die durch die Privilegierung des christlichen Kultes durch die Kaiser befördert, aber nicht befohlen werden konnte, und deshalb auch so lange gedauert hat, vor allem dadurch geschah, daß die alten lokalen Autoritäten zum neuen Glauben konvertierten und dafür mit kirchlichen Würden belohnt wurden. So kann man nachweisen, daß in der Zeit nach Konstantin sich die soziale Zusammensetzung der kirchlichen Würdenträger ändert, und diese Ämter, soweit sie mit Pfründen bedacht waren, an die Landaristokratie gingen, die auch in heidnischen Zeiten schon die Herrschaftschicht gestellt hatten. So kann man sagen, daß sich nicht nur das Römische Reich christianisierte, sondern auch das Christentum romanisierte.

Zur Christianisierung der Sachsen hat dir ja fwo schon etwas geschrieben. Nur weil ein Fürst sich taufen ließ, wurden aus Heiden nicht sofort Christen. Dafür fehlte einfach das Personal. Die einzige Christianisierung, die relativ „zügig“ vonstatten ging, war die in Mittel- und Südamerika. Da hatte man aber auch schon sehr viel mehr Personal zur Verfügung. Aber auch da kannst du beobachten, wie lange noch die heidnischen Vorstellungen unter der Oberfläche weiterlebten, ja, da siehst du es sogar noch besser, weil es erst ca. 500 Jahre her ist, die offenbar selbst da nicht gereicht haben, um den traditionellen Glauben auszulöschen, so daß gerade da die kath. Kirche durch Formen traditioneller Frömmigkeit in Bedrängnis gerät.
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schtonk
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Beitrag(#2089814) Verfasst am: 28.03.2017, 21:10    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
[...]

schtonk hat folgendes geschrieben:
Kaum fällt der Begriff 'Marxismus', schon reagieren seine Kenner affektiv Sehr glücklich

Und das ist jetzt überraschend, weil...?

Das ist eben nicht überraschend.
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Beitrag(#2089821) Verfasst am: 28.03.2017, 22:12    Titel: Antworten mit Zitat

schtonk hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
[...]

schtonk hat folgendes geschrieben:
Kaum fällt der Begriff 'Marxismus', schon reagieren seine Kenner affektiv Sehr glücklich

Und das ist jetzt überraschend, weil...?

Das ist eben nicht überraschend.

Warum musst du es dann noch extra erwähnen? zwinkern
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Beitrag(#2089822) Verfasst am: 28.03.2017, 22:19    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
schtonk hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
[...]

schtonk hat folgendes geschrieben:
Kaum fällt der Begriff 'Marxismus', schon reagieren seine Kenner affektiv Sehr glücklich

Und das ist jetzt überraschend, weil...?

Das ist eben nicht überraschend.

Warum musst du es dann noch extra erwähnen? zwinkern


Warum soll man denn einen typischen theoretischen Mangel wie den affekthaften Antimarxismus in einem Forum der Aufklärung nicht erwähnen?

Woanders - etwa auf einem CDU- oder SPD-Parteitag - wäre es sicherlich nicht der Erwähnung wert ...-
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Beitrag(#2089823) Verfasst am: 28.03.2017, 22:23    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Warum soll man denn einen typischen theoretischen Mangel wie den affekthaften Antimarxismus in einem Forum der Aufklärung nicht erwähnen?


Wieso? Ist Antimarxismus - ob affekthaft oder nicht - in einem Forum der Aufklärung nicht selbstverständlich?
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Beitrag(#2089824) Verfasst am: 28.03.2017, 22:29    Titel: Antworten mit Zitat

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Marcellinus
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Beitrag(#2089826) Verfasst am: 28.03.2017, 22:40    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
showtime

Was erwartest du bei einer solchen Ansammlung an Allgemeinplätzen anderes als Sarkasmus?
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Beitrag(#2089827) Verfasst am: 28.03.2017, 22:42    Titel: Antworten mit Zitat

Welche Ansammlung jetzt? Am Kopf kratzen
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