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Sexismus I
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3624

Beitrag(#2107589) Verfasst am: 20.09.2017, 19:09    Titel: Antworten mit Zitat

Despiteful hat folgendes geschrieben:
Die herkömmliche Rollenverteilung ist absolut gerechtfertigt, denn...

https://www.derwesten.de/panorama/deshalb-haben-maenner-beim-putzen-ein-erhoehtes-sterberisiko-id211797813.html

Zitat:
Eine Studie der Universität Brüssel hat ergeben, dass bei männlichen Reinigungskräften das Sterberisiko im Vergleich zu Büroangestellten um 45 Prozent steige. Bei Frauen beträgt das höhere Sterberisiko nur 16 Prozent.


freakteach

Jetzt würde ich zu gerne wissen, woran man im Büro sterben kann. Geschockt
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Anmeldungsdatum: 06.02.2016
Beiträge: 2845

Beitrag(#2107590) Verfasst am: 20.09.2017, 19:18    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Despiteful hat folgendes geschrieben:
Die herkömmliche Rollenverteilung ist absolut gerechtfertigt, denn...

https://www.derwesten.de/panorama/deshalb-haben-maenner-beim-putzen-ein-erhoehtes-sterberisiko-id211797813.html

Zitat:
Eine Studie der Universität Brüssel hat ergeben, dass bei männlichen Reinigungskräften das Sterberisiko im Vergleich zu Büroangestellten um 45 Prozent steige. Bei Frauen beträgt das höhere Sterberisiko nur 16 Prozent.


freakteach

Jetzt würde ich zu gerne wissen, woran man im Büro sterben kann. Geschockt


Herzinfarkt, Schlaganfall, sexuelle Erschöpfung.
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 21789

Beitrag(#2107593) Verfasst am: 20.09.2017, 19:43    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Despiteful hat folgendes geschrieben:
Die herkömmliche Rollenverteilung ist absolut gerechtfertigt, denn...

https://www.derwesten.de/panorama/deshalb-haben-maenner-beim-putzen-ein-erhoehtes-sterberisiko-id211797813.html

Zitat:
Eine Studie der Universität Brüssel hat ergeben, dass bei männlichen Reinigungskräften das Sterberisiko im Vergleich zu Büroangestellten um 45 Prozent steige. Bei Frauen beträgt das höhere Sterberisiko nur 16 Prozent.


freakteach

Jetzt würde ich zu gerne wissen, woran man im Büro sterben kann. Geschockt

Es geht ja nicht um das Sterben bei der Arbeit, sondern um das allgemeine Sterberisiko (wo auch immer) je nach beruflicher Tätigkeit.

Ich vermute, das höchste Sterberisiko haben Rentner.
Man sollte also zur Erhöhung der allgemeinen Gesundheit die Rente abschaffen und die Leute einfach weiterarbeiten lassen. freakteach
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"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Ahriman
Tattergreis



Anmeldungsdatum: 31.03.2006
Beiträge: 17976
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Beitrag(#2107666) Verfasst am: 21.09.2017, 14:24    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Ich vermute, das höchste Sterberisiko haben Rentner.
Man sollte also zur Erhöhung der allgemeinen Gesundheit die Rente abschaffen und die Leute einfach weiterarbeiten lassen. freakteach

Laß dich ja nicht von mir erwischen! Peitsche
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beachbernie
male Person of Age and without Color



Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#2107678) Verfasst am: 21.09.2017, 16:44    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Despiteful hat folgendes geschrieben:
Die herkömmliche Rollenverteilung ist absolut gerechtfertigt, denn...

https://www.derwesten.de/panorama/deshalb-haben-maenner-beim-putzen-ein-erhoehtes-sterberisiko-id211797813.html

Zitat:
Eine Studie der Universität Brüssel hat ergeben, dass bei männlichen Reinigungskräften das Sterberisiko im Vergleich zu Büroangestellten um 45 Prozent steige. Bei Frauen beträgt das höhere Sterberisiko nur 16 Prozent.


freakteach

Jetzt würde ich zu gerne wissen, woran man im Büro sterben kann. Geschockt

Es geht ja nicht um das Sterben bei der Arbeit, sondern um das allgemeine Sterberisiko (wo auch immer) je nach beruflicher Tätigkeit.

Ich vermute, das höchste Sterberisiko haben Rentner.
Man sollte also zur Erhöhung der allgemeinen Gesundheit die Rente abschaffen und die Leute einfach weiterarbeiten lassen. freakteach



Komischerweise schreibst Du hier, wo Du den Leuten ihre Rente wegnehmen willst, "Rentner" und nicht "RentnerInnen". Das ist feministischer Sexismus pur! Böse
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Defund the gender police!! Let's Rock
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3624

Beitrag(#2107774) Verfasst am: 22.09.2017, 18:12    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ich will versuchen, dir an einem historischen Beispiel zu erklären, was eine Theorie in den Menschenwissenschaften leisten können sollte, nämlich vorhandene Tatsachenbeobachtungen in einen theoretisches Modell einzuordnen und weitere Beobachtungen aufgrund dieses Modells zu ermöglichen, und wieso eine Systemtheorie, dynamisch oder nicht, dazu nicht in der Lage ist.

Ich meine, in deinen Beispielen eine ganze Menge an Systemtheorie entdecken zu können. Pfeifen



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Nach dem Untergang des Römischen Reiches können wir in Europa zwei Arten von sozialen Prozessen beobachten, solche der Zentralisierung und der Dezentralisierung, in deren Verlauf die wichtigsten Staaten entstanden. Ich nenne nur mal zwei Beispiele, Frankreich und Deutschland.

Mit Zentralisierung und Dezentralisierung hast bereits Begriffe einer These genannt. Man müßte nur weitere Beispiele aus der Geschichte suchen. Falls sich Gemeinsamkeiten ergeben wie:

    - Zentralisierung führt meist zu diesem und jenem
    - Zentralisierung passiert meist, wenn diese und jene Gründe vorliegen

dann hast du eine ausgewachsene Theorie.



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Mit dem Untergang des Römischen Reiches brachen Produktion, Handel und Geldverkehr zusammen, und damit verbunden war ein Prozess der Dezentralisierung.

Das ist eine überprüfbare Vorhersage der Theorie. Damit ist die Theorie falsifizierbar.



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Die einzige Quelle dazu war Land (und die dazugehörigen Leute).

Ist das eine empirische Feststellung oder das Postulat einer Theorie? zwinkern



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Die einzigen stabilen politischen Einheiten waren das Dorf oder der Gutshof und die Arbeitsteilung wich der Selbstversorgung.

Arbeitsteilung und Selbstversorgung? Das ist der weiter oben angesprochene Merkantilismus.



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Das Gebiet des deutschen Reiches war erheblich größer, und die Könige waren damit immer wieder gezwungen (oder hatten die Möglichkeit), Kriege zu führen, die ihre militärische Autorität stärkten, damit der Selbständigkeit der Lehnsleute und damit der Dezentralisierung entgegenwirkten.

Die Größe eines Reichsgebietes ist also eine führende Variable in einer mathematisch formulierten Polittheorie.



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Aber es nahm auch ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, und begrenzte damit ihre Macht.

Dito.



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Es ist die notwendige Folge der Tatsache, daß alles, was man zum Leben brauchte, innerhalb eines relativ kleinen Gebietes herstellen konnte und mußte. Es gab keine weiterreichenden Interdependenzen, keine sicheren Verkehrswege, daher auch kaum Handel, und deshalb auch keine Geldwirtschaft, und damit, und da schließt sich der Kreis, auch keine Möglichkeit, Dienste anders zu bezahlen als durch Land (und im kleinen durch Naturalien).

Trotz der Kürze sind das ausreichend viele Angaben, um die Sache mathematisch zu modellieren, oder ein Simulation dazu zu programmieren.




Marcellinus, du sagst du hältst nichts von Modellen und von Systemtheorie. Trotzdem arbeitest du genau mit den Überlegungen, die mich an der Sache faszinieren. Bist teilweise schon über Systemtheorie hinaus, weil du ganz konkrete Zusammenhänge postulierst. Du versuchst, im Besonderen das Allgemeine zu erkennen. Genau so muß es sein.



PS: Zum Rest wegen Überlänge später.
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3624

Beitrag(#2107775) Verfasst am: 22.09.2017, 18:45    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Diese Art der Modellbildung ist nur möglich, weil Menschen miteinander Figurationen bilden, die bestimmte regelmäßige Eigentümlichkeiten haben, die sich nicht reduzieren lassen auf Eigenschaften der einzelnen Menschen, die diese Figurationen bilden, und die obwohl ausschließlich aus Menschen und ihren wechselseitigen Abhängigkeiten bestehend, gegenüber den einzelnen Menschen eine relative Unabhängigkeit haben.

Selbstverständlich.

Du sprichst von emergenten Erscheinungen, die sich aus Figurationen ergeben. Gleichzeitig möchtest du das nicht als Systemtheorie verstanden wissen. Hmm.



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Diese Figurationen, mit anderen Worten, diese sozialen Prozesse sind eine exklusive Eigentümlichkeit menschlicher Gesellschaften, die sich nicht aus den Eigentümlichkeiten der Existenz der einzelnen Menschen als biologische Wesen (die sich unzweifelhaft auch sind) ableiten lassen.

Einspruch.

Wenn du in der Biologie Letzterklärungen suchst, findest du sie auf der einen Seite in den biologischen Randbedingungen. Die biologische Evolution wird kein Stahlskelett hervorbringen können. Auf der anderen Seite findest du sie in der Spieltheorie und verwandten Bereichen. Die Erklärung für männlich/weiblich steckt nicht in der Biochemie, sondern in der Spieltheorie.

Außerirdische mit ganz anderer Biochemie würden höchstwahrscheinlich auch zwei Geschlechter kennen. nee



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Menschen und ihre Gesellschaften bilden gewissermaßen eine eigene Integrationsebene dieser Welt, und das ist der eigentliche Grund, warum es auch eine eigene Form von Modellbildung, eine eigene Form von Wissenschaften braucht, und letztlich der Grund, warum die Modelle biologischer Evolution, so nützlich sie auf der biologischen Integrationsebene sind, für die Menschenwissenschaften nicht hinreichend sind.

Figurationen, die sich nicht aus den Eigentümlichkeiten der Individuen ergeben. Ja, genau. Da bin ich sofort dafür.



Am Beispiel des Altruismuses. Unter der Festlegung, daß Altruismus Kosten verursacht, also die Fitness der Altruisten senkt: wie kann Altruismus dann überhaupt entstehen und stabil sein?

Eine Gruppe A mit einer bestimmten Zahl an Altruisten:
Code:

Typ        Fitness       Anzahl

A altru      0,9          40
A standard   1,0          60

Damit stürbe Altruismus nach einer Weile aus.

Jetzt zaubere ich eine zweite Gruppe aus dem Hut, die keine Altruisten haben soll. Weiter nehme ich an, daß die Altruisten in A der ganzen Gruppe einen Vorteil verschaffen. Wenn der Vorteil für die Gruppe groß genug ist, dann kann sich Altruismus durchsetzen, in dem Sinne, daß die Altruisten in der Gesamtbevölkerung zunehmen.

Im Zahlenbeispiel ist der Schwellwert 1,11 zu 0,9. Ich rechne mit komfortablen 1,25.

Code:

Typ        Fitness       Anzahl      relative Fit.   Generation #2

A altru      0,9          40           1,25               45
A standard   1,0          60           1,25               75

B standard   1,0         100           0,8                80

Der Anteil der Altruisten in der Gesamtbevölkerung ist damit von 25% auf 29% gestiegen.


Ob das Altruismus ausreichend erklärt, sei an dieser Stelle zweitrangig. Du hast Figurationen gefordert, die "Theorie" kann sie liefern.
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fwo
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Beiträge: 25878
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2107784) Verfasst am: 22.09.2017, 20:15    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ich will versuchen, dir an einem historischen Beispiel zu erklären, was eine Theorie in den Menschenwissenschaften leisten können sollte, nämlich vorhandene Tatsachenbeobachtungen in einen theoretisches Modell einzuordnen und weitere Beobachtungen aufgrund dieses Modells zu ermöglichen, und wieso eine Systemtheorie, dynamisch oder nicht, dazu nicht in der Lage ist.

Ich meine, in deinen Beispielen eine ganze Menge an Systemtheorie entdecken zu können. Pfeifen

....

@ smallie
Ich würde es auch so lesen, dass Marcellinus' Beschreibung ausgefeilt genug ist, um eine Theoriebildung anzubieten, die er eigentlich abgelehnt hat.

Es ist auch grundsätzlich so, dass die Abstraktion zur Theorie führt. Aber Du musst mehr als eine Stufe abstrahieren, um zur Systemtheorie zu kommen. Mir scheint gerade, Du meinst, dass jede Abstraktion bereits zur Systemtheorie führt. Das halte ich dann aber für etwas übers Ziel hinausgeschossen.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2107800) Verfasst am: 22.09.2017, 23:35    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ich will versuchen, dir an einem historischen Beispiel zu erklären, was eine Theorie in den Menschenwissenschaften leisten können sollte, nämlich vorhandene Tatsachenbeobachtungen in einen theoretisches Modell einzuordnen und weitere Beobachtungen aufgrund dieses Modells zu ermöglichen, und wieso eine Systemtheorie, dynamisch oder nicht, dazu nicht in der Lage ist.

Ich meine, in deinen Beispielen eine ganze Menge an Systemtheorie entdecken zu können. Pfeifen

....

@ smallie
Ich würde es auch so lesen, dass Marcellinus' Beschreibung ausgefeilt genug ist, um eine Theoriebildung anzubieten, die er eigentlich abgelehnt hat.

Es ist auch grundsätzlich so, dass die Abstraktion zur Theorie führt. Aber Du musst mehr als eine Stufe abstrahieren, um zur Systemtheorie zu kommen. Mir scheint gerade, Du meinst, dass jede Abstraktion bereits zur Systemtheorie führt. Das halte ich dann aber für etwas übers Ziel hinausgeschossen.


Ich wüßte nicht, wo ich mich gegen Theorie- oder Modellbildung ausgesprochen hätte. Für den Rest bekommt smallie noch eine ausführlichere Antwort. zwinkern
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
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Beitrag(#2107810) Verfasst am: 23.09.2017, 09:38    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....
Ich wüßte nicht, wo ich mich gegen Theorie- oder Modellbildung ausgesprochen hätte. Für den Rest bekommt smallie noch eine ausführlichere Antwort. zwinkern

Das hier hörte sich für mich so an.
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....

Wenn eine Theorie, die noch dazu aus einer anderen Wissenschaft kommt, in den Menschenwissenschaften keinen Nutzen bringt, ist sie entbehrlich.
.....
Luhmann ist Systemtheoretiker. Aus seiner Sicht sind Gesellschaften Systeme, bei denen Unveränderlichkeit der Normalfall ist, und Veränderungen die Ausnahme.
.....
Die Menschenwissenschaften dagegen befinden sich noch im Stadium der „Inventurwissenschaft“. Zwar sammelt man eine Fülle von Fakten, doch hat man weder einen akzeptierten theoretischen Rahmen, um sie einzuordnen, noch weiß man überhaupt, ob es „Fakten“ in dem Sinne sind, denn so wie theoretische Modelle auf Tatsachenbeobachtungen beruhen sollten, so kann man keine Fakten erheben ohne theoretische Modelle. Daß es mittlerweile sogar Sozialwissenschaften gibt, die beobachtbare Tatsachen für störend halten, es dagegen für ihre Aufgabe halten, die Wirklichkeit so lange umzuinterpretieren, bis sie ihren Wunschvorstellungen entspricht, stellt alles auf den Kopf, was bisher den Erfolg der theoretisch-empirischen Wissenschaften ausgemacht hat. ...

Denn Deine beiden Begründungen, warum das mit Luhmann nichts sei, sind beide falsch.

Luhmann war ursprünglich Jurist, hat da nach einigen Jahren Arbeit aber nocheinmal Sozialwissenschaften draufgelegt und bereits im neuen Fach promoviert um dann anschließend zu habilitieren. Menschenwissenschaftlicher geht nicht.

Er hatte die Systemtheorie, die ihren Ursprüngen bereits aus der Soziologie kommt, in den USA kennengelernt, wo Sie mal als Strukturfunktionalismus angefangen hatte - ich vermute, dass Du Dich mit Deinem Bild der Systemtheorie wesentlich darauf beziehst. Die war allerdings damals schon zum Strukturfunktionalismus weiterentwickelt und dann auch wegen ihrer Allgemeinheit von anderen aufgegriffen, unter anderem von dem Neurobiologen Manutrana, der sie um die Autopoiesis erweiterte und Luhmann stark beeinflusst hat.

Luhmann hat die soziologischen Systhem theorie dann noch einmal erneuert und dabei den Begriff der Handlung durch den der Operation ersetzt, um damit gleichzeitig das Entstehen des Systems beschreiben zu können. Wenn Du ihm eines nicht vorwerfen kannst, dann ist es die Statik seiner Systeme.

Ich habe Deine falsch begründetet Abwehr und den Absatz danach dann so verstanden, dass Du eine weitere Theoriebildung nicht magst und Theorien nur so eng am Objekt zulassen möchtest, dass die Theorie eben in der Lage ist, die Datenerhebung zu strukturieren.
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3624

Beitrag(#2107812) Verfasst am: 23.09.2017, 10:02    Titel: Antworten mit Zitat

(Schöner x-post. Jetzt bin ich gespannt, was du geschrieben hast.)


fwo hat folgendes geschrieben:
Es ist auch grundsätzlich so, dass die Abstraktion zur Theorie führt. Aber Du musst mehr als eine Stufe abstrahieren, um zur Systemtheorie zu kommen. Mir scheint gerade, Du meinst, dass jede Abstraktion bereits zur Systemtheorie führt.

Mir war gar nicht klar, daß du von der Systemtheorie sprichst, so wie in "eingetragenes Warenzeichen", ich dachte eher an eine Systemtheorie.

Ein kurzer Blick in die Luhman-Links läßt mich ratlos, was die Systemtheorie leisten soll. Welche Geschichte läßt sich damit erzählen, die man nicht schon zuvor erzählen konnte? Was läßt sich damit ausschließen oder vorhersagen?



fwo hat folgendes geschrieben:
Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann ist eine soziologische Theorie, durch die Gesellschaft als ein „umfassendes soziales System, das alle anderen sozialen Systeme in sich einschließt“[1] beschrieben und erklärt wird. ... Die Entwicklung der soziologischen Systemtheorie als Hauptwerk Luhmanns ... besteht ... in der Erklärung der Gesellschaft als umfassendes soziales System

(Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997).

Das soll eine Erklärung sein? Gesellschaft ist bereits ein soziales System. Auf English wird das sehr deutlich: Society is a social system. Ohne Herrn Luhmann wären wir nie darauf gekommen.



Zitat:
Die Teilsysteme der Gesellschaft werden im Hinblick auf ihre evolutiven, selbst-stabilisierenden, autopoietischen Strukturen hin beobachtet und geben selbst die Antwort darauf, was Gesellschaft ist, indem sie zeigen, wie sie mit der Komplexität und Paradoxierung der Gesellschaft umgehen. Diesen Beobachtungen hat sich Luhmann zugewendet.

Welche Antworten geben sie denn? Der Artikel nennt keine.


Zitat:
Es werden die funktionalen Prämissen, die symbiotischen Mechanismen, die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien, sowie die operative Geschlossenheit und Autopoiesis des Teilsystems und dessen Verhältnis und strukturelle Kopplung zur Umwelt untersucht.

Was hat die Untersuchung ergeben? Wissen wir jetzt mehr über symbiotische Mechanismen?



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Das Zitat ist ein schönes Beispiel für soziologisches Kauderwelsch.

Das denke ich auch.



fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
...Am Ende geht es in der Systemtheorie um einen statischen Ansatz, bei dem die wesentliche Eigenschaft dieser Systeme ihre Selbsterhaltung ist, bzw. das Streben danach. ....

Frage Ich kann Dir im Moment nicht folgen.
Die Funktion der Selbsterhaltung setzt doch Dynamik voraus, sowohl außerhalb, sonst wäre sie nicht nötig, wie innerhalb des Systems, sonst wäre sie nicht möglich. Auch jede Evolutionstheorie beschreibt nicht nur eine Dynamik, einen Prozess, sondern setzt auch Dynamik in den Teilnehmern dieses Prozesses voraus.

Selbsterhalt. Super. Wen kann ich verklagen, weil ich nicht ewig lebe? Motzen
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3624

Beitrag(#2108194) Verfasst am: 25.09.2017, 19:48    Titel: Antworten mit Zitat

Mich sticht gerade der Hafer und ich muß nachtarocken. Verlegen

Deshalb habe ich "Gesellschaft" und "soziales" im Zitat durch "das Zusammenlebende" ersetzt. So wird der Sinn viel klarer. Mr. Green

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann ist eine Theorie aus der Lehre des Zusammenlebens, durch die das Zusammenlebende als ein „umfassendes zusammenlebendes System, das alle anderen zusammenlebenden Systeme in sich einschließt“ beschrieben und erklärt wird. ... Die Entwicklung der Systemtheorie des Zusammenlebens als Hauptwerk Luhmanns ... besteht ... in der Erklärung des Zusammenlebenden als umfassendes zusammenlebendes System

(Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997).

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smallie
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Beiträge: 3624

Beitrag(#2108195) Verfasst am: 25.09.2017, 19:50    Titel: Antworten mit Zitat

Aus dem AfD-Thread herübergebeamt.


zelig hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Ich habe nicht gegen offen ausgelebte Homosexualität, ich habe nur etwas gegen das Geschlecht als soziale Konstruktion.


Wenn ich Deine Argumentation richtig verstehe, dann willst Du sagen, daß das Geschlecht als soziale Konstruktion nicht existiert. Du willst nicht gegen selbstbestimmte Sexualität argumentieren. So verstehe ich Deine Argumentationslinie. Grob gesprochen begründest Du das mit der durch die biologische, und damit also festverdrahtete sexuelle Neigung. Ich fasse Deinen Standpunkt und der anderer hier nur zusammen - nach meinem Dafürhalten stellen sich viele Fragen zu einigen Prämissen der Argumentation, die mich im Moment aber nicht stören.

Was ich im Moment allerdings verblüffend finde, ist das Ignorieren des Umstands, daß es nicht wenige Beispiele gibt, für Menschen, die ihre Sexualität entgegen ihrer natürlichen Neigung sozial konstruiert haben, um überhaupt in einer Gesellschaft, die Homosexualit unterdrückt, überleben zu können. Oder um die gleiche Akzeptanz oder den gleichen Erfolg wie Heterosexuelle erfahren zu können.

Hier stellt sich also die Frage, ob die so nachdrücklich geleugnete Realität der Wirkkraft sozialer Konstruktion neben der biologischen Neigung nicht auch ein Vorzeichenproblem ist, das die Komplexität des als normal erfahrenen Standards nicht erkennen kann. Komplexität, die aus individuellen, gesellschaftlichen, tradierten Normen, Erwartungen, Zwängen unterschiedlicher Kategorien resultiert.

Dazu aus dem Schatz der Allgemeinplätze:

Shakespeare hat folgendes geschrieben:
All the world's a stage and we are merely players


Unbekannt hat folgendes geschrieben:
Ich wär' ja eigentlich ganz anders, leider komm' ich so selten dazu.



Wer fällt schon gern aus der Rolle? Ich nicht. Aber manchmal ist es nötig, wenn man man selbst bleiben will. (Den Gedanken, daß man nicht man selbst sein könnte, halte ich übrigens für paradox - will mich damit aber nicht weiter aufhalten. )

Die Achse männlich/weiblich ist dabei nur eine von vielen. Auch andere Achsen haben ihre Schablonen. Eltern, Schüler, Lehrer. Arzt/Patient. Oder Politker, die im Parlament gefälligst keine Turnschuhe zu tragen haben, weil sich das nicht gehört. Oder oberste Strafrichter, die keine Artikel in der ZEIT schreiben sollten.

So gesehen ist das Gender-Thema ein Spezialfall - ein bedeutender Spezialfall - eines größeren Themas. Ich nenne es: "Konformität" und "Konformitätszwang". Weitschweifige Verweise auf akademische Arbeiten lasse ich weg. zwinkern Stattdessen ein praktisches Beispiel:


Mitten im Bayerischen Wald, dort wo die CSU gewöhnlich 70% holt, gab es einen schwulen Bürgermeister, später Landrat. Er hatte Affären - Sex im Büro mit wechselnden Partnern. Seiner Beliebtheit hat das nicht geschadet. Umgekehrt habe ich erlebt, wie selbstbewußte Hetero-Frauen, die sich nichts gefallen haben lassen, an ihren Chauvi-Kollegen gescheitert sind. Diese Frauen passten nicht in den Rahmen.

Vielleicht ist nicht Hetero- vs. Homosexualität die ausschlaggebende Variable, sondern allgemeines Anderssein. Du kannst schwul oder lesbisch sein, solange du anderweitig "korrekt" sozialisiert bist. Du kriegst auf den Deckel, wenn du zwar hetero, aber anderweitig "unkorrekt" sozialisiert bist.

Was korrekt und unkorrekt ist, hängt zweifellos stark von der jeweiligen Kultur ab.



zelig hat folgendes geschrieben:
Und mal ehrlich, ich muss bei diesen altbackenen Vorstellungen, die sich ja noch zudem auf biologische Expertise berufen, ein wenig kichern, wenn ich an die chaotische Fantasie der Natur in der unermesslichen Vielfalt sexueller Ausformungen und Erfahrungsweisen denke.

Du meinst, die Natur sei polymorph-pervers? Pfeifen
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Beiträge: 2845

Beitrag(#2108196) Verfasst am: 25.09.2017, 20:56    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Grob gesprochen begründest Du das mit der durch die biologische, und damit also festverdrahtete sexuelle Neigung.


Hat fwo geschrieben, dass sexuelle Neigungen festverdrahtet wären? Bisher war immer die Rede von sexueller Orientierung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sexualpr%C3%A4ferenz
Zitat:
Sexualpräferenz oder sexuelle Präferenz (auch sexuelle Neigung) ist ein Oberbegriff für sexuelle Vorlieben, Neigungen, Wünsche und Phantasien, die sich in entsprechenden sexuellen Verhaltensweisen äußern können. Die Vorlieben können sich auf bestimmte sexuelle Praktiken, auf bestimmte Sexualpartner oder -objekte beziehen.


Neigungen sind wohl kaum angeboren. Bei der Neigungs-Ausprägung spielt die Biographie eine große Rolle.
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zelig
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Beiträge: 25404

Beitrag(#2108202) Verfasst am: 25.09.2017, 22:27    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Du meinst, die Natur sei polymorph-pervers? Pfeifen


Aber nicht zu knapp. ; )
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fwo
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Beiträge: 25878
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2108206) Verfasst am: 25.09.2017, 22:44    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Ich habe nicht gegen offen ausgelebte Homosexualität, ich habe nur etwas gegen das Geschlecht als soziale Konstruktion.


Wenn ich Deine Argumentation richtig verstehe, dann willst Du sagen, daß das Geschlecht als soziale Konstruktion nicht existiert. Du willst nicht gegen selbstbestimmte Sexualität argumentieren. So verstehe ich Deine Argumentationslinie. Grob gesprochen begründest Du das mit der durch die biologische, und damit also festverdrahtete sexuelle Neigung. Ich fasse Deinen Standpunkt und der anderer hier nur zusammen - nach meinem Dafürhalten stellen sich viele Fragen zu einigen Prämissen der Argumentation, die mich im Moment aber nicht stören.

Was ich im Moment allerdings verblüffend finde, ist das Ignorieren des Umstands, daß es nicht wenige Beispiele gibt, für Menschen, die ihre Sexualität entgegen ihrer natürlichen Neigung sozial konstruiert haben, um überhaupt in einer Gesellschaft, die Homosexualit unterdrückt, überleben zu können. Oder um die gleiche Akzeptanz oder den gleichen Erfolg wie Heterosexuelle erfahren zu können.

Hier stellt sich also die Frage, ob die so nachdrücklich geleugnete Realität der Wirkkraft sozialer Konstruktion neben der biologischen Neigung nicht auch ein Vorzeichenproblem ist, das die Komplexität des als normal erfahrenen Standards nicht erkennen kann. Komplexität, die aus individuellen, gesellschaftlichen, tradierten Normen, Erwartungen, Zwängen unterschiedlicher Kategorien resultiert.


Und mal ehrlich, ich muss bei diesen altbackenen Vorstellungen, die sich ja noch zudem auf biologische Expertise berufen, ein wenig kichern, wenn ich an die chaotische Fantasie der Natur in der unermesslichen Vielfalt sexueller Ausformungen und Erfahrungsweisen denke.

@zelig
Mein Post bezog sich sichtbar auf einen Veröffentlichung der Bundeszentrale für politische Bildung.

Darin war von Geschlecht die Rede. Je nachdem wie man das aufschlüsselt, kann man das noch grob in folgendes Raster einordnen:
körperlich männlich, weiblich oder undefiniert,
gefühlt (=Identität) männlich oder weiblich oder undefinert
Begehren (=Orientierung) hetero oder homo oder undefiniert.
Dann hätten wir 27 Geschlechter, wobei die Klassiker männlich mit männlicher Identität und hetero Orientierung und weiblich mit weiblicher Identität und Hetero-Orientierung zusammen ca 95% ausmachen.

Was Du mit Neigung meinst, weiß ich nicht genau, ich vermute aber, dass Du durch das Attribut natürlich die Orientierung beschreiben willst. Was bedeutet dieses natürlich und wo kommt es her?. Unter festverdrahtet verstehen wir normalerweise eine genetische Konstruktion. Das Geschlecht ist aber in seiner individuellen Genese etwas komplizierter, weshalb es bei Anomalien im Hormonhaushalt der schwangeren Mutter zu Anomalien in der geschlechtlichen Entwicklung des Embryos kommt - das ist inzwischen in der Medizin ganz gut beschrieben und erklärt die 5%.

Was jemand aus einer Anomalie in der Geschlechtsentwicklung in einer Gesellschaft, die diese negiert oder sogar bestraft, dann letztlich macht, ist etwas ganz anderes, Du führst hier selbst den neuen Begriff Sexualität ein, nur war das nicht Thema. Und dass Du dann auch noch von sozialer Konstruktion sprichst, wenn jemand versucht, sich in den Lücken, die man ihm lässt, einzurichten, finde ich eher lustig. Es hat mich spontan an ein Zwergkaninchen (Rammler) eines früheren Freundes erinnert, das sich mangels Sexualpartnern mit Sockenknäueln vergnügte. War dieses Ausweichverhalten jetzt auch eine soziale Konstruktion?

Im allgemeinen wird mit sozialer Konstruktion aber die durch die Gesellschaft bestimmte diskursive Konstruktion gemeint und kein individuelles Ausweichverhalten, um den gängigen Konstruktion zu entkommen.

Was Du richtig verstanden hast, war, dass ich nicht gegen selbstbestimmte Sexualität argumentiere. Von Deinem letzten Absatz habe ich hauptsächlich verstanden, dass Du kicherst, da habe ich nichts gegen, wenn mir auch scheint, dass der Anlass Dein falsches Verständnis meiner Aussagen war.
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fwo
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Beitrag(#2108238) Verfasst am: 26.09.2017, 01:47    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
(Schöner x-post. Jetzt bin ich gespannt, was du geschrieben hast.)


fwo hat folgendes geschrieben:
Es ist auch grundsätzlich so, dass die Abstraktion zur Theorie führt. Aber Du musst mehr als eine Stufe abstrahieren, um zur Systemtheorie zu kommen. Mir scheint gerade, Du meinst, dass jede Abstraktion bereits zur Systemtheorie führt.

Mir war gar nicht klar, daß du von der Systemtheorie sprichst, so wie in "eingetragenes Warenzeichen", ich dachte eher an eine Systemtheorie.

Stimmt. Ich habe gerade mal gezählt. In diesem Thread habe ich Luhmann erst 6 mal erwähnt. Das war zu selten.

smallie hat folgendes geschrieben:
Ein kurzer Blick in die Luhman-Links läßt mich ratlos, was die Systemtheorie leisten soll. Welche Geschichte läßt sich damit erzählen, die man nicht schon zuvor erzählen konnte? Was läßt sich damit ausschließen oder vorhersagen?

Gegenfrage: Was lässt sich mit der Darwinschen Evolutionstheorie vorhersagen, mit der Du sehr zufrieden zu sein scheinst?

smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann ist eine soziologische Theorie, durch die Gesellschaft als ein „umfassendes soziales System, das alle anderen sozialen Systeme in sich einschließt“[1] beschrieben und erklärt wird. ... Die Entwicklung der soziologischen Systemtheorie als Hauptwerk Luhmanns ... besteht ... in der Erklärung der Gesellschaft als umfassendes soziales System


(Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997).

Das soll eine Erklärung sein? Gesellschaft ist bereits ein soziales System. Auf English wird das sehr deutlich: Society is a social system. Ohne Herrn Luhmann wären wir nie darauf gekommen.

Na ja. Könnte allerdings auch sein, dass Luhmann mit dem Wort System doch noch etwas mehr meint, das Wort System sonst bedeutet. So wie der Physiker mit Masse etwas anderes meint als Muttern beim Backen.
smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Die Teilsysteme der Gesellschaft werden im Hinblick auf ihre evolutiven, selbst-stabilisierenden, autopoietischen Strukturen hin beobachtet und geben selbst die Antwort darauf, was Gesellschaft ist, indem sie zeigen, wie sie mit der Komplexität und Paradoxierung der Gesellschaft umgehen. Diesen Beobachtungen hat sich Luhmann zugewendet.

Welche Antworten geben sie denn? Der Artikel nennt keine.

Ist vielleicht auch etwas zuviel verlangt. Aber das kennst Du doch von Darwin auch, dass in seinen Werken etwas mehr steht, als in den Artikeln über ihn - und da wirfst Du es auch nicht Darwin vor.
smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Es werden die funktionalen Prämissen, die symbiotischen Mechanismen, die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien, sowie die operative Geschlossenheit und Autopoiesis des Teilsystems und dessen Verhältnis und strukturelle Kopplung zur Umwelt untersucht.

Was hat die Untersuchung ergeben? Wissen wir jetzt mehr über symbiotische Mechanismen?



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Das Zitat ist ein schönes Beispiel für soziologisches Kauderwelsch.

Das denke ich auch.



fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
...Am Ende geht es in der Systemtheorie um einen statischen Ansatz, bei dem die wesentliche Eigenschaft dieser Systeme ihre Selbsterhaltung ist, bzw. das Streben danach. ....

Frage Ich kann Dir im Moment nicht folgen.
Die Funktion der Selbsterhaltung setzt doch Dynamik voraus, sowohl außerhalb, sonst wäre sie nicht nötig, wie innerhalb des Systems, sonst wäre sie nicht möglich. Auch jede Evolutionstheorie beschreibt nicht nur eine Dynamik, einen Prozess, sondern setzt auch Dynamik in den Teilnehmern dieses Prozesses voraus.

Selbsterhalt. Super. Wen kann ich verklagen, weil ich nicht ewig lebe? Motzen

Den selben, den der Jäger verklagt, nachdem er vorbeigeschossen hatte, obwohl er in einem Buch gelesen hatte, dass Jäger heutzutage ihre Beute mit dem Gewehr zur Strecke bringen.

Aber ich möchte doch noch einmal auf den Anfang dieser Diskussion hinweisen: Ich hatte ganz allgemeine Randbedingungen, die nichts mit Biologie zu tun haben, genannt, die immer zu einer Evolution führen, Randbedingungen, die auch bei menschlichen Kulturen gelten. Auf den Vorwurf, dass es sich um ein biologisches Konzept handelt, habe ich darum gebeten, mir zu zeigen, wo in diesem Konzept etwas Biologisches ist, oder wenigstens theoretisch aufzuzeigen, wie man bei diesen Voraussetzungen nicht zu einer Evolution kommt. Da kam aber keine Antwort.

Außerdem habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass noch ein anderer, einer aus den Menschenwissenschaften, auch diese Theorie aufgestellt hat, und zwar innerhalb seiner soziologischen Systemtheorie. Der Mann gilt zwar bei den Soziologen mit dieser, seiner Hauptarbeit, laut Wiki als einer der bedeutendsten Köpfe der Soziologie, aber um mir zu zeigen, was für einen Unsinn ich schreibe, versucht ihr gerade , als international anerkannte Fachleute für Soziologie, mir klar zu machen, dass das sowieso nichts taugt, was der geschrieben hat. Ich bin wirklich tief beeindruckt.
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smallie
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Beitrag(#2108313) Verfasst am: 26.09.2017, 22:44    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
(Schöner x-post. Jetzt bin ich gespannt, was du geschrieben hast.)


fwo hat folgendes geschrieben:
Es ist auch grundsätzlich so, dass die Abstraktion zur Theorie führt. Aber Du musst mehr als eine Stufe abstrahieren, um zur Systemtheorie zu kommen. Mir scheint gerade, Du meinst, dass jede Abstraktion bereits zur Systemtheorie führt.

Mir war gar nicht klar, daß du von der Systemtheorie sprichst, so wie in "eingetragenes Warenzeichen", ich dachte eher an eine Systemtheorie.

Stimmt. Ich habe gerade mal gezählt. In diesem Thread habe ich Luhmann erst 6 mal erwähnt. Das war zu selten.

Gelegentlich habe ich eine lange Leitung ... Verlegen

Ich red' mich so heraus, daß ich bei Systemtheorie zuerst an Kybernetik denke. Bitte nicht lachen, aber stand das nicht so alles schon bei Stanislaw Lem?


fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Ein kurzer Blick in die Luhman-Links läßt mich ratlos, was die Systemtheorie leisten soll. Welche Geschichte läßt sich damit erzählen, die man nicht schon zuvor erzählen konnte? Was läßt sich damit ausschließen oder vorhersagen?

Gegenfrage: Was lässt sich mit der Darwinschen Evolutionstheorie vorhersagen, mit der Du sehr zufrieden zu sein scheinst?

    - daß du in geologischen Schichten eines bestimmten Alters, wie dem Burgess-Shale, keine Dinosaurier findest, sondern nur Tiere des Kambriums.

Das ist die Standard-Antwort. So einfach möchte ich es mir nicht machen, deshalb:

    - daß Motten irgendwann nicht mehr so sehr ins Licht fliegen werden, weil sie in Städten reihenweise an den Lampen umkommen.
    - daß auch Außerirdische zwei Geschlechter kennen werden.
    - daß wir es mit der globalen Erwärmung übertrieben haben, wenn Eisbären ein braunes Fell entwickeln.




fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann ist eine soziologische Theorie, durch die Gesellschaft als ein „umfassendes soziales System, das alle anderen sozialen Systeme in sich einschließt“[1] beschrieben und erklärt wird. ... Die Entwicklung der soziologischen Systemtheorie als Hauptwerk Luhmanns ... besteht ... in der Erklärung der Gesellschaft als umfassendes soziales System


(Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997).

Das soll eine Erklärung sein? Gesellschaft ist bereits ein soziales System. Auf English wird das sehr deutlich: Society is a social system. Ohne Herrn Luhmann wären wir nie darauf gekommen.

Na ja. Könnte allerdings auch sein, dass Luhmann mit dem Wort System doch noch etwas mehr meint, das Wort System sonst bedeutet. So wie der Physiker mit Masse etwas anderes meint als Muttern beim Backen.

Könnte sein.

Da ist einiges denkbar. Das hier gehört unbedingt dazu:

smallie hat folgendes geschrieben:


Siehe: John Maynard Smith and Eörs Szathmáry - The major evolutionary transitions


Falls Luhmann das in ähnlicher Klarheit gesehen hat, ziehe ich meine Kritik zurück.



fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Die Teilsysteme der Gesellschaft werden im Hinblick auf ihre evolutiven, selbst-stabilisierenden, autopoietischen Strukturen hin beobachtet und geben selbst die Antwort darauf, was Gesellschaft ist, indem sie zeigen, wie sie mit der Komplexität und Paradoxierung der Gesellschaft umgehen. Diesen Beobachtungen hat sich Luhmann zugewendet.

Welche Antworten geben sie denn? Der Artikel nennt keine.

Ist vielleicht auch etwas zuviel verlangt. Aber das kennst Du doch von Darwin auch, dass in seinen Werken etwas mehr steht, als in den Artikeln über ihn - und da wirfst Du es auch nicht Darwin vor.

Natürlich kenne ich das.

Ich wäre ja schon zufrieden, wenn es etwas gäbe wie das Luhmannsche Prinzip, oder Luhmanns Regel, oder am Besten Luhmanns Gesetz. Da sehe ich aber weit und breit nichts.




fwo hat folgendes geschrieben:
Aber ich möchte doch noch einmal auf den Anfang dieser Diskussion hinweisen: Ich hatte ganz allgemeine Randbedingungen, die nichts mit Biologie zu tun haben, genannt, die immer zu einer Evolution führen, Randbedingungen, die auch bei menschlichen Kulturen gelten. Auf den Vorwurf, dass es sich um ein biologisches Konzept handelt, habe ich darum gebeten, mir zu zeigen, wo in diesem Konzept etwas Biologisches ist, oder wenigstens theoretisch aufzuzeigen, wie man bei diesen Voraussetzungen nicht zu einer Evolution kommt. Da kam aber keine Antwort.

Bei dem Punkt sind wir uns zu 100% einig.



fwo hat folgendes geschrieben:
Außerdem habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass noch ein anderer, einer aus den Menschenwissenschaften, auch diese Theorie aufgestellt hat, und zwar innerhalb seiner soziologischen Systemtheorie. Der Mann gilt zwar bei den Soziologen mit dieser, seiner Hauptarbeit, laut Wiki als einer der bedeutendsten Köpfe der Soziologie, aber um mir zu zeigen, was für einen Unsinn ich schreibe, versucht ihr gerade , als international anerkannte Fachleute für Soziologie, mir klar zu machen, dass das sowieso nichts taugt, was der geschrieben hat. Ich bin wirklich tief beeindruckt.

Es kommt vor, daß ich mich solchen Urteilen über die bedeutendsten Köpfe nicht anschließen mag. Ernst Mayr wird auch über den Klee gelobt, aber die allopatrische Artentstehung findet sich bereits bei Darwin, sogar schon in der Reise der Beagle. Nur hat Darwin das nicht in einen hochtrabend klingenden Begriff verpackt.

Hochtrabend klingende Begriffe. Das ist der Grund für mein Mißtrauen gegenüber Luhmann & Co. Ein Begriff wie Autopoiesis - ist das nicht ein rein beschreibender, definitorischer Begriff? (Keine rhetorische Frage, in der Ecke bin völlig blank.) Das ist wie pubertas tarda. Kommt einer zum Arzt und sagt er sei 17 aber noch nicht geschlechtsreif. Sagt der Arzt, das liegt an pubertas tarda. Sagt der Patient: "Ach so. Jetzt kenne ich den Grund." Unter Vorbehalt, soweit ich mich noch erinnern kann, findet sich die Idee der Autopoiesis bereits in Erwin Schrödingers Was ist Leben? Nur ist Schrödinger einen Schritt weiter gegangen, und hat die Existenz von Erbmaterial postuliert.

Es ist nicht so, daß ich für falsch halte, was Luhmann sagt, ganz im Gegenteil. Es kommt mir vor wie die These von Max Tegmark: der behauptet, die Wirklichkeit sei eine mathematische Struktur. Davon bin ich felsenfest überzeugt - nur ist das keine sinnvolle Aussage, weil sie nichts darüber aussagt, wie die Wirklichkeit denn nun genau strukturiert ist.
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Beitrag(#2109166) Verfasst am: 06.10.2017, 14:08    Titel: Antworten mit Zitat

Die nächste Anti-Cat-Calling Aktion.

http://www.spiegel.de/panorama/instagram-projekt-studentin-macht-selfies-mit-maennern-die-sie-belaestigen-a-1171573.html
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Beitrag(#2112142) Verfasst am: 26.10.2017, 17:09    Titel: Antworten mit Zitat

"Und dann sind sie auch so schön"

http://www.fr.de/politik/gender/feminismus/sawsan-chebli-dann-sind-sie-auch-so-schoen-a-1370077

Zitat:
............Und dann sind sie auch so schön"


Für mich ist das in erster Linie nur dumm-dämlich.

böser Sexismus lautet anders,z.B. so:
Zitat:
"Mr. Churchill, Sie sind ja betrunken!"
Churchill: "Und Sie sind häßlich. Aber morgen bin ich wieder nüchtern!"

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Tarvoc
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Beitrag(#2112234) Verfasst am: 27.10.2017, 09:39    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Nein, die Grenzen zwischen Alltagssexismus und einem Kompliment sind nicht fließend. Sie sind sogar ziemlich klar umrissen – sobald man nämlich den Fokus auf die Rezipientin legt: Über ein Kompliment wird sich jede Frau freuen.

Sobald sie eine Bemerkung jedoch als unangenehm, unangebracht oder schmierig empfindet, ist es kein Kompliment, sondern fällt unter die Kategorie Alltagssexismus und Chauvinismus. Kompliziert? Nein. Ist es nicht.


Das Problem besteht aber doch darin, dass der Sender nicht in jedem Fall zwingend mit Sicherheit im Voraus wissen kann, wie die Bemerkung empfunden wird. Selbstverständlich kann man Leuten zumuten, sich im Voraus darüber Gedanken zu machen, wie sie auf andere wirken, aber daraus entsteht ja keine Garantie, damit auch in jedem Fall richtig zu liegen. Das aber würde bedeuten, dass man auch ohne böse Absicht sexistisch sein kann. Genau das lassen aber die meisten feministischen Theorien (zumindest effektiv) nicht zu. Wie verhindert man, dass dieser Widerspruch zu kognitiver Dissonanz führt? Antwort: Indem man ganz grundsätzlich die Perspektiven beider Seiten (Sender und Empfänger) anerkennt und sich dann gegebenenfalls um Vermittlung bemüht.

Bei dem Spruch von Kiderlen ist der Fall natürlich klar. Ja, das war Sexismus, und das hätte man auch unabhängig von der Reaktion vorher wissen können. Es wäre übrigens auch dann sexistisch, wenn Chebli anders reagiert hätte - was ein weiteres Problem des exklusiven Fokus auf den Empfänger aufzeigt.
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Beitrag(#2112244) Verfasst am: 27.10.2017, 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Das Problem besteht aber doch darin, dass der Sender nicht in jedem Fall zwingend mit Sicherheit im Voraus wissen kann, wie die Bemerkung empfunden wird. Selbstverständlich kann man Leuten zumuten, sich im Voraus darüber Gedanken zu machen, wie sie auf andere wirken, aber daraus entsteht ja keine Garantie, damit auch in jedem Fall richtig zu liegen. Das aber würde bedeuten, dass man auch ohne böse Absicht sexistisch sein kann. Genau das lassen aber die meisten feministischen Theorien (zumindest effektiv) nicht zu. Wie verhindert man, dass dieser Widerspruch zu kognitiver Dissonanz führt? Antwort: Indem man ganz grundsätzlich die Perspektiven beider Seiten (Sender und Empfänger) anerkennt und sich dann gegebenenfalls um Vermittlung bemüht.

Bei dem Spruch von Kiderlen ist der Fall natürlich klar. Ja, das war Sexismus, und das hätte man auch unabhängig von der Reaktion vorher wissen können. Es wäre übrigens auch dann sexistisch, wenn Chebli anders reagiert hätte - was ein weiteres Problem des exklusiven Fokus auf den Empfänger aufzeigt.

Wenn der Sender nicht in der Lage ist, abzuschätzen, ob sein Reden sexistisch ist oder nicht, sollte er einfach das Thema wechseln oder die Klappe halten.

Wenn jemand seine Bewegungen nicht soweit kontrollieren kann, dass ein Händedruck zur Begrüßung immer ein Händedruck wird und keine Ohrfeige - was sollte der wohl machen?

Es gibt aber auch Menschen, die den Händedruck besser beherrschen. Sie schlagen nicht, stattdessen kraulen sie gelegentlich die Handinnenfläche ihres Gegenübers. Das tut wenigstens nicht weh.
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Beitrag(#2112246) Verfasst am: 27.10.2017, 11:18    Titel: Antworten mit Zitat

jdf hat folgendes geschrieben:
Wenn der Sender nicht in der Lage ist, abzuschätzen, ob sein Reden sexistisch ist oder nicht, sollte er einfach das Thema wechseln oder die Klappe halten.

Dieses Konzept würde in der Tat wunderbar funktionieren, wenn man Sexismus an allgemeinen und objektiven Kriterien festgemacht hätte, die sich subjektunabhängig im Vorhinein mit Gewissheit festmachen lassen. Hier wurde er jedoch an der subjektiven Einschätzung des Empfängers festgemacht, und diese ist per definitionem partikular (nicht allgemein) und nachträglich. Sie lässt sich womöglich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen, die um so größer ist, je besser die beiden Personen einander kennen - aber eben nicht mit Sicherheit. Das heißt, Fehleinschätzungen sind hier grundsätzlich immer möglich. Die kognitive Dissonanz kommt gerade dadurch zustande, dass vom Sender ein absolutes Vorwissen gefordert wird, das ganz grundsätzlich nicht zu leisten ist. Das ist ein grundsätzliches epistemologisches Problem an diesem Ansatz, das sich durch Moralisierung nicht beseitigen, sondern nur verschärfen lässt.
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Beitrag(#2112264) Verfasst am: 27.10.2017, 12:26    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
jdf hat folgendes geschrieben:
Wenn der Sender nicht in der Lage ist, abzuschätzen, ob sein Reden sexistisch ist oder nicht, sollte er einfach das Thema wechseln oder die Klappe halten.

Dieses Konzept würde in der Tat wunderbar funktionieren, wenn man Sexismus an allgemeinen und objektiven Kriterien festgemacht hätte, die sich subjektunabhängig im Vorhinein mit Gewissheit festmachen lassen. Hier wurde er jedoch an der subjektiven Einschätzung des Empfängers festgemacht, und diese ist per definitionem partikular (nicht allgemein) und nachträglich. Sie lässt sich womöglich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen, die um so größer ist, je besser die beiden Personen einander kennen - aber eben nicht mit Sicherheit. Das heißt, Fehleinschätzungen sind hier grundsätzlich immer möglich.

Das, was du hier schreibst, kann man genauso auch auf die Art einer Begrüßung anwenden. Wann sollte es ein normaler Händedruck sein, wann ein exotischer, wann ein High Five, wann die Bro Fist? Wann siezt man, wann duzt man? Welche Sprache wählt man? Benutzt man die gleiche Sprache bei der Bewerbung wie in der Kneipe? Gibt es Situationen, in denen Kneipensprache bei einer Bewerbung angemessen ist? Gibt es Personen bei denen die Kneipensprache angemessener ist?

Bevor wir jemanden begrüßen, den wir nicht kennen, versuchen wir eine angemessene Begrüßung (auf Person und Situation) zu finden, um sie dann anzuwenden. Manche Menschen haben damit mehr Schwierigkeiten als andere. Denen wird dieses Unvermögen oft angelastet. Sie gelten mitunter als unbeholfen, sozial inkompetent u. ä. Es werden Kurse angeboten, in denen sie lernen können, in zB Begrüßungssituationen besser zu urteilen und zu handeln. Diese Menschen gelten oft auch als schwach und hilfsbedürftig.

Komischerweise gelten diese Zuschreibungen für Sexisten regelmäßig nicht. Sie gelten selten als unbeholfen, schwach oder sozial inkompetent. Sie sind, wie sie sind, haben sich gelegentlich nicht im Griff, schießen übers Ziel hinaus, sind doch im Grunde wirklich nette Kerle etc.

Diese ewigen Entschuldigungsmechanismen bei diesem Thema gehen mir echt auf den Sack. Wenn sie nicht sexistisch sein wollen, sollten sie das auch hinkriegen. Zur Not können sie sicherlich auch Kurse besuchen: "Wie überwinde ich meinen Sexismus im Alltag?" Machen sie nicht? Wollen sie nicht? Na sowas!

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die kognitive Dissonanz kommt gerade dadurch zustande, dass vom Sender ein absolutes Vorwissen gefordert wird, das ganz grundsätzlich nicht zu leisten ist. Das ist ein grundsätzliches epistemologisches Problem an diesem Ansatz, das sich durch Moralisierung nicht beseitigen, sondern nur verschärfen lässt.

Du meinst das absolute Vorwissen: "Wie rede ich nicht sexistisch?" - Also bitte. - Ich lasse es einfach. Ich halte einfach mal die Klappe. Ich benutze für ein weibliches Gegenüber dieselbe Sprache, wie für ein männliches Gegenüber. Sagst du einem Mann: "Und dann sind Sie auch noch so schön."? Sie haben so eine schöne braune Haut. Ist doch praktisch, wenn man seltener Sonnenbrand bekommt. Wenigstens hat Chelsea Manning das schönere Geschlecht gewählt.

Wenn der Sender nicht in der Lage ist, abzuschätzen, ob sein Reden sexistisch ist oder nicht, ist das SEIN Problem. Wenn der Sender nicht in der Lage ist, eine nicht sexistische Rede (in jeder Situation, die das erfordert) zu finden, ist das SEIN Problem. Er ist hier Täter, nicht Opfer. Und wenn der Sender nicht in der Lage ist, seinen sexistischen Faux Pas (Warum soll das nicht mal jedem passieren dürfen?) sofort zu erkennen und sich dafür in angemessener Weise zu entschuldigen, ist das SEIN Problem. Ggf ist er aber einfach nur ein Arschloch.
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Beitrag(#2112278) Verfasst am: 27.10.2017, 14:03    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
.... Sie lässt sich womöglich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen, die um so größer ist, je besser die beiden Personen einander kennen - aber eben nicht mit Sicherheit. ...

Ja dann lässt man das halt, bis man sich besser kennt? Wo ist das Problem. Schulterzucken

Ein Mann über 75 hält eine Rede auf einer Veranstaltung.
Kommentare: Überraschend, sie sind noch so geistreich! Und kaum Gedächtnislücken! Können auch mit der Technik umgehen, wer hätte das gedacht. Und anscheinend noch nicht inkontinent!

"Nein, die Grenzen zwischen Alltags-Ageism und einem Kompliment sind nicht fließend. Sie sind sogar ziemlich klar umrissen."

[tarvoc]Das Problem besteht aber doch darin, dass der Sender nicht in jedem Fall zwingend mit Sicherheit im Voraus wissen kann, wie die Bemerkung empfunden wird. Selbstverständlich kann man Leuten zumuten, sich im Voraus darüber Gedanken zu machen, wie sie auf andere wirken, aber daraus entsteht ja keine Garantie, damit auch in jedem Fall richtig zu liegen. Das aber würde bedeuten, dass man auch ohne böse Absicht vorurteilshaft gegenüber Älteren sein kann. ...[/tarvoc]
Ooooch. Ja is aber auch schwierig. Traurig
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Beitrag(#2112281) Verfasst am: 27.10.2017, 14:17    Titel: Antworten mit Zitat

http://www.zeit.de/kultur/2017-10/diskriminierung-sexismus-debatte-frauen-alltag-metoo-definition
Zitat:
Die Autorin Melanie Reinsch schrieb kürzlich in der Berliner Zeitung, sobald eine Bemerkung von der Person, an die sie sich richtet, "als unangenehm, unangebracht oder schmierig" empfunden werde, sei das Alltagssexismus. Das ist eine sehr vage Definition. Woher soll jemand wissen, was ein anderer empfindet? Und müssten wir uns damit alle einem Diktat der Befindlichkeiten unterordnen? Eigentlich würde das bedeuten: Wenn ich es nicht als unangenehm empfinde, wenn mein Chef mich Süße nennt, dann ist es okay. Ist es aber wahrscheinlich nicht, weil es ihn ermutigen könnte, andere Frauen so zu nennen, die das nicht okay finden. Also entscheiden wieder andere, was sexistisch ist, nicht ich.

Wer diese anderen sind und wie sie diese Definitionsmacht erlangt haben, ist nicht ganz klar. Wer sie nicht sein sollten, hingegen schon: alte, weiße, heterosexuelle Männer. Zumindest scheint das die Meinung vieler Frauen zu sein, die sich anlässlich der aktuellen Debatte dazu äußern. Dabei ist ihre Kritik selbst sexistisch, weil sie einer ganzen Bevölkerungsgruppe aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft die Berechtigung nehmen will, über ein Thema zu sprechen. Dieser Logik zu folgen, würde auch bedeuten, dass sich nur direkt Betroffene zu der Frage äußern dürfen, was Rassismus ist und was nicht. Wer also darf sagen, was Sexismus ist und was nicht?
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Beitrag(#2112283) Verfasst am: 27.10.2017, 14:38    Titel: Antworten mit Zitat

Merkwürdige Sachen stehen da in diesem Zitat.
Ob eine Chefin den Angestellten „Süßer“ nennt, oder ein Chef die Angestellte „Süße“ ist mE gleich zu beurteilen.
Und wer das als unangenehm, unangebracht oder schmierig beurteilt, hat dann wohl die „Definitionsmacht“. Ok gerne, da das jeder berechtigt so sehen kann, hat diese „Macht“ also jeder. Schulterzucken
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Beiträge: 46485

Beitrag(#2112286) Verfasst am: 27.10.2017, 14:54    Titel: Antworten mit Zitat

Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
http://www.zeit.de/kultur/2017-10/diskriminierung-sexismus-debatte-frauen-alltag-metoo-definition
....

Ich kenne niemanden, der darüber redet, ob es sexistisch ist, die Türe aufzuhalten, außer den Menschen die behaupten, ganz harmloses würde unberechtigt als Sexismus bezeichnet werden.
Ich zum Beispiel halte die Türe immer auf, wenn jemand gleich hinter mir geht. Es hat sich noch niemand darüber beschwert, und ich kenne auch niemand der behauptet, die Türe einer Frau aufzuhalten, wäre sexistisch. Ich schau gar nicht, ist derjenige alt, jung, welches Geschlecht, Haarfarbe, ... ich schaue eher, hat derjenige ne Hand frei, dann halte ich sie nur bis der/diejenige sie selber halten kann. Hat er beide Hände voll, und ich nicht, halte ich sie bis der/diejenige durch ist.
Weiß schon wieder nicht, wo das Problem ist.
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Beitrag(#2112294) Verfasst am: 27.10.2017, 16:31    Titel: Antworten mit Zitat

astarte hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
http://www.zeit.de/kultur/2017-10/diskriminierung-sexismus-debatte-frauen-alltag-metoo-definition
....

Ich kenne niemanden, der darüber redet, ob es sexistisch ist, die Türe aufzuhalten, außer den Menschen die behaupten, ganz harmloses würde unberechtigt als Sexismus bezeichnet werden. .


Beim Türenaufhalten fällt mir eine Beobachtung aus den 1990ern ein, als die Kinder noch im Kinderwagen saßen und ivh alleine mit ihnen unterwegs war: es waren bis auf ein paar wenige Ausnahmen Männer, die mir als Mann die Tür aufgehalten haben. Das war absolut kein Thema, man musste nicht einmal fragen.
Türaufhalten hat aus meiner Sicht nichts mit Sexismus zu tun, sondern damit, dass Mädchen anders erzogen werden, als Jungen.
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Ausser Hypochondrie habe ich alle Krankheiten.

Ich fordere: JEDEM VOLLPFOSTEN SEIN EIGENES "Mimi-Mimi!"
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astarte
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Beitrag(#2112298) Verfasst am: 27.10.2017, 16:43    Titel: Antworten mit Zitat

sünnerklaas hat folgendes geschrieben:
Beim Türenaufhalten fällt mir eine Beobachtung aus den 1990ern ein, als die Kinder noch im Kinderwagen saßen und ivh alleine mit ihnen unterwegs war: es waren bis auf ein paar wenige Ausnahmen Männer, die mir als Mann die Tür aufgehalten haben. Das war absolut kein Thema, man musste nicht einmal fragen.
Türaufhalten hat aus meiner Sicht nichts mit Sexismus zu tun, sondern damit, dass Mädchen anders erzogen werden, als Jungen.

Wurden, würde ich sagen. Auch da ist mir nicht bekannt, dass bezüglich Tür aufhalten noch Unterschiede anerzogen werden.
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