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Der etwas andere Blick auf die Affaire Harvey Weinstein.
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#2118175) Verfasst am: 15.12.2017, 19:58    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
"Unsichtbar" im Sinne von: Du tust damit so, als sei das ein vom Inhalt unabhängiges verallgemeinerbares Argumentationsmuster und nicht eine konkrete Reaktion tillichs auf einen ganz bestimmten Inhalt.


Aha. So macht man also Sachen unsichtbar. Nein


Ja, in der Tat. Was du damit unsichtbar machst, ist schlicht die Tatsache, dass es sich bei dem von Tillich als Fehlschluss Identifizierten tatsächlich um einen Fehlschluss handelte. Die bloße Bezeichnung eines Arguments als Fehlschluss reicht natürlich noch nicht aus, um es aus dem Diskurs zu verbannen. Die korrekte Identifikation als Fehlschluss reicht dafür hingegen jedoch sehr wohl aus.
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Skeptiker
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Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2118176) Verfasst am: 15.12.2017, 20:14    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
"Über X soll man nicht reden, weil Y schlimmer ist."


fwo hat folgendes geschrieben:
...
Zitat:
Vergewaltigung – das ist das Titelthema der aktuellen Ausgabe des Zeitschrift „Deutsche Polizei“, herausgegeben von der Gewerkschaft der Polizei GdP. Die zentrale und alarmierende Aussage der Autorinnen in dem Artikel: Vergewaltigungsopfer haben in Deutschland keine Lobby, werden alleine gelassen. (...)

Feministinnen wie die Aufschrei-Initiatorin Anne Wizorek oder Berlins Staatssekretärin Sawsan Chebli, die bei einem Auftritt als „jung und schön“ bezeichnet wurde und sich danach öffentlich darüber beklagte, als Sexismus-Opfer „unter Schock zu stehen“, beanspruchen für sich, diesem furchtbaren Ist-Zustand im Sinne der Opfer entgegenzutreten.

„Es ist kein sexueller Übergriff, wenn ein einzelner Mann einer einzelnen Frau ein einfaches Kompliment macht. Es ist kein Akt eines übergriffigen Sexismus, wenn ein Mann einer Politikerin das Kompliment macht, sie sei hübsch – auch wenn sie danach noch so aufgebracht darüber twittern mag“, so die Autorinnen. „In solchen Situationen ist jede Frau handlungsfähig.
– Quelle: https://www.berliner-kurier.de/29271846 ©2017


Der Vorwurf in dem zitierten Artikel lautet ganz anders, als du ihn wieder mal "verstanden" hast. Er lautet nämlich:

"Man kann nicht vorrangig über Komplimente ("das X") reden und über Vergewaltigungen ("das Y") nur nachrangig. (Denn von der Schwere und von der Eindeutigkeit ist "Y" vorrangig und nicht "X".)"

Das heisst, hier ist eine Reihenfolge umgedreht, hier werden nicht nur Prioritäten künstlich vertauscht, sondern offensichtlich auch Kategorien als solche.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2118178) Verfasst am: 15.12.2017, 20:24    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die korrekte Identifikation als Fehlschluss reicht dafür hingegen jedoch sehr wohl aus.


Das löst aber das Problem nicht, wenn Uneinigkeit darüber herrscht, ob die Identifikation des Fehlschlusses wirklich korrekt ist bzw. ob überhaupt ein Fehlschluss vorliegt. Das Problem wird nur verschoben, aber nicht gelöst.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#2118182) Verfasst am: 15.12.2017, 20:39    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die korrekte Identifikation als Fehlschluss reicht dafür hingegen jedoch sehr wohl aus.


Das löst aber das Problem nicht, wenn Uneinigkeit darüber herrscht, ob die Identifikation des Fehlschlusses wirklich korrekt ist bzw. ob überhaupt ein Fehlschluss vorliegt. Das Problem wird nur verschoben, aber nicht gelöst.


Nur zur Sicherheit, damit ich nicht an deinem Punkt vorbei rede: Worin genau liegt hier die Uneinigkeit? Darin, ob das wirklich ein Whataboutism ist, oder darin, ob ein Whataboutism überhaupt ein Fehlschluss ist?
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2118187) Verfasst am: 15.12.2017, 20:58    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die korrekte Identifikation als Fehlschluss reicht dafür hingegen jedoch sehr wohl aus.


Das löst aber das Problem nicht, wenn Uneinigkeit darüber herrscht, ob die Identifikation des Fehlschlusses wirklich korrekt ist bzw. ob überhaupt ein Fehlschluss vorliegt. Das Problem wird nur verschoben, aber nicht gelöst.


Nur zur Sicherheit, damit ich nicht an deinem Punkt vorbei rede: Worin genau liegt hier die Uneinigkeit? Darin, ob das wirklich ein Whataboutism ist, oder darin, ob ein Whataboutism überhaupt ein Fehlschluss ist?


Ich möchte es mal so formulieren: Wenn man Whataboutism als generellen Fehlschluss deklariert, wird man den Situationen nicht gerecht, in denen es wirklich ein dringenderes Problem gibt, als das, was gerade auf der Tagesordnung steht.

Ich bezweifele auch, dass es wirklich immer Ausdruck einer redlichen Gesprächsführung ist, dem Gesprächspartner Whataboutism vorzuwerfen bzw. die Diskussion mit dem Hinweis auf Whataboutism abzuwürgen. Denn was da letztendlich kommuniziert wird, ist "Ich habe bemerkt, dass Du andere Prioritäten setzt als ich, aber ich finde mein Thema wichtiger und da ich als erster gesprochen habe, bestimme ich, worüber geredet wird."

Manchmal ist der Vorwurf des Whataboutism selber ein Whataboutism, weil damit vom Thema der Diskussion auf die Metaebene ausgewichen wird.
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Skeptiker
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Anmeldungsdatum: 14.01.2005
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Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2118194) Verfasst am: 15.12.2017, 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die korrekte Identifikation als Fehlschluss reicht dafür hingegen jedoch sehr wohl aus.


Das löst aber das Problem nicht, wenn Uneinigkeit darüber herrscht, ob die Identifikation des Fehlschlusses wirklich korrekt ist bzw. ob überhaupt ein Fehlschluss vorliegt. Das Problem wird nur verschoben, aber nicht gelöst.


Nur zur Sicherheit, damit ich nicht an deinem Punkt vorbei rede: Worin genau liegt hier die Uneinigkeit? Darin, ob das wirklich ein Whataboutism ist, oder darin, ob ein Whataboutism überhaupt ein Fehlschluss ist?


Ich möchte es mal so formulieren: Wenn man Whataboutism als generellen Fehlschluss deklariert, wird man den Situationen nicht gerecht, in denen es wirklich ein dringenderes Problem gibt, als das, was gerade auf der Tagesordnung steht.

Ich bezweifele auch, dass es wirklich immer Ausdruck einer redlichen Gesprächsführung ist, dem Gesprächspartner Whataboutism vorzuwerfen bzw. die Diskussion mit dem Hinweis auf Whataboutism abzuwürgen. Denn was da letztendlich kommuniziert wird, ist "Ich habe bemerkt, dass Du andere Prioritäten setzt als ich, aber ich finde mein Thema wichtiger und da ich als erster gesprochen habe, bestimme ich, worüber geredet wird."

Manchmal ist der Vorwurf des Whataboutism selber ein Whataboutism, weil damit vom Thema der Diskussion auf die Metaebene ausgewichen wird.


tillich neigt gerne mal zu einem "Ende der Debatte!"

Da kommt dann schon mal ein Schlagwort wie "whataboutism" ganz Recht, ein andermal etwas anderes.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#2118195) Verfasst am: 15.12.2017, 22:48    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Ich bezweifele auch, dass es wirklich immer Ausdruck einer redlichen Gesprächsführung ist, dem Gesprächspartner Whataboutism vorzuwerfen bzw. die Diskussion mit dem Hinweis auf Whataboutism abzuwürgen.


Deprimiert Der Whataboutism dient selbst bereits dem Zweck des Abwürgens einer Diskussion. Der Fehlschluss ist ja nicht "Dieses Thema ist auch wichtig, also muss man beide diskutieren", sondern "Dieser Fall ist schlimmer als jener, also muss man diesen diskutieren statt jenem" - was genau das war, was hier betrieben wurde. Selbst wenn jener Fall tatsächlich nicht diskutierenswert sein sollte, kann man das einfach nicht damit begründen, dass dieser es ist. Und ich sehe immer noch nicht, warum man die Verwendung eines Fehlschlusses zum Zweck des Abwürgens einer Diskussion nicht selbst wiederum abwürgen sollte. Immerhin wird damit zur Diskussion beider Themen nicht wirklich etwas beigetragen.
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Domingo
ungläubig



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#2118196) Verfasst am: 15.12.2017, 22:57    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Domingo, du argumentierst gerade für genau den Punkt, den ich und tillich zu machen versuchen.


Eigentlich argumentiere ich dafuer, dass Tillich den Artikel falsch wiedergibt, und damit einen Strohmann aufbaut (ich verweise auf Skeptiekrs Beitrag von 20:14 Uhr). Womoeglich haben wir da aneinander vorbeigeredet. "Whataboutismus" (falls ich richtig verstehe, was das ist) ist ein Fehlschluss, aber der fraglihce Artikel bedient sich deises Fehlschlusses nicht.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2118199) Verfasst am: 15.12.2017, 23:14    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Der Whataboutism dient selbst bereits dem Zweck des Abwürgens einer Diskussion.


Der Whataboutism dient gar keinem Zweck, da niemand einen Whataboutism mit dem Ziel konstruiert, einen Whataboutism zu konstruieren. Whataboutism ist das, was andere einem vorwerfen, wenn man die Diskussion in eine andere Richtung lenkt. Ausserdem ist es ziemlich merkwürdig, einem Zeitungsartikel oder ähnlichen Texten Whataboutism vorzuwerfen. Das würde ja bedeuten, man hätte einen Anspruch darauf zu bestimmen, worüber andere Menschen schreiben.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#2118203) Verfasst am: 16.12.2017, 00:20    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Whataboutism ist das, was andere einem vorwerfen, wenn man die Diskussion in eine andere Richtung lenkt.

Mit den Augen rollen Nein, das heißt das nicht. Sag doch einfach bescheid, dass du keinen blassen Schimmer hast, was das Wort bedeutet.

https://de.wikipedia.org/wiki/Whataboutism
https://en.wikipedia.org/wiki/Whataboutism

Auch bekannt als "fallacy of relative privation", eine der sogenannten "Red Herring Fallacies".

https://en.wikipedia.org/wiki/Fallacy_of_relative_privation
https://www.logicallyfallacious.com/tools/lp/Bo/LogicalFallacies/155/Relative-Privation
https://rationalwiki.org/wiki/Not_as_bad_as
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 21760

Beitrag(#2118204) Verfasst am: 16.12.2017, 00:28    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Ich bezweifele auch, dass es wirklich immer Ausdruck einer redlichen Gesprächsführung ist, dem Gesprächspartner Whataboutism vorzuwerfen bzw. die Diskussion mit dem Hinweis auf Whataboutism abzuwürgen. Denn was da letztendlich kommuniziert wird, ist "Ich habe bemerkt, dass Du andere Prioritäten setzt als ich, aber ich finde mein Thema wichtiger und da ich als erster gesprochen habe, bestimme ich, worüber geredet wird."

Wenn es nur um das Setzen anderer Prioritäten ginge, wäre das ja überhaupt kein Problem. Das kann man stillschweigend machen, indem man eben etwas zum anderen Problem Y schreibt, das man wichtiger findet; man kann es auch explizit machen, indem man etwas schreibt wie "Dieses Problem Y halte ich für wichtiger als das im Moment breit diskutierte Problem X".

Dieser Artikel geht aber deutlich darüber hinaus. Das sieht man schon in der Überschrift: "Kritik an Sexismus Debatte" - nicht etwas anderes sei wichtiger, sondern diese Debatte sei falsch; "Aufschrei gegen den Aufschrei" - nicht etwa gegen körperliche sexuelle Gewalt/ Vergewaltigung, sondern gegen die andere Debatte. Im Text gibt es dann weiter Aussagen wie die, die ganze Debatte wäre eine Verhöhnung der Opfer schwerwiegenderer Verbrechen.

Das alles ist eben nicht nur ein Appell, sich einem anderen, nach Meinung der Verfasserinnen schwerwiegenderen Problem zuzuwenden, sondern - genau wie tarvoc schon gesagt hat - ein Versuch, die Debatte über das eine Problem abzuwürgen - (angeblich) zugunsten des anderen. Die Zusammenfassung mit "Über X soll man nicht reden, weil Y schlimmer ist" und Wertung als Whataboutism und damit ungültiges Argument halte ich weiter für korrekt.

Dazu kommen dann aber noch andere Aussagen, bei denen dann doch wieder Wertungen über das angeblich unwichtigere Problem hineinkommen. So kommen dann Behauptungen in den Text wie "Dies und das ist gar kein Sexismus", die eigentlich in die Debatte über das angeblich unwichtigere Problem gehören - man bezieht also sehr wohl Stellung in dieser Debatte; nur dass man sich die Argumente für die Behauptung und die Widerlegung der Argumente der anderen Seite spart, "weil" man genau diese Debatte gleichzeitig für falsch erklärt (was ja an sich ein widersprüchliches Vorgehen ist).

Es sind eben die Autorinnen dieses Artikels, die unterschiedliche Schwerpunktsetzungen nicht akzeptieren, und nicht ich. Ich wehre mich nur gegen das Abwürgen der einen Debatte, habe aber überhaupt kein Problem damit, wenn andere eine andere Debatte führen wollen.
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"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)


Zuletzt bearbeitet von tillich (epigonal) am 16.12.2017, 00:32, insgesamt einmal bearbeitet
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#2118205) Verfasst am: 16.12.2017, 00:31    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Ich wehre mich nur gegen das Abwürgen der einen Debatte, habe aber überhaupt kein Problem damit, wenn andere eine andere Debatte führen wollen.


Genau. Je nachdem, worum genau es bei dieser anderen Debatte (also hier z.B. zum Thema von Flüchtlingen begangener sexueller Gewalttaten) gehen soll und wie sie geführt wird, würde ich mich sogar selbst an ihr beteiligen.
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25829
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2118211) Verfasst am: 16.12.2017, 04:34    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
....
Das alles ist eben nicht nur ein Appell, sich einem anderen, nach Meinung der Verfasserinnen schwerwiegenderen Problem zuzuwenden, sondern - genau wie tarvoc schon gesagt hat - ein Versuch, die Debatte über das eine Problem abzuwürgen - (angeblich) zugunsten des anderen. Die Zusammenfassung mit "Über X soll man nicht reden, weil Y schlimmer ist" und Wertung als Whataboutism und damit ungültiges Argument halte ich weiter für korrekt.
...

Dieses (angeblich) sagt für mich alles. Die beiden Autorinnen, die da zur Sprache kommen, sind eine Notärztin und eine Kriminologin, die beide täglich mit Vergewaltigungsopfern zu tun haben, und deren Grund, sich in dieser Debatte zu melden, genau darin bestand, diese Opfer in keiner Debatte zu finden. Denen mit desem (angeblich) einen anderen Grund zu unterstellen, halte ich für ziemlich niederträchtig.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#2118213) Verfasst am: 16.12.2017, 09:47    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
....
Das alles ist eben nicht nur ein Appell, sich einem anderen, nach Meinung der Verfasserinnen schwerwiegenderen Problem zuzuwenden, sondern - genau wie tarvoc schon gesagt hat - ein Versuch, die Debatte über das eine Problem abzuwürgen - (angeblich) zugunsten des anderen. Die Zusammenfassung mit "Über X soll man nicht reden, weil Y schlimmer ist" und Wertung als Whataboutism und damit ungültiges Argument halte ich weiter für korrekt.
...

Dieses (angeblich) sagt für mich alles. Die beiden Autorinnen, die da zur Sprache kommen, sind eine Notärztin und eine Kriminologin, die beide täglich mit Vergewaltigungsopfern zu tun haben, und deren Grund, sich in dieser Debatte zu melden, genau darin bestand, diese Opfer in keiner Debatte zu finden. Denen mit desem (angeblich) einen anderen Grund zu unterstellen, halte ich für ziemlich niederträchtig.


Genau diese Art von Unehrlichkeit hat man halt in den letzten zwei bis drei Jahren einmal zu oft gesehen.

Dass es in diesem spezifischen Fall tatsächlich aufrichtig gemeint war, glaube ich allerdings inzwischen auch.
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Lebensnebel
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Anmeldungsdatum: 06.02.2016
Beiträge: 2845

Beitrag(#2118216) Verfasst am: 16.12.2017, 10:52    Titel: Antworten mit Zitat

http://www.zeit.de/amp/2017/52/sexismus-kunst-zensur-meetoo
Zitat:
Vorige Woche kürte das Magazin Time nicht einen Mann oder eine Frau, sondern ein Kollektiv zur "Person des Jahres", die #MeToo-Bewegung. Diese habe "eine der rasantesten Veränderungen in unserer Kultur seit den sechziger Jahren freigesetzt". Zu diesen Veränderungen gehört auch, dass ebenfalls in der vorigen Woche eine nicht minder rasante Debatte darüber ausbrach, ob neben übergriffigen Menschen künftig auch übergriffige Kunstwerke strikter verfolgt werden sollten als bisher.
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Kramer
postvisuell



Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2118217) Verfasst am: 16.12.2017, 11:01    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Dieser Artikel geht aber deutlich darüber hinaus. Das sieht man schon in der Überschrift: "Kritik an Sexismus Debatte" - nicht etwas anderes sei wichtiger, sondern diese Debatte sei falsch;


1. "Kritik an Sexismus Debatte" ist die Überschrift eines Beitrags von Philippe Debionne, erschienen im Berliner Kurier. In diesem Beitrag geht es um einen Artikel von Almut Meyer und Dorothee Dienstbühl, erschienen in "Deutsche Polizei" mit dem Titel "Vergewaltigung - Opfer ohne Lobby". Die Ausgabe von "Deutsche Poilzei" kann man hier herunter laden. Ich habe den Artikel bisher nur überflogen, er ist 6 Seiten lang, die Kritik an der Sexismus Debatte nimmt ca. eine 3/4 Seite davon ein.
2. Kritik heisst nicht zwingend, das man etwas grundsätzlich falsch findet. Kritik kann auch bedeuten, dass man Verbesserungsbedarf sieht.
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Zumsel
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Anmeldungsdatum: 08.03.2005
Beiträge: 4667

Beitrag(#2118218) Verfasst am: 16.12.2017, 11:01    Titel: Antworten mit Zitat

Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
http://www.zeit.de/amp/2017/52/sexismus-kunst-zensur-meetoo
Zitat:
Vorige Woche kürte das Magazin Time nicht einen Mann oder eine Frau, sondern ein Kollektiv zur "Person des Jahres", die #MeToo-Bewegung. Diese habe "eine der rasantesten Veränderungen in unserer Kultur seit den sechziger Jahren freigesetzt". Zu diesen Veränderungen gehört auch, dass ebenfalls in der vorigen Woche eine nicht minder rasante Debatte darüber ausbrach, ob neben übergriffigen Menschen künftig auch übergriffige Kunstwerke strikter verfolgt werden sollten als bisher.


Tja, wie soll man sowas nennen? Dialektik der Aufklärung?
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DonMartin
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Beiträge: 6817

Beitrag(#2118221) Verfasst am: 16.12.2017, 11:27    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
http://www.zeit.de/amp/2017/52/sexismus-kunst-zensur-meetoo
Zitat:
Vorige Woche kürte das Magazin Time nicht einen Mann oder eine Frau, sondern ein Kollektiv zur "Person des Jahres", die #MeToo-Bewegung. Diese habe "eine der rasantesten Veränderungen in unserer Kultur seit den sechziger Jahren freigesetzt". Zu diesen Veränderungen gehört auch, dass ebenfalls in der vorigen Woche eine nicht minder rasante Debatte darüber ausbrach, ob neben übergriffigen Menschen künftig auch übergriffige Kunstwerke strikter verfolgt werden sollten als bisher.


Tja, wie soll man sowas nennen? Dialektik der Aufklärung?

MeTooliban.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2118222) Verfasst am: 16.12.2017, 11:40    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dass es in diesem spezifischen Fall tatsächlich aufrichtig gemeint war, glaube ich allerdings inzwischen auch.


Ja, da hilft es, wenn man nicht jedem Impuls vorschnell folgt und stattdessen mal genauer hinschaut. Am besten die Kiste mit den Labeln einfach einmotten, den die macht es zu leicht, überall vorschnell ein Bapperl drauf zu kleben. Das verführt zu Schlampigkeit.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2118236) Verfasst am: 16.12.2017, 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
....
Das alles ist eben nicht nur ein Appell, sich einem anderen, nach Meinung der Verfasserinnen schwerwiegenderen Problem zuzuwenden, sondern - genau wie tarvoc schon gesagt hat - ein Versuch, die Debatte über das eine Problem abzuwürgen - (angeblich) zugunsten des anderen. Die Zusammenfassung mit "Über X soll man nicht reden, weil Y schlimmer ist" und Wertung als Whataboutism und damit ungültiges Argument halte ich weiter für korrekt.
...

Dieses (angeblich) sagt für mich alles. Die beiden Autorinnen, die da zur Sprache kommen, sind eine Notärztin und eine Kriminologin, die beide täglich mit Vergewaltigungsopfern zu tun haben, und deren Grund, sich in dieser Debatte zu melden, genau darin bestand, diese Opfer in keiner Debatte zu finden. Denen mit desem (angeblich) einen anderen Grund zu unterstellen, halte ich für ziemlich niederträchtig.


Was ist eigentlich passiert? Da haben schreiben zwei Autorinnen im Jahr 2017 einen Beitrag über Vergewaltigungsopfer, also über sexuelle Gewalt. Dieser Beitrag ist für eine Mitgliederzeitschrift der Polizeigewerkschaft bestimmt und richtet sich demnach an ein Publikum, dass sich vor allem mit den strafrechtlich relevanten Fällen von sexueller Gewalt befasst. Dementsprechend erscheint der Artikel auch in der Rubrik "Kriminalität".

In der Einleitung des Artikels schreiben die Autorinnen, das die Opfer von sexueller Gewalt häufig in den Hintergrund der Debatte rücken. Auf den folgenden Seiten geht es dann auch sehr ausführlich um die physischen und psychischen Folgen von sexueller Gewalt. Ich halte es für völlig normal, dass ein Artikel, der sich mit sexueller Gewalt befasst, auch zu aktuellen Diskussionen Stellung bezieht. Dass diese Stellungnahme für einige in den Medien heiss diskutierten Fälle eher relativierend ausfällt, finde ich angesichts dessen, womit sich der Text vorher ausführlich beschäftigt, nachvollziehbar.

Ironischerweise trifft der Vorwurf des Whataboutism durchaus zu. Der Text stellt die Frage "What about rape? What about rape victims?" Aber das geschieht hier ja nicht, indem die eine Diskussion abgewürgt wird und sich für die andere Diskussion Gehör zu verschaffen. Die Relativierung findet nicht zu dem Zweck statt, das eigene Thema zu puschen, das eigene Thema wird zunächst ausführlich behandelt und dann in Relation zur aktuellen Sexismus-Debatte gestellt.
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
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Beitrag(#2118250) Verfasst am: 16.12.2017, 13:47    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Dieser Artikel geht aber deutlich darüber hinaus. Das sieht man schon in der Überschrift: "Kritik an Sexismus Debatte" - nicht etwas anderes sei wichtiger, sondern diese Debatte sei falsch;


1. "Kritik an Sexismus Debatte" ist die Überschrift eines Beitrags von Philippe Debionne, erschienen im Berliner Kurier. In diesem Beitrag geht es um einen Artikel von Almut Meyer und Dorothee Dienstbühl, erschienen in "Deutsche Polizei" mit dem Titel "Vergewaltigung - Opfer ohne Lobby". Die Ausgabe von "Deutsche Poilzei" kann man hier herunter laden. Ich habe den Artikel bisher nur überflogen, er ist 6 Seiten lang, die Kritik an der Sexismus Debatte nimmt ca. eine 3/4 Seite davon ein.
2. Kritik heisst nicht zwingend, das man etwas grundsätzlich falsch findet. Kritik kann auch bedeuten, dass man Verbesserungsbedarf sieht.

Danke für den Link. Ich hatte den Artikel gesucht, aber nicht gefunden.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#2118257) Verfasst am: 16.12.2017, 14:20    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dass es in diesem spezifischen Fall tatsächlich aufrichtig gemeint war, glaube ich allerdings inzwischen auch.


Ja, da hilft es, wenn man nicht jedem Impuls vorschnell folgt und stattdessen mal genauer hinschaut. Am besten die Kiste mit den Labeln einfach einmotten, den die macht es zu leicht, überall vorschnell ein Bapperl drauf zu kleben. Das verführt zu Schlampigkeit.


Falls sich das auf den Whataboutism-Vorwurf beziehen soll, bist du immer noch komplett auf dem falschen Dampfer. Die Frage, ob die Autoren hinsichtlich ihrer Absichten aufrichtig sind oder nicht, ist von der Frage, ob ihre Argumentation eine fallacy of relative privation darstellt, ganz unabhängig. Andererseits hattest du ja oben schon demonstriert, dass du nicht mal weißt, was das überhaupt ist.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
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Beitrag(#2118260) Verfasst am: 16.12.2017, 14:34    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Andererseits hattest du ja oben schon demonstriert, dass du nicht mal weißt, was das überhaupt ist.


Genau. Whatabout Kramer?
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tillich (epigonal)
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Beitrag(#2118266) Verfasst am: 16.12.2017, 15:21    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
....
Das alles ist eben nicht nur ein Appell, sich einem anderen, nach Meinung der Verfasserinnen schwerwiegenderen Problem zuzuwenden, sondern - genau wie tarvoc schon gesagt hat - ein Versuch, die Debatte über das eine Problem abzuwürgen - (angeblich) zugunsten des anderen. Die Zusammenfassung mit "Über X soll man nicht reden, weil Y schlimmer ist" und Wertung als Whataboutism und damit ungültiges Argument halte ich weiter für korrekt.
...

Dieses (angeblich) sagt für mich alles. Die beiden Autorinnen, die da zur Sprache kommen, sind eine Notärztin und eine Kriminologin, die beide täglich mit Vergewaltigungsopfern zu tun haben, und deren Grund, sich in dieser Debatte zu melden, genau darin bestand, diese Opfer in keiner Debatte zu finden. Denen mit desem (angeblich) einen anderen Grund zu unterstellen, halte ich für ziemlich niederträchtig.

Ja nun, ich habe halt festgestellt und, denke ich, auch gut begründet am Artikel gezeigt, dass die tatsächliche Stoßrichtung der Argumentation (Abwürgen der Debatte über Alltagssexismus) eine andere ist als die angegebene (mehr Aufmerksamkeit für Vergewaltigungen).
Das ist erstens absolut unnötig; wäre zweitens auch genau umgekehrt möglich (ungefähr: "Wir haben hier die gerechtfertigte Debatte über Alltagssexismus; noch schlimemr aber ist die mangelnde Unterstützung für Vergwaltigungsopfer"); letztlich schadet sie sogar mE der Debatte über Vergewaltigung, weil es für diese Debatte einen unnötigen Nebenschauplatz eröffnet.
Da erlaube ich mir dann zu fragen, ob das tatsächlichnur Ungeschick oder auch Absicht war. Was für die inhaltliche Kritik an der Argumentation allerdings nebensächlich ist.

Wobei, das will ich einschränkend einräumen (mit Dank an den Hinweis von Kramer): Ich beziehe mich dabei auf den hier im Thread verlinkten Zeitungsartikel. Es mag sein, dass der durch eine Verzerrung der Schwerpunktsetzung die Position der Autorinnen des ursprünglichen Artikels, den ich nicht gelesen habe, verfälscht hat. Dann ginge meine Kritik natürlich an eine andere Adresse.
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"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
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Beitrag(#2118277) Verfasst am: 16.12.2017, 16:09    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Ja nun, ich habe halt festgestellt und, denke ich, auch gut begründet am Artikel gezeigt, dass die tatsächliche Stoßrichtung der Argumentation (Abwürgen der Debatte über Alltagssexismus) eine andere ist als die angegebene (mehr Aufmerksamkeit für Vergewaltigungen).
Das ist erstens absolut unnötig; wäre zweitens auch genau umgekehrt möglich (ungefähr: "Wir haben hier die gerechtfertigte Debatte über Alltagssexismus; noch schlimemr aber ist die mangelnde Unterstützung für Vergwaltigungsopfer")


Nun, die Autorinnen haben den von Dir gewünschten Satz nicht geschrieben. Das liegt aber nicht daran, dass sie einem logischen Fehlschluss unterliegen, sondern weil sie schlichtweg anderer Meinung sind. Ich halte es für eine berechtigte Meinung, wenn jemand sagt "Wir müssen über Alltagssexismus diskutieren!" Ich halte es aber für genauso berechtigt, wenn jemand entgegnet, dass er diese Diskussion für weniger wichtig oder sogar unwichtig hält. Wie auch immer man diese Kontoverse klären möchte, mit den Hinweisen auf logische Fehlschlüsse kommt man hier nicht weiter, weil Interessenskonflikte sich nicht auf reine Logik herunter brechen lassen.
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tillich (epigonal)
hat Spaß



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Beitrag(#2118283) Verfasst am: 16.12.2017, 16:32    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Ja nun, ich habe halt festgestellt und, denke ich, auch gut begründet am Artikel gezeigt, dass die tatsächliche Stoßrichtung der Argumentation (Abwürgen der Debatte über Alltagssexismus) eine andere ist als die angegebene (mehr Aufmerksamkeit für Vergewaltigungen).
Das ist erstens absolut unnötig; wäre zweitens auch genau umgekehrt möglich (ungefähr: "Wir haben hier die gerechtfertigte Debatte über Alltagssexismus; noch schlimemr aber ist die mangelnde Unterstützung für Vergwaltigungsopfer")

Nun, die Autorinnen haben den von Dir gewünschten Satz nicht geschrieben. Das liegt aber nicht daran, dass sie einem logischen Fehlschluss unterliegen, sondern weil sie schlichtweg anderer Meinung sind.

Es geht nicht nur um das Fehlen einen "von mir gewünschten Satzes", sondern um die ganze argumentative Stoßrichtung des Artikels im Berliner Kurier.

Allerdings, nach Lesen des ursprünglichen Artikels in der GdP-Zeitschrift:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Wobei, das will ich einschränkend einräumen (mit Dank an den Hinweis von Kramer): Ich beziehe mich dabei auf den hier im Thread verlinkten Zeitungsartikel. Es mag sein, dass der durch eine Verzerrung der Schwerpunktsetzung die Position der Autorinnen des ursprünglichen Artikels, den ich nicht gelesen habe, verfälscht hat. Dann ginge meine Kritik natürlich an eine andere Adresse.

Das ist der Fall. Der weiter oben verlinkte Zeitungsartikel verschiebt den Schwerpunkt der Argumentation ganz massiv und macht aus einem Nebenaspekt des ursprünglichen Artikels über Folgen von Vergewaltigung eine Attacke gegen die Debatte um Alltagssexismus. Meine Kritik richtet sich also hauptsächlich an den Zeitungsartikel.

Mein Unverständnis darüber, die eine Debatte gegen die andere auszuspielen, bleibt aber, auch wenn es im ursprünglichen Artikel nur ein Nebenaspekt des ansonsten m.E. sehr guten Artikels ist.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2118366) Verfasst am: 17.12.2017, 07:13    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Mein Unverständnis darüber, die eine Debatte gegen die andere auszuspielen, bleibt aber, auch wenn es im ursprünglichen Artikel nur ein Nebenaspekt des ansonsten m.E. sehr guten Artikels ist.


Ich denke, der entscheidende Satz steht in der Einleitung "Doch die Öffentlichkeit schaut lediglich auf die Täter – nicht auf die Opfer."

Wie stark hängt die Bewertung (oder Abwertung) eines sexuellen Übergriffs eigentlich von dem Bild ab, dass man sich vom Täter macht? Steht die mediale Darstellung und die öffentliche Wahrnehmung der Taten wirklich in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Taten, oder spielen da (positive und negative) Vorurteile über die Täter eine Rolle?

War Brüderles Entgleisung einen öffentlichen Aufschrei wert, weil Brüderle ins Täterprofil des "notgeilen alten Mannes" passt? Werden sexuelle Übergriffe durch Flüchtende und Migranten in rechten Kreisen (die ja ansonsten nicht gerade durch eine ausgeprägte Mitmenschlichkeit auffallen) deshalb instrumentalisiert, weil die Täter ihnen ins politische Konzept passen? Könnte es nicht sein, dass der fehlende Aufschrei in der Mitte Gesellschaft bei dieser Tätergruppe zumindest teilweise darin begründet ist, weil man nicht möchte, dass die Flüchtenden und Migranten pauschal mit den Taten in Verbindung gebracht werden?

Letztendlich stehen wir da vor einem gesellschaftlichen Dilemma: Einer sexuellen Straftat durch einen Migranten oder Flüchtenden - und sei es auch nur eine einzige - die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen, wie z.B dem Fall Brüderle oder der Weinstein-Affäre, wäre Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Hier besteht die reale Gefahr, dass man Menschen, die noch unentschieden sind, ob sie den Rechtspopulisten hinterher rennen wollen, in die falsche Richtung treibt. Ein öffentlicher Pranger hat einfach eine stärkere emotionale Wirkung als sachliche Erörterungen darüber, dass es sich um Einzelfälle handelt und die grosse Mehrheit der Flüchtenden deshalb nicht in Sippenhaft genommen werden darf. Bei Brüderle und Weinstein hat man solche Bedenken nicht. Das sind privilegierte alte weisse Männer, die können ruhig mal einen Shitstorm über sich ergehen lassen, es trifft ja nicht die falschen.
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fwo
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Beitrag(#2118391) Verfasst am: 17.12.2017, 12:28    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
....
Letztendlich stehen wir da vor einem gesellschaftlichen Dilemma: Einer sexuellen Straftat durch einen Migranten oder Flüchtenden - und sei es auch nur eine einzige - die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen, wie z.B dem Fall Brüderle oder der Weinstein-Affäre, wäre Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Hier besteht die reale Gefahr, dass man Menschen, die noch unentschieden sind, ob sie den Rechtspopulisten hinterher rennen wollen, in die falsche Richtung treibt. Ein öffentlicher Pranger hat einfach eine stärkere emotionale Wirkung als sachliche Erörterungen darüber, dass es sich um Einzelfälle handelt und die grosse Mehrheit der Flüchtenden deshalb nicht in Sippenhaft genommen werden darf. ....

Was die Leute aber auch in die Arme der Rechtspopulisten treibt, ist, wenn offensichtlich wird, dass es genau aus dem Grund, den Du eben genannt hast, zu einem Bonus für Migranten / Flüchtlinge kommt bzw. zu einem Verhalten, das es dem Staat objektiv erschwert, seinen Aufgaben nachzukommen: (Gehört inhaltlich nicht in diesen Thread, aber zu Deiner Argumentation) So wird z.B. der arabische Antisemitismus statistisch nicht als solcher erfasst, sondern kommt auf das Konto "rechtsextrem".
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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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beachbernie
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Beitrag(#2118474) Verfasst am: 18.12.2017, 00:58    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
"Über X soll man nicht reden, weil Y schlimmer ist."


Ja. Es ist durchaus angebracht einfach die Klappe zu halten und nicht ueber den eigenen Hunger zu jammern, bloss weil man heute keine Zeit fuer Mittagessen hatte, wenn gleichzeitig im Fernsehen einer Reportage ueber verhungernde Kinder im Jemen gezeigt wird.

Unsere Zivilisationsproblemchen und sonstigen Befindlichkeiten werden naemlich ganz klitzeklein, wenn man daneben richtig grosse Problemen anderer Menschen betrachtet. So klein, dass sie nicht mehr erwaehnenswert erscheinen. So wie die Aufregung ueber "brüderliche Komplimente" oder feministisch nicht ganz korrekte Weihnachtslieder unverständlich und nachgerade lächerlich erscheinen muss, wenn man sich beispielsweise die auf moderne Sklaverei hinauslaufenden Praktiken im organisierten Prostitutionsgewerbe anschaut um mal zum Thema "sexuelle Gewalt" zu kommen.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Whataboutism, so plump, dass es fast nicht zu diskutieren lohnt.
Dass Opfer von Vergewaltigungen jede denkbare Hilfe bekommen sollen und dass unangemessene Komplimente eine völlig andere Qualität haben, ist jedenfalls ein Einrennen der größten offenen Scheunentore landwirtschaftlicher Großbetriebe.

Interessant wäre zu überlegen, ob Vergewaltigungen und Platzzuweisungen durch unangemessene Komplimente nicht doch, auch wenn sie Dinge völlig unterschiedlicher Qualität sind, auf ähnlichen, uU überhaupt nicht bewussten Geschlechterstrukturen fußen.


Deshalb greift hier auch der Vorwurf des "Whataboutism" nicht, weil nicht der Verweis auf prinzipiell gleichwertige Verbrechen dazu benutzt wird um andere Verbrechen zu relativieren, sondern es mehr darum geht blosse Kinkerlitzchen als das zu entlarven, was sie sind: Kinkerlitzchen naemlich und keine Verbrechen!

Das vergessen naemlich viele allzu leicht, wenn sie Rücktritte wegen eines schlechten Witzes oder dem unbeholfenen Gebalze eines Besoffenen fordern!

Nein. "Whataboutism" ist das hier gerade nicht, sondern eher ein sehr notwendiges Geraderuecken verlorengegangener Masstaebe!
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tillich (epigonal)
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Beitrag(#2118485) Verfasst am: 18.12.2017, 02:13    Titel: Antworten mit Zitat

Dann hör mal sofort und stantepede auf, über den Feminismus zu jammern, denn (setze bitte ein passendes noch viel schlimmer ein) ist noch viel schlimmer. Aber für dich gilt dieses "man soll nicht über Zivilisationsproblemchen jammern" wohl nicht ...

Schaugts? Damit kann man jede beliebige Diskussion abwürgen. Man kann sogar ein dämliches "Klappe halten" direkt zurückschicken. Was jemand aber für ein Problem hält oder nicht, ist gefälligst jederfraus eigene Sache und nicht die deine oder die von diesem Schreiber vom Berliner Kurier.

Und ja, man darf gefälligst Dinge benennen und diskutieren, die man für ein Problem hält, auch wenn es völlig unstreitig noch größere Probleme gibt: Man darf gegen HartzIV-Gesetzgebung sein, auch wenn anderswo Leute verhungern; man darf gegen die AfD sein, auch wenn es anderswo schlimmere Nazis gibt; man darf gegen die Aussperrung von manchen Journalisten vom G20-Gipfel sein, auch wenn anderswo Journalisten ermordet werden ... und so weiter. Und deswegen darf man auch bestehenden Alltagssexismus anprangern, der in seinen Einzelvorfällen durchaus relativ harmlos ist, auch wenn es Vergewaltigungen gibt.

Solcher Whataboutism ist eine ziemlich erbärmliche Ausflucht aus dem Argumentationsnotstand, auch wenn man ihm nach Benennung dieses Argumentationsfehlers zur "Entkräftung" noch erbärmlicher einen anderen Namen geben möchte ("Maßstäbe geraderücken").
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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