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Willensfreiheit, Determinismus & Zufall
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#267749) Verfasst am: 26.02.2005, 13:34    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step!

step hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wenn eine Auswahl aus einer unendlich großen Anzahl von gleichwertigen Möglichkeiten vorgenommen wird, kann dieser Vorgang nicht deterministisch sein.
Von was für Möglichkeiten sprichst du? Möglichkeiten im alltäglichen sinne, oder von Möglichkeiten im Rahmen der MWI? Und unter welchen Umständen gibt es unendlich viele von ihnen?

Unter keinen. Die Quantenphysik erlaubt keine (physikalischen) Unendlichkeiten.


Wie steht es diesbezüglich mit nichtrenormierbaren Divergenzen? zwinkern


Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Schmerzlos
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Anmeldungsdatum: 02.08.2003
Beiträge: 4554

Beitrag(#267769) Verfasst am: 26.02.2005, 14:02    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
- Nur in der menschlichen Anschauung macht sowas wie "Zufall" einen Sinn.


Das gilt natürlich auch für "Determinismus"...


- Wer denkt er ist frei, ist frei...
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#267775) Verfasst am: 26.02.2005, 14:19    Titel: Antworten mit Zitat

Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
- Wer denkt er ist frei, ist frei...


zwinkern
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Rasmus
entartet und notorisch gottlos - Ich bin Papst



Anmeldungsdatum: 20.05.2004
Beiträge: 17559

Beitrag(#267782) Verfasst am: 26.02.2005, 14:27    Titel: Antworten mit Zitat

Spekulatia hat folgendes geschrieben:
Sucht sich ein Computer seine "Zufallszahlen" völlig frei aus oder bewegt er sich ebenfalls nach Regeln, die es ermöglichen, die Zahl vorrauszusehen?


Im allgemeinen berechnet ein Computer seine Zufallszahlen; basierend auf pseudo-zufälligen Werten wie etwa die Systemzeit.

Also läßt sich das Ergebnis selbstverständlich vorausberechnen: Mit einem schnelleren Computer, z.B. zwinkern

"Echte" Zufallszahlen bedienen sich einer externen Quelle (in einfachen Fällen z.B. Mausbewegungen oder Geräuschpegel. Etwas besser sind Wellenbewegungen und üblich Zerfall von radioaktiven Materialien) um nicht-vorhersehbare Zahlen zu erzeugen (die aber dennoch determiniert sein könnten) und läßt diese anschließend mathematische Funktionen durchlaufen, um Regelmäßigkeiten im Verhalten der Datenquelle zu kompensieren.

http://www.fourmilab.ch/hotbits/
Die ist eine Möglichkeit, sich Zufallszahlen zu besorgen.

http://www.random.org/
Die Seite funktioniert im Moment nicht, ich glaube aber, sie gefiel mir besser ...

Rasmus.
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Evilbert
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Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#267783) Verfasst am: 26.02.2005, 14:28    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
- Wer denkt er ist frei, ist frei...


zwinkern


Und ich denke ihr Zwei seid echt plöd. fool
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step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#267806) Verfasst am: 26.02.2005, 15:15    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wenn eine Auswahl aus einer unendlich großen Anzahl von gleichwertigen Möglichkeiten vorgenommen wird, kann dieser Vorgang nicht deterministisch sein.
Von was für Möglichkeiten sprichst du? Möglichkeiten im alltäglichen sinne, oder von Möglichkeiten im Rahmen der MWI? Und unter welchen Umständen gibt es unendlich viele von ihnen?
Unter keinen. Die Quantenphysik erlaubt keine (physikalischen) Unendlichkeiten.
Wie steht es diesbezüglich mit nichtrenormierbaren Divergenzen? zwinkern

Meist handelt es sich ja bei diesen Divergenzen nicht um echte physikalische Größen, sondern "nur" um Terme in einer Formel. In solchen Fällen geht man mW davon aus, daß man entweder die Renormierunsmethode noch nicht gefunden hat, oder ein bestimmtes Feld noch nicht richtig quantisiert wurde.

Unendlich kann aber beispielsweise die Dimensionalität einer Symmetriegruppe sein, ein typisches Beispiel dafür ist die ART. Aus diesem Grund (und wegen der dimensionsbehafteten Kopplungskonstante) ist die Quantengravitation so schwer renormierbar - jedenfalls wenn man es so versucht wie bei der QED oder QCD.

Die Namen, die im Zusammenhang mit dem ersten Lösungsansatz zu nennen sind: Kaluza/Klein, Yang/Mills, ... jedoch blieben verschiedene Probleme zurück.

Erst die Stringtheorie (eine "echte" Quantentheorie) brachte, wie es aussieht, den Durchbruch.

(Allerdings konnten die postulierten zusätzlichen Dimensionen bisher noch nicht nachgewiesen werden. )

gruß/step
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Mautpreller
Ortograf



Anmeldungsdatum: 17.02.2005
Beiträge: 246

Beitrag(#267808) Verfasst am: 26.02.2005, 15:19    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein Mensch in seiner Gesamtheit (Körper, Geist, Intelligenz, Seele, Verstand, Gefühl) kann nicht über elektrische Impulse in Synapsen definiert und verstanden werden. Die Physik ist dafür einfach nicht die geeignete Wissenschaft.

Mir ist es durchaus recht, wenn emergente Phänomene - auch wenn ich sie im Prinzip für reduzibel halte - mittels emergenter Naturwissenschaften beschrieben werden, also Chemie, Biologie, Soziologie, ..., solange sie sich wissenschaftlicher Methodik bedienen, d.h. Theorien mit Vorhersagewert aufstellen, die sich falsifizieren lassen.

Was also soll das sein, der "Geist", die "Seele"?

gruß/step
Du bist a ganz a Liaber, dass dia dös recht is.

Bloß: Historische Wissenschaften können nicht (uneingeschränkt) die Kriterien des Vorhersagewerts und der Falsifizierbarkeit akzeptieren. Das hat mindestens einen einfachen Grund, sie untersuchen nämlich (immerhin teilweise) etwas, was schon geschehen ist und vielleicht nie wieder geschieht. (Gilt übrigens teilweise auch für die Biologie.) Auch die Methode des Experiments kann in diesem Kontext nicht als anderen Methoden überlegen angesehen werden. Du wirst schon noch'n bisschen mehr zugestehen müssen, wenn Du tatsächlich was von soziologischen oder psychologischen oder historischen oder Textwissenschaften haben willst, d.h. wenn für Dich Interdisziplinarität (wenigstens vorläufig) einen Sinn ergeben soll. Nämlich (wenigstens vorläufig) einräumen, dass diese Wissenschaften (auch) mit anderen, jedoch ebenfalls vernünftig begründeten Kriterien arbeiten.

Wenn Dein Reduzierbarkeitstraum Wirklichkeit geworden ist, kannst Du ja zu Deinem generellen Kriterium zurückkehren.
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Die niederen Alkanthiole sind widerlich riechende Flüssigkeiten ohne besondere praktische Bedeutung (Lautenschläger u.a. 1987, Chemie - Fakten und Gesetze). --- Die Ärmsten!
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#267809) Verfasst am: 26.02.2005, 15:23    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step!

step hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wenn eine Auswahl aus einer unendlich großen Anzahl von gleichwertigen Möglichkeiten vorgenommen wird, kann dieser Vorgang nicht deterministisch sein.
Von was für Möglichkeiten sprichst du? Möglichkeiten im alltäglichen sinne, oder von Möglichkeiten im Rahmen der MWI? Und unter welchen Umständen gibt es unendlich viele von ihnen?
Unter keinen. Die Quantenphysik erlaubt keine (physikalischen) Unendlichkeiten.
Wie steht es diesbezüglich mit nichtrenormierbaren Divergenzen? zwinkern

Meist handelt es sich ja bei diesen Divergenzen nicht um echte physikalische Größen, sondern "nur" um Terme in einer Formel. In solchen Fällen geht man mW davon aus, daß man entweder die Renormierunsmethode noch nicht gefunden hat, oder ein bestimmtes Feld noch nicht richtig quantisiert wurde.

Unendlich kann aber beispielsweise die Dimensionalität einer Symmetriegruppe sein, ein typisches Beispiel dafür ist die ART. Aus diesem Grund (und wegen der dimensionsbehafteten Kopplungskonstante) ist die Quantengravitation so schwer renormierbar - jedenfalls wenn man es so versucht wie bei der QED oder QCD.

Die Namen, die im Zusammenhang mit dem ersten Lösungsansatz zu nennen sind: Kaluza/Klein, Yang/Mills, ... jedoch blieben verschiedene Probleme zurück.

Erst die Stringtheorie (eine "echte" Quantentheorie) brachte, wie es aussieht, den Durchbruch.

(Allerdings konnten die postulierten zusätzlichen Dimensionen bisher noch nicht nachgewiesen werden. )


Genau! Stichwort hierzu: Hilbert-Raum. Warum sollen nicht unendlich (!) viele Dimensionen auch physikalisch existieren können?


Cheers,

Lamarck
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#267819) Verfasst am: 26.02.2005, 15:51    Titel: Antworten mit Zitat

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Historische Wissenschaften können nicht (uneingeschränkt) die Kriterien des Vorhersagewerts und der Falsifizierbarkeit akzeptieren. Das hat mindestens einen einfachen Grund, sie untersuchen nämlich (immerhin teilweise) etwas, was schon geschehen ist und vielleicht nie wieder geschieht. (Gilt übrigens teilweise auch für die Biologie.)

Wenn ein Historiker eine Theorie aufstellt (etwa daß die alten Römer Vegetarier gewesen seien), so kann das durch Grabungen usw. prinzipiell falsifiziert werden. Die Güte eines Experiments ist natürlich unterschiedlich, etwa bei der Befragung einzelner voreingenommenner Zeitzeugen. Also muß der Historkier damit leben, daß seine Theorie nicht viel wert ist, wenn es eine widersprechende Theorie gibt, die genausogut zu gebrauchen ist.

Apropos: Wozu werden Theorien von Historikern dE hauptsächlich verwendet?

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Nämlich (wenigstens vorläufig) einräumen, dass diese Wissenschaften (auch) mit anderen, jedoch ebenfalls vernünftig begründeten Kriterien arbeiten.

Eignen sich diese Kriterien, um die Frage nach dem Freien Willen zu beantworten?
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#267825) Verfasst am: 26.02.2005, 16:14    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Warum sollen nicht unendlich (!) viele Dimensionen auch physikalisch existieren können?

Das hängt vom Realitätsbegriff ab - weswegen ich der Reflektion seiner Kriterien einen thread gewidmet habe. Wenn ich tatsächlich allen in Theorien auftretenden mathematischen Konstrukten eine Realität zumesse, dann ja. Im allgemeinen aber betrachtet man ja - aus nachvollziehbaren Gründen (!) - z.B. den Hilbertraum oder die Symmetriegruppe selbst nicht als physikalische Größe.

Es gibt sogar Leute, die vermuten, daß alle mathematischen Konstrukte auch physikalisch realisiert sind. Finde ich zwar interessant, aber momentan eher abenteuerlich.

gruß/step
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Schmerzlos
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Anmeldungsdatum: 02.08.2003
Beiträge: 4554

Beitrag(#267829) Verfasst am: 26.02.2005, 16:27    Titel: Antworten mit Zitat

Noseman hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
- Wer denkt er ist frei, ist frei...


zwinkern


Und ich denke ihr Zwei seid echt plöd. fool


- Und ich gebe weder Dir noch mir Schuld daran. zwinkern
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



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Beitrag(#267835) Verfasst am: 26.02.2005, 17:03    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Graf Zahl,

Graf Zahl hat folgendes geschrieben:
Da ist auch ein Abschnitt, der in etwa das zum Ausdruck bringt, was Du geschrieben hast:
Zitat:
Nehmen wir also an, es gäbe eine befriedigende wissenschaftliche Theorie, die impliziert, daß Gehirnprozesse nicht determiniert sind. Diese Theorie könnte mehr der Mikrotubuli-Hypothese oder mehr der chaostheoretischen Hypothese folgen – das ist im Augenblick nicht von Belang. Ja, es ist nicht einmal von Belang, ob der Indeterminismus quantentheoretisch begründet wird oder auf irgendeine andere Weise. Wichtig ist nur die Annahme, daß Gehirnprozesse nicht determiniert sind.
Folgt aus dieser Annahme, daß der menschliche Wille frei ist? Nein, denn Willensfreiheit – wenn sie überhaupt existiert – ist nicht Indeterminiertheit, sondern Selbstbestimmung. Mein Wollen, d.h. meine Wünsche, meine Entscheidungen, meine Entschlüsse sind frei, wenn ich selbst bestimme, was ich wünsche, wofür ich mich entscheide bzw. entschließe. Wenn Freiheit Indeterminiertheit wäre, so wäre sie ein Spiel des Zufalls (vgl. Nozick 1981, 292; Garson 1995, 67 f.). Was ich will oder nicht will, wäre dann in einem hohen Maße nicht von mir, sondern vom Zufall abhängig.


Also wäre demnach der freie Wille - aus rein wissenschaftlicher Sicht - auf alle Fälle eine Illusion... skeptisch


Kommt darauf an, was Du unter "freiem Willen" verstehst. Der Schreiberling hat das Wesentliche ja schon genannt: Willens(un)freiheit ist nicht (In)Determinismus, sondern ein psychologisches Phänomen - das Gefühl, eine Handlung aus freien Stücken, das heißt ohne äußeren Zwang entschieden zu haben. Eben: Selbstbestimmung. Anders ist Wissensfreiheit gar nicht denkbar, es sei denn, die "Kausalkette" wäre irgendwo unterbrochen.

Grüße

Martin
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"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#267838) Verfasst am: 26.02.2005, 17:16    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wenn eine Auswahl aus einer unendlich großen Anzahl von gleichwertigen Möglichkeiten vorgenommen wird, kann dieser Vorgang nicht deterministisch sein.
Von was für Möglichkeiten sprichst du? Möglichkeiten im alltäglichen sinne, oder von Möglichkeiten im Rahmen der MWI? Und unter welchen Umständen gibt es unendlich viele von ihnen?
Unter keinen. Die Quantenphysik erlaubt keine (physikalischen) Unendlichkeiten.
Wie steht es diesbezüglich mit nichtrenormierbaren Divergenzen? zwinkern

Meist handelt es sich ja bei diesen Divergenzen nicht um echte physikalische Größen, sondern "nur" um Terme in einer Formel. In solchen Fällen geht man mW davon aus, daß man entweder die Renormierunsmethode noch nicht gefunden hat, oder ein bestimmtes Feld noch nicht richtig quantisiert wurde.

Unendlich kann aber beispielsweise die Dimensionalität einer Symmetriegruppe sein, ein typisches Beispiel dafür ist die ART. Aus diesem Grund (und wegen der dimensionsbehafteten Kopplungskonstante) ist die Quantengravitation so schwer renormierbar - jedenfalls wenn man es so versucht wie bei der QED oder QCD.

Die Namen, die im Zusammenhang mit dem ersten Lösungsansatz zu nennen sind: Kaluza/Klein, Yang/Mills, ... jedoch blieben verschiedene Probleme zurück.

Erst die Stringtheorie (eine "echte" Quantentheorie) brachte, wie es aussieht, den Durchbruch.

(Allerdings konnten die postulierten zusätzlichen Dimensionen bisher noch nicht nachgewiesen werden. )


BTW, was genau meinst Du mit "Durchbruch"? Hat man mit der aktuellen String-Theorie wirklich schon die übergeordnete Theorie der Quantengravitation gefunden? Wie gut ist die schon ausformuliert?

Wie ich gehört habe, ist man trotz intensiver Bemühungen noch immer weit davon entfernt, zu wissen, wie eine konsistente Theorie der Quantengravitation aussehen könnte und was ihre Hauptmerkmale sind. Lesch, mit dem ich vor ein paar Wochen telefoniert habe, hält von der String-Theorie nicht viel - er favorisiert statt dessen eine dimensional reduzierte Theorie der Supergravitation, die auf integrable Modelle der klassischen und quantisierten Gravitation hinauslaufen. Bringt aber wiederum das Problem mit sich, daß man außer den bekannten Elementarteilchen auch noch jeweils einen supersymmetrischen Partner mitschleppen muß. Traurig

Grüße

Martin
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#267843) Verfasst am: 26.02.2005, 17:44    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
BTW, was genau meinst Du mit "Durchbruch"? Hat man mit der aktuellen String-Theorie wirklich schon die übergeordnete Theorie der Quantengravitation gefunden? Wie gut ist die schon ausformuliert?

Wie ich gehört habe, ist man trotz intensiver Bemühungen noch immer weit davon entfernt, zu wissen, wie eine konsistente Theorie der Quantengravitation aussehen könnte und was ihre Hauptmerkmale sind ....

Das ist absolut richtig, die Stringtheorie ist nicht vollständig und insbesondere auch noch nicht eindeutig gegenüber Konkurrenzansätzen favorisiert.

Mit "Durchbruch" meinte ich idZ, daß man mit der Stringtheorie wesentliche grundsätzliche Probleme, die man mit allen vorherigen Ansätzen - insbesondere mit den von mir genannten - hatte, erstmalig vermeiden bzw. lösen konnte.

gruß/step
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Sangus
registrierter User



Anmeldungsdatum: 02.02.2005
Beiträge: 27

Beitrag(#267898) Verfasst am: 26.02.2005, 20:45    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:
die Vertreter eine "echten freien Willens" müssen erstmal definieren, was das sein soll.

Das habe ich bereits zweimal in diesem Thread getan. Es ist das, was Du als das "Gefühl der teilweisen Handlungsfreiheit" umformuliert hast.
Da das aber offensichtlich nicht dem entspricht, was Du als "echten freien Willen" desillusioniert zu haben glaubst, wüsste ich nun endlich gern einmal von Dir bzw. Euch, was ihr meint, wenn ihr "Willensfreiheit" sagt.
Schließlich habt Ihr hier die Behauptung aufgestellt, Determinismus würde den "freien Willen" widerlegen. Also sagt doch endlich 'mal klar und deutlich, was Ihr da widerlegt habt.

step hat folgendes geschrieben:
Solange macht es nichtmal Sinn, zu sagen, es existiere nicht.

Meine Rede. Mich verwundert allerdings, dass Ihr hier genau darauf soviel Energie verwendet.

step hat folgendes geschrieben:
[...](mangels Definition von Euch Theologen)[...]

Wie kommst Du denn auf die schräge Idee, ich sei Theologe ?
Naja - jetzt verstehe ich zumindest, wie es zu dieser etwas pubertär anmutenden Oppositionshaltung kommt.

step hat folgendes geschrieben:
Die Rede von der "Illusion" bezieht sich derzeit nur auf die Behauptung, die Bewußtwerdung der "Entscheidung" liege vor dem Start der Handlung.

Step - ganz ehrlich: Wenn Dir Deine Entscheidungen erst bewußt werden, nachdem Du bereits gehandelt hast, dann solltest Du doch dringend 'mal zum Arzt gehen.
Wenn ich mich entscheide, eine Tasse Kaffee zu trinken, dann erlebe ich diese Entscheidung ganz deutlich und plastisch, bevor ich in das Cafe gehe, um meine Bestellung aufzugeben.

Ist das bei Dir etwa anders ?

step hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe nicht wirklich, was jetzt Deine These zum sog. freien Willen ist.

Siehe oben. Ich habe es zweimal beschrieben. Was genau verstehst Du denn nicht ?

step hat folgendes geschrieben:
Reicht es Dir aus, daß wir ein Gefühl der teilweisen Handlungsfreiheit haben?

Wenn Du das, was ich weiter oben beschrieben habe, als "teilweise Handlungsfreiheit" bezeichnen willst (warum auch immer) - natürlich reicht mir das. Was, bitte, würdest Du denn unter "vollständiger Willensfreiheit" verstehen ?

step hat folgendes geschrieben:
Ist es Dir egal, was dieses Gefühl tatsächlich widerspiegelt, nämlich
a) eine nachträgliche Interpretation eines determinierten Zusammenwirkens von Gehirn- und Umweltelementen? oder
b) eine nachträgliche Interpretation eines letzlich zufälligen Zusammenwirkens von Gehirn- und Umweltelementen? oder
c) einen übernatürlichen Geist / Dämon, der (hier bitte ausfüllen)

Ja, natürlich (wobei ich den Gedanken an einen übernatürlichen Geist eher gruselig fände).

Nochmal: Für mein Freiheitserleben ist es völlig irrelevant, ob irgendwelche mit meinen Erlebensinhalten korrespondierenden neurologischen Aktionspotentiale vorher, gleichzeitig oder hinterher auftreten.
Auf der Ebene der Beschreibung neurobiologischer Zusammenhänge macht der Begriff "Willensfreiheit" schlicht keinen Sinn - denn "Freiheit" bedeutet hier nicht "Beliebigkeit", sondern "Abwesenheit von Zwang", und auch "Zwang" ist (wer hätte das gedacht) ein Begriff, der nur im Bereich des menschlichen Erlebens sinnvoll ist - und zwar als Beschreibung von Etwas, dass gegen den eigenen Willen geschieht.

Aber weißt Du was: Lass' Dir das am Besten von Martin erklären. Er scheint dieselbe Haltung zu vertreten wie ich, und ich vermute einfach, dass Du ihm besser zuhörst als mir.
Ich habe nämlich, ehrlich gesagt, keine Lust, hier wieder und wieder dasselbe zu schreiben.

Gruß
Sangus
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"Habt fröhliche Gedanken!"
(Peter Pan)
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narziss
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#267901) Verfasst am: 26.02.2005, 20:58    Titel: Antworten mit Zitat

Sangus hat folgendes geschrieben:

step hat folgendes geschrieben:
Die Rede von der "Illusion" bezieht sich derzeit nur auf die Behauptung, die Bewußtwerdung der "Entscheidung" liege vor dem Start der Handlung.

Step - ganz ehrlich: Wenn Dir Deine Entscheidungen erst bewußt werden, nachdem Du bereits gehandelt hast, dann solltest Du doch dringend 'mal zum Arzt gehen.
Wenn ich mich entscheide, eine Tasse Kaffee zu trinken, dann erlebe ich diese Entscheidung ganz deutlich und plastisch, bevor ich in das Cafe gehe, um meine Bestellung aufzugeben.

Ist das bei Dir etwa anders ?

Gruß
Sangus

Bei Libets Versuchen betrug diese Verzögerung ungefähr 0.3 Sekunden, was das alltägliche Leben nicht unbedingt erschwert.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#267925) Verfasst am: 26.02.2005, 21:50    Titel: Antworten mit Zitat

Sangus hat folgendes geschrieben:
Schließlich habt Ihr hier die Behauptung aufgestellt, Determinismus würde den "freien Willen" widerlegen. Also sagt doch endlich 'mal klar und deutlich, was Ihr da widerlegt habt.

Wenn ich vor einer Entscheidung und Handlung eine moralische Abwägung erlebe, so ist diese nur das Bewußtwerden eines determinierten Vorgangs im Gehirn. Es gibt also keinen Geist / Dämon, der das Ergebnis tatsächlich beeinflussen kann, sondern es entsteht, und mit ihm das sekundäre Gefühl, mein "Ich" hätte sich entschieden.

Diese Freiheitsillusion eignet sich zwar noch zum täglichen Leben, aber nicht mehr als noch heute durchaus gebräuchliche - Grundlage für Kategorien wie Schuld, Seele usw.

Sangus hat folgendes geschrieben:
Wenn ich mich entscheide, eine Tasse Kaffee zu trinken, dann erlebe ich diese Entscheidung ganz deutlich und plastisch, bevor ich in das Cafe gehe, um meine Bestellung aufzugeben.

Aber erst nachdem in Deinem Gehirn die Entscheidung berechnet wurde. Und mal ganz abgesehen vom Libet-Experiment: In einer deterministischen oder letztlich zufälligen Welt erlebst Du zwar die Entscheidung mit, aber "Du" hast keinen Einfluß auf sie. Während Du die Illusion hast, abzuwägen, ob Du ins Cafe gehst oder nicht, "berechnet" die Welt incl. Deines Gehirns, was passieren wird.

Sangus hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Reicht es Dir aus, daß wir ein Gefühl der teilweisen Handlungsfreiheit haben?
Wenn Du das, was ich weiter oben beschrieben habe, als "teilweise Handlungsfreiheit" bezeichnen willst (warum auch immer) - natürlich reicht mir das. Was, bitte, würdest Du denn unter "vollständiger Willensfreiheit" verstehen ?

1) "teilweise", weil selbst die Illusion nicht vollständig ist, d.h. manchmal weißt Du schon, wie es kommen wird, und hast stattdessen das Gefühl, es gerne anders gehabt zu haben. Für den Deterministen ist der Unterschied nur im heuristischen Wissen Deines Gehirns über die Beeinflußbarkeit der Zukunft. Dies ist mal besser, mal schlechter.
2) (echte) "Willensfreiheit" würde (vermute ich) bedeuten, daß die Person ein nicht an Kausalität und Physik gebundenes Geistwesen wäre, das den Lauf der Welt dennoch beeinflussen könnte.

Sangus hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ist es Dir egal, was dieses Gefühl tatsächlich widerspiegelt, nämlich
a) eine nachträgliche Interpretation eines determinierten Zusammenwirkens von Gehirn- und Umweltelementen? oder
b) eine nachträgliche Interpretation eines letzlich zufälligen Zusammenwirkens von Gehirn- und Umweltelementen? oder
c) einen übernatürlichen Geist / Dämon, der (hier bitte ausfüllen)

Ja, natürlich (wobei ich den Gedanken an einen übernatürlichen Geist eher gruselig fände).

Ich fände ihne vor allem irrational.

Sangus hat folgendes geschrieben:
Nochmal: Für mein Freiheitserleben ist es völlig irrelevant, ob irgendwelche mit meinen Erlebensinhalten korrespondierenden neurologischen Aktionspotentiale vorher, gleichzeitig oder hinterher auftreten.

Ja, aber nur für Dein direktes, primäres Erleben. Etwa wie es dafür auch egal ist, daß es ultraviolette Strahlung gibt, denn die siehst Du ja nicht, oder daß die Sonne eigentlich nicht "aufgeht". Diese subjektivistische Haltung ist privatim akzeptabel, aber sobald es um Aspekte geht, die andere Menschen Betreffen, insbesondere wenn es um Begründungen für moralische Urteile über andere geht, verlange ich ein gewisses Maß an Entmystifizierung. Genau dies ist auch schon bei vielen Illusionen des subjektiven Erlebens geschehen, Beispiele sind die Entwicklung der Psychiatrie, Überzeugungs- und Verhörtechniken usw..

Diesmal ist die Erschütterung aber größer, denn sie trifft unser traditionelles Schuld- und Ich-Verständnis zentral. Ein echtes Dilemma, wie ich meine, dem Du Dich offensichtlich mittels Ignoranz entwindest.

Sangus hat folgendes geschrieben:
Auf der Ebene der Beschreibung neurobiologischer Zusammenhänge macht der Begriff "Willensfreiheit" schlicht keinen Sinn - denn "Freiheit" bedeutet hier nicht "Beliebigkeit", sondern "Abwesenheit von Zwang", und auch "Zwang" ist (wer hätte das gedacht) ein Begriff, der nur im Bereich des menschlichen Erlebens sinnvoll ist - und zwar als Beschreibung von Etwas, dass gegen den eigenen Willen geschieht.

Offensichtlich geschehen also naturgesetzlich Dinge, und entweder empfinden wir sie angenehm (mit unserem Willen) oder unangenehm (gegen unseren Willen). Demnach wäre der Wille nur ein Maß für die Übereinstimmung des Geschehenden mit unserer Bewertung. (Wobei diese Bewertung auch wieder rein naturgesetzlich abläuft.)

gruß/step
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Mautpreller
Ortograf



Anmeldungsdatum: 17.02.2005
Beiträge: 246

Beitrag(#268111) Verfasst am: 27.02.2005, 15:07    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Historische Wissenschaften können nicht (uneingeschränkt) die Kriterien des Vorhersagewerts und der Falsifizierbarkeit akzeptieren. Das hat mindestens einen einfachen Grund, sie untersuchen nämlich (immerhin teilweise) etwas, was schon geschehen ist und vielleicht nie wieder geschieht. (Gilt übrigens teilweise auch für die Biologie.)

Wenn ein Historiker eine Theorie aufstellt (etwa daß die alten Römer Vegetarier gewesen seien), so kann das durch Grabungen usw. prinzipiell falsifiziert werden.

Das ist natürlich richtig, es ist aber nicht eigentlich eine Theorie. Einer Theorie müsste grundsätzlich Erklärungskraft innewohnen. Eine Theorie könnte zum Beispiel sein: Vegetarismus bedeutete in Rom ...
Zitat:
Apropos: Wozu werden Theorien von Historikern dE hauptsächlich verwendet?

Zum <i>Verstehen</i> vergangener Epochen und zur Bestimmung eines <i>gegenwärtigen</i> Standpunktes (in Absetzung wie Kontinuität zur Vergangenheit). Es gibt natürlich die altehrwürdige Behauptung "historia magistra vitae", die Geschichte ist die Lehrerin des Lebens; aber eben die Wissenschaftlichkeit dieses Anspruch des "Lernens aus der Geschichte" (fürs "Leben", für die Zukunft) kann man mit ausgezeichneten Gründen anfechten.

Zitat:
Eignen sich diese Kriterien, um die Frage nach dem Freien Willen zu beantworten?

Kommt drauf an, wie diese Frage gemeint ist. Eine "starke" deterministische Theorie wie die, die du hier ausgebreitet hast, ist dazu prinzipiell nicht in der Lage. Sie ist deshalb nicht plausibel, weil sie nicht sinnvoll reflexiv angewandt werden kann. Das würde nämlich bedeuten, dass Dein Argument selbst ebenso wie die Gegenargumente sowie die ganze Institution der Wissenschaft mit all ihren Kriterien und Gegenkriterien ebenfalls determiniert wären. Es würde sich z.B. bei dieser Diskussion um ein ausschließlich durch innere Gefühle bestimmte Auseinandersetzung handeln, ohne jegliche Relevanz für die Erkenntnis einer äußeren oder inneren Realität. Konsequent durchgeführt mündet dieses Argument tatsächlich in eine Welt, deren Erkennbarkeit irrelevant ist, da es so etwas wie "Erkennen" nicht gibt (ist doch "richtiges" ebenso wie falsches "Erkennen" physikalisch determiniert).

Dieses hier angewandte Kriterium zum Beispiel, das Kriterium der Reflexivität einer Theorie, erlaubt doch einige Hinweise darauf, was unter "Willen" vorzustellen wäre.

Dabei meine ich nicht das, was in dem SZ-Artikel als "absolutistische" Version der Willensfreiheit bezeichnet wird: ein absolut freies Ich, das ebenso gut dies wie jenes machen könnte; sondern einen Begriff der Subjektivität. Ein Subjekt (Person) ist natürlich geprägt und bedingt durch eine Vielzahl von physischen wie psychischen Sachverhalten; und das sind nicht nur welche, die sozusagen von außen dem Ich seine Entscheidung erschweren, sondern es sind welche, die auch das Ich selbst bestimmen. Dennoch entscheidet die Person (mit ihren bewussten und unbewussten Anteilen) und ist dazu auch in der Lage; ihre Entscheidung ist prinzipiell nicht sicher vorauszusehen, nicht aus Zufallsgründen, sondern weil eben diese Entscheidungsfähigkeit ihr eignet. Dass ein Teil solcher Entscheidung in un-bewusste Tiefen zurückreicht, ist eine alltägliche Erfahrung und zudem theoretisch vielfach bearbeitet; doch auch die unbewussten Anteile der Person gehören der Person an, nicht dem Gehirn. Doch spielt die Fähigkeit der bewussten Entscheidung für oder gegen ein Argument, das "Ausbalancieren" unbewusster Antriebe, eine erhebliche Rolle im speziell menschlichen Denken und Handeln. Sie mag kleiner sein als oft angenommen; denn einer genaueren Untersuchung z.B. einer philosophischen Diskussion im Internet ist oft schnell zu entnehmen, dass Antriebe "unterhalb" der Oberfläche sie prägen; doch der Verlauf einer solchen Diskussion ist nicht zu erklären ohne ihre innere argumentative Logik, in der tatsächlich ständig entschieden wird - oft höchst überraschend.

Ein solcher Begriff (natürlich nicht perfekt) ist immerhin reflexiv "durchführbar" und deshalb brauchbarer als derjenige, der aus einer "stark" deterministischen Theorie entspringt.
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Beitrag(#268148) Verfasst am: 27.02.2005, 16:30    Titel: Antworten mit Zitat

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Einer Theorie müsste grundsätzlich Erklärungskraft innewohnen.

So ist es.
Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Eine Theorie könnte zum Beispiel sein: Vegetarismus bedeutete in Rom ...

Wenn man sich etwas eingehender mit der Natur des Wissens, der Erklärung auseinandersetzt, dann sieht man mE, daß es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen der Erklärungskraft in Deinem und meinem Beispiel gibt, daß also auch mein Beispiel eine Theorie darstellt:

Physiker: Licht besteht aus massselosen Teilchen (erklärt, warum ein bestrahltes nichtreflektierendes Objekt nicht schwerer wird)
Historiker: Im Rom des 2. Jahrhundert u.Z. lebten Vegetarier (erklärt, warum man keine Fleischreste findet)

Physiker: Symmetrieanforderungen an die elektomagn. Lagrangedichte usw. (erklärt, warum Lichtteilchen masselos sind)
Historiker: Die Römer waren allergisch (erklärt, warum sie Vegetarier waren)

usw. ...

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Apropos: Wozu werden Theorien von Historikern dE hauptsächlich verwendet?
Zum <i>Verstehen</i> vergangener Epochen ...

Das ist, was ich oben meinte: Dieses "Verstehen" ist nichts anderes als Wissen in Form einer prinzipiell voraussagefähigen Theorie, auch wenn sich ihr Objekt in der Vergangenheit befindet. Wenn man verstanden hat, wie etwa die persischen Handelswege funktionierten, kann man voraussagen, daß man im Boden, in Schriften usw. hier und dort dies oder jenes finden wird. Nicht anders ist es bei Wissenschaften, deren Objekte teilweise in näherer Vergangenheit liegen, etwa die Pathologie oder forensische Psychologie - jedenfalls wenn sie mit asuberer Methodik betrieben werden.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
... und zur Bestimmung eines <i>gegenwärtigen</i> Standpunktes (in Absetzung wie Kontinuität zur Vergangenheit).

Diesen Aspekt verstehe ich nicht. Wozu genau soll das dienen?

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Es gibt natürlich die altehrwürdige Behauptung "historia magistra vitae", die Geschichte ist die Lehrerin des Lebens; aber eben die Wissenschaftlichkeit dieses Anspruch des "Lernens aus der Geschichte" (fürs "Leben", für die Zukunft) kann man mit ausgezeichneten Gründen anfechten.

Das sehe ich ebenso.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Eignen sich diese Kriterien, um die Frage nach dem Freien Willen zu beantworten?
Kommt drauf an, wie diese Frage gemeint ist.

Eignen sich Deine - nach Deiner Meinung über die naturwissenschaftliche Methode hinausgehenden - Kriterien, um irgendetwas nicht naturwissenschaftlich Essentielles über den FW herauszufinden?

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Eine "starke" deterministische Theorie wie die, die du hier ausgebreitet hast, ist ... deshalb nicht plausibel, weil sie nicht sinnvoll reflexiv angewandt werden kann. Das würde nämlich bedeuten, dass Dein Argument selbst ebenso wie die Gegenargumente sowie die ganze Institution der Wissenschaft mit all ihren Kriterien und Gegenkriterien ebenfalls determiniert wären.

Ja und?


Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Es würde sich z.B. bei dieser Diskussion um ein ausschließlich durch innere Gefühle bestimmte Auseinandersetzung handeln, ohne jegliche Relevanz für die Erkenntnis einer äußeren oder inneren Realität.

Moment mal. Wieso sollte eine vollständig determinierte Auseinandersetzung irrelevant für die Erkenntnis sein?
Anfangszustand: kein Wissen über X -> deterministische Entwicklung -> Endzustand: Wissen über X.
Kann es sein, daß Du hier Wissen und Determiniertheit verwechselst? Siehe auch den nächsten Abschnitt ...

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Konsequent durchgeführt mündet dieses Argument tatsächlich in eine Welt, deren Erkennbarkeit irrelevant ist, da es so etwas wie "Erkennen" nicht gibt (ist doch "richtiges" ebenso wie falsches "Erkennen" physikalisch determiniert).

Das erscheint mir als Argument unlogisch. Natürlich wäre "richtiges" ebenso wie falsches "Erkennen" physikalisch determiniert. Und die Erkennbarkeit der Welt ist tatsächlich nur insofern "relevant", als mich das als Wissenschaftler, Techniker oder Philosoph interessiert. Wenn ich mittels erlangten Wissens über die Welt diese verändere, so hat das Wissen einen kausalen Effekt auf den Zustand der Welt danach, ohne daß sie deshalb weniger determiniert wäre. Also was genau meinst Du mit "irrelevant" und warum sollte sich das als Argument dafür eignen, eine stark deterministische Theorie sei unplausibel?

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Dieses hier angewandte Kriterium zum Beispiel, das Kriterium der Reflexivität einer Theorie, erlaubt doch einige Hinweise darauf, was unter "Willen" vorzustellen wäre.

Also bis jetzt verstehe ichs noch nicht ...

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Dabei meine ich ... einen Begriff der Subjektivität. Ein Subjekt (Person) ist natürlich geprägt und bedingt durch eine Vielzahl von physischen wie psychischen Sachverhalten; und das sind nicht nur welche, die sozusagen von außen dem Ich seine Entscheidung erschweren, sondern es sind welche, die auch das Ich selbst bestimmen.

Bis hierher stimme ich zu.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Dennoch entscheidet die Person (mit ihren bewussten und unbewussten Anteilen) und ist dazu auch in der Lage; ihre Entscheidung ist prinzipiell nicht sicher vorauszusehen, nicht aus Zufallsgründen, sondern weil eben diese Entscheidungsfähigkeit ihr eignet.

Wieso sollte das so sein? Was sollte diese "Person", diese "Entscheidungsfähigkeit" anderes sein als ein komplexes emergentes Phänomen aus materiellen Zutaten? Hast Du einen Beleg für irgendetwas Immaterielles? Kannst Du für diese "Geistperson" oder die "Entscheidungsfähigkeit" ein Falsifikationskriterium angeben, also eine Voraussage, die, wenn sie einträfe, die rein materialistische Interpretation widerlegen würde? Falls nicht, würde ich Deine Behauptung vorerst für reine Esoterik halten, vergleichbar einem übernatürlichen Gott.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
... Doch spielt die Fähigkeit der bewussten Entscheidung für oder gegen ein Argument, das "Ausbalancieren" unbewusster Antriebe, eine erhebliche Rolle im speziell menschlichen Denken und Handeln.

Das bezweifle ich ja gar nicht. Aber was spricht dagegen, daß dieses "Ausbalancieren" eine rein materieller Ablauf ist, der von unserem Bewußtsein begleitet wird? Abgesehen davon, daß uns diese Vorstellung vielleicht unsympathisch sein mag.

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Beitrag(#268155) Verfasst am: 27.02.2005, 17:05    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Mautpreller,

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Historische Wissenschaften können nicht (uneingeschränkt) die Kriterien des Vorhersagewerts und der Falsifizierbarkeit akzeptieren. Das hat mindestens einen einfachen Grund, sie untersuchen nämlich (immerhin teilweise) etwas, was schon geschehen ist und vielleicht nie wieder geschieht. (Gilt übrigens teilweise auch für die Biologie.)


Exakt. Man kann dem sogar noch einen d'raufsetzen, indem man zeigt, daß Theorien, die sich mit historischen Sachverhalten beschäftigen, denselben methodologischen Status haben, wie die sog. "Gegenwartswissenschaften": Der Punkt ist, daß man in allen Wissenschaften von Sachverhalten redet, die nicht direkt feststellbar sind. Man kann sie letztlich immer nur postulieren und muß das Postulat dann durch rationales Abwägen der Beobachtungsdaten prüfen. Ob ich nun einen unbeobachtbaren (weil historischen) Prozeß oder einen Gegenstand (wie z.B. ein Atom oder ein Neutrino) postuliere, ist für die Testsituation Jacke wie Hose.


Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Auch die Methode des Experiments kann in diesem Kontext nicht als anderen Methoden überlegen angesehen werden. Du wirst schon noch'n bisschen mehr zugestehen müssen, wenn Du tatsächlich was von soziologischen oder psychologischen oder historischen oder Textwissenschaften haben willst, d.h. wenn für Dich Interdisziplinarität (wenigstens vorläufig) einen Sinn ergeben soll. Nämlich (wenigstens vorläufig) einräumen, dass diese Wissenschaften (auch) mit anderen, jedoch ebenfalls vernünftig begründeten Kriterien arbeiten.


Ja, die "Geschichtswissenschaften" stehen allenfalls vor dem Problem, daß sie es mit quantitativen Beschränkungen bei der Datenerhebung zu tun haben, aber es gibt keinen qualitativ-methodologischen Unterschied in der Rekonstruktion der sich "jenseits" der Beobachtung ansiedelnden Wirklichkeit. Die "experimentelle Wiederholbarkeit" ist also nicht das Kriterium, worauf es ankommt, denn ein Experimentator kann lediglich die Paramater zu einem gewissen Grade frei wählen. Er wird aber nie den theoretisch angenommen Gegenstand zu Gesicht bekommen, und wenn er sein Experiment noch so oft wiederholt. Um den postulieren Gegenstand zu erschließen, bedarf es immer einer rationalen Denkleistung.

BTW, versuche mal, mittels reproduzierbaren Experimenten die Existenz eines Schwarzen Lochs oder die Galileische Theorie nachzuweisen... zwinkern

Grüße

Martin
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step
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Beitrag(#268158) Verfasst am: 27.02.2005, 17:21    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Um den eigentlich postulieren Gegenstand zu erschließen, bedarf es immer einer rationalen Denkleistung. Und hierfür ist es grundsätzlich egal, wie oft die ausschlaggebende Beobachtung wiederholt wird.

Das ist im Prinzip richtig, zielt aber am eigentlichen Kern vorbei. Es kommt darauf an, wieviel Wissen über die Welt in einer Theorie steckt, also wieviel "Simulationskraft". So ist es vergleichsweise wenig Wissen, daß Caesars Lieblingsbrosche goldfarben war, im Vergleich etwa zum Zitronensäurezyklus. Welche historischen Theorien sagen wirklich etwas strukturell Fundamentales über die Welt aus?

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
BTW, versuche mal, mittels reproduzierbaren Experimenten die Existenz eines Schwarzen Lochs ... nachzuweisen... zwinkern

Wieso, wo ist das Problem? Man schaut einem schwarzen Loch bei der Entstehung zu. Und dann noch einem. Oder man mißt die Strahlung, vegleicht die Lichtablenkung mit der ART-Voraussage usw.

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Beitrag(#268175) Verfasst am: 27.02.2005, 18:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Um den eigentlich postulieren Gegenstand zu erschließen, bedarf es immer einer rationalen Denkleistung. Und hierfür ist es grundsätzlich egal, wie oft die ausschlaggebende Beobachtung wiederholt wird.

Das ist im Prinzip richtig, zielt aber am eigentlichen Kern vorbei. Es kommt darauf an, wieviel Wissen über die Welt in einer Theorie steckt, also wieviel "Simulationskraft". So ist es vergleichsweise wenig Wissen, daß Caesars Lieblingsbrosche goldfarben war, im Vergleich etwa zum Zitronensäurezyklus. Welche historischen Theorien sagen wirklich etwas strukturell Fundamentales über die Welt aus?


Beispielsweise die Urknalltheorie, die Deszendenztheorie, die Theorie der Planetenentstehung, die Kontinentaldrifthypothese, die "Impakt-Theorie"... soll ich die Aufzählung fortsetzen? Natürlich lassen sich auch niederrangige Aussagen über bereits stattgehabte Vorgänge aufstellen. Das gilt aber für gegenwärtige Ereignisse ebenso. So beinhaltet z.B. die Theorie, die erklärt, warum Flammen heiß sind oder Zitronen sauer schmecken, ebenfalls vergleichsweise wenig Wissen.

Es gibt übrigens auch wichtige Gegenwarts-Prozesse, die sich nicht vorhersagen bzw. nur chaostheoretisch beschreiben lassen. Der "Knackpunkt" ist demnach nicht die Frage, ob es ein historischer Prozeß war, sondern die Frage, wie komplex der Prozeß ist, den es zu beschreiben gilt. So läßt sich aus heutiger Sicht nicht vorhersagen, "in welche Richtung" wie bestimmte Arten evolvieren werden, weil die Wechselwirkungen viel zu verschachtelt sind, um sie zu durchschauen. Wenn man alle Randbedingungen kennte, wäre es prinzipiell auch möglich, einen historischen Evolutionsschritt (durch Retrodiktion) vorherzusagen. Dies sollte vor allem dann möglich sein, wenn die Welt deterministisch wäre, wie Du behauptest.


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
BTW, versuche mal, mittels reproduzierbaren Experimenten die Existenz eines Schwarzen Lochs ... nachzuweisen... zwinkern

Wieso, wo ist das Problem? Man schaut einem schwarzen Loch bei der Entstehung zu. Und dann noch einem.


Der Witz ist, daß Du Schwarze Löcher nicht sehen kannst. Du kannst immer nur mutmaßen, was sich gerade abspielt. Das kann man bei historischen Sachverhalten aber genauso: Du vergleichst den Formenwandel innerhalb einer Fossilienreihe. Und dann noch einer, und noch einer... womit wir also auch hier eine gewisse Reproduzierbarkeit vorliegen haben.

Den direkten Formenwandel bekommt man natürlich nicht mehr zu Gesicht. Dasselbe in grün hast Du aber auch in der Astronomie: Ein schwarzes Loch siehst Du auch nie direkt. Und bei der ART kannst Du den Nachweis der gekrümmten Raumzeit auch immer nur indirekt führen:


Step hat folgendes geschrieben:
Oder man mißt die Strahlung, vegleicht die Lichtablenkung mit der ART-Voraussage usw.


Du kannst natürlich analog hierzu auch vergangene Prozesse im Nachhinein durch die Theorie voraussagen. Man nennt das Retrodiktion. Denk z.B. an Darwin und die Voraussage, daß man Zwischenformen finden wird, die "halb Reptil halb Vogel" sind. Solche gefiederten Saurier hat man dann tatsächlich gefunden. Cool

Grüße

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Beitrag(#268192) Verfasst am: 27.02.2005, 19:29    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Um den eigentlich postulieren Gegenstand zu erschließen, bedarf es immer einer rationalen Denkleistung. Und hierfür ist es grundsätzlich egal, wie oft die ausschlaggebende Beobachtung wiederholt wird.

Das ist im Prinzip richtig, zielt aber am eigentlichen Kern vorbei. Es kommt darauf an, wieviel Wissen über die Welt in einer Theorie steckt, also wieviel "Simulationskraft". So ist es vergleichsweise wenig Wissen, daß Caesars Lieblingsbrosche goldfarben war, im Vergleich etwa zum Zitronensäurezyklus. Welche historischen Theorien sagen wirklich etwas strukturell Fundamentales über die Welt aus?

Beispielsweise die Urknalltheorie, die Deszendenztheorie, die Theorie der Planetenentstehung, die Kontinentaldrifthypothese, die "Impakt-Theorie"... soll ich die Aufzählung fortsetzen?

Interessant, daß Du nur Beispiele aufzählst, die naturwissenschaftlich sind. Und die zudem weltweit einen starke Generalität haben (wiederholbar sind).

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Natürlich lassen sich auch niederrangige Aussagen über bereits stattgehabte Vorgänge aufstellen. Das gilt aber für gegenwärtige Ereignisse ebenso. So beinhaltet z.B. die Theorie, die erklärt, warum Flammen heiß sind oder Zitronen sauer schmecken, ebenfalls vergleichsweise wenig Wissen.

Durchaus richtig.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Es gibt übrigens auch wichtige Gegenwarts-Prozesse, die sich nicht vorhersagen bzw. nur chaostheoretisch beschreiben lassen. Der "Knackpunkt" ist demnach nicht die Frage, ob es ein historischer Prozeß war, sondern die Frage, wie komplex der Prozeß ist, den es zu beschreiben gilt.

Auch damit kann ich mich anfrenden, es paßt zu meiner Wissens-hypothese. Wenngleich auch hier eine Kenntnis der allgemeinen Simuationsformeln für Wetter interessanter ist als die Kenntnis des Wetters von morgen in Rom.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
So läßt sich aus heutiger Sicht nicht vorhersagen, "in welche Richtung" wie bestimmte Arten evolvieren werden, weil die Wechselwirkungen viel zu verschachtelt sind, um sie zu durchschauen. Wenn man alle Randbedingungen kennte, wäre es prinzipiell auch möglich, einen historischen Evolutionsschritt (durch Retrodiktion) vorherzusagen. Dies sollte vor allem dann möglich sein, wenn die Welt deterministisch wäre, wie Du behauptest.

Prinzipiell ist das mE tatsächlich möglich, weil - bezüglich des Determinismus - Zukunft und Vergangenheit unerheblich sind. Leider nicht bezüglich einiger wesentlicher Naturgesetze, so daß es in der Praxis ein starker gradueller Unterschied sein kann. Ist das Naturgesetz hinreichend symmetrisch, ist es für die Berechnung tatsächlich kein Unterschied, etwa ist es mitten in einem klassischen Fenstersturz gleichwertig, in die Zukunft oder Vergangenheit zu rechnen, ebenso bei Planetenbewegungen.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Der Witz ist, daß Du Schwarze Löcher nicht sehen kannst. Du kannst immer nur mutmaßen, was sich gerade abspielt. Das kann man bei historischen Sachverhalten aber genauso: Du vergleichst den Formenwandel innerhalb einer Fossilienreihe. Und dann noch einer, und noch einer... womit wir also auch hier eine gewisse Reproduzierbarkeit vorliegen haben.

Sag ich doch. Deswegen können sich auch historische Wissenschaften an die naturwissenschaftliche Methode halten.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Du kannst natürlich analog hierzu auch vergangene Prozesse im Nachhinein durch die Theorie voraussagen. Man nennt das Retrodiktion. Denk z.B. an Darwin und die Voraussage, daß man Zwischenformen finden wird, die "halb Reptil halb Vogel" sind. Solche gefiederten Saurier hat man dann tatsächlich gefunden.

Wem erklärst Du das, es ist meine Rede! "Voraussagen" beziehen sich zwar auf zukünftige Überprüfungsereignisse, nicht aber unbedingt auf Phänomene, die erst in der Zukunft verursacht werden. Einfaches Beispiel ist das Licht entfernter Galaxien, daß morgen gemessen, aber bereits kurz nach dem Urknall produziert wurde.

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Sangus
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Beitrag(#268217) Verfasst am: 27.02.2005, 21:50    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:

Bei Libets Versuchen betrug diese Verzögerung ungefähr 0.3 Sekunden, was das alltägliche Leben nicht unbedingt erschwert.

Nein. Libet hat den Zeitunterschied zwischen neuronalen Ereignissen und der Bewußtwerdung einer Entscheidung gemessen, und nicht den Zeitraum zwischen Bewußtwerden einer Entscheidung und Ausführung der daraus resultierenden Handlung.
Genau davon war allerdings die Rede.

step hat folgendes geschrieben:
[...] insbesondere wenn es um Begründungen für moralische Urteile über andere geht [...] Diesmal ist die Erschütterung aber größer, denn sie trifft unser traditionelles Schuld- und Ich-Verständnis zentral

Das ist immer der Moment, in dem ich denke, dass spätestens hier auch dem borniertesten Physik-Freak die Inkonsistenz seiner Argumentation bewußt werden müsste:
Wenn der Angeklagte prinzipiell nicht für sein Verhalten verantwortlich gemacht werden kann, weil er nur tut, was die vor sich hin funktionierende Materie ihm abverlangt, dann gilt selbstverständlich genau dasselbe auch für Richter und Henker. Wenn 'Schuld' eine Illusion ist, dann ist 'Sühne' ebenfalls nicht real! Die Vorstellung, von jemand anderem zu Unrecht für etwas verurteilt zu werden, ist jetzt genauso illusorisch wie die Verantwortung für die Tat, da ja der Richter in seinem Urteil genauso wenig frei ist wie es der Angeklagte war, als er sich zu dem Vergehen entschloss. Und der Henker, der dem Dieb schlußendlich die Hand abhackt, kommt als 'Verantwortlicher' natürlich auch nirgends vor.

Wir müssen also aufgrund der vermeintlichen naturwissenschaftlichen Erkenntnis hinsichtlich unseres Verständnisses von 'Moral' und 'Schuld' gar nichts überdenken. Im Grunde ist 'Denken' insgesamt nicht mehr notwendig, denn das tut man ja in der Regel, um zu Entscheidungen zu gelangen - und da es den Vorgang des 'Entscheidens' nicht gibt, ist auch das 'Denken' hinfällig geworden.
Wir können uns also einfach still hinsetzen, uns immer wieder sagen, dass es einfach nur ist, wie es ist, und warten, dass unser 'Ich' (bzw. die Illusion, die wir dafür halten) aufhört zu existieren.

Gruß
Sangus

P.S.: Habe in einem anderen Thread gelesen, dass Du drei Kinder hast. Berücksichtigst Du bei deren Erziehung eigentlich die Einsicht, dass sie im Grunde für nichts von dem, was sie tun, verantwortlich sind?
Und wenn ja: Könnte es sein, dass Ihr ein paar Probleme mit Euren Nachbarn habt ?


P.P.S. Ach ja, noch was: Libet hat ein neues Buch veröffentlicht, das hier besprochen wird.

Ich darf kurz aus dieser Besprechung zitieren:

faz.net hat folgendes geschrieben:
[...]Libets revidierter Befund lautet [...]: "Das allgemeine Prinzip, das im Gegensatz zum Behaviorismus befolgt werden sollte, besteht darin, daß die von außen beobachtbaren physikalischen Ereignisse und die innerlich beobachtbaren mentalen Eigenschaften phänomenologisch voneinander unabhängige Kategorien sind." Gewiß seien sie miteinander "verknüpft", jedoch: "Keines der beiden Phänomene ist auf das andere reduzierbar oder durch das andere beschreibbar."
(Hervorhebung von mir)

q.e.d.

Und abschließend bemerkt der Autor des Artikels:

faz.net hat folgendes geschrieben:
Libets Buch hat eine ernüchternde Botschaft: Je mehr die neurowissenschaftlichen Hirnbefunde anschwellen, desto offener bleibt, was sie bedeuten.

Damit wäre aus meiner Sicht alles gesagt.
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step
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Beitrag(#268264) Verfasst am: 28.02.2005, 00:43    Titel: Antworten mit Zitat

Sangus hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Bei Libets Versuchen betrug diese Verzögerung ungefähr 0.3 Sekunden, was das alltägliche Leben nicht unbedingt erschwert.

Nein. Libet hat den Zeitunterschied zwischen neuronalen Ereignissen und der Bewußtwerdung einer Entscheidung gemessen, und nicht den Zeitraum zwischen Bewußtwerden einer Entscheidung und Ausführung der daraus resultierenden Handlung. Genau davon war allerdings die Rede.

Sangus, schau genau! Obiges Zitat war gar niht von mir, sondern von Narziss. Meine gesamte Argumentation in diesem thread funktioniert auch ohne Libet.

Sangus hat folgendes geschrieben:
Wenn der Angeklagte prinzipiell nicht für sein Verhalten verantwortlich gemacht werden kann, weil er nur tut, was die vor sich hin funktionierende Materie ihm abverlangt, dann gilt selbstverständlich genau dasselbe auch für Richter und Henker.

So ist es.

Sangus hat folgendes geschrieben:
Wenn 'Schuld' eine Illusion ist, dann ist 'Sühne' ebenfalls nicht real!

Yep.

Sangus hat folgendes geschrieben:
Die Vorstellung, von jemand anderem zu Unrecht für etwas verurteilt zu werden, ist jetzt genauso illusorisch wie die Verantwortung für die Tat, da ja der Richter in seinem Urteil genauso wenig frei ist wie es der Angeklagte war, als er sich zu dem Vergehen entschloss. Und der Henker, der dem Dieb schlußendlich die Hand abhackt, kommt als 'Verantwortlicher' natürlich auch nirgends vor.

Du denkst zu kurz. Es geht darum, was wir wollen. Es geht darum, daß der Richter in unserem Auftrag einen wahrscheinlichen Tatwiederholer zur Therapie oder zum Wegschluß zwingt. NICHT um die Schuld des Täters (oder des Richters).

Sangus hat folgendes geschrieben:
Wir müssen also aufgrund der vermeintlichen naturwissenschaftlichen Erkenntnis hinsichtlich unseres Verständnisses von 'Moral' und 'Schuld' gar nichts überdenken. Im Grunde ist 'Denken' insgesamt nicht mehr notwendig, denn das tut man ja in der Regel, um zu Entscheidungen zu gelangen - und da es den Vorgang des 'Entscheidens' nicht gibt, ist auch das 'Denken' hinfällig geworden.

Andere Tiere tun es ja auch nicht. Du hast also recht, es ist eigentlich hinfällig, aber wir tun es trotzdem! Du hast auch schon gedacht, als Du noch gar nicht wußtest, daß es Entscheidungen geben könnte. Dein Argument greift nicht, da es genausogut einen Zwang zu denken geben könnte - der mehr oder weniger stark ausgeprägt ist.

Sangus hat folgendes geschrieben:
P.S.: Habe in einem anderen Thread gelesen, dass Du drei Kinder hast. Berücksichtigst Du bei deren Erziehung eigentlich die Einsicht, dass sie im Grunde für nichts von dem, was sie tun, verantwortlich sind?

Wie kommst Du von Schuld auf Verantwortlichkeit? Natürlich sind meine Kinder veantwortlich, weil iihnen diese Verantwortung zugemessen wird (von mir, den Nachbarn usw.). Das bedeutet, ich fühle mich "gezwungen", sie so zu erziehen, daß sie sich verantwortlich fühlen.

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Beitrag(#268286) Verfasst am: 28.02.2005, 03:32    Titel: Antworten mit Zitat

@step
Bist Du eigentlich Physiker? Würde mich mal interessieren.

Nehmen wir einmal wider alle Vernunft und wider alle Lebenserfahrung an, dass der Determinismus existieren würde; dass also alles, was geschieht und jemals geschehen wird, vorherbestimmt wäre; dann wären folgende Konzepte alle pure Illusion und damit hinfällig und unsinnig:

    Freier Wille

    Schuld, Verantwortung, Gewissen, Moral, Ethik

    Phantasie, Kreativität

    Intelligenz, Logik

    Lernen, Erkenntnis, Naturwissenschaft, Wissenschaft, Wissen, Realität, Naturgesetze

    Determinismus


step hat folgendes geschrieben:
Wie kommst Du von Schuld auf Verantwortlichkeit? Natürlich sind meine Kinder veantwortlich, weil iihnen diese Verantwortung zugemessen wird (von mir, den Nachbarn usw.). Das bedeutet, ich fühle mich "gezwungen", sie so zu erziehen, daß sie sich verantwortlich fühlen.


Ich verstehe nicht. Jemand, dessen Handlungen alle vorherbestimmt sind, der kann ja wohl keine Verantwortung haben für diese Handlungen.
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Mautpreller
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Beitrag(#268333) Verfasst am: 28.02.2005, 11:31    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo step,

um mal hinten anzufangen: Was Du immer mit dem "Materiellen" und "Immateriellen" hast, erschließt sich mir nicht. Ich habe nie behauptet, dass Denken etwas prinzipiell Immaterielles wäre, das von einer "Geist-Person" geleistet wird. Genauer könnte ich sagen: Der Prozess des Denkens lässt sich von einer "materiellen" Seite her anschauen (hier kann man Aktionspotenziale etc. unterbringen) und von einer "immateriellen" Seite, der Tätigkeit des Subjekts. Das sind zwei Seiten einer Medaille, eines Prozesses. Die Betrachtung von der "materiellen" Seite hat, möchte man das Handeln des Subjekts untersuchen, grundsätzliche Defekte und muss deswegen ergänzt werden durch eine Betrachtung ihrer "immateriellen" Seite. Diese Art des Denkens ist doch übrigens gerade in der modernen Physik recht verbreitet ...

Der Begriff der Emergenz ist für mein Gefühl eigentlich nichts anderes als ein Geständnis: Man möchte einen erkenntnistheoretischen Realismus bewahren, stößt dabei aber auf riesige Schwierigkeiten - eine gewaltige Lücke zwischen dem Gemessenen/Gezählten/kausal Verursachten und der selbst erfahrenen und kommunizierten freien Tätigkeit des Denkens. So sucht man sich einen Begriff, der diese Lücke überdeckt. Das kann die Emergenz sein, beliebt ist auch dieser Quantenkram, die Chaostheorie und vieles mehr. Dabei liegt dieser Dualismus ganz offensichtlich zunächst mal in den Kategorien unseres Denk- und Vorstellungsvermögens. Und zwar beide Seiten des Dualismus, die "materielle", wie die "immaterielle", die kausal bedingte wie die frei handelnde. Eine Auflösung der einen in die andere Kategorie wäre nur dann statthaft, wenn man sie zeigen könnte - was selbst als Gedankenspiel bislang m.E. noch keiner geschafft hat. Als Kategorien der Wahrnehmung sind sie ohnehin nicht reduzierbar (auch wenn zB El Schwalmo davon träumt, dass dies geschehen könnte ...).

Zu meiner Behauptung, dass "starker" Determinismus den Begriff des Erkennens im Grunde irrelevant macht: Wenn Determinismus tatsächlich in dieser starken Variante verstanden wird: dass alles im Grunde im Moment des Urknalls schon festgelegt war und ein Laplacescher Dämon das entsprechend auch schon hätte alles voraussagen können (genauer wäre wohl: für den wäre das im Grunde alles schon geschehen) - dann sind tatsächlich freie Tätigkeiten von Beginn an ausgeschlossen. Damit ist aber auch kein Wahrheitskriterium mehr verfügbar, weil jegliche Tätigkeit des Erkennens und Prüfens prinzipiell ein bereits determiniertes Resultat hätte. Die Prüfung an irgendwelchen Kriterien, Widerspruchsfreiheit, Falsifizierung usw., die wissenschaftliche Debatte, all das hätte bereits ein von vornherein feststehendes Resultat; oder genauer: mehrere, nämlich alle, die je erzielt wurden. Alle empirischen Resultate wissenschaftlichen Denkens ebenso wie alle ihre Prüfkriterien wären in gleicher Weise determiniert. Sie ließen sich bezüglich ihres Wahrheitsgehalts nicht voneinander unterscheiden, hätten als determinierte alle die gleiche Dignität - oder vielmehr gar keine. Ebenso wenig hätte der Begriff des (Erkenntnis-)Fortschritts einen Sinn - Fortschritt gemessen an was und vor allem von wem? Allein der (unterliegende) Realprozess könnte "Wahrheit" für sich beanspruchen, doch hätte dieser Begriff keinen Sinn, weil kein Subjekt zur Verfügung stünde, das diesen prüfen kann.

"Schwächere" Determinismusvarianten kann man sich m.E. vorstellen und durchdenken, sie ergeben auch in der reflexiven Anwendung auf das Denken selbst plausiblere Resultate. (Ich kann freilich trotzdem nicht behaupten, dass sie mich überzeugen.) Diese "starke" Variante, die Du hier vertrittst (oder täusche ich mich, und Du vertrittst sie gar nicht? Das wäre ganz gut möglich ...), führt m.E. in hoffnungslose Aporien.
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step
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Beitrag(#268344) Verfasst am: 28.02.2005, 12:22    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Bist Du eigentlich Physiker? Würde mich mal interessieren.

Ja, bin ich, wenn ich auch einen ganz anderen Beruf ausübe.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir einmal wider alle Vernunft und wider alle Lebenserfahrung an, dass der Determinismus existieren würde; dass also alles, was geschieht und jemals geschehen wird, vorherbestimmt wäre; ...

Es wäre mir recht, wenn Du das "vorher" weglassen würdest. "bestimmt" reicht aus und trifft es besser. Gemeint ist, daß alle Zusammenhänge naturgesetzlich festliegen, daß die Welt also eine (verallgemeinert) turingartig (und damit erst recht unitär) ist. Was nicht heißt, daß wir auch alles berechnen können oder jemals können werden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... dann wären folgende Konzepte alle pure Illusion und damit hinfällig und unsinnig:
Freier Wille ...

Ja, wenn man ihn nicht auf das (dann letztlich illusionäre) Gefühl der Handlungsfreiheit beschränken will.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Schuld

Ja, wenn man sie nicht auf ein rein utilitaristisches Zumessungskonzept reduzieren will (

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Verantwortung, Gewissen, Moral, Ethik, Phantasie, Kreativität, Intelligenz, Logik, Lernen, Erkenntnis, Naturwissenschaft, Wissenschaft, Wissen

Nein. All diese verlieren vielleicht ihren göttlichen Nimbus (so sie denn einen hatten), aber auch in einer determinierten Welt gibt es doch beispielsweise Zeitpunkte, zu denen Wissen über ein Phänomen vorhanden ist, und Zeitpunkte, zu denen dieses Wissen nicht vorhanden ist. Die Welten zu diesen Zeitpunkten unterschieden sich also bezüglich des vorhandenen Wissens. Vielleicht solltest Du genauer definieren, was dE in einer determinierten Welt z.B. an "Wissen" Illusion sei.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Realität, Naturgesetze

Was genau meinst Du hier? Wieso sind determinierte Naturgesetze illusionärer?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wie kommst Du von Schuld auf Verantwortlichkeit? Natürlich sind meine Kinder veantwortlich, weil ihnen diese Verantwortung zugemessen wird (von mir, den Nachbarn usw.). Das bedeutet, ich fühle mich "gezwungen", sie so zu erziehen, daß sie sich verantwortlich fühlen.
Ich verstehe nicht. Jemand, dessen Handlungen alle vorherbestimmt sind, der kann ja wohl keine Verantwortung haben für diese Handlungen.

Doch, ich kann sie ihm zuweisen, d.h. ich habe ein Interesse daran, daß er sich so oder so verhält, z.B. nicht mordet. So ergibt sich die Ethik wie ein Eigenwert aus all den komplizierten deterministischen Einflüssen.

gruß/step
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step
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Beitrag(#268347) Verfasst am: 28.02.2005, 12:39    Titel: Antworten mit Zitat

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
um mal hinten anzufangen: Was Du immer mit dem "Materiellen" und "Immateriellen" hast, erschließt sich mir nicht. Ich habe nie behauptet, dass Denken etwas prinzipiell Immaterielles wäre, das von einer "Geist-Person" geleistet wird.

Es ist mir halt wichtig, erstmal eine Übereinstimmung zu erzielen, daß das Bewußtsein komplett materiell emergiert, daß also keine immateriellen Zutaten nötig sind, damit es entstehen kann. Stimmst Du mir da zu?

Falls ja: Dann ist Dein dualistischer Ansatz inkonsistent, denn wo sollte das "frei handelnde, immaterielle" herkommen?
Falls nein: Dann konkretisiere bitte, welche immateriellen Zutaten nötig sind, damit Bewußtsein entstehen kann.

[...]


Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Zu meiner Behauptung, dass "starker" Determinismus den Begriff des Erkennens im Grunde irrelevant macht: Wenn Determinismus tatsächlich in dieser starken Variante verstanden wird: dass alles im Grunde im Moment des Urknalls schon festgelegt war und ein Laplacescher Dämon das entsprechend auch schon hätte alles voraussagen können (genauer wäre wohl: für den wäre das im Grunde alles schon geschehen) - dann sind tatsächlich freie Tätigkeiten von Beginn an ausgeschlossen.

Ja.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Damit ist aber auch kein Wahrheitskriterium mehr verfügbar, weil jegliche Tätigkeit des Erkennens und Prüfens prinzipiell ein bereits determiniertes Resultat hätte.

Doch. Ein (hypothet. realist.) Wahrheitskriterium (ich bevorzuge "Theoriegüte-Kriterium) ist dann - wie jetzt - die Güte dr Voraussagen einer Theorie. In formalen Systemen kann es auch absolute Wahrheitskriterien geben (formale Beweise). Ich verstehe nicht, wieso diese Methoden in einer determinierten Welt nicht mehr funktionieren sollten.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Die Prüfung an irgendwelchen Kriterien, Widerspruchsfreiheit, Falsifizierung usw., die wissenschaftliche Debatte, all das hätte bereits ein von vornherein feststehendes Resultat; oder genauer: mehrere, nämlich alle, die je erzielt wurden.

Richtig. Allerdings kennen das die Wissenschaftler meist nicht.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Alle empirischen Resultate wissenschaftlichen Denkens ebenso wie alle ihre Prüfkriterien wären in gleicher Weise determiniert. Sie ließen sich bezüglich ihres Wahrheitsgehalts nicht voneinander unterscheiden, hätten als determinierte alle die gleiche Dignität - oder vielmehr gar keine.

Wieso das? Sie sind doch - trotz der Determiniertheit ihrer Findung - unterschiedlich nützlich, oder?

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Ebenso wenig hätte der Begriff des (Erkenntnis-)Fortschritts einen Sinn - Fortschritt gemessen an was und vor allem von wem?

Fortschritt gemessen an dem, was man zuvor wußte.

Mautpreller hat folgendes geschrieben:
Allein der (unterliegende) Realprozess könnte "Wahrheit" für sich beanspruchen, doch hätte dieser Begriff keinen Sinn, weil kein Subjekt zur Verfügung stünde, das diesen prüfen kann.

Ich weiß nicht, was Du immer mit Deiner "Wahrheit" hast. Das Experimentieren und Denken des Wissenschaftlers wäre doch ebenso ein Realprozess. Wobei ich hier mal die Diskussion über "echte Realität" außen vor lassen möchte. Auch ein Subjekt stünde zur Verfügung, wobei ich unter Subjekt ein hinreichend bewußtes Objekt verstehe.

gruß/step
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El Schwalmo
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Beitrag(#268351) Verfasst am: 28.02.2005, 12:52    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir einmal wider alle Vernunft und wider alle Lebenserfahrung an, dass der Determinismus existieren würde; dass also alles, was geschieht und jemals geschehen wird, vorherbestimmt wäre; ...

Es wäre mir recht, wenn Du das "vorher" weglassen würdest. "bestimmt" reicht aus und trifft es besser. Gemeint ist, daß alle Zusammenhänge naturgesetzlich festliegen, daß die Welt also eine (verallgemeinert) turingartig (und damit erst recht unitär) ist. Was nicht heißt, daß wir auch alles berechnen können oder jemals können werden.


vielleicht nur mal meine 0,02 EUR.

Das mit 'vorher' ist durchaus nicht trivial. In der Evolutionsforschung gibt es zwei grundlegend unterschiedliche Ansätze, die sich eben in dem 'vorher' unterscheiden. Eine Richtung (nur, um eine 'Hausnummer' zu verwenden, als 'Funktionalismus' bezeichnet) geht davon aus, dass die _Geschichte_ eines Systems wesentlich ist. Neue Einrichtungen entstehen im Rahmen derselben und sind nur innerhalb dieser zu verstehen. Eine andere Richtunge ('Strukturalismus', auch eine 'Hausnummer') hingegen geht davon aus, dass die Evolution durch Naturgesetzlichkeiten determiniert ist, für die die Geschichte eher keine Rolle spielt, weil die Naturgesetze sozusagen alles determinieren.

Autoren für die erste Auffassung wären beispielsweise Darwin, für letztere Conway Morris.

Im Rahmen Deiner 'Turing-Berechenbarkeit' könntest Du im ersten Fall auch prinzipiell nichts berechnen, weil Du nie weißt, welche kontingente Geschichte ein System aufweisen wird. Im zweiten Fall wäre eine derartige Berechung möglich.
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Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

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