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Materialismus und Intentionalität

 
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Katatonia
...the quiet cold of late november



Anmeldungsdatum: 05.04.2005
Beiträge: 826

Beitrag(#470456) Verfasst am: 09.05.2006, 22:58    Titel: Materialismus und Intentionalität Antworten mit Zitat

Im Wikipedia-Artikel zur Intentionalität (http://de.wikipedia.org/wiki/Intentionalit%C3%A4t) wird ein gegen den Materialismus gerichtetes Argument angeführt:

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
In der gegenwärtigen Philosophie des Geistes wird das Phänomen der Intentionalität insbesondere als ein Problem für den Materialismus diskutiert. Materialistische Theorien gehen davon aus, dass auch mentale Zustände nichts anderes als physische Zustände sind. Nun haben allerdings mentale Zustände die Eigenschaft der Intentionalität und scheint unklar zu sein, wie ein physischer Zustand eben diese Eigenschaft haben kann. Ein Beispiel: Der Gedanke, dass Herodot ein Historiker war ist intentional, da er sich auf Herodot und Sachverhalt, dass Herodot ein Historiker war, bezieht. Der Gedanke ist zudem wahr, da Herodot tatsächlich ein Historiker war.

Nun wird in materialistischen Theorien versucht, Gedanken etwa auf ein bestimmtes neuronales Geschehen zurückzuführen. Wenn nun aber der Gedanke mit einem Prozess im Gehirn identisch sein soll, so muss eben dieser Prozess auch intentional sein. Kritiker des Materialismus argumentieren nun aber, dass genau dies sehr unplausibel sei.[3] Kein Prozess im Gehirn scheint sich auf Herodot zu beziehen. Auch scheint es problematisch, ein neuronales Geschehen wahr oder falsch zu nennen, wie sollte die Übertragung von Nervensignalen wahr sein können?


Ist das Argument überzeugend? Oder lassen sich gute Einwände finden?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#470474) Verfasst am: 09.05.2006, 23:06    Titel: Re: Materialismus und Intentionalität Antworten mit Zitat

Katatonia hat folgendes geschrieben:
Ist das Argument überzeugend? Oder lassen sich gute Einwände finden?

Vielleicht könnte man da mit Wittgensteins Spätwerk ('Über Gewissheit') argumentieren: Wahr und falsch sind keine mentalen Zustände. Und der Satz 'Herodot war ein Historiker' bezieht sich nicht direkt auf Herodot, sondern geht nur aufgrund dessen, was Wittgenstein 'Abrichtung' (im Sinne von 'Training' oder 'Konditionierung') nennt, mit der Vorstellung Herodots einher. Sowohl der Satz 'Herodot war Historiker' als auch das mentale Bild Herodots können ja durchaus auf physikalische Vorgänge zurückgeführt werden, soweit ich weiss. Und die Verknüpfung zwischen beiden kann auch den physikalischen Vorgang des Abrichtens zurückgeführt werden, der sozusagen ein 'Programm' hinterlässt, das dem Gehirn sagt, dass der Satz eben so mit der Vorstellung verbunden wird. (Immerhin ist diese Verbindung kein Naturgesetz, sondern objektiv betrachtet rein zufällig, bzw. entstanden durch gesellschaftliche Konvention.)

Allerdings möchte ich hier aus gewissen persönlichen Gründen nicht unbedingt dem Materialismus das Wort reden, zumal ich nicht weiss, inwieweit Wittgenstein das mitgemacht hätte...
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Evilbert
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Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#470478) Verfasst am: 09.05.2006, 23:10    Titel: Re: Materialismus und Intentionalität Antworten mit Zitat

Katatonia hat folgendes geschrieben:
Ist das Argument überzeugend? Oder lassen sich gute Einwände finden?


Mir fallen fast nur off-topic-Wortklaubereien ein, z. B. den Gedanken, dasss Herodot ja vielleicht eigentlich eher Journalist und Reiseberichterstatter als Historiker war.

Aber :"Kein Prozess im Gehirn scheint sich auf Herodot zu beziehen."

Das gleiche gilt doch für alle Hirnprozesse. An Herodot zu denken, ist nicht (i]ein[/i] Hirnprozess, sondern eine Bündelung vieler Hirnprozesse. Die Tatsache, dass sich kein einzelner auf Herodot bezieht ist dann doch kein Gegenbeweis dafür, dass "Gedanken etwa auf ein bestimmtes neuronales Geschehen zurückzuführen" sein könnten oder müssten.

Es gibt schließlich auch keine einzelne Laufmuskelzelle oder einen spezifischen Laufprozeß im Muskel. Die einzelne Muskelzelle kontrahiert sich, udn ob am Ende dabei ein Sprung, ein Lauf bei rauskommt hängt vom Zusammenspiel ab.

Und laufen ist meist intentional und auf ein Zusammenspiel verschiedener materieller Prozesse zurückzuführen.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#470499) Verfasst am: 09.05.2006, 23:19    Titel: Antworten mit Zitat

@ Evilbert:
Auch eine sehr interessante Überlegung. Dementsprechend würde dann die Intentionalität (und damit das 'Ichgefühl') gar nicht so sehr in einzelnen Prozessen liegen, sondern eher im Zusammenspiel oder Gesamtsystem der ablaufenden Prozesse. Die Intention wäre damit nichts 'Unteilbares' mehr. Gefällt mir sehr gut. Smilie
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kolja
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Beitrag(#470514) Verfasst am: 09.05.2006, 23:26    Titel: Re: Materialismus und Intentionalität Antworten mit Zitat

Katatonia hat folgendes geschrieben:
Ist das Argument überzeugend?

Für manche Philosophen vielleicht. Für mich sieht das nur wie der Versuch aus, aus einer Erklärungslücke ein Argument zu basteln. Bloß weil wir derzeit noch nicht wissen, wie die genannten mentalen Konstrukte ("wahr", "falsch", "Herodot", "Historiker") in neuronalen Zuständen repräsentiert werden, kann man doch nicht schlussfolgern, dass sie prinzipiell nicht in neuronalen Zuständen repräsentiert sein können.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#470528) Verfasst am: 09.05.2006, 23:34    Titel: Re: Materialismus und Intentionalität Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Katatonia hat folgendes geschrieben:
Ist das Argument überzeugend?

Für manche Philosophen vielleicht.

Was heißt überzeugend. Sicher gibt es Philosophen, die eine solche Argumentationsschiene verfolgen.
Wenn jemand jedoch heute eine ernsthafte philosophische Veröffentlichung in Druck gibt, so kann man sich zumindest relativ sicher sein, dass die entsprechende Person sich mit dem Thema nicht nur einseitig oder oberflächlich auseinandergesetzt hat und auch Gegenargumente gegen seine Position durchaus zumindest kennt und nicht selten auch mehr oder weniger deutlich anführt. Philosophen sind ja, entgegen der Ansicht, die manche Wissenschaftler von ihnen haben oder zu haben scheinen, durchaus bei Weitem nicht einfach nur weltfremde Spinner, die einfach nur in ihren Lehnstühlen sitzen und Müll produzieren. Sagen wir: Ich halte das Argument auch nicht gerade für sehr überzeugend, aber ich kann durchaus verstehen, wenn einer es für überzeugend hält. Ich würde dann natürlich mit ihm darüber diskutieren wollen...
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kolja
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Beitrag(#470551) Verfasst am: 09.05.2006, 23:54    Titel: Antworten mit Zitat

@Tarvoc, das sollte auch keine pauschale Philosophen-Schelte sein, drum schrieb ich "manche" ... ich sehe halt in dieser Argumentation Fehlschlüsse, die unabhängig von der Zuneigung oder Abneigung zum Materialismus ins Auge springen sollten.

(Ehrlich gesagt hatte ich bereits eine bissigere Formulierung mit einem "('tschuldigung Tarvoc)" ins Eingabefeld getippt, aber dann doch wieder gelöscht ... Mr. Green)
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#470566) Verfasst am: 10.05.2006, 00:03    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Ich sehe halt in dieser Argumentation Fehlschlüsse.)

Na, die sehe ich allerdings auch. Mit den Augen rollen
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Evilbert
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Beiträge: 42408

Beitrag(#470568) Verfasst am: 10.05.2006, 00:05    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
kolja hat folgendes geschrieben:
Ich sehe halt in dieser Argumentation Fehlschlüsse.)

Na, die sehe ich allerdings auch. Mit den Augen rollen


Dafür, dass ich ehrlich gesagt habe gar nicht genau verstehe, worum es eigentlich geht habe ich dann ja wohl geradezu genial geantwortet. Lachen
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Rene Hartmann
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Beitrag(#470585) Verfasst am: 10.05.2006, 00:14    Titel: Re: Materialismus und Intentionalität Antworten mit Zitat

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
In der gegenwärtigen Philosophie des Geistes wird das Phänomen der Intentionalität insbesondere als ein Problem für den Materialismus diskutiert. Materialistische Theorien gehen davon aus, dass auch mentale Zustände nichts anderes als physische Zustände sind. Nun haben allerdings mentale Zustände die Eigenschaft der Intentionalität und scheint unklar zu sein, wie ein physischer Zustand eben diese Eigenschaft haben kann. Ein Beispiel: Der Gedanke, dass Herodot ein Historiker war ist intentional, da er sich auf Herodot und Sachverhalt, dass Herodot ein Historiker war, bezieht. Der Gedanke ist zudem wahr, da Herodot tatsächlich ein Historiker war.

Nun wird in materialistischen Theorien versucht, Gedanken etwa auf ein bestimmtes neuronales Geschehen zurückzuführen. Wenn nun aber der Gedanke mit einem Prozess im Gehirn identisch sein soll, so muss eben dieser Prozess auch intentional sein. Kritiker des Materialismus argumentieren nun aber, dass genau dies sehr unplausibel sei.[3] Kein Prozess im Gehirn scheint sich auf Herodot zu beziehen. Auch scheint es problematisch, ein neuronales Geschehen wahr oder falsch zu nennen, wie sollte die Übertragung von Nervensignalen wahr sein können?


Mal so ganz auf die Schnelle habe ich den Eindruck, dass diese Kritik am Materialismus verschiedene Ebenen durcheinanderbringt. Der Prozess im Gehirn bezieht sich zwar nicht auf Herodot, aber er implementiert - so würde ich das ausdrücken - den Gedanken, der sich auf Herodot bezieht.

Eine hochinteressante Frage ist auch, wie man Vorgänge in Computern einsortiert. Ich kann ja Fakten in Datenbanken speichern, und diese Fakten können wahr oder falsch sein. Kann man in den Vorgängen im Computern einen ähnlichen Status zubilligen wie den Prozessen im menschlichen Gehirn, die Gedanken entsprechen? Ich neige dazu, dies zu bejahen.
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Evilbert
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Beiträge: 42408

Beitrag(#470608) Verfasst am: 10.05.2006, 00:29    Titel: Re: Materialismus und Intentionalität Antworten mit Zitat

Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:
Kann man in den Vorgängen im Computern einen ähnlichen Status zubilligen wie den Prozessen im menschlichen Gehirn, die Gedanken entsprechen? Ich neige dazu, dies zu bejahen.


Selbstmurmelnd. Der PC und die darauf ablaufenden Vorgänge sind ja eben nach den Bedürfnissen, ja nach dem Abbild des menschlichen Geistes erschaffen und eingerichtet worden.

Eine Abfrage in Access kann ich ja nur nach den Strukturen und Daten machen, die in der entsprechend erstellten Datei gemacht worden sind. Solch eine Datei ist aber veränderbar. Die Intention ist die Datei, und das Programm Access wäre die Struktur des Hirns, und der PC ist das materiell existierende Hirn.

Nicht aber ist die "Intention" gleichsetzbar mit der Buchstabenaneinanderreihung "Herodot". Die fände sich bestimmt auch in irgendeiner Worddatei eines Nichthochdeutssprechenden; etwa: "Rambo wurde erschossen; da war der Hero dot."
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Katatonia
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Anmeldungsdatum: 05.04.2005
Beiträge: 826

Beitrag(#472730) Verfasst am: 12.05.2006, 02:18    Titel: Antworten mit Zitat

Hm, und wenn man Intentionalität einfach als ein emergentes Phänomen auffasst, das sich aus dem Zusammenwirken der Neurone ergibt, so besteht zur materialistischen Sicht doch eigentlich keinerlei Widerspruch, oder?
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Beitrag(#472758) Verfasst am: 12.05.2006, 07:48    Titel: Antworten mit Zitat

Katatonia hat folgendes geschrieben:
Hm, und wenn man Intentionalität einfach als ein emergentes Phänomen auffasst, das sich aus dem Zusammenwirken der Neurone ergibt, so besteht zur materialistischen Sicht doch eigentlich keinerlei Widerspruch, oder?

Genau. Bei einfachen Emergenzen leuchtet das auch sofort ein, beispielsweise die "Flüssigkeit" von Wasser oder die "Kompaktheit" von Feststoffen. Manche Emergentisten unterstellen einem allerdings "plumpen Reduktionismus", wenn man sich erdreistet, Emergenz als renen Effekt materieller Komplexität zu sehen, insbesondere wenn es um weniger einfache Emergenzen geht, etwa Bewußtsein.
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Axel
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Anmeldungsdatum: 13.03.2006
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Beitrag(#485886) Verfasst am: 31.05.2006, 00:23    Titel: Re: Materialismus und Intentionalität Antworten mit Zitat

Evilbert hat folgendes geschrieben:
"Rambo wurde erschossen; da war der Hero dot."
Gröhl... Gröhl... Gröhl...
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zelig
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Beiträge: 25405

Beitrag(#485971) Verfasst am: 31.05.2006, 10:42    Titel: Antworten mit Zitat

Allerdings verstehe ich nicht, wenn man Bewußtsein im reinen Abbildungsverhältnis zu materiellen Prozessen sieht, wie man erwarten kann, daß ein Wissenzuwachs tatsächlich stattfindet. Dabei meine ich einen qualitativen Zuwachs. Der harte Materialist bezeichnet diesen Gesamtprozess vielleicht als Selbstmodellierung der (physikalischen) Welt, erwartet aber zugleich, daß diese mal ein Bewußtsein erzeugt, mit einer Anschauung der Welt, welche eine bestimmte Qualität haben soll. Welche Gesetzmäßigkeiten in der physikalischen Welt sind es aber, die diese Erwartung der Materialisten erfüllen sollen? Warum soll die Selbstmodellierung nicht eine Beliebigkeit der Physik sein, welche keine Rücksicht nimmt auf die Annahme, daß das Modell in einem bestimmten Verhältnis zur Vorlage steht?
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Umunmutamnak
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Beitrag(#485981) Verfasst am: 31.05.2006, 11:07    Titel: Re: Materialismus und Intentionalität Antworten mit Zitat

Evilbert hat folgendes geschrieben:
Katatonia hat folgendes geschrieben:
Ist das Argument überzeugend? Oder lassen sich gute Einwände finden?


Mir fallen fast nur off-topic-Wortklaubereien ein, z. B. den Gedanken, dasss Herodot ja vielleicht eigentlich eher Journalist und Reiseberichterstatter als Historiker war.

Aber :"Kein Prozess im Gehirn scheint sich auf Herodot zu beziehen."

Das gleiche gilt doch für alle Hirnprozesse. An Herodot zu denken, ist nicht (i]ein[/i] Hirnprozess, sondern eine Bündelung vieler Hirnprozesse. Die Tatsache, dass sich kein einzelner auf Herodot bezieht ist dann doch kein Gegenbeweis dafür, dass "Gedanken etwa auf ein bestimmtes neuronales Geschehen zurückzuführen" sein könnten oder müssten.

Es gibt schließlich auch keine einzelne Laufmuskelzelle oder einen spezifischen Laufprozeß im Muskel. Die einzelne Muskelzelle kontrahiert sich, udn ob am Ende dabei ein Sprung, ein Lauf bei rauskommt hängt vom Zusammenspiel ab.

Und laufen ist meist intentional und auf ein Zusammenspiel verschiedener materieller Prozesse zurückzuführen.



Ich finde den Hinweis auf Herodot originell, das muß ich sagen. (ich habe mich damit auch beschäftigt) Daß er sowas wie ein Journalist oder Reiseschriftsteller (mit frechem Humor) gewesen ist, sehe ich auch so.

So sprunghaft scheint mir dein Gedankengang gar nicht, jedenfalls nicht sprunghafter, als in einem Forum üblich.

Wenn man über die immense Nachwirkung dieses sog. "Vaters der Geschichtsschreibung" nachdenkt, könnte man nachdenklich werden. (ich meine jetzt nicht nur, wie sich z.B. Goethe, Faust II, klassische Walpurgisnacht, auf die goldsuchenden Riesenameisen in Hinterindien bezieht, Goethe selbst war ja wahrscheinlich - wie Herodot - sowas wie ein hochgebildeter Ironiker - oder etwa nicht?)

Irgendwo liegen eben die Quellen kulturellen Wissens und der Denktraditionen. Das witzige, und freche "Wesen" von Herodot haben sicher die Wahrnehmung des antiken Griechenlands bis in die heutige Zeit beeinflußt (so ein tragisch-zermürbter Denker wie NIetzsche hat sicgh denn auch - soweit ich weiß - eher nicht so viel auf Herodot bezogen)

Ich würde sogar die kühne These aufstellen, daß Nachwirkungen dieser uralten Texte (Herodot wirkte ca. 400 vor Chr., glaube ich) bis heute auch dann anzutreffen sind, wenn man diese Texte nicht einmal kennt. Sie sind eingegangen und "aufgesogen" von anderen Kulturtraditionen, die ("unbewußt", oder wie soll man sagen) aufmerksame Zeitgenossen bis heute beeinflussen.
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kolja
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Beitrag(#486119) Verfasst am: 31.05.2006, 14:49    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Allerdings verstehe ich nicht, wenn man Bewußtsein im reinen Abbildungsverhältnis zu materiellen Prozessen sieht, wie man erwarten kann, daß ein Wissenzuwachs tatsächlich stattfindet. Dabei meine ich einen qualitativen Zuwachs. Der harte Materialist bezeichnet diesen Gesamtprozess vielleicht als Selbstmodellierung der (physikalischen) Welt, erwartet aber zugleich, daß diese mal ein Bewußtsein erzeugt, mit einer Anschauung der Welt, welche eine bestimmte Qualität haben soll. Welche Gesetzmäßigkeiten in der physikalischen Welt sind es aber, die diese Erwartung der Materialisten erfüllen sollen?

Ich verstehe nicht ganz, was Du mit "Qualität" meinst. Für mich besteht "Wissen" nur in der Befähigung, sich in der Umwelt zurechtzufinden.

zelig hat folgendes geschrieben:
Warum soll die Selbstmodellierung nicht eine Beliebigkeit der Physik sein, welche keine Rücksicht nimmt auf die Annahme, daß das Modell in einem bestimmten Verhältnis zur Vorlage steht?

Das Modell muss nur gut funktionieren, d.h. das Überleben des Organismus wahrscheinlicher machen.
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Zuletzt bearbeitet von kolja am 31.05.2006, 16:32, insgesamt einmal bearbeitet
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zelig
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Beitrag(#486193) Verfasst am: 31.05.2006, 16:15    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn wir beide zu einer Frage unterschiedliche Ansichten haben (soll ja vorkommen), was ist der Grund (nicht die Ursache) dafür, daß Du Deine meiner vorziehst und hier vertrittst?
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kolja
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Beitrag(#486230) Verfasst am: 31.05.2006, 16:39    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Wenn wir beide zu einer Frage unterschiedliche Ansichten haben (soll ja vorkommen), was ist der Grund (nicht die Ursache) dafür, daß Du Deine meiner vorziehst und hier vertrittst?

Diese Frage kann ich nicht allgemein, sondern nur in Bezug auf einen konkreten Fall, in dem unsere Ansichten verschieden sind, beantworten.

Oder hab ich die Frage falsch verstanden?
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step
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Beitrag(#486374) Verfasst am: 31.05.2006, 19:21    Titel: Antworten mit Zitat

@zelig: Evolutionäre Erkenntnistheorie, "Was können wir wissen" (Vollmer) -> schon gelesen?
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kolja
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Beitrag(#486381) Verfasst am: 31.05.2006, 19:27    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
"Was können wir wissen" (Vollmer) -> schon gelesen?

So ein Zufall, hab' ich gestern bestellt.
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zelig
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Beitrag(#486597) Verfasst am: 31.05.2006, 23:17    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Wenn wir beide zu einer Frage unterschiedliche Ansichten haben (soll ja vorkommen), was ist der Grund (nicht die Ursache) dafür, daß Du Deine meiner vorziehst und hier vertrittst?

Diese Frage kann ich nicht allgemein, sondern nur in Bezug auf einen konkreten Fall, in dem unsere Ansichten verschieden sind, beantworten.

Oder hab ich die Frage falsch verstanden?

Du hältst Deine Ansicht für richtig, bzw wahr, und ich die meine.
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zelig
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Beitrag(#486598) Verfasst am: 31.05.2006, 23:18    Titel: Antworten mit Zitat

Gut, Vollmer kommt auch auf die Liste.
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kolja
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Beitrag(#486768) Verfasst am: 01.06.2006, 09:17    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Du hältst Deine Ansicht für richtig, bzw wahr, und ich die meine.

So hatte ich das auch verstanden. Du wolltest aber einen Grund dafür wissen, und den muss ich mir bezogen auf einen konkreten Fall ausdenken. Gründe denke ich mir gewöhnlich aus, um jemand anderen von meiner Ansicht zu überzeugen. Manchmal denke ich sie mir auch aus, um sie im Geiste den vermuteten Gründen für konkurierende Ansichten gegenüber zu stellen. In solchen Vergleichen bevorzuge ich die Begründungsmuster, die mir weniger abhängig von individuell erworbenen "Letztbegründungen" erscheinen.
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zelig
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Beiträge: 25405

Beitrag(#486772) Verfasst am: 01.06.2006, 09:26    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Du hältst Deine Ansicht für richtig, bzw wahr, und ich die meine.

So hatte ich das auch verstanden. Du wolltest aber einen Grund dafür wissen, und den muss ich mir bezogen auf einen konkreten Fall ausdenken. Gründe denke ich mir gewöhnlich aus, um jemand anderen von meiner Ansicht zu überzeugen. Manchmal denke ich sie mir auch aus, um sie im Geiste den vermuteten Gründen für konkurierende Ansichten gegenüber zu stellen. In solchen Vergleichen bevorzuge ich die Begründungsmuster, die mir weniger abhängig von individuell erworbenen "Letztbegründungen" erscheinen.


Hm, ich wollte einfach von Dir wissen, ob wir unsere Meinungen nicht deswegen vertreten, weil wir sie für wahrer halten als die Ansichten anderer. Ich tu das zumindest. Und das halte ich für ein generelles Prinzip. Dieses Prinzip ist die Qualität, nach der Du gefragt hast.
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beiträge: 9073

Beitrag(#543999) Verfasst am: 16.08.2006, 10:14    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Allerdings verstehe ich nicht, wenn man Bewußtsein im reinen Abbildungsverhältnis zu materiellen Prozessen sieht, wie man erwarten kann, daß ein Wissenzuwachs tatsächlich stattfindet. Dabei meine ich einen qualitativen Zuwachs. Der harte Materialist bezeichnet diesen Gesamtprozess vielleicht als Selbstmodellierung der (physikalischen) Welt, erwartet aber zugleich, daß diese mal ein Bewußtsein erzeugt, mit einer Anschauung der Welt, welche eine bestimmte Qualität haben soll. Welche Gesetzmäßigkeiten in der physikalischen Welt sind es aber, die diese Erwartung der Materialisten erfüllen sollen? Warum soll die Selbstmodellierung nicht eine Beliebigkeit der Physik sein, welche keine Rücksicht nimmt auf die Annahme, daß das Modell in einem bestimmten Verhältnis zur Vorlage steht?

hmmm, schwer zu sagen, da ich kein 'harter Materialist' bin. Für mich ist das Bewusstsein eine Emergenz einer entsprechend organisierten Materie. Ich sehe auch keine Möglichkeit, die Qualität einer Modellierung zu beurteilen. Man müsste dann ja das Orginal _erkennen_ können, um es mit dem Modell zu _vergleichen_. Wie soll das gehen?

Was wir bestenfalls erreichen, sind 'Passungen' (tt). Die _können_ sogar 'stimmen' (letztendlich im Sinne der adaequatio-These), die spannende Frage ist nur, wie man das _erkennt_.

Wie schon Stegmüller lehrte:

A erkennt B als C

Wir haben nur C's, die wir an B testen können. Dazu brauchen wir gar nicht wissen, wie B 'an sich' ist. Es reicht, wenn unsere Tests nicht scheitern. Ob man das C dann als B 'strukturell isomorph' bezeichnet ist IMAO eher nebensächlich. Ein Argument dafür ist allerdings die Wissens_progression_. Wir merken zwar immer, dass der Stand unseres Nichtwissens eher überproportional zu unserem Wissen steigt, aber die Summe des Wissens wächst eindeutig, egal, wie man 'Wissen' definiert.
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Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
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