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Im Gespräch mit Anton Zeilinger

 
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diogenes
Gast






Beitrag(#9553) Verfasst am: 08.08.2003, 09:20    Titel: Im Gespräch mit Anton Zeilinger Antworten mit Zitat

Im Radio Österreich 1 gibt es jeden Donnerstag um 21 Uhr eine einstündige Sendung "Im Gespräch". Gestern, 7. August 2003, lief eine Wiederholung eines Gesprächs mit dem Physiker Anton Zeilinger. Ich möchte meine überarbeitete Notizen hier veröffentlichen. Ich hoffe, sie finden Interesse.

Im Gespräch mit Anton Zeilinger
Donnerstag, 7. August 2003 (Sommer-Reprise)

Anton Zeilinger hat in seinem ganzen wissenschaftlichen Leben immer das gemacht, was ihn interessiert hat. Seiner Ansicht nach müsse man gerade an denjenigen Dingen arbeiten, von denen die Leute typischerweise "der hat sich jetzt zu viel vorgenommen" sagen. Wissenschaft wird nur von leidenschaftlichen Menschen voran getrieben.

Die ersten zehn Jahre seines Lebens wuchs der 1945 geborene Zeilinger auf dem Land auf, wo er ebenfalls schon im Ansatz eine Rolle als Außenseiter spielte, deshalb nämlich, da sein Vater Akademiker war. Als er zehn Jahre alt war, zog seine Familie nach Wien, wo er später in der Schule einen außergewöhnlich guten Lehrer in Physik hatte, der seine Begeisterung für die Physik wecken konnte, als er Einsteins Relativitätstheorie erklärte. Zeilinger war aber nicht der einzige Schüler, der sich zum Physik-Studium entschied, dieses Studium wählten insgesamt fünf Schüler seiner Klasse.

Nach seiner Dissertation bei seinem Doktor-Vater Rauch, dem schon ein auffallend hohes Interesse Zeilingers an der Philosophie und Erkenntnistheorie auffiel, ging er ans MIT. Seine Erfahrung, dort durchaus mithalten zu können, stärkte sein Selbstvertrauen erheblich. Trotz der nach außen hin steilen Karriere wurde er relativ spät Professor, was er mit seinem Desinteresse an den physikalischen Themen des Mainstreams erklärt. Außenseitertum setzt allerdings Kreativität frei.

Zeilinger definiert sich selbst als experimentellen Naturphilosophen. Die Bezeichnung "Physik" kam erst im 19. Jahrhundert auf, vorher lautete die Bezeichnung "Naturphilosophie", wobei zwischen einer theoretischen und einer experimentellen Naturphilosophie zu unterscheiden ist. Auch auf Grund der herrschenden Meinung, die Naturwissenschaftler hätten sich nicht mit der für sie uninteressanten Philosophie zu befassen, hält er philosophische Fragen für besonders interessant.

Die moderne Experimentalphysik ist nur in der Gruppe möglich. Die Unterteilung der Physik in verschiedene Bereiche hält Zeilinger für schlecht und hemmend, die verschiedenen Richtungen müssen zusammenarbeiten. Ebenso ist der Gegensatz zwischen Wissenschaften, die zu etwas gut sind, und Wissenschaften, die zum Selbstzweck betrieben werden, künstlich und unvernünftig. Die gerade modern gewordene Motivation Anwendung ist sehr kurzfristig und führt zu einem Stillstand.

Die Welt erscheint uns eigenartig, da unsere Vorstellung von einer materiellen Welt "da draußen" nur eine Illusion ist. Die Welt existiert nicht einfach "da draußen", rein materielle Weltbilder, dazu zählt Zeilinger sowohl den Kommunismus als auch den Kapitalismus, sind überholt. Aussagen über ein Ding alleine, so wie es existiert, sind nicht möglich, Dinge können nur in Bezug aufeinander erklärt werden. Dem Beobachter kommt eine entscheidende Rolle zu: In der Teilchenphysik muss sich der Beobachter entscheiden, was er an einem Teilchen messen möchte. Entscheidet er sich zum Beispiel für den Ort, so zwingt er das Teilchen, einen Ort, der zufällig ist, einzunehmen. Davor hatte dieses Teilchen keinen Ort. Interessant ist auch das Experiment mit verschränkten Teilchen: Zwei Teilchen werden zu zwei unterschiedlichen Messstationen geschickt. In dem Augenblick, in dem man an dem einen Teilchen etwas misst, weiß das andere Teilchen, was am ersten Teilchen gemessen wird. Dies ist nicht erklärbar, wird jedoch leichter verstehbar, wenn man Information als fundamentale Größe versteht.

Nach den Erkenntnissen der modernen Physik gibt es Ereignisse, die ohne Grund geschehen, es gibt echten Zufall. Wir können nicht einmal wissen, wie die Welt in fünf Minuten sein wird. Wäre die Welt dagegen vollständig determiniert, dann gäbe es keine Naturwissenschaft mehr, da auch die Fragen des Wissenschaftlers an die Natur determiniert wären. Der Zufall kann zwar die Existenz eines Gott nicht beweisen, öffnet aber nach Zeilinger die Möglichkeit für ein Eingreifen eines Gottes in die Welt. Zeilinger selber glaubt an einen persönlichen Gott.

Die großen Ideologischen Systeme sieht er nicht als Versuche, Macht zu gewinnen oder zu halten, sondern als Versuche der Menschen, Sicherheit und Halt zu finden. Wir leben jedoch in einem offenen Universum, Sicherheit ist nur eine Illusion.
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