Kann man tiefer sinken als kreuzpunktnet? - Teil IV
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Freigeisterhaus -> Kultur und Gesellschaft

#2911:  Autor: sünnerklaasWohnort: Da, wo noch Ruhe ist BeitragVerfasst am: 06.03.2017, 22:56
    —
Margrethe hat folgendes geschrieben:
sünnerklaas hat folgendes geschrieben:
Bei der Demo für alle ist auch nix mehr los.


Ist Dir langweilig? Werden Sie schon irgendwo vermisst? Lachen


Nö. Ich habe nur mal nachgeschaut, weil man von denen so gar nichts mehr hört.

#2912:  Autor: sünnerklaasWohnort: Da, wo noch Ruhe ist BeitragVerfasst am: 06.03.2017, 22:57
    —
DonMartin hat folgendes geschrieben:
sünnerklaas hat folgendes geschrieben:
Bei der Demo für alle ist auch nix mehr los.

Code:
https://demofueralle.wordpress.com/page/2/

Die ruhen sich aus, bis zum nächsten Mal. Sie können ja auch einen Erfolg feiern.


Immerhin ist der CSU der Arsch auf Grundeis gegangen.

#2913:  Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 06.03.2017, 23:56
    —
Margrethe hat folgendes geschrieben:
Im Jahre des Herr 2014 hatten wir's davon:

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1929652#1929652

Die BILD hat ein kurzes Gedächtnis und entsetzt sich jetzt: "Grausige Entdeckung!"

SPON weiss ein bisschen mehr. Die Todesursachen der Kinder sind allerdings vor zwei Jahren von der irischen Historikerin aufgelistet worden: es handelte sich zumeist um Infektionskrankheiten wie z.B. die Masern ...

Eigentlich verstehe ich auch 3 Jahre später nicht so recht, was hieran der Skandal sein soll,
mit dem man der Kirche an den Karren fahren will. Unchristliches Verscharren - so what.
Wenn etwas ein Skandal ist, dann die Art, wie man mit ledigen Müttern und ihren Kindern zu Lebzeiten umgegangen ist - kein Wunder dass dann abgetrieben wurde (und wird).
Darüber hört man aber ziemlich wenig.

#2914:  Autor: Margrethe BeitragVerfasst am: 07.03.2017, 06:42
    —
DonMartin hat folgendes geschrieben:

Eigentlich verstehe ich auch 3 Jahre später nicht so recht, was hieran der Skandal sein soll,
mit dem man der Kirche an den Karren fahren will. Unchristliches Verscharren - so what.
Wenn etwas ein Skandal ist, dann die Art, wie man mit ledigen Müttern und ihren Kindern zu Lebzeiten umgegangen ist - kein Wunder dass dann abgetrieben wurde (und wird).
Darüber hört man aber ziemlich wenig.


Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich da schon von "unchristlichem Verscharren" reden will. Die Begräbniskultur der Iren hat sich erst in den letzten paar Jahrzehnten der unseren angeglichen. Ein Ire, mit dem ich in Kontakt stehe, meinte sogar, die Kinderleichen in Tuam könnten durchaus "würdiger" bestattet worden sein als - der jeweiligen Zeit entsprechend - auf öffentlichen Friedhöfen. Wer mal über einen irischen Friedhof gelaufen ist, wird das nachvollziehen können. Da wurde, vor allem von Leuten, die kein Geld hatten, nicht viel Gedöns gemacht, den Grabstein hat man sich gespart, das Geld brauchte man für die Überfahrt nach Amerika, der größte Teil der Verwandtschaft war eh schon dort, und wer von den Zurückgebliebenen es schaffte, wanderte hinterher ... Mindestens die Hälfte der Grabstätten, auch aus jüngerer Zeit, waren auf diesen Friedhöfen verwaist, ältere sowieso, da hat niemand mehr danach geschaut. Auf "Angels' Plot", jenem Gräberfeld für Totgeborene in Glasnevin, waren es weitaus mehr als die Hälfte. Das war von Brombeergestrüpp überwuchert, ganz vereinzelt lugte darunter auch mal ein kleiner Grabstein hervor, und noch vereinzelter brannte irgendwo ein kleines Grablicht.

Da ist im übrigen - und möglicherweise - auch noch ein viel größerer Skandal in der Pipeline. Es wird gemunkelt, irgendeine Sozialarbeiterin hätte eine Kiste alter Photos und Dokumente aufgefunden, mit deren Hilfe einer der damals vom Staat in den "Mutter-Kind-Heimen" eingesetzten Orden einer schwunghaften und einträglichen Vermittlung von Adoptivkindern in die USA überführt werde. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit stehen da auf irgendwelchen Dachböden oder in irgendwelchen Schuppen noch andere solcher Kisten rum.

#2915:  Autor: sünnerklaasWohnort: Da, wo noch Ruhe ist BeitragVerfasst am: 07.03.2017, 09:04
    —
Margrethe hat folgendes geschrieben:

Da ist im übrigen - und möglicherweise - auch noch ein viel größerer Skandal in der Pipeline. Es wird gemunkelt, irgendeine Sozialarbeiterin hätte eine Kiste alter Photos und Dokumente aufgefunden, mit deren Hilfe einer der damals vom Staat in den "Mutter-Kind-Heimen" eingesetzten Orden einer schwunghaften und einträglichen Vermittlung von Adoptivkindern in die USA überführt werde. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit stehen da auf irgendwelchen Dachböden oder in irgendwelchen Schuppen noch andere solcher Kisten rum.


Vor dem Hintergrund der bitteren Armut in Irland - da waren auch die kirchlichen Einrichtungen chronisch klamm - halte ich das für durchaus denkbar.

Zum Thema Bestattung von "Todsündern" in Deutschland verlinke ich mal das hier.
Da Selbstmörder nicht auf den im 19. Jahrhundert noch meist kirchlichen Friedhöfen nicht bestattet werden durften, hatte die Forstverwaltung des Grunewalds irgendwann ein Riesenproblem mit wild angelegten Gräbern.

#2916:  Autor: Margrethe BeitragVerfasst am: 07.03.2017, 09:51
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sünnerklaas hat folgendes geschrieben:
Margrethe hat folgendes geschrieben:

Da ist im übrigen - und möglicherweise - auch noch ein viel größerer Skandal in der Pipeline. Es wird gemunkelt, irgendeine Sozialarbeiterin hätte eine Kiste alter Photos und Dokumente aufgefunden, mit deren Hilfe einer der damals vom Staat in den "Mutter-Kind-Heimen" eingesetzten Orden einer schwunghaften und einträglichen Vermittlung von Adoptivkindern in die USA überführt werde. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit stehen da auf irgendwelchen Dachböden oder in irgendwelchen Schuppen noch andere solcher Kisten rum.


Vor dem Hintergrund der bitteren Armut in Irland - da waren auch die kirchlichen Einrichtungen chronisch klamm - halte ich das für durchaus denkbar.


Ähm ... DAS würde ich nun wiederum nicht unbedingt vor den Hintergrund der bitteren Armut sehen. Einzelnen Heimen bzw. einzelnen Orden, die diese Häuser geführt haben, wird vorgeworfen - anstatt Kontakte zwischen Kindern und den (nicht verheirateten) Müttern aufrecht zu erhalten, nachdem letztere das Heim wieder verlassen hatten, auf die Trennung von Kindern und Müttern hingearbeitet, sie geradezu erzwungen und Mütter, die verzweifelt versuchten, Kontakt zu ihren Kindern zu halten, auf zuweilen fiese Weise oder auch einfach mit Lügen ausgebootet zu haben. Diese Mütter waren schließlich "gefallen", moralisch so tief angesiedelt, dass man darunter nichts mehr gefunden hat. Den Kindern aber wollte man nicht in solchen moralischen Sümpfen aufwachsen lassen. Da gibt es Beispiele für Korrespondenzen zwischen irgendwelchen Ordensoberinnen und adoptionswilligen Paaren, da zieht es Dir die Schuhe aus. Zuallererst, selbstverständlichst, mussten adoptionswillige Paare ein Leumundszeugnis ihres Gemeindepfarrers vorlegen, wenn dann auch noch die wirtschaftlichen Verhältnisse zufriedenstellend erschienen, wurde über die Auswahl der Kinder verhandelt. Wie hätten sie's denn gerne? Junge, Mädchen? Baby oder Kleinkind? Blond oder braunäugig? Und wann genau? Ach, erst zu Weihnachten unterm Baum? Kein Problem, machen wir ... Oder: nein, den Jungen können wir Ihnen nicht empfehlen, dessen Mutter kommt aus der untersten moralischen Schublade, nehmen Sie doch lieber jenes Mädchen, dessen Mutter stammt aus einer leicht besseren Klasse ... Die Kinder, die nicht zur Adoption vermittelt wurden, landeten spätestens mit sechs oder sieben Jahren in einer (sogenannten) Industrieschule, vorsichtig umschrieben so eine Art Kinderarbeitshaus ... Wobei das sicher nicht allein ein Versagen der Ordensgemeinschaften war. Dieses Prozedere entsprach dem englischen Fürsorge- und Sozialwesen, das den Iren auch aufgebrummt worden war. Die Orden füllten mit ihren Heimen darin die Lücke von der Geburt der Kinder bis zur Einweisung in die Industrieschulen ... Anstatt - was ja auch denkbar wäre - gegen die Unbarmherzigkeit dieses Systems aufgemuckt zu haben.

#2917:  Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 07.03.2017, 09:52
    —
Wie unsere "Familienschützer" und Trump-Fans das wohl ideologisch auf die Reihe kriegen:
http://www.n-tv.de/ticker/Minister-USA-wollen-Kinder-von-Einwanderer-Eltern-trennen-article19732300.html
Die meisten Mexikaner solllen ja Katholiken sein, wimre.

#2918:  Autor: Margrethe BeitragVerfasst am: 07.03.2017, 09:55
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sünnerklaas hat folgendes geschrieben:
Margrethe hat folgendes geschrieben:

Da ist im übrigen - und möglicherweise - auch noch ein viel größerer Skandal in der Pipeline. Es wird gemunkelt, irgendeine Sozialarbeiterin hätte eine Kiste alter Photos und Dokumente aufgefunden, mit deren Hilfe einer der damals vom Staat in den "Mutter-Kind-Heimen" eingesetzten Orden einer schwunghaften und einträglichen Vermittlung von Adoptivkindern in die USA überführt werde. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit stehen da auf irgendwelchen Dachböden oder in irgendwelchen Schuppen noch andere solcher Kisten rum.


Vor dem Hintergrund der bitteren Armut in Irland - da waren auch die kirchlichen Einrichtungen chronisch klamm - halte ich das für durchaus denkbar.


Ähm ... DAS würde ich nun wiederum nicht unbedingt vor den Hintergrund der bitteren Armut sehen. "Bittere Armut" - ja, die kommt für mich u.a. in dem Betrag von einem englischen Pfund, das die County-Regierung von Galway den Nonnen für den Unterhalt wöchentlich pro Mutter mit Kind löhnte. Ich weiss jetzt nicht mehr, wann genau in dem Zeitraum zwischen 1925 und 1961 das war, und ich habe jetzt auch nicht nachgerechnet, welchem Standard eine Unterbringung in der Preislage entsprochen haben könnte, der Betrag ist auf jeden Fall gering genug, dass einem die Tränen kommen könnten. Dass da nicht mehr als ein Armenbegräbnis für die armen Würmchen drin war, die da gestorben sind, kann nicht verwundern.

Einzelnen Heimen bzw. einzelnen Orden, die diese Häuser geführt haben, wird aber vorgeworfen - anstatt Kontakte zwischen Kindern und den (nicht verheirateten) Müttern aufrecht zu erhalten, nachdem letztere das Heim wieder verlassen hatten, auf die Trennung von Kindern und Müttern hingearbeitet, sie geradezu erzwungen und Mütter, die verzweifelt versuchten, Kontakt zu ihren Kindern zu halten, auf zuweilen fiese Weise oder auch einfach mit Lügen ausgebootet zu haben. Diese Mütter waren schließlich "gefallen", moralisch so tief angesiedelt, dass man darunter nichts mehr gefunden hat. Den Kindern aber wollte man nicht in solchen moralischen Sümpfen aufwachsen lassen. Da gibt es Beispiele für Korrespondenzen zwischen irgendwelchen Ordensoberinnen und adoptionswilligen Paaren, da zieht es Dir die Schuhe aus. Zuallererst, selbstverständlichst, mussten adoptionswillige Paare ein Leumundszeugnis ihres Gemeindepfarrers vorlegen, wenn dann auch noch die wirtschaftlichen Verhältnisse zufriedenstellend erschienen, wurde über die Auswahl der Kinder verhandelt. Wie hätten sie's denn gerne? Junge, Mädchen? Baby oder Kleinkind? Blond oder braunäugig? Und wann genau? Ach, erst zu Weihnachten unterm Baum? Kein Problem, machen wir ... Oder: nein, den Jungen können wir Ihnen nicht empfehlen, dessen Mutter kommt aus der untersten moralischen Schublade, nehmen Sie doch lieber jenes Mädchen, dessen Mutter stammt aus einer leicht besseren Klasse ... Die Kinder, die nicht zur Adoption vermittelt wurden, landeten spätestens mit sechs oder sieben Jahren in einer (sogenannten) Industrieschule, vorsichtig umschrieben so eine Art Kinderarbeitshaus ... Wobei das sicher nicht allein ein Versagen der Ordensgemeinschaften war. Dieses Prozedere entsprach dem englischen Fürsorge- und Sozialwesen, das den Iren auch aufgebrummt worden war. Die Orden füllten mit ihren Heimen darin die Lücke von der Geburt der Kinder bis zur Einweisung in die Industrieschulen ... ohne - was ja auch denkbar wäre - gegen die Unbarmherzigkeit dieses Systems aufgemuckt zu haben. Aus der bitteren Armut in Turin ist der katholischen Kirche immerhin ein Heiliger namens Don Bosco erwachsen.

Aber was rede ich: Die Don Boscos sind die seltenen Ausnahmen, und die anderen waren selber Kinder dieses Systems und blieben darin gefangen. Klar, haben die es "gut gemeint" und es einfach nicht besser gewusst als kleine Kinder wegen Nichtigkeiten mit Bündeln von Brennnessen zu verhauen. Mit Ausnahme der niedlichen Kleinen wahrscheinlich, die sich gegen eine großzügige Spende an Adoptiveltern in Amerika vermitteln ließen. Dass die Kohle dafür verwendet worden wäre, die Verhältnisse im Heim zu verbessern, nimmt derzeit im Ernst niemand an. Es wird aktuell erwogen, den Auftrag der Untersuchungskommission zu erweitern und ausser den Heimen auch alle anderen Einrichtungen und Behörden zu durchleuchten, die mit der "Verwaltung" unehelicher Mütter und ihrer Kinder befasst waren.

Ich habe gerade einen Bericht über zwei Freundinnen gelesen, die in den 1950er-Jahren aus einem dieser Heime ausgerissen sind. Ca. 18 oder 19 Jahre alt und im 6. und 7. Monat schwanger. Die sollten für die Nonnen Ansichtskarten zur Post bringen, die diese nach Amerika schickten, und auf dem Rückweg haben sie einen jungen Kerl überredet, sie mit seinem klapperigen Auto mitzunehmen und sind per Anhalter nach Kerry gefahren, wo beide herstammten. Die eine dachte sich, wenn ich bei meinen Eltern vor aller Nachbar Augen mit meinem dicken Bauch aufschlage, werden sie mich sicher nicht ins Heim zurückschicken. Da hatte sie sich allerdings schwer getäuscht, sie wurde postwendend zurückverfrachtet. Die andere fand Unterschlupf bei der Großmutter ihres Freundes, von dem sie schwanger war, und hat ihr Kind dann in einem normalen Krankenhaus bekommen und mit Hilfe dieser Großmutter großgezogen.

#2919:  Autor: sünnerklaasWohnort: Da, wo noch Ruhe ist BeitragVerfasst am: 08.03.2017, 10:27
    —
Margrethe hat folgendes geschrieben:
Da hatte sie sich allerdings schwer getäuscht, sie wurde postwendend zurückverfrachtet. Die andere fand Unterschlupf bei der Großmutter ihres Freundes, von dem sie schwanger war, und hat ihr Kind dann in einem normalen Krankenhaus bekommen und mit Hilfe dieser Großmutter großgezogen.


Ich glaube, da spielte auch noch der Umstand eine Rolle, dass die Machtfülle der katholischen Kirche vor dem Konzil eine ganz andere war. Katholisch geprägte Regionen waren ja auch in Deutschland bis in die 1960er Jahre wirtschaftlich abgehängt.

#2920:  Autor: Margrethe BeitragVerfasst am: 08.03.2017, 11:21
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sünnerklaas hat folgendes geschrieben:
Margrethe hat folgendes geschrieben:
Da hatte sie sich allerdings schwer getäuscht, sie wurde postwendend zurückverfrachtet. Die andere fand Unterschlupf bei der Großmutter ihres Freundes, von dem sie schwanger war, und hat ihr Kind dann in einem normalen Krankenhaus bekommen und mit Hilfe dieser Großmutter großgezogen.


Ich glaube, da spielte auch noch der Umstand eine Rolle, dass die Machtfülle der katholischen Kirche vor dem Konzil eine ganz andere war. Katholisch geprägte Regionen waren ja auch in Deutschland bis in die 1960er Jahre wirtschaftlich abgehängt.


Das ist mir jetzt ein bisschen zu pauschalisiert draufgehauen. Das Beispiel der zwei alten Damen zeigt ja, dass es ging: Man musste "gefallene Mädchen" nicht in solche Heime abschieben, die eine oder andere Großmutter vermochte über ihren Schatten zu springen und hat das Mädchen samt Kind aufgenommen.

Es war gesellschaftlicher Konsens, dass uneheliche Mütter eine liederliche Moral hatten, und die wurde als umso liederlicher betrachtet, je ärmer die Frauen waren. Hinter dieser Diskriminierung steckt auch der Umstand, dass diese Frauen samt ihren Kindern oftmals der öffentlichen Fürsorge zur Last fielen. Da konnte Abschreckung nicht schaden. Der Film ist, wenn auch einige Jahrzehnte früher, in Deutschland - unabhängig von der vorherrschenden Konfession - kaum anders gelaufen. Noch in den 1960er- und 1970er-Jahren stand hier ja auch noch die Fürsorgerin vom Jugendamt auf der Matte, wenn frau sich erdreistete, unverheirateterweise ein Kind in die Welt zu setzen. Selbst gut betuchte ledige Mütter hatten auch mit dem Rückhalt ihrer Eltern und juristischem Beistand ziemlich zu kämpfen, um sich aus der nicht immer angenehmen "Vormundschaft" (so nenne ich das mal) der Jugendämter zu befreien. Ich habe das bei zwei ehemaligen Kolleginnen mitbekommen, das war ein Gezerre, das sich über Jahre erstreckte. Selbstverständlich diente dies alles dem "Kindeswohl", aber dahinter steckte halt doch auch die Überzeugung, dass der Charakter unehelicher Mütter zweifelhaft sei und ihnen Kinder nicht ohne Kontrolle anvertraut werden könnten - und so wurden sie dann auch häufig vom "Fräulein vom Amt" behandelt.
Das irische Sozialfürsorgesystem ist etwas anders als das unsere, es ist das Abbild des britischen Sozialsystems und von den Briten installiert worden. Es ist keines, das die katholische Kirche in Irland erfunden hätte, in Irland wurde es halt mit katholischen Ordensfrauen durchgezogen. Auch die wurden ab dem späten 19. Jahrhundert importiert. Seit Cromwell gab es in Irland keine Klöster mehr, die Armenfürsorge leisteten - und wenn die nur in einer täglich ausgegebenen Armensuppe bestanden hätte. Stattdessen gab es Arbeitshäuser. - Auch der jetzt im Zusammenhang mit Tuam in der Kritik stehende Orden, war ein vergleichsweise junger Orden, der wie einige andere auch in Frankreich nach der Revolution entstanden war, ein Pflegeorden, der von der County-Verwaltung angeheuert worden war, als dieser einen Teil der recht weiträumigen früheren Arbeitshaus-Anlage (auch typisch britisch) in ein Krankenhaus umfunktionierte. Da wurden Pflegekräfte gebraucht, und die Schwestern brachten auch Hebammen mit. Erst ein paar Jahre später hat die County-Verwaltung an dieses bescheidene Krankenhaus noch eine "Mutter-Kind-Einrichtung" für uneheliche Mütter drangeklebt. Es wurde eine Mauer gezogen, damit "anständige" Frauen im Krankenhäusle sich nicht etwa am Anblick des "unanständigen" und moralisch verwahrlosten Armengesindels stören mussten.

Irland, die Iren und die katholische Kirche - das ist zudem ein Verhältnis, das wesentlich durch die gemeinsame Erfahrung der englischen Vorherrschaft bestimmt wird. Von "Machtfülle" der katholischen Kirche kann, von aussen betrachtet, in Irland bis in die 1920er Jahre und länger nicht die Rede sein. Die Briten achteten schon drauf, dass die katholischen = irischen Bäume nicht in den Himmel wuchsen. Gerade das aber hat wohl mit zu einer "Machtfülle" beigetragen, die ich jetzt mal hilfsweise, weil mir keine andere Bezeichnung einfällt, "innere Machtfülle" nenne. Die Iren identifizieren sich deswegen so stark mit der katholischen Kirche, weil sie ein Stück weit auch ihre irische Identität verkörpert, die sie im Widerstand gegen die protestantischen Briten über die Jahrhunderte gerettet haben. Der Kampf der Iren gegen die Unterdrückung durch die Briten war zugleich ein Kampf gegen die Unterdrückung der katholischen Kirche in Irland. Die Priester, die sich im Untergrund an den Kämpfen beteiligten, haben sich wohl in erster Linie als Iren beteiligt. Auch heute noch ist "Father Padraig" eher Kumpel als dass eine Gemeinde zu ihm als Hochwürden hinaufstarren würde, wie ich es in meinen jungen Jahren hierzulande erlebt habe. Das geht Hand in Hand und lässt sich nicht trennen. Ein ähnliches Phänomen ist bei den Polen zu beobachten, auch da war es die katholische Religion, die sie während der Jahrhunderte der Teilungen und der Fremdherrschaft ihre polnische Identität bewahren ließ. Aus dieser Erfahrung heraus haben sich die Iren noch vor nicht allzu langer Zeit fast zu 100 Prozent mit der katholischen Kirche identifiziert und bei jeder Volksabstimmung "katholisch" votiert. Das bröckelt erst seit einem Vierteljahrhundert, und der Stein des Anstoßes lässt sich benennen: Der Rücktritt des Bischofs von Galway, Eamon Casey. Der hatte, noch zu seiner Zeit als Bischof von Kerry, eine weitläufige amerikanische Verwandte geschwängert, die nach einer Scheidung in ganz jungen Jahren psychisch etwas angekränkelt war und zum Abstandgewinnen nach Irland zum Onkel Bischof Casey geschickt wurde. Der in Irland in den 1970er-Jahren noch immer sehr beliebten "Lösung" des Problems - das Kind zur Adoption freizugeben - stimmte sie nicht zu, sie ist mit ihrem Sohn in die USA zurückgekehrt. Der Bischof hat auch gezahlt. Irische Bischöfe werden aber nicht nach deutschem Beamtentarif bezahlt. Deswegen hat er, um den ständig an ihn herangetragenen und höher werdenden Forderungen aus den USA zu entsprechen, sich ein - ähm - Darlehen aus der Bistumskasse bewilligt. Ohne Erlaubnis, wie sich versteht. Dann hat die Mutter seines inzwischen 18 Jahre alten Sohnes ein Buch veröffentlicht ...
Casey war da schon Anfang 60, aber kein alter, verbiesterter Knacker. Er galt als einigermaßen liberal und vor allem sozial sehr engagiert und war die Hoffnung jener Iren, die gerne auch einen Hauch von Konzilswind in Irland erschnuppert hätten. Nun war er plötzlich weg vom Fenster, und die stur Konservativen hatten wieder Oberwasser: an Casey konnte man schön sehen, was dabei herauskommt, wenn man die Lehre der Kirche mit Füßen tritt ... Zölibatsbruch, ein uneheliches Balg, Schauder - oder so. Sein Sohn, Peter Murphy, meint heute übrigens, angesichts der massiven Vertuschung sexuellen Missbrauchs und des Schutzes, der den Tätern seitens der irischen Bischöfe zuteil geworden sei, habe die Kirche seinen Vater geradezu schändlich behandelt. Er wurde ins Ausland verbannt und durfte erst nach Jahren und "in aller Stille" nach Irland zurückkehren. Er wird heuer - wenn er es noch erlebt - 90 Jahre alt, ist dement und lebt in einem Pflegeheim in Kerry.

Seit Caseys Rücktritt ist in Irland nichts mehr wie es vorher war, seit Caseys Rücktritt meckern Laien - vor allem Frauen - auch in Irland. Und seit Caseys Rücktritt fallen die Ergebnisse bei Volksabstimmungen nicht mehr sooo geschlossen aus, wie sie es zuvor taten.

#2921:  Autor: abbahallo BeitragVerfasst am: 10.03.2017, 23:10
    —
Auf gloriA werden sie unter "Deutsche Bischöfe: wir distanzieren uns von der AfD" justiziabel.
Ich habe davon screenshots, sie sind leider ein ziemliches Gehacktes, weil mein Bildschirm so klein ist.

#2922:  Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 11.03.2017, 22:32
    —
Bei den Fregatten Petri treibt die "Papsttreue" mal wieder seltsame Blüten:
Zitat:
Kaiser Otto der Große und Papst Johannes XII

...Vergleich mit der aktuellen Situation der Römischen Kirche...
Intervention gegen einen katastrophalen Papst: als Kaiser Otto der Grosse die Kirche rettete
...

Ich glaube, wird müssen nicht lange raten, wer hier in deren feuchten Träumen als moderner Kaiser Otto auftreten sollte, der einen missliebigen Papst davonjagt.

#2923:  Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 12.03.2017, 04:40
    —
Otti wirft das Handtuch:
Zitat:
www.kreuzgang.org/viewtopic.php?f=10&t=19045

Schade. Seine Kontras waren das eigentlich lesenswerte auf diesem ansonsten verkommenen Portal.
RIP.

#2924:  Autor: Margrethe BeitragVerfasst am: 12.03.2017, 12:45
    —
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Fregatten Petri


Gröhl...

You made my day.

Wenn auch nicht ausschließlich damit. Gestern war die Nebenkostenabrechnung im Briefkasten. Den Schock habe ich mir dann bis heute aufgespart, war dann aber echt schockiert: diesmal bekomme ich eine Rückzahlung. Ich fang gleich damit an, sie zu verprassen: heute bleibt die Küche kalt ...

Winken

#2925:  Autor: abbahallo BeitragVerfasst am: 12.03.2017, 13:34
    —
rip finde ich nun reichlich verfrüht. Zum Überleben braucht man den kreuzgang schließlich nicht. Da frage ich mich eher, warum man sich die dortige sinnlose Anrempelei der Jungs noch zumutet.

#2926:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 12.03.2017, 15:27
    —
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Otti wirft das Handtuch:
Zitat:
www.kreuzgang.org/viewtopic.php?f=10&t=19045

Schade. Seine Kontras waren das eigentlich lesenswerte auf diesem ansonsten verkommenen Portal.
RIP.


Zitat daraus: "ich muß mir das selber endlich eingestehen und zugeben es hat mich schon seit weit über 10 Jahren nur mehr interessiert [...] über theologische Fragen zu diskutieren wie life Rollenspieler, über Orks magier und Monster diskutieren, aber es hatte auf mein Leben keinerlei Einfluß"

Ist das nicht eigentlich mit allen weltanschauliche Debatten so?

#2927:  Autor: abbahallo BeitragVerfasst am: 12.03.2017, 16:21
    —
Bei Debatten schon, bei Weltanschauungen kann das tiefer gehen, muß es aber nicht.

#2928:  Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 13.03.2017, 13:33
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Ist das nicht eigentlich mit allen weltanschauliche Debatten so?

Wenn sie im luftleeren Raum stattfinden, dann werden sie schnell so unergiebig wie das Zählen von Engeln auf Nadelspitzen.
Etwas anders sieht es aus, wenn es konkret um weltanschauliche Übergriffigkeiten ins RL geht.
Dieser fred zB existiert aus diesem Grunde schon in der 3ten Fortsetzung.
Auf dem o.g. Portal ist es - mit quasi umgekehrtem Vorzeichen - nicht anders.
Die populärsten Trööts beschäftigen sich mit dem
Abfeiern der AfD (und sei es nur, weil es gegen den sog "Mainstream" geht, denn christlich ist diese Partei nicht),
hetzen gegen Merkel, Flüchtlinge und den etablierten Klerus etc etc.

#2929:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 13.03.2017, 13:49
    —
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Ist das nicht eigentlich mit allen weltanschauliche Debatten so?

Wenn sie im luftleeren Raum stattfinden, dann werden sie schnell so unergiebig wie das Zählen von Engeln auf Nadelspitzen.
Etwas anders sieht es aus, wenn es konkret um weltanschauliche Übergriffigkeiten ins RL geht.


Ist das nicht eine Illusion? Denn in der Regel betrifft weder die "weltanschauliche Übergrifflichkeit" denjenigen, der sich darüber beklagt, noch ist sie von dem foralen Gegenüber verursacht, dem man sie vorwirft.

Am Ende sind es ideologische Stellvertreterkriege, Sandkastenspielchen ohne praktischen Nutzen oder Auswirkung. Da macht jeder Leserbrief in einer überregionalen Zeitung mehr Eindruck als ein Forumsbeitrag.

Aber abgesehen von der nicht vorhandenen Reichweite zielte meine Frage auf die von mir vermutete Bedeutungslosigkeit von "Weltanschauungen" überhaupt. Dabei ist es vermutlich ziemlich egal, ob es sich um Religionen, Philosophien oder welche Art von Ideologien auch immer handelt. Wenn man es runterbricht auf das, was als kleiner gemeinsamer Nenner in den Köpfen der Menschen ankommt, ist das wohl kaum noch der Rede wert.

#2930:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 13.03.2017, 15:59
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Ist das nicht eigentlich mit allen weltanschauliche Debatten so?

Wenn sie im luftleeren Raum stattfinden, dann werden sie schnell so unergiebig wie das Zählen von Engeln auf Nadelspitzen.
Etwas anders sieht es aus, wenn es konkret um weltanschauliche Übergriffigkeiten ins RL geht.


Ist das nicht eine Illusion? Denn in der Regel betrifft weder die "weltanschauliche Übergrifflichkeit" denjenigen, der sich darüber beklagt, noch ist sie von dem foralen Gegenüber verursacht, dem man sie vorwirft.

Am Ende sind es ideologische Stellvertreterkriege, Sandkastenspielchen ohne praktischen Nutzen oder Auswirkung. Da macht jeder Leserbrief in einer überregionalen Zeitung mehr Eindruck als ein Forumsbeitrag.

Aber abgesehen von der nicht vorhandenen Reichweite zielte meine Frage auf die von mir vermutete Bedeutungslosigkeit von "Weltanschauungen" überhaupt. Dabei ist es vermutlich ziemlich egal, ob es sich um Religionen, Philosophien oder welche Art von Ideologien auch immer handelt. Wenn man es runterbricht auf das, was als kleiner gemeinsamer Nenner in den Köpfen der Menschen ankommt, ist das wohl kaum noch der Rede wert.

Ich glaube, dass Du da gerade den selben Fehler machst, den ich auch bei critic sehe: Für uns ist z.B. Gottesfurcht ein abstruses Konstrukt, von dem wir nicht wissen, was die geritten hat, die dieses Ding als Erziehungsziel in Länderverfassungen gesetzt haben. Je nach Sozialisation ist die aber real. Da geht es dann also bei dem gemeinsamen Nenner nicht um die Bedeutungen lexikalischer Begriffe, sondern um existenzielle Gefühlsbezüge zur eigenen Wirklichkeit. Wir befinden uns in unserer diesbezüglichen Freiheit relativ auf einer Insel der Glückseligkeit, die wir nicht als allgemein annehmen dürfen. Genau das ist es nmM auch, was uns die Vorgänge in Nahost so unbegreiflich macht.

#2931:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 13.03.2017, 16:53
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Ist das nicht eigentlich mit allen weltanschauliche Debatten so?

Wenn sie im luftleeren Raum stattfinden, dann werden sie schnell so unergiebig wie das Zählen von Engeln auf Nadelspitzen.
Etwas anders sieht es aus, wenn es konkret um weltanschauliche Übergriffigkeiten ins RL geht.


Ist das nicht eine Illusion? Denn in der Regel betrifft weder die "weltanschauliche Übergrifflichkeit" denjenigen, der sich darüber beklagt, noch ist sie von dem foralen Gegenüber verursacht, dem man sie vorwirft.

Am Ende sind es ideologische Stellvertreterkriege, Sandkastenspielchen ohne praktischen Nutzen oder Auswirkung. Da macht jeder Leserbrief in einer überregionalen Zeitung mehr Eindruck als ein Forumsbeitrag.

Aber abgesehen von der nicht vorhandenen Reichweite zielte meine Frage auf die von mir vermutete Bedeutungslosigkeit von "Weltanschauungen" überhaupt. Dabei ist es vermutlich ziemlich egal, ob es sich um Religionen, Philosophien oder welche Art von Ideologien auch immer handelt. Wenn man es runterbricht auf das, was als kleiner gemeinsamer Nenner in den Köpfen der Menschen ankommt, ist das wohl kaum noch der Rede wert.


Don Martin sieht das schon genau richtig.

Hinzufügen möchte ich nur folgendes:

*Weltanschauliche* Widersprüche sind Ausdruck realer Widersprüche, etwa gesellschaftlicher und politischer Interessenkonflikte. Diese kommen zum Teil auch in sehr abstrusen oder auch stockreaktionären Ideen zum Ausdruck, was aber nicht heisst, dass jene materiellen Widersprüche als solche Illusion wären und durch eine *Denkerziehung* o.ä. grundsätzlich abzuschaffen wären ...- Smilie

#2932:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 13.03.2017, 19:24
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Ist das nicht eigentlich mit allen weltanschauliche Debatten so?

Wenn sie im luftleeren Raum stattfinden, dann werden sie schnell so unergiebig wie das Zählen von Engeln auf Nadelspitzen.
Etwas anders sieht es aus, wenn es konkret um weltanschauliche Übergriffigkeiten ins RL geht.


Ist das nicht eine Illusion? Denn in der Regel betrifft weder die "weltanschauliche Übergrifflichkeit" denjenigen, der sich darüber beklagt, noch ist sie von dem foralen Gegenüber verursacht, dem man sie vorwirft.

Am Ende sind es ideologische Stellvertreterkriege, Sandkastenspielchen ohne praktischen Nutzen oder Auswirkung. Da macht jeder Leserbrief in einer überregionalen Zeitung mehr Eindruck als ein Forumsbeitrag.

Aber abgesehen von der nicht vorhandenen Reichweite zielte meine Frage auf die von mir vermutete Bedeutungslosigkeit von "Weltanschauungen" überhaupt. Dabei ist es vermutlich ziemlich egal, ob es sich um Religionen, Philosophien oder welche Art von Ideologien auch immer handelt. Wenn man es runterbricht auf das, was als kleiner gemeinsamer Nenner in den Köpfen der Menschen ankommt, ist das wohl kaum noch der Rede wert.

Ich glaube, dass Du da gerade den selben Fehler machst, den ich auch bei critic sehe: Für uns ist z.B. Gottesfurcht ein abstruses Konstrukt, von dem wir nicht wissen, was die geritten hat, die dieses Ding als Erziehungsziel in Länderverfassungen gesetzt haben. Je nach Sozialisation ist die aber real. Da geht es dann also bei dem gemeinsamen Nenner nicht um die Bedeutungen lexikalischer Begriffe, sondern um existenzielle Gefühlsbezüge zur eigenen Wirklichkeit. Wir befinden uns in unserer diesbezüglichen Freiheit relativ auf einer Insel der Glückseligkeit, die wir nicht als allgemein annehmen dürfen. Genau das ist es nmM auch, was uns die Vorgänge in Nahost so unbegreiflich macht.


Vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt. Was ich meinte, war, daß der realistische Inhalt von Religionen, Philosophien und Ideologien oft nicht der Rede wert ist, weshalb Debatten auch zu nichts führen.

Ich denke, der Nahe Osten ist ein gutes Beispiel dafür, was ich meine. Es ist gerade mal 40 Jahre her, daß ich Ägypten besucht habe. Das war damals ein anderes Land als heute, nicht nur, weil es kaum westliche Touristen gab. Man sah auch im Straßenbild kaum verschleierte Frauen. Wein und Bier wurden in aller Öffentlichkeit getrunken und die Menschen waren freundlich und aufgeschlossen. Polizei sah man kaum, Soldaten gar nicht, und die einzige Gefahr, der man, egal ob Mann oder Frau, in der Öffentlichkeit abseits der Straßen ausgesetzt war, waren bettelnde Kinder. (Ein ähnlicher Bericht über Afganistan in den 60er des letzten Jh. war vor kurzem auf SPON).

Und heute? Was hat sich geändert? Eigentlich alles. Ich weiß natürlich, daß es auch damals schon Muslimbrüder gab. So etwas hat immer einen langen Vorlauf. Oder eben manchmal auch nicht. Was ist das wirklich, solch eine Religion? Sind es „existenzielle Gefühlsbezüge zur eigenen Wirklichkeit“, oder einfach eine grassierende Geisteskrankheit? Frag einen von diesen Religioten, und du bekommst Versatzstücke, Formeln, angelernten Blödsinn, wenn überhaupt. Aber wenn einer ihrer Prediger ruft, dann laufen sie, zünden an, was immer man ihnen hinhält, solange sie nur dazugehören. Und wenn der Spuk dann vorbei ist, dann will es keiner gewesen sein. Wir haben das in Deutschland ja auch schon (mindestens) einmal erlebt. Ist übrigens nicht auf den Islam, nicht einmal auf Religionen beschränkt. Irre dieser Art habe ich schon während meines Studiums erlebt, und das ist zugegeben auch schon fast 40 Jahre her. Die Begeisterung für solch einen Irrsinn kann ziemlich schnell gehen, gerade weil es eben nicht auf Inhalte ankommt.

Traditionelle Religionen, die man mit der Sozialisation erwirbt wie die eigene Sprache, und die Teil des sozialen Habitus sind, sind in der Regel viel milder, kein ideologisches Konstrukt, sondern eine im Falle der arabischen Länder über Jahrhunderte entstandene Lebensform, die in den letzten Jahrzehnten endgültig untergegangen ist, zerstört von Diktatoren der unterschiedlichen Art, meistens aber durch Islamisten selbst (Es gab das auch anderswo, wo Zeit genug war für die Entwicklung eines solchen traditionellen Lebensstil).

Gemeinsam ist ihnen nur, den traditionellen Lebensstilen ebenso wie den Ideologien, ihre geistige Dürre. Damit komme ich wieder auf meinen Ausgangspunkt, die Nutzlosigkeit weltanschaulicher Debatten, oder wie es DonMartin so schön nannte, „das Zählen von Engeln auf Nadelspitzen“. Man kann es nicht diskutieren. Es führt zu nichts. Ich will mal versuchen, ein Bild zu malen: wir alle müssen uns Modelle von der Welt machen, in der wir leben, um uns in ihr zu orientieren, wie der Plan einer uns unbekannten Stadt. Aber wie ein Stadtplan ist ein solches Modell nicht nur immer eine Vereinfachung der Wirklichkeit, die es beschreiben soll, es enthält eben meistens auch Ausschmückungen, die nur unserer Fantasie geschuldet sind.

Bei einem zeitgenössischen Stadtplan halten sich solche Fantasiegehalte meist noch in Grenzen, aber noch vor wenigen Jahrhunderten füllten die Kartenmaler ihre Wissenslücken gerne mal mit Fantasiegebilden, und mit den religiösen, philosophischen oder ideologischen, selbst manchen wissenschaftlichen Vorstellungen ist es bis heute nicht anders. Alles, nur keine weißen Flächen abliefern.

Wie gesagt, alle unsere Modelle enthalten neben realistischen immer auch fantastische Gehalte. Selbst bei Gegenständen, die sich eigentlich sehen und anfassen lassen, gelang und gelingt es Menschen immer wieder, über noch so dürren Fakten einen fantastischen Überbau zu konstruieren.

Aber unsere Gehirne sind merkwürdige „Maschinen“, die scheinbare Zusammenhänge zwischen allem konstruieren, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Und je fantastischer diese „Zusammenhänge“ sind, umso mehr scheinen sie viele Menschen zu begeistern. Ja, @Skeptiker, manchmal sind „weltanschauliche Widersprüche“ Ausdruck realer Widersprüche, aber eben oft auch nicht. Oft sind es nicht die eigentlichen „Widersprüche“, sondern der über ihnen aufgetürmte Überbau, an dem sich die Auseinandersetzungen entzünden. Nicht selten sind es Zeiten wachsenden Wohlstandes, in denen Streit über Fantasiegebilde zu fürchterlichen Katastrophen geführt haben und noch führen. Hinterher sind es dann die Wunschbilder, die wir Menschen von uns haben, die uns glauben machen, eigentlich sei es ja um schrecklich wichtige Dinge gegangen, „reale Widersprüche“ eben, denn alles andere wäre gar zu peinlich.

#2933:  Autor: sünnerklaasWohnort: Da, wo noch Ruhe ist BeitragVerfasst am: 16.03.2017, 12:29
    —
Linz dokumentiert feierlich eine Handreichung von Bischof Voderholzer.

Code:
kath.net/news/58858


Die Meute jubelt... Dummerweise stellen einige unter Beweis, dass sie den - zugegebener Maßen - sehr langen Text gar nicht gelesen haben. Punkt (4) und (5) sind entscheidend.

#2934:  Autor: OttavianiWohnort: Wien BeitragVerfasst am: 16.03.2017, 12:34
    —
und all das ist keine Veränderung der geltenden Lehre

#2935:  Autor: sünnerklaasWohnort: Da, wo noch Ruhe ist BeitragVerfasst am: 16.03.2017, 12:47
    —
Ottaviani hat folgendes geschrieben:
und all das ist keine Veränderung der geltenden Lehre


Zitat:
Dennoch können wichtige Zeugen für die Ungültigkeit des Ehebandes verstorben sein oder aus Rache nicht aussagen wollen oder Beweise nicht mehr auffindbar sein. Möglicherweise besteht aber trotz eines negativen Urteils des Ehegerichts eine hohe Plausibilität für die Ungültigkeit der ersten Ehe, die der Seelsorger zusammen mit den Betroffenen erwägt, in seinem Gewissen prüft und mit einem Mitarbeiter des Konsistoriums bespricht.


Ist halt alles nicht so einfach. Wie soll man mit Leuten umgehen, bei denen z.B. auf Grund von Boshaftigkeit von Zeugen ein negatives Urteil ergangen ist?

#2936:  Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 20.03.2017, 14:20
    —
wieder was zur Beschäftigung des Linzer Leeramts:
Zitat:
www.kath.net/news/58921

da habe ich sofort mal auf dem Kalender nachgeschaut, ob wir tatsächlich 2017 und nicht etwa 1967 schreiben. Damals war Oswalt Kolle noch ein Aufreger.

#2937:  Autor: Arkanum BeitragVerfasst am: 20.03.2017, 14:31
    —
DonMartin hat folgendes geschrieben:
wieder was zur Beschäftigung des Linzer Leeramts:
Zitat:
www.kath.net/news/58921

da habe ich sofort mal auf dem Kalender nachgeschaut, ob wir tatsächlich 2017 und nicht etwa 1967 schreiben. Damals war Oswalt Kolle noch ein Aufreger.


Auch das ist toll:
Zitat:
'Mama, ich weiß jetzt endlich, wozu man ein Dildo braucht'


Notabene: das Dildo ...
bei kath.net ist offenbar auch der (das?) Duden noch ein Aufreger. zwinkern

#2938:  Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 20.03.2017, 14:43
    —
Alles Neuland. Genau wie das Internet, in dem die lieben kleinen das eh hätten ergugeln können.

#2939:  Autor: Margrethe BeitragVerfasst am: 21.03.2017, 13:17
    —
Und weiter geht's: So allmählich könnten sie in ihrem Linzer Schmollwinkel doch gemerkt haben, dass sie nirgendwo im kirchlichen Raum - wirklich nirgendwo - mehr was zu melden haben, auch und schon gar nicht bei der Caritas in München. Mit den Augen rollen

Die SZ über die Ausstellung:
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/aufklaerung-einfach-nur-kondome-verteilen-das-wuerde-zu-kurz-greifen-1.3419765

#2940:  Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 21.03.2017, 13:35
    —
Margrethe hat folgendes geschrieben:
kath.net/news/58925
...
Sie treffen mit einer anderen Kultur zusammen, die von großer sexueller Freizügigkeit geprägt ist.

Am Kopf kratzen
Afghanistan, Iran und der Nahe Osten sind mir bis jetzt nicht wegen besonderer Libertinage aufgefallen.



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