AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: |
Meine politische Sozialisation ist untrennbar mit Kohl verbunden. Ich gehöre zu der Generation, die keinen anderen Kanzler kannte, wie es heute schon Jungwähler gibt, die keine Erinnerung mehr an Schröder haben, regiert Merkel doch schon zehn Jahre über unser Land. Wie habe ich mich gegrämt (danke ihr Bananenheinis!) als Kohl nach der deutschen Wende noch einmal die Macht ergriff, obwohl er bereits verbraucht und unerträglich geworden war. Als personifizierter Machtmensch gelang es ihm, noch acht Jahre die Angriffe seiner zahlreichen Feinde innerhalb der Partei abzuschmettern. Die geistig-moralische Wende, die er ausrief, war der tiefste Mief, der eine fast bleierne Zeit heraufbeschwor. Als wacher Geist konnte man nur gegen Kohl sein - und an ihm verzweifeln, wie ein SPD-Kandidat nach dem anderen. Vogel, Rau, edit: Lafontaine, Scharping, wenn ich sie richtig erinnere. Und dann schien Schröder wie eine Erlösung. Kohl hatte die SPD bereits in ihren Grundfesten erschüttert, die beim Drang nach der Macht ihre eigenen Ideale verriet, um einen Pyrrhus-Sieg zu erringen, der sich nach dem erneuten Verlust der Kanzlerschaft offenbarte, als nichts mehr von den ureigensten Werten der Sozialdemokratie übrig war. Davon hat sich die SPD bis heute nicht erholt... Und ich mich auch nicht |
AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: |
Meine politische Sozialisation ist untrennbar mit Kohl verbunden. Ich gehöre zu der Generation, die keinen anderen Kanzler kannte, wie es heute schon Jungwähler gibt, die keine Erinnerung mehr an Schröder haben, regiert Merkel doch schon zehn Jahre über unser Land. Wie habe ich mich gegrämt (danke ihr Bananenheinis!) als Kohl nach der deutschen Wende noch einmal die Macht ergriff, obwohl er bereits verbraucht und unerträglich geworden war. Als personifizierter Machtmensch gelang es ihm, noch acht Jahre die Angriffe seiner zahlreichen Feinde innerhalb der Partei abzuschmettern. Die geistig-moralische Wende, die er ausrief, war der tiefste Mief, der eine fast bleierne Zeit heraufbeschwor. Als wacher Geist konnte man nur gegen Kohl sein - und an ihm verzweifeln, wie ein SPD-Kandidat nach dem anderen. Vogel, Rau, edit: Lafontaine, Scharping, wenn ich sie richtig erinnere. Und dann schien Schröder wie eine Erlösung. Kohl hatte die SPD bereits in ihren Grundfesten erschüttert, die beim Drang nach der Macht ihre eigenen Ideale verriet, um einen Pyrrhus-Sieg zu erringen, der sich nach dem erneuten Verlust der Kanzlerschaft offenbarte, als nichts mehr von den ureigensten Werten der Sozialdemokratie übrig war. Davon hat sich die SPD bis heute nicht erholt... Und ich mich auch nicht |
luc hat folgendes geschrieben: |
Außenpolitisch war Kohl relativ erfolgreich:
Gute Beziehung zu Frankreich und Mitterrand. Dialog mit Gorbatschow und Wiedervereinigung. Es ist ganz bestimmt auch sein Verdienst aber die Wiedervereinigung wäre so oder so gekommen. Er hat die Gunst der Stunde wahrgenommen und er hat nichts vermasselt. Innenpolitisch war er sehr konservativ aber die Mehrheit der Deutschen fanden das damals gut. (Leider!) Er war der Inbegriff des spießigen Deutschlands. |
beachbernie hat folgendes geschrieben: |
Kohls dreistester Betrug am Volk war das unter seiner Amtsfuehrung ausgearbeitete und verabschiedeter Parteispendengesetz, das von Anfang an nur dazu dienen sollte die anderen Parteien zu behindern und ungleiche Ausgangsvoraussetzungen bei Wahlen zu schaffen. Kohl hatte naemlich von Anfang an nie vor sich daran zu halten und er brach dieses Gesetz fortdauernd und routinemaessig, obwohl er in seinem Amtseid geschworen hatte "die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland zu achten und einzuhalten".
Deshalb war die Kanzlerschaft Helmut Kohls ungefaehr so legitim wie die Goldmedaille eines gedopten Sportlers und ich bezweifle, dass Kohl unter fairen Bedingungen solange Kanzler geblieben waere. Konsequenterweise missachtete er sein eigenes Parteispendengesetz auch nach seiner letztendlichen Abwahl bis zu seinem Tod und ist somit genauso meineidig gestorben wie er gelebt hat. Fuer mich ist Kohl gleichbedeutend mit dem geistig-moralischen Niedergang eines Landes, in dem ich mich mal sehr wohl gefuehlt hatte. Das Westdeutschland der 70ger Jahre war eines der besten Laender, in dem man als Teenager aufwachsen konnte. Kaum irgendwo lebte man freier und vor allem zu keiner Zeit vorher und nachher in Deutschland. Zu der politischen Freiheit gesellte sich die Freiheit von gesellschaftlichen Konventionen und sozialer Kontrolle. Dafuer bin ich den "68gern" noch heute dankbar, dass sie all dies erkaempft hatten und genauso verachte ich Helmut Kohl, unter dessen Kanzlerschaft viele dieser Freiheiten wieder einkassiert wurden, verkuemmerten und auf dem Altar einer immer materialistischer werdenden Konsumgesellschaft geopfert wurden. Fuer mich persoenlich positiv war an Kohls Kanzlerschaft eigentlich nur, dass mir diese klarmachte wie wichtig es ist in Freiheit zu leben, viel wichtiger als in immer groesserem materiellen Luxus und mich so dazu inspirierte mein Buendel zu schnueren und mir bessere Lebensbedingungen zu suchen als die der verkohlten Republik. Kohls Wiederwahl 1990, als Lafointaines Kanzlerambitionen der Wiedervereinigungsbesoffenheit zum Opfer fielen, liess mich zum ersten Mal ernsthaft darueber nachdenken das Weite zu suchen. Als Kohl 1994 noch einmal wiedergewaehlt wurde, war mein Entschluss endgueltig: Nie wieder Deutschland! Ich verbrachte ab da mehr Zeit in Kanada als in Deutschland, erwarb 1997 mein offizielles Einwanderungsvisum und bin seit 2005 Kanadier. Kohl sei Dank dafuer! Wer weiss ob ich anders den Arsch hochgekriegt haette! Ach ja, zum Schluss......Ein einziges Mal ist mir Kohl persoenlich begegnet als ich zufaellig an einer Buchhandlung in der Mannheimer Fussgaengerzone vorbeikam und Kohl gerade dabei war diese zu betreten um dort Buecher zu signieren. Als er an mir vorbeiging warf ich ihm wortlos ein paar Muenzen vor die Fuesse um zum Ausdruck zu bringen, was ich von seiner korrupten politischen Karriere hielt. Auf eine weitere moegliche Begegnung verzichtete ich freiwillig als ich als Mitglied eines Kreistagsausschusses im Landkreis Ludwigshafen eine Einladung zu Kohls Verabschiedung mit grossem Mummenschanz in Speyer erhielt. Ich traf mich stattdessen mit ein paar weiteren eingeladenen und freiwillig abwesenden Gruenen zum Umtrunk um mit ein paar Flaschen Rotwein Kohls Abwahl gebuehrend zu feiern, bevor ich wieder nach Hause flog. |
zelig hat folgendes geschrieben: |
Die führenden Politiker und ihre Parteien aus der langen Ära Kohl haben sich aus der zeitlichen Distanz allerdings mehr geähnelt, als sich selber in der gegenwärtigen Erscheinung. Politische Absprachen und Entscheidungen in den Hinterzimmern waren die Sache von machtbewußten Männern, auf der Grundlage von informellen Strukturen. Kohl war ein besonders ausgeprägtes Exemplar dieses Typus, aber nicht das einzige. Das hat sich mit dem Aufkommen der Grünen und mit Merkel grundlegend geändert. |
Zitat: |
Die Wiedervereinigung wurde durch Willy Brandts Ostpolitik ermoeglicht und Genschers diplomatisches Geschick war es zu verdanken, dass sie so reibungslos und friedlich erfolgte. Der Dicke war nur zufaellig gerade Kanzler als es passiert ist und sein "Verdienst" war es diese einmalige wirtschaftliche Chance in den Sand zu setzen. Die Ausgangsvoraussetzungen waren aehnlich gut wie in der Nachkriegszeit, es gab im Osten einen riesigen ungestillten Bedarf vor allem an Guetern jeglicher Art, es stand eine gut ausgebildete Arbeiterschaft bereit und jede Menge Kapital zum investieren gab es auch. Kohl hat es damals tatsaechlich fertiggebracht anstatt eines Wirtschaftswunders wie nach dem Krieg aus dieser Chance eine Dauerkrise zu machen, bei der sich ein paar Guenstlinge und "Spender" hemmungslos die Taschen vollschaufelten, waehrend sich die versprochenen "bluehenden Landschaften" als Wildblumen auf Industriebrachen manifestierten. |
luc hat folgendes geschrieben: | ||
@ Baeachbernie
Das wirtschaftliche Debakel der neuen Bundesländer kann man nicht 100% Kohl ankreiden. Die ganze Wirtschaft und die ganze Industrie der DDR war Schrott und als die DM dort eingeführt wurde, verlor die ex-DDR ihre traditionellen Absatzmärkte in Osteuropa, weil diese Länder die Güter schlechter Qualität nicht in DM zahlen konnten/wollten. Die DM war das Problem aber die Ostdeutschen wollten unbedingt zur DM mit den verheerenden Konsequenzen, die wir kennen. Abgesehen davon kann ich mir nicht eine Wiedervereinigung mit zwei verschiedenen Währungen vorstellen. Das war eben das Dilemma und der unlösbare Widerspruch. Dass westdeutsche Firmen sich auch die Taschen auf Kosten der Ostdeutschen vollschaufelten ist leider auch Realität. |
AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: |
Ein schöner Nachruf von Titanic: |
Kat hat folgendes geschrieben: | ||
Naja, nach dem ersten Satz mit 81 Wörtern (lt. Word) habe ich aufgehört weiter zu lesen... Kat |
Samson83 hat folgendes geschrieben: |
Kohl war keineswegs dumm und tapsig. Er war nur kein Rhetoriker.
Die treffendste Bemerkung zu Kohl fand ich ausgerechnet von Gysi in der Bams: Er war jemand der besser dachte als redete. Das ist bemerkenswert, denn meistens ist es umgekehrt. |
Samson83 hat folgendes geschrieben: |
Ich bin wegen ihm vor einer gefühlten Ewigkeit in die CDU eingetreten .. |
Samson83 hat folgendes geschrieben: |
Und ihr seid Affen. |
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