Sydney, immer wenn ich an meine Familie denke, denke ich auch an Sie. Die sagen uns, Gott ist tot. Die sagen uns, daß uns von jetzt an die Partei, die sie Anka nennen, mit allem versorgen wird. Er sagt, Anka hat die Existenz einer neuen schlimmen Krankheit festgestellt und öffentlich verkündet. Es handelt sich um eine Krankheit des Gedächtnisses, deren charakteristisches Merkmal es ist, daß man zuviel an das Leben im vorrevolutionären Kambodscha denkt. Er sagt, wir sind umgeben von Feinden. Der Feind ist in unserem Inneren. Niemandem kann man trauen. Wir müssen sein wie der Ochse und dürfen keinen Gedanken haben außer für die Partei, keine Liebe außer für Anka. Menschen verhungern, aber wir dürfen keine Nahrungsmittel anbauen. Wir müssen die Genossenkinder ehren, deren Geist nicht von der Vergangenheit infiziert ist.
"Wir suchen diejenigen, die Lehrer, die Studenten und Mediziner waren. Anka braucht euch. Anka verzeiht allen die Vergangenheit."
Sydney, Anka sagt, daß jene, die sich eines sorglosen Lebens während der Jahre des großen Kampfes schuldig gemacht und sich nicht um die Leiden der Landbevölkerung gekümmert haben, jetzt öffentlich Bekenntnis ablegen müssen. Denn wir schreiben jetzt das Jahr Null, und alles beginnt neu. Ich habe furchtbare Angst, Sydney. Ich darf nie zeigen, nie verraten, daß ich fremde Sprachen verstehe. Ich darf keine Vergangenheit haben, Sydney. Dies ist das Jahr Null, und nichts hat sich vorher ereignet.
Der Wind flüstert von Furcht und Haß. Der Krieg hat Liebe getötet, Sydney. Die, die vor Anka öffentlich Bekenntnis abgelegt haben, verschwinden, und niemand wagt zu fragen, wohin sie kommen. Hier überleben nur die Stummen.
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