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Manifest des Evolutionären Humanismus [aus dem ehemaligen GBS-Forum]
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Anmeldungsdatum: 22.05.2006
Beiträge: 449

Beitrag(#623253) Verfasst am: 19.12.2006, 23:21    Titel: Antworten mit Zitat

Leid ist schlecht. Nicht-Leid ist gut. Kann jeder Nicht-Masochist bezeugen. Im Zweifelsfall gehen wir davon aus, dass die Leute keine Masochisten sind, also nicht leiden wollen. Dazu haben sie das volle Recht und für Tiere gilt das auch. Es ist nicht nett, ein Tier zu quälen, so wie es nicht nett ist, einen Menschen zu quälen.

Wer möchte, kann jetzt eine ethisch-philosophische Begründung ergänzen. Mir jedenfalls leuchtet das unmittelbar ein. Sehr glücklich
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Sisyphos II
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Anmeldungsdatum: 11.11.2006
Beiträge: 341

Beitrag(#623889) Verfasst am: 20.12.2006, 23:18    Titel: Antworten mit Zitat

Der Autor hat folgendes geschrieben:
Wer möchte, kann jetzt eine ethisch-philosophische Begründung ergänzen. Mir jedenfalls leuchtet das unmittelbar ein. Sehr glücklich


Mir auch. Lachen

Dennoch ... drei Ansätze:

(1) Leidminimierung bei Tieren bedeutet auch Minimierung eigenen Leides (Mitleid) und ist daher eigennützig (siehe Manifest), eine auf die Tierwelt ausgeweitete Emphatiefähigkeit vorausgesetzt.

(2) Kein Leid zufügen, weil es Überwindung kostet (natürliche Barriere oder anerzogenes Gewissen?) und erst gelernt werden muss. Ist letztendlich die gleiche Begründung wie (1): Mit-Leiden vermeiden.

(3) Leidminimierung als Folge von (abstrakter) Verantwortung: betrifft Kategorien wie Artenvielfalt, Ökosystem, Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit, Tragfähigkeit...
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Tapuak
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Anmeldungsdatum: 23.02.2006
Beiträge: 1264

Beitrag(#623934) Verfasst am: 21.12.2006, 00:23    Titel: Antworten mit Zitat

Der Autor hat folgendes geschrieben:
Leid ist schlecht. Nicht-Leid ist gut. Kann jeder Nicht-Masochist bezeugen. Im Zweifelsfall gehen wir davon aus, dass die Leute keine Masochisten sind, also nicht leiden wollen. Dazu haben sie das volle Recht und für Tiere gilt das auch. Es ist nicht nett, ein Tier zu quälen, so wie es nicht nett ist, einen Menschen zu quälen.


Es ist nicht so, dass man ethische Prinzipien aus "Gegebenem" ableiten muss, wie es bei dir wirkt ("Lebewesen wollen nicht, dass ihnen Leid zugefügt wird, also sollen wir ihnen auch kein Leid zufügen."). Ethische Prinzipien wie die Minimierung von Leid werden nicht dadurch "richtig" oder "zwingend", weil wir sie vermeintlich von der Realität diktiert bekommen. Deine Vorgehensweise birgt also die gleichen Probleme, die auch auftreten, wenn jemand "induktiv" aus der Realität eine wissenschaftliche Theorie ableiten will: Man hat dann kein Kriterium in der Hand, an dem man die Tauglichkeit des der wissenschaftlichen Theorie oder des ethischen Prinzips oder überprüfen kann.

Darüber hinaus gerät man mit der Vorgehensweise, ethische Prinzipien aus der Realität ableiten zu wollen möglicherweise wieder in den Sog des hier bereits diskutierten naturalistischen Fehlschlusses.

Und das "unmittelbare Einleuchten" ist schon mal gar kein Grund dafür, dass das Prinzip richtig ist. Wenn man genauer hinsieht, ist der Rückgriff auf "Intuition" nichts weiter als eine Immunisierungsmethode. Wenn man nämlich behauptet, dass etwas ohnehin "unmittelbar einsichtig" ist, ist es rational nicht mehr nachvollziehbar und nicht mehr kritisierbar - und damit nicht mehr revidierbar und verbesserbar. Der Beliebigkeit sind so also alle Türen geöffnet. Jemand könnte z.B. mit dem gleichen Recht daherkommen und behaupten, dass es Gottes Wille ist, Leid zu maximieren, und ihm dies unmittelbar einsichtig ist. Eine rationale Diskussion auf dieser Ebene ist also unmöglich.

Aufgrund dieser Schwächen in der Argumentation muss man nach meiner Meinung anders vorgehen: Man muss ethische Prinzipien erfinden und sie dann aufgrund ihrer empirischen Konsequenzen kritisieren. Man beobachtet also, welche Auswirkungen verschiedene ethische Prinzipien in der Realität haben oder hätten, wenn sie in tatsächliche Handlungen umgesetzt würden. Die Realität ist hier also nicht die Quelle des ethischen Prinzips, wie das bei der Vorgensweise der Fall ist, die Der Autor skizziert hat, sondern die "Prüfinstanz" dafür, ob ein ethisches Prinzip brauchbar ist.

Wenn man dann beobachtet, dass ein bestimmtes ethisches Prinzip in der Realität zu vielen negativen Konsequenzen führt, kann man es aufgrund dessen verwerfen und durch bessere ersetzen. So sind also die Kritisierbarkeit, Diskutierbarkeit und die Revidierbarkeit gewährleistet. Ethische Prinzipien sind demnach Vorschläge, die niemals vollends "richtig" sein können, sondern sich höchstens bewähren können, sofern sich zeigt, dass sie zu akzeptablen Konsequenzen führen.

Das Prinzip der Lustmaximierung z.B. führt nach meiner Meinung teilweise zu nicht akzeptablen Auswirkungen, nämlich dazu, dass eine Gruppe womöglich extrem darunter leidet, wenn eine andere ihre Lust maximieren will. So könnte es etwa in einer Gesellschaft der Mehrheit Lust bereiten, die Minderheit auszubeuten, sie zu versklaven usw., damit die Mehrheit sich auf die faule Haut legen kann (und damit ihre Lust zu maximieren). Gemäß dem ethischen Prinzip der Lustmaximierung wäre diese Verhaltensweise moralisch völlig akzeptabel.

Diese drastischen Probleme bereitet das Prinzip der Leidminimierung dagegen nicht. Seine konsequente Durchführung führt höchstens dazu, dass manche Beteiligten gewisse Einbußen an Lust hinnehmen müssen, um das Leid anderer zu minimieren. In Bezug auf unser Thema hieße das z.B., auf bestimmte Nahrungsbestandteile zu verzichten bzw. diese zu ersetzen, um dadurch das Leid anderer (der Tiere) zu vermeiden. Da hier jedoch eine höchstens als sekundär einzustufende Lust des einen Lebewesens (das Bedürfnis des betreffenden Menschen, Tiere zu essen) gegen primäre Bedürfnisse des anderen steht (das Bedürfnis des Tieres, nicht gequält zu werden usw.), führt die Durchführung des Prinzips der Leidminimierung auch hier zu annehmbaren Konsequenzen. (In noch einfacher gelagertern Fällen des alltäglichen Zusammenlebens ohnehin.)
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Mario Hahna
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Beitrag(#623944) Verfasst am: 21.12.2006, 00:38    Titel: Antworten mit Zitat

Ich weiß nicht, deine Begründung überzeugt mich nicht so richtig. Aber vieleicht hast du ja nur anskizziert. So wie du es darstellst, kann man derartige "Vorschläge" völlig beliebig machen.
Warum machst du denn diesen ethischen Vorschlag?
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Mario Hahna
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Beitrag(#623949) Verfasst am: 21.12.2006, 00:42    Titel: Antworten mit Zitat

Andreas2006 hat folgendes geschrieben:

(1) Leidminimierung bei Tieren bedeutet auch Minimierung eigenen Leides (Mitleid) und ist daher eigennützig (siehe Manifest), eine auf die Tierwelt ausgeweitete Emphatiefähigkeit vorausgesetzt.

(2) Kein Leid zufügen, weil es Überwindung kostet (natürliche Barriere oder anerzogenes Gewissen?) und erst gelernt werden muss. Ist letztendlich die gleiche Begründung wie (1): Mit-Leiden vermeiden.

(3) Leidminimierung als Folge von (abstrakter) Verantwortung: betrifft Kategorien wie Artenvielfalt, Ökosystem, Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit, Tragfähigkeit...


Danke, ich finde derartige Versuche hilfreicher, als den Hinweis darauf, dass es einleuchtend ist. Es ist insofern einleuchtend, dass ich es persönlich unangenehm finde, Tieren Leid zuzufügen. Allerdings bin ich durchaus dazu in der Lage, Tiere zu töten. Bislang habe ich nur Fische beim Angeln getötet, würde aber auch Vögel und Säugetiere, die ich ja auch esse, töten. Ich finde es aber unangenehm und versuche es möglichst "human" zu machen.
Aber das ist für mich keine befriedigende Begründung.

Deine Vorschläge überzeugen mich allerdings nicht wirklich, aber ich werde nochmal drüber nachdenken.
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Tapuak
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Beitrag(#623953) Verfasst am: 21.12.2006, 00:49    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich weiß nicht, deine Begründung überzeugt mich nicht so richtig. Aber vieleicht hast du ja nur anskizziert. So wie du es darstellst, kann man derartige "Vorschläge" völlig beliebig machen.

Ja, klar. Auch in der Wissenschaft kann ja jeder seine beliebige Theorie aufstellen. Die Frage ist dann nur, ob sie der Überprüfung standhält. Genauso kann jeder ethische Prinzipien vorschlagen.

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Warum machst du denn diesen ethischen Vorschlag?

Weil er m.E. zu größtenteils akzeptablen Konsequenzen führt, wenn er in tatsächliche Handlungen umgesetzt wird. Siehe die letzten beiden Absätze meines vorherigen Beitrages.
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Beitrag(#623958) Verfasst am: 21.12.2006, 00:56    Titel: Antworten mit Zitat

Na, aber das ist doch nicht der Grund! Es gibt eine Menge ethischer Prinzipien, die annehmbare Konsequenzen haben, wahrscheinlich unzählige, aber du hast doch einen Grund für diesen Vorschlag, der darüber hinausgeht, oder nicht?
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Tapuak
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Beitrag(#623962) Verfasst am: 21.12.2006, 00:59    Titel: Antworten mit Zitat

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Na, aber das ist doch nicht der Grund! Es gibt eine Menge ethischer Prinzipien, die annehmbare Konsequenzen haben, wahrscheinlich unzählige, aber du hast doch einen Grund für diesen Vorschlag, der darüber hinausgeht, oder nicht?

Nein.

Mich würden übrigens auch deine Vorschläge für solche Prinzipien interessieren.

Edit: Doch, ein weiteres Kriterium dafür, ob solche Prinzipien zumindest potenziell sinnvoll sein können, ist nach meiner Meinung, dass sie Bezug auf real beobachtbare Phänomene nehmen, da ja sonst ihre Konsequenzen gar nicht überprüfbar sind (z.B. "Handlungen, die Gott zufrieden machen, sind gut").


Zuletzt bearbeitet von Tapuak am 21.12.2006, 01:07, insgesamt 3-mal bearbeitet
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Beitrag(#623966) Verfasst am: 21.12.2006, 01:05    Titel: Antworten mit Zitat

Nein? Ich finde das ein bißchen entäuschend!
Was hat das denn mit Ethik zu tun? Es hat annehmbare Konsequenzen, das reicht?

Nun gut, das führt mich zu der Frage, wie bewertest du, ob die Konsequenzen annehmbar sind?
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Beitrag(#623967) Verfasst am: 21.12.2006, 01:06    Titel: Antworten mit Zitat

Edit jetzt erst gelesen, hmmm. Die Frage bleibt, wie du bewertest, was annehmbar ist.
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Beitrag(#623982) Verfasst am: 21.12.2006, 01:48    Titel: Antworten mit Zitat

Zum Thema Ethik sollte mal einer anmerken, dass nie letztgültig "bewiesen" werden kann, was richtig ist. Eine dogmatische Grundannahme braucht man dafür einfach. Die von Michael sieht so aus:

Zitat:
Die Humanistische Basis-Setzung (HBS) ALLE MENSCHEN (ungeachtet welcher Gruppe sie angehören - auch die kommenden Generationen werden hier mit einbezogen!) SIND GLEICHBERECHTIGT UND FREI IN IHREM STREBEN, IHRE INDIVIDUELLEN VORSTELLUNGEN VOM GUTEN LEBEN IM DIESSEITS ZU VER-WIRKLICHEN, SOFERN DADURCH NICHT DIE GLEICHBERECHTIGTEN INTERESSEN ANDERER IN MITLEIDENSCHAFT GEZOGEN WERDEN, UND ES IST DIE UNAUFKÜNDBARE AUFGABE EINES JEDEN MENSCHEN MIT ALLEN ZUR VERFÜGUNG STEHENDEN KRÄFTEN DAZU BEIZUTRAGEN, DASS MÖGLICHST WENIGEN (IM IDEALFALL: NIEMANDEM) DIE INANSPRUCHNAHME DIESES FUNDAMENTALEN RECHTS VERSAGT BLEIBT.


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Beitrag(#623985) Verfasst am: 21.12.2006, 01:58    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Und das "unmittelbare Einleuchten" ist schon mal gar kein Grund dafür, dass das Prinzip richtig ist.


Es wäre nicht schlecht, wenn du endlich mit diesem Schwachsinn aufhören könntest! Böse

Andreas2006 hat so auf mein Kommentar reagiert, wie es ein normaler Mensch tun würde: Mit einem Smilie. Dass du es dagegen völlig ernst nimmst und bis ins Detail analysierst, zeugt schon davon, dass du nicht willens oder in der Lage bist, deine Gesprächspartner zu verstehen. Stattdessen predigst du lieber dein Zeug runter und feierst deine Überlegenheit. Eine tief philosophische Position mir bei diesem Kommentar - noch dazu vor dem Hintergrund des ironisch-naiven Sprachniveaus - hier zu unterstellen, ist schlichtweg verrückt.

Zitat:
Nicht-Leid ist gut. Kann jeder Nicht-Masochist bezeugen.


Wow, was für eine ernsthafte Hypothese, da muss ich jetzt meinen Quark dazu abgeben, nicht wahr?

Zitat:
Wer möchte, kann jetzt eine ethisch-philosophische Begründung ergänzen.


...weist schon recht deutlich darauf hin, dass mein Kommentar nicht schon bereits eine solche Begründung war.

Also hör endlich auf mit diesem Quatsch!
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Tapuak
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Beitrag(#624068) Verfasst am: 21.12.2006, 11:10    Titel: Antworten mit Zitat

Der Autor hat folgendes geschrieben:
...

Sag mal, geht's noch? Warum fühlst du dich angegriffen und beleidigst mich, nur weil ich hier versucht habe, einen ernsthaften Standpunkt zu entwickeln? Wenn du dich mit Philosophie etwas auskennen würdest, hättest du merken können, dass ich in meinem Beitrag bestimmte Vorgehenswseisen kritisiert habe, die tatsächlich in der Philosophie angewandt werden, um Ethik zu begründen, nämlich das "induktive" Ableiten von ethischen Prinzipien aus der Realität und der Rückgriff auf "unmittelbare Einsicht". Es ist also ziemlich egal, ob du das jetzt ernst gemeint hast oder nicht, weil andere genau diese Standpunkte ernstmeinen, und deren Schwäche wollte ich aufzeigen. Zudem war die Kritik am "Induktivismus" notwendig, um die von mir skizzierte Position verständlich zu machen. Ich habe echt keine Lust, mich dafür zu rechtfertigen, wenn ich hier einen gehaltvollen Beitrag schreibe.

Ich fordere dich also erneut auf, es zu unterlassen, mich zu beleidigen ("Schwachsinn", "kein normaler Mensch" usw.) und würde mich stattdessen freuen, wenn du inhaltlich auf meinen Beitrag eingehen würdest. Ich frage mich echt, ob du überhaupt annähernd merkst, wie unglaublich unhöflich du dich hier ausdrückst.
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Tapuak
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Beiträge: 1264

Beitrag(#624073) Verfasst am: 21.12.2006, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

Mario Hahna hat folgendes geschrieben:
Edit jetzt erst gelesen, hmmm. Die Frage bleibt, wie du bewertest, was annehmbar ist.

Keine Ahnung, weiß ich jetzt nicht (guter Kritikpunkt!). Mir reicht's auch fürs erste hier.
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Mario Hahna
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Anmeldungsdatum: 04.04.2005
Beiträge: 9607
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Beitrag(#624085) Verfasst am: 21.12.2006, 11:51    Titel: Antworten mit Zitat

Der Autor hat folgendes geschrieben:
Zum Thema Ethik sollte mal einer anmerken, dass nie letztgültig "bewiesen" werden kann, was richtig ist. Eine dogmatische Grundannahme braucht man dafür einfach. Die von Michael sieht so aus:

Zitat:
Die Humanistische Basis-Setzung (HBS) ALLE MENSCHEN (ungeachtet welcher Gruppe sie angehören - auch die kommenden Generationen werden hier mit einbezogen!) SIND GLEICHBERECHTIGT UND FREI IN IHREM STREBEN, IHRE INDIVIDUELLEN VORSTELLUNGEN VOM GUTEN LEBEN IM DIESSEITS ZU VER-WIRKLICHEN, SOFERN DADURCH NICHT DIE GLEICHBERECHTIGTEN INTERESSEN ANDERER IN MITLEIDENSCHAFT GEZOGEN WERDEN, UND ES IST DIE UNAUFKÜNDBARE AUFGABE EINES JEDEN MENSCHEN MIT ALLEN ZUR VERFÜGUNG STEHENDEN KRÄFTEN DAZU BEIZUTRAGEN, DASS MÖGLICHST WENIGEN (IM IDEALFALL: NIEMANDEM) DIE INANSPRUCHNAHME DIESES FUNDAMENTALEN RECHTS VERSAGT BLEIBT.


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Von Tieren lese ich da nichts.
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Sisyphos II
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Anmeldungsdatum: 11.11.2006
Beiträge: 341

Beitrag(#624113) Verfasst am: 21.12.2006, 13:09    Titel: Antworten mit Zitat

Tapuak hat folgendes geschrieben:
Man muss ethische Prinzipien erfinden und sie dann aufgrund ihrer empirischen Konsequenzen kritisieren. Man beobachtet also, welche Auswirkungen verschiedene ethische Prinzipien in der Realität haben oder hätten, wenn sie in tatsächliche Handlungen umgesetzt würden.


Es ist anzunehmen, dass genau dieses Experimentieren mit ethischen Prinzipien in der Geschichte der Menschheit zu unseren Regeln geführt hat. Einen interessanten Beitrag dazu hatte vor einigen Wochen Philip Kitcher in der ZEIT veröffentlicht:

Zitat:
So bildeten sich Ge- und Verbote heraus, die noch heute in zeitgenössischen Gesellschaften von Jägern und Sammlern zu beobachten sind, Regeln, die sich auf Fragen von Loyalität in Konfliktfällen und auf die Partnerwahl beziehen – ebenjene Fragen, die in Schimpansengesellschaften für Spannungen sorgen. Doch das war erst der Anfang. Verschiedene Gruppen experimentierten mit verschiedenen Regeln, erfolgreiche Experimente wurden weitergegeben. Daraus entwickelte sich vor etwa zehntausend Jahren die Fähigkeit des Menschen, mit sehr viel mehr Personen permanent zusammenzuleben, sodass Siedlungen mit Hunderten von Einwohnern entstanden.
In den fragmentarischen Gesetzestexten der Frühzeit, also nach der Entwicklung der Schrift, können wir die sittlichen Begriffe unserer Ahnen erkennen. Man sieht eine unsystematische Übernahme von Regeln, die aufgestellt wurden für noch nicht dagewesene Situationen und die an Gesellschaften mit völlig anderen religiösen Orientierungen weitergegeben wurden. Es ist also nicht so, dass die gleichen Vorschriften von unterschiedlichen Gottheiten verkündet wurden, sondern eher so, dass diese Regeln zunächst als praktische Lösungen für soziale Probleme entwickelt und erst dann in einen religiösen Zusammenhang gestellt wurden, der ihnen zusätzliches Gewicht verlieh. Schließlich haben schon frühzeitliche Gesellschaften festgestellt, dass sich durch Verweis auf ein allwissendes Wesen, das über unsere Handlungen richtet, Gesetzestreue hervorragend durchsetzen lässt.

Kitcher, Philip (2006): Ethik ohne Gott. In: ZEIT Nr. 38 vom 14. September, S. 43.


Dummerweise wurden die im jeweiligen sozialen und historischen Kontext durch Experimente gefundenen Ethiken später religiös untermauert und als Dogmen festgeschrieben.

Es spricht heute nichts dagegen, mit dem Experimentieren fortzufahren. Lachen

Tapuak hat folgendes geschrieben:
Diese drastischen Probleme bereitet das Prinzip der Leidminimierung dagegen nicht. Seine konsequente Durchführung führt höchstens dazu, dass manche Beteiligten gewisse Einbußen an Lust hinnehmen müssen, um das Leid anderer zu minimieren. In Bezug auf unser Thema hieße das z.B., auf bestimmte Nahrungsbestandteile zu verzichten bzw. diese zu ersetzen, um dadurch das Leid anderer (der Tiere) zu vermeiden. Da hier jedoch eine höchstens als sekundär einzustufende Lust des einen Lebewesens (das Bedürfnis des betreffenden Menschen, Tiere zu essen) gegen primäre Bedürfnisse des anderen steht (das Bedürfnis des Tieres, nicht gequält zu werden usw.), führt die Durchführung des Prinzips der Leidminimierung auch hier zu annehmbaren Konsequenzen. (In noch einfacher gelagertern Fällen des alltäglichen Zusammenlebens ohnehin.)


Die Knackpunkte bei diesem Experiment sind die damit einhergehende Einbuße an (kulinarischer) Lust, aber auch die Einbuße an sozialer Anerkennung ("Was? Du isst kein Fleisch?" etc. etc.). Ich habe das Experiment des Vegetarismus zwei mal durchgeführt und dabei genau dies festgestellt.

Die Nachteile, die man in Kauf nimmt, sollten durch Vorteile aufgewogen werden. Das Prinzip der Leidminimierung dient ja zunächst denen, um deren Leid es geht: den Tieren. Da wir Menschen zutiefst eigennützige Wesen sind, brauchen wir dazu Anreize. Sonst schlägt das ethische Experiment fehl.

Eine ethische Begründung der Leidminimierung sollte daher auch einige Hinweise enthalten, z.B.:


(1) Leidminimierung bedeutet auch Minimierung eigenen Leids (Mit-Leid). Das setzt - wie schon gesagt - Emphatiefähigkeit voraus und, dass wir das Leid der Tiere wahrnehmen. Wer sieht in seinem Leben schon noch eine Schlachtung?

(2) Leidminimierung durch Vegetarismus/weniger Fleischverzehr ist (wenn man es richtig macht) mit keinen gesundheitlichen Nachteilen verbunden, sondern kann langfristig sogar von Vorteil sein.

(3) Leidminimierung durch Verzicht/Verminderung der Fleischproduktion führt (in einem bestimmten Raum) zu höheren Ernteerträgen und damit dazu, dass sich die Tragfähigkeit des Raumes erhöht: Mehr Menschen (Eigennutz: auch die eigenen Kinder!) können langfristig ernährt werden.

(4) Leidminimierung durch Verzicht/Verringerung der industriellen Massentierhaltung führt zu weniger Schadstoffen im Ökosystem und damit für alle (Eigennutz: auch für mich!) zu mehr Lebensqualität.

Edit: (5) Vegetarische Gerichte schmecken oft auch einfach prima! Lachen


Zuletzt bearbeitet von Sisyphos II am 21.12.2006, 16:13, insgesamt einmal bearbeitet
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Queen of Las Vegas
Lebenserotiker



Anmeldungsdatum: 11.12.2005
Beiträge: 1891
Wohnort: Mannheim

Beitrag(#624144) Verfasst am: 21.12.2006, 14:10    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin mir nicht sicher ob uns die Leidminimierung wirklich weiterbring. Dieser Begriff wurde eher zufällig hier eingeführt spielt im Vegetarismus/Veganismus eine Nebenrolle da das Töten an sich ja schon problematisch ist. Wir können hier nicht einfach eine Leiddebatte entfachen ohne uns vorher gefragt zu haben ob Tiere generell auf unseren Speiseplan gehören. Schließlich wäre es auch möglich einen leidlosen Aufzucht und Schlachtbetrieb für die Tiere zu erdenken.
Die Tiere leiden ja allgemein unter einem schweren Fehler der Evolution, sie können nicht mit uns sprechen. Was bedeutet das für uns?
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Sisyphos II
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Anmeldungsdatum: 11.11.2006
Beiträge: 341

Beitrag(#624162) Verfasst am: 21.12.2006, 15:05    Titel: Antworten mit Zitat

Queen of Las Vegas hat folgendes geschrieben:
Ich bin mir nicht sicher ob uns die Leidminimierung wirklich weiterbring. Dieser Begriff wurde eher zufällig hier eingeführt spielt im Vegetarismus/Veganismus eine Nebenrolle da das Töten an sich ja schon problematisch ist. Wir können hier nicht einfach eine Leiddebatte entfachen ohne uns vorher gefragt zu haben ob Tiere generell auf unseren Speiseplan gehören.


Diese Frage haben wir ja bereits diskutiert. Tiere können auf unseren Speiseplan gehören, müssen aber nicht. Aus verschiedenen Gründen lebten und leben Menschen mit und auch ohne Fleisch.

Ich gehe beim Begriff "Leidminimierung" davon aus, dass er Nicht-Töten mit einbezieht. Es geht also nicht nur um das Nicht-Quälen (im Sinne von artgerechter Tierhaltung und schmerzfreier Tötung). Leidminimierung meint den gesellschaftlichen Prozess hin zu einer Leidvermeidung. Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese Definition hier Konsens ist.
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Sisyphos II
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Anmeldungsdatum: 11.11.2006
Beiträge: 341

Beitrag(#624198) Verfasst am: 21.12.2006, 16:08    Titel: Antworten mit Zitat

Du hast weiter oben geschrieben:

Queen of Las Vegas hat folgendes geschrieben:
Wie ich schon dagestellt hatte, und da bin ich mit Andreas2006 und Tapuak einer Meinung, ist die entsachlichung des Tieres der erste gehbare Schritt einer modernen Ethik.


Leider sind wir über die Entsachlichung des Tieres als erstem Schritt in der Diskussion hinweg gegangen. Vielleicht ist dieser Schritt - als Voraussetzung dafür, überhaupt über das Leid der Tiere nachdenken zu können - noch eine kleine Erörterung wert. Vielleicht haben wir das als Selbstverständlichkeit und als stillen Konsens aber auch schon abgehakt. Frage
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B.Ehlert
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Anmeldungsdatum: 06.01.2007
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Beitrag(#634819) Verfasst am: 06.01.2007, 18:49    Titel: Kritik am Manifest Antworten mit Zitat

Zunächst, in der einen Hinsicht, vielen Dank für das „Manifest des Evolutionären Humanismus“ als den Versuch, das Falsche und Irrige in der Religion aufzudecken und damit das heutige menschliche Welt- und Selbstverständnis zugunsten einer besseren Welt zu überwinden. Dieses Bestreben ist schon lange überfällig und besonders in der heutigen Zeit, in der die verschiedenen Kulturen in der Globalisierung aufeinanderprallen und miteinander auskommen müssen, bitter nötig, denn die Welt ist nicht mehr weit davon entfernt, „Heilige Kriege“ um abergläubische Vorstellungen demnächst mit Atomwaffen auszutragen.

Doch wie dieser überfällige Ansatz einer grundlegenden Religionskritik und Aufklärung dann in dem „Manifest des Evolutionären Humanismus“ konkret angegangen und umgesetzt wird, ist gerade wegen dieser Dringlichkeit und Notwendigkeit zutiefst enttäuschend und scharf zu kritisieren.
Religion wird einfach mit Dogmatismus gleichgesetzt und pauschal in einer zudem oft polemischen Art verteufelt. Im Nachwort der zweiten Auflage des Manifestes wird zwar versucht, diesen auch von anderen geäußerten Vorwurf zu entkräften („Selbstverständlich enthalten sämtliche Religionen [...] viele wertvolle Elemente“, MSS, S. 161-162), doch der Gipfel dieser pauschalen Verteufelung der Religion, nämlich die Anführung religiöser, christlicher Elemente als wesentliche Ursache des Nationalsozialismus („die politische Religion des Nationalsozialismus, die sich zu einem maßgeblichen Teil aus christlichen Wurzeln speiste“, MSS, S. 84), blieb auch in der zweiten Auflage bestehen. Diese Polemik gipfelt in der Bemerkung, dass der christliche Messias es war, der gedroht habe, „die ‚Bösen’ dereinst ‚in den Ofen’“ (MSS, S. 84) zu werfen, wobei so assoziiert wird, dass Nationalsozialismus und Christentum im Grunde ein und dasselbe sind. Solch eine Verbindung zwischen dem christlichen Messias und dem Nationalsozialismus über den „Ofen“ herzustellen, ist unseriös und lächerlich, verrät aber gerade darin den wahren Charakter dieser Schrift.
Sofort nach dieser Stelle liefert Michael Schmidt-Salomon dann selbst ungewollt die Unhaltbarkeit dieser Argumentation, indem er schreibt, dass die Nazis sich zwar auch des Darwinismus bedienten, dass die weit verbreitete Annahme, sie wären deswegen zu Protagonisten der Aufklärung geworden, „haarsträubend falsch“ (MSS, S. 85) ist. Dieser Schluss ist natürlich falsch, aber exakt ebenso haarsträubend falsch ist die Annahme, die Religion sei praktisch die wesentliche Ursache für den Nationalsozialismus, nur weil sich die Nazis auch Verfehlungen im religiösen bzw. christlichen Bereich (den Judenhass) zunutze machten. Dann müsste mit derselben Logik auch die Evolutionstheorie bzw. allgemein die moderne Naturwissenschaft als Ursache des Nationalsozialismus angenommen werden, bzw. alles, was die Nazis irgendwie für ihre Zwecke einsetzten.

Die entscheidende Frage abgesehen von der sachlichen Unhaltbarkeit ist heute aber, was mit dieser polemischen Art denn erreicht werden soll? Wird wirklich geglaubt, dass mit dieser Art und Weise gesellschaftlich und menschlich etwas bewegt werden kann? Es wird eigentlich nur polarisiert, d.h. diejenigen, die die Religion schon vor dem Lesen dieses Manifestes pauschal ablehnten, fühlen sich zwar bestätigt und befriedigt, doch das ist nur eine kleine Minderheit. Die große Mehrheit der Menschen, die sich zwar mehr und mehr der Unvollkommenheit des religiösen Glaubens bewusst wird und so für Veränderungen offen ist, wird dieser Weltsicht nichts abgewinnen können. Das ist etwa so, als würde man mehr Umweltschutz mit der Behauptung verwirklichen wollen, alle Umweltsünder seien Nationalsozialisten, weil auch sie den Untergang der Welt betrieben. Damit erreicht man eher das Gegenteil.
Dieses Vorgehen führt zu keiner Einsicht und keinen Veränderungen, es stößt die Menschen eher ab und ist einfach keine vernünftige und humane Art des Umgangs miteinander, d. h. der Andersdenkende wird in seinem Andersein hierbei überhaupt nicht ernst genommen, er wird in seinem Sein zuerst einmal beleidigt und auf pauschale und undifferenzierte Weise mit dem Bösesten gleichgesetzt, was überhaupt denkbar ist. So will man auf vernünftige und sachliche Weise die Gesellschaft verbessern und Gräben überwinden? Dieses Grundmuster findet man leider zuhauf, und zwar auch auf der „anderen Seite“, nur mit umgekehrten Vorzeichen, d.h. als Christen, die besonders den Kommunismus pauschal und undifferenziert mit Stalinismus und Menschenverachtung gleichsetzen und über alles herfahren, was irgendwie den Namen Kommunismus oder Sozialismus in Verbindung zu bringen ist.
Eine bessere Welt auf die Weise durchsetzen zu wollen, indem versucht wird, den geistigen Standpunkt des jeweiligen Gegners samt und sonders zu diffamieren und zu vernichten, funktioniert schon deshalb nicht, weil dieser Gegner spätestens beim ersten Anzeichen dieser Versuche sich mit genau derselben, nur umgekehrten Zielsetzung zu verteidigen sucht. Diese Denk- und Argumentationsweise ist es vielmehr, die schlicht und einfach inhuman und menschenverachtend ist, wobei damit dieses Manifest ein Widerspruch in sich ist. Das Ergebnis dieser Denk- und Argumentationsweise ist eine Welt der Polarisierung, des Hasses und der Feindschaft, wobei die zunächst geistige Auseinandersetzung früher oder später bei der ersten passenden Gelegenheit wieder in Gewalttätigkeit umschlagen wird.
Dogmatismus und Polemik müssen ausgerottet werden, wo immer sie sich zeigen, aber nicht Religion. Die Differenzierung des Begriffes „Religion“ von Goethe (Vgl. MSS, S. 4Cool ist keine überflüssige Verwirrung, sondern notwendig, auch wenn es nicht so einfach und bequem wie eine pauschale Verurteilung ist.

Als Vorschlag dazu, wie eine sachliche, vernünftige und damit auch humane Religionskritik aussehen könnte (die trotzdem in der Sache knallhart ist), möchte ich nachfolgend einige Argumente anführen. Zunächst ist aus einer evolutionären Perspektive der religiöse Glaube wohl so alt wie der Mensch bzw. wie das menschliche Selbstbewusstsein selbst, was vor allem heißt, dass er sich nicht einfach ausrotten lassen wird. Daran haben sich schon die Kommunisten in der Sowjetunion die Zähne ausgebissen. Genauso gut könnte man versuchen, die Sexualität auszurotten. Beim religiösen Glauben verbirgt sich hinter all den nicht haltbaren, abergläubischen Vorstellungen aber auch die philosophische Frage nach dem Absoluten, die trotz aller naturwissenschaftlichen Erkenntnisse bis heute ungelöst ist. Hier liegt der Ansatzpunkt einer sachlichen aber konstruktiven Kritik, wobei man gar nichts Neues erfinden muss, sondern einfach einmal in die Geschichte schauen sollte.
Religion heißt nicht automatisch Dogmatismus und es gab sehr wohl eine mehr als tausendjährige philosophisch-religiöse Tradition im Abendland, die nicht nur mit Vernunft und Aufklärung vereinbar war, sondern die im höchsten Maße Vernunft und Aufklärung selbst war. Diese Tradition nahm noch vor dem Christentum mit Philon von Alexandria ihren Anfang und wurde später in der sogenannten negativen Theologie im Christentum fortgeführt. Den Kern diese Tradition definierte der Plotin-Schüler und „erklärte Christenfeind“ Porphyrios (232-304 n.Chr.). Porphyrios kritisierte besonders die Verehrung eines historischen Menschen als Menschwerdung Gottes und als göttliches personales Wesen. Das war für die damalige Philosophie des Neuplatonismus ein „Rückfall in den schon von Platon und dem Vorsokratiker Xenophanes (6.Jahrhundert v. Chr.) bekämpften Anthropomorphismus“ (J. Halfwassen, Plotin und der Neuplatonismus, München 2004, S. 151). Xenophanes, auch „Sturmvogel der griechischen Aufklärung“ genannt, hatte schon zu dieser frühen Zeit, also 500 Jahre vor Christus, gespottet, dass, wenn Pferde Götter hätten, diese Götter wie Pferde aussehen würden.
Porphyrios versuchte 800 Jahre nach Xenophanes dann aber nicht, diesen grundlegenden Irrtum und das darauf aufbauende und zu dieser Zeit sich bildende Christentum auszurotten. Diesen Weg gingen zu seiner Zeit die Römer mit ihren grausamen Christenverfolgungen vergeblich und erreichten schließlich nur das Gegenteil davon. Porphyrios entkleidete vielmehr die religiösen Inhalte ihrer mythischen Vorstellungsformen und übersetzte sie in philosophische Begriffe, um die gesamte religiöse Überlieferung systematisch in die Philosophie zu integrieren (Vgl. J. Halfwassen, S. 149). Diese aufgeklärte Art des Religionsverständnisses wurde zwar, als die Christen im Römischen Reich an die Macht gelangten, verboten und verfolgt, sie bestand aber trotzdem als negative christliche Theologie bis ins Mittelalter fort. Erst hier fand sie ihr endgültiges Ende, wofür die Verurteilung Meister Eckharts durch die christliche Inquisition steht. Ludwig Marcuse etwa sagt zu Recht über Eckhart, dass er der radikalste Entmythologisierer war, lange bevor die Entmythologisierung erfunden wurde, und er aufgeklärter als die Aufklärung war (man darf Eckhart wie die gesamte Tradition der negativen Theologie nicht äußerlich anhand ihrer verwendeten Begriffe beurteilen, sondern daran, was sie mit diesen Begriffen letztlich aussagt).

Angesichts des Scheiterns dieser aufgeklärten und vernünftigen Version des Christentums in der Antike und im Mittelalter scheint es so, als wäre dieses Verhaltensmuster der Ausrottung und Vernichtung von Erfolg gekrönt, d.h. im abendländischen Geist hat sich das Verhalten durchgesetzt (bzw. es wurde beibehalten), nicht die Verständigung mit dem jeweiligen Gegner zu suchen und die Probleme mit Geist, Vernunft und Aufklärung zu überwinden, sondern die Gegner pauschal zu diffamieren, um sie gänzlich zu vernichten und auszurotten. Dem mehr jüdischen Verständnis des Christentums zumindest ist das lange Zeit gelungen und es hat sich mit diesem Verhalten gegen alle konkurrierenden Verständnisse des Christentums und anderer religiöser Glaubensarten durchgesetzt. Auch wenn dieses Verhalten heute in der Regel nicht mehr durch Gewalt geschieht, sondern nur noch auf der emotionalen und geistigen Ebene und zudem dort oft noch hinter geheuchelter Toleranz verdeckt, so ist es doch bis heute noch prägend für unsere Kultur. Dass dieses Verhaltensmuster trotz mancher Erfolge aber keine Lösung für die Zukunft sein kann, dafür steht besonders die heutige Situation im sogenannten Heiligen Land der drei großen monotheistischen Weltreligionen.

Für mich ist nun auch das Manifest des Evolutionären Humanismus ganz eindeutig noch von diesem vorherrschenden Verhaltensmuster unserer abendländischen Kultur durchdrungen, nämlich den jeweiligen Gegner zumindest auf geistige Weise zu vernichten und auszurotten. Ich plädiere dagegen für ein anderes, vernachlässigtes Verhaltensmuster unserer abendländischen Kultur, das leider oft nur dazu genutzt wird, das erstere zu verschleiern, nämlich mit dem Gegner, hier der Religion, den konstruktiven Dialog zu suchen, die religiösen Begriffe so ganz nach dem Vorbild von Porphyrios in philosophische Begriffe zu übersetzen und so eine Alternative für zweifelnde und an Denken, Vernunft und Aufklärung interessierte Christen anzubieten, bzw. überhaupt die verkündeten religiösen Wahrheit allein auf diese geistige Weise in Frage zu stellen.
Das Verhaltensmuster der Vernichtung und Ausrottung, auch wenn es nur auf der begrifflichen Ebene geschieht, ist ein archaisches und überholtes Verhaltensmuster, das nicht mehr in die heutige Zeit passt. Darin zeigt sich noch unser animalisches Erbe, was auch bedeutet, dass dieses Verhaltensmuster vor allem nicht human ist. Darum geht es heute durchaus auch in einer evolutionären Dimension, d.h. das animalische Verhaltensmuster der Durchsetzung des eigenen Seins durch die Vernichtung des Konkurrenten muss auf geistige und damit humane Weise überwunden werden, wobei Geistigkeit aber nicht heißt, den Gegner nur noch auf der begrifflichen Ebene zu vernichten. Geistigkeit heißt vielmehr, allein durch argumentative und sachliche Auseinandersetzung entweder den Gegner oder sich selbst zur Einsicht zu bringen. Hierbei gewinnt nicht nach dem archaischen Verhalten einer als Sieger alles, während der Gegner alles verliert, sondern in dieser wahren geistigen Auseinandersetzung gewinnen stets beide Seiten.
Wer jedoch glaubt, von vornherein im Besitz einer absoluten Wahrheit zu sein und dementsprechend den Gegner diffamiert und gegen ihn polemisiert, der verschließt sich genau damit einer wahren geistigen und damit humanen Auseinandersetzung. Für ihn kann es dann aufgrund dieser scheinbaren Gewissheit des Besitzes einer absoluten Wahrheit nur um die Vernichtung des Gegners gehen (egal ob gewalttätig oder nur durch Polemik), der dieser absoluten Wahrheit einfach nicht zustimmen will.
An dieser Stelle sei noch bemerkt, dass es der (neuplatonische) Kern der negativen christlichen Theologie ist (deswegen heißt sie „negative“ Theologie), dass das Absolute nicht erkannt, bestimmt, benannt und sich nicht einmal vorgestellt werden kann. Mit dieser negativen Theologie wären nicht nur die Spaltungen in den einzelnen Religionen, sondern auch die Widersprüche zwischen den verschiedenen Religionen ganz im Sinne von Porphyrios schlagartig und nachhaltig überwunden, denn es liegt in der Logik und Natur der Sache, dass man sich über etwas, das man nicht erkennen, nicht bestimmen, nicht benennen und sich nicht einmal vorstellen kann, auch nicht streiten kann. Aber leider wollen die Menschen in altbekannter Manier etwas absolut bestimmen, Recht behalten und siegen, indem sie den Gegner am Boden sehen und sei es nur begrifflich und polemisch.

Viele Grüße
mit dem Wunsch auf Veränderungen
Bernd Ehlert
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Beitrag(#634831) Verfasst am: 06.01.2007, 19:07    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Für ihn kann es dann aufgrund dieser scheinbaren Gewissheit des Besitzes einer absoluten Wahrheit nur um die Vernichtung des Gegners gehen (egal ob gewalttätig oder nur durch Polemik), der dieser absoluten Wahrheit einfach nicht zustimmen will.


Welche absolute Wahrheit? Es ist sehr viel vernünftiger, aufgrund von wissenschaftlichen Beweisen etwas zu "glauben", als dies aufgrund einer 2000 Jahre alten Mythensammlung zu tun. Das macht die Wahrheit nicht absolut, es ist nur die sinnvollere Herangehensweise und Annäherung an die Realität.


Zitat:
Verständigung mit dem jeweiligen Gegner zu suchen


Das tun wir oft, aber der Gegner will einfach nicht öffentlich mit uns reden. Wie hier etwa zu sehen:

http://www.giordano-bruno-stiftung.de/Archiv/beschwerde.pdf

http://www.giordano-bruno-stiftung.de/Archiv/press121104.pdf

Wenn man nicht am Diskurs teilnehmen darf, wie soll man dann am Diskurs teilnehmen?
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Beitrag(#634934) Verfasst am: 06.01.2007, 21:22    Titel: Re: Kritik am Manifest Antworten mit Zitat

B.Ehlert hat folgendes geschrieben:
Doch wie dieser überfällige Ansatz einer grundlegenden Religionskritik und Aufklärung dann in dem „Manifest des Evolutionären Humanismus“ konkret angegangen und umgesetzt wird, ist gerade wegen dieser Dringlichkeit und Notwendigkeit zutiefst enttäuschend und scharf zu kritisieren.


Lieber Herr Ehlert,

ich vermag - aufgrund mangelnden Fachwissens - inhaltlich nicht auf Ihre Einwände einzugehen. Ich bin weder studierter Philosoph noch Theologe. Ob und wann sich Michael Schmidt-Salomon, der Autor des Manifests, zu Ihrem Beitrag äußern wird, weiß ich nicht. Er hat in diesen Wochen sehr viel Arbeit und ist häufig unterwegs. Haben Sie daher bitte Verständnis, wenn es länger dauert.

Grundsätzlich jedoch strebe auch ich immer eine sachliche, nicht polemische Auseinandersetzung an (siehe meine Beiträge zu den 10 Angeboten; betrifft allerdings die Verwendung im schulischen Ethik-Unterricht). Wenn aber - wie Der Autor richtig anmerkt - die Position der gegnerischen Partei als althergebrachte Selbstverständlichkeit so fest verankert ist, dass Kritik gar nicht erst den Diskurs erreicht, ja vom Diskurs ausgeschlossen wird, muss - zumindest anfangs - eine Strategie gewählt werden, in der eine schärfere Tonart angeschlagen wird. Wo wären zum Beispiel heute die Grünen (mittlerweile als Partei fest etabliert), wären sie vor 25 Jahren nicht ähnlich provozierend aufgetreten?

Mit feundlichen Grüßen
Andreas Dietz
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Beitrag(#634951) Verfasst am: 06.01.2007, 21:40    Titel: Antworten mit Zitat

Man muß auch unterscheiden zwischen einem menschlichen Gegner und einem System. Nur ersterer hat ein Recht auf Kooperation, zumindest wenn er sich selbst ebenfalls tolerant und kooperativ verhält.

Einem offenen menschlichen Diskussionspartner gegenüber sollte man daher die von B.Ehlert geforderten Tugenden praktizieren. Einem dogmatischen Denksystem, einer politisch illegitim verwobenen Machtapparat gegenüber ist dagegen meines Erachtens ein schärferer, eben inhaltlich kritisch-rationaler bzw. politisch kämpferischer Ton durchaus angebracht.
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B.Ehlert
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Beitrag(#635233) Verfasst am: 07.01.2007, 13:36    Titel: Re: Kritik am Manifest Antworten mit Zitat

Liebe Forumsteilnehmer,

vielen Dank für die Antworten. Die vom „Autor“ gebrachten Beispiele der „Redeverweigerung“ kritisiere auch ich voll und ganz und trete keinesfalls als Verteidiger der kirchlichen Positionen und ihrer Machenschaften auf. Diese Menschen besitzen einen für absolut gehaltenen dogmatischen Glauben, aus dem sie die Berechtigung ableiten, über andere Menschen bestimmen zu können oder gar zu müssen, und u.a. leiten sie daraus auch ab, nicht mit jedem reden zu müssen. Desweiteren besitzen sie in den Medien einen bestimmten Einfluss, den sie dann auch nutzen.
Die Frage ist nur, wie man auf diese Zustände, wie sie nun einmal sind, reagiert. Bringt es etwas, „eine schärfere Tonart anzuschlagen“, in dem Sinne, dass Religion als solche pauschal und mit ebenso dogmatischer Überzeugung abgelehnt wird, wie sie verbreitet wird? Bringt es etwas, wenn dann Christus mit dem Nationalsozialismus in einen direkten und ursächlichen Zusammenhang gebracht wird?
Ich meine zumindest, dass man damit diesen Leuten nur in die Hände spielt und ihnen eine Begründung liefert, sich mit solchen Ansichten nicht auseinander setzen zu müssen. Es gibt genau wie in diesem Forum auch in der Gesellschaft eine bestimmte Art des Umgangs miteinander, die gewahrt werden sollte. Wenn diese Form mit Beleidigungen und Unterstellungen unterschritten wird, so bringt das keineswegs den gewünschten Erfolg in der allgemeinen Durchsetzung des jeweiligen Standpunktes, sondern man erreicht vielmehr genau das Gegenteil davon. Ich bin der Meinung, dass der Versuch der Ausradierung der Religion an sich und der Vergleiche des Christentums mit den Nazis sowie andere Formen einer in diesem Sinne „schärferen Gangart“ selbst neutrale Menschen abstößt. Vor allem verbaut man sich damit auch die Wege zu religiös Gläubigen, die wie gesagt sehr wohl an einer kritischen Hinterfragung des Glaubens und an Aufklärung interessiert sind.

Ich halte mehr von der Form, wie etwa in einem Artikel in Spektrum der Wissenschaft („Vom Glauben zum Wissen und zurück“, unter http://www.spektrum.de/artikel/860376 für einen Euro abrufbar) auf die Regensburger Rede des Papstes reagiert wurde oder wie in der SPIEGEL Ausgabe 52-06 die Geburt des Monotheismus beschrieben wurde: Kritisch und hart in der Sache, aber trotzdem eine bestimmte Form des Umgangs miteinander wahrend.
Der Papst hält viel von Vernunft und hat in seiner Regensburger Rede die Verbindung zur altgriechischen Philosophie als Begründung für die Überlegenheit des christlichen Glaubens angeführt. Allein mit Hilfe des vor zwei Jahren erschienen Buches von Jens Halfwassen über den Neuplatonismus lässt sich diese Argumentation des Papstes schnell zu Fall bringen und bloßstellen. Diese Informationen über die wahre Entstehung des Christentums, die heute vorliegen, sind im Sinne einer konkreten, wissenschaftlich-fundierten und seriösen Aufklärung zu verbreiten und zu nutzen. Das ist in meinen Augen effektiver und auch eleganter als der Weg der mehr emotionalen Konfrontation und des sinnlosen Versuches, die Religion als solche eliminieren zu wollen. Ich möchte das aber wie die gesamte Kritik nicht in irgendeiner Weise dogmatisch verstanden wissen; es soll nur ein Vorschlag sein.

Viele Grüße
Bernd Ehlert
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Anmeldungsdatum: 14.11.2006
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Beitrag(#635238) Verfasst am: 07.01.2007, 13:44    Titel: Antworten mit Zitat

@ B. Ehlert: Bravo!

Zumal man bedenken sollte, dass vor Fernsehschirmen potentielle menschliche Diskussionspartner sitzen und keine dogmatischen Denksysteme / politisch illegitim verwobenen Machtapparate.

Es ist ja stets bedenken, dass ein Fernsehchef dies ebenfalls berücksichtigen muss.
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Anmeldungsdatum: 11.11.2006
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Beitrag(#635293) Verfasst am: 07.01.2007, 14:31    Titel: Re: Kritik am Manifest Antworten mit Zitat

B.Ehlert hat folgendes geschrieben:
Bringt es etwas, wenn dann Christus mit dem Nationalsozialismus in einen direkten und ursächlichen Zusammenhang gebracht wird?


Nein. Eine solchen Zusammenhang halte ich nicht nur für unnötig, sondern auch für problematisch. Da stimme ich Ihnen zu. Ich stimme gerade auch deshalb zu, weil dieser Zusammenhang auch von der anderen Seite hergestellt wird, und das auf sehr fragwürdige Art und Weise.

Dazu zitiere ich aus einem eigenen Beitrag im Diskussionsstrang zu den 10 Angeboten. Hintergrund war eine Ethikstunde an meiner Schule, in der wir die Angebote geprüft und diskutiert hatten. Darauf hin gelangen Religionsschüler an die GBS-Broschüre und sahen sich reflexartig in ihren "religiösen Gefühlen" verletzt. Die Sache entwickelte eine unkontrollierte Eigendynamik. Die Religionslehrerin hatte sogar ihre Landeskirche informiert.

Zitat:
Es kommt noch dicker! Gerade eben habe ich von einem meiner Schüler, die ich im Internat betreue, erfahren, dass die 10 Angebote sogar seinen Konfirmandenunterricht erreicht haben. Der Lehrer dort hat heute Abend zuerst über Hitler und das Dritte Reich sowie die DDR gesprochen und dann unmittelbar im Anschluss über die 10 Angebote. Hitler war ein Religionsfeind, er ermordete die Juden. Der Staatssozialismus der DDR war religionsfeindlich, er unterdrückte die Kirchen. Die 10 Angebote seien religionsfeindlich. Demnach muss die GBS mit Hitler und dem DDR-Regime auf eine Stufe gestellt werden.
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Beitrag(#635295) Verfasst am: 07.01.2007, 14:35    Titel: Antworten mit Zitat

Sicher sind wir uns auch nicht. Ich grüble seit einer Weile darüber nach, ob die Methode der "Neuen Atheisten" Richard Dawkins und vor allem Sam Harris - M.S.S. verwendet eine ähnliche Herangehensweise - effektiv ist oder nicht. Etwas haben sie erreicht: Aufmerksamkeit. Sie haben das Thema Religion in die Diskussion gebracht, ja überhaupt erst einmal diskussionsfähig gemacht. Ob sie dagegen allzu viele Leute überzeugen werden, das ist die andere Frage.

Jetzt kann man sich überlegen, ob Religion hier bereits diskussionsfähig ist oder nicht. Ich persönlich mache es so, dass ich öffentlich schon deutlich, wenn auch nicht beleidigend, meine Meinung zu der Sache äußere. Wenn ich persönlich mit einem religiösen Menschen rede, lasse ich mir mehr Zeit und zeige mehr Verständnis. Seine Aufmerksamkeit habe ich schließlich schon und mit ihm kann ich bereits diskutieren.

Eine Gefahr, die auf jeden Fall besteht, wie wir schon gemerkt haben, ist, dass die GBS in eine extreme Ecke gedrängt wird, wo sie nicht hingehört. Dass sie als eine Art Sekte für Ungläubige diskreditiert wird. Auf der anderen Seite könnte es sein, dass sie andernfalls gar nicht wahrgenommen würde.

Den etablierten Ton, den ihr vorschlagt, kann man vielleicht nur verwenden, wenn man bereits etabliert ist, so wie Spiegel und Spektrum der Wissenschaft.

Vielleicht wäre es ein Kompromiss, wenn man erst einmal Beides versucht?
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Beitrag(#635306) Verfasst am: 07.01.2007, 14:49    Titel: Antworten mit Zitat

Der Autor hat folgendes geschrieben:
Den etablierten Ton, den ihr vorschlagt, kann man vielleicht nur verwenden, wenn man bereits etabliert ist, so wie Spiegel und Spektrum der Wissenschaft.


Die "schärfere Tonart", die B. Ehlert kritisiert, halte ich auch nur in der Anfangsphase für gerechtfertigt. Ich glaube, ich hatte das oben auch so formuliert. Die Frage ist in der Tat, ob es nun an Zeit wäre, das Auftreten zu ändern.

Wie bekannt und etabliert ist die GBS jetzt?
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Beitrag(#635372) Verfasst am: 07.01.2007, 15:37    Titel: Antworten mit Zitat

@Bernd Ehlert

Sie schreiben von einer "bestimmten Form des Umgangs". Es ist ja relativ leicht, unter qualifizierten Diskussionspartnern einen Konsens zu finden, auf die Nazikeule und dgl. zu verzichten (ich muß Ihnen andererseits sicher nicht erzählen, mit wem man als Atheist meist als erstes und mit wem als zweites verglichen wird). Auch eine pauschale Identifikation von Gläubigen mit ihren Kirchen ist sicher nicht haltbar.

Aber ist es nicht wichtig, darauf hinzuweisen, welch absurde moralische und intellektuelle Akrobatik Gläubige betreiben, die den großen Kirchen angehören? Sie unterstützen ja durch ihre Mitgliedschaft antiaufklärerische Positionen und das Bestreben der institutionalisierten Religionen, "über andere Menschen bestimmen zu können".

Ist es nicht wichtig, unangenehme Wahrheiten über die Weltbilder und vor allem die Psyche von Gläubigen anzusprechen? Ist es nicht wichtig darauf hinzuweisen, was religiöser Glaube - bei Licht betrachtet - ist? Auch wenn Gläubige sich dadurch verletzt fühlen? Ist es dogmatisch und pauschal, wenn man auf systematische Eigenschaften von religiösem Glauben und Religion hinweist?

Und haben nicht wirklich Gläubige einen diskursiven "Sonderstatus" durch die Tatsache, daß sie p.d. kein primäres Interesse an Entmystifizierung, Erkenntnisfortschritt und Pluralismus haben (dürfen)?

Ich hoffe, unter "kritisch und hart in der Sache" fällt nicht nur die Rede des Papstes, sondern auch solche Themen. Ich muß gestehen, daß ich im Zweifelsfall nicht die taktische, sondern die ehrliche Aussprache vorziehe.

Arrivederci hat folgendes geschrieben:
Zumal man bedenken sollte, dass vor Fernsehschirmen potentielle menschliche Diskussionspartner sitzen und keine dogmatischen Denksysteme / politisch illegitim verwobenen Machtapparate.

Da sitzen hauptsächlich zahlende Mitläufer. Diese verletzlichen Schäfchen sind natürlich nie verantwortlich für die Taten ihrer Hirten bzw. "des Systems".
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Beitrag(#635401) Verfasst am: 07.01.2007, 16:05    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Da sitzen hauptsächlich zahlende Mitläufer. Diese verletzlichen Schäfchen sind natürlich nie verantwortlich für die Taten ihrer Hirten bzw. "des Systems".


Solche gibt es sicherlich auch, ich denke aber, dass die meisten Menschen einfach nicht wirklich darüber nachdenken, noch, über irgend etwas richtig nachdenken. Ich studiere gerade Germanistik und Anglistik, viele Mitstudenten ("Kommilitonen") belegen als Zweitfach Theologie. Meiner Ansicht nach kann man nicht gleichzeitig die beiden Literaturfächer richtig verstehen und Theologie studieren, andernfalls müsste man:

- feststellen, dass die Bibel eine Mythensammlung ist
- einen weiten Horizont haben, der dem engen Weltbild der Religion widerspricht
- logisch denken können (es sei denn, man studiert cultural studies)

Wie auch in den Naturwissenschaften gibt es trotzdem Leute, die gleichzeitig religiös sind, oder vorgeben, es zu sein. Ich habe jeden darauf angesprochen, der davon betroffen ist und den ich kenne, um nachzufragen, wie das möglich ist. Die Ergebnisse:

- alle Theologiestudenten kommen aus einem religiösen Elternhaus
- keiner von ihnen kann die Widersprüche erklären
- alle sind zuerst davon ausgegangen, dass ich ihre Religion nicht wirklich kritisieren wolle oder dürfe, haben nach meiner Erklärung, warum ich das sehr wohl darf, aber doch akzeptiert, dass ich meine Meinung äußern kann und Religion nicht außerhalb des Diskurses steht
- alle vermeiden seitdem den Kontakt mit mir

Das dürfte wohl für fast alle religiösen Menschen gelten. Wie erreicht man sie nun? Vorzugsweise bevor alles zu spät ist, also bevor sie nicht mehr in der Lage sind, ihren Glauben kritisch zu betrachten. Nun zurück zum Thema: Wie erreicht man sie?

Keine Ahnung.

Im rationalen Diskurs jedenfalls funktioniert das nur, so lange ihre Denksperre noch nicht eingetreten ist. Sonst klappt das nur sehr selten. Wie erreicht man die anderen?
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