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Schule
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schtonk
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Anmeldungsdatum: 17.12.2013
Beiträge: 12078

Beitrag(#2068406) Verfasst am: 15.09.2016, 11:30    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Geschockt Ein Vierfachbeitrag! Ganz so nachdrücklich wollte ich das nicht sagen.
...


Drei davon habe ich editiert. Einfach etwas Geduld nach Abschicken des Postings, manchmal dauert es eben etwas länger.
Und du kannst das Editieren auch ruhig selbst übernehmen, mit dem entspr. Hinweis versehen natürlich.
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 21760

Beitrag(#2068596) Verfasst am: 16.09.2016, 20:39    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Das Verhalten meiner Tochter hat sich mit dem Kindergarten geändert. Kürzlich:

ich komm mit ihr an eine Baustelle, eine große Kreuzung ist abgesperrt mit diesen hüfthohen rot-weißen Plastiksperren. Und zwar komplett, so daß man um den Block gehen hätte müssen, um auf die andere Seite zu kommen. Es war Wochenende, keine Arbeiter auf der Baustelle. Also bin ich einfach durchgegangen. Ihr war das unangenehm und sie fragte: "Papa, darf man das?" Von mir hat sie diese Autoritätshörigkeit nicht, die nicht mehr fragt, ob man einen Schaden anrichtet oder sich in Gefahr begibt, sondern einfach den Buchstaben und Absperrungen folgt.

Am erlebten Beispiel übersiehst du mE, dass diese Situation für ein Kind völlig anders ist als für dich. "Hüfthoch" sind diese Sperren nur für dich - für ein Kind dieses sind sie wahrscheinlich so hoch, dass es gar nicht, jedenfalls aber nur mit einem weitaus größeren toten Winkel zum Boden darüber schauen kann. Dasselbe gilt an einer roten Ampel - ein Kind kann über Hindernisse wie parkende Autos viel schlechter hinwegschauen als ein Erwachsener.

Dazu kommen mW höhere Reaktionszeiten, schlechtere Möglichkeiten Sinneseindrücke parallel wahrzunehmen, eine geringere Erfahrung um Gefahren (wie Geschwindigkeiten) einzuschätzen usw. Sprich: In dieser Situation ist es in ganz hohem Maße sinnvoll, dass es erst einmal den "Autoritäten" Ampel und Absperung folgt und erst später, wenn es dazu nämlich in der Lage ist, lernt, diese zu hinterfragen und die tatsächliche Gefahr selbst einzuschätzen.

Ich sehe da auch eine Parallele zur Vereinbarung über das Geschirrspüler-Ausräumen. Ja, dein Verdacht, dass eine solche Vereinbarung, von der gesprochen wurde, nicht aufgrund einer gleichberechtigten Aushandlung zustande gekommen ist, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit berechtigt - weil ein Kind gar nicht in der Lage ist, die Rahmenbedingungen der Vereinbarung auch nur annähernd in gleichem Maße zu überblicken wie der Erwachsene. Ein Kind kann eben gar nicht abschätzen, welche Arbeiten im Haushalt alle notwendig sind, wie umfangreich sie sind usw., von den über den Haushalt hinausgehenden Arbeiten für die Familie gar nicht zu reden.

Dennoch kann man mE dennoch, wenn auch nicht "gleichberechtigt" wie zwischen Erwachsenen, aber dennoch kindgerecht fair, Vereinbarungen treffen, die Beiträge des Kindes wie Geschirrspülerausräumen beinhalten. Denn Kinder sind schon in der Lage, einzusehen, dass so etwas nur ein kleiner Teil der Haushaltsarbeit ist und dass es durchaus in ihrem Sinne ist, wenn die diversen Hausarbeiten gemacht werden; und sie sind auch in der Lage, zB darüber zu verhandeln, welchen angemessenen Teil der Hausarbeit sie machen.

Die Perspektive sollte natürlich sein, dass sich die Kinder nach und nach zu gleichberechtigten Partnern werden. Dafür ist es aber mE nicht hilfreich, dass man einfach so tut, als wäre das Kind schon ein Partner auf Augenhöhe, wenn das gar nicht stimmt.
_________________
"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2068673) Verfasst am: 17.09.2016, 08:22    Titel: Antworten mit Zitat

schtonk hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Geschockt Ein Vierfachbeitrag! Ganz so nachdrücklich wollte ich das nicht sagen.
...


Drei davon habe ich editiert. Einfach etwas Geduld nach Abschicken des Postings, manchmal dauert es eben etwas länger.

Danke.

Hatte dreimal Server-Timeout und danach nicht geschaut, ob was da stand.
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2068674) Verfasst am: 17.09.2016, 08:25    Titel: Antworten mit Zitat

schtonk hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
schtonk hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Wie siehst du die Behauptung aus Kramers Link, daß Schule bei einigen Alpträume erzeugt?

Wenns da steht wirds wohl so sein.

Sowas würde ich nur sarkastisch sagen.

Ich glaube Dingen nicht blind, nur weil sie irgendwo stehen. Die Alptraum-Behauptung jedoch wurde hier im Forum ausreichend bestätigt.

Ausreichend heißt? Von zwei, drei oder vier Leuten im FGH?
Ich hab mal spaßeshalber meine Kinder (18, 25) gefragt sowie Arbeitskollegen (ich habe zahlreiche davon): Keine Alpträume. Kann ich natürlich hier nicht belegen, ist aber so.

Ich selbst hatte keine Schul-Alpträume, aber ich war auch ein guter Schüler und viel zu brav. Übers Studium habe ich einen wiederkehrenden Traum, erst kürzlich wieder: ich arbeite schon lange im Beruf, mir fehlen aber noch Prüfungen, um mein Studium abzuschließen. Das schreibe ich nicht dem "bösen System", ich war ganz einfach ein fauler Student.



Kurz das Internet befragt ergibt etliche Treffer zum Thema. Hier zum Beispiel werden weiterführende Studien genannt: Why You're Still Having School Anxiety Dreams…Years after Graduation



Sehr schön auch dies:


https://xkcd.com/557/

Es geht also nicht nur um zwei, drei oder vier Leute im FGH.



schtonk hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wenn's dir egal ist, daß Schule Alpträume verursacht - mir ist es nicht egal. Wenn du nicht darüber spekulieren willst, warum das so ist - insbesondere als Elternbeiratsvorsitzender, dann - fehlen mir die Worte.

Zum "egal" siehe oben. Und spekulieren will ich tatsächlich nicht.

Aber dein moralinsaures "insbesondere als Elternbeiratsvorsitzender", das dir die Worte fehlen lässt, ist gekennzeichnet von einer Anklagehaltung, die an, sagen wir mal Frechheit grenzt.

Wenn du sagst, nur "zwei, drei oder vier Leuten im FGH" haben davon berichtet, dann stempelst du das als Lappalie ab, oder als Ausreißer. Die zwei, drei oder vier Leuten könnten das ebenfalls als Frechheit ansehen.



schtonk hat folgendes geschrieben:
Aber einen regelmäßigen Termin (1 mal pro Woche) davon habe ich immer genossen, das war das Treffen mit dem Schuldirektor. Ich hatte ihm vorgeschlagen, das einzurichten, und er war sofort einverstanden. Dabei stellte ich fest, dass er (nicht in dem Maße wie ich) so manche Kritik an den Lehrinhalten hatte, besonders bei Mathe. Aber: Lehrpläne kann man nicht ad hoc ändern, weiß man ja, nicht wahr?

[...]

Aus unerfindlichen Gründen kam ich nie auf die Idee, mir über eventuelle Alpträume, die als Spätfolgen der Schule drohen könnten, Gedanken zu machen. Verwerflich, was?

Was du da alles gemacht hast war schön und gut, hilft aber bei der Frage, ob und falls ja, warum Schule Alpträume erzeugt, nicht weiter.

Ich kam selbst nicht auf die Idee, über diese Alpträume nachzudenken. Sie sind mir nicht aufgefallen, weil ich nicht betroffen bin. Peter Grays Blog habe ich in meinen Lesezeichen, aber diese eine Meldung ist mir durchgerutscht.



schtonk hat folgendes geschrieben:
Und besser als aufstehen und weglaufen mit fadenscheiniger Begründung (hättest nur anblaffen können).

Konflikte auszutragen habe ich nicht gelernt. Weder im Elternhaus, noch in der Schule. Vielleicht hätte mir der Lions-Quest weitergeholfen, oder Janov und die Urschreitherapie zwinkern, vielleicht auch nicht, weil solche Hemmungen tief sitzen.

Daß ich mich aufregen kann und darf, mußte ich erst lernen. Gelernt habe ich das erst mit Kind - wenn das Kind sich aufregen darf, dann darf ich das auch. Als Lernender schießt man allerdings manchmal über das Ziel hinaus und fällt auf den Arsch.

Schau doch mal, was wir gerade machen. Mir ist eine unsachliche Bemerkung wie gerade du als Elterbeiratsvorsitzender rausgerutscht. Du hast dich angeblafft gefühlt, und ich habe erfolgreich von meinem eigentlichen Thema abgelenkt.



schtonk hat folgendes geschrieben:
Nö, du warst einfach beleidigt, dass die schnöde Welt nicht mit dir deine abgehobenen Ansprüche teilt.

Andersrum: die schnöde Welt erhebt Ansprüche, die ihr nicht zustehen.

Auf diesen Thread bezogen fallen mir zwei Sachen ein. Ich beschränke mich vorerst auf eine.



In den dreißiger Jahren hatte L. P. Benezet Zweifel an der Art, wie Mathematik in der Unterstufe gelehrt wird.

Er hat dann über mehrere Jahre hinweg zwei Klassen beobachtet, die nach der herkömmlichen Methode und nach seiner unterrichtet wurden. Glaubt man der Darstellung, war seine Methode besser. (Ich hoffe, das irgendwann mal ausführlich aufschreiben zu können.)

Zitat:
The Teaching of Arithmetic I: The Story of an experiment
L. P. Benezet - 1935

In the first place, it seems to me that we waste much time in the elementary schools, wrestling with stuff that ought to be omitted or postponed until the children are in need of studying it. If I had my way, I would omit arithmetic from the first six grades.

What possible needs has a ten-year-old child for a knowledge of long division?

http://www.inference.phy.cam.ac.uk/sanjoy/benezet/1.html



Jahrzehnte später schreibt Keith Devlin über Straßenmathematik. Er stellt fest, daß Kinder zwar alle arithmetischen Probleme beherrschen, wenn man ihnen praktische Fragen stellt. Formuliert man die Fragen aber abstrakt arithmetisch, dann versagen sie; sie schaffen den Sprung von der einen Formulierung zur anderen nicht. Das halte ich für sehr plausibel. Auch wenn das nur 30 oder 40% aller Kinder betrifft, ist das ein Problem.

Ob derartige Überlegungen - oder Fakten - bereits in den Mathe-Lehrplan eingeflossen sind?


(Der Lehrplan ist nebenbei gesagt nur die halbe Miete.)
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smallie
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Beitrag(#2068679) Verfasst am: 17.09.2016, 08:56    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Ich bin ja quasi der Urheber dieser Debatte und ich habe - noch bevor ich hier gepostet habe - mal in meinem Umfeld nachgefragt. Und da war die Resonanz überwältigend. "Ja, solche Träume habe ich ständig!"

Es kann nicht natürlich sein, dass wir aus völlig verschiedenen Umfeldern entstammen. Ich komme aus einer total dysfunktionalen Familie und wenn ich Familienmitglieder oder alte Freunde frage, dann haben die den gleichen gestörten Hintergrund. Vielleicht sind wir Aliens in Deiner Welt.

Aber damit erzählst Du auch selbst, was ich oben versucht habe auseinanderzuklabüstern: Das was der Traum da im Zusammenhang mit der Schule wieder in Erinnerung bringt, hängt nicht unbedingt ursächlich allein mit der Schule zusammen.

Aus einem anderen Blickwinkel, alles hypothetisch:

Geh zum Arzt, erzähle von Alpträumen über die Arbeit. Wird er dich krankschreiben? Oder wird er sagen, das könnte aus Ihrer Kindheit herrühren, gehen Sie weiter zur Arbeit! Womöglich wird der Arzt erst mal nachfragen, was in der Arbeit belastendes vorgefallen sei.

Die Frage stellt sich analog auch für die Schule. Ohne zurück gelesen zu haben, denke ich, daß dazu schon was in diesem Thread steht.
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fwo
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Beitrag(#2068744) Verfasst am: 17.09.2016, 16:46    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
....
Jahrzehnte später schreibt Keith Devlin über Straßenmathematik. Er stellt fest, daß Kinder zwar alle arithmetischen Probleme beherrschen, wenn man ihnen praktische Fragen stellt. Formuliert man die Fragen aber abstrakt arithmetisch, dann versagen sie; sie schaffen den Sprung von der einen Formulierung zur anderen nicht. Das halte ich für sehr plausibel. Auch wenn das nur 30 oder 40% aller Kinder betrifft, ist das ein Problem.

Ob derartige Überlegungen - oder Fakten - bereits in den Mathe-Lehrplan eingeflossen sind?


(Der Lehrplan ist nebenbei gesagt nur die halbe Miete.)

Das ist der Unterschied zwischen Rechnen und Mathematik. Das ist kein Sprung von einer Formulierung zur anderen sondern von einem Abstraktionsgrad zum anderen. Und: Es ist nicht jeder (in sinnvoller Zeit) fähig, jeden Abstraktionsgrad zu erreichen. Oder, wie ein Lehrer das mal zu einer Klasse gesagt hat, die sich beschwerte, er könne nicht unterrichten (er war schon etwas älter): " Sie sind nicht meine erste Klasse. Daher weiß ich, dass ich diesen Stoff unterrichten kann. Ich würde mir sogar zutrauen, ihn einem Schimpansen beizubringen. Nur, soviel Zeit haben wir hier nicht." (Es war eine Ingenieursschule und die Schüler waren alle bereit erwachsen.)
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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fwo
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Beitrag(#2068745) Verfasst am: 17.09.2016, 16:49    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Ich bin ja quasi der Urheber dieser Debatte und ich habe - noch bevor ich hier gepostet habe - mal in meinem Umfeld nachgefragt. Und da war die Resonanz überwältigend. "Ja, solche Träume habe ich ständig!"

Es kann nicht natürlich sein, dass wir aus völlig verschiedenen Umfeldern entstammen. Ich komme aus einer total dysfunktionalen Familie und wenn ich Familienmitglieder oder alte Freunde frage, dann haben die den gleichen gestörten Hintergrund. Vielleicht sind wir Aliens in Deiner Welt.

Aber damit erzählst Du auch selbst, was ich oben versucht habe auseinanderzuklabüstern: Das was der Traum da im Zusammenhang mit der Schule wieder in Erinnerung bringt, hängt nicht unbedingt ursächlich allein mit der Schule zusammen.

Aus einem anderen Blickwinkel, alles hypothetisch:

Geh zum Arzt, erzähle von Alpträumen über die Arbeit. Wird er dich krankschreiben? Oder wird er sagen, das könnte aus Ihrer Kindheit herrühren, gehen Sie weiter zur Arbeit! Womöglich wird der Arzt erst mal nachfragen, was in der Arbeit belastendes vorgefallen sei.

Die Frage stellt sich analog auch für die Schule. Ohne zurück gelesen zu haben, denke ich, daß dazu schon was in diesem Thread steht.

Krank schreibt ein Arzt nur bei hinreichendem Leidendruck bzw. Arbeitsunfähigkeit.

Und wenn der Arzt eine behandlungsbedürftige psychische Krankheit vermutet, schickt er den Patienten hoffentlich zu einem Therapeuten, der mehr fragt, als was belastendes vorgefallen ist. (Wenn das so einfach wäre, bräuchten wir keine Therapeuten.)
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smallie
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Beitrag(#2068930) Verfasst am: 18.09.2016, 23:32    Titel: Antworten mit Zitat

Noch mal zum Kernproblem, das möchte ich nicht aus den Augen verlieren. In in den Worten von Peter Gray:

Zitat:
Stell dir einen Job vor, in der deine Arbeit täglich vom Chef bis ins Kleinste geregelt wird. Es wird dir genauestens gesagt, was du zu tun hast, wie du es zu tun hast und wann. Du mußt auf deinem Stuhl sitzenbleiben, bis dein Chef sagt, du darfst aufstehen. Deine Arbeit wird ständig ausgewertet und mit der Arbeit deiner Kollegen verglichen. Eigene Entscheidungen darfst du nur selten treffen.

Schule ist allzuoft genau wie dieser Alptraumjob, den ich gerade beschrieben habe; und schlimmer, denn Schüler können nicht kündigen.



Imagine a job in which your work every day is micromanaged by your boss. You are told exactly what to do, how to do it, and when to do it. You are required to stay in your seat until your boss says you can move. Each piece of your work is evaluated and compared, every day, with the work done by your fellow employees. You are rarely trusted to make your own decisions. [...]

School, too often, is exactly like the kind of nightmare job that I just described; and, worse, it is a job that kids are not allowed to quit.

https://www.psychologytoday.com/blog/freedom-learn/201408/the-danger-back-school

Ist das ein treffende Beschreibung? Ich denke schon.

Nur eine weitere Sache herausgegriffen: In den Ferien sinkt die Zahl der Kinder, die in der Notfallpsychiatrie landen auf die Hälfte. Im Mai, wenn Jahresendnoten festgemacht werden, ist sie am Höchsten.

Zitat:



Klinische Fälle sind nur die Spitze eines Eisberges. Falls der behauptete Zusammenhang stimmt, ist das Problem noch viel größer.
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smallie
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Beitrag(#2068931) Verfasst am: 18.09.2016, 23:48    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
@ smallie Die Zeit läuft mir gerade weg, ...

Das kenn' ich, deshalb höre ich für heute auch auf, ohne die ausstehenden Antworten noch anzubringen.
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smallie
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Beitrag(#2069011) Verfasst am: 19.09.2016, 21:44    Titel: Antworten mit Zitat

Großartig. Mit den Augen rollen Geht schon los.


Es gab eine Zeit, da fragte mich meine Tochter jedesmal, wenn wir an einer Schule vorbeikamen: "Wann komme ich endlich in die Schule?" Heuer im Frühjahr meinte sie, "Ich mag nicht mehr in den Kindergarten gehen, ich mag in die Schule."

Nach dem ersten Schultag sagte sie: "Die ganze Zeit sitzen..."

Heute waren wir bei einem meiner Freunde.

    Freund: Und wie gefällt es dir in der Schule?
    smalline: Früher habe ich mich auf die Schule gefreut, jetzt freue ich mich nicht mehr.
    Freund: Das ging ja schnell.


Auf Nachfrage meinte sie: "Ich mache alles falsch."

Stein des Anstoßes: es sollte die 1 geschrieben werden. smalline schreibt die 1 von unten nach oben und dann nach links. Sagt die Lehrerin, das sei falsch. Ich hätte gesagt: "Die 1 hast du richtig geschrieben, aber schau mal, so 'rum geht es auch." Und dann hätte ich etwas derart gesagt: "Bei uns schreibt man von links nach rechts. Wenn du die 1 auch von links nach rechts schreibst, macht es weniger Arbeit, wenn wir zu den großen Zahlen kommen, bei denen mehrere Ziffern nebeneinander stehen. Willst du dir viel Arbeit machen, oder wenig?"

Wo bleibt da die Sensibilität, Kinder anzuspornen, statt sie zu entmutigen?

Das könnte dann auch die Antwort sein auf Elmo:

Elmo hat folgendes geschrieben:
Es ist unsinnig, dass man Kinder, die von sich aus nichts anderes als Lernen im Kopf haben, so lange frustriert bis sie lernen als etwas anstrengendes, und unerstrebenswertes ansehen. Das ist doch strange...

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Beiträge: 3613

Beitrag(#2069833) Verfasst am: 26.09.2016, 22:56    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Das Verhalten meiner Tochter hat sich mit dem Kindergarten geändert. Kürzlich:

ich komm mit ihr an eine Baustelle, eine große Kreuzung ist abgesperrt mit diesen hüfthohen rot-weißen Plastiksperren. Und zwar komplett, so daß man um den Block gehen hätte müssen, um auf die andere Seite zu kommen. Es war Wochenende, keine Arbeiter auf der Baustelle. Also bin ich einfach durchgegangen. Ihr war das unangenehm und sie fragte: "Papa, darf man das?" Von mir hat sie diese Autoritätshörigkeit nicht, die nicht mehr fragt, ob man einen Schaden anrichtet oder sich in Gefahr begibt, sondern einfach den Buchstaben und Absperrungen folgt.


Das ist aber kein gutes Beispiel - in jeder Hinsicht: Das ist kein gutes Beispiel für die Diskussion und Du warst kein gutes Beispiel für Deine Tochter. Diese Absperrungen sind nicht dazu da, um Menschen in ihrer Freiheit einzuschränken, die dienen der Sicherheit aller Verkehrsteinehmer.

Den Vorwurf, kein gutes Beispiel für die Diskussion zu sein, möchte ich nicht auf mir sitzen lassen.

Hab' ich mich so mißverständlich ausgedrückt, daß es gefährlich klang? Da war einfach die Teerdecke der Straße weg und das war's dann. Ich komme mir ein bisschen albern bis affig vor, das mit Bildern zu unterstreichen - aber die Sache ist mir wichtig.


Wir wollten von links oben nach rechts unten.




Ich wette einen Fünfer, daß meine Tochter keine Probleme mit der Sache gehabt hätte, wären wir damals nicht die einzigen gewesen, die gerade über die Baustelle wollten.





Kramer hat folgendes geschrieben:
Deine Tochter hat da richtig reagiert, als ihr das unangenehm war - aber Du hast ihr Bauchgefühl quasi überfahren.

Gelegentlich wird auch mal das gemacht, was ich sage. nee Sonst wäre das Verhältnis ja nicht gleichberechtigt. zwinkern Sie hätte sich schon gewehrt, wenn ihr die Sache völlig gegen den Strich gegangen wäre.
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Beiträge: 3613

Beitrag(#2085057) Verfasst am: 06.02.2017, 22:58    Titel: Antworten mit Zitat

Letzte Woche gab's das Lerngespräch.

Statt Zeugnisse zu verteilen, können Schulen Lerngespräche abhalten. Die Lehrkraft spricht dann mit dem Kind über seine Stärken und Schwächen. Die Schule meiner Tochter hat sich für Lerngespräche entschieden.

Mit dieser Zusatzforderung:

Elternbrief hat folgendes geschrieben:
Bitte denken Sie daran, dass nur ein Elternteil das Kind zum Gespräch begleitet.


Frage Pillepalle

Die Lehrerin hatten einen Bewertungsbogen mit mehreren Rubriken vorbereitet, Lesen/Schreiben, Rechnen, Sachkunde, Sozialverhalten. Die Rubriken hatten Unterpunkte. Grob schätze ich 40 Unterpunkte insgesamt. Mit jeweils vier Bewertungsgraden, dargestellt durch Kreuzchen in einer von vier Spalten. Weiter gab es noch Kringel auf der mittleren Tabellenlinie, ob die für "Nicht ermittelt" oder für "Durchschnitt" steht, kann ich nicht sagen.

Weiter mußten die Kinder sich selbst einschätzen, in dem sie auf drei Blättern bestimmte Fragen in grün, gelb, oder rot ausmalten. Einen Punkt hatte smalline gelb angemalt - vor einer Weile hatte smalline sich mir gegenüber beklagt, in der Schule nicht so viele Freunde zu haben wie im Kindergarten. Das konnte die Lehrerin aber nicht aus ihr herauskitzeln, weil sie mit ihrer suggestiven Fragestellung die Antworten bereits vorgab.

Abschließend wurde eine Zielvereinbarung getroffen. Die Lehrerin hatte bemängelt, daß smalline Wörter nicht richtig auf Zeilen schreibt und Zahlen nicht in die dafür vorgesehenen Kästchen. Auf die Frage, was sie sich vornähme, sagte smalline irgendwas mit Bilder malen. Der Satz hat's aber nicht in die Zielvereinbarung geschafft. Stattdessen schrieb die Lehrerin: "Ich will ordentlicher arbeiten." Das wurde dann von smalline, der Lehrerin und der Mama unterschrieben.

Als smalline und Mama weg waren, sagte ich zur Lehrerin, daß ich per Suchmaschine keine andere Schule fand, die nur ein Elternteil erlaubt. Daraufhin verwies sie auf den Elternbrief. Ich: "Was hat das mit meiner Aussage zu tun?" Sie wurde dann pampig und meinte, heute ginge es um meine Tochter und sie habe keine Lust mehr, das Gespräch fortzusetzen.

Im Elternbrief stand tatsächlich:

Elternbrief hat folgendes geschrieben:
Für Ihr Kind ist der Tag an dem das Elterngespräch stattfindet ein besonderer Tag! Die meisten werden aufgeregt und gespannt sein. Es wäre schon, wenn Sie vielleicht am Nachmittag/Abend auch etwas Besonderes planen: Lieblingsessen kochen/Essen gehen/Kino ??? usw. )

Aber wenn der Tag wirklich so besonders ist, warum möchte die Schule, daß nur ein Elternteil mitkommt?



PS:

Ich frage mich, was ich im Umgang mit meiner Tochter anders machen hätte können, damit sie die Einsicht und das Selbstbewußtsein hat, zu sagen: "Sie haben nicht hingeschrieben, was ich sagte." Mir gegenüber protestiert sie ja auch, wenn sie mich bei einer widersprüchlichen Aussage ertappt.
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Beiträge: 10333
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag(#2085062) Verfasst am: 06.02.2017, 23:07    Titel: Antworten mit Zitat

darauf:

https://youtu.be/QVfilY9_K44?t=81
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sponor
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Anmeldungsdatum: 16.05.2008
Beiträge: 1712
Wohnort: München

Beitrag(#2085108) Verfasst am: 07.02.2017, 11:01    Titel: Antworten mit Zitat

LEGs (Lernentwicklungsgespräche) hatten wir jetzt in der Grundschule das zweite Mal. Bin sehr angetan davon. Leider nur statt der Halbjahreszeugnisse, fürs Jahresende muss es ein "richtiges" Zeugnis sein... naja, anderes Thema.

Bei uns bekommen die Kinder und Lehrer exakt den gleichen Bogen und füllen ihn unabhängig voneinander aus (auch so ca. 5-10 Fragen je "Fach" plus Sozialkompetenzen; in der 1. Klasse noch mit elterlicher Unterstützung).
Im Gespräch, zu dem natürlich beide Eltern kommen dürfen (sie müssen sich bloß im Hintergrund halten und dürfen auch nicht zwischendurch mitreden), werden dann i.W. nur divergierende Einschätzungen besprochen und etwaige zusätzliche, allgemeine Fragen.

Wir haben wohl einfach mehr Glück mit der Lehrerin gehabt...
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Unsere Welt wird noch so fein werden, daß es so lächerlich sein wird, einen Gott zu glauben als heutzutage Gespenster.
(G. Chr. Lichtenberg)
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Beitrag(#2085118) Verfasst am: 07.02.2017, 11:48    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
....
Ich frage mich, was ich im Umgang mit meiner Tochter anders machen hätte können, damit sie die Einsicht und das Selbstbewußtsein hat, zu sagen: "Sie haben nicht hingeschrieben, was ich sagte." Mir gegenüber protestiert sie ja auch, wenn sie mich bei einer widersprüchlichen Aussage ertappt.

Ist aber auch nicht so lustig.

Meine beiden sind gewöhnt, dass jede Sache ausdiskutiert wird und erleben dabei auch gelegentlich, dass sie Recht behalten.

Wenn der Lehrer als Person zu dünn ist, um sich subjektiv eine "Niederlage" erlauben zu können, kann es vorkommen, dass er sich mit Aussagen wie "Schließlich bin ich hier die studierte Person" "rettet". Das war im Fach Biologie und ich kann beurteilen, dass er definitiv Unrecht hatte. Der steht jetzt relativ lächerlich da (Gestern habe ich allerdings insofern ein Stück Ehrenrettung gemacht, als ich dem Sohn bis zur Einsicht erklären konnte, warum der Lehrer gestern Recht hatte). Dieser Sohn ist 18. Heute gehe ich für den anderen (15) in ein Elterngespräch, weil die Lehrerin sich beschwert, er behandle sie von oben herab. Da ich (auch von anderen - ich glaube meinen Kindern nicht alles) weiß, dass ihr Unterricht sowohl fachlich als auch pädagogisch unter aller Sau ist####, kann ich den Burschen auf der einen Seite verstehen*** , auf der anderen Seite hat auch sie ein Existenzrecht, und der Fachkräftemangel führt da zu den absonderlichsten Blüten: Sie ist Griechin, und hat, so schlecht wie ihr Deutsch ist, wahrscheinlich in Griechenland studiert. Jetzt unterrichtet sie hier Geschichte und ihre Kenntnisse in deutscher Geschichte sind so begrenzt, dass sie bereits in der Mittelstufe von ihren Schülern vorgeführt wird, und jetzt in Philosophie entscheidet sie ethische Fragen aus dem Schulbuch (die nebenbei auch noch schlecht gestellt sind) nach dem Lösungszettel aus dem Schulbuch mit der Begründung "Weil das hier so steht". Philosophie? Streitkultur - gerade in Philosophie?

Ich weiß noch nicht, was ich ihr nachher sage, oder, ob ich meinen Kredit in der Lehrerschaft, den ich als Elternvertreter gesammelt habe, anbreche.

*** Meinem Vater ist es an einem Elternsprechtag passiert, dass eine Lehrerin anfing zu heulen, nachdem er seinen Namen genannt hatte. Dabei war formal nichts gegen mich einzuwenden - ich hatte weder eine Tadel noch ein Rüge auf dem Konto.

EDIT
p.s.
### Neu gelernt: Man darf den Kindern nicht alles glauben, auch wenn verschiedene dabei sind, die nicht direkt etwas miteinander zu tun haben. Das Deutsch der Lehrerin ist nicht so schlecht, sie hat in Hamburg studiert - wie gut sie fachlich ist, habe ich mich entschlossen, das nicht mehr zu wissen. Die Mechanismen, die zu dieser Konfrontation zwischen den Schülern und dieser Lehrerin geführt haben, würden mich allerdings schon interessieren.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).


Zuletzt bearbeitet von fwo am 17.02.2017, 10:14, insgesamt einmal bearbeitet
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smallie
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Beitrag(#2085166) Verfasst am: 07.02.2017, 19:22    Titel: Antworten mit Zitat

Religionskritik-Wiesbaden hat folgendes geschrieben:
darauf:

https://youtu.be/QVfilY9_K44?t=81


Da gibt's ja diesen alten Kalauer:

§1 - Ich habe immer Recht
§2 - Sollte ich mal nicht Recht haben, tritt §1 in Kraft.
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smallie
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Beitrag(#2085173) Verfasst am: 07.02.2017, 19:48    Titel: Antworten mit Zitat

sponor hat folgendes geschrieben:
LEGs (Lernentwicklungsgespräche) hatten wir jetzt in der Grundschule das zweite Mal. Bin sehr angetan davon. Leider nur statt der Halbjahreszeugnisse, fürs Jahresende muss es ein "richtiges" Zeugnis sein... naja, anderes Thema.

Bei uns bekommen die Kinder und Lehrer exakt den gleichen Bogen und füllen ihn unabhängig voneinander aus (auch so ca. 5-10 Fragen je "Fach" plus Sozialkompetenzen; in der 1. Klasse noch mit elterlicher Unterstützung).

Oh. So herum ginge es dann bei einem LEG auch oder eher darum, Unterschiede in Selbst- und Fremdwahrnehmung zu finden.


sponor hat folgendes geschrieben:
Wir haben wohl einfach mehr Glück mit der Lehrerin gehabt...

Ich befürchte, das Problem geht tiefer.

Wenn es regelmäßig Eltern gäbe, die die Anordnung "nur einer darf kommen" mißachteten, wäre die Reaktion eine andere gewesen. Dann hätte die Schule die Sache vielleicht hinterfragt oder wenigstens die Gründe dazugeschrieben, warum sie das so haben wollen. Vermutlich war ich der erste Punk, der sich sowas herausgenommen hat. Werde bei Gelegenheit nachfragen und dann berichten.
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schtonk
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Beitrag(#2085182) Verfasst am: 07.02.2017, 20:20    Titel: Antworten mit Zitat

sponor hat folgendes geschrieben:
LEGs (Lernentwicklungsgespräche) hatten wir jetzt in der Grundschule das zweite Mal. Bin sehr angetan davon. Leider nur statt der Halbjahreszeugnisse, fürs Jahresende muss es ein "richtiges" Zeugnis sein... naja, anderes Thema.

Bei uns bekommen die Kinder und Lehrer exakt den gleichen Bogen und füllen ihn unabhängig voneinander aus (auch so ca. 5-10 Fragen je "Fach" plus Sozialkompetenzen; in der 1. Klasse noch mit elterlicher Unterstützung).
Im Gespräch, zu dem natürlich beide Eltern kommen dürfen (sie müssen sich bloß im Hintergrund halten und dürfen auch nicht zwischendurch mitreden), werden dann i.W. nur divergierende Einschätzungen besprochen und etwaige zusätzliche, allgemeine Fragen.

Wir haben wohl einfach mehr Glück mit der Lehrerin gehabt...

So ähnlich war das bei unseren beiden auch, es hieß aber einfach nur 'Elternprechtag' (ist ja schon ein paar Jahre her) und es gab keinen Fragebogen.

smallie hat folgendes geschrieben:

[...]

Wenn es regelmäßig Eltern gäbe, die die Anordnung "nur einer darf kommen" mißachteten, wäre die Reaktion eine andere gewesen. (...)

Ich finde das ist eine Sache für die Elternvertretung.
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Quinn (the Eskimo)
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Beitrag(#2086269) Verfasst am: 17.02.2017, 08:18    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo zusammen, ich bin der Neue und komm' jetzt öfter.
Hier sind etliche pfiffige und durchdachte Dinge über die Schule gesagt worden. Da aber dem Schulsystem und dem Unterricht keine Logik im Sinne von 2*2=4 zugrundeliegt, weil sich im Unterricht immer etwas Mehrschichtiges abspielt, das in den Bereich der "weichen" Disziplinen (Pädagogik, Psychologie usw.) fällt, laufen Argumente gern in die Falle "Das ist meine Meinung, und du hast deine. Kann man nix machen."
Ich bin nun vor einiger Zeit auf Klaus Holzkamp und die "Kritische Psychologie" gestoßen, die mir
a) die Augen geöffnet, weil
b) eine für mich adäquate Möglichkeit geliefert haben, Schule und ihren Bedingungsrahmen kühl zu analysieren.
Und da fällt zunächst auf, dass Schule - ganz systematisch - ihre Schwierigkeiten selbst produziert und sie dann in grandioser Verkehrung der Zusammenhänge den Schülerinnen ans Bein bindet.
Ein Beispiel (neben der Notengebung) ist der "Lehrlernkurzschluss", der darin besteht, dass man schulischerseits umstandslos annimmt, dass das, was unterrichtet (gelehrt) wird, auch genau so in den Köpfen der Schüler ankommt (gelernt wird). Wenn man den Gedanken mal schrittchenweise verfolgt, sieht man schnell, welches Desaster schon in diesem Zusammenhang angerichtet wird.

LG

Quinn
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fwo
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Beitrag(#2086273) Verfasst am: 17.02.2017, 12:00    Titel: Antworten mit Zitat

Quinn (the Eskimo) hat folgendes geschrieben:
Hallo zusammen, ich bin der Neue und komm' jetzt öfter.
....

Moin Quinn. Willkommen.
1.) Warum fängst Du mit einer Drohung an? zwinkern
2.) Warum heißt Du nicht Mighty Quinn?
3.) Kannst Du uns mal genauer erklären, warum es jetzt gerade Holzbrink sein soll, der unsere Schulen besser macht. In der Psychologie hat er sich ja nicht gerade durchgesetzt.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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fwo
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Beitrag(#2086278) Verfasst am: 17.02.2017, 12:50    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Nur eine kleine Frage:
Ist die Beziehung zwischen Eltern und Kind wirklich gleichberechtigt?

Ich sehe da ein Faktum, das ganz laut und deutlich NEIN sagt: Es gibt soetwas wie eine juristische und moralische Verantwortung der Eltern für ihre Kinder. Der kann man nur gerecht werden, indem man regelmäßig Vorrechte in Anpruch nimmt. So durfte mein Sohn ab 5? 6? mit Stöckchen am Lagerfeuer spielen, wenn ich dabei war. Genauso durfte er an den (nicht abgezäunten) Teich auf unserem Grundstück, wenn ich dabei war. Ohne mich (bzw. mein Weib) war das Gelände Tabu - und wir konnten auch darauf vertrauen, dass er diese Regeln einhielt.

Aber wenn einer die Regeln macht und der andere sie einhalten muss, oder allgemeiner: wenn ein derartiges Informations- und Kontrollgefälle besteht wie zwischen Eltern und Kindern (zumindest anfangs) dann ist es in meinen Augen Unsinn, da von Gleichberechtigung zu reden.

Dazu was von Peter Gray. Er war auch Autor des Artikels im Startbeitrag von Kramer.


smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Spiel als Grundlage des sozialen Gefüges unter Jägern und Sammlern
Peter Gray

American Journal of PLAY - 2009


NACHSICHT GEGENÜBER KINDERN

Das meistgebrauchte Wort, mit dem Anthropologen die Erziehung unter Jägern und Sammlern beschreiben ist: Nachsicht. Die Erwachsenen vertrauen den Instinkten ihrer Kinden und können sie deshalb gewähren lassen [...]. Sie glauben, Kinder wüßten am Besten, was sie brauchen und wann sie es brauchen, deshalb gibt es wenige Machtkämpfe [battle of will] zwischen Erwachsenen und Kindern.

Am Besten läßt sich die Natur des Umgangs mit Kindern unter Jägern und Sammlern durch einige Zitate von Forschern zeigen, die in solchen Kulturen lebten.

    "Mit den Kindern der Aborigines wird äußerst nachsichtig umgegangen, manchmal werden sie gesäugt, bis sie vier oder fünf sind. Von Körperstrafe hört man fast nie."

    "Jäger und Sammler erteilen ihren Kindern keine Anordnungen, zum Beispiel ruft kein Erwachsener Schlafenszeit aus. Nachts bleiben die Kinder bei den Erwachsenen, bis sie müde werden und einschlafen. Die Parakana greifen nicht in das Leben ihrer Kinder ein. Sie schlagen nicht, schimpfen nicht, werden Kindern gegenüber weder körperlich noch verbal aggressiv. Sie erteilen kein Lob und haben kein besonderes Augenmerk auf deren Entwicklung."

    "[...] Für eine andere Person, egal welchen Alters, zu entscheiden, was sie tun soll, ist jenseits des Verhaltenrepertoires der Yequana. Man ist sehr interessiert daran, was jeder tut, aber niemand versucht, das zu beeinflussen - oder gar zu erzwingen. Der Antrieb des Kindes ist sein eigener Wille."

    "Die Kinder [Infants and young children] [der Inuit-Jäger-und-Sammler aus der Gegend der Hudson Bay] dürfen ihre Umgebung bis an die Grenzen ihrer körperlichen Fähigkeiten erforschen, mit minimaler Einmischung der Erwachsenen. Wenn ein Kind einen gefährlichen Gegenstand ergreift, lassen die Eltern meist zu, daß das Kind die Gefahren selbst herausfindet. Es wird vorausgesetzt, daß das Kind weiß, was es tut."

    "Die Kinder der Ju/’hoansi weinten äußerst selten, vermutlich weil es nichts zu weinen gab. Kein Kind wurde je angeschrien, geohrfeigt oder sonst wie körperlich bestraft, Schmipfen war die Ausnahme. Die meisten hörten bis zur Pubertät kein entmutigendes Wort. Und sogar dann wurde Tadel, wenn es überhaupt Tadel war, mit sanfter Stimme vorgetragen."



In unserer Kultur würden viele Menschen derartige Nachsicht als Rezeptur sehen, die Desaster hervorbringt und verwöhnte und unersättliche Kinder aus denen verwöhnte und unersättliche Erwachsene werden. Aber, den Forschern zufolge, die unter Jägern und Sammlern lebten, könnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein. Hier folgt, was Thomas über die Angelegenheit sagt, so wie sie sich bei den Ju/’hoansi darstellt: "Gelegentlich wird uns erzählt, daß man Kinder verwöhne, wenn man sie zuvorkommend behandelt, aber das ist nur die Meinung derer, die nicht wissen, wie erfolgreich derartige Methoden sein können. Frei von Frust oder Furcht, sonnig und kooperative, sind die Kinder der Ju/’hoan, die meist ohne nahe Geschwisterkonkurrenz aufwachsen, sind wie aus dem Traum jeder Eltern. Keine Kultur könnte je bessere, intelligenter, liebenswürdigere oder selbständigere Kinder erziehen."

http://www.journalofplay.org/sites/www.journalofplay.org/files/pdf-articles/1-4-article-hunter-gatherer-social-existence.pdf [PDF]

Bei so vielen Superlativen regt sich bei mir fast schon wieder ein Widerspruch. Pfeifen Aber in erster Näherung trifft der Artikel die Sache auf den Kopf.

Und ja, es ist mir klar, daß München am Mittleren Ring etwas anderes ist, als ein Urwald-Trampelpfad.

Und weil ich den Thread gerade überflogen habe, möchte ich hierzu noch etwas bemerken:
@smallie
Du bemerkst zwar, dass Dir der Unterschied zwischen München am Mittleren Ring und einem Urwald-Trampelpfad klar sei, aber genau da frage ich zur Sicherheit nochmal nach:
Die Situationen sind ja nicht nur mit unterschiedlichen Gefahren ausgestattet, es sind völlig unterschiedliche Welten. Gerade als Biologe habe ich Respekt vor dem Wissen, das in einer Jäger- und Sammler-Kultur angesammelt wurde. Trotzdem muss ich sehen, dass es sich um ein völlig anderes Wissen handelt als das, was Kinder heute bei uns lernen müssen, um in ihrer Kultur zu bestehen. Anderes Wissen bedeutet nicht nur inhaltlich anders, sondern auch vom Zugang her: Das fängt an mit dem Sichbewegen in der Landschaft und geht weiter mit der Herstellung von Werkzeug, das auch gelernt werden muss, bei dem Vattern auch da seinen Senf dazu gibt, aber das doch gleichzeitig zum größten Teil körperlich gelernt wird, durch Zen-mäßiges Üben (auch wenn die sich über Zen keine Gedanken machen), bis die Vorgänge soweit automatisiert sind, dass sie unbewusst ablaufen. Das gilt auch für den Umgang mit Waffen. Die "Theorie", die diese Kinder lernen müssen, ist meist schon in ihrer Umgangssprache enthalten - die brauchen keine institutionalisierte Schule.

Die Gesellschaft, in die wir unserer Kinder schicken, hat an jeder Stelle, vom Professor über die Hausfrau bis zum Müllwerker, einen derart großen kulturellen Überbau, dass wir gar nicht die Wahl haben, unsere Kinder so aufwachsen zu lassen wie Jäger und Sammler. Die beneidenswerte Freiheit. in der Smalline anscheinend aufwächst (meine letztlich auch, wenn Du oben etwas zwischen den Zeilen liest) ist schön für diese Kinder, weil ihre Eltern offensichtlich Zeit und Vermögen (in diesem Fall kein Geld) besitzen, so auf diese Kinder einzugehen - kann man das allgemein voraussetzen? Das ändert aber nichts daran, dass auch diese Kinder irgendwie an soetwas ähnliches angeschlossen werden müssen wie den berühmten Nürnberger Trichter. Den müssen wir so umgestalten, dass sie trotzdem eine Kindheit behalten, aber ich bin mir nicht sicher, dass uns die Jäger und Sammler, so sympathisch sie mir sind, dabei viel helfen können - die leben in einer völlig anderen Welt.
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Quinn (the Eskimo)
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Beitrag(#2086281) Verfasst am: 17.02.2017, 13:59    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Moin Quinn. Willkommen.
1.) Warum fängst Du mit einer Drohung an? zwinkern
2.) Warum heißt Du nicht Mighty Quinn?
3.) Kannst Du uns mal genauer erklären, warum es jetzt gerade Holzbrink sein soll, der unsere Schulen besser macht. In der Psychologie hat er sich ja nicht gerade durchgesetzt.


Hi!
zu 1.) Klare Verhältnisse schaffen!
zu 2.) Die Frage ist ja mal berechtigt. Es ist so, dass mein Hund aus einem sog. Q-Wurf stammt; da die Züchterin es mit der Rockmusik hat, haben ihre Hunde offiziell (also in den Papieren) alle Namen, die damit zu tun haben. Nach mittlerweile um die 40 Konzerte, die ich von Dylan gesehen/gehört habe, war klar: Der Welpe isses, korrekter Titel des Songs hin oder her. Im Alltag heißt er bloß Quinn.
zu 3.) Holzkamp ist Mitte der 90er gestorben. Er ist, wie ich es sehe, u. a. aus ähnlichen Gründen nicht in der Diskussion, wie es Deschner ist: Die beiden werden für gefährlich gehalten, weil sie den Dingen kühl und sachlich auf den Grund gehen. Es gibt sicher einige andere, die das auch getan haben, konsequent und parteiisch (für die Schüler/innen), wie etwa Dewey oder Illich, aber nicht so umfassend wie H.
Ich bleibe mal bei dem Stichwort "Lehrlernkurzschluss". Der entsteht dadurch, dass Lehramtsanwärter lernen, eine Stunde zu planen. Wenn die Stunde nicht geklappt hat, liegt es an der falschen Planung. Aber die Sch. zu fragen, wo die Reise hingehen soll, auf die Idee kommt niemand. Da nun die Macht über die schulischen (also eben auch die Lern-)Verhältnisse in den Händen von Behörden und Lehrern liegt, können also Lern-(eigentlich: Lehr-)Inhalte amtlich durchgesetzt werden, mit dem Effekt, dass Sch. beginnen, "defensiv" zu lernen. Das heißt, für sie (denk mal zurück an deine Schultage) geht es beim Lernen meist (mindestens aber oft) um "Bedrohungsabwehr": "Bevor der Typ im Englischunterricht mich wieder anbrummt, lerne ich lieber die Vokabeln.", Mutter soll nicht wieder schluchzen:"Junge, was soll nur aus dir werden?" oder die Schülerin will versetzt werden, den magischen Schein haben, der zum Studium berechtigt usf. - Das hat aber mit dem Lerngegenstand nichts oder wenig zu tun. Diese Situation aufzuheben, sie in eine im besten Sinne emnzipatorische umzumodeln, würde sowas wie eine Revolution bedeuten, weil sofort, wenn man damit begänne, die Herrschaftsfrage gestellt würde. Wer aber will das? Das würde u. a. eine völlig andere Ausbildung des Personals bedeuten, wahrscheinlich müsste man sich über die Auswahl der Lehramtsstudentinne/studenten intensive Gedanken machen, ja vielleicht sogar hier eine Art Holzkamp-Gruppe eröffnen, was weiß ich.
Was ich aber weiß: Holzkamp lohnt. U. a. weil er alle Beteiligten in der Auseinandersetzung munitioniert. Und zwar absolut parteiisch: für die Schülerinnen und Schüler und gegen die Herrschaftsmechanismen, die als heimlicher Lehrplan den jungen Menschen oft über ein Jahrzehnt lang eingebläut werden.

Erstmal so weit: Ich muss mit Quinn raus.

Lieben gruß

Friedhelm

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schtonk
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Beitrag(#2086292) Verfasst am: 17.02.2017, 18:17    Titel: Antworten mit Zitat

Quinn (the Eskimo) hat folgendes geschrieben:
...
Ich bin nun vor einiger Zeit auf Klaus Holzkamp und die "Kritische Psychologie" gestoßen, ...

Eine interssante Anregung. Der Name war mir nicht bekannt, und auf der Suche nach Information bin ich hierauf gestoßen:

(...) Auf diesem wissenschaftshistorischen Hintergrund muss der Beitrag von Holzkamp zur Entwicklung kritischer Psychologie hervorgehoben werden, weil er zeitgenössisch und später oft unterschätzt oder übersehen worden ist.
...
Wer kritische Psychologie machen wollte, bewegte sich allerdings schon zu der Zeit, als die »Sinnliche Erkenntnis« erschien, in Feindesland. (...)


Ich habe das bisher nur überflogen, werde das in aller Ruhe durchlesen, wenn ich Zeit dazu habe. Aber eine Idee davon, warum er sich nicht durchsetzen konnte, habe ich schon.
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Quinn (the Eskimo)
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Beitrag(#2086295) Verfasst am: 17.02.2017, 20:14    Titel: Antworten mit Zitat

schtonk hat folgendes geschrieben:
Quinn (the Eskimo) hat folgendes geschrieben:
...
Ich bin nun vor einiger Zeit auf Klaus Holzkamp und die "Kritische Psychologie" gestoßen, ...

Eine interssante Anregung. Der Name war mir nicht bekannt, und auf der Suche nach Information bin ich hierauf gestoßen:

(...) Auf diesem wissenschaftshistorischen Hintergrund muss der Beitrag von Holzkamp zur Entwicklung kritischer Psychologie hervorgehoben werden, weil er zeitgenössisch und später oft unterschätzt oder übersehen worden ist.
...
Wer kritische Psychologie machen wollte, bewegte sich allerdings schon zu der Zeit, als die »Sinnliche Erkenntnis« erschien, in Feindesland. (...)


Ich habe das bisher nur überflogen, werde das in aller Ruhe durchlesen, wenn ich Zeit dazu habe. Aber eine Idee davon, warum er sich nicht durchsetzen konnte, habe ich schon.


Danke für den Hinweis auf den Aufsatz! Über den auf S. 4 zitierten Franco Basaglia kommt eine allgemeinere Sichtweise rein, die "Befriedungsverbrechen" der Intellektuellen; höchst spannend und sicher ein Fall für eine gesonderte Diskussion!
Danke nochmal und good night!
Quinn the Eskimo
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smallie
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Beitrag(#2086397) Verfasst am: 19.02.2017, 19:09    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Nur eine kleine Frage:
Ist die Beziehung zwischen Eltern und Kind wirklich gleichberechtigt?

Ich sehe da ein Faktum, das ganz laut und deutlich NEIN sagt: Es gibt soetwas wie eine juristische und moralische Verantwortung der Eltern für ihre Kinder. Der kann man nur gerecht werden, indem man regelmäßig Vorrechte in Anpruch nimmt. So durfte mein Sohn ab 5? 6? mit Stöckchen am Lagerfeuer spielen, wenn ich dabei war. Genauso durfte er an den (nicht abgezäunten) Teich auf unserem Grundstück, wenn ich dabei war. Ohne mich (bzw. mein Weib) war das Gelände Tabu - und wir konnten auch darauf vertrauen, dass er diese Regeln einhielt.

Aber wenn einer die Regeln macht und der andere sie einhalten muss, oder allgemeiner: wenn ein derartiges Informations- und Kontrollgefälle besteht wie zwischen Eltern und Kindern (zumindest anfangs) dann ist es in meinen Augen Unsinn, da von Gleichberechtigung zu reden.

Dazu was von Peter Gray. Er war auch Autor des Artikels im Startbeitrag von Kramer.


smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Spiel als Grundlage des sozialen Gefüges unter Jägern und Sammlern
Peter Gray

NACHSICHT GEGENÜBER KINDERN

Das meistgebrauchte Wort, mit dem Anthropologen die Erziehung unter Jägern und Sammlern beschreiben ist: Nachsicht. Die Erwachsenen vertrauen den Instinkten ihrer Kinden und können sie deshalb gewähren lassen [...]. Sie glauben, Kinder wüßten am Besten, was sie brauchen und wann sie es brauchen, deshalb gibt es wenige Machtkämpfe [battle of will] zwischen Erwachsenen und Kindern.

<schnipp>

http://www.journalofplay.org/sites/www.journalofplay.org/files/pdf-articles/1-4-article-hunter-gatherer-social-existence.pdf [PDF]

Und weil ich den Thread gerade überflogen habe, möchte ich hierzu noch etwas bemerken:
@smallie

Bitte, gerne. Da steht schon seit langem eine Antwort an dich aus.


fwo hat folgendes geschrieben:
Du bemerkst zwar, dass Dir der Unterschied zwischen München am Mittleren Ring und einem Urwald-Trampelpfad klar sei, aber genau da frage ich zur Sicherheit nochmal nach:
Die Situationen sind ja nicht nur mit unterschiedlichen Gefahren ausgestattet, es sind völlig unterschiedliche Welten. Gerade als Biologe habe ich Respekt vor dem Wissen, das in einer Jäger- und Sammler-Kultur angesammelt wurde.

Zwei Wochen in der Kalahri oder im australischen Outback, ohne Supermarkt, und ich wäre tot.


fwo hat folgendes geschrieben:
Trotzdem muss ich sehen, dass es sich um ein völlig anderes Wissen handelt als das, was Kinder heute bei uns lernen müssen, um in ihrer Kultur zu bestehen. Anderes Wissen bedeutet nicht nur inhaltlich anders, sondern auch vom Zugang her: Das fängt an mit dem Sichbewegen in der Landschaft und geht weiter mit der Herstellung von Werkzeug, das auch gelernt werden muss, bei dem Vattern auch da seinen Senf dazu gibt, aber das doch gleichzeitig zum größten Teil körperlich gelernt wird, durch Zen-mäßiges Üben (auch wenn die sich über Zen keine Gedanken machen), bis die Vorgänge soweit automatisiert sind, dass sie unbewusst ablaufen. Das gilt auch für den Umgang mit Waffen. Die "Theorie", die diese Kinder lernen müssen, ist meist schon in ihrer Umgangssprache enthalten - die brauchen keine institutionalisierte Schule.

Ich hab' noch nicht ganz erfasst, worauf du hinaus willst.

Du meinst, weil es so viel zu lernen gibt, kann es kein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Eltern und Kind mehr geben?


fwo hat folgendes geschrieben:
Die Gesellschaft, in die wir unserer Kinder schicken, hat an jeder Stelle, vom Professor über die Hausfrau bis zum Müllwerker, einen derart großen kulturellen Überbau, dass wir gar nicht die Wahl haben, unsere Kinder so aufwachsen zu lassen wie Jäger und Sammler.

Sie sollen ja nicht aufwachsen wie Jäger und Sammler. Mit Rousseau habe ich nichts am Hut - ich brauche elektrischen Strom. zwinkern

Was ich aus Peter Grays "Spiel als Grundlage des sozialen Gefüges unter Jägern und Sammlern" mitnehme, ist nicht das Leben unter Jägern und Sammlern, sondern Spiel als erstrebenswerte Grundlage jeden sozialen Gefüges.

Mir geht's um den egalitären Geist, der dahintersteckt - den hätte ich gerne übernommen.


fwo hat folgendes geschrieben:
Die beneidenswerte Freiheit. in der Smalline anscheinend aufwächst (meine letztlich auch, wenn Du oben etwas zwischen den Zeilen liest) ist schön für diese Kinder, weil ihre Eltern offensichtlich Zeit und Vermögen (in diesem Fall kein Geld) besitzen, so auf diese Kinder einzugehen - kann man das allgemein voraussetzen?

Kann man nicht voraussetzen.

Im nächsten Beitrag dazu noch eine längere Geschichte.


fwo hat folgendes geschrieben:
Das ändert aber nichts daran, dass auch diese Kinder irgendwie an soetwas ähnliches angeschlossen werden müssen wie den berühmten Nürnberger Trichter. Den müssen wir so umgestalten, dass sie trotzdem eine Kindheit behalten, ...

Gut, daß du "soetwas ähnliches" gesagt hast, denn das Bild vom Nürnberger Trichter ist mir zu eng. Der (junge) Verstand ist wie ein Schwamm, der alles aufsaugt. Mein Bild wäre eher eins von Gießkannen für's Grobe und Pipetten für's Feine.

Wissen, Sachverständnis, Bildung sehe ich als hedonistische Angelegenheit. Daß das nicht allen so geht, ist mir klar. Vor einer Weile meinte ein Psychologiestudent, warum ich mich für solche Dinge interessiere, obwohl ich mein Studium schon längst abgeschlossen habe.

Es bleibt die Frage, welche Art von Wissen vermittelt werden soll? Achtung: Vaterstolz voraus - wenn's nicht sachdienlich wäre, würde ich das nicht erzählen.

STAR WARS - Clone Wars, erste Staffel. Einige Droidikas, oder wie die Dinger heißen, rollen auf Yoda und Co. zu und fahren ihre Energieschirme hoch. Die Jedi feuern auf die Droidikas, aber die Schüsse prallen am Schutzschirm ab. Die Droidikas feuern zurück. Sagt smalline: hey, wieso können die durch den Schutzschirm schießen? Recht hatte sie, und ihrem Doofpapa ist das noch nicht mal aufgefallen.

Kinder haben die Fähigkeit, Dinge unvoreingenommen zu sehen. Die Fähigkeit ist dem Homo Sapiens angeboren, sie muß nicht eingetrichtert werden. Eher besteht die Gefahr, daß diese Fähigkeit unter einem Berg von Routine, Formalien sowie unter dem stetigen Strom von Klischees begraben wird.


fwo hat folgendes geschrieben:
... aber ich bin mir nicht sicher, dass uns die Jäger und Sammler, so sympathisch sie mir sind, dabei viel helfen können - die leben in einer völlig anderen Welt.

Oh doch. Kann weiterhelfen.


Peter Gray hat folgendes geschrieben:
Spiel ist

(1) selbst-gewählt und selbst-geleitet
(2) folgt einem inneren Antrieb
(3) folgt Regeln, die vom Verstand gesetzt werden
(4) braucht Vorstellungskraft
(5) braucht einen handelnden, wachen aber stressfreien geistigen Rahmen.



Play is activity that is

(1) self-chosen and self-directed;
(2) intrinsically motivated;
(3) structured by mental rules;
(4) imaginative; and
(5) produced in an active, alert, but nonstressed frame of mind.

http://www.journalofplay.org/sites/www.journalofplay.org/files/pdf-articles/1-4-article-hunter-gatherer-social-existence.pdf

Peter Gray stellt das in einen Zusammenhang mit Egalitarismus: die Freiwilligkeit des Spiels führt dazu, daß man sich zusammenrauft, sonst gehen einem die Spielpartner aus - ganz salopp gesagt.

Das ist irgendwann verloren gegangen, als Extrembeispiel sage ich Manchesterkapitalismus mit 70 Arbeitsstunden die Woche und Kinderarbeit. Inzwischen haben wir die industrielle Revolution halbwegs verarbeitet und die aus ihr folgenden Katastrophen des zwanzigsten Jahrhundert überlebt. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt um darüber nachzudenken: wie wollen wir leben? Das Spielerische steht für mich dabei ganz weit oben auf der Liste.
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Beitrag(#2086398) Verfasst am: 19.02.2017, 19:21    Titel: Antworten mit Zitat

@smallie
Irgendwie habe ich wohl meinen wesentlichen Gedanken nicht so richtig weitergegeben:
Der kulturelle Überbau, mit dem wir leben, ist so groß und mit hierarchischer Struktur, dass Du den wahrscheinlich nur bei Ausnahmekindern spielerisch vermitteln kannst. Der brauch die Struktur auch schon in der Vermittlung - auch wenn ich davon ausgehe, dass die Pädagogik und Didaktik da noch nicht wirklich am Menschen angekommen ist.
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smallie
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Beiträge: 3613

Beitrag(#2086400) Verfasst am: 19.02.2017, 19:32    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Die beneidenswerte Freiheit. in der Smalline anscheinend aufwächst (meine letztlich auch, wenn Du oben etwas zwischen den Zeilen liest) ist schön für diese Kinder, weil ihre Eltern offensichtlich Zeit und Vermögen (in diesem Fall kein Geld) besitzen, so auf diese Kinder einzugehen - kann man das allgemein voraussetzen?

Die letzten Jahre nahm ich mir einigermaßen regelmäßig einen Tag im Monat frei, um mit smalline etwas zu unternehmen. Zoo, Museum, Vergnügungspark. In der Arbeit hat mir das einen Rüffel eingebracht, warum ich soviele einzelne Urlaubstage habe, Urlaub sei zur Erhohlung des Arbeitnehmers da.

Ein Standardtermin war der Tag der offenen Tür bei den Physikern an der Uni. Mit Lasershow, Rauchkanone, Starts von Meßballons, Zutritt zu den Laboren. Wenn's langweilig wird, geht's in den botanischen Garten - die Gewächshäuser sind nur Wochentags und vormittäglich zugänglich. Oder einfach mal in die Bibliothek gehen, das Personal fragen, wie viele Bücher herumstehen - drei Millionen - und dann die Kinderbuchecke suchen. Am Brunnen planschen gehört natürlich auch dazu. zwinkern

Auf der Homepage des Veranstalters heißt es dazu:

Zitat:
Eine wichtige Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler, die wir ganz besonders ermutigen möchten, ihre Eltern und ihre Lehrerinnen und Lehrer anzusprechen und so eventuell einen Besuch mit der ganzen Klasse anzustoßen oder vom Unterricht für diesen Tag freigestellt zu werden und mit Freunden oder Familie kommen zu können. Auf Wunsch können wir gerne Anwesenheitsbescheinigungen austellen!

http://www.physik.uni-regensburg.de/fakultaet/mertins/HOME/events/tag-der-offenen-tur-jedes/index.php

Die Leute dort gehen offensichtlich davon aus, daß ein Freistellung möglich ist.


Ha! Das sollte doch ein gutes Argument sein, damit ich auch weiterhin fernab vom Trott einige Tage Auszeit von der Schule einfordern kann. In angemessenen Rahmen von vier oder fünf Tagen pro Schuljahr.

Ziemlich bald nach Schulanfang war ich beim Rektor und brachte dieses Anliegen vor. Er meinte dann, er stehe kurz vor der Pensionierung, aber so einen Fall hätte er noch nicht gehabt. Ich denke, er fand mein Anliegen nicht unsympathisch, hat von Fahrradtouren mit seinen Kindern erzählt. Am Ende meinte er, ihm seien die Hände gebunden, das Schulgesetz gäbe das nicht her. Wenn ich unbedingt wolle, dann solle ich meine Tochter krank melden - er dürfe nur nichts davon wissen. Das fand ich sehr, sehr sympathisch, sagte ihm aber, das wäre nicht meine Art, ich würde lieber mit offenen Karten spielen.

Meiner Ansicht nach hat er unrecht, daß ihm die Hände gebunden seien. Beim letzten Tag der offenen Tür an der Uni hatte ich eine der Bescheinigungen mitgenommen, die die Uni austellt. Die hielt ich ihm unter die Nase. Darauf er: "das wird wohl alles am Nachmittag stattfinden."

Eine plumpe Ausrede. Leider hatte ich nicht die Geistesgegenwart, ein Programm vorzulegen. Allerdings sagte ich, mein Anliegen noch einmal schriftlich zu formulieren. Das steht noch aus. Die Moral von der Geschicht geht weit über Schule hinaus. Wenn noch nicht mal Rektoren bereit sind, ergebnisoffen auf Argumente zu hören, dann läuft's an vielen Stellen unserer Gesellschaft so.

Das ist letztlich ein Fall von:

zelig hat folgendes geschrieben:
Ohne die Absicht, die eigenen Voraussetzungen zu reflektieren, ohne die Absicht das bessere Argument gelten zu lassen, und letztlich nur noch eine Art Stellungskrieg um die Oberhand der veröffentlichten Darstellung führen.

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Quinn (the Eskimo)
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Anmeldungsdatum: 16.02.2017
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Beitrag(#2086607) Verfasst am: 22.02.2017, 20:53    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
@smallie
Irgendwie habe ich wohl meinen wesentlichen Gedanken nicht so richtig weitergegeben:
Der kulturelle Überbau, mit dem wir leben, ist so groß und mit hierarchischer Struktur, dass Du den wahrscheinlich nur bei Ausnahmekindern spielerisch vermitteln kannst. Der brauch die Struktur auch schon in der Vermittlung - auch wenn ich davon ausgehe, dass die Pädagogik und Didaktik da noch nicht wirklich am Menschen angekommen ist.


@fwo
Das sehe ich im Wesentlichen genauso. Zudem steht noch eine Antwort von mir aus auf deine Frage, was Holzkamp für die Lösung der hier aufgeworfenen Fragen anzubieten hat. (ich hatte schon ein Textchen fertig, aber dann – computermäßiges Fossil, dass ich bin – auf einen falschen Knopf gedrückt: Weg war’s.
Erstmal: Menschen lernen individuell im sozialen Zusammenhang. Da allerdings der soziale (gesellschaftliche) Zusammenhang bei Jägers und Sammlers ein deutlich anderer ist als der z. B. im Dortmunder Norden resp. in der Münchener Innenstadt, sind eben auch die Lerninhalte nur schwer vergleichbar; unser Referenzsammler würde womöglich (plötzlich dahin gebeamt) den ersten Kreisverkehr in Köln nicht überleben. Insofern scheint es mir sinnvoll zu gucken, wie ein Mensch (heutzutage) lernt, und was er dafür bestenfalls braucht.
Dazu ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, dass niemand den Blick auf den ganzen Kuchen des möglichen Wissens haben kann; jeder Einzelne „sieht“ immer nur den ihm zugewandten Teil der Torte. Das heißt: Der Blick aufs Ganze ist uns verstellt, aber wir können (und sollten) versuchen, ein immer größeres Stück Torte zu erkennen. Das ist entwicklungsgeschichtlich in uns angelegt. Schon Säuglinge, weiß man heute, stellen in richtigen Versuchsanordnungen fest, wie ein Gegenstand zu Boden fällt (z. B. wenn man ihn schubst), Greiflinge sehen zu, dass sie ihre Umgebung begreifen usf. Daraus folgt u. a., dass nicht zwei Menschen gleich lernen, weil sich selbst bei Zwillingen etwa der Blickwinkel auf das Spielzeug des Geschwisters ändert, die Temperatur usw. Zwar minimal, aber eben dennoch. Dass wir – zweitens – im sozialen Verbund lernen (durch Nachahmen, Kommunikation usw., ist, glaube ich eher trivial).
Wichtig ist nun im Zusammenhang der Kritischen Psychologie, dass Menschen Lernentscheidungen treffen (müssen): Was will ich als nächstes tun, was interessiert mich jetzt? (Definition des sog. intentionalen Lernens: „Änderung eines als problematisch empfundenen Zustand in Richtung auf Verfügungserweiterung.“) Beispiel: Ich will einer Brieffreundin in Neuseeland mitteilen, dass ich eine Kiwi gegessen habe, weiß aber nicht, was das auf Englisch heißt (Problem). Ich kann nun den Brief anders verfassen und das Problem umschiffen. Aber ich kann auch eine Lernentscheidung treffen (das Wort nachgucken, Großeltern fragen, vielleicht einen Lehrer ...) Mit einer der Methoden finde ich heraus, die Frucht heißt auf Englisch kiwi, d.h., ich habe meine „Weltverfügung“ um ein Wort erweitert. Das ist kein sehr komplexes Beispiel, aber es mag das Prinzip verdeutlichen.
Jetzt stoßen wir aber auf zwei Probleme:
1. Das Kind sollte in seinen Lernentscheidungen keinen Schaden nehmen (heiße Herdplatte), und
2. trotzdem sollte ihm ermöglicht werden, Erfahrungen zu machen.
An dieser Stelle wird gern über einen „Schonraum“ für die Youngster nachgedacht, in dem sie sich und anderes „folgenlos“ erproben können. In diesem Schonraum müssten die Erwachsenen (auch und gerade in den Erscheinungsformen „Priester“, „Lehrer“ u. ä. m.) sich mit Ratschlägen zurückhalten und allenfalls als ECHTE Gesprächspartner zur Verfügung stehen, was z. B. bedeutet, dass sie ihre Macht allenfalls in begründeten Ausnahmen (wie oben: Herdplatte) ausüben, weil sonst die Gefahr zu groß ist, dass über die ausgeübte Macht (Lehrpläne, Vorschriften, Sanktionen ...), die die Schüler/innen bis zu 13 Jahre täglich erfahren, mehr Untertanen als Ingenieure herangebildet würden. Würden? Werden!
Und nun beginnt eine spannende Entdeckungsreise.
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Beitrag(#2086639) Verfasst am: 23.02.2017, 00:38    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Meiner Ansicht nach hat er unrecht, daß ihm die Hände gebunden seien. Beim letzten Tag der offenen Tür an der Uni hatte ich eine der Bescheinigungen mitgenommen, die die Uni austellt.

Denke ich auch. Schulkinder können mW durchaus für andere Dinge, die man im weiteren Sinn als Bildung oder gemeinnützig ansehen kann, freigestellt werden. ZB wurden bei uns, als ich noch ehrenamtlich in einem Jugendverband gearbeitet habe, Gruppenleiter und Helfer bei Veranstaltungen ziemlich regelmäßig freigestellt, zB am Freitag vor Pfingsten zur Vorbereitung de Pfingstzeltlagers uÄ. Für Bildungsveranstaltungen dürfte ähnliches möglich sein. Aber: Kann, nicht muss. Wenn die Schule sagt, ist nicht wegen Klassenarbeit oÄ, dann ist halt nicht. Und man muss natürlich genau in die Regelungen des jeweiligen Bundeslandes schauen.
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fwo
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Beitrag(#2086662) Verfasst am: 23.02.2017, 10:58    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Meiner Ansicht nach hat er unrecht, daß ihm die Hände gebunden seien. Beim letzten Tag der offenen Tür an der Uni hatte ich eine der Bescheinigungen mitgenommen, die die Uni austellt.

Denke ich auch. Schulkinder können mW durchaus für andere Dinge, die man im weiteren Sinn als Bildung oder gemeinnützig ansehen kann, freigestellt werden. ZB wurden bei uns, als ich noch ehrenamtlich in einem Jugendverband gearbeitet habe, Gruppenleiter und Helfer bei Veranstaltungen ziemlich regelmäßig freigestellt, zB am Freitag vor Pfingsten zur Vorbereitung de Pfingstzeltlagers uÄ. Für Bildungsveranstaltungen dürfte ähnliches möglich sein. Aber: Kann, nicht muss. Wenn die Schule sagt, ist nicht wegen Klassenarbeit oÄ, dann ist halt nicht. Und man muss natürlich genau in die Regelungen des jeweiligen Bundeslandes schauen.

Es gäbe auch die "harte Tour", nämlich dass smallie nicht anfragt, sondern seine Tochter einfach für eine außerschulische Bildungsveranstaltung abmeldet. Ich glaube nicht, dass irgend ein Direx unter diesen Bedingungen versuchen würde die formale Schulpflicht per Richter durchzusetzen. Wahrscheinlich könnte er nicht einmal sicher darauf vertrauen, dass der Richter sich der Ansicht anschließt, die Schulpflicht sei in so einem Fall verletzt.

Wie sagte man früher? Wer verzagt ist im Bitten, macht den anderen beherzt im Abschlagen.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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