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Der Untergang der antiken Kultur und seine Ursachen
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Frank
registrierter User



Anmeldungsdatum: 31.07.2003
Beiträge: 6643

Beitrag(#1326279) Verfasst am: 10.07.2009, 15:46    Titel: Der Untergang der antiken Kultur und seine Ursachen Antworten mit Zitat

Als Atheist bin ich bei vielen Vorträgen in unserer Szene eher gelangweilt, da ich das Thema und die Argumente praktisch auswendig kenne und nicht mehr überzeugt werden muss. Der Vortrag vom Historiker Rolf Bergmeier bei der 39. Postmatinee im Haus am See (Giordano Bruno Stiftung) ist da eine Ausnahme. Die Fakten aus dem Vortrag kannte ich zwar teilweise schon, aber die Schlussfolgerungen hatte ich in dieser Deutlichkeit noch nirgendwo gehört.

Zum Ende der Antike gab es mit der Völkerwanderung einen massiven kulturellen Einbruch. Folgt man der von christlichen Historikern verbreiteten Legende waren die barbarischen Germanen die Bösewichter, die uns kulturell fast 1000 Jahre zurück warfen und die guten Christen bauten dann das "christliche Abendland" auf, denen wir neben der "christlichen Nächstenliebe" so viel zu verdanken haben. Schamane in Aktion Rolf Bergmeier räumt mit diesem Märchen auf. Und das macht seinen Vortrag so interessant. Aus diesem Grund haben wir seinen fast einstündigen Vortrag bei Youtube eingestellt. Wegen der leidigen 10 Minutengrenze bei Youtube mussten wir ihn zerstückeln.

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Norton
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 11.11.2006
Beiträge: 4372

Beitrag(#1326281) Verfasst am: 10.07.2009, 15:49    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die Links, Frank!
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Pfaffenschreck
Schwarzwaldelch; möööh



Anmeldungsdatum: 09.05.2006
Beiträge: 6422
Wohnort: City of dope

Beitrag(#1326330) Verfasst am: 10.07.2009, 17:01    Titel: Antworten mit Zitat

Wieder neue Einblicke gewonnen. Danke Frank!
_________________
Merkwürdig, ich kann mich nicht erinnern, jemals einer kirchlichen Vereinigung beigetreten zu sein. Und doch mußte ich erst austreten, um Nichtmitglied zu werden!
---
In jedem Dorf gibt es eine Fackel, den Lehrer;
Und jemanden, der dieses Licht löscht, den Pfarrer.
Victor Hugo
---
http://www.humanisten-freiburg.de/
Reinschauen, mitmachen, mitgestalten und etwas bewegen.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1326456) Verfasst am: 10.07.2009, 20:30    Titel: Antworten mit Zitat

Interessant, auch wenn es der Autor an einigen Stellen übertreibt. Besonders aufgefallen ist mir die Stelle, an der er auf den Verfall der bildenden Kunst hinweist.

Es ist nicht fair, ein Standbild des Mittelalters mit einem der griechischen Klassik zu vergleichen. Ein gutes Beispiel, das der kulturelle Verfall schon früher einsetzt, und also nicht nur mit dem Christentum zu tun haben kann, ist die berühmte Statue der römischen Tetrarchen unter Diokletian Ende des 3. Jh.


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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Zoff
registrierter User



Anmeldungsdatum: 24.08.2006
Beiträge: 21668

Beitrag(#1326525) Verfasst am: 10.07.2009, 23:15    Titel: Antworten mit Zitat

Norton hat folgendes geschrieben:
Danke für die Links, Frank!


Dito, aber gibt es das auch irgendwo schriftlich?
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Roter Ballon
Lifted



Anmeldungsdatum: 22.12.2006
Beiträge: 2631
Wohnort: München

Beitrag(#1326530) Verfasst am: 10.07.2009, 23:26    Titel: Antworten mit Zitat

Zoff hat folgendes geschrieben:
Norton hat folgendes geschrieben:
Danke für die Links, Frank!


Dito, aber gibt es das auch irgendwo schriftlich?


Ein lesenswertester Artikel bei Wikipedia,
ist zumindest eine gute Grundlage und Materialsammlung

Bücherverluste in der Spätantike
http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCcherverluste_in_der_Sp%C3%A4tantike

die Link und Literatursammlung dürfte auch sehr hilfreich sein, für Gedanken und Fragen die man persönlich weiterverfolgen möchte.
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ertrage die Clowns!
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Critic
oberflächlich



Anmeldungsdatum: 22.07.2003
Beiträge: 16132
Wohnort: Arena of Air

Beitrag(#1326561) Verfasst am: 11.07.2009, 00:30    Titel: Antworten mit Zitat

Zum Teil 3: Bergmeier argumentiert da, daß die Germanen gar kein Interesse daran gehabt hätten, die römische Kultur zu zerstören, sondern im Gegenteil deren Errungenschaften gerne übernommen hätten. Zum Teil mag das auch stimmen, haben die Vandalen in Nordafrika oder die Ostgoten in Italien nicht im sprichwörtlichen Sinne "gehaust", sondern Kultur, Rechtssystem, Verwaltung etc. blieben nach römischen Vorbild organisiert. Letztendlich zerstört wurde die antike Kulturschicht dadurch, daß mit jedem neuen Krieg -- vordringlich zu nennen hier die oströmischen Wiedereroberungsversuche, die zumeist keinen langfristigen Erfolg hatten -- immer ein bißchen mehr verschwand.

Allerdings ist Geschichte nicht monokausal, und diese Qualität dürfte nicht für alle Germanen gleichermaßen gegolten haben -- so sollen Alemannen, nachdem sie in das römische Germanien eingedrungen waren, nicht die verlassenen Steinhäuser der Römer bezogen, sondern ihre Holzhütten zwischen diese gebaut haben, weil sie mit dem "kalten" Material nichts anfangen konnten (deren Wirtschaftssysteme mögen sich ja auch unterschieden haben - wer hätte denn diese Güter am Laufen halten sollen?). Den einfachen Menschen dürften Wertgegenstände primär wegen des Materials interessiert haben. Und ansonsten gab es ja noch die "Überfremdungsthese": Das Reich hatte es jahrhundertelang geschafft, Menschen einzubinden, zu "romanisieren". Allerdings sei die Kapazität erschöpft gewesen, als die Völkerwanderungszeit binnen weniger Jahre immer neue Völker einwanderten. (Wobei dann wieder die Frage wäre, wie groß diese Gruppen oder "Völker" waren. Wenn die bei Adrianopel das römische Heer besiegen, Karthago oder Rom erobern konnten, dann mögen das ja schon Zehn- oder Hunderttausende gewesen sein.)

Zum Teil 4: Bergmeier spricht davon, daß das Mittelalter eine Lücke sei, erst in der Renaissance die antiken Relikte "eingesammelt" worden seien. Es gibt allerdings einige Einzelpersonen - im verlinkten Wikipedia-Artikel erwähnt ist zum Beispiel Cassiodor, der im 6.Jahrhundert versucht hatte, die spärlichen Reste einzusammeln und so bestenfalls auf einige hundert Bücher kam - mehrere "Renaissancen". Die "karolingische Renaissance" etc., also um 800, ist so ein Beispiel. Da wurde - freilich auch mit einem politischen Zweck - versucht, zusammenzusammeln, was noch aufzufinden war. Im Italien des Hochmittelalters gibt es die sog. "Protorenaissance". Die Wiederentdeckung der griechischen Sprache findet freilich erst im 15.Jahrhundert statt, als griechische Gelehrte nach Italien emigrieren.

Für die antike Zeit habe ich von einer Schätzung gehört, daß etwa zehn Prozent der Menschen lesen und schreiben konnten, also nicht unbedingt die "Mehrheit". Allerdings sei auch das ein Wert, der erst wieder im 18.Jahrhundert erreicht worden sei.

Zum Teil 5: Diese "Umkehrung aller Werte" läßt sich auch an großen Personen der Kirche entdecken. Zum Teil aber auch eine gewisse Kontinuität, halt entsprechend den Gegebenheiten und Erfordernissen. Da gab es im 4.Jahrhundert den Philosophen, der einer der beiden Hauptströmungen anhing, den Kaiser, der der anderen folgte, ermahnte, ja anflehte, doch die Glaubensfreiheit zu beachten; als aber der nächste Kaiser an die Macht kam, der seiner Strömung anhing, diesem sogleich einen Brief schrieb, er müsse mit Feuer und Schwert die Andersgläubigen zum rechten Glauben bekehren. Oder Augustinus, der - klassisch gebildet - zu einem der Haupturheber der christlichen Lehren wird - was etwa die Tötung von "Ketzern" angeht, natürlich nur "aus Nächstenliebe". Aber die Christen auch nichts gegen Sklaverei als solche hatten.
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Dann bin ich halt bekloppt. Mit den Augen rollen

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Frank
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Anmeldungsdatum: 31.07.2003
Beiträge: 6643

Beitrag(#1326569) Verfasst am: 11.07.2009, 01:06    Titel: Antworten mit Zitat

Zoff hat folgendes geschrieben:
Norton hat folgendes geschrieben:
Danke für die Links, Frank!


Dito, aber gibt es das auch irgendwo schriftlich?


Derzeit arbeitet Rolf Bergmeier an einer kritischen Auseinandersetzung mit der modernen althistorischen Forschungsliteratur. Einige der Erkenntnisse, die er im Zuge seines Buchprojekts "Konstantin der Große und die wilden Jahre des Christentums" gewann, sind Gegenstand des Vortrages. Wann sein Buch heraus kommt steht noch nicht fest.
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Rene Hartmann
Säkular? Na klar!



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 1404
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Beitrag(#1326603) Verfasst am: 11.07.2009, 08:34    Titel: Antworten mit Zitat

Spannendes Thema. Mich hat die Spätantike interessiert, seit ich einmal zu Weihnachten das Buch von Michael Grant über den Untergang des Römischen Reiches geschenkt bekam.

Die Spätantike wird generell ja eher stiefmütterlich behandelt im Vergleich zur klassischen Antike. Dabei ist die Frage nach den Ursachen des radikalen religiösen und kulturellen Bruchs, der sich in dieser Zeit vollzogen hat, äußerst spannend.

Es ist natürlich etwas zu einfach, dafür bloß das Christentum als Ursache zu benennen, denn der Aufstieg des Christentums hat ja wiederum soziokulturelle Ursachen. Was waren dabei die Faktoren?

Offensichtlich hat das Ganze mit der politischen Einigung des Mittelmeerraums durch das Römische Reich zu tun. Die religiöse Vereinheitlichung folgte der politischen mit einem Abstand von ein paar Jahrhunderten.

Für uns heute einigermaßen rätselhaft bleibt die Frage, warum die Ausrichtung auf das Jenseits gerade in dieser Zeit solche Ausmaße angenommen hat. Anscheinend haben sich viele Menschen in der diesseitigen Welt sozusagen nicht mehr zuhause gefühlt und sich daher dem Jenseitigen zugewandt.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1326608) Verfasst am: 11.07.2009, 09:09    Titel: Antworten mit Zitat

Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:

Für uns heute einigermaßen rätselhaft bleibt die Frage, warum die Ausrichtung auf das Jenseits gerade in dieser Zeit solche Ausmaße angenommen hat. Anscheinend haben sich viele Menschen in der diesseitigen Welt sozusagen nicht mehr zuhause gefühlt und sich daher dem Jenseitigen zugewandt.

Aus dieser zeitlichen Distanz ist das natürlich schwer abschließend zu beurteilen. Ich denke, zwei Aspekte haben eine Rolle gespielt. Zum einen waren die Christen gegen Mitte des 4. Jh. nur eine kleine Minderheit, man spricht von ca. 5% im Westen und 10-15% im Osten. Erst die Unterstützung durch die Kaiser, z.B. die Duldung von Tempelzerstörungen, und die Bevorzugung bei den begehrten Verwaltungsposten, änderte die Gewichte. Zum anderen können wir uns die Verunsicherung, die der Niedergang des Römischen Reiches in den Menschen auslöste, kaum vorstellen. Man erwartete nicht nur den Untergang des Reiches, sondern den der Welt.

Außerdem konnten sich die Menschen kaum vorstellen, zu welchem kulturellen Kahlschlag die Verbreitung des Christentums führen würde. Die Menschen waren die antiken Götter gewöhnt. So etwas radikales wie das Christentum war neu. Eine solche Verfolgung Andersgläubiger, nicht nur der Heiden, sondern sofort auch von "häretischen" Christen, ihre physische Vernichtung, Zerstörung ihrer Tempel und Schriften, bis zur völligen Auslöschung jeder Erinnerung an sie - das gab es vorher nicht und war sicher auch jenseits jeder Vorstellungskraft.
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El Ali
El Ali



Anmeldungsdatum: 06.05.2009
Beiträge: 215

Beitrag(#1326610) Verfasst am: 11.07.2009, 09:12    Titel: Antworten mit Zitat

Um ehrlich zu sein, d. h. wie gewöhnlich zu reden: mich interessiert der Verfall der antiken Kulturen nicht. Ich richte mein Augenmerk auf das, was gestern und vorgestern beinahe verloren ging, wären nicht meinesgleichen, die es mit aller Kraft zu bewahren versuchen, um es weiterzugeben. Die alten Kulturen sind für immer verloren. Das ist leider so. Man könnte noch Tausend Bücher über die ägyptischen Pyramiden schreiben; die Pyramiden selbst verfallen mit der Zeit – und die Bücher verstauben. Es komme einer und sage: „Antike Kultur“ – ihn frage ich, ob er jemals in einer Klosterbibliothek war? und ob er überhaupt lesen kann.

Im Großen und Ganzen ist die Zeit der Romantik schon verloren. Wer liest heute noch die Werke der Romantiker? Wieviele von Tausend? Ich frage nach Promillen, nicht nach Prozenten.

Du, Frank, bist ein Sonderling; und als solcher schätzens- und schützenswert.

Gruß von Leila*
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Rene Hartmann
Säkular? Na klar!



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 1404
Wohnort: Rhein-Main

Beitrag(#1326612) Verfasst am: 11.07.2009, 09:16    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:

Für uns heute einigermaßen rätselhaft bleibt die Frage, warum die Ausrichtung auf das Jenseits gerade in dieser Zeit solche Ausmaße angenommen hat. Anscheinend haben sich viele Menschen in der diesseitigen Welt sozusagen nicht mehr zuhause gefühlt und sich daher dem Jenseitigen zugewandt.

Aus dieser zeitlichen Distanz ist das natürlich schwer abschließend zu beurteilen. Ich denke, zwei Aspekte haben eine Rolle gespielt. Zum einen waren die Christen gegen Mitte des 4. Jh. nur eine kleine Minderheit, man spricht von ca. 5% im Westen und 10-15% im Osten. Erst die Unterstützung durch die Kaiser, z.B. die Duldung von Tempelzerstörungen, und die Bevorzugung bei den begehrten Verwaltungsposten, änderte die Gewichte. Zum anderen können wir uns die Verunsicherung, die der Niedergang des Römischen Reiches in den Menschen auslöste, kaum vorstellen. Man erwartete nicht nur den Untergang des Reiches, sondern den der Welt.


Die Anfänge der Entwicklung, die zur späteren Herrschaft des Christentums führen würde, liegen aber bereits im 1. und 2. Jahrhundert. Damals war vom Untergang der Reiches nicht viel zu bemerken.

Zitat:

Außerdem konnten sich die Menschen kaum vorstellen, zu welchem kulturellen Kahlschlag die Verbreitung des Christentums führen würde. Die Menschen waren die antiken Götter gewöhnt. So etwas radikales wie das Christentum war neu. Eine solche Verfolgung Andersgläubiger, nicht nur der Heiden, sondern sofort auch von "häretischen" Christen, ihre physische Vernichtung, Zerstörung ihrer Tempel und Schriften, bis zur völligen Auslöschung jeder Erinnerung an sie - das gab es vorher nicht und war sicher auch jenseits jeder Vorstellungskraft.


Aber wo kam diese Wut auf die alte Götterwelt her? War es vielleicht (edit: in ihren Anfängen) eine verhüllte Opposition gegen das System der römischen Herrschaft?
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1326630) Verfasst am: 11.07.2009, 10:24    Titel: Antworten mit Zitat

Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:

Die Anfänge der Entwicklung, die zur späteren Herrschaft des Christentums führen würde, liegen aber bereits im 1. und 2. Jahrhundert. Damals war vom Untergang der Reiches nicht viel zu bemerken.

Das ist so nicht ganz richtig. Gerade im 2. jahrhundert haben wir die Markomanneneinfälle. Die Christen sind um diese Zeit noch eine verschwindend kleine Sekte, aufgespalten in windzige Gemeinden mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen. Jesus wird in Gräber damals noch als Philosoph dargestellt und das Kreuzeszeichen gibt es noch gar nicht. Mysterienkulte gab es damals im Römsichen Reich zu Hauf. Sie galten als schick und waren eher ein Ausdruck von antikem "Multikulti".
Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:

Aber wo kam diese Wut auf die alte Götterwelt her? War es vielleicht (edit: in ihren Anfängen) eine verhüllte Opposition gegen das System der römischen Herrschaft?

Ich glaube nicht, daß es in erster Linie Wut auf die antiken Götter war. Die Christen waren der festen Überzeugung, es könne nur eine Wahrheit geben, und von der hinge ihr Seelenheil ab. Immer neue theologische Haarspaltereien führten zu immer neuen konkurrierenden Wahrheiten. Jede Gemeinde hatte ihren eigenen Glauben mit eigenen heiligen Schriften, die im Gottesdienst zitiert, aber oft schon von der Nachbargemeinde abgelehnt wurden. Um diese Wahrheiten hatte es schon unter den frühen Christen erbitterte Kämpfe gegeben mit übelsten Beschimpfungen. Für gewaltsame Auseinandersetzungen fehlten wohl die Machtmittel. Schließlich war das die Zeit, von der die Kirche später behaupten wird, es sei die der Verfolgung gewesen. Es war also Wut auf alles Andersdenkende, egal ob Christen, Juden oder Heiden.
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AXO
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Anmeldungsdatum: 05.02.2007
Beiträge: 10124
Wohnort: Thüringen

Beitrag(#1326639) Verfasst am: 11.07.2009, 10:41    Titel: Antworten mit Zitat

Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:


Aber wo kam diese Wut auf die alte Götterwelt her?


Das war wohl weniger Wut als eher Zweckmäßigkeit. Um eine neue Herrschaft zu errichten war/ist
es durchaus üblich und zweckdienlich die Symbole der alten zu schleifen, damit die kollektive Erinnerung
daran möglichst schnell auszulöschen um den "leeren" Platz neu besetzen zu können.
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AXO
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Anmeldungsdatum: 05.02.2007
Beiträge: 10124
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Beitrag(#1326645) Verfasst am: 11.07.2009, 10:51    Titel: Antworten mit Zitat

El Ali hat folgendes geschrieben:
Um ehrlich zu sein, d. h. wie gewöhnlich zu reden: mich interessiert der Verfall der antiken Kulturen nicht. Ich richte mein Augenmerk auf das, was gestern und vorgestern beinahe verloren ging, wären nicht meinesgleichen, die es mit aller Kraft zu bewahren versuchen, um es weiterzugeben. Die alten Kulturen sind für immer verloren. Das ist leider so. Man könnte noch Tausend Bücher über die ägyptischen Pyramiden schreiben; die Pyramiden selbst verfallen mit der Zeit – und die Bücher verstauben. Es komme einer und sage: „Antike Kultur“ – ihn frage ich, ob er jemals in einer Klosterbibliothek war? und ob er überhaupt lesen kann.

Im Großen und Ganzen ist die Zeit der Romantik schon verloren. Wer liest heute noch die Werke der Romantiker? Wieviele von Tausend? Ich frage nach Promillen, nicht nach Prozenten.

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Gruß von Leila*


Die Romantik ist aber "nur" eine Etappe innerhalb unserer Kultur. Solange sie besteht,
leben wir ja mit dem Ergebnis unserer Entwicklung in welchem alle Zwischenschritte enthalten sind.
Die Römer, Maya, Ägypter mögen innerhalb ihrer Kultur auch so mancher "guten alten Zeit"
innerhalb ihrer Kultur gedacht aber an den möglichen Untergang ihrer kompletten Kultur
keinen Gedanken verschwendet haben.
Von daher sehe ich die Betrachtung einer komplett untergegangenen Gesellschaft schon in einer
anderen Qualitätsdimension als die Betrachtung von innerkulturellen Abschnitten. Vielleicht ließe
sich ja was lernen und sei es nur das Mögliche nicht für Unmöglich zu halten zwinkern

und was den "Verfall" der Pyramiden betrifft -> bis dahin fließt noch viel Wasser den Nil herab.
Was wir jetzt an Zerstörung sehen ist hauptsächlich dem jämmerlichen Versuch sie zu schleifen
geschuldet und vielleicht hat man sie ja so massiv und kollossal konzipiert und gebaut, das nichtmal
das ohne weiteres gelingt.
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Rene Hartmann
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 1404
Wohnort: Rhein-Main

Beitrag(#1326653) Verfasst am: 11.07.2009, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:

Die Anfänge der Entwicklung, die zur späteren Herrschaft des Christentums führen würde, liegen aber bereits im 1. und 2. Jahrhundert. Damals war vom Untergang der Reiches nicht viel zu bemerken.

Das ist so nicht ganz richtig. Gerade im 2. jahrhundert haben wir die Markomanneneinfälle. Die Christen sind um diese Zeit noch eine verschwindend kleine Sekte, aufgespalten in windzige Gemeinden mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen. Jesus wird in Gräber damals noch als Philosoph dargestellt und das Kreuzeszeichen gibt es noch gar nicht. Mysterienkulte gab es damals im Römsichen Reich zu Hauf. Sie galten als schick und waren eher ein Ausdruck von antikem "Multikulti".


Das Aufkommen der Mysterienkulte zeigt aber, dass sich der überkommene Polytheismus schon damals in einer Krise befand, weil er die religiösen Bedürfnisse offenbar nicht mehr zu befriedigen vermochte. Die Mysterienkulte offerierten eine "Heilstechnologie", die dem eingeweihten Anhänger das Weiterleben im Jenseits ermöglichen sollte - ganz ähnlich wie das Christentum, welches später sein Monopol durchgesetzt hat.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1326668) Verfasst am: 11.07.2009, 11:53    Titel: Antworten mit Zitat

Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:

Das Aufkommen der Mysterienkulte zeigt aber, dass sich der überkommene Polytheismus schon damals in einer Krise befand, weil er die religiösen Bedürfnisse offenbar nicht mehr zu befriedigen vermochte. Die Mysterienkulte offerierten eine "Heilstechnologie", die dem eingeweihten Anhänger das Weiterleben im Jenseits ermöglichen sollte - ganz ähnlich wie das Christentum, welches später sein Monopol durchgesetzt hat.

Gar keine Frage. Aber es wahr wohl nicht der Polytheismus an sich, den die meisten Mysterienkulte ja auch nicht in Frage stellten, sondern die bisherige griechisch-römische Götterwelt. Nur hatte wohl niemand geahnt, wo das enden würde. Und so ganz ohne Widerstand ist die alte Vielgötterei auch nicht untergegangen. Sonst wären die massiven Verfolgungen durch Staat und Kirche nicht nötig gewesen.
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DeHerg
nun schon länger Ranglos



Anmeldungsdatum: 28.04.2007
Beiträge: 6525
Wohnort: Rostock

Beitrag(#1326703) Verfasst am: 11.07.2009, 13:05    Titel: Antworten mit Zitat

El Ali hat folgendes geschrieben:
Um ehrlich zu sein, d. h. wie gewöhnlich zu reden: mich interessiert der Verfall der antiken Kulturen nicht. Ich richte mein Augenmerk auf das, was gestern und vorgestern beinahe verloren ging, wären nicht meinesgleichen, die es mit aller Kraft zu bewahren versuchen, um es weiterzugeben. Die alten Kulturen sind für immer verloren. Das ist leider so. Man könnte noch Tausend Bücher über die ägyptischen Pyramiden schreiben; die Pyramiden selbst verfallen mit der Zeit – und die Bücher verstauben. Es komme einer und sage: „Antike Kultur“ – ihn frage ich, ob er jemals in einer Klosterbibliothek war? und ob er überhaupt lesen kann.

Im Großen und Ganzen ist die Zeit der Romantik schon verloren. Wer liest heute noch die Werke der Romantiker? Wieviele von Tausend? Ich frage nach Promillen, nicht nach Prozenten.


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Gruß von Leila*
oh ja die Idealisierung von Irrationalität und Rückwärtsgewandheit ist etwas das man unbedingt verinnerlicht haben muss wenn man von Kultur sprechen will Mit den Augen rollen
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Haare spalten ist was für Grobmotoriker

"Leistung muss sich wieder lohnen"<--purer Sozialismus
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El Ali
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Anmeldungsdatum: 06.05.2009
Beiträge: 215

Beitrag(#1326727) Verfasst am: 11.07.2009, 13:34    Titel: Antworten mit Zitat

Lieber Axo!

Ich danke Dir herzlich für Deine Entgegnung. Was mich beschäftigt, ist folgendes (womöglich interessiert sich sonst kein Schwein dafür): Die Fernsehprogramme. Ich wuchs in einer Zeit auf, als es ihrer dreie gab: zwei deutsche und ein schweizerisches (ich weiß es nicht mehr so genau). Was ich noch ungefähr weiß, ist, daß jemand sagte oder schrieb, daß eines künftigen Tages 100 Fernsehprogramme zu empfangen sein würden. – Jetzt fällt es mir wieder ein: Ein Mann sprach im Radio und sagte folgendes voraus: Wir würden dereinst hundert Fernsehprogramme empfangen können, klassische Musik, Sprachkurse, Kulturfilme und Nachrichten aus aller Welt, Dokumentarfilme u.s.w. Ja, auch Jazz- und Beatmusikkonzerte, Vorlesungen aus Universitäten u.s.f.

Heute empfange ich via Kabel ca. 50 Fernsehprogramme (per Satellit noch einige mehr). Na und? was sehe ich? Dumme, mehrmals wiederholte gebührenpflichtige ‚Ratesendungen‘ (zur später Stunde von einer barbusigen Hure ‚moderiert‘), auf jedem zweiten Kanal ein bedeppertes Pärchen, Männchen und Weibchen, das, auf einem Sofa sitzend, abwechslungsweise (mal sie einen Satz, mal er) einen weltbewegenden Text aufsagt, Sendungen aus zoologischen Gärten und Gerichtsräumen, sogenannte ‚Talkshows‘ (hier ausnahmsweise ohne Deppenapostroph geschrieben), Kochsendungen und anderen Unfug mehr. Beckmann und Kerner genügten nicht, ein schleimiger Lanz mußte noch her! Und dann diese unsäglichen Morgenmagazine! Oder n-tv! Beim Himmel, wir haben den Weltuntergang bereits hinter uns! Von einem Verfall oder Zerfall der Kultur kann gar keine Rede mehr sein.

Gruß von Leila*
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Kramer
postvisuell



Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#1326733) Verfasst am: 11.07.2009, 13:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin mir sicher, dass wir hier schon einen Thread haben, in dem es um den Qualitätsverfall des Fernsehprogrammes geht. Bitte suchen und dort weiter diskutieren.
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El Ali
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Anmeldungsdatum: 06.05.2009
Beiträge: 215

Beitrag(#1326735) Verfasst am: 11.07.2009, 13:55    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Ich bin mir sicher, dass wir hier schon einen Thread haben, in dem es um den Qualitätsverfall des Fernsehprogrammes geht. Bitte suchen und dort weiter diskutieren.

Ich bin hier, im Gegensatz zu Dir, kein Einheimischer, sondern eine Verirrte und Verwirrte. Ich stelle deshalb die automatische Benachrichtigung zu diesem Thema ab.

Mit einem freundlichen Gruß

Leila* Smilie
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AXO
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Anmeldungsdatum: 05.02.2007
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Wohnort: Thüringen

Beitrag(#1326775) Verfasst am: 11.07.2009, 16:04    Titel: Antworten mit Zitat

El Ali hat folgendes geschrieben:
Beim Himmel, wir haben den Weltuntergang bereits hinter uns!


Ja - das vermute ich auch.
Aber besser hinter uns als vor uns zwinkern
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Augen auf dann kann nichts passieren
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Raphael
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 01.02.2004
Beiträge: 8362

Beitrag(#1326781) Verfasst am: 11.07.2009, 16:41    Titel: Antworten mit Zitat

Die spannendste Frage ist für mich: Wenn Europa von der Antike nicht ins finstere Mittelalter abgestürzt wäre - wo stünden wir heute? Wären viele Entdeckungen und Erfindungen, viele kulturelle, wissenschaftliche, technologische Leistungen viel früher gemacht worden? Ein müßiger Gedanke, zugegeben, aber doch reizvoll.
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AXO
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Anmeldungsdatum: 05.02.2007
Beiträge: 10124
Wohnort: Thüringen

Beitrag(#1326806) Verfasst am: 11.07.2009, 18:12    Titel: Antworten mit Zitat

Raphael hat folgendes geschrieben:
...aber doch reizvoll.


Ja find ich auch - auch in Bezug auf eine gesellschaftliche Entwicklung
ohne die schwarz/weiß Denke - alles in entweder gut oder schlecht kategorisieren zu "müssen",
welche der Monotheismus m.E. mit sich gebracht hat.
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evohum
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Beitrag(#1326944) Verfasst am: 12.07.2009, 03:44    Titel: Re: Der Untergang der antiken Kultur und seine Ursachen Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
... Der Vortrag vom Historiker Rolf Bergmeier bei der 39. Postmatinee im Haus am See (Giordano Bruno Stiftung) ist da eine Ausnahme. ...

Danke, Frank, für das Einstellen der Links.

Der Vortrag (war dabei, wir schwatzten am nächsten Morgen im Hotel darüber) war wirklich außergewöhnlich gut und erhellend!

In der Nacht darauf hatte ich bereits den Link von Robbe P. (http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCcherverluste_in_der_Sp%C3%A4tantike) gefunden und mich darin (und in Querverweisen) sattgelesen.
Der Artikel ist in der Tat "exzellent" und ebenso erhellend, allein schon wegen:
Zitat:
Der Bruch im Bestand antiker Titel ist daher erheblich und könnte in der Größenordnung von eins zu 1000 liegen. Nach dieser Rechnung hätten sogar nur 0,1 % oder nur einer von 1000 Titeln überlebt.

Dies ist offenbar (noch) nicht öffentliche Kenntnis.

Ich schätze fast (siehe Textübereinstimmungen), dass Bergmeier diesen Artikel mit verfasst hat...

evohum grüßt!
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"Jesus ist gekommen, um uns zu sagen, dass er uns alle im Paradies haben will und dass die Hölle, von der man in unserer Zeit so wenig spricht, existiert und ewig ist für jene, die ihre Augen vor seiner Liebe verschließen." Papst Benedikt XVI, 26.03.2007

Das Grundgesetz verbürgt die Religionsfreiheit, das 1. Gebot verurteilt sie.

Glaubst Du noch oder denkst Du schon?

...und sie bewegt sich doch!
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Frank
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Beitrag(#1327364) Verfasst am: 12.07.2009, 19:17    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
Für die antike Zeit habe ich von einer Schätzung gehört, daß etwa zehn Prozent der Menschen lesen und schreiben konnten, also nicht unbedingt die "Mehrheit". Allerdings sei auch das ein Wert, der erst wieder im 18.Jahrhundert erreicht worden sei.


Bergmeier hat seine Aussagen in diesem speziellen Punkt in der auf dem Vortrag folgenden Diskussion etwas relativiert und konkretisiert. Ich werde die Diskussion zum Vortrag vielleicht auch noch bei Youtube einstellen.
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Frank
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Beitrag(#1327381) Verfasst am: 12.07.2009, 19:36    Titel: Antworten mit Zitat

Raphael hat folgendes geschrieben:
Die spannendste Frage ist für mich: Wenn Europa von der Antike nicht ins finstere Mittelalter abgestürzt wäre - wo stünden wir heute? Wären viele Entdeckungen und Erfindungen, viele kulturelle, wissenschaftliche, technologische Leistungen viel früher gemacht worden? Ein müßiger Gedanke, zugegeben, aber doch reizvoll.


Die monotheistischen Religionen (nicht nur das Christentum) haben die Menschheit tatsächlich in Technik und Wissenschaft zurückgeworfen bzw. gelähmt. Am deutlichsten sieht man das im islamischen Kulturkreis. Was ist aus den einst kulturell führenden Regionen im Mittelmeerraum geworden. Das finstere Mittelalter wurde erst durch die Aufklärung beendet. Der Protestantismus hat sich als einziger Ableger des Monotheismus als halbwegs kompatibel und (aus technologisch und wissenschaftlicher Sicht) erfolgreich erwiesen. Seine Symbiose mit dem Kapitalismus angelsächsischer Prägung war ein Erfolgsmodell. Nun, mit dem Erstarken des Kreationismus und den fortschrittlichen Evangelikalen ist diese Phase am Ende angelangt.

Eine generelle Frage stellt sich mir: Hat das Christentum irgend etwas positives zur Menschheitsgeschichte beigetragen? Man verschone mich bei der Beantwortung dieser Frage mit den angeblich "christlichen" Werten oder wohltätigen Organisatoren. Letztere gab es bei den Nazis auch.
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Marcellinus
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Beitrag(#1327416) Verfasst am: 12.07.2009, 20:03    Titel: Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
Eine generelle Frage stellt sich mir: Hat das Christentum irgend etwas positives zur Menschheitsgeschichte beigetragen? Man verschone mich bei der Beantwortung dieser Frage mit den angeblich "christlichen" Werten oder wohltätigen Organisatoren. Letztere gab es bei den Nazis auch.

Das ist immer nur relativ, da es ja meist nur der Wiederaufstieg war, nachdem das Christentum vorher am Abstieg nicht unerheblich beteiligt war.

Aber es fallen einem natürlich die Klöster ein, in denen Methoden der Landwirtschaft und Fischwirtschaft wieder entstanden, ja auch das Bierbrauen. Die Klöster haben Land urbar gemacht, waren ein wesentlicher Faktor der Binnenkolonisierung. Bis ins 15. Jh. war Deutschland von Urwäldern bedeckt. Das wird manchmal vergessen. Die Klöster haben auch die Schriftkultur aufbewahrt und sie waren wie die Kirche allgemein auch ein Ort, an dem gesellschaftlicher Aufstieg über Standesgrenzen hinweg möglich war. In der Kirche entstand auch soetwas wie ein moderner Verwaltungs- und Justizapparat. Wohlgemerkt, alles Leistungen, die es in der Antike schon gab, die aber verloren gegangen waren, bzw. auch mutwillig zerstört wurden.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Sanne
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Beitrag(#1327431) Verfasst am: 12.07.2009, 20:11    Titel: Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
[
Eine generelle Frage stellt sich mir: Hat das Christentum irgend etwas positives zur Menschheitsgeschichte beigetragen? Man verschone mich bei der Beantwortung dieser Frage mit den angeblich "christlichen" Werten oder wohltätigen Organisatoren. Letztere gab es bei den Nazis auch.


Das Christentum hat genau wie alle anderen "großen" Kulturen Eroberungskriege und Völkerwanderungen, Baudenkmäler und Kunstgegenstände, Dichtung und Musik hinterlassen, und dabei viele andere Kulturen verdrängt und/ oder ausglöscht.
Dafür gebührt dem Christentum einer der Ehrenplätze in der Menschheitsgeschichte.

(Welche der Hinterlassenschaften "positiv" ist, ist auch irgendwie Geschmackssache.Ob der griechische Tempel aus dem Bergmeier-Vortrag zu seinen Glanzzeiten wirklich schöner war als eine gotische Kathedrale?)
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Critic
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Beitrag(#1327604) Verfasst am: 13.07.2009, 00:55    Titel: Antworten mit Zitat

Sanne hat folgendes geschrieben:
Frank hat folgendes geschrieben:
[
Eine generelle Frage stellt sich mir: Hat das Christentum irgend etwas positives zur Menschheitsgeschichte beigetragen? Man verschone mich bei der Beantwortung dieser Frage mit den angeblich "christlichen" Werten oder wohltätigen Organisatoren. Letztere gab es bei den Nazis auch.


Das Christentum hat genau wie alle anderen "großen" Kulturen Eroberungskriege und Völkerwanderungen, Baudenkmäler und Kunstgegenstände, Dichtung und Musik hinterlassen, und dabei viele andere Kulturen verdrängt und/ oder ausglöscht.
Dafür gebührt dem Christentum einer der Ehrenplätze in der Menschheitsgeschichte.

(Welche der Hinterlassenschaften "positiv" ist, ist auch irgendwie Geschmackssache.Ob der griechische Tempel aus dem Bergmeier-Vortrag zu seinen Glanzzeiten wirklich schöner war als eine gotische Kathedrale?)


Manche Dinge wurden auch im Mittelalter aus der Antike übernommen. Die waren dann aber gleich so absolut, daß man sie nicht antastete: Universitäten gibt es freilich erst wieder nach dem "finsteren Mittelalter". (Aber schon am Anfang stehen eigentlich Größen wie Abaelard, der zumindest von der Methode her ja schon "vernünftig" ist (wenn auch die Quellen, aus denen Aussagen über die Welt gewonnen werden, zu hanebüchenen Aussagen führen)). Und man studiert ja auch nicht bloß Theologie, sondern in erster Linie die sieben "artes liberales" (Grammatik, Arithmetik etc.), die schon in der Antike bekannt sind. Freilich z.B. die Astronomie mit der Astrologie vermischt und natürlich das ptolemäische Weltbild. Und werden diese erst Jahrhunderte später weiterentwickelt, die Lehre ist weitgehend dogmatisiert - unterrichtet man in Europa noch im 16.Jahrhundert Medizin nach den Büchern des Galen, der im 2.Jahrhundert gelebt hatte, und lehnt das medizinische Wissen der arabischen Welt lange ab -, Neuerungen setzen sich nur sehr langsam und unter großem Entgegenhalten der Kirche durch, die weitgehenden Einfluß hat.

Aber auch beim Übergang zur Neuzeit gibt es ja Zusammenbrüche: Das Ende der mittelalterlichen Gesellschaft wird wohl mit dem "Schwarzen Tod" eingeleitet, dazu kommen Klimaveränderungen, die zum Teil zu massiven Hungersnöten führten -- der Ernährungsstand und die Lebenserwartung um 1600 waren deutlich geringer als dreihundert Jahre früher.

Ansonsten verändern sich auch die Schönheitsideale. Gotische Kathedralen sind nach mathematischen Prinzipien konstruiert, wie auch beispielsweise die Musik, die in ihnen erklang. Und wir sehen die Bauten heute auch nicht mehr wie früher. Griechische Statuen waren in der Antike zum Beispiel lebensecht bis bunt bemalt, und im Mittelalter auch viele Kirchenfassaden. In späterer Zeit hat man dann die Farbe abgetragen.
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