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Das neuronale Korrelat des Bewusstseins
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3462

Beitrag(#1570957) Verfasst am: 14.11.2010, 02:25    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Ich bleibe ein agnostischer Zauderer solange, bis ich keine schlagkräftigen Argumente dafür habe, diesen Standpunkt aufzugeben. Reine Appelle anderer sind mir da völlig gleichgültig, ich bin nun mal ein Argument-Faschist, da führt für mich kein Weg dran vorbei, ich kann gar nicht anders.


Wie gesagt, die Philosophen führen in der Regel Gründe für ihre Annahmen ins Feld. Ob das gute oder schlechte Gründe sind, musst du für dich selbst beantworten.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Und abgesehen davon halte ich es einfach aus pragmatischen Gründen für sinnvoll, mich nicht zu weit aus dem Fester zu lehnen. Sonst muss ich lang und breit darüber diskutieren, dass ich das getan habe, obgleich ich das nicht begründen kann. Und außerdem kann ich dann keinem anderen mehr sagen: 'damit hast Du Dich zu weit aus Fenster gelehnt, begründe das, wenn Du Geltung beanspruchen willst'.
'Aus dem Fenster lehnen' is' einfach nich'. Zumindest nicht bezüglich Postulaten über die Realität. Die haut mir doch jeder (mE auch völlig berechtigt) sofort um die Ohren, (falls ich Geltung dafür beanspruche).


"The Fundamental Ontological Tradeoff:

Metaphysics, like life, is full of tradeoffs, cost-benefit analyses, the attempt to simultaneously satisfy competing constraints. In ontology we must frequently weigh tradeoffs between various desiderata, e.g., between simplicity and comprehensiveness, and even between different kinds of simplicity. But one tradeoff is so pervasive that it deserves a name, and I will call it the fundamental ontological tradeoff. The fundamental ontological tradeoff reflects the perennial tension between explanatory power and epistemic risk, between a rich, lavish ontology that promises to explain a great deal and a more modest ontology that promises epistemological security. The more machinery we postulate, the more we might hope to explain — but the harder it is to believe in the existence of all the machinery.

The dialectic between a realism with chutzpah and a diffident empiricism runs all through philosophy, from ethics to philosophy of science to philosophy of mathematics to metaphysics. Excessive versions of each view are usually unappealing. Extreme realists ask us to believe in things many philosophers find it difficult to believe in; extreme empiricists wind up unable to explain much of anything. But the dialectic between power and risk remains even when we move in from the extremes. It often manifests itself in a yearning for parsimony, a desire for as few entities as we can scrimp by with. Such longings may seem prudish or stuffy or a bit too metaphysically correct. Often the desire is not to achieve parsimony for its own sake, however, but to find an ontology that is modest enough to provide a measure of epistemological security. Choices needn't be all or none, and a principled middle ground is always worth striving for. But no matter where a philosopher tries to stake her claim, the fundamental ontological tradeoff can rarely be avoided and we will encounter it frequently in what follows."


(Chris Swoyer: http://plato.stanford.edu/entries/properties)

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Aber das ist nun mal was anderes als die Behauptung, in jeder möglichen Welt müsse Mentales über Physischem supervenieren. Wenn diese Behauptung sinnvoll ist, dann muss sie begründet werden.


Wie ich bereits in einem nachträglichen Beitrag richtiggestellt habe, vertritt die Mehrheit der Physikalisten den Supervenienz-Physikalismus nur als eine kontingente These, d.h. als eine These, die sie für wahr in der wirklichen Welt halten, aber nicht für wahr in allen möglichen Welten.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Kann sie nicht begründet / plausibel gemacht werden, dann kann ich sie ohne die Angabe von Gründen einfach so ablehnen. Das ist doch wohl selbstverständlich. Ansonsten müsste ich im Gegenzuge notwendigerweise jede unbegründetete, (und unbegründbare), Behauptung gelten lassen. Und das will ich nicht.


Kein seriöser Philosoph verlangt von dir, dass du ihm seine Behauptungen einfach so abkaufst.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Naja, aber wenn Du einen Begriff verwendest, dann musst Du erst mal erklären können, was Du eigentlich damit meinst. Mir erscheint der sinnlos, ja, aber daraus folgt nun notwendigerweise, dass ich gar nicht verstehe, was Du eigentlich meinst.


Tja, man kann das mögliche Dasein von reinen Geistern oder reinen Seelen a priori mit der Begründung verneinen, dass der Begriff eines reines Geistes oder einer reinen Seele widersinnig und unverständlich erscheine.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Frage: wieviele Dimensionen haben Ideen, Bedeutungen, Begriffe, Theorien, Postulate? Besetzen die einen Punkt der Raumzeit? Befinden die sich irgendwo?


Kann ein Physikalist Abstraktist bzw. Platonist sein, d.h. an die reale Existenz abstrakter, d.i. raumzeitlich unverorteter Sachen glauben? Wohl kaum! (Auch ein Naturalist sollte deren Existenz anzweifeln.)

P.S.: Substanzen sind per definitionem konkrete, nichtabstrakte Objekte!
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3462

Beitrag(#1570958) Verfasst am: 14.11.2010, 02:30    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Aber das ist so nur noch eine nutzlose Tautologie.


Keineswegs!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Seien A und B mögliche Welten. Wenn in A und B die gleichen physikalischen Tatsachen herrschen und nichts sonst, dann herrschen in A und B insgesamt die gleichen Tatsachen.


Der Zusatz "und nichts sonst" ist falsch, denn in A und B können durchaus nichtphysikalische Tatsachen herrschen - nur nicht solche, die Geister oder Seelen betreffen.

P.S.: Höchst problematisch - um nicht zu sagen: inakzeptabel – sind aus physikalistischer Sicht auch solche nichtphysikalischen Tatsachen, die abstrakte Objekte betreffen. Wenn solche Tatsachen Teil der Wirklicheit wären, dann wäre der Physikalismus falsch.
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1570963) Verfasst am: 14.11.2010, 03:20    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Wie gesagt, die Philosophen führen in der Regel Gründe für ihre Annahmen ins Feld. Ob das gute oder schlechte Gründe sind, musst du für dich selbst beantworten.

[Zitat]

Um eines mal klarzustellen, (-> Metadiskussion): ich wettere keineswegs gegen Philosophie, ich bin völlig jenseits derjenigen Position, die Philosophie für nutzlose Schwadroniererei hält und einzig die Naturwissenschaft für berechtigt, Aussagen über die Realität oder sonstwas zu treffen.

Darin haben wir garantiert keinen Dissens. Auch nicht bezüglich Metaphysik. Wenn ich bestimmte Aspekte der Metaphysik ablehne, heißt das ja noch lange nicht, dass ich Metaphysik per se ablehne.

Der Punkt ist lediglich: ich will die Argumente auch sehen, es reicht mir nicht, wenn jemand nur behauptet, es gäbe die. Das ist dann nur das Argument der Berufung auf Autoritäten, das ich aber leider nicht gelten lassen kann.

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Naja, aber wenn Du einen Begriff verwendest, dann musst Du erst mal erklären können, was Du eigentlich damit meinst. Mir erscheint der sinnlos, ja, aber daraus folgt nun notwendigerweise, dass ich gar nicht verstehe, was Du eigentlich meinst.

Tja, man kann das mögliche Dasein von reinen Geistern oder reinen Seelen a priori mit der Begründung verneinen, dass der Begriff eines reines Geistes oder einer reinen Seele widersinnig und unverständlich erscheine.

Naja, aber leider ist es nun mal so, dass mir das unverständlich erscheint.

Was ja noch lange nicht heißt, dass es begründetermaßen auch unverständlich ist.

Nur, weil da eben dieses mein Unverständnis ist, kann ich auch nicht alles Weitere, das, was darauf aufbaut, z.B. die Definition eines echten Physikalisten nachvollziehen.

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Frage: wieviele Dimensionen haben Ideen, Bedeutungen, Begriffe, Theorien, Postulate? Besetzen die einen Punkt der Raumzeit? Befinden die sich irgendwo?

Kann ein Physikalist Abstraktist bzw. Platonist sein, d.h. an die reale Existenz abstrakter, d.i. raumzeitlich unverorteter Sachen glauben? Wohl kaum! (Auch ein Naturalist sollte deren Existenz anzweifeln.)

P.S.: Substanzen sind per definitionem konkrete, nichtabstrakte Objekte!

Nein, nein, das kommt mir jetzt merkwürdig vor, da stimmt was nicht und auf diesen Widerspruch wollte ich auch mit meiner Frage hinaus.

Spulen wir dazu ein bisschen zurück.

Ich fragte:

"Gibt es einen prinzipiellen Unterschied zwischen 'immateriellen / spirituellen Substanzen' und 'physikalischen Substanzen'? Welcher aber ist das?"

Du sagtest darauf:

"Erstere sind 0-dimensionale Entitäten, wohingegen Letztere 3- bzw. 4-dimensionale Entitäten sind. Hinzu kommt, dass Erstere (zumindest im Descartes'schen Sinne) auch keinen Ort der Raumzeit besetzen, d.h. sich buchstäblich nirgendwo befinden."

Wenn Substanzen per definitionem konkrete, nichtabstrakte Objekte sind, die in der Raumzeit verortet werden können, dann bedeutet das doch wohl unweigerlich, dass "immaterielle / spirituelle Substanzen" per definitionem keine Substanzen sein können.


Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 14.11.2010, 03:48, insgesamt einmal bearbeitet
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1570969) Verfasst am: 14.11.2010, 03:48    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Aber das ist so nur noch eine nutzlose Tautologie.

Keineswegs!

Doch, ich meine schon.

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Seien A und B mögliche Welten. Wenn in A und B die gleichen physikalischen Tatsachen herrschen und nichts sonst, dann herrschen in A und B insgesamt die gleichen Tatsachen.

Der Zusatz "und nichts sonst" ist falsch, denn in A und B können durchaus nichtphysikalische Tatsachen herrschen - nur nicht solche, die Geister oder Seelen betreffen.

Spulen wir auch hier ein bisschen zurück. Du sagtest:

Myron hat folgendes geschrieben:
Der (ontologische) Supervenienz-Physikalismus ist genau dann wahr in der wirklichen Welt @, wenn in allen möglichen Welten w, in denen die gleichen physikalischen Tatsachen herrschen wie in @ und die keine nichtphysischen Substanzen (Objekte oder Materialien) enthalten, insgesamt die gleichen Tatsachen herrschen wie in @.

Ich sagte darauf: das ist eine Tautologie, weil nämlich so wie:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Seien A und B mögliche Welten. Wenn in A und B die gleichen physikalischen Tatsachen herrschen und nichts sonst, dann herrschen in A und B insgesamt die gleichen Tatsachen.


Nun sagst Du, es käme auf Geister oder Seelen an. Aber, ganz egal, was man darunter versteht: das stimmt nicht. Es sei denn, nichtphysikalische Substanzen könnten nur Seelen und Geister sein.

Aber dann wäre meine verkürzte Darstellung korrekt.

Nehmen wir nun mal an, 'nichtphysikalische Substanzen' könnten auch was anderes als 'Seelen' und 'Geister' sein, (ist hier egal, dass wir all das nicht definieren, nicht näher spezifizieren, das spielt keine Rolle für die Argumentation).

Nehmen wir nun wieder die Welten A und B. In beiden herrschen die gleichen physikalischen Tatsachen (was auch immer das ist, ganz egal) und in beiden gäbe es es keine 'Seelen' und keine 'Geister' (wie gesagt, auch egal, was das sein soll). Aber beide Welten unterschieden sich nun darin, dass es in A keine 'nichtphysikalischen Tatsachen' gibt, jedoch in B gibt es 'nichtphysikalische Tatsachen', (die aber weder 'Geister' noch 'Seelen' sind).

Aus welchem mir völlig unerfindlichen Grunde sollte ich nun glauben, dass in A und B insgesamt die gleichen Tatsachen herrschen? Woraus folgt das? Das erscheint mir jenseits jeder Plausibilität, da sehe ich keine logische Schlussfolgerung.

Myron hat folgendes geschrieben:
P.S.: Höchst problematisch - um nicht zu sagen: inakzeptabel – sind aus physikalistischer Sicht auch solche nichtphysikalischen Tatsachen, die abstrakte Objekte betreffen. Wenn solche Tatsachen Teil der Wirklicheit wären, dann wäre der Physikalismus falsch.

Hm. Aber was ist 'Teil der Wirklichkeit' und was nicht? Ist das nicht letztlich eine Definitions- und somit eine Geschmacksfrage?
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3462

Beitrag(#1570970) Verfasst am: 14.11.2010, 04:33    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:

Es geht um ontologische Fundamentalität bzw. Priorität, und die stellt freilich ein asymmetrisches Abhängigkeitsverhältnis dar.

Ja, eben.
Wie wird das begründet?


Hier kann sich der Physikalist auf die naturwissenschaftlichen (evolutionsbiologischen, psychologischen, neurologischen) Erkenntnisse berufen, die eindeutig dafür sprechen, dass das Psychische bezüglich seines Seins und Werdens vom Physischen abhängig und abgeleitet ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Wieso wird ein System einseitig durch seine Bestandteile bestimmt, wieso kann ein System nicht auf seine Bestandteile zurückwirken?


Weil ein System mit seinen Elementen und all deren Relationen identisch ist, sodass es nur eine ontologische Ebene kausaler Interaktion gibt: die Ebene der Elemente, die allein schon deshalb fundamental ist, weil sie die einzige ihrer Art ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Na gut, dann bin ich eben 'naturalistischer Panpsychist'. Ist mir auch recht.
Hoffentlich aber bedeutet das nicht, dass ich glauben müsse, dass z.B. Steine auch eine Psyche haben. Denn das glaube ich nicht.


Doch, ein Panpsychist nimmt an, dass allen konkreten Dingen psychische Eigenschaften innewohnen. Die Psyche eines Steines mag noch so primitiv sein, aber sie existiert.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Was bedeutet 'modale Stärke'?


Es geht um den Unterschied zwischen Sachverhalten, die in allen möglichen Welten bestehen, und Sachverhalten, die nur in einer Teilmenge der Menge aller möglichen Welten bestehen, z.B. in derjenigen Teilmenge von Welten, in denen die gleichen Naturgesetze herrschen wie in der wirklichen Welt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Und wie stellt man einen Unterschied in der 'modalen Stärke' fest?


Nicht durch Beobachtungen oder Experimente.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Und was ist die philosophische Begründung für ontologische Fundamentalität von Mentalem oder Physischem?


Ich kann mir leicht eine Welt vorstellen, in der nichts psychische Eigenschaften hat, aber keine, in der nichts physische Eigenschaften hat. Und es ist mir völlig unbegreiflich, wie das Physische aus dem Psychischen hätte entstehen können.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3462

Beitrag(#1570974) Verfasst am: 14.11.2010, 06:56    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Der Punkt ist lediglich: ich will die Argumente auch sehen, es reicht mir nicht, wenn jemand nur behauptet, es gäbe die. Das ist dann nur das Argument der Berufung auf Autoritäten, das ich aber leider nicht gelten lassen kann.


Du kannst jederzeit die einschlägige Literatur lesen!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Ich fragte:

"Gibt es einen prinzipiellen Unterschied zwischen 'immateriellen / spirituellen Substanzen' und 'physikalischen Substanzen'? Welcher aber ist das?"

Du sagtest darauf:

"Erstere sind 0-dimensionale Entitäten, wohingegen Letztere 3- bzw. 4-dimensionale Entitäten sind. Hinzu kommt, dass Erstere (zumindest im Descartes'schen Sinne) auch keinen Ort der Raumzeit besetzen, d.h. sich buchstäblich nirgendwo befinden."

Wenn Substanzen per definitionem konkrete, nichtabstrakte Objekte sind, die in der Raumzeit verortet werden können, dann bedeutet das doch wohl unweigerlich, dass "immaterielle / spirituelle Substanzen" per definitionem keine Substanzen sein können.


Nach Descartes befinden sich immaterielle Substanzen an keinem Punkt der Raumes bzw. der Raumzeit, was nicht heißt, dass ein Substanzdualist nicht entgegen Descartes behaupten könnte, dass sie es doch tun. Wenn man aber zwischen immanenten (innerräumlichen/innerraumzeitlichen) und transzendenten (außerräumlichen/außerraumzeitlichen) immateriellen Substanzen unterscheidet, dann ist die räumliche/raumzeitliche Verortung in der Tat kein wesentliches Merkmal des Substanzbegriffs. Eine Substanz ist entsprechend dann immateriell, wenn sie ein 0-dimensionales konkretes Objekt mit psychischen Eigenschaften, aber ohne intrinsische physische Eigenschaften ist.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3462

Beitrag(#1570975) Verfasst am: 14.11.2010, 07:54    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Nun sagst Du, es käme auf Geister oder Seelen an. Aber, ganz egal, was man darunter versteht: das stimmt nicht. Es sei denn, nichtphysikalische Substanzen könnten nur Seelen und Geister sein.


Was anderes kommt dafür nicht infrage. Denn abstrakte Objekte sind zwar ebenfalls nichtphysischer Natur, aber eben keine Substanzen, die per definitionem konkreter Natur sind.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Nehmen wir nun mal an, 'nichtphysikalische Substanzen' könnten auch was anderes als 'Seelen' und 'Geister' sein, (ist hier egal, dass wir all das nicht definieren, nicht näher spezifizieren, das spielt keine Rolle für die Argumentation).

Nehmen wir nun wieder die Welten A und B. In beiden herrschen die gleichen physikalischen Tatsachen (was auch immer das ist, ganz egal) und in beiden gäbe es es keine 'Seelen' und keine 'Geister' (wie gesagt, auch egal, was das sein soll). Aber beide Welten unterschieden sich nun darin, dass es in A keine 'nichtphysikalischen Tatsachen' gibt, jedoch in B gibt es 'nichtphysikalische Tatsachen', (die aber weder 'Geister' noch 'Seelen' sind).

Aus welchem mir völlig unerfindlichen Grunde sollte ich nun glauben, dass in A und B insgesamt die gleichen Tatsachen herrschen? Woraus folgt das? Das erscheint mir jenseits jeder Plausibilität, da sehe ich keine logische Schlussfolgerung.


Wenn A und B zwei geisterlose und physisch gleiche Welten sind, dann sind A und B dem Supervenienz-Physikalismus nach nicht nur physisch gleich, sondern vollkommen gleich, d.h. sowohl in physikalischer als auch in nichtphysikalischer (chemischer, biologischer, psychologischer und soziologischer) Hinsicht qualitativ identisch.
Leute wie David Chalmers bestreiten das: sie behaupten, dass es ontologisch möglich ist, dass A und B trotz physischer Gleichheit in nichtphysikalischer Hinsicht ungleich sind. Das bekannteste Argument dafür ist das Zombie-Argument, dem zufolge es ontologisch möglich ist, dass sich zwei physisch gleiche Wesen psychisch darin unterscheiden, dass das eine bei Bewusstsein ist und das andere nicht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Hm. Aber was ist 'Teil der Wirklichkeit' und was nicht? Ist das nicht letztlich eine Definitions- und somit eine Geschmacksfrage?


Was wir für wirklich halten, ist unsere Entscheidung, aber nicht, was wirklich ist.


ANHANG:

Im Folgenden präsentiere ich die drei bekanntesten und einflussreichsten Definitionen des Materialismus/Physikalismus in der zeitgenössischen analytischen Philosophie.
(Da dabei der Fachbegriff "Supervenienz" eine maßgebliche Rolle spielt, verweise ich zunächst auf einen Artikel dazu: http://plato.stanford.edu/entries/supervenience)

1.)

"We can define a positive fact in W as one that holds in every world that contains W as a proper part; a positive property is one that if instantiated in a world W, is also instantiated by the corresponding individual in all worlds that contain W as a proper part." (p. 40)

"[W]e can formulate precisely the widely held doctrine of materialism (or physicalism), which is generally taken to hold that everything in the world is physical, or that there is nothing over and above the physical, or that the physical facts in a certain sense exhaust all the facts about the world. In our language, materialism is true if all the positive facts about the world are globally logically supervenient on the physical facts. This captures the intuitive notion that if materialism is true, then once God fixed the physical facts about the world, all the facts were fixed.
(Or at least, all the positive facts were fixed. The restriction to positive facts is needed to ensure that worlds with extra ectoplasmic facts do not count against materialism in our world. Negative existential facts such as 'There are no angels' are not strictly logically supervenient on the physical, but their nonsupervenience is quite compatible with materialism. In a sense, to fix the negative facts, God had to do more than fix the physical facts; he also had to declare, 'That's all.' If we wanted, we could add a second-order 'That's all' fact to the supervenience base in the definition of materialism, in which case the positive-fact constraint could be removed.)
According to this definition, materialism is true if all the positive facts about our world are entailed by the physical facts. That is, materialism is true if for any logically possible world W that is physically indiscernible from our world, all the positive facts true of our world are true of W. This is equivalent in turn to the thesis that any world that is physically indiscernible from our world contains a copy of our world as a (proper or improper) part, which seems an intuitively correct definition."
(p. 41+)
———
"Wir können eine positive Tatsache in Welt W als eine definieren, die in jeder Welt besteht, die W als einen echten Teil enthält. Eine positive Eigenschaft ist eine, die, wenn sie in einer Welt W exemplifiziert ist, auch von dem entsprechenden Individuum in allen Welten exemplifiziert wird, die W als einen echten Teil enthalten."

"Wir können die von vielen vertretene Lehre des Materialismus (oder Physikalismus) präzise formulieren, welche allgemein als darin bestehend aufgefasst wird, dass alles in der Welt physisch sei, oder dass es nichts über das Physische hinaus gebe, oder dass die physischen Tatsachen in einem gewissen Sinne alle Tatsachen der Welt ausmachen. Mit unseren Worten ausgedrückt, der Materialismus ist wahr, wenn alle positiven Tatsachen der Welt im globalen logischen Sinne auf den physischen Tatsachen supervenieren. Dies gibt die intuitive Vorstellung wieder, dass wenn der Materialismus wahr ist, alle [positiven] Tatsachen festgelegt sind, sobald Gott die physischen Tatsachen der Welt festgelegt hat.
Dieser Definition gemäß ist der Materialismus wahr, wenn sich alle positiven Tatsachen unserer Welt (logisch) aus den physischen Tatsachen ergeben. Das heißt, der Materialismus ist wahr, wenn für jede logisch mögliche Welt W, die von unserer Welt physisch ununterscheidbar ist, gilt, dass alle in unserer Welt bestehenden positiven Tatsachen auch in W bestehen. Dies entspricht wiederum der These, dass jede von der unsrigen Welt physisch ununterscheidbare Welt eine Kopie [ein Duplikat] unserer Welt als einen (echten oder unechten) Teil enthält, was eine intuitiv richtige Definition zu sein scheint."

[© meine Übers.]

(Chalmers, David J. The Conscious Mind: In Search of a Fundamental Theory. New York: Oxford University Press, 1996.)

2.)

"Physicalism is not simply the doctrine that the world has lots of physical nature. That is not controversial: nearly everyone agrees, for instance, that objects have mass, charge, and density, and that there are gravitational and electrical force fields. The physicalists' distinctive doctrine is, as they variously say it, that the world is entirely physical in nature, that it is nothing but, or nothing over and above, the physical world, and that a full inventory of the instantiated physical properties and relations would be a full inventory simpliciter." (p. 9)

"[P]hysicalism's distinctive claim is that the physical nature of our world determines the nature of our world without remainder, and we address that question via theses that say, in one form or another, that variation in the nature of a world independently of variation in the physical nature of that world is impossible. And to address this kind of question, we need to look at supervenience theses expressed in terms of quantifications over worlds, rather than in terms of quantifications over individuals in worlds. We need, that is, to look at global supervenience theses." (p. 10)

"[P]hysicalism's claim is not that every world that is a physical duplicate of our world is a duplicate simpliciter of our world. Physicalists typically grant that there is a possible world physically exactly like ours but which contains as an addition a lot of mental life sustained in non-material stuff. Physicalism is rather the claim that if you duplicate our world in all physical respects and stop right there, you duplicate it in all respects; it says that

(B) Any world which is a minimal physical duplicate of our world is a duplicate simpliciter of our world

where a minimal physical duplicate is what you get if you 'stop right there'. (Writers of recipes and construction manuals typically rely on an intuitive understanding of an implicitly included 'stop' clause in their recipes; otherwise they would face the impossible task of listing all the things you should not do.) Thus, a minimal physical duplicate of our world is a world that (a) is exactly like our world in every physical respect (instantiated property for instantiated property, law for law, relation for relation), and (b) contains nothing else in the sense of nothing more by way of kinds of particulars than it must to satisfy (a). Clause (b) is a 'no gratuitous additions' or 'stop' clause."
(pp. 12-3)
———
"Der Physikalismus ist nicht einfach die Lehre, dass die Welt in vielerlei Hinsicht physisch beschaffen ist. Das ist unstrittig. Fast jeder stimmt beispielsweise zu, dass Objekte Masse, Ladung und Dichte besitzen, und dass es Schwerkraftfelder sowie elektrische Kraftfelder gibt. Die charakteristische Lehre der Physikalisten ist, dass die Welt ihrem Wesen nach gänzlich physisch beschaffen ist, dass sie nichts als oder nichts über die physische Welt hinaus ist, und dass eine vollständige Bestandsliste der exemplifizierten physischen Eigenschaften und Beziehungen eine vollständige Bestandsliste schlechthin ist."

"Die charakteristische Behauptung des Physikalismus ist, dass die physische Beschaffenheit unserer Welt die Beschaffenheit der Welt restlos bestimmt; und wir gehen diese Sache über Thesen an, die in der einen oder anderen Form besagen, dass von Veränderungen der physischen Beschaffenheit der Welt unabhängige Veränderungen der Beschaffenheit der Welt unmöglich sind. Und um diesen Punkt aufzugreifen, müssen wir den Blick auf Supervenienz-Thesen richten, in denen über Welten quantifiziert wird und nicht über Individuen in Welten. Das heißt, wie müssen uns globalen Supervenienz-Thesen zuwenden."

"Die Behauptung des Physikalismus besteht nicht darin, dass jedes physische Duplikat unserer Welt schlechthin ein Duplikat unserer Welt ist. Die Physikalisten gestehen typischerweise zu, dass es eine mögliche Welt gibt, die der unsrigen physisch vollkommen gleicht, aber zusätzlich eine Menge geistiges Leben enthält, das in nichtmateriellem Zeug west. Der Physikalismus besteht vielmehr in der Behauptung, dass wenn man unsere Welt in jeder physischen Hinsicht dupliziert und es dabei belässt, man sie in jeder Hinsicht dupliziert. Er sagt:

(B) Jede Welt, die ein minimales physisches Duplikat unserer Welt ist, ist ein Duplikat unserer Welt schlechthin.

Dabei ist ein minimales physisches Duplikat dasjenige, das man erhält, wenn man 'es dabei belässt'.
(Die Verfasser von Rezepten und Bauanleitungen verlassen sich auf ein intuitives Erfassen dessen, dass ihre Rezepte implizit eine 'Stop'-Klausel beinhalten. Ansonsten stünden sie vor der unmöglichen Aufgabe, all dasjenige aufzulisten, das nicht getan werden soll.)
Ein minimales physisches Duplikat unserer Welt ist also eine Welt, die (a) unserer Welt in jeder physischen Hinsicht vollkommen gleicht (exemplifizierte Eigenschaft für exemplifizierte Eigenschaft, Gesetz für Gesetz, Beziehung für Beziehung), und (b) nichts anderes enthält, d.h. nichts weiter als diejenigen Arten und Einzeldinge, die sie enthalten muss, um (a) zu erfüllen. Satz (b) ist eine 'Keine unnötigen Zusätze'- oder 'Stop'-Klausel."

[© meine Übers.]

(Jackson, Frank. From Metaphysics to Ethics: A Defence of Conceptual Analysis. Oxford: Oxford University Press, 1998.)

3.)

"Let us say that a property is alien to a world iff (1) it is not instantiated by any inhabitant of that world, and (2) it is not analysable as a conjunction of, or as a structural property constructed out of, natural properties all of which are instantiated by inhabitants of that world. (...)

Now we can proceed at last to formulate Materialism as a restricted and contingent supervenience thesis:
Among worlds where no natural properties alien to our world are instantiated, no two differ without differing physically; any two such worlds that are exactly alike physically are duplicates."
(p. 37)
———
"Sagen wir, dass eine Eigenschaft einer Welt genau dann fremd ist, wenn (1) sie von keinem Bewohner dieser Welt exemplifiziert wird, und (2) sie nicht als eine Konjunktion natürlicher Eigenschaften, die alle von Bewohnern dieser Welt exemplifiziert werden, oder als eine aus solchen konstruierte strukturelle Eigenschaft analysierbar ist. (...)

Nun können wir den letzten Schritt machen und den Materialismus als eine eingeschränkte und kontingente Supervenienz-These formulieren:
Unter Welten, worin keine natürlichen Eigenschaften exemplifiziert sind, die unserer Welt fremd sind, unterscheiden sich keine zwei, ohne sich physisch zu unterscheiden; zwei beliebige solche Welten, die sich physisch vollkommen gleichen, sind Duplikate."

[© meine Übers.]

(Lewis, David. "New Work for a Theory of Universals." In: David Lewis, Papers in Metaphysics and Epistemology, 8-55. Cambridge: Cambridge University Press, 1999.)
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1571304) Verfasst am: 14.11.2010, 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wieso wird ein System einseitig durch seine Bestandteile bestimmt, wieso kann ein System nicht auf seine Bestandteile zurückwirken?

Weil ein System mit seinen Elementen und all deren Relationen identisch ist, sodass es nur eine ontologische Ebene kausaler Interaktion gibt: die Ebene der Elemente, die allein schon deshalb fundamental ist, weil sie die einzige ihrer Art ist.

Hm, das trifft irgendwie nicht meinen Punkt.

Vielleicht mal so gesagt: es gibt mE Gesetze und Eigenschaften auf Systemebene, (bei hinreichend komplexen Systemen), die nicht auf dessen Bestandteile zurückgeführt werden können, sich nicht aus diesen, wenn die einzeln betrachtet werden, ergeben und daher auch nicht aus denen abgeleitet werden können. Nicht a priori.

Es ist zwar natürlich richtig, dass es das System als solches gar nicht gäbe, wären seine Bestandteile nicht vorhanden, aber das bedeutet eben noch lange nicht, dass die Bestandteile das System bestimmen.

Die Bestandteile sind meinetwegen das ontologisch Grundlegende, aber das bedeutet nicht, dass die Systemebene etwas Nachrangiges, Untergeordnetes, Nebensächliches wäre und die Bestandteile das Eigentliche.

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nun sagst Du, es käme auf Geister oder Seelen an. Aber, ganz egal, was man darunter versteht: das stimmt nicht. Es sei denn, nichtphysikalische Substanzen könnten nur Seelen und Geister sein.

Was anderes kommt dafür nicht infrage. Denn abstrakte Objekte sind zwar ebenfalls nichtphysischer Natur, aber eben keine Substanzen, die per definitionem konkreter Natur sind.

Ach so, jetzt verstehe ich erst: Dein Katalog von Entitäten umfasst genau Folgendes (und nicht mehr): reale Objekte, abstrakte Objekte, Seelen und Geister. Das wusste ich nicht. Sorry.

Myron hat folgendes geschrieben:
Wenn A und B zwei geisterlose und physisch gleiche Welten sind, dann sind A und B dem Supervenienz-Physikalismus nach nicht nur physisch gleich, sondern vollkommen gleich, d.h. sowohl in physikalischer als auch in nichtphysikalischer (chemischer, biologischer, psychologischer und soziologischer) Hinsicht qualitativ identisch.

Leider habe ich oben nicht verstanden, was Du mit 'nichtphysikalisch' meintest. Okay, dann vergiß bitte alle meine bisherigen Einwände gegen Deine fettgedruckte Definition oben, die ziehe ich hiermit zurück.

Myron hat folgendes geschrieben:
ANHANG:

Im Folgenden präsentiere ich die drei bekanntesten und einflussreichsten Definitionen des Materialismus/Physikalismus in der zeitgenössischen analytischen Philosophie.

Vielen Dank erst mal für die Zitate und für Deine Übersetzungen.

Allerdings habe ich damit noch ein kleines Problem: meiner Ansicht nach beschreiben die nicht dasselbe. Nach der Definition von David Chalmers bin ich kein Physikalist, nach den beiden anderen wäre ich jedoch einer. Der Unterschied ist, dass Frank Jackson und David Lewis von physisch vollkommenen Duplikaten reden, David Chalmers aber nicht und das ist mE ein wesentlicher Unterschied.

Den beiden letzten Definitionen kann ich problemlos zustimmen, der von Chalmers aber nicht.

Und das liegt daran, dass sich meiner Ansicht nach kein logischer Widerspruch ergibt, wenn man in der aktualen Welt eine Identität von Physischem und Mentalem annimmt, das aber als kontingenten Fakt dieser Welt ansieht und nicht als einen in sich notwendigen Fakt, also einen Fakt, der in allen möglichen Welten gelten muss. So wie z.B. Gravitation auch ein kontingenter Fakt unserer Welt sein könnte.

Du sagtest oben, man könne einen Unterschied in der 'modalen Stärke' nicht durch Beobachtungen oder Experimente feststellen.

Mag sein oder nicht: aber man muss den begründen können. Man könnte es in diesem Falle durch eine Reduktion des Mentalen auf das Physische zeigen. Gelänge eine solche Reduktion, dann würde ich diese Notwendigkeit anerkennen.

Aber hat man keine Begründung für die Notwendigkeit, dann sollte man sie auch nicht postulieren.

Es ist was anderes, das in unserer Welt zu postulieren, man kann das hier als Schluss auf die beste Erklärung der beobachteten Gesetzmäßigkeiten ansehen, als bestes Modell, (oder zumindest das als am wenigsten schlechte).

Aber eine Notwendigkeit (das sei in allen möglichen Welten notwendigerweise so) folgt daraus nun mal nicht.
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Myron
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Beitrag(#1571493) Verfasst am: 15.11.2010, 04:57    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Vielleicht mal so gesagt: es gibt mE Gesetze und Eigenschaften auf Systemebene, (bei hinreichend komplexen Systemen), die nicht auf dessen Bestandteile zurückgeführt werden können, sich nicht aus diesen, wenn die einzeln betrachtet werden, ergeben und daher auch nicht aus denen abgeleitet werden können. Nicht a priori.


Es ist klar, dass bestimmte Systemeigenschaften keine Eigenschaften der einzelnen Elemente sind. Ich bezweifle nur, dass es Systemeigenschaften gibt, die nicht von den Eigenschaften, Beziehungen und Wechselwirkungen der Elemente (evolutionär) abgeleitet und abhängig sind. Das heißt, ich lehne den starken, ontologischen Emergenzbegriff ab. Ich habe nichts gegen den schwachen, epistemologischen Emergenzbegriff, bei dem es lediglich darum geht, dass man nicht a priori von der Kenntnis der Elemente und ihrer Eigenschaften auf die Eigenschaften eines von ihnen gebildeten Systems schließen kann.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Es ist zwar natürlich richtig, dass es das System als solches gar nicht gäbe, wären seine Bestandteile nicht vorhanden, aber das bedeutet eben noch lange nicht, dass die Bestandteile das System bestimmen.
Die Bestandteile sind meinetwegen das ontologisch Grundlegende, aber das bedeutet nicht, dass die Systemebene etwas Nachrangiges, Untergeordnetes, Nebensächliches wäre und die Bestandteile das Eigentliche.


Die Elemente + ihre Relationen + ihre Interaktionen sind das System.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Ach so, jetzt verstehe ich erst: Dein Katalog von Entitäten umfasst genau Folgendes (und nicht mehr): reale Objekte, abstrakte Objekte, Seelen und Geister. Das wusste ich nicht. Sorry.


Äh…, das habe ich so nicht gesagt und auch nicht gemeint. Ich habe einfach nur den Unterschied zwischen einigen ontologischen Kategorien erläutert.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Allerdings habe ich damit noch ein kleines Problem: meiner Ansicht nach beschreiben die nicht dasselbe. Nach der Definition von David Chalmers bin ich kein Physikalist, nach den beiden anderen wäre ich jedoch einer. Der Unterschied ist, dass Frank Jackson und David Lewis von physisch vollkommenen Duplikaten reden, David Chalmers aber nicht und das ist mE ein wesentlicher Unterschied.


Die Wortwahl ist nicht dieselbe, aber – wenn ich mich nicht irre – die drei Formulierungen sind dennoch äquivalent.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Den beiden letzten Definitionen kann ich problemlos zustimmen, der von Chalmers aber nicht. Und das liegt daran, dass sich meiner Ansicht nach kein logischer Widerspruch ergibt, wenn man in der aktualen Welt eine Identität von Physischem und Mentalem annimmt, das aber als kontingenten Fakt dieser Welt ansieht und nicht als einen in sich notwendigen Fakt, also einen Fakt, der in allen möglichen Welten gelten muss. So wie z.B. Gravitation auch ein kontingenter Fakt unserer Welt sein könnte.


Es geht hier zunächst nur um die Beziehung der Supervenienz, die an sich nicht die Beziehung der Identität impliziert.
Chalmers' Definition des Materialismus bezieht sich auf die ontologische Supervenienz, während er selbst als Nichtmaterialist nur die nomologische Supervenienz des Nichtphysischen, insbesondere des Psychischen, über dem Physischen behauptet.
Noch einmal zum fraglichen Unterschied:

"Naturgesetzliche Supervenienz: In allen möglichen Welten w1 und w2, in denen dieselben Naturgesetze gelten wie in unserer Welt, gilt: Wenn in w2 die physischen Eigenschaften genau so verteilt sind wie in w1, dann sind in w2 auch die mentalen Eigenschaften genau so verteilt wie in w1.

Metaphysische Supervenienz: In allen möglichen Welten w1 und w2 gilt ohne Einschränkung: Wenn in w2 die physischen Eigenschaften genau so verteilt sind wie in w1, dann sind in w2 auch die mentalen Eigenschaften genau so verteilt wie in w1."

Naturgesetzliche Supervenienz ist nach allgemeiner Ansicht zu schwach, um physikalistisch akzeptabel zu sein."


(Beckermann, Ansgar. Das Leib-Seele-Problem: Eine Einführung in die Philosophie des Geistes. Paderborn: Fink/UTB, 2008. S. 83-4)

Wer nur die nomologische Supervenienz des Psychischen über dem Physischen annimmt, der nimmt an, dass es mögliche Welten mit anderen Naturgesetzen gibt, in denen die gleichen physikalischen Tatsachen bestehen wie in unserer wirklichen Welt, aber andere oder gar keine (positiven) psychologischen Tatsachen. Genau dies wird von den Physikalisten bestritten: Es gibt keine mögliche Welt, in denen die gleichen physikalischen Tatsachen bestehen wie in unserer Welt, aber andere oder gar keine (positiven) psychologischen Tatsachen. Das bedeutet beispielsweise, dass in keiner möglichen Welt ein physisch vollkommen gleicher Zwillingsbruder von mir existiert, der sich zwar genauso verhält wie ich, aber im Gegensatz zu mir ein Zombie ohne Bewusstsein ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Mag sein oder nicht: aber man muss den begründen können. Man könnte es in diesem Falle durch eine Reduktion des Mentalen auf das Physische zeigen. Gelänge eine solche Reduktion, dann würde ich diese Notwendigkeit anerkennen.


Der reduktionistische Physikalismus impliziert den Supervenienz-Physikalismus, was umgekehrt nicht der Fall ist.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1572046) Verfasst am: 16.11.2010, 03:49    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Vielleicht mal so gesagt: es gibt mE Gesetze und Eigenschaften auf Systemebene, (bei hinreichend komplexen Systemen), die nicht auf dessen Bestandteile zurückgeführt werden können, sich nicht aus diesen, wenn die einzeln betrachtet werden, ergeben und daher auch nicht aus denen abgeleitet werden können. Nicht a priori.

Es ist klar, dass bestimmte Systemeigenschaften keine Eigenschaften der einzelnen Elemente sind. Ich bezweifle nur, dass es Systemeigenschaften gibt, die nicht von den Eigenschaften, Beziehungen und Wechselwirkungen der Elemente (evolutionär) abgeleitet und abhängig sind. Das heißt, ich lehne den starken, ontologischen Emergenzbegriff ab. Ich habe nichts gegen den schwachen, epistemologischen Emergenzbegriff, bei dem es lediglich darum geht, dass man nicht a priori von der Kenntnis der Elemente und ihrer Eigenschaften auf die Eigenschaften eines von ihnen gebildeten Systems schließen kann.

Naja, a posteriori Ableitungen (sofern die keine prüfbaren Vorhersagen machen) sind aber total uninteressant. A posteriori kann man alles behaupten.

Da kann man sich schöne Geschichten ausdenken z.B. über männliche Höhlenmenschen, die Mammuts jagen müssen, wohingegen die weiblichen Höhlenmenschen die Kinder versorgen und Beeren sammeln. Die Männer müssen still sein, um die Mammuts nicht zu verjagen und die Frauen tratschen die ganze Zeit, weil das die Beeren nicht verjagen kann. Beeren können ja nicht weglaufen. Und dann kann man aus dieser schönen Geschichte normative Forderungen auf unser heutiges Verhalten ableiten. "Die Evolution und so, weißt schon, willst doch kein Wissenschaftsfeind sein."

Finde ich aber wenig überzeugend.

Ich kann mir nämlich im Nachhinein auch beliebige, aber schöne Geschichten ausdenken, um vergangene Geschehnisse zu interpretieren. Meine Phantasie kennt auch keine Grenzen. Ich kann mir locker Geschichten ausdenken, die A plausibel erscheinen lassen und Geschichten, die A unplausibel erscheinen lassen.

Also, mal abgesehen von einer schönen, narrativen, nachträglich erfundenen Geschichte, die man ja selber so plausibel halten mag wie auch immer, wie sich Mentales evolutionär entwickelt haben könnte, was hast Du zusätzlich dazu zu bieten? Wie ist die Erklärungslücke nachweislich zu überbrücken? Wie kann man Mentales auf Physisches zurückführen?

Klar kann man auch Beliebiges über Buddhismus und über Ego-Tunnel schwafeln, über die 'Loslösung vom Ich' und dergleichen. Aber Naturwissenschaft ist das mE nicht.

Mal ganz furchtbar böse gesagt.

Myron hat folgendes geschrieben:
Die Elemente + ihre Relationen + ihre Interaktionen sind das System.

Ja, auf eine gewisse Weise schon. Aber auf eine gewisse und mE ganz wichtige und gar die wesentliche Weise stimmt das nicht.

Ich frage mich nämlich dann unweigerlich, wieso man die Bestandteile als das Grundlegende eines Systemes ansieht und nicht die Eigenschaften des Systemes als das eigentlich Wesentliche.

Letzteres erscheint mir deswegen eine unausweichliche Sichtweise, weil ein System auch durch andere Bestandteile implementiert werden könnte. Die Bestandteile an sich sind, falls das so ist, also doch wohl als nebenrangig, als untergeordnet anzusehen, gar als irrelevant, (es muss zwar irgendwie passende Bestandteile geben, aber welche genau, ist letzlich egal). Das, was das System eigentlich ausmacht, sind doch dann logischerweise nicht die Bestandteile (und deren Eigenschaften), sondern eine bestimmte Funktionalität.

Und wenn man meint, so wie ich, dass das, was ein System ausmacht, durch unendlich viele unterschiedliche Bestandteile realisiert werden kann, dann kann man doch nicht mehr ernsthaft behaupten, dass das (komplexe) System auf seine Bestandteile zurückführbar sei. Das muss dann logischerweise etwas anderes sein, etwas den Bestandteilen Übergeordnetes, etwas davon Abstrahiertes.

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ach so, jetzt verstehe ich erst: Dein Katalog von Entitäten umfasst genau Folgendes (und nicht mehr): reale Objekte, abstrakte Objekte, Seelen und Geister. Das wusste ich nicht. Sorry.

Äh…, das habe ich so nicht gesagt und auch nicht gemeint. Ich habe einfach nur den Unterschied zwischen einigen ontologischen Kategorien erläutert.

Natürlich, selbstverständlich, das hast Du nicht gesagt.

Das war nur eine Vermutung von mir, die, wenn Du sagst, dass sie falsch, demnach eben falsch ist.

Was für einen Katalog von Entitäten hast Du also? Zusätzlich zu den oben genannten Entitäten?

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Allerdings habe ich damit noch ein kleines Problem: meiner Ansicht nach beschreiben die nicht dasselbe. Nach der Definition von David Chalmers bin ich kein Physikalist, nach den beiden anderen wäre ich jedoch einer. Der Unterschied ist, dass Frank Jackson und David Lewis von physisch vollkommenen Duplikaten reden, David Chalmers aber nicht und das ist mE ein wesentlicher Unterschied.

Die Wortwahl ist nicht dieselbe, aber – wenn ich mich nicht irre – die drei Formulierungen sind dennoch äquivalent.

Nein, finde ich nicht. Weiß nicht, ob wir das hier klären können. Wegen mir nicht unbedingt, das ist eigentlich nicht mein Punkt hier, derjenige, der mich eigentlich interessiert.

Myron hat folgendes geschrieben:
Wer nur die nomologische Supervenienz des Psychischen über dem Physischen annimmt, der nimmt an, dass es mögliche Welten mit anderen Naturgesetzen gibt, in denen die gleichen physikalischen Tatsachen bestehen wie in unserer wirklichen Welt, aber andere oder gar keine (positiven) psychologischen Tatsachen. Genau dies wird von den Physikalisten bestritten: Es gibt keine mögliche Welt, in denen die gleichen physikalischen Tatsachen bestehen wie in unserer Welt, aber andere oder gar keine (positiven) psychologischen Tatsachen. Das bedeutet beispielsweise, dass in keiner möglichen Welt ein physisch vollkommen gleicher Zwillingsbruder von mir existiert, der sich zwar genauso verhält wie ich, aber im Gegensatz zu mir ein Zombie ohne Bewusstsein ist.

Kommt aber mE darauf, welche Definiton eines Physikalisten man zugrunde legt. Wie gesagt, den Definitonen von Frank Jackson und David Lewis könnte ich mich anschließen, der von David Chalmers aber nicht.

Das liegt an meinem Verständnis von 'exaktem Duplikat'.

Vielleicht mal anders gesagt: wenn ein Physikalist jemand ist, der zu den beobachteten Fakten und (interpretierten) Zusammenhängen unserer Welt etwas Zusätzliches (Metaphysisches) dazu postuliert, etwas, das 'die Welt im Inneren zusammenhält', dann bin ich ganz sicher kein Physikalist.

Mir geht es hier aber eigentlich nicht um Definitionen bezüglich 'Physikalist' und 'Nicht-Physikalist', sondern um eine viel grundsätzlichere Sache, nämlich darum, inwiefern der 'wissenschaftliche Realismus' überhaupt gerechtfertigt ist.

Ich zweifele dessen grundlegenden Prämissen an.

Siehe dazu auch dort.

Ausführlicher dort: Hilary Putnam - Why There Isn't a Ready-Made World.

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Mag sein oder nicht: aber man muss den begründen können. Man könnte es in diesem Falle durch eine Reduktion des Mentalen auf das Physische zeigen. Gelänge eine solche Reduktion, dann würde ich diese Notwendigkeit anerkennen.

Der reduktionistische Physikalismus impliziert den Supervenienz-Physikalismus, was umgekehrt nicht der Fall ist.

Ja, klar, aber das war nicht mein Punkt hier.

----

Mein genereller Punkt hier ist: 'unsere Welt' sind nicht die physikalischen Zusammenhänge an sich, per se und nichts sonst, sondern 'unsere Welt' ist immer die Kombination aus physikalischen Zusammenhängen und deren Interpretation durch uns. Man kann nicht das eine vom anderen trennen, das erscheint mir ein per se völlig aussichtloses Unterfangen zu sein.

Und wenn das die eigentliche Grundidee des Physikalismus sein sollte, (man könne das trennen und die physikalischen Zusammenhänge seien alles, was unsere Welt ausmache, einfach so, aus sich heraus, intrinsisch), dann ist er mE einfach nur falsch. Geht von falschen metaphysischen Voraussetzungen aus, von der mE inkonsistenten Idee, man könne beobachten ohne ein Beobachter zu sein. Bzw. von der Idee, es könne einen Beobachter ohne Eigenschaften geben.
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Myron
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Beitrag(#1572360) Verfasst am: 16.11.2010, 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Naja, a posteriori Ableitungen (sofern die keine prüfbaren Vorhersagen machen) sind aber total uninteressant. A posteriori kann man alles behaupten.


Wenn ich von der Ableitung von Systemeigenschaften aus Elementeigenschaften und -beziehungen spreche, dann meine ich damit zunächst keine theoretische Deduktion oder Reduktion, sondern einen evolutionären Prozess; das heißt, in diesem Sinne bedeutet "X ist aus Y abgeleitet" "X ist aus Y entstanden" oder "X ist aus Y hervorgegangen" oder "X hat seinen Ursprung in Y" oder "X wurzelt in Y" oder "X gründet in Y". Ob es gelingt, solche Emergenzprozesse im Nachhinein genau zu erklären, steht dabei auf einem anderen Blatt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Also, mal abgesehen von einer schönen, narrativen, nachträglich erfundenen Geschichte, die man ja selber so plausibel halten mag wie auch immer, wie sich Mentales evolutionär entwickelt haben könnte, was hast Du zusätzlich dazu zu bieten? Wie ist die Erklärungslücke nachweislich zu überbrücken? Wie kann man Mentales auf Physisches zurückführen?


Präzise gefragt: Wie kann man die evolutionsgeschichtliche Entstehung bewusst erlebter Körpervorgänge auf unbewusste Körpervorgänge zurückführen?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Klar kann man auch Beliebiges über Buddhismus und über Ego-Tunnel schwafeln, über die 'Loslösung vom Ich' und dergleichen. Aber Naturwissenschaft ist das mE nicht.


Ich kann dir beispielsweise die Bücher von Gerald Edelman und Antonio Damasio empfehlen, dessen neuestes Werk gerade erschienen ist: Self Comes to Mind: Constructing the Conscious Brain.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Myron hat folgendes geschrieben:
Die Elemente + ihre Relationen + ihre Interaktionen sind das System.

Ja, auf eine gewisse Weise schon. Aber auf eine gewisse und mE ganz wichtige und gar die wesentliche Weise stimmt das nicht.


Doch. Ein System ist freilich insofern mehr als die Summe seiner Elemente, als es ganz entscheidend auch auf die anatomische und dynamische Struktur ankommt; aber über die Elemente und die Struktur (Beziehungsmuster) hinaus ist ein System nichts weiter.

"When suitably formulated, the compositional model expresses the thought that (a) there are no levels of being (or, rather, there is only one level of ultimate constituents), although there are levels of description and explanation; and (b) the constituents in all of their interrelatednesses, interreactivities, and dispositions for these with one another and with whatever might be external, in all of their varying degrees of stability, do fully constitute and together are the whole (admitting some additions, subtractions, and alterations of properties and configuration suitable for being that kind of whole). Nothing less than this will do as a compositional model."

(Martin, C. B. The Mind in Nature. Oxford: Oxford University Press, 2007. pp. 38-9)

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Ich frage mich nämlich dann unweigerlich, wieso man die Bestandteile als das Grundlegende eines Systemes ansieht und nicht die Eigenschaften des Systemes als das eigentlich Wesentliche.


Tut man das? Die Elementeigenschaften sind zwar grundlegend, aber das bedeutet doch nicht, dass alle Systemeigenschaften grundsätzlich unwesentlich sind.
Im Gegenteil, Mutter Natur ist kreativ, d.h. sie bringt durch evolutionäre Systembildung unzählige neuartige Eigenschaften hervor, die nicht schon bei den einzelnen Elementen zu finden sind. Diese ganzheitlichen Eigenschaften sind mitnichten bedeutungslos!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Letzteres erscheint mir deswegen eine unausweichliche Sichtweise, weil ein System auch durch andere Bestandteile implementiert werden könnte. Die Bestandteile an sich sind, falls das so ist, also doch wohl als nebenrangig, als untergeordnet anzusehen, gar als irrelevant, (es muss zwar irgendwie passende Bestandteile geben, aber welche genau, ist letzlich egal). Das, was das System eigentlich ausmacht, sind doch dann logischerweise nicht die Bestandteile (und deren Eigenschaften), sondern eine bestimmte Funktionalität.


Die Funktionalität, d.h. die systemischen Wirkungen und Wechselwirkungen werden durch die dispositionellen Eigenschaften, kurz Dispositionen, der auf bestimmte geometrische Weise angeordneten Bestandteile (Moleküle, Atome) bestimmt. Es sind die Manifestationen jener Dispositionen, die die Systemdynamik ausmachen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Und wenn man meint, so wie ich, dass das, was ein System ausmacht, durch unendlich viele unterschiedliche Bestandteile realisiert werden kann, dann kann man doch nicht mehr ernsthaft behaupten, dass das (komplexe) System auf seine Bestandteile zurückführbar sei. Das muss dann logischerweise etwas anderes sein, etwas den Bestandteilen Übergeordnetes, etwas davon Abstrahiertes.


In einem biologischen Organismus werden im Zuge der Interaktion mit seiner Umwelt laufend alte Atome und Moleküle durch gleichartige neue ausgetauscht. Dass die Systemstruktur nicht von bestimmten einzelnen Atomen und Molekülen abhängig ist, heißt nicht, dass sie überhaupt nicht von Atomen und Molekülen abhängig ist. Denn ohne diese gibt es auch keine Struktur. Strukturen, d.i. Beziehungsmuster, können nicht als freischwebende Abstrakta existieren.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Was für einen Katalog von Entitäten hast Du also? Zusätzlich zu den oben genannten Entitäten?


Meine fundamentalen ontologischen Kategorien sind:

1. Gebilde
1.1 Konkrete Gegenstände/Dinge
1.1.1 Materielle Substanzen
2. Eigenschaften (nicht als Universalien, sondern als Partikularien, d.i. Individuen: monadische Modi)
3. Beziehungen (nicht als Universalien, sondern als Partikularien, d.i. Individuen: polyadische Modi)

(Alle anderen Kategorien wie Sachverhalte, Tatsachen, Zustände, Vorgänge und Ereignisse lassen sich auf diese drei Kategorien reduzieren.)

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Das liegt an meinem Verständnis von 'exaktem Duplikat'.


Wenn A und B (perfekte) Duplikate sind, dann gibt es keine intrinsischen Eigenschaften, die A hat und B nicht, oder die B hat und A nicht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Mir geht es hier aber eigentlich nicht um Definitionen bezüglich 'Physikalist' und 'Nicht-Physikalist', sondern um eine viel grundsätzlichere Sache, nämlich darum, inwiefern der 'wissenschaftliche Realismus' überhaupt gerechtfertigt ist.
Ich zweifele dessen grundlegenden Prämissen an.


Das wäre ein Thema für einen anderen Thread.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Mein genereller Punkt hier ist: 'unsere Welt' sind nicht die physikalischen Zusammenhänge an sich, per se und nichts sonst, sondern 'unsere Welt' ist immer die Kombination aus physikalischen Zusammenhängen und deren Interpretation durch uns. Man kann nicht das eine vom anderen trennen, das erscheint mir ein per se völlig aussichtloses Unterfangen zu sein.


Die Welt ist eine Sache und unser Bild davon eine andere. Wir machen Weltbilder, aber nicht die Welt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Und wenn das die eigentliche Grundidee des Physikalismus sein sollte, (man könne das trennen und die physikalischen Zusammenhänge seien alles, was unsere Welt ausmache, einfach so, aus sich heraus, intrinsisch), dann ist er mE einfach nur falsch. Geht von falschen metaphysischen Voraussetzungen aus, von der mE inkonsistenten Idee, man könne beobachten ohne ein Beobachter zu sein. Bzw. von der Idee, es könne einen Beobachter ohne Eigenschaften geben.


Natürlich kann es keine beobachterunabhängigen Weltbeobachtungen geben, was aber nicht bedeutet, dass es keine beobachterunabhängige Welt gibt. Das Physische ist weder physik- noch physikerabhängig.

"Ein weiteres Missverständnis besteht in der Annahme, dass es etwas Epistemisches am Realismus gebe. So schreibt zum Beispiel Hilary Putnam:
'Der gesamte Inhalt des Realismus liegt in der Behauptung, dass es sinnvoll ist, sich einen Blick aus dem Auge Gottes vorzustellen (oder besser einen Blick von nirgendwo).'
Aber das ist nicht der Inhalt des Realismus, wie er normalerweise verstanden wird. Ganz im Gegenteil, die ganze Idee einer 'Ansicht' ist schon epistemisch und der externe Realismus ist nicht epistemisch. Es wäre mit dem Realismus vereinbar zu vermuten, dass jede Art von 'Ansicht' der Wirklichkeit ganz unmöglich ist."

(S. 164)

"Die Idee der Begriffsrelativität ist alt und, wie ich glaube, korrekt. Jedes Klassifikations- oder Individuationssystem von Objekten, jedes Kategoriensystem zur Beschreibung der Welt, ja, jedes Repräsentationssystem überhaupt ist konventionell und insofern willkürlich. Die Welt teilt sich so auf, wie wir sie aufteilen, und wenn wir jemals geneigt sind zu glauben, dass unsere gegenwärtige Methode, sie einzuteilen, die richtige oder irgendwie unvermeidliche ist, können wir uns immer alternative Klassifikationssysteme ausdenken. ... Weil jede wahre Beschreibung der Welt immer innerhalb irgendeines Vokabulars, in irgendeinem System von Begriffen gegeben werden wird, hat Begriffsrelativität die Konsequenz, dass jede wahre Beschreibung immer relativ auf ein System von Begriffen gegeben wird, das wir mehr oder weniger willkürlich für die Beschreibung der Welt ausgewählt haben. So charakterisiert scheint der Begriffsrelativismus vollständig wahr zu sein, ja geradezu platt."
(S. 170f.)

"Man denke sich das Verhältnis von Realismus und Begriffsrelativismus etwa so:
Man nehme sich eine Ecke der Welt, zum Beispiel das Himalaya-Gebirge, und man denke es sich, wie es vor der Existenz menschlicher Wesen war. Nun stelle man sich vor, dass Menschen daherkommen und sich die Tatsachen auf vielfache verschiedene Weise repräsentieren. Sie haben verschiedene Vokabularien, verschiedene Systeme, sich Karten zu machen, verschiedene Systeme, Berge zu zählen, einen Berg, zwei Berge, denselben Berg usf. Als Nächstes stelle man sich vor, dass schließlich alle Menschen aufhören zu existieren, Was passiert nun mit der Existenz des Himalaya und all den Tatsachen hinsichtlich des Himalaya-Gebirges im Verlauf dieser verschiedenen Wechselfälle? Überhaupt nichts. Verschiedene Beschreibungen von Tatsachen, Objekten usf. kamen und gingen, aber die Tatsachen, Objekte usf. blieben unberührt. (Bezweifelt jemand das wirklich?)
Die Tatsache, dass alternative begriffliche Schemata verschiedene Beschreibungen derselben Wirklichkeit zulassen und dass es keine Beschreibungen der Wirklichkeit außerhalb aller begrifflichen Schemata gibt, hat nicht die geringste Auswirkung auf die Wahrheit des Realismus."

(S. 174)

"Aus der Tatsache, dass eine Beschreibung nur relativ auf eine Menge linguistischer Kategorien gemacht werden kann, folgt nicht, dass die beschriebenen Tatsachen/Objekte/Sachverhalte etc. nur relativ auf eine Menge von Kategorien bestehen können. Richtig verstanden ist Begriffsrelativismus eine Darstellung der Art und Weise, wie wir die Anwendungen unserer Ausdrücke festlegen. Was als eine richtige Anwendung des Ausdrucks 'Katze' oder 'Kilogramm' oder 'Canyon' (oder 'Klörg') zählt, hängt von unserer Entscheidung ab und ist insofern willkürlich. Aber wenn wir die Bedeutung solcher Ausdrücke in unserem Vokabular durch willkürliche Definitionen einmal festgelegt haben, dann beruht es nicht länger auf irgendeiner Art Relativismus oder Willkür, ob repräsentationsunabhängige Eigenschaften der Welt diesen Definitionen genügen, weil die Eigenschaften der Welt, die den Definitionen genügen oder nicht, unabhängig von diesen oder anderen Definitionen existieren. Wir definieren das Wort 'Katze' willkürlich auf die und die Art; und nur relativ auf solche und solche Definitionen können wir sagen 'Das ist eine Katze'. Aber sobald wir einmal die Definitionen gemacht haben und sobald wir einmal die Begriffe relativ auf das Definitionssystem angewendet haben, ist es nicht länger willkürlich oder relativ, ob etwas unserer Definition genügt oder nicht. Dass wir das Wort 'Katze' in der Weise benutzen, wie wir es tun, liegt bei uns; dass es ein Objekt gibt, das unabhängig von diesem Gebrauch existiert und diesem Gebrauch genügt, beruht einfach auf einer (absoluten, immanenten, geistesunabhängigen) Tatsache. Im Gegensatz zu Goodman machen wir nicht 'Welten'; wir machen Beschreibungen, die auf die wirkliche Welt passen oder nicht. Aber all dies impliziert, dass es eine Wirklichkeit gibt, die unabhängig von unserem Begriffssystem existiert. Ohne eine solche Wirklichkeit gibt es nichts, auf das der Begriff angewendet werden kann."
(S. 176)

(Searle, John R. Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit: Zur Ontologie sozialer Tatsachen. Übers. v. Martin Suhr. Reinbek: Rowohlt, 1997.)
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Myron
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Beitrag(#1572368) Verfasst am: 16.11.2010, 22:31    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Siehe dazu auch dort.
Ausführlicher dort: Hilary Putnam - Why There Isn't a Ready-Made World.


Übrigens, soweit ich weiß, hat sich inzwischen Putnam selbst vom internen Realismus verabschiedet. (Siehe z.B.: The Threefold Cord: Mind, Body, and World, Columbia UP, 1999.)
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#1572732) Verfasst am: 17.11.2010, 17:04    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Klar kann man auch Beliebiges über Buddhismus und über Ego-Tunnel schwafeln, über die 'Loslösung vom Ich' und dergleichen. Aber Naturwissenschaft ist das mE nicht.

Ich kann dir beispielsweise die Bücher von Gerald Edelman und Antonio Damasio empfehlen, dessen neuestes Werk gerade erschienen ist: Self Comes to Mind: Constructing the Conscious Brain.

Ja, danke, hört sich sehr interessant an. Von Damásio halte ich viel, von Metzinger (zumindest nach dem, was ich von seinem Ego-Tunnel kenne) wenig. Letzterer macht mMn schlechte Philosophie.

War in diesem Thread nicht schon mal was mit Damásio?

Ach ja, da isses ja:

göttertod hat folgendes geschrieben:
Rette dein idealistisches, dualistisches, epiphänomenales Heidegger-Husserl-Hegel-Bieri-Damasio-Searl-Eccles-etc.sonstwas-Weltbild woanders!!!!!!!

(Hervorhebung von mir)

Ich würde übrigens mein Weltbild lieber (vorläufig, mangels tieferer philosophischer Kenntnis) ein Kant-Popper-Bieri-Damásio-Rorty-Janich-Putnam-Weltbild nennen.

(Searle und Eccles passen da jedenfalls nicht rein. Bei Hegel, Husserl und Heidegger gebe ich meine Unwissenheit zu, zu denen kann ich jetzt kein Urteil abgeben.)

Mein Weltbild würde ich aber nicht als "idealistisch, dualistisch und epiphänomenal" bezeichnen, sondern als "realistisch, pluralistisch und pragmatisch".

(Aber ich gebe zu, dass mein Weltbild kein fixes ist, ich bin da permanent am [weiter oder auch neu]-Entwickeln, am Basteln.)

@göttertod: was ist dann Dein Weltbild?

Ein Kolbenheyer-Wolf Singer-Roth-Metzinger-Blackmore-Weltbild?

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Mein genereller Punkt hier ist: 'unsere Welt' sind nicht die physikalischen Zusammenhänge an sich, per se und nichts sonst, sondern 'unsere Welt' ist immer die Kombination aus physikalischen Zusammenhängen und deren Interpretation durch uns. Man kann nicht das eine vom anderen trennen, das erscheint mir ein per se völlig aussichtloses Unterfangen zu sein.

Die Welt ist eine Sache und unser Bild davon eine andere. Wir machen Weltbilder, aber nicht die Welt.

Mein Punkt ist hier, dass es keine Beschreibung der Realität geben kann, die frei ist von jeglichem Beobachterstandpunkt.

Eine Philosophie oder eine Wissenschaft, die meint, die leisten zu können, baut daher auf einer falschen Grundlage auf.

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Siehe dazu auch dort.
Ausführlicher dort: Hilary Putnam - Why There Isn't a Ready-Made World.


Übrigens, soweit ich weiß, hat sich inzwischen Putnam selbst vom internen Realismus verabschiedet. (Siehe z.B.: The Threefold Cord: Mind, Body, and World, Columbia UP, 1999.)

Ja, er ist inzwischen bei einem direkten Realismus angelangt. Aber so wie ich das verstehe, steht der nicht im Gegensatz zu seinem früher vertretenen internen Realismus, ist eher eine Art Erweiterung.

Aber egal, dann aus was Aktuellerem mal ein Zitat, das nochmal beleuchtet, um was es mir geht:

PRAGMATISM AND THE ORDINARY: The Rorty-Putnam Debate from a ... hat folgendes geschrieben:
He [Putnam] is aware to „the common philosophical error of supposing that the term reality must refer to a single superthing instead of looking at the way in which we endlessly renegotiate—and are forced to renegotiate—our notion of reality as our language and our life develop.”
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Beitrag(#1573038) Verfasst am: 18.11.2010, 08:42    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Ich würde übrigens mein Weltbild lieber (vorläufig, mangels tieferer philosophischer Kenntnis) ein Kant-Popper-Bieri-Damásio-Rorty-Janich-Putnam-Weltbild nennen.

(Searle und Eccles passen da jedenfalls nicht rein. Bei Hegel, Husserl und Heidegger gebe ich meine Unwissenheit zu, zu denen kann ich jetzt kein Urteil abgeben.)



Mit der Aufzählung kann ich in diesem Thread - in dem es um das neuronale Korrelat des Bewusstseins geht - überhaupt nichts anfangen.
Richard Rorty und Karl Popper liegen bezüglich des Bewusstseinproblems meilenweit auseinander. Richard Rorty vertrat anfangs bezüglich des Leib-Seele-Problems die Position des eliminativen Materialismus. Später stand er dem reduktiven Materialismus aufgeschlossener gegenüber. Gegensätzlich ist Karl Popper: Der vertrat einen interaktionistischen Dualismus.
Warum passt eigentlich Eccles nicht rein? Er und Popper vertreten in: "Das Ich und sein Gehirn" fast deckungsgleiche Positionen. Es ist zwar schon länger her, dass ich das Buch gelesen habe, aber als einziger signifikanter Unterschied ist mir nur die Positionierung in der Frage der Sterblichkeit aufgefallen. Eccles ist von einer unsterblichen Seele überzeugt, während Popper eher zur Ansicht tendiert, dass Seele und Körper sterblich sind.
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Myron
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Beitrag(#1573041) Verfasst am: 18.11.2010, 09:00    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Mein Punkt ist hier, dass es keine Beschreibung der Realität geben kann, die frei ist von jeglichem Beobachterstandpunkt


Aus der unbestrittenen Beschreiber- oder Beobachterabhängigkeit von Wirklichkeitsbeschreibungen oder -beobachtungen folgt aber nicht die Beschreiber- oder Beobachterabhängigkeit der Wirklichkeit.
Mit anderen Worten, die Vorstellerabhängigkeit des Vorstellenden bedeutet nicht unbedingt die Vorstellerabhängigkeit des Vorgestellten. Das ist ein idealistischer Trugschluss!

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Aber egal, dann aus was Aktuellerem mal ein Zitat, das nochmal beleuchtet, um was es mir geht:

PRAGMATISM AND THE ORDINARY: The Rorty-Putnam Debate from a ... hat folgendes geschrieben:
He [Putnam] is aware to „the common philosophical error of supposing that the term reality must refer to a single superthing instead of looking at the way in which we endlessly renegotiate—and are forced to renegotiate—our notion of reality as our language and our life develop.”


Natürlich wandeln sich unsere Vorstellungen von der Wirklichkeit im Laufe der Zeit, was aber nicht unbedingt bedeutet, dass sich damit auch die Wirklichkeit an sich wandelt. Genauer gesagt, da Wirklichkeitsvorstellungen Teil der soziokulturellen Wirklichkeit sind, führt ein Wandel der Ersteren in der Praxis auch zu einem Wandel der Letzteren; doch was sich dadurch nicht ändert, ist die grundlegende natürliche Wirklichkeit.
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Beitrag(#1573325) Verfasst am: 18.11.2010, 21:23    Titel: Antworten mit Zitat

Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich würde übrigens mein Weltbild lieber (vorläufig, mangels tieferer philosophischer Kenntnis) ein Kant-Popper-Bieri-Damásio-Rorty-Janich-Putnam-Weltbild nennen.

(Searle und Eccles passen da jedenfalls nicht rein. Bei Hegel, Husserl und Heidegger gebe ich meine Unwissenheit zu, zu denen kann ich jetzt kein Urteil abgeben.)

Mit der Aufzählung kann ich in diesem Thread - in dem es um das neuronale Korrelat des Bewusstseins geht - überhaupt nichts anfangen.
Richard Rorty und Karl Popper liegen bezüglich des Bewusstseinproblems meilenweit auseinander. Richard Rorty vertrat anfangs bezüglich des Leib-Seele-Problems die Position des eliminativen Materialismus. Später stand er dem reduktiven Materialismus aufgeschlossener gegenüber. Gegensätzlich ist Karl Popper: Der vertrat einen interaktionistischen Dualismus.
Warum passt eigentlich Eccles nicht rein? Er und Popper vertreten in: "Das Ich und sein Gehirn" fast deckungsgleiche Positionen. Es ist zwar schon länger her, dass ich das Buch gelesen habe, aber als einziger signifikanter Unterschied ist mir nur die Positionierung in der Frage der Sterblichkeit aufgefallen. Eccles ist von einer unsterblichen Seele überzeugt, während Popper eher zur Ansicht tendiert, dass Seele und Körper sterblich sind.

Öhm, ja, also, was soll ich jetzt sagen: Du hast einfach nur recht. Ist zugegenermaßen meiner Unwissenheit geschuldet.

Nimm also Rorty raus und Eccles wieder rein. Ich habe dummerweise nur in der deutschen Wikipedia über Eccles gelesen, das sollte man nicht tun, da steht zu viel Unsinn drin; was in der englischen Wikipedia über ihn steht, passt schon ganz gut zu meiner Ansicht. (Wusste ich aber eigentlich schon, dass die deutsche Wikipedia [zumindest in vielen Fällen] oft eine furchtbare Quelle ist. Verlegen )

Und über Rorty kann ich mir eigentlich kein Urteil erlauben, ich habe zwar jetzt noch nichts von ihm gefunden, dem ich widersprechen wollen würde, aber da muss ich mich noch mehr informieren.

Aber tatsächlich ist es so, dass ich Poppers 3-Welten-Lehre in einem gewissen Sinne für plausibel halte, (und insofern auch Eccles zustimme).

Nur: das ist mE kein interaktionistischer Dualismus!

Ich denke ja gerade, dass das ganze hier besprochene Problem darin liegt, (was aber mE ein Fehler ist), dass man meint, es könne nur entweder eine (auf eine bestimmte Weise gemeint) monistische oder eine dualistische Sichtweise geben und alles darauf zurückführen will.

Aber das herauszuarbeiten ist so verdammt schwierig, mir will es offensichtlich nicht gelingen. Was, denke ich, daran liegt, dass ich das noch nicht hinreichend durchschaue, sonst könnte ich mich sicher verständlicher ausdrücken.

Weiß nun leider auch nicht, wie das hier fortzuführen wäre.

Vielleicht bei der grundsätzlichen Frage: was gibt es eigentlich?

Vielleicht ist das ja der Knackpunkt.

Ich schätze mal, ich bin Universalienrealist.

Ich glaube, dass es die Mehrwertsteuer und Geld gibt. Es gibt mE Gedanken, Meinungen, Weltbilder, Religionen. Es gibt Wissenschaft, Physik, Kunst. Und das alles gibt es genauso, wie es Elektronen und Bosonen gibt.

Und ich glaube nicht, dass man Geld auf Bosonen und deren Spin zurückführen kann. Oder Gedanken auf neuronale Korrelate. Ebenso wie ich nicht glaube, dass man eine Software, die die Mehrwertsteuer berechnet, auf eine elektronische Schaltung zurückführen kann, (in dem Sinne, dass man aus der elektronischen Schaltung das herauslesen kann, was das Programm leistet). Denn um das zu können, muss das Konzept 'Mehrwertsteuer' bekannt sein. Und ein Konzept kann schlicht nicht aus einer elektronischen Schaltung herausgelesen werden.

Das bedeutet nun nicht, dass ich nicht glaubte, dass es keine beobachterunabhängige Wirklichkeit gäbe. Denn das glaube ich zwar, aber darum geht es mir hier nicht. Und selbstverständlich gäbe es keine Mehrwertsteuer, wenn es keine Gehirne gäbe.

Und dass ich meinen Punkt nicht klar darstellen kann, schreibe ich nur mir zu. Tut mir leid, dass ich mich nicht klar ausdrücken kann. (Das soll aber mitnichten eine Entschuldigung sein, das tut mir nur für mich leid.)
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Beitrag(#1573329) Verfasst am: 18.11.2010, 21:38    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Mein Punkt ist hier, dass es keine Beschreibung der Realität geben kann, die frei ist von jeglichem Beobachterstandpunkt

Aus der unbestrittenen Beschreiber- oder Beobachterabhängigkeit von Wirklichkeitsbeschreibungen oder -beobachtungen folgt aber nicht die Beschreiber- oder Beobachterabhängigkeit der Wirklichkeit.
Mit anderen Worten, die Vorstellerabhängigkeit des Vorstellenden bedeutet nicht unbedingt die Vorstellerabhängigkeit des Vorgestellten. Das ist ein idealistischer Trugschluss!

Seufz.

Ich würde Dich gerne mal was fragen, weil ich viel von Dir und Deinen Kenntnissen halte.

Frage: inwiefern stimmen Deiner Ansicht nach die Ansichten von Putnam nicht mit dem Materialismus / Physikalismus überein? Wo ist der Knackpunkt? Was widerspricht dem M / P, ist damit nicht vereinbar?

Liegt es an der Ontologie, (so wie ich in meinem Beitrag hier drüber vermutete)?

Liegt es an dem Begriff der 'Wahrheit'?

Oder an der unterschiedlichen Auffassung darüber, ob Objektivität möglich ist?

Oder an was sonst?

Das würde ich wirklich gerne wissen und ich würde nicht fragen, wenn ich es wüsste. Es macht mich ganz fuchsig, dass ich das nicht selber beantworten kann.
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Myron
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Beitrag(#1573425) Verfasst am: 19.11.2010, 00:29    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Frage: inwiefern stimmen Deiner Ansicht nach die Ansichten von Putnam nicht mit dem Materialismus / Physikalismus überein? Wo ist der Knackpunkt? Was widerspricht dem M / P, ist damit nicht vereinbar?


Putnams bekanntester Einwand gegen den Type-Physikalismus (typenidentistischen Physikalismus), dem nach psychologische Typen mit physikalischen Typen identisch sind, bezieht sich auf die "multiple Realisierbarkeit" psychischer Zustände. Er spricht sich aber auch gegen den Token-Physikalismus (exemplarsidentistischen Physikalismus) und damit gegen den identistischen Physikalismus insgesamt aus. Später hat er überdies seine Abneigung gegen den funktionalistischen Physikalismus, an dessen Entwicklung er selbst maßgeblich beteiligt war, kundgetan. Putnam ist also kein Vertreter des reduktionistischen Physikalismus (mehr), und da er auch den eliminativistischen Physikalismus ablehnt, könnte man ihn als Antiphysikalisten bezeichnen. Andererseits glaubt er wohl nicht an Cartesianische Geister oder Seelen, was ihn wenigstens zu einem Substanz-Physikalisten macht.
Das Folgende ist eine knappe Zusammenfassung seines gegenwärtigen Standpunktes:

"The way out of the dilemma I would like to propose requires an appreciation of how sensory experiences are not passive affectations of an object called a 'mind' but (for the most part) experiences of aspects of the world by a living being. Mind talk is not talk about an immaterial part of us but rather a way of describing the exercise of certain abilities we possess, abilities that supervene upon the activities of our brains and upon all our various transactions with the environment but that do not have to be reductively explained using the vocabulary of physics and biology, or even the vocabulary of computer science. The metaphysical realignment I propose involves acquiescence in a plurality of conceptual resources, of different and not mutually reducible vocabularies (an acquiescence that is inevitable in practice, whatever our monist fantasies) coupled with a return not to dualism but to the 'natural realism of the common man'."

(Putnam, Hilary. The Threefold Cord: Mind, Body, and World. New York: Columbia University Press, 1999. pp. 37-8 )

In Ismen ausgedrückt:

Putnams Standpunkt (so wie er mir erscheint):

1. Direkter Realismus
2. Konzeptpluralismus und -relativismus
3. Nichtreduktiver Supervenienzphysikalismus (Supervenienznaturalismus)
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1573434) Verfasst am: 19.11.2010, 00:41    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
In Ismen ausgedrückt:

Putnams Standpunkt (so wie er mir erscheint):

1. Direkter Realismus
2. Konzeptpluralismus und -relativismus
3. Nichtreduktiver Supervenienzphysikalismus (Supervenienznaturalismus)

Danke für Deine Antwort.

So erscheint er mir übrigens auch.

Aber ich muss noch eine Frage stellen:

welcher (bzw. welche, wenn das mehrere sind) dieser Ismen ist mit dem Physikalismus nicht vereinbar / steht im Widerspruch zum Physikalismus?

Brauchst Du auch nicht begründen, wenn Du nicht magst oder das zu aufwendig für Dich ist, ich wäre schon dankbar für eine konkrete Benennung der widersprüchlichen Ismen aus Deiner Sicht.
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Myron
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Beitrag(#1573502) Verfasst am: 19.11.2010, 08:11    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
In Ismen ausgedrückt:
1. Direkter Realismus
2. Konzeptpluralismus und -relativismus
3. Nichtreduktiver Supervenienzphysikalismus (Supervenienznaturalismus)

Welcher (bzw. welche, wenn das mehrere sind) dieser Ismen ist mit dem Physikalismus nicht vereinbar / steht im Widerspruch zum Physikalismus?


Hm…, wenn (2) mit einem ausgeprägten Antirealismus einhergeht oder man der Meinung ist, dass nur der eliminative und der reduktive Physikalismus die Bezeichnung "Physikalismus" verdienen, dann besteht sicherlich ein Konflikt.
Aber im Übrigen lässt einem der Physikalismus, insbesondere der Supervenienz-Physikalismus, einen größeren theoretischen Spielraum, als es zunächst den Anschein hat:

http://plato.stanford.edu/entries/physicalism/#12

Und was die Physikalismus-inkompatiblen Ismen anbelangt:

"In general, we use 'anti-materialism' to refer to the disjunction of a certain cluster of views incompatible with materialism: namely, dualism (property dualism or substance dualism); robust neutral monism (neither physical properties nor mental properties have metaphysical priority over the other); anti-reductionist versions of hylomorphism; anti-reductionist accounts of normativity; 'liberal naturalism' (as opposed to reductive naturalism); idealism (e.g., phenomenalism); epistemic stalemate (the materialism/anti-materialism debate ultimately ends in a draw); enigma (the Mind-Body Problem has no solution); various anti-realisms (including those that deny the legitimacy, or even the intelligibility, of the Mind-Body Problem)."
———
"Wir beziehen 'Antimaterialismus' im Allgemeinen auf die Disjunktion einer bestimmten Menge Materialismus-inkompatibler Ansichten: nämlich, Dualismus (Eigenschaftsdualismus oder Substanzdualismus); starker neutraler Monismus (weder physische noch psychische Eigenschaften haben metaphysischen Vorrang gegenüber den anderen); antireduktionistische Versionen des Hylemorphismus; antireduktionistische Normativitäts-Theorien; 'liberaler Naturalismus' (als Gegensatz zum reduktiven Materialismus); Idealismus (z.B. Phänomenalismus); epistemische Pattsituation (die Materialismus/Antimaterialismus-Debatte endet schließlich unentschieden); Mysterium (es findet sich keine Lösung des Leib-Seele-Problems); diverse Antirealismen (einschließlich derer, die die Zulässigkeit oder sogar die Verständlichkeit des Leib-Seele-Problems bestreiten)."
[© meine Übers.]

(Koons, Robert C., and George Bealer, eds. Introduction to The Waning of Materialism. Oxford: Oxford University Press, 2010. xvii, n. xvi)

Dass außerdem jede Form von Supernaturalismus, einschließlich Theismus und Deismus, mit dem Physikalismus unvereinbar ist, versteht sich von selbst, weswegen die Autoren dies wohl nicht extra erwähnen.

P.S.:
Vielleicht ist "liberaler/pluralistischer Naturalist" die treffendste Bezeichnung für Putnam, denn den reduktivistisch-szientistischen Naturalismus/Materialismus lehnt er offenkundig ab.
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Myron
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Beitrag(#1573521) Verfasst am: 19.11.2010, 09:53    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:

(Koons, Robert C., and George Bealer, eds. Introduction to The Waning of Materialism. Oxford: Oxford University Press, 2010. xvii, n. xvi)

P.S.:
Vielleicht ist "liberaler/pluralistischer Naturalist" die treffendste Bezeichnung für Putnam, denn den reduktivistisch-szientistischen Naturalismus/Materialismus lehnt er offenkundig ab.


In der oben erwähnten Einführung findet sich eine Liste mit Namen von Philosophen, die den Materialismus anzweifeln oder ablehnen. Diese Liste enthält auch den Namen Putnams, und es ist angemerkt, dass er der Aufnahme in diese Liste ausdrücklich zugestimmt hat.
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Beitrag(#1573655) Verfasst am: 19.11.2010, 15:16    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Aber tatsächlich ist es so, dass ich Poppers 3-Welten-Lehre in einem gewissen Sinne für plausibel halte, (und insofern auch Eccles zustimme).

Nur: das ist mE kein interaktionistischer Dualismus!



Auch wenn er eine Welt 3 draufsetzt , vertritt Popper grundsätzlich einen interaktionistischen Dualismus:

Ich glaube, dass es nicht mehr als der gesunde Menschenverstand ist, wenn wir, zumindest vorläufig, akzeptieren, dass es in der Tat diese Wechselwirkung zwischen physikalischen Zuständen (oder Vorgängen) und mentalen Zuständen (oder Vorgängen) gibt, oder zwischen den Welten 1 und 2. Und da Dinge, die miteinander in Wechselwirkung stehen, als real bezeichnet werden können, können wir auch die Realität dieser beiden Welten akzeptieren. Also kann ich mich selbst als einen cartesischen Dualisten beschreiben. In Wirklichkeit bin ich sogar ein bisschen besser als Descartes: Ich bin ein Pluralist, weil ich auch die Realität einer dritten Welt akzeptiere, die ich "Welt 3" nennen werde. (S.39f)

Und das mit den üblichen Problemen die der Dualismus so mit sich bringt. (Wie und Wo finden die Wechselwirkungen statt?)

Descartes´ Problem der Lokalisation des vollen Bewusstseins oder des Denkenden selbst ist weit davon entfernt, unsinnig zu sein. Meine Vermutung ist, dass die Interaktion des Selbst mit dem Gehirn im Sprachzentrum lokalisiert ist. (S. 52)

Zitate aus: Karl R. Popper: Wissen und das Körper-Geist-Problem: Ein Plädoyer für den Interaktionismus in Thomas Metzinger (Hrsg.) Grundkurs Philosophie des Geistes; Band2: Das Leib-Seele-Problem; Paderborn mentis Verlag, 2007
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Beitrag(#1573668) Verfasst am: 19.11.2010, 15:54    Titel: Antworten mit Zitat

Zur Popperschen Welt 3:


Obwohl die verschiedenen Gebiete und Regionen innerhalb von Welt 3 als menschliche Erfindungen entstehen, entstehen gleichermaßen, als unbeabsichtigte Konsequenzen dieser Erfindungen, autonome Probleme und mögliche Lösungen für sie. Diese existieren unabhängig von dem Bewusstsein, dass irgend jemand von ihnen hat: Sie können von uns entdeckt werden, in dem selben Sinne in dem andere Dinge - sagen wir neue Elementarteilchen oder unbekannte Berge und Flüsse - von uns entdeckt werden können.
Nun bedeutet dies, dass wir mehr aus Welt 3 herausholen können, als wir selbst in sie hineinstecken. Es gibt ein Geben und Nehmen zwischen uns selbst und Welt 3, bei dem wir mehr nehmen können als wir jemals geben.
Dies gilt für die Künste genauso wie für die Wissenschaften.
(S. 46f)

Irgendwie übertreibt er. Dass die Gegenstände der Welt 3, also die Erzeugnisse des menschlichen Geistes wie Kunstwerke, wissenschaftliche Theorien, Theaterstücke, Werkzeuge usw., Zusätzlichkeiten hervorbringen, die unabhängig bestehen, ist ja im Fall wissenschaftlicher Theorien noch einsichtig, weil die ja der Reibung durch die Realität ausgesetzt sind. Aber das Kunstwerke irgenwie objektive Probleme mit sich bringen, die man entdecken kann wie einen Fluss finde ich unplausibel.


Zitat aus: Karl R. Popper: Wissen und das Körper-Geist-Problem: Ein Plädoyer für den Interaktionismus in Thomas Metzinger (Hrsg.) : Grundkurs Philosophie des Geistes; Band2: Das Leib-Seele-Problem; Paderborn mentis Verlag, 2007
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Beitrag(#1573888) Verfasst am: 19.11.2010, 22:54    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
In der oben erwähnten Einführung findet sich eine Liste mit Namen von Philosophen, die den Materialismus anzweifeln oder ablehnen. Diese Liste enthält auch den Namen Putnams, und es ist angemerkt, dass er der Aufnahme in diese Liste ausdrücklich zugestimmt hat.

Okay, danke.

Ehrlich gesagt habe ich jetzt immer noch nicht den eigentlichen Gedanken hinter dem Physikalismus verstanden. In Deinem Link gibt es zwar eine lange Liste, was Physikalismus alles nicht ist, aber was er eigentlich vertritt, ist mir immer noch nicht so ganz klar geworden. Mir scheint auch, als gäbe es da keine rechte Einigung. Aber da mag ich mich irren.

Aber gut, dennoch bedeutet das nun wohl, dass ich mich nicht mehr als Physikalisten bezeichnen kann.

Denn ich glaube zwar, dass alles in unserer Welt über physikalischen Prozessen superveniert, (kleine Einschränkung: ich glaube an globale Supervenienz). Und ich glaube auch, dass in einer physikalisch identischen Kopie unserer Welt alle Phänomene identisch zu unserer Welt wären, (das ist nämlich mE einfach per definitionem so, verstehe ich als Tautologie).

Aber ich glaube nicht, dass in einer Welt, in der man (nach unserem heutigen Wissen prinzipiell) keinen physikalischen Unterschied zu unserer Welt erkennen könnte, alle Phänomene identisch zu denen in unserer Welt wären. (Denn ich sehe keinen Grund dafür, warum Zombies nicht möglich sein könnten. Es müsste ein notwendiges [in allen möglichen Welten geltendes] physikalisches Gesetz geben, so dass ein bestimmtes System mit bestimmten Eigenschaften und in einer bestimmten Zusammensetzung notwendigerweise ein phänomenales Bewusstsein entwickelt. Aber das sehe ich nicht, ich wüsste nicht, wieso dieses Gesetz nicht nur in einigen Welten gelten könne, [kontingent ist]. Aber das ist selbstverständlich vom jetzigen Kenntnisstand abhängig, wenn man zukünftig irgendwelche Brückenprinzipien findet, die eine solche Notwendigkeit zeigen, was ich keineswegs für unmöglich halte, dann werde ich meine Meinung diesbezüglich natürlich ändern. Aber vorher sehe ich keinen Grund dafür.)

Und Letzteres disqualifiziert mich dann wohl als Physikalisten, schätze ich, da fehlt mir das letzte Glaubenselement oder so.

Naja, zumindest bin ich zumindest methodologischer Naturalist, wenn ich schon kein metaphysischer Physikalist bin.
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Beitrag(#1573897) Verfasst am: 19.11.2010, 23:11    Titel: Antworten mit Zitat

@Waschmaschine777

Wie gesagt, halte ich Poppers 3-Welten-Theorie für in einem bestimmten Sinn für richtig, (sinnvoll, plausibel).

Die 3 Welten umfassen 3 unterschiedliche Kategorien: 1. Welt = die beobachterunabhängige Wirklichkeit, 2. Welt = die first-person-Perspektive, 3. Welt = die Welt der Sprache / Symbole.

Ob die nun ontologisch getrennt sind, ob das cartesischer Dualismus ist oder und was das eigentlich bedeutet: diese Fragen erscheinen mir erst mal nebenrangig, weil viel zu unscharf. Mir scheint, dass jeder etwas anderes damit verbindet.

Die Behauptung, nur die 1. Welt sei die einzig wirklich reale, kommt mir jedenfalls falsch vor.

Und das ist unabhängig davon, dass ich glaube, dass alles über physikalischen Prozessen superveniert. Und alles letztlich irgendwie evolutioniert ist.

Denn das sind nun mal keine Erklärungen.

Die Frage ist dann immer noch, wieso die drei Welten interagieren, wieso sie was miteinander zu tun haben.

Der Punkt ist einfach, dass niemand, der Welt 2 und Welt 3 ablehnt, die als illusionär betrachtet, mehr eine Erklärung abgeben kann, denn das müsste er ja dann aus Welt 1 heraus tun und das geht nun mal aus Prinzip nicht. So ein Reduktionismus / Eliminativismus ist schlicht per se zum Scheitern verurteilt, denn gibt er sie aus Welt 2 und Welt 3 heraus ab, dann muss ja seine Erklärung selber logischerweise auch eine Illusion sein, d.h. in Wirklichkeit nicht existieren.

Wie gesagt: das sieht man sehr schön an Metzingers Ego-Tunnel. Er versucht das zwar, aber scheitert notwendigerweise grandios.

Aber man sieht das auch gut an dem Eingangsbeitrag in diesem Thread, wo (implizit) behauptet wird, das Selbst sei ein Konzept und Meme seien im Vergleich dazu keine (oder weniger) Konzepte, seien wirklicher.

Was selbstverständlich nicht stimmt, denn völlig unabhängig davon, für wie plausibel jemand die Mem-Vorstellung hält: es ist so oder so ein Konzept.

Und klar ist das Selbst ebenfalls ein Konzept, (aber deswegen noch lange keine Illusion). Und wir benötigen nun mal Konzepte, Verallgemeinerungen, Abstraktionen, Interpretationen, um die Welt zu erklären, anders geht es nicht - ich wüsste jedenfalls nicht wie.

Die Alternative kann doch wohl jedenfalls nicht sein, nur noch auf singuläre Objekte / Konstellationen in Welt 1 zu zeigen und jedes von diesen als einzigartig anzusehen, keinerlei Zusammenhänge mehr herzustellen. Also auf Sprache und Symbole gänzlich zu verzichten, man nur insofern noch spricht, als man ausschließlich Eigennamen verwendet und dann zu meinen, das sei die einzig wahre Realität.

----

Und zum Abschluss noch ein Zitat, (das bezieht sich nicht auf Dich, ist mehr so allgemein gesagt - aber schon im Zusammenhang zum Threadthema und zum Ausgangsbeitrag gemeint):

Im Ego-Tunnel sind die Lichter an hat folgendes geschrieben:
Ob sich damit am Ende zeigen lässt, wie der Autor es anvisiert, dass wir eigentlich gar kein Selbst haben, hängt ganz davon ab, was wir uns da eigentlich immer vorgestellt haben sollen. Im Zweifelsfall gilt anscheinend: immer das Gegenteil von dem, was neurowissenschaftliche Aufklärung gerade anzubringen hat.

Das ist auch so ein Punkt, der mich immer wieder ärgert, dieses weit verbreitete Schwarz-Weiß-Denken. Entweder bist Du ein toller Physikalist, der an die Wahrheit glaubt oder Du bist ein religiöser dualistischer cartesianischer Spinner. Tertium non datur.

Und nicht nur, dass die Welt derart binär sein soll, (entweder vertritt jemand die einzig wahre Wahrheit, so wie ich, oder er ist ein irrationaler Spinner), es wird auch noch als Fakt angesehen, dass die meisten anderen Leute religiöse dualistische cartesische Spinner seien, die wir Erleuchtete, die wir die wahre Meinung vertreten, jetzt mal aufklären müssen.

Und Aufklärung, um hier nicht missverstanden zu werden, halte ich zwar für gut und sinnvoll. Aber nicht dann, wenn keine Argumente gebracht werden und wenn nicht auf Gegenargumente eingegangen wird. Dann hat das etwas unangenehm Missionarisches und das ist dann schlicht keine Aufklärung mehr.

----

Edit: Popper würde ich übrigens in dem Punkt, was Kunst angeht, zustimmen. Es gibt doch ohne Frage öfter mal Diskussionen darüber, was Kunst ist, was Kunst ausmacht, ob dies Kunst ist oder jenes oder ob es das jeweils nicht ist. Und eine Einigung darüber gibt es meist nicht, da bleiben am Schluss öfter mal unterschiedliche Meinungen, man kann sich nicht einigen. Und also wirft das Konzept 'Kunst' Fragen auf, die nicht letztbegründet beantwortet werden können.

Naja, und ob das nun 'objektive' oder 'subjektive' Probleme sind, darüber kann man vielleicht streiten.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen 'objektiven' und 'subjektiven' Problemen? Nach welchen Kriterien kann man ein Problem als 'objektiv' klassifizieren?

Das müsste mE erst mal geklärt werden, das ist mir nämlich überhaupt nicht klar.

Wieso sollte eine Diskussion über Kunst weniger 'Reibung mit der Realität' bedeuten als z.B. eine über Bosonen?
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Myron
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Beitrag(#1573967) Verfasst am: 20.11.2010, 01:21    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:

Vielleicht ist "liberaler/pluralistischer Naturalist" die treffendste Bezeichnung für Putnam, denn den reduktivistisch-szientistischen Naturalismus/Materialismus lehnt er offenkundig ab.


"Hilary Putnam, one of the leading liberal naturalists…"

(De Caro, Mario, and Alberto Voltolini. "Is Liberal Naturalism Possible?" In Naturalism and Normativity, edited by Mario de Caro and David Macarthur, 69-86. New York: Columbia University Press, 2010. p. 77)
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Beitrag(#1573970) Verfasst am: 20.11.2010, 01:28    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
In der oben erwähnten Einführung findet sich eine Liste mit Namen von Philosophen, die den Materialismus anzweifeln oder ablehnen. Diese Liste enthält auch den Namen Putnams, und es ist angemerkt, dass er der Aufnahme in diese Liste ausdrücklich zugestimmt hat.

Myron hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Vielleicht ist "liberaler/pluralistischer Naturalist" die treffendste Bezeichnung für Putnam, denn den reduktivistisch-szientistischen Naturalismus/Materialismus lehnt er offenkundig ab.

"Hilary Putnam, one of the leading liberal naturalists…"

(De Caro, Mario, and Alberto Voltolini. "Is Liberal Naturalism Possible?" In Naturalism and Normativity, edited by Mario de Caro and David Macarthur, 69-86. New York: Columbia University Press, 2010. p. 77)

Ich finde das sehr verwirrend.

Mir erscheint das einfach nur widersprüchlich.

skeptisch
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
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Beitrag(#1574011) Verfasst am: 20.11.2010, 02:49    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Ehrlich gesagt habe ich jetzt immer noch nicht den eigentlichen Gedanken hinter dem Physikalismus verstanden. In Deinem Link gibt es zwar eine lange Liste, was Physikalismus alles nicht ist, aber was er eigentlich vertritt, ist mir immer noch nicht so ganz klar geworden. Mir scheint auch, als gäbe es da keine rechte Einigung. Aber da mag ich mich irren.


Die traditionelle Grundidee des Physikalismus ist einfach, dass alles Reale materieller/physischer Natur ist oder sich auf materielle/physische Entitäten reduzieren lässt. Der Supervenienz-Physikalismus ist generöser, weil er nicht unbedingt von der (identistischen oder funktionalistischen) Reduzierbarkeit von allem auf das Materielle/Physische ausgeht, sondern nur eine bestimmte Abhängigkeitsbeziehung zwischen den physikalischen und nichtphysikalischen Eigenschaften oder Tatsachen postuliert, nämlich die Beziehung der Supervenienz: Wenn eine Menge von Eigenschaften oder Tatsachen, A, auf einer anderen Menge von Eigenschaften oder Tatsachen, B, superveniert, dann hängt jede A-Änderung von einer B-Änderung ab. Motto: Keine A-Änderung ohne B-Änderung! Man kann das auch umdrehen: Ohne B-Änderung keine A-Änderung! Und das heißt, dass die Beziehung der Supervenienz der Beziehung der Determination entspricht:

"A superveniert auf B" <–> "B determiniert A"

Wenn also die B-Eigenschaften oder B-Tatsachen die A-Eigenschaften oder A-Tatsachen determinieren, dann werden letztere durch erstere bestimmt, festgelegt.
(Siehe: http://www.iep.utm.edu/superven)
Der allgemeine Kernthese des Supervenienz-Physikalismus lässt sich also alternativ wie folgt formulieren:

Alles Reale ist materieller/physischer Natur oder wird von materiellen/physischen Entitäten determiniert.


Die schematische Formulierung des nichteliminativen und nichtreduktiven Physikalismus lautet:

Alles Reale ist materieller/physischer Natur oder steht zum Materiellen/Physischen in einer bestimmten Abhängigkeitsbeziehung R.

Das theoretische Hauptproblem besteht nun darin zu entscheiden, um welche Art von Abhängigkeitsbeziehung es sich dabei handelt, da es ja mehrere gibt. So gibt es eine dritte mögliche Formulierung:

Alles Reale ist materieller/physischer Natur oder wird von materiellen/physische Entitäten nezessitiert.

Die Beziehung der Nezessitation (engl. "necessitation") entspricht der Beziehung der (logischen) Implikation (engl. "entailment").

Des Weiteren gibt es die Beziehungen der ontischen und genetischen Dependenz:
X ist von Y ontisch abhängig, wenn es nicht ohne Y existieren kann; und X ist von Y genetisch abhängig, wenn es nicht existieren kann, ohne von Y erschaffen/erzeugt/hervorgebracht worden zu sein.

Wir haben es also mit (mindestens) fünf möglichen Arten von Beziehung zu tun:

1. Supervenienz
1.1 ontologische/metaphysische S.
1.2 nomologische (naturgesetzliche) S.
2. Determination
3. Nezessitation (Implikation)
4. Dependenz
4.1 ontische D.
4.2 genetische D.


Und das macht die Aufgabe, eine passende Formulierung der physikalistischen Kernthese zu finden, nicht gerade einfacher, zumal die Klärung der genauen logisch-ontologischen Verhältnisse zwischen diesen Beziehungen eine sehr diffizile Angelegenheit ist, bei der Otto Normalverbraucher kaum noch durchblickt und mitkommt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Denn ich glaube zwar, dass alles in unserer Welt über physikalischen Prozessen superveniert, (kleine Einschränkung: ich glaube an globale Supervenienz). Und ich glaube auch, dass in einer physikalisch identischen Kopie unserer Welt alle Phänomene identisch zu unserer Welt wären, (das ist nämlich mE einfach per definitionem so, verstehe ich als Tautologie).
Aber ich glaube nicht, dass in einer Welt, in der man (nach unserem heutigen Wissen prinzipiell) keinen physikalischen Unterschied zu unserer Welt erkennen könnte, alle Phänomene identisch zu denen in unserer Welt wären. (Denn ich sehe keinen Grund dafür, warum Zombies nicht möglich sein könnten. Es müsste ein notwendiges [in allen möglichen Welten geltendes] physikalisches Gesetz geben, so dass ein bestimmtes System mit bestimmten Eigenschaften und in einer bestimmten Zusammensetzung notwendigerweise ein phänomenales Bewusstsein entwickelt.


Ein in allen möglichen Welten herrschendes physikalisches Gesetz wäre ein metaphysisches Gesetz.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Aber das sehe ich nicht, ich wüsste nicht, wieso dieses Gesetz nicht nur in einigen Welten gelten könne, [kontingent ist]. Aber das ist selbstverständlich vom jetzigen Kenntnisstand abhängig, wenn man zukünftig irgendwelche Brückenprinzipien findet, die eine solche Notwendigkeit zeigen, was ich keineswegs für unmöglich halte, dann werde ich meine Meinung diesbezüglich natürlich ändern. Aber vorher sehe ich keinen Grund dafür.)
Und Letzteres disqualifiziert mich dann wohl als Physikalisten, schätze ich, da fehlt mir das letzte Glaubenselement oder so.


Es sind sich so gut wie alle Philosophen darin einig, dass die rein nomologische und damit kontingente Supervenienzbeziehung zwischen dem Physischen und dem Nichtphysischen, insbesondere dem Psychischen, für den Physikalismus zu schwach ist – aber nicht für den Naturalismus.
Der Physikalismus ist per se naturalistisch, aber der Naturalismus ist nicht per se physikalistisch, sodass man zwischen dem (Ontologische-)Supervenienz-Physikalismus und dem (Nomologische-)Supervenienz-Naturalismus unterscheiden kann.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3462

Beitrag(#1574012) Verfasst am: 20.11.2010, 02:50    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
In der oben erwähnten Einführung findet sich eine Liste mit Namen von Philosophen, die den Materialismus anzweifeln oder ablehnen. Diese Liste enthält auch den Namen Putnams, und es ist angemerkt, dass er der Aufnahme in diese Liste ausdrücklich zugestimmt hat.

Myron hat folgendes geschrieben:

"Hilary Putnam, one of the leading liberal naturalists…"

(De Caro, Mario, and Alberto Voltolini. "Is Liberal Naturalism Possible?" In Naturalism and Normativity, edited by Mario de Caro and David Macarthur, 69-86. New York: Columbia University Press, 2010. p. 77)

Ich finde das sehr verwirrend.

Mir erscheint das einfach nur widersprüchlich.


Inwiefern?
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1574470) Verfasst am: 21.11.2010, 02:07    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Inwiefern?

Weil: ich mich geirrt habe.

Ich hatte den philosophischen Unterschied zwischen Naturalismus und Materialismus / Physikalismus noch nicht nicht verstanden.

Also gut, demnach bin ich nun zwar Naturalist, aber kein Materialist / Physikalist.

Gut zu wissen, (obgleich mir das nicht viel nutzen wird, weil das so kompliziert ist, will sagen, kaum jemand wird das zukünftig verstehen, wenn ich das so sage.)

Aber dennoch, vielen Dank nochmal für deine Mühe.

Zumindest verstehe ich jetzt halbwegs, wie Du diese Kategorien unterscheidest.

Ich habe keine weiteren Fragen mehr an Dich.

Und mein Thema hier war zwar ein etwas anderes, aber wenn das niemanden interessiert, wenn niemand darauf anspringt, dann sei es eben so.
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