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Das neuronale Korrelat des Bewusstseins
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
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Beitrag(#1566889) Verfasst am: 06.11.2010, 19:13    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich halte die These für plausibel, dass die meisten Leute nur dann Determinismus und Willensfreiheit für unvereinbar halten, wenn sie meinen, dass Determinismus ihre Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen irgendwie auswirkungslos machen würde, sie zu ohnmächtigen Marionetten äußerer Umstände degradieren würde.

Tja, vielleicht verwechseln sie nicht nur Determinismus und Fatalismus, sondern auch Freierwille und das Gefühl, nicht gezwungen zu werden. Ich glaube, letztlich läuft es auf Definitionen bzw. Begriffsverständnis hinaus.

Aber doch noch ein Versuch: Wenn die meisten Leute intuitive Kompatibilisten sind, warum fühlen sich dann so viele Philosophen, Theologen, Strafrechtler, Verfassungsrechtler, Lehrer, Artikelschreiber usw. bemüßigt, indeterministische Thesen zu vertreten, staatsnotwendige Fiktionen aufrechtzuerhalten usw., anstatt einfach offen zu vertreten, daß ihr Freierwille heutzutage nur bedeutet, daß das Gehirn bei einem Entscheidungsvorgang nicht von akuten äußeren oder innneren Zwängen, sondern über die Präferenzen von der Vergangenheit, Erziehung usw. vollständig kausal determiniert ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Zitat:
... So long as our mental states are part of the deterministic sequence of events, they play a crucial role in determining what will happen.
Ja, wie bei einem Schachprogramm, da spielt der Algorhithmus auch eine "entscheidende Rolle" bei der "Determination, was geschehen wird". Wäre mal interssant, ob die Leute da immer noch als "frei" bezeichnen würden.
Bei dem Begriff "Willensfreiheit" spielen, und darüber herrscht mE eine ziemlich große Einigung bei allen philosophisch dazu vertretenen Einstellungen vor, "beliefs, desires, deliberations and decisions" eine wesentliche Rolle. Die Frage: "ist ein Schachprogamm frei?" kommt mir in diesem Kontext wenig hilfreich vor.

Es ist in bezug auf die Komplexität der Entscheidungsfunktion in der Tat sehr unterschiedlich, aber in bezug auf die Rolle der Freiheit ist es ziemlich analog, den Determinismus einmal vorausgesetzt. Den "beliefs" entspricht die programmierte Bewertung, den "desires" das Ziel, die Bewertung zu maximieren (zu gewinnen), den deliberations die Baumsimulationen, den decisions die Entscheidungen.

Aber mir ging es hier weniger um die Details der Analogie, sondern darum das oben angedeutete Argument zu widerlegen, irgendeine Freiheit entstehe durch das kausale Zwischenschalten neuronaler Zustände. Daß Präferenzen usw. eine wesentliche Rolle im Entscheidungsvorgang spielen, ist natürlich unbestritten.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1566894) Verfasst am: 06.11.2010, 19:28    Titel: Antworten mit Zitat

Thales hat folgendes geschrieben:
Die Quantentheorie besagt, dass radioaktive Atome mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zerfallen OHNE Ursache.

Soso. Ihre Instabilität hat aber sehrwohl eine bekannte Ursache, die kann man sogar berechnen.

Du meinst vermutlich etwas anderes: Ihr Zerfallszeitpunkt ist nur statistisch voraussagbar. Die Schrödingergleichung ist jedoch streng kausal und enthält erstmal keinerlei Zufall. Der "Zufall" entsteht nur dadurch, daß bei bestimmten Interaktionen ("Messung") ein kohärenter Zustand dekohäriert. In der Kopenhagener Deutung wird das durch einen unerklärlichen Zusammenbruch der Wellenfunktion "erklärt", der dann dem aus Sicht dieser Theorie einem metaphysischen "echten Zufall" entspricht. Andere Interpretationen vermeiden das, so dekohäriert in der multiversalen Interpretation die Gesamtwellenfunktion aus Objekt und Umgebung, und statt eines Zufalls haben wir eine (deterministische) Stichprobe (wobei in jedem Zweig nur eine davon beobachtet wird).

Thales hat folgendes geschrieben:
Trotzdem gibt es Weltmodelle unter Einbeziehung der Quantentheorie. Sie sind sogar nutzbringend.

Das liegt daran, daß quantenmechanische Erwartungswerte, z.B. die Energieniveaus von Atomen, berechenbar sind. Die meisten Anwendungen der Quantentheorie verwenden daher auch nur diese deterministischen Erwartungswerte.

Die wenigen Ideen, die kohärenten Zustände tatsächlich technisch wesentlich zu verwenden, sind - oh Wunder - gerade solche, in denen die Parallelität der Wellenfunktionspfade ausgenutzt wird, etwa beim Quantencomputer.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
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Beitrag(#1566964) Verfasst am: 06.11.2010, 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich halte die These für plausibel, dass die meisten Leute nur dann Determinismus und Willensfreiheit für unvereinbar halten, wenn sie meinen, dass Determinismus ihre Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen irgendwie auswirkungslos machen würde, sie zu ohnmächtigen Marionetten äußerer Umstände degradieren würde.

Tja, vielleicht verwechseln sie nicht nur Determinismus und Fatalismus, sondern auch Freierwille und das Gefühl, nicht gezwungen zu werden. Ich glaube, letztlich läuft es auf Definitionen bzw. Begriffsverständnis hinaus.

Der vorab zu klärende Punkt ist mE: wie sehen Leute sich gemeinhin, wie ist ihr Selbstmodell und was verstehen sie eigentlich unter dem Begriff 'freien Willen'?

Und erst dann, wenn man das geklärt hat, dann kann man über Folgerungen daraus reden, was daran (an den real vorhandenen Auffassungen) falsch ist und wie das, falls das falsch ist, geändert werden sollte, um korrekt zu sein.

Aber man kann sich doch nicht hinstellen und einfach behaupten: "die meisten Leute glauben X und Y und ich werde sie jetzt mal aufklären, dass das Unsinn ist". Und man kann sich erst recht nicht hinstellen und behaupten, man selber habe die richtige Definition eines Begriffes, die meisten anderen würden sich hinsichtlich der einzig wahren Definition täuschen.

Na gut, kann man zwar machen, aber irgendwie merkwürdig ist das schon. Da sollte man sich nicht wundern, wenn einem die Leute einen Vogel zeigen, wenn sie gar nicht an X und Y glauben.

step hat folgendes geschrieben:
Aber doch noch ein Versuch: Wenn die meisten Leute intuitive Kompatibilisten sind, warum fühlen sich dann so viele Philosophen, Theologen, Strafrechtler, Verfassungsrechtler, Lehrer, Artikelschreiber usw. bemüßigt, indeterministische Thesen zu vertreten, staatsnotwendige Fiktionen aufrechtzuerhalten usw., anstatt einfach offen zu vertreten, daß ihr Freierwille heutzutage nur bedeutet, daß das Gehirn bei einem Entscheidungsvorgang nicht von akuten äußeren oder innneren Zwängen, sondern über die Präferenzen von der Vergangenheit, Erziehung usw. vollständig kausal determiniert ist.

Weil, wie schon gesagt, anscheinend viele Leute aus Determinismus, (mE ein wenig bekanntes Konzept), wenn sie sich damit beschäftigen, unzulässiger- und fälschlicherweise Reduktionismus, Epiphänomenalismus oder Fatalismus folgern, d.h. darin ein Konzept sehen, das irgendwie ihre Position als Akteur in der Welt negiert, einen Vorgang, der sie zu Marionetten von etwas anderem macht, einen Vorgang, der ihnen ihre Kontrolle über die Welt völlig entzieht, sie zu reinen Spielbällen des Schicksals macht.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ja, wie bei einem Schachprogramm, da spielt der Algorhithmus auch eine "entscheidende Rolle" bei der "Determination, was geschehen wird". Wäre mal interssant, ob die Leute da immer noch als "frei" bezeichnen würden.
Bei dem Begriff "Willensfreiheit" spielen, und darüber herrscht mE eine ziemlich große Einigung bei allen philosophisch dazu vertretenen Einstellungen vor, "beliefs, desires, deliberations and decisions" eine wesentliche Rolle. Die Frage: "ist ein Schachprogamm frei?" kommt mir in diesem Kontext wenig hilfreich vor.

Es ist in bezug auf die Komplexität der Entscheidungsfunktion in der Tat sehr unterschiedlich, aber in bezug auf die Rolle der Freiheit ist es ziemlich analog, den Determinismus einmal vorausgesetzt. Den "beliefs" entspricht die programmierte Bewertung, den "desires" das Ziel, die Bewertung zu maximieren (zu gewinnen), den deliberations die Baumsimulationen, den decisions die Entscheidungen.

Aber mir ging es hier weniger um die Details der Analogie, sondern darum das oben angedeutete Argument zu widerlegen, irgendeine Freiheit entstehe durch das kausale Zwischenschalten neuronaler Zustände. Daß Präferenzen usw. eine wesentliche Rolle im Entscheidungsvorgang spielen, ist natürlich unbestritten.

Wenn wir den Begriff "Willensfreiheit" als Gesamtpaket betrachten, dann wird ein Wille (Wille = handlungswirksam werdende Entscheidung) gemeinhin um so freier angesehen, um so mehr er von den Präferenzen, Überlegungen, Motiven, der Persönlichkeit abhängt. Behaupte ich. Und jede Abhängigkeit ist notwendigerweise kausal, denn kausale Unabhängigkeit bedeutet: kein Zusammenhang mit irgendwas, totaler, absoluter, nicht vorhersehbarer Zufall. Kann gleichermaßen X ergeben oder nicht(X), wenn irgendwas akausal aus dem Nichts hervorploppt.

Mag ja nun zwar sein, dass für Dich kausale Abhängigkeit (auch von den eigenen Motiven, Überlegungen, Abwägungen, Gefühlen, Persönlichkeit) keine 'echte' Freiheit bedeutet, sondern nur Akausalität 'echte'Freiheit herstellen kann.

Aber diese 'echte' Freiheit ist dann nun mal schlicht gemeinhin nicht damit gemeint, wenn man das philosopische Problem der Willensfreiheit betrachtet.

Im Gegenteil würde eine solche 'echte' (d.h. von allem kausal unabhängige, auch und speziell von der eigenen Persönlichkeit unabhängige, was bedeutete: völlig beliebige) 'Freiheit' der Entstehung eines Willens, (Def.: s.o.) als Fremdbestimmung angesehen. Behaupte ich jetzt mal dreist. Und außerdem würde jemand, der seinen Willen als unkontrollierbar ansähe, der sich nur als Spielball von akausal entstandenen Willensregungen sieht, von anderen nicht als moralisch verantwortlich angesehen werden.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
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Beitrag(#1567146) Verfasst am: 07.11.2010, 13:15    Titel: Antworten mit Zitat

@AP: Die FW-Diskussion ist ja hier etwas OT und wonders bereits geführt. Daher gehe ich hier nur noch auf einen Aspekt ein:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wenn die meisten Leute intuitive Kompatibilisten sind, warum fühlen sich dann so viele Philosophen, Theologen, Strafrechtler, Verfassungsrechtler, Lehrer, Artikelschreiber usw. bemüßigt, indeterministische Thesen zu vertreten, staatsnotwendige Fiktionen aufrechtzuerhalten usw., anstatt einfach offen zu vertreten, daß ihr Freierwille heutzutage nur bedeutet, daß das Gehirn bei einem Entscheidungsvorgang nicht von akuten äußeren oder innneren Zwängen, sondern über die Präferenzen von der Vergangenheit, Erziehung usw. vollständig kausal determiniert ist.

Weil, wie schon gesagt, anscheinend viele Leute aus Determinismus, (mE ein wenig bekanntes Konzept), wenn sie sich damit beschäftigen, unzulässiger- und fälschlicherweise Reduktionismus, Epiphänomenalismus oder Fatalismus folgern, d.h. darin ein Konzept sehen, das irgendwie ihre Position als Akteur in der Welt negiert, einen Vorgang, der sie zu Marionetten von etwas anderem macht, einen Vorgang, der ihnen ihre Kontrolle über die Welt völlig entzieht, sie zu reinen Spielbällen des Schicksals macht.

Ich glaube nicht, daß das der Hauptgrund ist, auch wenn es sicher eine Rolle spielt. Vielmehr vermute ich eine etwas andere Gewichtung: diese Leute glauben, daß die Menschen ein intuitives, einfaches Weltbild brauchen, das die Zuweisung von Schuld, Strafe, Gut&Böse usw. gestattet. Sie glauben, daß die meisten Menschen dies verlieren würden, wenn man ihnen die Vorstellung nimmt, daß der moralische Akteur bei Abwesenheit akuter Zwänge letztautonom entscheidet. Und daß dies sogar dann der Fall wäre, wenn sie verstünden, daß bei einem determinstischen Entscheidungsvorgang das Gehirn trotzdem wesentlich beteiligt ist, Fatalismus also unangebracht ist.

Man sieht das finde ich neben ihren expliziten Aussagen auch daran, daß gar nicht darauf fokussiert wird, Determinismus richtig zu erklären, und daß die Diskussion häufig um das Tabu kreist, daß die Präferenzen für moralische Entscheidungen konditioniert sind. Man hat einfach eine Heidenangst, dies könne unser intuitives Schuldkonzept unterminieren.

Wie gesagt, ich meine hier nicht die kompatibilistischen Philosophen, die darüberstehen und einfach den Begriff "Freiheit" soziologisch definieren, so daß er zum Determinismus passt und jedermann Kompatibilist ist, sondern eher z.B. die - auch hier im Forum schon besprochenen - Strafrechtsethiker, Verfassungsrechtler, Gymnasiallehrer usw. - wobei ich mir manchmal nicht sicher bin, wieviel eigene Überzeugung und wieviel pastorale Lüge ist.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#1567306) Verfasst am: 07.11.2010, 17:12    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn ich mir nochmal Deine Liste ("Philosophen, Theologen, Strafrechtler, Verfassungsrechtler, Lehrer, Artikelschreiber usw.") betrachte, dann ist meine Erklärung oben alleine noch nicht hinreichend, denn Philosophen passen da nicht rein. Unter Philosophen gibt es mW eine große Übereinstimmung darüber, dass Determinismus nicht Fatalismus (= ist egal, was ich tue, hat keine Auswirkung) impliziert.

Diejenigen Philosophen, die Determinismus und Willensfreiheit für unvereinbar halten, haben eine bestimmte Auffassung von Willensfreiheit (PAP = Principle of Alternate Possibilities sei notwendig für FW), die nicht mit Determinismus kompatibel ist oder sie haben eine solche Auffassung (UR = Ultimate Resposibility sei notwendig für FW), die in jeder möglichen Welt unmöglich ist, (was dann nichts mehr mit Determinismus zu tun hat - diejenigen sind dann auch folgerichtig nicht Inkompatibilisten, sondern Impossibilisten).

Das erst mal nur der Vollständigkeit halber.

-------

Ansonsten spielt das von Dir genannte Motiv wohl tatsächlich bei einigen eine Rolle. Ob das der Hauptgrund ist oder nicht, weiß ich nun nicht, ist hier aber auch egal.

Es bedeutet, mal nüchtern betrachtet: "ich halte die meisten anderen Leute für blöd und zusätzlich glaube ich, dass sie weiterhin blöd bleiben sollen, sonst gibt es eine Katastrophe (wie auch immer)".

Nur: die meisten anderen Leute sind gar nicht so blöd, wie diejenigen meinen. Und daher, da die Grundvoraussetzung dieses Motives nicht zutrifft, sind ihre weiteren Überlegungen dazu gegenstandslos.

Und folgerichtig gilt das ebenso für die Überlegungen derjeniger, die das so sehen: "ich halte die meisten anderen Leute für blöd, aber ich finde es wichtig, sie aufzuklären und eben das tue ich jetzt mal".

Es gibt dieses einfache "Gut&Böse"-Weltbild schlicht bei den meisten Leuten in unserer Gesellschaft nicht. Das ist mE ein Popanz. Als Beleg dafür führe ich mal wieder die o.g. empirischen Untersuchungen an.
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göttertod
Atheist und Zweifelsäer



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Beitrag(#1568190) Verfasst am: 08.11.2010, 23:22    Titel: Antworten mit Zitat

Ist unser Ich nur eine Erfindung?

war ganz nett....
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auf dass die Bücher von "Iain Banks" Wirklichkeit werden
The Jimmy Dore Show
jede Tradition ist es wert sich an sie zu erinnern, aber nicht jede Tradition ist es wert gelebt zu werden
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zelig
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Beiträge: 25404

Beitrag(#1568558) Verfasst am: 09.11.2010, 16:12    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
@AP: Die FW-Diskussion ist ja hier etwas OT und wonders bereits geführt. Daher gehe ich hier nur noch auf einen Aspekt ein:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wenn die meisten Leute intuitive Kompatibilisten sind, warum fühlen sich dann so viele Philosophen, Theologen, Strafrechtler, Verfassungsrechtler, Lehrer, Artikelschreiber usw. bemüßigt, indeterministische Thesen zu vertreten, staatsnotwendige Fiktionen aufrechtzuerhalten usw., anstatt einfach offen zu vertreten, daß ihr Freierwille heutzutage nur bedeutet, daß das Gehirn bei einem Entscheidungsvorgang nicht von akuten äußeren oder innneren Zwängen, sondern über die Präferenzen von der Vergangenheit, Erziehung usw. vollständig kausal determiniert ist.

Weil, wie schon gesagt, anscheinend viele Leute aus Determinismus, (mE ein wenig bekanntes Konzept), wenn sie sich damit beschäftigen, unzulässiger- und fälschlicherweise Reduktionismus, Epiphänomenalismus oder Fatalismus folgern, d.h. darin ein Konzept sehen, das irgendwie ihre Position als Akteur in der Welt negiert, einen Vorgang, der sie zu Marionetten von etwas anderem macht, einen Vorgang, der ihnen ihre Kontrolle über die Welt völlig entzieht, sie zu reinen Spielbällen des Schicksals macht.

Ich glaube nicht, daß das der Hauptgrund ist, auch wenn es sicher eine Rolle spielt. Vielmehr vermute ich eine etwas andere Gewichtung: diese Leute glauben, daß die Menschen ein intuitives, einfaches Weltbild brauchen, das die Zuweisung von Schuld, Strafe, Gut&Böse usw. gestattet. Sie glauben, daß die meisten Menschen dies verlieren würden, wenn man ihnen die Vorstellung nimmt, daß der moralische Akteur bei Abwesenheit akuter Zwänge letztautonom entscheidet. Und daß dies sogar dann der Fall wäre, wenn sie verstünden, daß bei einem determinstischen Entscheidungsvorgang das Gehirn trotzdem wesentlich beteiligt ist, Fatalismus also unangebracht ist.[...]


Mein Eindruck ist dagegen, daß die Abwehr gegen die Reduktion des Menschen auf ein physikalisches Ensemble von der klugen Intuition geleitet wird, daß er damit auch befürchten muss, seines Status als Subjekt verlustig zu gehen - mit allen Zuweisungen und Rechten, die damit zusammenhängen. Das ist meines Erachtens nicht unbegründet, da es die eine Diskussion ist, in welches Weltbild wir den Menschen einhängen, und die andere, welche praktischen Konsequenzen wir daraus ziehen.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
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Beitrag(#1568607) Verfasst am: 09.11.2010, 17:19    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Mein Eindruck ist dagegen, daß die Abwehr gegen die Reduktion des Menschen auf ein physikalisches Ensemble von der klugen Intuition geleitet wird, daß er damit auch befürchten muss, seines Status als Subjekt verlustig zu gehen - mit allen Zuweisungen und Rechten, die damit zusammenhängen. Das ist meines Erachtens nicht unbegründet, da es die eine Diskussion ist, in welches Weltbild wir den Menschen einhängen, und die andere, welche praktischen Konsequenzen wir daraus ziehen.

Aber das ist meiner Ansicht nach zu kurz gedacht.

Nehmen wir jetzt mal folgende Positionen:

Prämisse: Die Ansicht, eine Reduktion des Menschen auf ein physikalisches Ensemble würde bedeuten, dass damit das Individuum seines Status als Subjekt verlustig ginge

K1: Menschen können auf physikalische Ensembles reduziert werden und daher müsse der Status als Subjekt verlustig gehen (oder sowas in der Art)

K2: Menschen dürfe der Status als Subjekt nicht entzogen werden und daher könne der Mensch nicht auf physikalische Ensembles reduziert werden (oder so ähnlich)

So weit, so gut.

Zusätzlich aber gibt es noch folgende Position, und das ist zufällig die meiníge und es wundert mich jedesmal, wenn die nicht wahrgenommen wird, einfach immer hinten runterfällt und so getan wird, als könne und dürfe es die nicht geben:

Die Prämisse ist mE nicht richtig. Es stimmt nicht, dass, wenn man Menschen auf physikalische Ensembles reduzieren kann, man sie auf dieser Ebene betrachten kann, das bestimmte Auswirkungen auf die anderen Ebenen (der Gesellschaft, des Ichs, des Subjektes, der Moral, whatever) haben müsse, (welche nun auch immer konkret, das variiert).

Nun gut, also es gibt also nun Leute, die die o.g. Prämisse akzeptieren und dann entweder zu K1 oder K2 tendieren.

Es wäre aber sehr schön, wenn diese Leute auch nur mal ansatzweise einsehen könnten, dass ihre Prämisse nicht per se evident ist.

Es nutzt ja nix, wenn ein K1-ler immer nur sagt: ja, aber der K2-ler glaubt das doch auch und vice versa. Das überzeugt mich nämlich nicht im Geringsten, ich kann da kein Argument sehen.

Die Prämisse wird von mir angezweifelt, die erscheint mir nicht evident und daher muss sie plausibel gemacht werden.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25404

Beitrag(#1568634) Verfasst am: 09.11.2010, 17:50    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Mein Eindruck ist dagegen, daß die Abwehr gegen die Reduktion des Menschen auf ein physikalisches Ensemble von der klugen Intuition geleitet wird, daß er damit auch befürchten muss, seines Status als Subjekt verlustig zu gehen - mit allen Zuweisungen und Rechten, die damit zusammenhängen. Das ist meines Erachtens nicht unbegründet, da es die eine Diskussion ist, in welches Weltbild wir den Menschen einhängen, und die andere, welche praktischen Konsequenzen wir daraus ziehen.

Aber das ist meiner Ansicht nach zu kurz gedacht.

Nehmen wir jetzt mal folgende Positionen:

Prämisse: Die Ansicht, eine Reduktion des Menschen auf ein physikalisches Ensemble würde bedeuten, dass damit das Individuum seines Status als Subjekt verlustig ginge

K1: Menschen können auf physikalische Ensembles reduziert werden und daher müsse der Status als Subjekt verlustig gehen (oder sowas in der Art)

K2: Menschen dürfe der Status als Subjekt nicht entzogen werden und daher könne der Mensch nicht auf physikalische Ensembles reduziert werden (oder so ähnlich)

So weit, so gut.

Zusätzlich aber gibt es noch folgende Position, und das ist zufällig die meiníge und es wundert mich jedesmal, wenn die nicht wahrgenommen wird, einfach immer hinten runterfällt und so getan wird, als könne und dürfe es die nicht geben:

Die Prämisse ist mE nicht richtig. Es stimmt nicht, dass, wenn man Menschen auf physikalische Ensembles reduzieren kann, man sie auf dieser Ebene betrachten kann, das bestimmte Auswirkungen auf die anderen Ebenen (der Gesellschaft, des Ichs, des Subjektes, der Moral, whatever) haben müsse, (welche nun auch immer konkret, das variiert).

Nun gut, also es gibt also nun Leute, die die o.g. Prämisse akzeptieren und dann entweder zu K1 oder K2 tendieren.

Es wäre aber sehr schön, wenn diese Leute auch nur mal ansatzweise einsehen könnten, dass ihre Prämisse nicht per se evident ist.

Es nutzt ja nix, wenn ein K1-ler immer nur sagt: ja, aber der K2-ler glaubt das doch auch und vice versa. Das überzeugt mich nämlich nicht im Geringsten, ich kann da kein Argument sehen.

Die Prämisse wird von mir angezweifelt, die erscheint mir nicht evident und daher muss sie plausibel gemacht werden.


Ich fürchte, dann habe ich mich wohl unklar ausgedrückt. Denn ich bin ja keineswegs der Meinung, daß mit der Reduktion auf ein physikalisches Ensemble zwingend der Verlust des Status als Subjekt einhergeht. Ich bin dagegen der Meinung, daß die Anerkennung des Status als Subjekt eine praktische Angelegenheit ist, die nicht aus dem deterministischen Weltbild folgt. Das wollte ich mit damit sagen:
zelig hat folgendes geschrieben:
Das ist meines Erachtens nicht unbegründet, da es die eine Diskussion ist, in welches Weltbild wir den Menschen einhängen, und die andere, welche praktischen Konsequenzen wir daraus ziehen.

Ich bin aber der Meinung, daß es ein großer Fehler einiger Verfechter des Determinismus ist, die Botschaft zu verbreiten, der Mensch ließe sich aufgrund des deterministischen Weltbildes, dem sie anhängen, auf ein Objekt reduzieren. Das zu tun ist völlig unnötig, und meiner Auffassung nach aufgrund der vielen ungeklärten Fragen und möglichen Ansichten über die Beschaffenheit des Bewusstseins auch nicht gerechtfertigt. Ich antworte damit nur auf steps Frage, woher denn eigentlich die Vorbehalte gegen den Determinismus stammen. Und ich bin anscheinend, was diese Frage betrifft, anderer Anschauung als ihr.
In dem Punkt den Du jetzt angesprochen hast, sind wir aber anscheinend ähnlicher Auffassung. Falls ich Dich richtig verstanden habe.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#1568664) Verfasst am: 09.11.2010, 18:30    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich bin aber der Meinung, daß es ein großer Fehler einiger Verfechter des Determinismus ist, die Botschaft zu verbreiten, der Mensch ließe sich aufgrund des deterministischen Weltbildes, dem sie anhängen, auf ein Objekt reduzieren. Das zu tun ist völlig unnötig, und meiner Auffassung nach aufgrund der vielen ungeklärten Fragen und möglichen Ansichten über die Beschaffenheit des Bewusstseins auch nicht gerechtfertigt.

An dieser Stelle unterscheidet sich unsere Ansicht. Meiner Ansicht nach ist das schlicht schon deswegen ungerechtfertigt, weil der Determinismus das gar nicht hergibt, was Du (und die anderen, die diese Botschaft verbreiten) meinst, dass er es täte.

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich antworte damit nur auf steps Frage, woher denn eigentlich die Vorbehalte gegen den Determinismus stammen. Und ich bin anscheinend, was diese Frage betrifft, anderer Anschauung als ihr.

Und deswegen braucht man auch keine Vorbehalte gegen Determinismus zu haben, wenn es wichtig für das Selbstverständnis ist, sich und die anderen als handelnde Subjekte anzusehen und nicht als ohnmächtige Spielbälle des Schicksals. Determinismus ist dazu kein Widerspruch.

zelig hat folgendes geschrieben:
In dem Punkt den Du jetzt angesprochen hast, sind wir aber anscheinend ähnlicher Auffassung. Falls ich Dich richtig verstanden habe.

Ja, ich denke, das hast Du.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
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Beitrag(#1568741) Verfasst am: 09.11.2010, 19:50    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich bin aber der Meinung, daß es ein großer Fehler einiger Verfechter des Determinismus ist, die Botschaft zu verbreiten, der Mensch ließe sich aufgrund des deterministischen Weltbildes, dem sie anhängen, auf ein Objekt reduzieren. Das zu tun ist völlig unnötig, und meiner Auffassung nach aufgrund der vielen ungeklärten Fragen und möglichen Ansichten über die Beschaffenheit des Bewusstseins auch nicht gerechtfertigt.

An dieser Stelle unterscheidet sich unsere Ansicht. Meiner Ansicht nach ist das schlicht schon deswegen ungerechtfertigt, weil der Determinismus das gar nicht hergibt, was Du (und die anderen, die diese Botschaft verbreiten) meinst, dass er es täte.


Lass es mich so sagen. Er gibt es her, wenn man den Physikalismus als einzige und vollständige Realität betrachtet, sowie das Subjekt als metaphysisches Konzept. Er gibt es aber nicht zwingend her. Das ist meine Auffssung. Und ich denke, die Praxis gibt mir Recht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich antworte damit nur auf steps Frage, woher denn eigentlich die Vorbehalte gegen den Determinismus stammen. Und ich bin anscheinend, was diese Frage betrifft, anderer Anschauung als ihr.

Und deswegen braucht man auch keine Vorbehalte gegen Determinismus zu haben, wenn es wichtig für das Selbstverständnis ist, sich und die anderen als handelnde Subjekte anzusehen und nicht als ohnmächtige Spielbälle des Schicksals. Determinismus ist dazu kein Widerspruch.


In der Praxis ist es aber sinnvoll, die Vorbehalte gegen die -Deiner Auffassung nach- falschen Schlussfolgerungen aus einem -Deiner Auffassung nach- falsch verstandenen Determinismus zu äussern. Sie existieren ja.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1568791) Verfasst am: 09.11.2010, 20:25    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Er gibt es her, wenn man den Physikalismus als einzige und vollständige Realität betrachtet, sowie das Subjekt als metaphysisches Konzept. Er gibt es aber nicht zwingend her. Das ist meine Auffssung. Und ich denke, die Praxis gibt mir Recht.

Naja, 'metaphysisches Konzept' ist ein so schillernder Begriff, dass ich den nicht richtig fassen kann. Weiß nicht, was damit hier gemeint ist.

Wenn Physikalismus die Ansicht bedeutet, dass alle Phänomene unserer Welt über physikalischen Prozessen supervenieren, dann bin ich Physikalist.

Und ich meine auch, dass es wichtig für unser Selbstverständnis ist, dass wir uns (selber und gegenseitig) als handelnde Personen sehen, nicht als ohnmächtige Puppen in einem unabänderlichen Ablauf, gesteuert von etwas Drittem, was wir nicht erkennen können.

Nur kann ich nun mal zwischen einem Physikalismus, so wie von mir verstanden und diesem Selbstverständnis keinen Gegensatz sehen.

Mein Selbstverständnis beinhaltet nicht, dass ich glaubte, ich habe mich selber aus dem Nichts erschaffen, (creatio ex nihilo), und es beinhaltet auch nicht, dass ich meinte, ich wäre irgendwie ein Etwas, das abseits der Naturgesetze existieren würde und diese nach meinem Belieben manipulieren könne.

Ich bin ein Teil der physikalischen Welt und ich kann aber dennoch, und meiner Ansicht nach mit voller Berechtigung, sagen, dass ich Kontrolle über bestimmte Abläufe habe. Und andere Abläufe sind meiner Kontrolle völlig entzogen.

zelig hat folgendes geschrieben:
In der Praxis ist es aber sinnvoll, die Vorbehalte gegen die -Deiner Auffassung nach- falschen Schlussfolgerungen aus einem -Deiner Auffassung nach- falsch verstandenen Determinismus zu äussern. Sie existieren ja.

Selbstverständlich muss man dem entgegentreten, wenn das als Wahrheit verkauft werden soll. Die es mE nicht ist.

Aber ich halte es für falsch, dann gegen Determinismus als Solchem zu argumentieren. Richtig ist mE, gegen die falschen Schlussfolgerungen zu argumentieren. Bzw. müssen diese Schlussfolgerungen überhaupt erst mal begründet werden.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25404

Beitrag(#1568810) Verfasst am: 09.11.2010, 20:42    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Wenn Physikalismus die Ansicht bedeutet, dass alle Phänomene unserer Welt über physikalischen Prozessen supervenieren, dann bin ich Physikalist.


Das halte ich aber aber für keinen zwingenden Schluss. Supervenienz bietet viel Raum für unterschiedliche Interpretationen. Daher glaube ich nicht, daß Du wirklich Physikalist bist, so wie ich den Begriff benutze. Und wenn Du mich jetzt fragst, wie ich den Begriff benutze, dann muss ich erst darüber nachdenken.
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step
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Beitrag(#1568855) Verfasst am: 09.11.2010, 21:14    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn Physikalismus die Ansicht bedeutet, dass alle Phänomene unserer Welt über physikalischen Prozessen supervenieren, dann bin ich Physikalist.
Das halte ich aber aber für keinen zwingenden Schluss. Supervenienz bietet viel Raum für unterschiedliche Interpretationen. Daher glaube ich nicht, daß Du wirklich Physikalist bist, so wie ich den Begriff benutze.

Das liegt aber mglw. daran, daß Du die Aberkennung des Subjektstatus untrennbar mit Physikalismus assoziierst.

Übrigens meine ich wie AP, daß der Determinismus keine Begründung dafür hergibt, den Menschen von einem (sozialen) Subjekt zu einem reinen (sozialen) Objekt zu machen.

Im Gegenteil: Determinismus und Naturalismus legen mE nahe, unter "Subjekt" das zu verstehen, was es wirklich ist: ein Wesen mit der Eigenschaft, persönliche Beziehungen auszubilden (oder ähnlich). Was also hier maximal verlorengeht, ist eine tradierte oder intuitive metaphysische Überhöhung des Begrffs "Subjekt", keineswegs jedoch seine soziale Bedeutung.
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zelig
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Beitrag(#1568876) Verfasst am: 09.11.2010, 21:51    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn Physikalismus die Ansicht bedeutet, dass alle Phänomene unserer Welt über physikalischen Prozessen supervenieren, dann bin ich Physikalist.
Das halte ich aber aber für keinen zwingenden Schluss. Supervenienz bietet viel Raum für unterschiedliche Interpretationen. Daher glaube ich nicht, daß Du wirklich Physikalist bist, so wie ich den Begriff benutze.

Das liegt aber mglw. daran, daß Du die Aberkennung des Subjektstatus untrennbar mit Physikalismus assoziierst.[...]

Das ist nicht der Fall. Man kann den Subjektstatus als rein soziale, aber dennoch notwendige<s> soziale</s> Konstruktion betrachten. Als Physikalisten betrachte ich eher die Menschen, die Dinge, die sich nicht auf physische Grundgrößen reduzieren lassen, -und zwar deswegen- nicht für real halten. Oder irgendwie für weniger real, illusionär. Bewussstein, "ich" usf.

step hat folgendes geschrieben:
Übrigens meine ich wie AP, daß der Determinismus keine Begründung dafür hergibt, den Menschen von einem (sozialen) Subjekt zu einem reinen (sozialen) Objekt zu machen.

Im Gegenteil: Determinismus und Naturalismus legen mE nahe, unter "Subjekt" das zu verstehen, was es wirklich ist: ein Wesen mit der Eigenschaft, persönliche Beziehungen auszubilden (oder ähnlich). Was also hier maximal verlorengeht, ist eine tradierte oder intuitive metaphysische Überhöhung des Begrffs "Subjekt", keineswegs jedoch seine soziale Bedeutung.


Ich halte den Subjektstatus für eine zwingend notwendige Konstruktion des sozialen Raums. Für das Individuum notwendig für die Bildung und Aufrechterhaltung des "ich". Und notwendig als Sphäre der ideellen Sebstbestimmung.
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step
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Beitrag(#1568913) Verfasst am: 09.11.2010, 22:44    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Man kann den Subjektstatus als rein soziale, aber dennoch notwendige<s> soziale</s> Konstruktion betrachten.

Ja, und das tue ich im wesentlichen. Auch wenn ich glaube, daß "Subjekt" ohne den sozialen Kontext gar keinen Sinn hätte.

zelig hat folgendes geschrieben:
Als Physikalisten betrachte ich eher die Menschen, die Dinge, die sich nicht auf physische Grundgrößen reduzieren lassen, -und zwar deswegen- nicht für real halten. ...

Wenn ich also meine, daß sich alle Dinge auf physikalische Grundgrößen reduzieren lassen, hältst Du mich nicht für einen Physikalisten? zwinkern

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich halte den Subjektstatus für eine zwingend notwendige Konstruktion des sozialen Raums.

Das sehe ich ähnlich. In einer Gesellschaft, die aus kooperierenden Individuen besteht, benötigt man einen Bezeichner für die Eigenschaft, "soziales Atom", "Mitspieler" zu sein. "Person" oder "Subjekt" ist da mE ein guter Begriff.

zelig hat folgendes geschrieben:
Für das Individuum notwendig für die Bildung und Aufrechterhaltung des "ich". Und notwendig als Sphäre der ideellen Sebstbestimmung.

Hier stimme ich vorsichtshalber mal nicht zu, klingt irgendwie verdächtig Lachen
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zelig
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Beitrag(#1568948) Verfasst am: 09.11.2010, 23:14    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Man kann den Subjektstatus als rein soziale, aber dennoch notwendige<s> soziale</s> Konstruktion betrachten.

Ja, und das tue ich im wesentlichen. Auch wenn ich glaube, daß "Subjekt" ohne den sozialen Kontext gar keinen Sinn hätte.

zelig hat folgendes geschrieben:
Als Physikalisten betrachte ich eher die Menschen, die Dinge, die sich nicht auf physische Grundgrößen reduzieren lassen, -und zwar deswegen- nicht für real halten. ...

Wenn ich also meine, daß sich alle Dinge auf physikalische Grundgrößen reduzieren lassen, hältst Du mich nicht für einen Physikalisten? ;-)



Der Text ging aber so:

zelig hat folgendes geschrieben:
Als Physikalisten betrachte ich eher die Menschen, die Dinge, die sich nicht auf physische Grundgrößen reduzieren lassen, -und zwar deswegen- nicht für real halten. Oder irgendwie für weniger real, illusionär. Bewussstein, "ich" usf.


; )


step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Für das Individuum notwendig für die Bildung und Aufrechterhaltung des "ich". Und notwendig als Sphäre der ideellen Sebstbestimmung.

Hier stimme ich vorsichtshalber mal nicht zu, klingt irgendwie verdächtig :lol:


Ja, nun. Hast Du keine Idee von Dir? Wie Du sein willst? Welchen Idealen Du anhängst? Und findest Du es nicht gut, wenn Dir Raum zugedacht wird, Dich mit Deinen Idealen zu identifizieren?
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1568957) Verfasst am: 09.11.2010, 23:19    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
An dieser Stelle unterscheidet sich unsere Ansicht. Meiner Ansicht nach ist das schlicht schon deswegen ungerechtfertigt, weil der Determinismus das gar nicht hergibt, was Du (und die anderen, die diese Botschaft verbreiten) meinst, dass er es täte.

Lass es mich so sagen. Er gibt es her, wenn man den Physikalismus als einzige und vollständige Realität betrachtet, sowie das Subjekt als metaphysisches Konzept. Er gibt es aber nicht zwingend her. Das ist meine Auffssung. Und ich denke, die Praxis gibt mir Recht..

Nun ja, zwingender Schluss hin oder her, mir scheint das erst mal nur eine Definitonsfrage zu sein. Und Definitionen sind nicht zwingend, das sind immer nur Festlegungen.

Meinem Verständnis nach könnte man aber nun zumindest sagen, dass dieser mein Glaube (-> alle Phänomene unserer Welt - auch die mentalen - supervenieren über physikalischen Prozessen) zumindest eine notwendige Bedingung dafür ist, damit sich jemand als Physikalist bezeichnen kann.

Mag zwar sein, dass das alleine noch keine hinreichende Bedingung ist, es also noch andere notwendige Bedingungen gibt, (nach einer gemeinhin akzeptierten Definition). Jedoch kenne ich diese anderen notwendigen Bedingungen leider zurzeit nicht.

Falls jemand die nennen könnte, kann ich beurteilen, ob ich nach seinen Kriterien ein Physikalist bin oder nicht.

Meinetwegen bin auch in Deiner Sicht lediglich ein Superveniist und kein Physikalist. Das ist mir auch recht.

zelig hat folgendes geschrieben:
Man kann den Subjektstatus als rein soziale, aber dennoch notwendige<s> soziale</s> Konstruktion betrachten. Als Physikalisten betrachte ich eher die Menschen, die Dinge, die sich nicht auf physische Grundgrößen reduzieren lassen, -und zwar deswegen- nicht für real halten. Oder irgendwie für weniger real, illusionär. Bewussstein, "ich" usf.

Meiner Ansicht nach sind alles Konstrukte, unsere gesamte Welt besteht aus Konstrukten. Wie kann sich da jemand hinstellen und mit braunen Kuhaugen behaupten, bestimmte Konstrukte seien nur Konstrukte und deswegen weniger real als andere Konstrukte, weil sie nämlich Konstrukte seien? Mir erscheint diese Argumentation von Vorneherein als völlig absurd.

Es muss doch Gründe geben und die müssen angegeben werden, warum bestimmte Konstrukte weniger real als andere Konstrukte seien. Aber man kann doch nicht einfach sagen: X ist nicht real, nur eine Illusion, weil es ein Konstrukt ist. Wäre dem so, dann gäbe es mE gar nichts, was man als 'real' bezeichnen könnte.

Ich verstehe diesen dahinterliegenden Realitätsbegriff einfach nicht und ich fürchte, ich werde ihn auch nie verstehen können, weil diejenigen, die das behaupten, anscheinend ihren Realitätsbegriff für so selbstverständlich und als nicht hinterfragbar ansehen, dass sie noch nicht mal meine Frage danach auch nur im Ansatz verstehen können und ihn folglich auch nicht darlegen können.

Wenn ich sage: 'ich bin wütend', dann ist das dann wahr und real, wenn ich tatsächlich wütend bin. Wenn das aber nicht real sein soll, eine Illusion, was, bitteschön ist dann überhaupt real?

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich halte den Subjektstatus für eine zwingend notwendige Konstruktion des sozialen Raums. Für das Individuum notwendig für die Bildung und Aufrechterhaltung des "ich". Und notwendig als Sphäre der ideellen Sebstbestimmung.

Naja, für mich ist das eine nachrangige Frage. Aus meiner Sicht ist es so, dass mein Selbstverständnis (und das, wie ich andere sehe), nämlich als potentiell handelndes Subjekt, für mich eminent wichtig ist. Um das aufzugeben, bräuchte ich dringend ein paar schlagende Argumente. Wieso sollte ich also?

Könnte zwar sein, dass ein anderes Selbstverständnis auch irgendwie einen sozialen Raum aufspannen könnte, wie auch immer. Ich halte mein Selbstverständnis nicht für zwingend, als einzig mögliche Interpretation der Wirklichkeit, ich bin Pluralist, aber die erste und spannende Frage wäre immer noch die: wieso sollte ich das aufgeben? Dafür muss es doch Argumente geben. Ohne Argumente nix Aufgabe.

Jeder darf gerne sein Selbstbild wie auch immer für sich ändern. Das ist ja seine Sache. Darf sich von seinem Ich lösen und irgendwo im Nirgendwo schweben, wie immer es ihm beliebt. Das ist mir wurscht.

Aber wieso soll ich es ihm gleich tun? Weil irgend jemand behauptet, ich hätte ein irgendwie geartetes metaphysisches Selbstbild? Nö, der irrt sich dann halt, nicht mein Problem. Weil jemand behauptet, ich müsse ein irgendwie geartetes metaphysisches Selbstbild haben, weil die meisten anderen das auch angeblich hätten und ich müsse das jetzt auch annehmen, damit er es zerlegen kann? Also bei aller Liebe: nee, tut mir leid, so läuft das nicht.
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zelig
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Beitrag(#1568991) Verfasst am: 09.11.2010, 23:47    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
An dieser Stelle unterscheidet sich unsere Ansicht. Meiner Ansicht nach ist das schlicht schon deswegen ungerechtfertigt, weil der Determinismus das gar nicht hergibt, was Du (und die anderen, die diese Botschaft verbreiten) meinst, dass er es täte.

Lass es mich so sagen. Er gibt es her, wenn man den Physikalismus als einzige und vollständige Realität betrachtet, sowie das Subjekt als metaphysisches Konzept. Er gibt es aber nicht zwingend her. Das ist meine Auffssung. Und ich denke, die Praxis gibt mir Recht..

Nun ja, zwingender Schluss hin oder her, mir scheint das erst mal nur eine Definitonsfrage zu sein. Und Definitionen sind nicht zwingend, das sind immer nur Festlegungen.

Meinem Verständnis nach könnte man aber nun zumindest sagen, dass dieser mein Glaube (-> alle Phänomene unserer Welt - auch die mentalen - supervenieren über physikalischen Prozessen) zumindest eine notwendige Bedingung dafür ist, damit sich jemand als Physikalist bezeichnen kann.

Mag zwar sein, dass das alleine noch keine hinreichende Bedingung ist, es also noch andere notwendige Bedingungen gibt, (nach einer gemeinhin akzeptierten Definition). Jedoch kenne ich diese anderen notwendigen Bedingungen leider zurzeit nicht.

Falls jemand die nennen könnte, kann ich beurteilen, ob ich nach seinen Kriterien ein Physikalist bin oder nicht.

Meinetwegen bin auch in Deiner Sicht lediglich ein Superveniist und kein Physikalist. Das ist mir auch recht.



Neinnein. Also wenn Du Dich als Physikalist betrachtest, dann ist ja gut. Mein Knackpunkt ist, daß Supervenienz Ausdruck für eine Relation ist, die nicht von einer Naturgesetzlichkeit gedeckt ist. Oder vielleicht habe ich das falsch verstanden. Jedenfalls würde ich schon jeden als Physikalisten bezeichnen (wenn er es will), wenn er der Auffassung ist, daß Supervinienz eine Relation bezeichnet, die einer Naturgesetzlichkeit entspricht, nur man weiß noch nicht welcher. Aber wenn man Supervenienz als Platzhalter-Relation für etwas Unverstandenes betrachtet, wie ich zB, dann ist man sicher kein Physikalist. Falls ich hier komplett auf dem falschen Dampfer bin, ich lerne gerne.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

zelig hat folgendes geschrieben:
Man kann den Subjektstatus als rein soziale, aber dennoch notwendige<s> soziale</s> Konstruktion betrachten. Als Physikalisten betrachte ich eher die Menschen, die Dinge, die sich nicht auf physische Grundgrößen reduzieren lassen, -und zwar deswegen- nicht für real halten. Oder irgendwie für weniger real, illusionär. Bewussstein, "ich" usf.

Meiner Ansicht nach sind alles Konstrukte, unsere gesamte Welt besteht aus Konstrukten. Wie kann sich da jemand hinstellen und mit braunen Kuhaugen behaupten, bestimmte Konstrukte seien nur Konstrukte und deswegen weniger real als andere Konstrukte, weil sie nämlich Konstrukte seien? Mir erscheint diese Argumentation von Vorneherein als völlig absurd.


Das sehe ich ähnlich. Ich hoffe, ich überlese jetzt nicht den Widerspruch zu meiner Einlassung. Ich erkenne nämlich keinen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
[...]
Wenn ich sage: 'ich bin wütend', dann ist das dann wahr und real, wenn ich tatsächlich wütend bin. Wenn das aber nicht real sein soll, eine Illusion, was, bitteschön ist dann überhaupt real?


Ja, genau.

Rest übereinstimmungshalber gesnippt.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1569031) Verfasst am: 10.11.2010, 00:27    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Mein Knackpunkt ist, daß Supervenienz Ausdruck für eine Relation ist, die nicht von einer Naturgesetzlichkeit gedeckt ist. Oder vielleicht habe ich das falsch verstanden. Jedenfalls würde ich schon jeden als Physikalisten bezeichnen (wenn er es will), wenn er der Auffassung ist, daß Supervinienz eine Relation bezeichnet, die einer Naturgesetzlichkeit entspricht, nur man weiß noch nicht welcher. Aber wenn man Supervenienz als Platzhalter-Relation für etwas Unverstandenes betrachtet, wie ich zB, dann ist man sicher kein Physikalist. Falls ich hier komplett auf dem falschen Dampfer bin, ich lerne gerne.

Du willst von mir was lernen? Das ist sehr löblich. Weiß nur nicht so recht, ob ich dem Anspruch gerecht werden kann. ;)

Also, nach meinem bescheidenen philosophischen Kenntnisstand (ich bin aber kein Philosoph, nur ein sehr interessierter Laie) ist die zurzeit unter Philosophen vorherrschende Meinung Folgende:

1. Supervenienz ist keine hinreichende Bedingung für Physikalismus, nur eine notwendige (allerdings entzieht es sich leider meinem momentanen Kenntnisstand, was genau die notwendigen Bedingungen für Physikalismus umfasst, mag aber auch daran liegen, dass das strittig ist, es darüber keine gute Übereinstimmung gibt.)

2. aus philosophischer Sicht kann auch z.B. ein philosophischer Idealist Supervenienz problemlos akzeptieren

3. Supervenienz ist, (insofern vergleichbar mit Emergenz), kein Nachweis für eine naturgesetzliche Relation, geschweige denn eine Erklärung für etwas

Naja, gut, okay, Du wolltest gar nichts von mir lernen, das habe ich absichtlich missverstanden, ich bin böse. ;)

Ich fasse zusammen: Du hast recht mit Deinem Knackpunkt.

Allerdings, da gibt es noch so ein paar kleine Fragen, die sich mir als philosophischem Laien stellen, die noch zu klären wären:

- was ist eigentlich eine 'naturgesetzliche Relation'? Ein Konstrukt oder mehr als das? Wenn mehr: was mehr?
- gibt es eigentlich einen prinzipiellen, wesentlichen Unterschied zwischen einer idealistischen und einer physikalischen Weltsicht?
- was ist überhaupt das, was wir als 'Realität' bezeichnen?

Bin mir nicht sicher, ob wir dabei auch übereinstimmen würden. ;)

Ich glaube, meine Antworten auf diese Fragen sind eher exotisch.

zelig hat folgendes geschrieben:
Das sehe ich ähnlich. Ich hoffe, ich überlese jetzt nicht den Widerspruch zu meiner Einlassung. Ich erkenne nämlich keinen.

Was daran liegt, das da keiner war. Du hast nichts überlesen.
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göttertod
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Beitrag(#1569055) Verfasst am: 10.11.2010, 01:36    Titel: Antworten mit Zitat

ich hab leider zur Zeit viel zu tun... aber ich lese hier fleisig und mache mir Gedanken und schreibe irgendwann sicher mehr

Mir ist aufgefallen, dass sich viel um den Begriff der "Illusion" dreht. Wir sollten den Begriff "Illusion" definieren. Ich glaube dann klärt sich wieder ein bischen.


Wenn ich im Text z.B. von einer Benutzerillusion ("Ich"/"Selbst") spreche, dann meine ich nicht, dass sie nicht existiert. Die Illusion existiert, aber nur als neuronales Korrelat. Repräsentiert in verschiedenen Arealen, Modulen, Projektionsfeldern - zumeist als deklaratives Wissen in Form von z.B. abgespeicherten und notwendigerweise aufrufbaren Pronomen und ähnlichem, oder in Form von prozedualem Wissen im Sinne von z.B. abgespeicherten Interaktionsmustern der intersubjektiven Kommunikation/Interaktion.

Die Illusion ist hier materiell unterlegt und theoretisch reduzierbar. Und den Nutzen sehe ich auch. Oft habe ich hier im Forum geschrieben, dass die Individualität mit das höchste Gut ist. Und wenn ich die Subjektivität gewissermaßen auflöse, indem ich von Objekten in einer monistisch-materiellen-physikalischen Welt spreche, dann entspricht das meiner Sicht der bisher konsistentesten Theorie der Welt, und soll in keinem Fall dazu führen, dass der einzelne Mensch sich im physikalischen Kosmos auflöst und nichts kulturelles mehr einen "Sinn" hat. Das "Objekt" Mensch ist ja trotzdem zur Kognition fähig, es gibt ja trotzdem Begriffe wie Selbst, Ich, Mama, Volk.

göttertod hat folgendes geschrieben:


Grundprinzip=Zustandsveränderung=Veränderung=(Wechselwirkung)

ohne Veränderung kein Sein, keine Realität, keine Existenz

Frage: Wenn ich eine Theorie entwickeln will mit der ich alle Zustandsveränderungen der Realität, des Universums, der Existenz beschreiben will, scheitert diese nicht immer an noch spezielleren Zuständen, die in der Theorie nicht enthalten sind?
Ich meine es so im Sinne des infiniten Regresses beim Münchhausen Trillema. Oder spielen da doch theoretische Begrenzungen des Daseins eine Rolle wie diese Planck-Skala??? (null-durchblick - kann ich mir auch nicht vorstellen, so eine Begrenztheit. Unendlichkeit oder Ewigkeit macht laienhaft mehr Sinn)

Schön finde ich immer dieses Beispiel Wissen als Asymptote. Wenn sich unsere Theorien der objektiven Realität annähern, aber sie als Asymptote nie erreichen können, wie könnte die Weltformel diesen Knackpunkt überspringen?

Ich empfinde mich auf jeden Fall als Reduktionist, doch glaube ich, dass man die 100% nur erreichen kann (und somit die Weltformel?), wenn man das Universum wird - vollkommen Sci/Fi wenn wir uns als z.B. unfassbar fortentwickelte Wesen der Grundstruktur des Universums angeglichen haben und dann darin aufgehen, oder zum Ganzen werden. Wobei ich denke, dass es kein erstrebenswerter Zustand wäre, da ja jegliche Subjektivität und Diversität aufgehoben wäre.

Also den Reduktionismus als Grundprinzip (den physikalischen Prinzipien ist näherungsweise immer mehr auf den Leib zu rücken) anerkennen, und gleichzeitig das Akzeptieren ihn nie gänzlich zu formalisieren??!


Ich meine mit Illusion also nie eine immaterielle Illusion. Lachen Witzig ist, es wird wohl nie eine immaterielle Illusion geben, da alles was gedacht wird ja im Gehirn repräsentiert wird, hehe.
(und hier manifestiert sich für mich auch DAS WERKZEUG für die Mächtigkeit des Reduktionismus in der Leib-Seele-Debatte... die Empirie, Hirnforschung, Neurowissenschaften, fMRT, etc.)


Und dann kommen wir wieder zum Dualismus als Gegentheorie, oder eine Form von Idealismus (Platons Ideenlehre), in denen es die andere Art der von dir AgentProv. (so ich dich bisher verstehe) z.B. auch mir unterstellten Illusionsart "gibt". Diese immaterielle Illusion gibt es aber nicht in meinem Versuch einer Theorie.
Wenn ich von Illusion spreche, dann meine ich etwas materielles (,aber vielleicht nicht außerhalb des simulierten Weltmodell existierendes - z.B. rosa Einhorn, oder "Selbst" anders gemeint).

Definiere du (agentprov) bitte mal Illusion wie du es bei mir liest und wie du den Begriff benutzt und verstehst - kurz und grob..
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1569066) Verfasst am: 10.11.2010, 02:29    Titel: Antworten mit Zitat

göttertod hat folgendes geschrieben:
Definiere du (agentprov) bitte mal Illusion wie du es bei mir liest und wie du den Begriff benutzt und verstehst - kurz und grob..

Dies ist meine Definition von Illusion:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
X ist eine Illusion von Y dann, wenn X fälschlich für Y gehalten wird. Was ist demnach Y bei einer Ich-Illusion?

Dein Verständnis von 'Illusion', so wie ich das verstehe, unterscheidet zwischen 'realer Realität' und 'konstruierter Realität'. Alles, was 'konstruierte Realität' ist, ist Illusion, weil nicht 'tatsächlich, wirklich, echt' real, alles, was 'echte Realität' ist, ist keine Illusion, weil 'tatsächlich, wirklich, echt' real.

Ich kann mir nun zwar im Ansatz vorstellen, was 'reale Realität' bedeuten könnte, was Du damit meinen könntest, die ist, so wie ich das verstehe, die Wirklichkeit, wie sie von einem objektiven, neutralen und allwissenden Beobachterstandpunkt gesehen, und interpretiert!, würde, (der s.g. 'god's point of view').

Leider aber halte ich diesen hypothetischen Standpunkt für vollkommen surreal.

Weil: selbst wenn es den gäbe: der ist mE so oder so für uns völlig irrelevant. Ich sehe zumindest noch nicht einmal den Ansatz einen Grundes, wieso der für uns relevant sein könnte. Weil ich nämlich nicht daran glaube, dass es die einzig wahre Interpretation der Wirklichkeit geben könnte. Jede Interpretation hängt nämlich mE von nicht weiter begründbaren Prämissen ab.

Daraus folgt: ich halte diese Betrachtungsweise für von Vorneherein für sinnlos.

(Das ist übrigens auch letztlich der Grund, warum mich die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, überhaupt nicht tangiert. Das spielt schlicht keine Rolle, ist einfach nur gleichgültig.)

Zusammenfassung: ich bin Pluralist bezüglich der Interpretationen der Wirklichkeit. Ich glaube nicht an die einzig wahre Interpretation der Wirklichkeit. Und daher bin ich mehr als misstrauisch, wenn mir jemand die verkaufen will. Ich erwarte dann verdammt gute Gründe dafür.

Oder, mal anders gesagt: Du scheinst an die Wahrheit(TM) zu glauben (= die einzig richtige Interpretation der Wirklichkeit), ich aber tue das nicht. Ich verstehe noch nicht mal im Ansatz, wie man das tun kann. Dazu benötigte man eine Letztbegründung und es ist absolut jenseits meines Vorstellungsvermögens, wie jemand die geben könnte. Ich würde eher an Gott (= ein Wesen, das viel mächtiger ist als ich und mir deswegen unter Androhung von Gewalt seine eigene Wahrheit einbläuen kann, die ich dann vorgeben würde, zu glauben, denn großer Gewalt werde ich mich beugen) glauben als an eine Letztbegründung.

Oder, mal noch anders gesagt: mein Selbstbild (und wie ich andere sehe) z.B. bildet mE die Realität ab, d.h.: es gibt keinerlei wissenschaftliche Erkenntnis, die dem widersprechen würde. Aber dieses Selbstbild ist mE nicht das einzig wahre Selbstbild. Es mag nun tausende davon unterschiedliche Selbstbilder geben, die ebenso die Realität abbilden. Man kann Dinge so oder so sehen, aber die Frage: wie sind sie tatsächlich ergibt mE schlicht keinen Sinn. Es gibt nichts dahinter und somit auch keinen objektiven Beobachterstandpunkt, an den zu glauben scheinst.
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Beitrag(#1569077) Verfasst am: 10.11.2010, 06:51    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
[...]
- was ist eigentlich eine 'naturgesetzliche Relation'? Ein Konstrukt oder mehr als das? Wenn mehr: was mehr?
- gibt es eigentlich einen prinzipiellen, wesentlichen Unterschied zwischen einer idealistischen und einer physikalischen Weltsicht?
- was ist überhaupt das, was wir als 'Realität' bezeichnen?


OK, das macht Spaß.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Bin mir nicht sicher, ob wir dabei auch übereinstimmen würden. ;)


Hoffentlich nicht. Wäre doch langweilig.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich glaube, meine Antworten auf diese Fragen sind eher exotisch.


Trau Dich doch. ; )
Wenn ich mich fit genug fühle, werde ich auch versuchen was zu formulieren.
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göttertod
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Beitrag(#1569094) Verfasst am: 10.11.2010, 09:47    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
göttertod hat folgendes geschrieben:
Definiere du (agentprov) bitte mal Illusion wie du es bei mir liest und wie du den Begriff benutzt und verstehst - kurz und grob..

Dies ist meine Definition von Illusion:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
X ist eine Illusion von Y dann, wenn X fälschlich für Y gehalten wird. Was ist demnach Y bei einer Ich-Illusion?

Dein Verständnis von 'Illusion', so wie ich das verstehe, unterscheidet zwischen 'realer Realität' und 'konstruierter Realität'. Alles, was 'konstruierte Realität' ist, ist Illusion, weil nicht 'tatsächlich, wirklich, echt' real, alles, was 'echte Realität' ist, ist keine Illusion, weil 'tatsächlich, wirklich, echt' real.

Ich kann mir nun zwar im Ansatz vorstellen, was 'reale Realität' bedeuten könnte, was Du damit meinen könntest, die ist, so wie ich das verstehe, die Wirklichkeit, wie sie von einem objektiven, neutralen und allwissenden Beobachterstandpunkt gesehen, und interpretiert!, würde, (der s.g. 'god's point of view').

Leider aber halte ich diesen hypothetischen Standpunkt für vollkommen surreal.

Weil: selbst wenn es den gäbe: der ist mE so oder so für uns völlig irrelevant. Ich sehe zumindest noch nicht einmal den Ansatz einen Grundes, wieso der für uns relevant sein könnte. Weil ich nämlich nicht daran glaube, dass es die einzig wahre Interpretation der Wirklichkeit geben könnte. Jede Interpretation hängt nämlich mE von nicht weiter begründbaren Prämissen ab.

Daraus folgt: ich halte diese Betrachtungsweise für von Vorneherein für sinnlos.

(Das ist übrigens auch letztlich der Grund, warum mich die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, überhaupt nicht tangiert. Das spielt schlicht keine Rolle, ist einfach nur gleichgültig.)

Zusammenfassung: ich bin Pluralist bezüglich der Interpretationen der Wirklichkeit. Ich glaube nicht an die einzig wahre Interpretation der Wirklichkeit. Und daher bin ich mehr als misstrauisch, wenn mir jemand die verkaufen will. Ich erwarte dann verdammt gute Gründe dafür.

Oder, mal anders gesagt: Du scheinst an die Wahrheit(TM) zu glauben (= die einzig richtige Interpretation der Wirklichkeit), ich aber tue das nicht. Ich verstehe noch nicht mal im Ansatz, wie man das tun kann. Dazu benötigte man eine Letztbegründung und es ist absolut jenseits meines Vorstellungsvermögens, wie jemand die geben könnte. Ich würde eher an Gott (= ein Wesen, das viel mächtiger ist als ich und mir deswegen unter Androhung von Gewalt seine eigene Wahrheit einbläuen kann, die ich dann vorgeben würde, zu glauben, denn großer Gewalt werde ich mich beugen) glauben als an eine Letztbegründung.

Oder, mal noch anders gesagt: mein Selbstbild (und wie ich andere sehe) z.B. bildet mE die Realität ab, d.h.: es gibt keinerlei wissenschaftliche Erkenntnis, die dem widersprechen würde. Aber dieses Selbstbild ist mE nicht das einzig wahre Selbstbild. Es mag nun tausende davon unterschiedliche Selbstbilder geben, die ebenso die Realität abbilden. Man kann Dinge so oder so sehen, aber die Frage: wie sind sie tatsächlich ergibt mE schlicht keinen Sinn. Es gibt nichts dahinter und somit auch keinen objektiven Beobachterstandpunkt, an den zu glauben scheinst.


so mehrdeutig kann Sprache gar nicht sein, wie du mich zu verstehen glaubst, oder ständig missverstehst, falsch interpretierst, oder bewusst falsch wiedergibst.... Mit dir ist es wie gegen eine Wand rennen, sorry aber das ist für mich jetzt echt sinnfrei und wirr - macht so keinen Spaß und bringt mir nichts.... echt der Hammer
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Beitrag(#1569195) Verfasst am: 10.11.2010, 13:35    Titel: Antworten mit Zitat

göttertod hat folgendes geschrieben:
so mehrdeutig kann Sprache gar nicht sein, wie du mich zu verstehen glaubst, oder ständig missverstehst, falsch interpretierst, oder bewusst falsch wiedergibst.... Mit dir ist es wie gegen eine Wand rennen, sorry aber das ist für mich jetzt echt sinnfrei und wirr - macht so keinen Spaß und bringt mir nichts.... echt der Hammer

Ich sage es mal anders. Nochmal, aber kürzer. Meine Definition von Illusion ist die:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
X ist eine Illusion von Y dann, wenn X fälschlich für Y gehalten wird.

Wenn das die korrekte Definition von 'Illusion' ist, dann muss jemand, der sagt, es gäbe eine Ich-Illusion, das Y benennen können.

Wenn das aber nicht die korrekte Definition von 'Illusion' ist und alles, was ich oben vermutet habe, nicht stimmt, dann weiß ich schlicht nicht, was Du überhaupt damit meinen könntest.

Vielleicht wäre es hilfreich, wenn Du mal kurz Deine Definition von 'Illusion' darlegst.

Du sagst:

göttertod hat folgendes geschrieben:
Die Illusion existiert, aber nur als neuronales Korrelat.

Das verstehe ich nicht, weil da was fehlt. Nämlich das Y aus meiner Definition. Wenn Du das mal benennen könntest.

Die Illusion existiert nicht als was?
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Babyface
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Beitrag(#1569291) Verfasst am: 10.11.2010, 15:33    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
X ist eine Illusion von Y dann, wenn X fälschlich für Y gehalten wird.

Das ist so nicht ganz korrekt. Wenn da eine Katze (x) läuft und ich die für einen Hund (y) halte, dann ist die Katze keine Illusion. Die Illusion wäre die falsche Wahrnehmungskonstruktion y' auf Basis von Reizquelle x. Eine Halluzination wäre übrigens eine falsche Wahrnehmungskontruktion y' ganz ohne Reizquelle.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1569346) Verfasst am: 10.11.2010, 16:35    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, Du hast recht. Muss eher so lauten:

Eine Wahrnehmung W ist dann eine Illusion, wenn ein X fälschlich für ein Y gehalten wird.

Wäre das soweit okay?

Was ist dann bei einer 'Ich-Illusion' das Y?

Und welche Wahrnehmung von sich selber wäre die korrekte?

------

@zelig: ich habe Dich nicht überlesen, bin aber noch am Überlegen
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1569532) Verfasst am: 10.11.2010, 22:00    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
[...]
- was ist eigentlich eine 'naturgesetzliche Relation'? Ein Konstrukt oder mehr als das? Wenn mehr: was mehr?
- gibt es eigentlich einen prinzipiellen, wesentlichen Unterschied zwischen einer idealistischen und einer physikalischen Weltsicht?
- was ist überhaupt das, was wir als 'Realität' bezeichnen?

[...]
Trau Dich doch. ; )
Wenn ich mich fit genug fühle, werde ich auch versuchen was zu formulieren.

Also dann.

1. eine naturgesetzliche Relation ist mE ein Konstrukt. (Was nun nicht heißt, dass Konstrukte beliebig seien, also alle Konstrukte gleich gültig wären, das sind sie selbstverständlich nicht. Es gibt Konstrukte, die gut zur Wirklichkeit passen und andere, die das nicht tun. Letztere sind weit weniger nutzbringend als erstere.) Aber dennoch ein Konstrukt, weil mir die Frage, ob die tatsächlich bestehe, als sinnlos erscheint.

2. mE gibt es zwischen bestimmten Auffassungen von Idealismus und Materialismus keinen fassbaren Unterschied. Und zwar zwischen denjenigen Auffassungen jeweils, die Ideen oder Materie als wirklicher ansehen als jeweils das andere. Zitat:

Idealism hat folgendes geschrieben:
In the philosophy of mind, idealism is the opposite of materialism, in which the ultimate nature of reality is based on physical substances. Idealism and materialism are both theories of monism as opposed to dualism and pluralism.

Den Gedanken einer 'ultimate nature of reality' halte ich für sinnlos, bzw. für reine Geschmackssache, nicht entscheidbar, unbegründet.

3. mein Realitätsbegriff basiert auf dem internen und dem direkten Realismus (dem von Putnam).

(Wir hatten das übrigens schon mal dort.)

Vielleicht erst mal noch ein Zitat dazu:

Hilary Putnam - Metaphilosophy and ontology hat folgendes geschrieben:
In the late 1970s and the 1980s, stimulated by results from mathematical logic and by some ideas of Quine, Putnam abandoned his long-standing defence of metaphysical realism — the view that the categories and structures of the external world are both causally and ontologically independent of the conceptualizations of the human mind. He adopted a rather different view, which he called "internal realism".

Internal realism is the view that, although the world may be causally independent of the human mind, the structure of the world—its division into kinds, individuals and categories—is a function of the human mind, and hence the world is not ontologically independent. The general idea is influenced by Kant's idea of the dependence of our knowledge of the world on the "categories of thought".

The problem with metaphysical realism, according to Putnam, is that it fails to explain the possibility of reference and truth. According to the metaphysical realist, our concepts and categories refer because they match up in some mysterious manner with the pre-structured categories, kinds and individuals that are inherent in the external world. But how is it possible that the world "carves up" into certain structures and categories, the mind carves up the world into its own categories and structures, and the two "carvings" perfectly coincide? The answer must be that the world does not come pre-structured but that structure must be imposed on it by the human mind and its conceptual schemes.


Nur noch eine kleine Anmerkung dazu, was das mE bedeutet.

Diese beiden Ansichten, bzw., das, was mE dahintersteckt, nämlich der Gedanke an eine Realität hinter unserer Realität, halte ich demnach für von falschen Vorausetzungen ausgehend:

Boltzmann-Gehirne hat folgendes geschrieben:
Sie, lieber Leser, könnten allein existieren und ein solches Boltzmann-Gehirn sein. Dann wäre die gesamte Außenwelt Ihre wahrhaft kosmische Halluzination. Diese Ausgabe von bild der wissenschaft, die Atemluft ringsum, die Bäume am Horizont und auch die fernsten Galaxien wären eine riesige Täuschung.

step hat folgendes geschrieben:
- existieren wir (oder sind wir eine Simulation)?


Wenn wir ein Boltzmann-Gehirn wären, würde das mE nichts an unserer Realität ändern, ebenso nicht, wenn wir eine 'Simulation' wären.

Unsere Realität ist so, wie sie ist. Das ist alles, es gibt nichts dahinter, was in irgend einer Weise 'realer' sein könnte, etwas, das unsere Realität als 'nur gedacht, als Halluzination' oder 'nur simuliert' erweisen könnte.
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step
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Beitrag(#1569571) Verfasst am: 10.11.2010, 23:24    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- existieren wir (oder sind wir eine Simulation)?

Wobei ich das in dem thread als typische Frage zitiert habe. Hier im Forum wurde diese Frage immer von anderen gestellt, und ich habe versucht, sie zu beantworten, indem ich sie klar von der Frage nach einer 'ultimate nature of reality' unterschieden habe.

Meines Erachtens macht diese Frage dementsprechend nur Sinn, wenn wir konkrete (z.B. physikalische) Kriterien für Realität definieren, so daß Realität eine "bedingte" Eigenschaft wird. Der übliche philosophische (ontologische) Realitätsbegriff gibt das nicht her, weswegen ich Dir zustimme, daß die 'ultimate nature of reality' auf diese Weise zu erfragen sinnlos ist.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1569606) Verfasst am: 11.11.2010, 00:36    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Wobei ich das in dem thread als typische Frage zitiert habe. Hier im Forum wurde diese Frage immer von anderen gestellt, und ich habe versucht, sie zu beantworten, indem ich sie klar von der Frage nach einer 'ultimate nature of reality' unterschieden habe.

Ausrufezeichen

Ja, Du hast recht!

Das ist nicht Deine Position, so wie ich die bisher verstehe, sondern einfach nur eine Frage von anderen, die Du aufgreifst, die so öfter gestellt und demnach auch für sinnvoll gehalten wird, (sonst würde sie ja nicht gestellt - man nimmt also an, es gäbe einen prinzipiellen, grundlegenden, ausschlaggebenen Unterschied zwischen 'Realität' und 'Simulation').

Da muss ich mich bei Dir entschuldigen, dass ich das so zusammenhanglos dahin gestellt habe, so, als ob das Deine Auffassung wäre. Mein Fehler.

step hat folgendes geschrieben:
Meines Erachtens macht diese Frage dementsprechend nur Sinn, wenn wir konkrete (z.B. physikalische) Kriterien für Realität definieren, so daß Realität eine "bedingte" Eigenschaft wird. Der übliche philosophische (ontologische) Realitätsbegriff gibt das nicht her, weswegen ich Dir zustimme, daß die 'ultimate nature of reality' auf diese Weise zu erfragen sinnlos ist.

Über die Kriterien für Realität können wir später auch noch reden, das würde ich aber gerne erst mal etwas zurückschieben.

Würdest Du mir denn auch dabei zustimmen, dass die Frage, ob wir ein Boltzmann-Gehirn sind oder nicht, die deswegen interessant sei, weil das einen Unterschied für unseren Realitätsbegriff machen würde, ebenso sinnlos ist, wie die Frage, ob wir eine Simulation sind?

Was, wenn man diesen Gedanken, den ich leider selber noch nicht so klar fassen kann, fortführt, doch auch bedeuten müsste, dass der Unterschied zwischen einem Solipsisten und einem Realisten sich in ein rosa Logikwölkchen ausflöst, oder? Aber das habe ich jetzt noch nicht genügend durchdacht, das erscheint mir lediglich intuitiv plausibel. Was natürlich erst mal alleine deswegen nicht plausibel erscheint, weil es mW nach eine große Übereinstimmung darüber gibt, dass Solipsismus nicht widerlegbar ist. Aber meine Intuition sagt gerade etwas anderes.
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