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Eine Renaissance des Faschismus in Deutschland?
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Steuern wir wieder in einen Faschismus?
Ja, die Parallelen zum Hitler-Faschismus sind offensichtlich
17%
 17%  [ 7 ]
Ja, aber der Vergleich mit dem Hitler-Faschismus ist unzulässig
21%
 21%  [ 9 ]
Vielleicht, die Parallelen sind nicht eindeutig zu erkennen
17%
 17%  [ 7 ]
Nein, es sind keine Parallelen zum Hitler-Faschismus zu erkennen
21%
 21%  [ 9 ]
Nein, ein Faschismus ist bei uns heute nicht mehr möglich
21%
 21%  [ 9 ]
Stimmen insgesamt : 41

Autor Nachricht
L.E.N.
im falschen Film



Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1581999) Verfasst am: 06.12.2010, 23:13    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Nach wie vor ist mir nicht ersichtlich, warum heute in der BRD mit Recht zu kritisierende Erscheinungen gleich mit "Faschismus" in Verbindung gebracht werden müssen. Der Nationalsozialismus an der Macht mit seinem mörderischen Rassenwahn steht nach wie vor als düsterstes Kapitel der deutschen Geschichte im 20. Jh. da, für dessen Wiederholung in der Zukunft m. E. die Voraussetzungen fehlen.

Für diese Annahme spricht vor allem auch die europäische und internationale Einbindung des heutigen Deutschlands und das Vorhandensein demokratischer Elemente, die erkämpft worden sind und kein Geschenk darstellen.
Warum eigentlich die nationale Beschränkung in der Ausgangsfrage?

Wie die Zukunft aussehen wird, ist außerordentlich schwer zu sagen. Für die einen kippt die Zivilisation der modernen Industriestaaten in Barbarei ab. Andere setzen Hoffnungen in die internationale Vernetzungen. Jüngere Generationen, die das Internet nutzen, werden nicht mehr frenetisch einem nationalen "Führer" zujubeln.

Wenn man sich die Utopien der Vergangenheit anschaut, die für die Zukunft ein Paradies auf Erden oder eine apokalyptische Katastrophe ausmalten, so fällt vor allem die verkürzte zeitliche Perspektive auf. Deren Autoren sind ungeduldig und lassen geschichtliche Prozesse, die sich in großen Räumen, auf mehreren Kontinenten abspielen, innerhalb kürzester Zeit geschehen.

Meine Generation, die mit der Erfahrung der Kubakrise von 1962 aufgewachsen ist, in der das Schicksal der Menschheit tatsächlich von einer psychologischen Zerreißprobe zwischen Kennedy und Chruschtschow abzuhängen schien, ist durch solch eine verkürzte zeitliche Perspektive stark geprägt worden.
Gemäß der Propaganda, der wir ausgesetzt waren, hat die "Große Sozialistische Oktoberrevolution" 1917 innerhalb weniger Stunden nichts weniger als das "Schicksal der Menschheit" entschieden, - wie der Sturm auf die Bastille 1789 - und wir sahen den schönen Eisenstein-Film mit dem Sturm auf das Winterpalais (der allerdings so nicht stattgefunden hat, die Minister wurden sang- und klanglos verhaftet, die Helden des Aufstandes stürmten daraufhin den Weinkeller).

"A Brave new world" Huxleys oder "1984" als Gegenutopien (die auch Utopien sind) schreiben dann einen erreichten Zustand statisch fest. Da ändert sich nichts mehr. Die Mächte der Finsternis haben ihr Ziel der Versklavung erreicht und Gegenkräfte ausgeschaltet.

Der Übergang zur "Barbarei" (autoritäre Staatswesen, "gläserner Mensch") könnte eine Angelegenheit von mehreren Generationen sein, aber in der Zeit wachsen auch Gegenkräfte.

Wenn man über die Zukunft nachdenkt - muss man da den "Faschismus" heraufbeschwören, den "alldeutschen" Nebel der Zeit des Nationalsozialismus wieder wabern lassen?


danke für diesen beitrag.
meine antwort lautet: geschichte verpflichtet - und zwar nicht nur unsere.
gleichzeitig sehen wir immer wieder, dass menschen aus der geschichte nichts lernen und dieselben fehler ständig wiederholen.
es ist nicht verkehrt, die nazi-barbarei als mahnung im hinterkopf zu haben aber nicht als totschlagargument gegen rechtpopulistische propaganda.
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Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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györgy
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Anmeldungsdatum: 22.10.2007
Beiträge: 345

Beitrag(#1582042) Verfasst am: 06.12.2010, 23:48    Titel: Antworten mit Zitat

Misterfritz hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Dass es Parallelen zwischen heutiger Islamophobie und dem Antisemitismus der 20ger und 30ger Jahre gibt, werde ich natuerlich weiterhin vertreten.
es gibt parallen? finde ich interessant. wurde nicht der antisemitismus gerade als staats"doktrin" von oben verordnet. und wird uns nicht hier von oben dauernd gepredigt, dass wir alles für die integration der muslime in unsere gesellschaft tun müssen?
wie also geht das zusammen?


Ich frage mich gerade, wann der Antisemitismus in Deutschland außer in der Nazizeit in den letzten 200-300 Jahren als "Staatsdoktrin" von oben verordnet worden ist. Mit fällt spontan nichts ein.

Betrachtet man die "deutsche" Geschichte als Ganzes fällt auf, dass Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zu jeder Zeit in der Bevölkerung auftraten und von den Kirchen mindestens bis in die 1950er Jahre propagiert worden ist.

Die Islamfeindlichkeit konnte jedoch bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts mangels Muslime in Deutschland im Gegensatz zum Antisemitismus nie wirklich in Form physischer Gewalt und konkreterer Hetze "ausgelebt" werden. Mit der Reformation war bspw. nicht nur ein Anwachsen des Antisemitismus zu verzeichnen, nein, angestachelt von den innerchristlichen Auseindersetzungen überboten sich Protestanten und Katholiken gegenseitig in ihrer Schmähpropaganda gegen die "Türken", die als Teufel persönlich dargestellt wurden. Dass die Osmanen damals Europa militärisch erheblich bedrohten, erklärt zwar einiges der damaligen Auswüchse, aber noch lange nicht alles. Die Angriffe besaßen einen klar religiös-rassistische Komponente.

Die von den Rechten sogenannte "Multikultiideologie" des rot-grünen Lagers stellte spätestens seit den 80er Jahren eine wichtige politische Richtung in Deutschland dar, sie war allerdings nie dominierend. In weiten Teilen der Bevölkerung, sowie im politischen Spektrum rechts von der Linken herrschten dem Islam gegenüber immer Skepsis bis offener Hass vor.

Dein Staatsdoktrinkonstrukt erinnert eher an christlich-fundamentalistische bzw. totalitäre Propaganda (Christen in Deutschland verfolgt, Bedrohung der Deutschen durch sogenannte Nichtarier, Umsturzversuche der Feinde der Arbeiterklasse), die die wahren Machtverhältnisse bewusst umdreht, um damit ihre eigene Position zu stärken (Kirchen ) oder um damit Angriffe gegen eine schutzlose Minderheit* zu rechtfertigen (typische Funktionsweise totalitärer Regime).

* Im Bezug auf den Islam ist damit die überwiegende Mehrheit der hier lebenden Muslime gemeint und nicht die islamistische Minderheit innerhalb der muslimischen Bevölkerung in D.
_________________
"Fanatismus ist sicherlich tausendfach verhängnisvoller, denn Atheismus entfacht keine blutige Leidenschaft, wo Fanatismus es tut. Atheismus steht dem Verbrechen gegenüber während Fanatismus zu Verbrechen führt." [Voltaire, Philosophisches Taschenwörterbuch, Bd. 2, Atheismus, Sektion IV]
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beachbernie
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Beitrag(#1582055) Verfasst am: 07.12.2010, 00:03    Titel: Antworten mit Zitat

Misterfritz hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Dass es Parallelen zwischen heutiger Islamophobie und dem Antisemitismus der 20ger und 30ger Jahre gibt, werde ich natuerlich weiterhin vertreten.
es gibt parallen? finde ich interessant. wurde nicht der antisemitismus gerade als staats"doktrin" von oben verordnet. und wird uns nicht hier von oben dauernd gepredigt, dass wir alles für die integration der muslime in unsere gesellschaft tun müssen?
wie also geht das zusammen?


Du gehoerst wahrscheinlich auch zu den Ahnungslosen, die glauben, dass der deutsche Faschismus 1933 ploetzlich vom Himmel gefallen ist und 1945 auf raetselhafte Weise wieder spurlos verschwand. zwinkern
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beachbernie
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Beitrag(#1582057) Verfasst am: 07.12.2010, 00:07    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:

es ist nicht verkehrt, die nazi-barbarei als mahnung im hinterkopf zu haben aber nicht als totschlagargument gegen rechtpopulistische propaganda.



Wo die doch schon so dringend als Totschlagargument gegen Moslems gebraucht wird, obwohl die Nazibarbarei unbestreitbar wesentlich mehr mit Rechtspopulismus als mit Religion zu tun hat. Gell Mister Koran-Mein-Kampf-Vergleicher? Winke - Winke
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L.E.N.
im falschen Film



Anmeldungsdatum: 25.05.2004
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Beitrag(#1582059) Verfasst am: 07.12.2010, 00:11    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:

es ist nicht verkehrt, die nazi-barbarei als mahnung im hinterkopf zu haben aber nicht als totschlagargument gegen rechtpopulistische propaganda.



Wo die doch schon so dringend als Totschlagargument gegen Moslems gebraucht wird, obwohl die Nazibarbarei unbestreitbar wesentlich mehr mit Rechtspopulismus als mit Religion zu tun hat. Gell Mister Koran-Mein-Kampf-Vergleicher? Winke - Winke


tja bb, auch wenns dir nicht in den kram passt: man darf hetze aus einem buch mit hetze aus anderen büchern vergleichen.
mach gefälligst deine hausaufgaben bevor du sie von anderen einforderst.
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beachbernie
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Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#1582062) Verfasst am: 07.12.2010, 00:22    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:

es ist nicht verkehrt, die nazi-barbarei als mahnung im hinterkopf zu haben aber nicht als totschlagargument gegen rechtpopulistische propaganda.



Wo die doch schon so dringend als Totschlagargument gegen Moslems gebraucht wird, obwohl die Nazibarbarei unbestreitbar wesentlich mehr mit Rechtspopulismus als mit Religion zu tun hat. Gell Mister Koran-Mein-Kampf-Vergleicher? Winke - Winke


tja bb, auch wenns dir nicht in den kram passt: man darf hetze aus einem buch mit hetze aus anderen büchern vergleichen.
mach gefälligst deine hausaufgaben bevor du sie von anderen einforderst.


Nur eine aktuelle Erscheinungsform des Rechtspopulismus mit einer anderen, historischen vergleichen, dass darf man offensichtlich nicht! Weil das ist natuerlich "Godwin".

Das ist mir aber wurscht. Ich mach's trotzdem. zwinkern Auf den Arm nehmen


Und zwar ohne Dich um Erlaubnis zu fragen, oh Herr der Nazikeulen. Geschockt


P.S.: Hier habe ich noch ein bisschen "food for thoughts" fuer Dich:

http://oeffingerfreidenker.blogspot.com/2010/12/die-angst-der-besitzstandswahrer.html


Da kannst Du mal was richtig Differenziertes zum Themas Faschismus und Deutschland lesen. Aber obacht, vorsorglich noch ein Warnhinweis: Da wird eine Parallele zu Endzeit der Weimarer Republik aufgezeigt. Geschockt Geschockt
Nicht dass Du einen allergischen Schock kriegst. zwinkern
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Shadaik
evolviert



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Wohnort: MG

Beitrag(#1582223) Verfasst am: 07.12.2010, 11:25    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Nach wie vor ist mir nicht ersichtlich, warum heute in der BRD mit Recht zu kritisierende Erscheinungen gleich mit "Faschismus" in Verbindung gebracht werden müssen. Der Nationalsozialismus an der Macht mit seinem mörderischen Rassenwahn steht nach wie vor als düsterstes Kapitel der deutschen Geschichte im 20. Jh. da, für dessen Wiederholung in der Zukunft m. E. die Voraussetzungen fehlen.
Es geht hier aber nicht um Nationalsozialismus.
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L.E.N.
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Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1582232) Verfasst am: 07.12.2010, 11:34    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:

es ist nicht verkehrt, die nazi-barbarei als mahnung im hinterkopf zu haben aber nicht als totschlagargument gegen rechtpopulistische propaganda.



Wo die doch schon so dringend als Totschlagargument gegen Moslems gebraucht wird, obwohl die Nazibarbarei unbestreitbar wesentlich mehr mit Rechtspopulismus als mit Religion zu tun hat. Gell Mister Koran-Mein-Kampf-Vergleicher? Winke - Winke


tja bb, auch wenns dir nicht in den kram passt: man darf hetze aus einem buch mit hetze aus anderen büchern vergleichen.
mach gefälligst deine hausaufgaben bevor du sie von anderen einforderst.


Nur eine aktuelle Erscheinungsform des Rechtspopulismus mit einer anderen, historischen vergleichen,


meine güte, willst du am ende soweit gehen und die nazis aus der weimarer zeit als rechtspopulisten verharmlosen?

Zitat:
dass darf man offensichtlich nicht! Weil das ist natuerlich "Godwin".

strohmann aufgestellt und abgefackelt. *gähn*
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Telliamed
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Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1582352) Verfasst am: 07.12.2010, 13:32    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Telliamed hat folgendes geschrieben:
Nach wie vor ist mir nicht ersichtlich, warum heute in der BRD mit Recht zu kritisierende Erscheinungen gleich mit "Faschismus" in Verbindung gebracht werden müssen. Der Nationalsozialismus an der Macht mit seinem mörderischen Rassenwahn steht nach wie vor als düsterstes Kapitel der deutschen Geschichte im 20. Jh. da, für dessen Wiederholung in der Zukunft m. E. die Voraussetzungen fehlen.
Es geht hier aber nicht um Nationalsozialismus.


Bei der Frage der Begriffsverwendung, die sich durch die Ausgangsfrage und die Umfrage ergibt, gehe ich völlig konform mit @AgentProvocateur.

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1580060#1580060

Wie soll nun die Diskussion weitergeführt werden? Jetzt ist auch wieder der Anti-Islamismus mit von der Partie, und wir können weg vom Hitler-Faschismus vom Hundertsten ins Tausendste kommen.

Ich sage mal mega-debatten-mäßig, dass ich nur ungern an Diskussionen beteiligt bin, in denen das "Der hat das gesagt ..." und "Der hat aber das gemeint ..." bald in die persönliche Richtung übergehen. Kann man ja alles machen. Ich bringe eine "Variation zum Thema", wem es gefällt, der steigt darauf ein, wem nicht, der überliest sie oder niest, wer sich persönlich mit seinen Lieblingskontrahenten zoffen will, mag das tun.

Sticky wurde unwohl bei einem Beitrag von mir, weil der Bezug zu den Gegenwartsproblemen darin schwächer war und ich nur im Zusammenhang mit aktuellen Entwicklungen in der BRD vor einem inflationären Gebrauch des Faschismus-Begriffs warnen wollte. Das kann ich von seiner Seite übrigens verstehen, er brachte dann weitere Gedanken zum Thema. Wir sind wahrscheinlich gar nicht weit voneinander entfernt. Über die Rolle der Gewalt bei Umwälzungen hatten wir früher Diskussionen. Ich muss aufpassen, wie weit der normale User spricht und ab wann der Moderator.

Das brachte mich Tage später darauf, etwas zu dem Thema zu schreiben, in welcher Gestalt denn nun in Zukunft das "Allerschlimmste" ("sehr, sehr sehr böse" @AgentProvocateur) über uns kommen wird, ob dies plötzlich, über einen längeren Zeitraum geschieht oder vielleicht gar nicht so extrem, weil sich inzwischen Gegenkräfte aufraffen...

In bezug auf die Zukunft bin ich kein völliger Pessimist, erst recht kein Optimist, vielleicht ein Skeptiker.

Nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus und dem Triumph des Kapitalismus in den 1990er Jahren kam übrigens vielerorts eine Hoffnung auf Lateinamerika auf. Tatsächlich gibt es dort keinen Faschismus an der Macht mehr wie in den 1970er Jahren. In einigen Ländern sind Führungskräfte aus der aborigenen Bevölkerung an der Macht, werden US-Konzerne zurückgedrängt.
Man könnte fragen, ob das wieder einmal linker "Exotismus" ist, der Hoffnungen auf Fortschrittliches geographisch möglichst weit weg erkennen will, oder Ausdruck einer tatsächlichen Verlagerung revolutionärer Veränderungen weg von Europa und hin nach Lateinamerika. Und das angesichts eines immer stärker währenden - wie nennen wir es am besten - also "Staatskapitalismus" in China, der die bisher führenden Industriestaaten immer mehr in Bedrängnis bringt.

Wie passen dazu Betrachtungen über eine Rückkehr des "Faschismus" ausgerechnet (laut Ausgangsfrage: nur) in Deutschland.
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Wolf
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Anmeldungsdatum: 23.08.2004
Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause

Beitrag(#1582357) Verfasst am: 07.12.2010, 13:37    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Telliamed hat folgendes geschrieben:
Nach wie vor ist mir nicht ersichtlich, warum heute in der BRD mit Recht zu kritisierende Erscheinungen gleich mit "Faschismus" in Verbindung gebracht werden müssen. Der Nationalsozialismus an der Macht mit seinem mörderischen Rassenwahn steht nach wie vor als düsterstes Kapitel der deutschen Geschichte im 20. Jh. da, für dessen Wiederholung in der Zukunft m. E. die Voraussetzungen fehlen.
Es geht hier aber nicht um Nationalsozialismus.

Was darf man sich unter Hitler-Faschismus sonst vorstellen?
_________________
Trish:(
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Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1582396) Verfasst am: 07.12.2010, 14:27    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe dem Skeptiker und Usern, die ähnlich denken, sogar 'ne erstklassige Steilvorlage geliefert, indem ich die Faschismus-Definitionen des EKKI (= Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale) und Georgi Dimitroffs von 1935 umschrieb, in denen von der offenen, unverhüllten "Diktatur des Monopolkapitals" die Rede ist!

Die könnte doch auch wieder hierzulande Einzug halten, oder? Oder haben wir sie schon - aber wir haben doch keinen Faschismus?

Würde ich mich von der Dimitroff-Bestimmung, einer von geschätzten 200-Faschismusdefinitionen, distanzieren, und schreiben, dass wir dennoch in einer Staatsform mit demokratischen Elementen (ja nicht "Demokratie" schreiben - Reizwort zornig - wo haben wir denn "Volksherrschaft"!) leben, dann bin ich gemäß dem unvergessenen PeterH ein "Kleinbürger" und Schreiberling des Kapitals (der leider im FGH nur sehr wenig damit verdient).

Anerkennen dieses monpolkapitalistischen Elements - ja, in gewissen Grenzen, aber ich würde die Verselbständigung des nazistischen Macht- und Terrorapparates mit seiner Regierungspartei zwiaschen 1933 und 1945 höher einschätzen als die Marxisten, die der Dimitroff-Definition folgen.

Wenn man danach fragen würde? Müsste ich sagen, ich weiß es nicht und würde es im Zweifelsfall an die historische Epoche im 20. Jahrhundert binden.
Kann man die führenden Kräfte des Monopolkapitals und die Großbanken derart zur Bestimmung des Charakters des Regimes heranziehen, wie es einst Dimitroff tat? Dann müssten wir heute auch Faschismus haben. Geht nicht.

In der Zeit des Nationalsozialismus ist zweifellos Unterstützung der Nazis durch bestimmte Kreise des Privatkapitals nachweisbar, wurden Bereiche der Privatwirtschaft in den von der SS geleiteten KZ-Wirtschaftsstaat (Sitz der Zentrale: Berlin, Unter den Eichen) eingegliedert.
Zugleich jedoch gab es in Kreisen der Wirtschaft nichtnationalsozialistische Sektoren (Unterschied übrigens zur DDR, was das Staatseigentum betrifft!), auch Gegner des NS-Regimes, und vor allem: wem konnte unter den Weitsichtigen daran gelegen sein, dass durch die Unterstützung von größenwahnsinigen Dilettanten, wie der Hitler-Entourage, das ganze System in einen Strudel der Vernichtung geraten würde, aus dem es nur im Westteil durch Marshall-Plan des einstigen Kriegsgegners wieder aufgepäppelt werden würde?

Pseudoreligiöser Führerkult, Eroberungsstreben, Rassenwahn und Judenvernichtung, Versuch der Gleichschaltung durch Verbot anderer Parteien und nichtnationalsozialistischer Organisationen, Unterdrückung nichtgleichgeschalteter Kräfte im Inneren fallen einem ein, wenn man an "Hitler-Faschismus" denkt.
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blakki
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Anmeldungsdatum: 21.01.2009
Beiträge: 556
Wohnort: Im wilden Süden

Beitrag(#1582409) Verfasst am: 07.12.2010, 14:54    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Ich habe dem Skeptiker und Usern, die ähnlich denken, sogar 'ne erstklassige Steilvorlage geliefert, indem ich die Faschismus-Definitionen des EKKI (= Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale) und Georgi Dimitroffs von 1935 umschrieb, in denen von der offenen, unverhüllten "Diktatur des Monopolkapitals" die Rede ist!

Die könnte doch auch wieder hierzulande Einzug halten, oder? Oder haben wir sie schon - aber wir haben doch keinen Faschismus?

Würde ich mich von der Dimitroff-Bestimmung, einer von geschätzten 200-Faschismusdefinitionen, distanzieren, und schreiben, dass wir dennoch in einer Staatsform mit demokratischen Elementen (ja nicht "Demokratie" schreiben - Reizwort zornig - wo haben wir denn "Volksherrschaft"!) leben, dann bin ich gemäß dem unvergessenen PeterH ein "Kleinbürger" und Schreiberling des Kapitals (der leider im FGH nur sehr wenig damit verdient).

Anerkennen dieses monpolkapitalistischen Elements - ja, in gewissen Grenzen, aber ich würde die Verselbständigung des nazistischen Macht- und Terrorapparates mit seiner Regierungspartei zwiaschen 1933 und 1945 höher einschätzen als die Marxisten, die der Dimitroff-Definition folgen.

Wenn man danach fragen würde? Müsste ich sagen, ich weiß es nicht und würde es im Zweifelsfall an die historische Epoche im 20. Jahrhundert binden.
Kann man die führenden Kräfte des Monopolkapitals und die Großbanken derart zur Bestimmung des Charakters des Regimes heranziehen, wie es einst Dimitroff tat? Dann müssten wir heute auch Faschismus haben. Geht nicht.

In der Zeit des Nationalsozialismus ist zweifellos Unterstützung der Nazis durch bestimmte Kreise des Privatkapitals nachweisbar, wurden Bereiche der Privatwirtschaft in den von der SS geleiteten KZ-Wirtschaftsstaat (Sitz der Zentrale: Berlin, Unter den Eichen) eingegliedert.
Zugleich jedoch gab es in Kreisen der Wirtschaft nichtnationalsozialistische Sektoren (Unterschied übrigens zur DDR, was das Staatseigentum betrifft!), auch Gegner des NS-Regimes, und vor allem: wem konnte unter den Weitsichtigen daran gelegen sein, dass durch die Unterstützung von größenwahnsinigen Dilettanten, wie der Hitler-Entourage, das ganze System in einen Strudel der Vernichtung geraten würde, aus dem es nur im Westteil durch Marshall-Plan des einstigen Kriegsgegners wieder aufgepäppelt werden würde?

Pseudoreligiöser Führerkult, Eroberungsstreben, Rassenwahn und Judenvernichtung, Versuch der Gleichschaltung durch Verbot anderer Parteien und nichtnationalsozialistischer Organisationen, Unterdrückung nichtgleichgeschalteter Kräfte im Inneren fallen einem ein, wenn man an "Hitler-Faschismus" denkt.


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Skeptiker
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Beiträge: 16834
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Beitrag(#1582423) Verfasst am: 07.12.2010, 15:20    Titel: Was ist denn Faschismus überhaupt? Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Ich habe dem Skeptiker und Usern, die ähnlich denken, sogar 'ne erstklassige Steilvorlage geliefert, indem ich die Faschismus-Definitionen des EKKI (= Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale) und Georgi Dimitroffs von 1935 umschrieb, in denen von der offenen, unverhüllten "Diktatur des Monopolkapitals" die Rede ist!

Anerkennen dieses monpolkapitalistischen Elements - ja, in gewissen Grenzen, aber ich würde die Verselbständigung des nazistischen Macht- und Terrorapparates mit seiner Regierungspartei zwiaschen 1933 und 1945 höher einschätzen als die Marxisten, die der Dimitroff-Definition folgen.

Kann man die führenden Kräfte des Monopolkapitals und die Großbanken derart zur Bestimmung des Charakters des Regimes heranziehen, wie es einst Dimitroff tat? Dann müssten wir heute auch Faschismus haben. Geht nicht.

In der Zeit des Nationalsozialismus ist zweifellos Unterstützung der Nazis durch bestimmte Kreise des Privatkapitals nachweisbar, wurden Bereiche der Privatwirtschaft in den von der SS geleiteten KZ-Wirtschaftsstaat (Sitz der Zentrale: Berlin, Unter den Eichen) eingegliedert.
Zugleich jedoch gab es in Kreisen der Wirtschaft nichtnationalsozialistische Sektoren (Unterschied übrigens zur DDR, was das Staatseigentum betrifft!), auch Gegner des NS-Regimes, und vor allem: wem konnte unter den Weitsichtigen daran gelegen sein, dass durch die Unterstützung von größenwahnsinigen Dilettanten, wie der Hitler-Entourage, das ganze System in einen Strudel der Vernichtung geraten würde, aus dem es nur im Westteil durch Marshall-Plan des einstigen Kriegsgegners wieder aufgepäppelt werden würde?


Bei den Nürnberger Prozessen gliederten sich die Hauptangeklagten nach folgenden Berufsgruppen:

Zitat:
Angeklagt waren:
39 Ärzte und Juristen
56 Mitglieder von SS und Polizei
42 Industrielle und Bankiers
26 militärische Führer
22 Minister und hohe Regierungsvertreter

Beispielsweise war die Liste der Angeklagten im Bereich Wirtschaft nur exemplarisch: es fehlten viele von mindestens gleichwertig belasteten Unternehmen. So z. B. die Deutsche Bank, deren Mittäterschaft spätestens seit der Auswertung der OMGUS-Akten (also noch vor der Urteilsverkündung) nachgewiesen wurde.

http://de.wikipedia.org/wiki/Nürnberger_Prozesse


Man kann den Faschismus entweder analytisch (so wie Dimitroff) oder empirisch bestimmen. Die Definition von Dimitroff ist richtig, aber sie ist noch nicht hinreichend.

Ich habe versucht, in folgenden Beiträgen, das Ganze zu fassen:

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1176858#1176858
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=825758#825758
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=821126#821126
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1538135#1538135

Ich weise auch auf die verdienstvollen Quellenforschungen des DDR-Wissenschaftlers Eberhard Czichon hin, der Dir bekannt sein dürfte, Telliamed.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Pseudoreligiöser Führerkult, Eroberungsstreben, Rassenwahn und Judenvernichtung, Versuch der Gleichschaltung durch Verbot anderer Parteien und nichtnationalsozialistischer Organisationen, Unterdrückung nichtgleichgeschalteter Kräfte im Inneren fallen einem ein, wenn man an "Hitler-Faschismus" denkt.


Ah, nein. Das ist doch oberflächlich.

Was Du hier machst ist: Du nimmst die Form für den Inhalt.

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Beitrag(#1582590) Verfasst am: 07.12.2010, 20:21    Titel: Re: Was ist denn Faschismus überhaupt? Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ich habe versucht, in folgenden Beiträgen, das Ganze zu fassen:

[...]

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Pseudoreligiöser Führerkult, Eroberungsstreben, Rassenwahn und Judenvernichtung, Versuch der Gleichschaltung durch Verbot anderer Parteien und nichtnationalsozialistischer Organisationen, Unterdrückung nichtgleichgeschalteter Kräfte im Inneren fallen einem ein, wenn man an "Hitler-Faschismus" denkt.

Ah, nein. Das ist doch oberflächlich.

Was Du hier machst ist: Du nimmst die Form für den Inhalt.

Hm, also ich kann da Telliamed nur zustimmen, all das verbinde auch ich mit Nationalsozialismus. Was soll daran bitte oberflächlich sein?

Deine Versuche, 'das Ganze' zu fassen, kann ich jedenfalls nicht nachvollziehen. Was soll der 'eigentliche Inhalt' sein?

Mal verkürzt gesagt: mir scheint, Du scheinst 'Faschismus' synonym zu 'Antisozialismus' zu verstehen. Aber das entspricht nicht dem gebräuchlichen Sprachgebrauch, behaupte ich mal dreist.

Jedoch, wie schon gesagt, ist der heutige Sprachgebrauch bezüglich 'Faschismus' so schwammig geworden, ein reines undefiniertes Schlagwort, dass man, finde ich, lieber auf den Begriff verzichten und lieber klipp und klar sagen sollte, was man eigentlich meint und worauf man hinauswill.

'Linksfaschismus, Ökofaschismus, Islamfaschismus' - naja, wer wirklich meint, damit sei was anderes ausgedrückt als eine Ablehnung, der irrt, mAn.

Und klar kann ich mir tausend Definitionen aus dem Internet ansehen, was jemand unter 'Faschismus' versteht, aber auf einen Punkt kommen die nicht. Nehmen wir doch mal diese hier, reiner Zufall:

dirInfo hat folgendes geschrieben:
Der Faschismus duldet keine andere Weltanschauung neben sich. Getreu dem Führerprinzip haben sich alle seinen Regeln, die vom Führer sozusagen verkörpert werden, in ihrem Denken und Handeln zu unterwerfen. Das Führerprinzip ist mit allen Mitteln durchzusetzen. Gewalt gilt dabei als absolut legitim. Als ebenso legitim gilt die gewaltsame Machtergreifung, denn der "natürliche" Anspruch auf die Macht besteht aus der Sicht des Faschisten ohnehin. Diese Macht ist demnach dauerhaft zu sichern. Meinungsfreiheit, demokratische Strukturen, eine funktionierende Opposition oder gar freie Wahlen sind daher in solchen Systemen nicht denkbar.
Um dem Gedanken der Gleichheit im Volke gerecht zu werden, duldet der Faschismus keine Interessenvertretungen einzelner Gruppen wie beispielsweise Gewerkschaften oder Frauenbewegungen. Die offizielle Partei gilt als einzige Interessenvertretung aller.

Demnach wäre jede Weltanschauung, die behauptet, die einzige Wahrheit zu vertreten und die meint, die Wahrheit dürfe, solle und müsse mit Gewalt durchgesetzt werden, faschistisch.

Aber ich nenne das oben definierte allgemeiner 'totalitäre Ideologie'. Wobei es dabei keinen dezidierten Führer geben muss, eine totalitärer Staat kann auch von einer Clique geführt werden, das macht keinen Unterschied für meine Ablehnung eines solchen Staates.
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beachbernie
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Beitrag(#1582592) Verfasst am: 07.12.2010, 20:24    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:


meine güte, willst du am ende soweit gehen und die nazis aus der weimarer zeit als rechtspopulisten verharmlosen?



Du lieber Gott. Was hat das mit Verharmlosung zu tun, wenn ich erwaehne, dass der Voelkermoerder Hitler gleichzeitig auch ein Rechtspopulist war? Es ist ja nun wirklich nicht so, dass das Eine mit dem Anderen so ueberhaupt nichts zu tun gehabt haette.
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Sticky
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Beitrag(#1582597) Verfasst am: 07.12.2010, 20:28    Titel: Re: Was ist denn Faschismus überhaupt? Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ich habe versucht, in folgenden Beiträgen, das Ganze zu fassen:

[...]

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Pseudoreligiöser Führerkult, Eroberungsstreben, Rassenwahn und Judenvernichtung, Versuch der Gleichschaltung durch Verbot anderer Parteien und nichtnationalsozialistischer Organisationen, Unterdrückung nichtgleichgeschalteter Kräfte im Inneren fallen einem ein, wenn man an "Hitler-Faschismus" denkt.

Ah, nein. Das ist doch oberflächlich.

Was Du hier machst ist: Du nimmst die Form für den Inhalt.

Hm, also ich kann da Telliamed nur zustimmen, all das verbinde auch ich mit Nationalsozialismus. Was soll daran bitte oberflächlich sein?

Deine Versuche, 'das Ganze' zu fassen, kann ich jedenfalls nicht nachvollziehen. Was soll der 'eigentliche Inhalt' sein?

Mal verkürzt gesagt: mir scheint, Du scheinst 'Faschismus' synonym zu 'Antisozialismus' zu verstehen. Aber das entspricht nicht dem gebräuchlichen Sprachgebrauch, behaupte ich mal dreist.

Jedoch, wie schon gesagt, ist der heutige Sprachgebrauch bezüglich 'Faschismus' so schwammig geworden, ein reines undefiniertes Schlagwort, dass man, finde ich, lieber auf den Begriff verzichten und lieber klipp und klar sagen sollte, was man eigentlich meint und worauf man hinauswill.

'Linksfaschismus, Ökofaschismus, Islamfaschismus' - naja, wer wirklich meint, damit sei was anderes ausgedrückt als eine Ablehnung, der irrt, mAn.

Und klar kann ich mir tausend Definitionen aus dem Internet ansehen, was jemand unter 'Faschismus' versteht, aber auf einen Punkt kommen die nicht. Nehmen wir doch mal diese hier, reiner Zufall:

dirInfo hat folgendes geschrieben:
Der Faschismus duldet keine andere Weltanschauung neben sich. Getreu dem Führerprinzip haben sich alle seinen Regeln, die vom Führer sozusagen verkörpert werden, in ihrem Denken und Handeln zu unterwerfen. Das Führerprinzip ist mit allen Mitteln durchzusetzen. Gewalt gilt dabei als absolut legitim. Als ebenso legitim gilt die gewaltsame Machtergreifung, denn der "natürliche" Anspruch auf die Macht besteht aus der Sicht des Faschisten ohnehin. Diese Macht ist demnach dauerhaft zu sichern. Meinungsfreiheit, demokratische Strukturen, eine funktionierende Opposition oder gar freie Wahlen sind daher in solchen Systemen nicht denkbar.
Um dem Gedanken der Gleichheit im Volke gerecht zu werden, duldet der Faschismus keine Interessenvertretungen einzelner Gruppen wie beispielsweise Gewerkschaften oder Frauenbewegungen. Die offizielle Partei gilt als einzige Interessenvertretung aller.

Demnach wäre jede Weltanschauung, die behauptet, die einzige Wahrheit zu vertreten und die meint, die Wahrheit dürfe, solle und müsse mit Gewalt durchgesetzt werden, faschistisch.

Aber ich nenne das oben definierte allgemeiner 'totalitäre Ideologie'. Wobei es dabei keinen dezidierten Führer geben muss, eine totalitärer Staat kann auch von einer Clique geführt werden, das macht keinen Unterschied für meine Ablehnung eines solchen Staates.


Mir kommt es so vor, dass unter Faschismus nur der deutsche Nationalsozialismus verstanden wird. Was ist mit dem italienischen Faschismus Mussolinis? Was mit dem spanischen Francos? Was mit dem kroatischen Pavelics?
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1582626) Verfasst am: 07.12.2010, 20:51    Titel: Re: Was ist denn Faschismus überhaupt? Antworten mit Zitat

Sticky hat folgendes geschrieben:
Mir kommt es so vor, dass unter Faschismus nur der deutsche Nationalsozialismus verstanden wird. Was ist mit dem italienischen Faschismus Mussolinis? Was mit dem spanischen Francos? Was mit dem kroatischen Pavelics?

Liegt wohl nicht unwesentlich an den Auswahloptionen bei dieser Umfrage, meine ich.

War Stalinismus eigentlich auch Faschismus und wenn nicht, warum nicht? Kommt es nicht auf die Form an, nur auf den Inhalt? Und was ist mit 'Inhalt' eigentlich gemeint? Die Intention? Woher kennt man die?

Oder geht es nur um die Produktionsverhältnisse, ist ein Staat, der nicht 'kapitalistisch' ist, per se besser, ganz egal, wie totalitär und undemokratisch er ist, als ein Staat, der das nicht ist? Aber 'besser' dann in welchem Sinne?
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Telliamed
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Beitrag(#1582688) Verfasst am: 07.12.2010, 22:02    Titel: Re: Was ist denn Faschismus überhaupt? Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Telliamed hat folgendes geschrieben:
Ich habe dem Skeptiker und Usern, die ähnlich denken, sogar 'ne erstklassige Steilvorlage geliefert, indem ich die Faschismus-Definitionen des EKKI (= Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale) und Georgi Dimitroffs von 1935 umschrieb, in denen von der offenen, unverhüllten "Diktatur des Monopolkapitals" die Rede ist!

Anerkennen dieses monpolkapitalistischen Elements - ja, in gewissen Grenzen, aber ich würde die Verselbständigung des nazistischen Macht- und Terrorapparates mit seiner Regierungspartei zwiaschen 1933 und 1945 höher einschätzen als die Marxisten, die der Dimitroff-Definition folgen.

Kann man die führenden Kräfte des Monopolkapitals und die Großbanken derart zur Bestimmung des Charakters des Regimes heranziehen, wie es einst Dimitroff tat? Dann müssten wir heute auch Faschismus haben. Geht nicht.

In der Zeit des Nationalsozialismus ist zweifellos Unterstützung der Nazis durch bestimmte Kreise des Privatkapitals nachweisbar, wurden Bereiche der Privatwirtschaft in den von der SS geleiteten KZ-Wirtschaftsstaat (Sitz der Zentrale: Berlin, Unter den Eichen) eingegliedert.
Zugleich jedoch gab es in Kreisen der Wirtschaft nichtnationalsozialistische Sektoren (Unterschied übrigens zur DDR, was das Staatseigentum betrifft!), auch Gegner des NS-Regimes, und vor allem: wem konnte unter den Weitsichtigen daran gelegen sein, dass durch die Unterstützung von größenwahnsinigen Dilettanten, wie der Hitler-Entourage, das ganze System in einen Strudel der Vernichtung geraten würde, aus dem es nur im Westteil durch Marshall-Plan des einstigen Kriegsgegners wieder aufgepäppelt werden würde?


Bei den Nürnberger Prozessen gliederten sich die Hauptangeklagten nach folgenden Berufsgruppen:

Zitat:
Angeklagt waren:
39 Ärzte und Juristen
56 Mitglieder von SS und Polizei
42 Industrielle und Bankiers
26 militärische Führer
22 Minister und hohe Regierungsvertreter

Beispielsweise war die Liste der Angeklagten im Bereich Wirtschaft nur exemplarisch: es fehlten viele von mindestens gleichwertig belasteten Unternehmen. So z. B. die Deutsche Bank, deren Mittäterschaft spätestens seit der Auswertung der OMGUS-Akten (also noch vor der Urteilsverkündung) nachgewiesen wurde.

http://de.wikipedia.org/wiki/Nürnberger_Prozesse


Man kann den Faschismus entweder analytisch (so wie Dimitroff) oder empirisch bestimmen. Die Definition von Dimitroff ist richtig, aber sie ist noch nicht hinreichend.

Ich habe versucht, in folgenden Beiträgen, das Ganze zu fassen:

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1176858#1176858
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=825758#825758
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=821126#821126
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1538135#1538135

Ich weise auch auf die verdienstvollen Quellenforschungen des DDR-Wissenschaftlers Eberhard Czichon hin, der Dir bekannt sein dürfte, Telliamed.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Pseudoreligiöser Führerkult, Eroberungsstreben, Rassenwahn und Judenvernichtung, Versuch der Gleichschaltung durch Verbot anderer Parteien und nichtnationalsozialistischer Organisationen, Unterdrückung nichtgleichgeschalteter Kräfte im Inneren fallen einem ein, wenn man an "Hitler-Faschismus" denkt.


Ah, nein. Das ist doch oberflächlich.

Was Du hier machst ist: Du nimmst die Form für den Inhalt.

Skeptiker


Ich will vorab sagen, dass ich mir bei vielen der hier diskutierten Fragen nicht sicher bin. Weder habe ich dazu speziell geforscht, noch erlaubt es der Stand der Diskussionen insgesamt, sich bei Bewertungen zu sicher zu sein.

Was die von Dir herangezogenen Anklagen im Nürnberger Prozeß betrifft: Die numerierten Nachfolgeprozesse galten - Fall V dem Flick-Konzern (monographisch aufgearbeitet durch Norbert Frei, Jg. 1955); Fall VI den IG-Farben, Fall X dem Krupp-Konzern - also Konzernen, die sich bei der Förderung des NS-Regimes hervorgetan haben und von der Sklavenarbeit von Gefangenen besonders profitierten.
Fall IV galt 1947 dem von mir erwähnten SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt in Berlin.
Bei diesen Anklagen dürfte eine Rolle gespielt haben, dass von den Anklägern die Vertreter der Sowjetunion ihre spezifische Sicht auf die Verflechtung des Monopolkapitals mit dem NS-Regime geltend gemacht haben.
Mit der Anklage der deutschen Konzerne, die ja auch nicht zu ihrem völligen Verschwinden führte - IG-Farben und Krupp bestanden unter anderem Namen weiter - hat die US-Seite sicher auch eine Konkurrenz kleinzuhalten versucht.
Ich würde ja mitgehen, die Beteiligung von US-Konzernen, wie General Motors, an Verbrechen im Vietnamkrieg zu konstatieren, die Millionen vietnamesischer Todesopfer forderten, und dennoch vorsichtig sein bei Schlagworten, wie Faschismus.

Bleibt die Frage, ob wirklich die Unterstützung durch "das" Monopolkapital die für den "Faschismus" in all seinen Ausprägungsformen definitionsbestimmende Komponente sein soll.


In Deinen vier Links finden sich Gedanken über die Verbindung des Faschismus mit dem "Neoliberalismus", darunter eine in meinen Augen sehr problematische Aussage über die Notwendigkeit der "Unterdrückung der Reaktionäre" nach erfolgreicher Revolution (wer entscheidet darüber, wer "reaktionär" ist und unterdrückt werden soll?).
Dazu finden sich in der neuen Lenin-Biographie von Wolfgang Ruge (1917-2006), der Opfer des Stalinschen Lager-Systems war und dennoch an einem nichtstalinistischen Sozialismus-Ideal festhielt, lesenswerte Aufschlüsse. Es hätte auch in Sowjetrussland anders kommen können, wenn nicht Fanatiker die Macht ergriffen hätten, die dem Volke in Wirklichkeit sehr fremd waren - subjektiver Faktor, Rolle der Persönlichkeiten.
Sodann wird von Dir der Faschismus mit dem "Korporatismus"-Modell in Verbindung gebracht (25.9.2007), gerade diese Ständestaats-Vorstellungen weisen indes nach Italien.

Das "Volksgemeinschafts"-Modell der Nazis, das sodann von Dir angeführt wird, konstruiere einen imaginären "homogenen Volkskörper". In der "Staatsbiologie" völkischer Ideologen aus der Zeit vor 1933 und der NS-Zeit siehst Du Vorläufer der gegenwärtigen Vertreter einer Ausgrenzung für die Wirtschaft als "unnütz" angesehener Menschen.

An all dem ist sicher etwas dran. Doch reicht das für meine Begriffe noch nicht aus, wenn wir allein über Deutschland sprechen, eine Wiederkehr des "Hitler-Faschismus" alias Nationalsozialismus anzunehmen.
Nach 1933 war die geistige "Gleichschaltung" breiter Bevölkerungsschichten weit vorangeschritten, Eroberungskriege und Massenmorde waren machbar, viele Deutsche profitierten davon (Götz Aly-These hat einen rationalen Kern).
Doch mit Blick auf die Zukunft - und danach wurde eingangs gefragt - sind andere Szenarien denkbar als der Sieg faschistischer Barbarei.
Und da scheint mir vor allem eines wichtig zu sein: die Öffnung gegenüber breitesten Volksschichten. Entgegen der Vorstellung einer allgemeinen "Verdummung", ist das Volk nicht "dumm" und wartet nur auf die Erlösung durch eine kleine aufgeklärte Vorhut. Partielle Interessen (wie sie in Stuttgart deutlich werden) können mit gesamtgesellschaftlichen Interessen in Übereinstimmung auf friedlichem Wege gelangen. Blutvergießen ist kontraproduktiv und schadet dem Volk.
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Skeptiker
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Beitrag(#1582699) Verfasst am: 07.12.2010, 22:10    Titel: Re: Was ist denn Faschismus überhaupt? Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ich habe versucht, in folgenden Beiträgen, das Ganze zu fassen:

[...]

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Pseudoreligiöser Führerkult, Eroberungsstreben, Rassenwahn und Judenvernichtung, Versuch der Gleichschaltung durch Verbot anderer Parteien und nichtnationalsozialistischer Organisationen, Unterdrückung nichtgleichgeschalteter Kräfte im Inneren fallen einem ein, wenn man an "Hitler-Faschismus" denkt.

Ah, nein. Das ist doch oberflächlich.

Was Du hier machst ist: Du nimmst die Form für den Inhalt.

Hm, also ich kann da Telliamed nur zustimmen, all das verbinde auch ich mit Nationalsozialismus. Was soll daran bitte oberflächlich sein?


Alles, weil rein empirisch orientiert.

Und Du kannst natürlich hingehen und Faschismus so "definieren", wie es die "Bundeszentrale für politische Bildung" tut. Aber lernen wirst Du dabei nichts.

Man kann z.B. nicht einfach ausblenden, dass bei jedem Faschismus, egal ob in Deutschland, Italien oder Chile ohne Ausnahme Kapitalinteressen im Vordergrund standen. Der Name "Nationalsozialismus" ist ja bloß eine Selbstbezeichnung der deutschen Faschisten. Diese sollte man tunlichst nicht übernehmen. Denn Faschismus ist ja gerade antisozialistisch. Wie also kann man ihn als National"sozialismus" bezeichnen? Das ist quatsch und antiaufklärerisch.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Deine Versuche, 'das Ganze' zu fassen, kann ich jedenfalls nicht nachvollziehen. Was soll der 'eigentliche Inhalt' sein?


Faschismus ist seinem Kerninhalt nach die offene, unverschleierte Diktatur des Maximalprofits.

Damit einher gehen Ablehnung der französischen und russischen Revolution, Ablehnung der Aufklärung schlechthin und die Restaurierung vergangener (oft christlicher) Weltdeutungen.

Diskriminierungen dienen dabei der Ablenkung von der bürgerlichen Gewaltherrschaft, indem Bevölkerungsgruppen gegeneinander gehetzt werden.

Und ob da nun ein Führer sitzt oder irgendwelche anonymen Masken, das ist völlig wurscht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Mal verkürzt gesagt: mir scheint, Du scheinst 'Faschismus' synonym zu 'Antisozialismus' zu verstehen. Aber das entspricht nicht dem gebräuchlichen Sprachgebrauch, behaupte ich mal dreist.

Jedoch, wie schon gesagt, ist der heutige Sprachgebrauch bezüglich 'Faschismus' so schwammig geworden, ein reines undefiniertes Schlagwort, dass man, finde ich, lieber auf den Begriff verzichten und lieber klipp und klar sagen sollte, was man eigentlich meint und worauf man hinauswill.


Das ist heute so geworden und es gibt sicherlich Interessenten an dieser Verschleierung. Bei den Holocaust-Denkmälern siehst Du ja auch selten die Täter, sondern meist nur die Opfer, etwa bei den Stelen in Berlin. So ist es auch beim Faschismus insgesamt. Man retuschiert die Tätercliquen weg und plötzlich weiß man nicht mehr, worum es eigentlich bei dieser Veranstaltung geht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
'Linksfaschismus, Ökofaschismus, Islamfaschismus' - naja, wer wirklich meint, damit sei was anderes ausgedrückt als eine Ablehnung, der irrt, mAn.


Das ist doch eh Quatsch. Wer solche Begriffe gebraucht, dem ist nicht mehr zu helfen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und klar kann ich mir tausend Definitionen aus dem Internet ansehen, was jemand unter 'Faschismus' versteht, aber auf einen Punkt kommen die nicht. Nehmen wir doch mal diese hier, reiner Zufall:

dirInfo hat folgendes geschrieben:
Der Faschismus duldet keine andere Weltanschauung neben sich. Getreu dem Führerprinzip haben sich alle seinen Regeln, die vom Führer sozusagen verkörpert werden, in ihrem Denken und Handeln zu unterwerfen. Das Führerprinzip ist mit allen Mitteln durchzusetzen. Gewalt gilt dabei als absolut legitim. Als ebenso legitim gilt die gewaltsame Machtergreifung, denn der "natürliche" Anspruch auf die Macht besteht aus der Sicht des Faschisten ohnehin. Diese Macht ist demnach dauerhaft zu sichern. Meinungsfreiheit, demokratische Strukturen, eine funktionierende Opposition oder gar freie Wahlen sind daher in solchen Systemen nicht denkbar.
Um dem Gedanken der Gleichheit im Volke gerecht zu werden, duldet der Faschismus keine Interessenvertretungen einzelner Gruppen wie beispielsweise Gewerkschaften oder Frauenbewegungen. Die offizielle Partei gilt als einzige Interessenvertretung aller.

Demnach wäre jede Weltanschauung, die behauptet, die einzige Wahrheit zu vertreten und die meint, die Wahrheit dürfe, solle und müsse mit Gewalt durchgesetzt werden, faschistisch.

Aber ich nenne das oben definierte allgemeiner 'totalitäre Ideologie'. Wobei es dabei keinen dezidierten Führer geben muss, eine totalitärer Staat kann auch von einer Clique geführt werden, das macht keinen Unterschied für meine Ablehnung eines solchen Staates.


Es gibt richtige und falsche Definitionen. Der Begriff ist Teil des Klassenkampfes so wie die Geschichtsschreibung per se.

Und wie soll ich den Satz verstehen: "Um dem Gedanken der Gleichheit im Volke gerecht zu werden, duldet der Faschismus keine Interessenvertretungen einzelner Gruppen"

Welcher Gedanke der Gleichheit bitteschön? Faschismus kennt einen solchen Gedanken nicht.

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Beitrag(#1582709) Verfasst am: 07.12.2010, 22:20    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:


meine güte, willst du am ende soweit gehen und die nazis aus der weimarer zeit als rechtspopulisten verharmlosen?



Du lieber Gott. Was hat das mit Verharmlosung zu tun, wenn ich erwaehne, dass der Voelkermoerder Hitler gleichzeitig auch ein Rechtspopulist war? Es ist ja nun wirklich nicht so, dass das Eine mit dem Anderen so ueberhaupt nichts zu tun gehabt haette.


dann stimmst du mir also zu wenn ich erwähne, dass der völkermörder hitler gleichzeitg auch christ und katholik war? denn es ist ja nicht so, dass das eine mit dem anderen so überhaupt nichts zu tun gehabt hätte.
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Beitrag(#1582723) Verfasst am: 07.12.2010, 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

Es ist versucht worden, Faschis-mus und Kommunis-mus einander gleichzustellen.

In bezug auf den "Kommunismus" kann man das bloß machen, wenn man das von Ex-Linken (das Ding mit den "Elchen"; den DDR-Teil hat Gauck zu verantworten) verfasste Schwarzbuch zugrunde legt, in dem alles in einen Topf geworfen wird.
Ja, in der Sowjetunion sind Millionen Menschen in zweistelliger Höhe umgebracht worden, wobei die Kommunisten selbst einen außerordentlich hohen Blutzoll zahlten, Angehörige demokratischer Parteien, Bauern, Unternehmer, Intellektuelle, Angehörige von Nationalitäten - nicht zuletzt Tausende von orthodoxen Priestern.

1990 fand die Einigung mit 16 Millionen Menschen aus dem als "kommunistisch" bezeichneten Machtbereich statt. Sie weilen "unter Euch" (*gruzel*), ich bin einer davon mit einer 34jährigen DDR-Vergangenheit. 16 Millionen Menschen - ebenso viele sollen heute in Deutschland "Migrationshintergrund" haben. Nur mal um die Dimensionen zu zeigen.

In der DDR gab es staatliches Eigentum an Produktionsmitteln, aber keine herrschende Klasse, die den Mehrwert abgeschöpft hätte. Die Funktionäre waren vergleichsweise lächerliche kleinbürgerliche Figuren. Die Finanzen gingen lange Zeit vorrangig in die Schwerindustrie, in die Rüstung, die Konsumgüterindustrie konnte nicht mithalten.
Doch die DDR-Bürger waren für Jahrzehnte den Finanzspekulationen von kapitalistischen Privatbanken entzogen, die dann nach 1990 über die in Finanzdingen mehrheitlich analphabetischen Zonenbewohner herfielen und sie ebenso abzockten wie ihre westlichen Landsleute.
Nach 1990 ging dieses staatliche Eigentum wieder in Privathand über. Alles wieder in Ordnung? Ja, natürlich. Ich habe übrigens schon 1983 in Büchern dokumentierte Pläne zur Privatisierung des DDR-Staatseigentums gesehen. Man wäre 1989 völlig unvorbereitet gewesen? Quatsch.

Im Nationalsozialismus herrschte das Privateigentum an den Produktionsmitteln, rechtlich abgesichert durch das weiterhin geltende BGB, die ganze Zeit über munter weiter.


Die DDR hatte eine Mauer, Schusswaffengebrauch - alles verurteilungswürdige Zustände - hätte es die Mauer 1961 nicht gegeben, wäre sie binnen kurzer Zeit zusammengebrochen.

Die DDR hat keine Angriffskriege geführt, die dann 50 Millionen Menschenleben gekostet hätten, für die eher indirekte Beteiligung am 21. August 1968 hat sich die letzte Volkskammer 1990 bei den tschechen entschuldigt.
Die DDR ließ nicht Millionen Juden ermorden. Antisemitismus war laut Verfassung Staatsverbrechen.

Was soll das von mir hier? Reinwaschung? Nee. Aber mal ein bißchen die Verhältnismäßigkeit in Erinnerung rufen.
Hier liegen übrigens auch Grenzen bei der Anwendung des Totalitarismus-Begriffs.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1582735) Verfasst am: 07.12.2010, 22:53    Titel: Re: Was ist denn Faschismus überhaupt? Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Telliamed hat folgendes geschrieben:
Pseudoreligiöser Führerkult, Eroberungsstreben, Rassenwahn und Judenvernichtung, Versuch der Gleichschaltung durch Verbot anderer Parteien und nichtnationalsozialistischer Organisationen, Unterdrückung nichtgleichgeschalteter Kräfte im Inneren fallen einem ein, wenn man an "Hitler-Faschismus" denkt.

Ah, nein. Das ist doch oberflächlich.

Was Du hier machst ist: Du nimmst die Form für den Inhalt.

Hm, also ich kann da Telliamed nur zustimmen, all das verbinde auch ich mit Nationalsozialismus. Was soll daran bitte oberflächlich sein?

Alles, weil rein empirisch orientiert.

Hm, natürlich sind das empirisch feststellbare Kriterien. Was auch sonst? Was ist Dein Punkt hier?

Kommt es Dir auf die richtige Intention, die richtige Gesinnung an, ganz egal, wie die Auswirkungen sind? Doch wohl kaum, das wäre ja per se völlig absurd. (Oder etwa nicht?)

Aber was sonst? Wie soll man 'faschistisch' von 'nicht-faschistisch' unterscheiden können, wenn nicht nach empirisch feststellbaren Kriterien?

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und Du kannst natürlich hingehen und Faschismus so "definieren", wie es die "Bundeszentrale für politische Bildung" tut. Aber lernen wirst Du dabei nichts.

Man kann z.B. nicht einfach ausblenden, dass bei jedem Faschismus, egal ob in Deutschland, Italien oder Chile ohne Ausnahme Kapitalinteressen im Vordergrund standen.

Das ist zirkulär. 'Bei jedem Faschismus standen Kapitalinteressen im Vordergrund, wenn nicht, war es kein Faschismus'.

Oder, mal anders gesagt: dass Kapitalinteressen irgendwo im Vordergrund stehen, halte ich nicht für wesentlich bei meinem Begriff von Faschismus (der für mich negativ besetzt ist). Was aber nicht (gleichermaßen) für 'bei X stehen Kapitalinteressen im Vordergrund' gilt. Daraus folgt unweigerlich, dass 'Faschismus' für mich nicht 'da stehen Kapitalinteressen im Vordergrund' bedeuten kann.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Der Name "Nationalsozialismus" ist ja bloß eine Selbstbezeichnung der deutschen Faschisten. Diese sollte man tunlichst nicht übernehmen. Denn Faschismus ist ja gerade antisozialistisch. Wie also kann man ihn als National"sozialismus" bezeichnen? Das ist quatsch und antiaufklärerisch.

Das sehe ich anders, habe ich oben schon erläutert.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Es gibt richtige und falsche Definitionen. Der Begriff ist Teil des Klassenkampfes so wie die Geschichtsschreibung per se.

Wie unterscheidet man eine richtige von einer falschen Definition?

Ich meine nach wie vor, dass sich die Bedeutung eines Wortes aus seinem Gebrauch ergibt. Wird das Wort X gemeinhin in der Bedeutung Y verwendet, dann ergibt es mE schlicht keinen Sinn, zu sagen: 'aber das ist falsch verwendet, die irren alle, tatsächlich ist die wahre Bedeutung von X Z'.

Und deswegen plädiere ich nach wie vor dafür, Klartext zu reden, anstatt ein so schwammiges Wort wie 'Faschismus' zu verwenden, das alles und nichts bedeutet, bzw. genauer gesagt: es bedeutet: 'mag ich nicht, lehne ich ab, ist für mich moralisch sehr negativ besetzt'.

Da bringt es ja auch gar nichts, irgendwie Sprachhygiene zu betreiben, indem man behauptet, die 'richtige' Bedeutung des Begriffes zu besitzen.

Mir wäre es viel lieber, wenn wir uns darauf einigen könnten, dass Totalitarismus abzulehnen ist und demokratische Strukturen wünschenswert sind.

Aber das können wir nicht, solange Du weiter nur über 'Faschismus' nach Deiner Definition reden willst.

Und, nochmal meine Frage von weiter oben an Dich: war Stalinismus Faschismus? Wenn nein: warum nicht? Und weiter: war Stalinismus besser als Faschismus? Wenn ja: wieso?

Ansonsten, nochmal zu dem Zitat oben: das war, wie gesagt, irgend ein völlig beliebiges, eines, das mir bei der Google-Suche 'faschismus definition' ins Auge sprang. Nicht, dass ich das unterschreiben wollen würde, ich meine ja nach wie vor, dass der Begriff 'Faschismus' heute keinen fassbaren Inhalt mehr hat, sondern dass er für alles und jedes verwendet wird, was man moralisch ablehnt.
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Skeptiker
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Beitrag(#1582745) Verfasst am: 07.12.2010, 23:03    Titel: Re: Was ist denn Faschismus überhaupt? Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Ich würde ja mitgehen, die Beteiligung von US-Konzernen, wie General Motors, an Verbrechen im Vietnamkrieg zu konstatieren, die Millionen vietnamesischer Todesopfer forderten, und dennoch vorsichtig sein bei Schlagworten, wie Faschismus.

Bleibt die Frage, ob wirklich die Unterstützung durch "das" Monopolkapital die für den "Faschismus" in all seinen Ausprägungsformen definitionsbestimmende Komponente sein soll.


Nein, die Ausprägungsformen hängen davon ab, wen die Monopolkapitale beauftragen.

Vietnam war natürlich ein Krieg gegen den gefürchteten Sozialismus, dessen Ausweitung in dieser Region man befürchtete. Gleichzeitig redete man von der Verteidigung der Menschenrechte und der Freiheit. Gemeint die Freiheit des Kapitals, sich weltweit ungehindert zu bewegen. Und das geht eben nicht, wenn bestimmte Märkte in Südostasien oder anderswo an die Sozialisten gehen.

Die Kapitalpolitik ist nicht immer gezwungen, gleich einen Faschismus zu errichten (der ja ohnehin sehr teuer ist). Wenn's ein normaler Bombenteppich tut, dann legt man eben den Bombenteppich. Wenn's der Parlamentarismus und die BILD tun, dann lobt man eben diese als die größten Errungenschaften.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
In Deinen vier Links finden sich Gedanken über die Verbindung des Faschismus mit dem "Neoliberalismus", darunter eine in meinen Augen sehr problematische Aussage über die Notwendigkeit der "Unterdrückung der Reaktionäre" nach erfolgreicher Revolution (wer entscheidet darüber, wer "reaktionär" ist und unterdrückt werden soll?).


Du meinst sicher den folgenden Beitrag:
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1176928#1176928

Marx und Lenin haben eine solche Forderung erhoben, weil sie meinten, damit die Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Aber es ist auch eine theoretisch begründete Forderung.

Ich erwähnte Chile, das seinen Verzicht einer Kontrolle der Reaktionäre mit einem hohen Blutzoll bezahlen musste.

Hier konnten sich die Reaktionäre mittels einer kurzen faschistischen Phase wieder an die Macht putschen.

Problem: Wer konnte ahnen, dass ausgerechnet Pinochet, ein ehemaliger Anhänger Allendes sich zum Bluthund wandelte? Ein Problem, zweifellos.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Dazu finden sich in der neuen Lenin-Biographie von Wolfgang Ruge (1917-2006), der Opfer des Stalinschen Lager-Systems war und dennoch an einem nichtstalinistischen Sozialismus-Ideal festhielt, lesenswerte Aufschlüsse. Es hätte auch in Sowjetrussland anders kommen können, wenn nicht Fanatiker die Macht ergriffen hätten, die dem Volke in Wirklichkeit sehr fremd waren - subjektiver Faktor, Rolle der Persönlichkeiten.


Das meine ich auch.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Sodann wird von Dir der Faschismus mit dem "Korporatismus"-Modell in Verbindung gebracht (25.9.2007), gerade diese Ständestaats-Vorstellungen weisen indes nach Italien.

Das "Volksgemeinschafts"-Modell der Nazis, das sodann von Dir angeführt wird, konstruiere einen imaginären "homogenen Volkskörper". In der "Staatsbiologie" völkischer Ideologen aus der Zeit vor 1933 und der NS-Zeit siehst Du Vorläufer der gegenwärtigen Vertreter einer Ausgrenzung für die Wirtschaft als "unnütz" angesehener Menschen.

An all dem ist sicher etwas dran. Doch reicht das für meine Begriffe noch nicht aus, wenn wir allein über Deutschland sprechen, eine Wiederkehr des "Hitler-Faschismus" alias Nationalsozialismus anzunehmen.
Nach 1933 war die geistige "Gleichschaltung" breiter Bevölkerungsschichten weit vorangeschritten, Eroberungskriege und Massenmorde waren machbar, viele Deutsche profitierten davon (Götz Aly-These hat einen rationalen Kern).


In der Umfrage heisst es nicht "Nationalsozialismus". Und es gibt auch die Antwort-Option:
"Ja, aber der Vergleich mit dem Hitler-Faschismus ist unzulässig".

Der Hitler-Faschismus wird so nicht wiederkehren. Aber einzelne Elemente davon können wiederkehren, gepaart mit neuen Elementen. Deswegen sollte man aber nicht die Gefahr aus dem Auge verlieren, nur weil die neuen Vollstrecker des Kapitals andere Uniformen tragen werden oder gar keine Uniformen mehr. Oder weil sie anstatt zu schreien, plötzlich gelernt haben, leise zu sprechen und dabei gar zu lächeln.

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Doch mit Blick auf die Zukunft - und danach wurde eingangs gefragt - sind andere Szenarien denkbar als der Sieg faschistischer Barbarei.
Und da scheint mir vor allem eines wichtig zu sein: die Öffnung gegenüber breitesten Volksschichten. Entgegen der Vorstellung einer allgemeinen "Verdummung", ist das Volk nicht "dumm" und wartet nur auf die Erlösung durch eine kleine aufgeklärte Vorhut. Partielle Interessen (wie sie in Stuttgart deutlich werden) können mit gesamtgesellschaftlichen Interessen in Übereinstimmung auf friedlichem Wege gelangen. Blutvergießen ist kontraproduktiv und schadet dem Volk.


Nun gut, Du sprichst von partiellen und gesamtgesellschaftlichen Interessen und leugnest demnach schon einen grundsätzlichen Interessenantagonismus.

Wenn Du Recht hast, dann kann man natürlich menschliche Bedürfnisse und Profitmaximierung irgendwie zusammen fügen. Das glaube ich zwar nicht, aber das ist ein anderes Thema.
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Beitrag(#1582844) Verfasst am: 08.12.2010, 00:26    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
Die DDR hatte eine Mauer, Schusswaffengebrauch - alles verurteilungswürdige Zustände - hätte es die Mauer 1961 nicht gegeben, wäre sie binnen kurzer Zeit zusammengebrochen.

Die DDR hat keine Angriffskriege geführt, die dann 50 Millionen Menschenleben gekostet hätten, für die eher indirekte Beteiligung am 21. August 1968 hat sich die letzte Volkskammer 1990 bei den tschechen entschuldigt.
Die DDR ließ nicht Millionen Juden ermorden. Antisemitismus war laut Verfassung Staatsverbrechen.

Was soll das von mir hier? Reinwaschung? Nee. Aber mal ein bißchen die Verhältnismäßigkeit in Erinnerung rufen.
Hier liegen übrigens auch Grenzen bei der Anwendung des Totalitarismus-Begriffs.

Hm, nein, liegen sie meiner Ansicht nach nicht.

'Totalitarismus' ist ein Überbegriff für solche Diktaturen, die meinen, die Wahrheit™ zu besitzen und diese bis ins Privateste durchzusetzen versuchen und keine andere Meinung dulden, (egal, ob 'Ketzer' oder 'Konterrevolutionäre' genannt - alter Wein in alten Schläuchen - zwei Worte mit derselben Bedeutung).

Totalitär ist ein Staat dann, wenn er versucht, einen 'neuen Menschen' mit der 'einzig richtigen Meinung' zu formen, (weil die in seiner 'wahren' Natur läge, die man kennte, auch wenn die seber die nicht kennen, man muss die anderen zu ihren Glück zwingen und das darf man auch deswegen, weil man ja die einzig wahre Wahrheit besitzt).

In dem Sinn war die DDR totalitär, so wie die meisten 'real-sozialistischen' Staaten bisher ebenfalls.

Natürlich ist die DDR in Bezug auf Kriege und auch auf den Umfang der physische Vernichtung ihrer Bürger nicht mit dem Nationalsozialismus oder dem Stalinismus zu vergleichen.

Aber dennoch, meine Frage steht nach wie vor: inwiefern war Stalinismus besser als Nationalsozialismus?

War besser, weil Zweiteres ein Faschismus war und Ersteres nicht? Weil bei Ersterem hehre Motive dahinterstanden und bei Zweiterem schnöde Kapitalinteressen?

Oder wieso sonst? Oder war nicht besser, nur anders, soll eine andere Bezeichnung bekommen? Wenn ja: welche?

Und, ja, bei mir läuten alle Alarmglocken, wenn jemand a) den Begriff 'Totalitarismus' ablehnt, b) statt dessen 'Faschismus' als Synonym für 'Kapitalinteressen' verwenden möchte, (so als ob es für eine moralische Bewertung nur darauf ankäme, auf nichts weiter) und c) mir den Gebrauch des Begriffes 'Nationalsozialismus' untersagen möchte, (weil 'Sozialismus' ein positiv besetzter Begriff sein muss - einfach aus dem Grunde, weil der 'Kapitalinteressen' entgegen steht - so, als ob es für eine moralische Bewertung nur darauf ankäme).

Ein Strohmann von mir jetzt mal wieder, wie immer, weil doch explizit auf 'Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit' hingewiesen wurde?

Mag schon sein, mag aber auch sein, dass ich etwas anderes unter diesen Begriffen verstehe. Ich sehe zumindest nicht, wieso 'Kapitalinteressen' prinzipiell nicht damit vereinbar wären. Und ich sehe auch nicht, wieso ein Staat, in dem es keine Kapitalinteressen mehr gibt, automatisch das Paradies wäre. Alle geschichtliche Erfahrung spricht dem Hohn.

Aber, hey, ich gebe gerne zu, dass ich mit der ganzen Klassenkampfrhetorik ('Interessenantagonismus', 'für Sozialisten gibt es keine Versöhnung bzw. Gemeinschaft zwischen den Klassen' etc.) nichts, aber auch gar nichts am Hut habe. Ist mir ein Buch mit sieben Ziegeln, bin schlicht westlich sozialisiert und war nie in einer Gehirn-Wasch-KP-Gruppe, mir sind andere Sachen, z.B. persönliche Freiheit, sehr viel wichtiger, als die Frage, wie die Produktionsverhältnisse sind. Ich würde nie persönliche Freiheit und Bürgerrechte in den Orkus schieben wollen, nur damit Produktionsmittel in andere Hände kommen, ich verstehe auch noch nicht mal im Ansatz, wieso das jemand anderes befürworten wollen würde.

Ich würde gerne mal Argumente dafür sehen, wieso ein Staat, in dem 'Kapitalinteressen' wichtig sind, schlechter ist, als ein Staat, in dem sie es nicht nicht. Und wieso ein Staat, in dem 'Kapitalinteressen' eine Rolle spielen, 'faschistischer' (in dem Sinne: 'böser') sein soll, als ein Staat, in dem das nicht der Fall ist.

Mag ja sein, dass es sehr viel schwerer ist, seine Prämissen und Grundlagen offen zu legen, als einfach zu sagen: 'faschistisch (= böse)'. Und mag auch sein, dass man meinte, man bräuchte keine Argumente, es reiche, einfach permanent nur 'faschistisch' zu sagen und damit sei alles gesagt, was überhaupt zu sagen sei und wer das nicht verstehe, was man tatsächlich damit meine, sei strohdoof. Fragt sich dann nur, wie überzeugend das wirkt. Auf mich ja nicht so besonders.
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Beitrag(#1582849) Verfasst am: 08.12.2010, 00:33    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:


'Totalitarismus' ist ein Überbegriff für solche Diktaturen, die meinen, die Wahrheit™ zu besitzen und diese bis ins Privateste durchzusetzen versuchen und keine andere Meinung dulden, (egal, ob 'Ketzer' oder 'Konterrevolutionäre' genannt - alter Wein in alten Schläuchen - zwei Worte mit derselben Bedeutung).

Totalitär ist ein Staat dann, wenn er versucht, einen 'neuen Menschen' mit der 'einzig richtigen Meinung' zu formen, (weil die in seiner 'wahren' Natur läge, die man kennte, auch wenn die seber die nicht kennen, man muss die anderen zu ihren Glück zwingen und das darf man auch deswegen, weil man ja die einzig wahre Wahrheit besitzt).


So gesehen war das mal mit dem Totalitarismus früher ein sinnvolles Konzept. Als der Staat bzw. das Regime noch um seinen Fortbestand bangen musste, wenn genug Staatsbürger mit abweichendem Weltbild da sind.

Ich glaub kaum, dass das heutzutage noch so gegeben ist, außer vllt in Nordkorea oder so.
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Beitrag(#1582857) Verfasst am: 08.12.2010, 00:43    Titel: Antworten mit Zitat

Noseman hat folgendes geschrieben:
So gesehen war das mal mit dem Totalitarismus früher ein sinnvolles Konzept. Als der Staat bzw. das Regime noch um seinen Fortbestand bangen musste, wenn genug Staatsbürger mit abweichendem Weltbild da sind.

Ich glaub kaum, dass das heutzutage noch so gegeben ist, außer vllt in Nordkorea oder so.

Hm, also erstens ist es mE für die Frage, ob das ein sinnvolles Konzept ist, völlig unerheblich, ob es heute totalitäre Staaten gibt oder nicht. Damit etwas ein sinnvolles Konzept ist, reicht es locker aus, dass das Konzept theoretisch möglich ist (selbst wenn - in Vergangenheit und Zukunft - es niemals Realität würde) und zweitens würde ich Dir widersprechen wollen, dass es heute keine totalitären Staaten mehr gibt. Z.B. den Iran würde ich als totalitären Staat ansehen.
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Beitrag(#1582862) Verfasst am: 08.12.2010, 00:48    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Noseman hat folgendes geschrieben:
So gesehen war das mal mit dem Totalitarismus früher ein sinnvolles Konzept. Als der Staat bzw. das Regime noch um seinen Fortbestand bangen musste, wenn genug Staatsbürger mit abweichendem Weltbild da sind.

Ich glaub kaum, dass das heutzutage noch so gegeben ist, außer vllt in Nordkorea oder so.

Hm, also erstens ist es mE für die Frage, ob das ein sinnvolles Konzept ist, völlig unerheblich, ob es heute totalitäre Staaten gibt oder nicht. Damit etwas ein sinnvolles Konzept ist, reicht es locker aus, dass das Konzept theoretisch möglich ist (selbst wenn - in Vergangenheit und Zukunft - es niemals Realität würde) und zweitens würde ich Dir widersprechen wollen, dass es heute keine totalitären Staaten mehr gibt. Z.B. den Iran würde ich als totalitären Staat ansehen.


Gut, ich korrigiere mich: ich halte es für ein recht unscharfes Konzept, um Kommunismus, Nationalsozialsmus etc. zu vergleichen. In die Schublade kann man dann alles Mögliche reinknallen, aber dann kann man stattdessen auch gleich "Schurkenstaat" sagen.
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Beitrag(#1582865) Verfasst am: 08.12.2010, 00:57    Titel: Antworten mit Zitat

Hm, aber Kommunismus und Nationalsozialismus kann man mE eh nicht vergleichen. 'Kommunismus' bezeichnet ein (allgemeines) Konzept, (das sehr unterschiedliche Umsetzungen haben kann), 'Nationalsozialismus' ist ein Synonym für 'Nazi-Deutschland', d.h. ein explizites, erfolgtes geschichtliches Geschehen.

Vergleichen kann man nur gleiche Kategorien, in dem Falle Stalinismus und Nationalsozialismus. Nicht aber ein abstraktes Konzept mit einem erfolgten geschichtlichen Ablauf.


Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 08.12.2010, 01:02, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#1582866) Verfasst am: 08.12.2010, 01:00    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Hm, aber Kommunismus und Nationalsozialismus kann man mE eh nicht vergleichen.


Deswegen finde ich es ja unscharf, alles in die Schublade "Totalitarismus" zu stecken. Kann man natürlich machen, um sich der Sache anzunähern, aber wirklich vertiefend taugt das mE nicht viel.
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Beitrag(#1582874) Verfasst am: 08.12.2010, 01:13    Titel: Antworten mit Zitat

Noseman hat folgendes geschrieben:
Deswegen finde ich es ja unscharf, alles in die Schublade "Totalitarismus" zu stecken. Kann man natürlich machen, um sich der Sache anzunähern, aber wirklich vertiefend taugt das mE nicht viel.

Verstehe ich nicht.

Gleiche Kategorien kann man, wie gesagt, sehr wohl vergleichen. Z.B. halte ich, wie gesagt, den Stalinismus für totalitär.

Und um es explizit zu sagen: Totalitarismus lehne ich ab. Und mir kommt es dabei auf bestimmte Dinge an: Menschenrechte, Menschenwürde, Freiheit, Bürgerrechte.

Das ist mein Punkt hier. Und all das oben genannte würde ich über die aktuellen Produktionsverhältnisse setzen, das ist mir tausendmal wichtiger als die Produktionsverhältnisse, Kapitalinteressen, whatever.

Und, ja und doch, das finde ich vertiefend, sehr viel vertiefender, als einfach zu sagen: 'bööööh, Faschismus, böse, böse, böse, böse'. Das finde ich nicht vertiefend, das finde ich ich im Gegenteil nur komplett dämlich und intellektuell retardiert. Ich könnte kotzen ob dessen.

Naja, so unterscheiden sich halt die Ansichten. Bin ja Pluralist, muss das akzeptieren, so schwer es mir auch fällt. Jemand sagt 'Faschismus' und meint, damit wäre alles gesagt, obgleich für mich damit gar nichts gesagt ist, außer, dass da wohl ein persönlicher Vorbehalt besteht. Er mag es nicht. Naja. Ich verstehe das schlicht nicht.

'Faschismus' - und alles ist gesagt. Tut mir leid, aber dümmer geht es meiner Ansicht nach fast gar nicht. *augenroll*
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