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Metaphysik und Wissenschaft
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1728150) Verfasst am: 14.02.2012, 23:26    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns doch einig, dass wir keine Religion benötigen, müssten uns also in der täglichen Lebenspraxis einig sein, dass man Moral etc. anders begründen muss und nicht auf ein Leben nach dem Tod schielen darf.

Dem Gefetteten stimme ich nicht zu. Ich bin weder der Meinung, dass man Moral begründen muss - ebensowenig wie man Hunger oder die Notwendigkeit zu atmen begründen muss -, noch denke ich, dass die Religionen ihre Moral begründen können, siehe Eutyphrons Dilemma.

kann sein, dass ich berufsbedingt voreingenommen bin, das Halbjahresthema, das ich gerade behandle, lautet

Zitat:
Vernunft und Gewissen. Normsetzende Begründungen verantwortlichen Handelns


Im Lehrplan ist nicht nur vorgesehen, kritisch die bisher vorgetragenen Begründungen zu analysieren, es wird auch davon ausgegangen, dass man moralisches Handeln begründen kann.

Okay, wir könnten uns nun darüber streiten, was der Unterschied zwischen Ethik und Moral ist oder was ich mit 'etc.' gemeint haben könnte.

Im Stoffplan steht aber auch 'Die Antwort der Religionen' und da ist durchaus vorgesehen, zu zeigen, warum diese 'Begründungen' keine sind. Hier sind wir uns einig, ich behandle dort auch das Euthyphron-Dilemma.
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1728151) Verfasst am: 14.02.2012, 23:30    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns doch einig, dass wir keine Religion benötigen, müssten uns also in der täglichen Lebenspraxis einig sein, dass man Moral etc. anders begründen muss und nicht auf ein Leben nach dem Tod schielen darf.


Dem Gefetteten stimme ich nicht zu. Ich bin weder der Meinung, dass man Moral begründen muss - ebensowenig wie man Hunger oder die Notwendigkeit zu atmen begründen muss -, noch denke ich, dass die Religionen ihre Moral begründen können, siehe Eutyphrons Dilemma.

Richtig, und die Male. wo man versucht hat, eine Ethik auf eine Begründung aufzubauen, ist es jämmerlich schief gegangen. Man kann es an jedem Gesetzbuch ablesen (ich weiß, daß Gesetze etwas anderes sind als Moral). Nach kurzer Zeit nehmen die Ausnahmetatbestände überhand, weil das Leben eben nicht nach einem Prinzip zu organisieren ist (zumindest kennen wir noch keins).

ich stimme hier mit Dir überein. Ich kenne Dutzende von 'Begründungen' für Moral bzw. Ethik, aber keine konnte sich durchsetzen in dem Sinn, dass sie allgemein anerkannt ist. Sogar die Formen, die beanspruchen, eine Letztbegründung geliefert zu haben, konnten sich nicht durchsetzen.

Ich persönlich ordne mich daher irgendwo zwischen Nihilismus und Konventionalismus ein.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1728156) Verfasst am: 14.02.2012, 23:42    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

ich stimme hier mit Dir überein. Ich kenne Dutzende von 'Begründungen' für Moral bzw. Ethik, aber keine konnte sich durchsetzen in dem Sinn, dass sie allgemein anerkannt ist. Sogar die Formen, die beanspruchen, eine Letztbegründung geliefert zu haben, konnten sich nicht durchsetzen.

Ich persönlich ordne mich daher irgendwo zwischen Nihilismus und Konventionalismus ein.

Unsere Handlungsnormen aka Moral sind meiner Ansicht nach das Ergebnis eines sozialen Prozesses. Ich vergleiche es gelegentlich gern mit einer Sprache. Grundstrukturen sind vermutlich angeboren und der Rest hat sich im Laufe unserer Geschichte nach Regeln, die wir noch nicht ganz verstehen, entwickelt. Moral ist also in gewisser Weise kollektive Erfahrung.

Unsere moralischen Bewertungen erfolgen unbewußt, dh. wir haben sie in unserer Kindheit und Jugend gelernt, und vermutlich hört dieses Lernen niemals auf. Wir mögen bewußt darüber nachdenken, aber zu einem moralischen Urteil wird es erst, wenn es Teil unseres Unterbewußtseins geworden ist und das funktioniert anders als unser Bewußtsein. Es ist erfahrungs- und fallorientiert, nicht systematisch.

Das ist der grundsätzliche Unterschied zu einer philosophisch konstruierten Ethik, und wie eine künstliche Sprache fühlt sie sich nicht richtig an. Sie ist einfach zu simpel, um in unserem Leben anwendbar zu sein, ohne totalitär zu werden.

Das heißt nicht, daß es falsch ist, ethische Prinzipien zu diskutieren, aber man muß sich darüber klar sein, daß es Vereinfachungen sind. Was davon tauglich erscheint, wird evtl. auf diese Weise Teil der allgemeinen Moralvorstellungen, aber wenn, dann nicht als Prinzip, sondern als Teil unseres unterbewußten Wertesystems.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1728158) Verfasst am: 14.02.2012, 23:48    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ich bin ziemlich sicher, daß die meisten Agnostiker, auf die Frage nach der Existenz des Teufels oder von Aphrodite eindeutig mit "Nein" antworten würden. Was ist an der Frage nach "Gott" anders?
Nichts. Du musst allerdings 'Gott' etwas präzisieren. Gottesbilder kann man durchaus widerlegen, sollten daraus empirische Beobachtungen abgeleitet werden.

Das möchte ich jetzt aber genau wissen: Bist Du epistemischer A-Exist bezüglich der Zahnfee, bezüglich Aphrodite, bezüglich des Bibelgottes, bezüglich des katholischen Gottes? Und was ist ein Falsifikationskriterium in bezug auf eine Existenzfrage? Existiert der Bibelgott nicht, weil die Behauptung über seine Schöpfung empirisch widerlegt ist?

ganz brauchbar ist meiner Meinung nach folgende Definition von 'Agnostizismus':

Anonymus (1979) 'Neues grosses Volkslexikon. Erster Band' München, Taschenbuch Verlag

Zitat:
Agnostizismus [griech.], die Lehre, daß man von einem absoluten Sein oder Gott nichts wissen könne und daher die Frage nach seinem Dasein unentschieden lassen müsse. Anhänger des A. waren u. a. Comte, Spencer, F. A. Lange. (52f)

Beantwortet das Deine Frage nach Aphrodite und Zahnfee?

Bezüglich Bibel-Gott und der katholischen Variante bin ich agnostisch. 'Gotteswort aus Menschenmund' könnte ein möglicherweise existentes absolutes Sein ungenau wiedergeben.

Was genau hinsichtlich dessen, was er angeblich geschaffen hat, widerlegt ist, hängt davon ab, wie man diese Schriften interpretiert. Sollte Gott durch Zweitursachen schaffen, wäre eine Widerlegung schwierig. Ob das dann noch der Typ Gott ist, den die Bibel beschreibt, ist eine andere Frage. Es könnte aber auch sein, dass die heutigen Theologen denselben Gott beschreiben, den die Autoren der Bibel beschrieben, nur mit anderen Metaphern. Ich glaube nicht daran. Als Nicht-Existenz-Beweis möchte ich das aber nicht vertreten.

step hat folgendes geschrieben:
Kannst Du überhaupt ein vernünftiges Kriterium angeben, nach dem man der Meinung sein kann, etwas exstiere nicht?

Schwer zu sagen. Wenn ich weiß, dass die Existenz eines Wesen namens 'Zahnfee' nur in bestimmten Gegenden der Welt den Kindern erzählt wird, würde ich nicht annehmen, dass dieses Wesen existiert. Das wird wohl vernünftig sein.

Dass alles, was man kleinen Kindern erzählt, erfunden ist, scheint mir nicht daraus zu folgen.

Wenn man aber weltweit durch den gesamten Verlauf der Geschichte weit mehr Menschen, auch solche mit sehr hoher Intelligenz, findet, die an irgendwelche 'höheren Mächte' glauben, könnte da was dahinter stecken. Ich glaube das zwar nicht, aber wie sollte ich sicher sein?


step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
'Die Gottesfrage' ist allerdings etwas diffiziler und geht in Richtung 'Warum ist Seiendes und nicht vielmehr Nichts?'.

Da protestiere ich. Diese Frage ist nur dann die Frage nach Gott, wenn ich Annahmen über Letztgründe, allerlei anthropomorphe Fehlschlüsse und dergleichen bereits hereinstecke. Also im Prinzip einen Glauben.

Ich vermute, dass es leicht zu zeigen ist, dass wir auch im Bereich der Naturwissenschaften glauben. Du wirst doch nicht beweisen können, dass ein Modell des Seins etwas über das Sein aussagt, selbst wenn Du noch so intensiv modellierst und es immer korrekte Werte liefert? Du weißt doch auch nicht, was wir morgen wissen werden.

Nur nebenbei, noch kein Philosoph konnte den Solipsismus widerlegen. Nicht, dass mich das irgendwie beeindrucken würde, aber es sollte unsere Sicherheit hinsichtlich Existenz-Aussagen doch etwas problematisieren.
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Marcellinus
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Beitrag(#1728159) Verfasst am: 14.02.2012, 23:54    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Vergessen: 'Keine Religion haben ist auch eine Religion' ist auf einer anderen Ebene angesiedelt. Man kann problemlos ohne Religion leben, aber nicht denken ohne eine Metaphysik (AKA Ontologie), wenn man das etwas intensiver betreiben möchte.

Doch, kann man, wenn man sich klar macht, daß unsere Vorstellungen von dieser Welt immer Modelle sind, mehr oder weniger durch Tatsachenbeobachtungen belegt. Wir beobachten und messen immer nur Eigenschaften dieser Welt, nie die Welt an sich, nie ihr "Wesen". Unser Prozeß des Wissenserwerbs ist eine ständige Abfolge von Tatsachenbeobachtung und Modellbildung. Jedes dieser Modell besitzt realistische Anteile und solche, die auf Fantasie beruhen, und letztere erkennen wir immer erst in dem Augenblick, wo sie mit neuen Tatsachenbeobachtungen in Konflikt geraten. Der Fortschritt unseres Wissens, wenn er denn stattfindet, beruht darauf, daß neue Modelle realistischer, durch Tatsachenbeobachtungen besser belegt sind als die vorherigen. Über das "Wesen" dieser Welt sagen sie uns nichts, immer nur über nachprüfbare Eigenschaften, interpretiert durch unsere Modelle.
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#1728162) Verfasst am: 15.02.2012, 00:02    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Wenn man aber weltweit durch den gesamten Verlauf der Geschichte weit mehr Menschen, auch solche mit sehr hoher Intelligenz, findet, die an irgendwelche 'höheren Mächte' glauben, könnte da was dahinter stecken. Ich glaube das zwar nicht, aber wie sollte ich sicher sein?

Warum versuchst du nicht, eine wissenschaftliche Erklärung für vorwissenschaftliche Erklärungsmodelle zu finden, statt dich mit einem philosophischen Agnostizismus abzufinden?

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Nur nebenbei, noch kein Philosoph konnte den Solipsismus widerlegen. Nicht, dass mich das irgendwie beeindrucken würde, aber es sollte unsere Sicherheit hinsichtlich Existenz-Aussagen doch etwas problematisieren.

Philosophisch kann man das zwar vielleicht nicht widerlegen, aber auch das spricht mehr gegen die Philosophie als für sie. Praktisch geht es schon. Wenn Solipsismus bedeutet, daß es nur das eigene Ich gibt, warum sollte ich mit dir diskutieren, oder du mit mir? Von der simplen Tatsache, daß ein Ich allein überhaupt nicht erklärbar wäre, gar nicht zu reden. Es wäre reine Zeitverschwendung.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1728163) Verfasst am: 15.02.2012, 00:03    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Vergessen: 'Keine Religion haben ist auch eine Religion' ist auf einer anderen Ebene angesiedelt. Man kann problemlos ohne Religion leben, aber nicht denken ohne eine Metaphysik (AKA Ontologie), wenn man das etwas intensiver betreiben möchte.

Doch, kann man, wenn man sich klar macht, daß unsere Vorstellungen von dieser Welt immer Modelle sind, mehr oder weniger durch Tatsachenbeobachtungen belegt.

'Ontologie' bedeutet für mich die begründete Auflistung, was Bunge als 'The world's furniture' bezeichnet hat, also das, womit wir unsere 'Welt' ausstatten, aber auch Definitionen der Relationen und Veränderungen dieser 'Gegenstände'.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wir beobachten und messen immer nur Eigenschaften dieser Welt, nie die Welt an sich, nie ihr "Wesen". Unser Prozeß des Wissenserwerbs ist eine ständige Abfolge von Tatsachenbeobachtung und Modellbildung. Jedes dieser Modell besitzt realistische Anteile und solche, die auf Fantasie beruhen, und letztere erkennen wir immer erst in dem Augenblick, wo sie mit neuen Tatsachenbeobachtungen in Konflikt geraten.

Ist Dir bewusst, dass Du gerade Deine Ontologie beschreibst, also Metaphysik betreibst, nebenbei, so ziemlich die, die ich vertrete?

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Der Fortschritt unseres Wissens, wenn er denn stattfindet, beruht darauf, daß neue Modelle realistischer, durch Tatsachenbeobachtungen besser belegt sind als die vorherigen. Über das "Wesen" dieser Welt sagen sie uns nichts, immer nur über nachprüfbare Eigenschaften, interpretiert durch unsere Modelle.

Natürlich. Aber für die Konstruktion dieser Modelle benötigst Du Begriffe. Die Begründung, welche Du verwendest, heißt in meinem Sprachgebrauch Ontologie, was synonym mit Metaphysik ist.

Sehr umfassend ist das in meiner 'Bibel'

Zitat:
Mahner, M.; Bunge, M. (2000) 'Philosophische Grundlagen der Biologie' Berlin; mult., Springer


dargestellt.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1728164) Verfasst am: 15.02.2012, 00:11    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Wenn man aber weltweit durch den gesamten Verlauf der Geschichte weit mehr Menschen, auch solche mit sehr hoher Intelligenz, findet, die an irgendwelche 'höheren Mächte' glauben, könnte da was dahinter stecken. Ich glaube das zwar nicht, aber wie sollte ich sicher sein?

Warum versuchst du nicht, eine wissenschaftliche Erklärung für vorwissenschaftliche Erklärungsmodelle zu finden, statt dich mit einem philosophischen Agnostizismus abzufinden?

merkwürdige Frage. Was folgt über die mögliche Existenz eines Gottes, wenn ich Gottesvorstellungen irgendwie erklären kann? Wenn jemand vertritt, dass Gott die Suche nach ihm in die Gene der Viecher eingebaut hat, aus denen sich der Mensch entwickelte, wäre das eine 'wissenschaftliche Erklärung für vorwissenschaftliche Erklärungsmodelle'? Vor allem, wenn man, wie heutige Theologen, Gott gar nicht mehr als Erklärungsmodell, beispielsweise für die Evolution, einsetzt ('Schiller spielt im Wallenstein nicht mit')?

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Nur nebenbei, noch kein Philosoph konnte den Solipsismus widerlegen. Nicht, dass mich das irgendwie beeindrucken würde, aber es sollte unsere Sicherheit hinsichtlich Existenz-Aussagen doch etwas problematisieren.

Philosophisch kann man das zwar vielleicht nicht widerlegen, aber auch das spricht mehr gegen die Philosophie als für sie. Praktisch geht es schon. Wenn Solipsismus bedeutet, daß es nur das eigene Ich gibt, warum sollte ich mit dir diskutieren, oder du mit mir? Von der simplen Tatsache, daß ein Ich allein überhaupt nicht erklärbar wäre, gar nicht zu reden. Es wäre reine Zeitverschwendung.

Vielleicht macht es meinem Ego Spaß, mit mir selber über die Schöpfung eines Wesens 'Marcellinus' zu diskutieren? Ich könnte auch Solitaire spielen, ist auch reine Zeitverschwendung, aber erfreut.

Versteh' mich nicht falsch, ich führe derartige Diskussionen seit über 30 Jahren und mir ist kaum ein Argument neu. Mir ist auch bewusst, dass in diesen Fragen viel 'Charaktersache' ist. Daher hatte ich auch das Beispiel 'Rotwein vs. Weißwein beim Rehbraten' angeführt. Teilweise ist meine Haltung auch strategisch. Man kommt bei Theologen leichter zur Sache, wenn man 'tu quoque' einfach mal ausschaltet, indem man deutlich macht, dass man über die Existenz deren Gottes keine gültigen Aussagen machen möchte und dann über das spricht, was einen interessiert.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1728165) Verfasst am: 15.02.2012, 00:21    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Vergessen: 'Keine Religion haben ist auch eine Religion' ist auf einer anderen Ebene angesiedelt. Man kann problemlos ohne Religion leben, aber nicht denken ohne eine Metaphysik (AKA Ontologie), wenn man das etwas intensiver betreiben möchte.

Doch, kann man, wenn man sich klar macht, daß unsere Vorstellungen von dieser Welt immer Modelle sind, mehr oder weniger durch Tatsachenbeobachtungen belegt.

'Ontologie' bedeutet für mich die begründete Auflistung, was Bunge als 'The world's furniture' bezeichnet hat, also das, womit wir unsere 'Welt' ausstatten, aber auch Definitionen der Relationen und Veränderungen dieser 'Gegenstände'.

Ja, das ist aber ein Begriff von "Ontologie", der ähnlich sinnvoll ist, wie der Gottesbegriff mancher Gläubiger. Wenn du stattdessen versuchst, zu einer wissenschaftlich tragfähigen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie zu kommen, muß du die Philosophie verlassen, die immer nur sagt, wie Erkenntnis sein sollte, und stattdessen soziologisch untersuchen, wie sich Erkenntnis und Wissenschaften real entwickelt hat, und das ist nicht unabhängig zu tun von der Untersuchung der Gesellschaften, in denen dieses Wissen entstanden ist, und auch nicht unabhängig von den Menschen, die diese Gesellschaften gebildet haben und noch bilden.

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wir beobachten und messen immer nur Eigenschaften dieser Welt, nie die Welt an sich, nie ihr "Wesen". Unser Prozeß des Wissenserwerbs ist eine ständige Abfolge von Tatsachenbeobachtung und Modellbildung. Jedes dieser Modell besitzt realistische Anteile und solche, die auf Fantasie beruhen, und letztere erkennen wir immer erst in dem Augenblick, wo sie mit neuen Tatsachenbeobachtungen in Konflikt geraten.

Ist Dir bewusst, dass Du gerade Deine Ontologie beschreibst, also Metaphysik betreibst, nebenbei, so ziemlich die, die ich vertrete?

Ich denke, inhaltlich sind wir in vielen Punkten nicht weit auseinander, aber wir kommen aus unterschiedliche Traditionen. Und nein, meine Vorstellungen haben mit Metaphysik nichts zu tun, weil die Modelle, von denen ich spreche, Produkt eines sozialen Prozesses sind. Der Begriff Metaphysik gehört zu einem vorwissenschaftlichen Erklärungsmodell, wie es die Philosophie des 18. und 19. Jh. war. Auch bei Popper findet man in seiner 3-Welten-Theorie noch die Vorstellung, Begriffe könnten gewissermaßen unabhängig von Menschen existieren. Es ist der verzweifelte Versuch, absolute Begriffe zu retten, die doch nicht zu retten sind.

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Der Fortschritt unseres Wissens, wenn er denn stattfindet, beruht darauf, daß neue Modelle realistischer, durch Tatsachenbeobachtungen besser belegt sind als die vorherigen. Über das "Wesen" dieser Welt sagen sie uns nichts, immer nur über nachprüfbare Eigenschaften, interpretiert durch unsere Modelle.

Natürlich. Aber für die Konstruktion dieser Modelle benötigst Du Begriffe. Die Begründung, welche Du verwendest, heißt in meinem Sprachgebrauch Ontologie, was synonym mit Metaphysik ist.

Diese Begriffe entwickeln sich zusammen mit der Entwicklung der Modelle. Sie sind nicht vorher da, auch und gerade wenn denken und forschen ohne Begriffe nicht möglich ist.

Fest seht dagegen, daß Menschen Beobachtungen machen und diese zu Bildern von dieser Welt zusammenfügen. Dabei sind diese Beobachtungen nicht voraussetzungslos, sie sind vielmehr Produkt der Evolution. Die Wahrnehmungen, die wir machen, sind optimiert auf einen ganz einfachen Zweck: das Überleben. Wir sehen die Welt nicht so wie sie ist, sondern so, wie es für das Überleben am zweckmäßigsten ist. Unser Vorfahr, der von dem herannahenden Säbelzahntiger eine unrealistische Vorstellung hatte, war bald ein Toter, und schied damit als Vorfahr aus. Das Bild, daß uns unsere Wahrnehmungsorgane von dieser Welt zeigen, ist also realistisch, aber es ist nicht die Welt an sich, ist nicht im philosophischen Sinne wahr.

Diese Beobachtungen erklären aber nicht jeden möglichen Zusammenhang. Man kann einen Blitz sehen, ohne zu verstehen, was das ist. Unsere Natur zwingt uns aber, uns mit unvollständigen Antworten nicht zufrieden zu geben, besonders dann, wenn wir uns davon bedroht fühlen. Es ist neurowissenschaftliche nachgewiesen, daß unserer Gehirn, besonders unter Stress, lieber eine Fantasieerklärung produziert, als eine Frage unbeantwortet zu lassen. Dabei geben wir von Natur aus Erklärungen mit einem persönlichen Verursacher eindeutig den Vorzug, solange wir keine anderen Informationen haben. Auch hier ist der biologische Sinn wieder ganz einfach. Wenn unser Vorfahr ein ungekanntes Geräusch hörte, nahm er erst einmal an, da sei eine Person oder ein Tier. Wenn er sich irrte, hatte er sich einfach nur geirrt. Wenn er aber ein Geräusch für harmlos hielt, hinter dem ein Gegner steckte, war er vielleicht tot, bevor er seinen Irrtum bemerken konnte. Urban Legends und Verschwörungstheorien funktionieren heute noch nach dem Schema.

Am Beginn unserer Entwicklung, als die Menschen noch kaum Informationen über die Zusammenhänge in dieser Welt besaßen, bildeten sie sich ihrer Vorstellungen, die Modelle von den Zusammenhängen zwischen den Beobachtungen, die sie in der Welt machten, mit Hilfe der Fantasie und der Annahme, daß hinter allem persönliche Verursacher stecken müßten. So entstanden die ersten Religionen. Und diese Modelle funktionierten häufig sogar. Man machte einen Regentanz für den Wettergott und irgendwann regnete es. Das war die Bestätigung. Wenn der Regen ausblieb, hatte man eben nicht genügend getanzt. Nur die positiven Fälle werden registriert. Aberglauben funktioniert heute noch so. Du kannst 10mal am Freitag, dem 13. nichts erlebt haben, das eine Mal, wo du dir den Arm gebrochen hast, bestätigt die Theorie.

Aber im Laufe der Zeit scheiterten eben doch viele dieser Modelle und wurden durch solche ersetzt, die realistischer waren. Krankheiten betrachtete man ursprünglich als von Geistern verursacht. Aber man konnte die Geister noch so viel beschwören, manche Krankheiten kamen immer wieder. Bis jemand die Beobachtung machte, daß Fieber häufig in der Nähe von Sümpfen auftrat. Dort stank es erbärmlich. Also mußte der Gestank die Krankheiten verursachen. Man legte den Sumpf trocken und das Fieber verschwand. Die Miasmentheorie war geboren. In unserem heutigen Verständnis war sie falsch, aber realistischer als die Geistertheorie war sie allemal und sie bestätigte sich in der Wirklichkeit. Sie war ein Fortschritt.

Bis man im 19. Jh in London der Cholera-Epidemie nicht Herr wurde. Londen war wie alle großen Städt im Europa der damaligen Zeit eine schmutzige Stadt und es stank erbärmlich. Also versuchte man den krankmachenden Gestand zu beseitigen, indem man die Abwässer in die Themse leitete - aus der die Menschen ihr Trinkwasser nahmen. Der Gestank war weg, die Krankheit wütete schlimmer als zuvor. Erst an diesem Widerspruch zur Wirklichkeit erkannte man seinen Irrtum, und man begann zu vermuten, es müsse etwas mit dem verunreinigten Wasser zu tun haben, nicht mit dem Gestank. Der Erfolg stellte sich sofort ein, die theoretischen Bestätigung kam erst sehr viel später mit der Beobachtung von Bakterien.

Unsere Vorstellungen sind also Modelle von Zusammenhängen zwischen Beobachtungen, die wir machen. Ob diese Modelle falsch sind, können wir nur feststellen, wenn sie mit der Wirklichkeit, die sie beschreiben sollen, in Widerspruch geraten, wenn und nur dann wenn wir Beobachtungen machen, die unseren Modellen widersprechen. Fortschritt entsteht dadurch, daß wir alte Modelle durch bessere ersetzen, wobei besser heißt: in besserer Übereinstimmung mit mehr Beobachtungen. Dabei kann herauskommen, daß die alte Theorie schlicht falsch war, oder, wie im Falle von Newton, nur in gestimmten Fällen galt. Wichtig ist der Vergleich, der Komparativ. Die neue Theorie ist nicht etwa wahr, aber sie ist auch nicht beliebig, sie ist einfach besser, realistischer.

Das gilt auch schon für vorwissenschaftliche Vorstellungen. Dagegen hat man das wissenschaftliche Stadium eines Fachgebiets erreicht, wenn neue Theorien alte nicht mehr für unbrauchbar erklären, sondern sie umfassen, wie die Relativitätstheorie die Newtonsche Mechanik.

Unsere Vorstellungen von dieser Welt sind also nicht beliebigen Theorien, und sie sind auch keine unveränderlichen Wahrheiten, sondern sie sind ein Prozeß, in dessen Verlauf unserer Vorstellungen immer realistischer und weniger fantasiegeladen geworden sind. Dieser Prozeß ist nicht zwangsläufig (es gab ja auch schon Rückschritte und es kann sie wieder geben) und er ist auch nicht zielgerichtet, sondern ein Prozeß, in dem die Anzahl und die Bedeutung nachprüfbarer Aussagen über die Wirklichkeit zugenommen haben.

Sie enthalten sicher auch heute noch Fantasievorstellungen, die uns nicht bewußt werden, weil sie uns selbstverständlich erscheinen, und bisher nicht mit der Wirklichkeit kollidiert sind. Nur durch solche Widersprüche können wir Fehler in der Regel entdecken. Das letzte Wort hat eben das Experiment. Unsere Theorien sind also nicht in einem philosophischen Sinne wahr, aber sie werden besser, realistischer. Und das ist das Maß für den wissenschaftlichen Fortschritt.
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Kramer
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Beiträge: 30878

Beitrag(#1728168) Verfasst am: 15.02.2012, 00:37    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

kann sein, dass ich berufsbedingt voreingenommen bin, das Halbjahresthema, das ich gerade behandle, lautet

Zitat:
Vernunft und Gewissen. Normsetzende Begründungen verantwortlichen Handelns


Im Lehrplan ist nicht nur vorgesehen, kritisch die bisher vorgetragenen Begründungen zu analysieren, es wird auch davon ausgegangen, dass man moralisches Handeln begründen kann.


Diese Herangehensweise gibt zwar vor, das Problem lösen zu wollen, aber eigentlich ist sie Teil des Problems. Die ganze Art, wie der Diskurs geführt wird, ist von religiös-philosophischen Vorstellungen geprägt. Man spricht abstrakt von Werten, wenn es darum geht, rein existenzielle Probleme zu lösen. Man tut so, als wäre uneigennütziges Handeln fragwürdig und begründungsbedürftig, wogegen grob-egoistisches Handeln als selbstverständlich akzeptiert wird. Dahinter steht ein fragwürdiges Menschenbild, nachdem der Mensch grundsätzlich schlecht und asozial ist, wofür es keiner tiefschürfenden Begründung bedarf, wer es nicht ist, soll sich aber dafür philosophisch rechtfertigen.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1728180) Verfasst am: 15.02.2012, 01:20    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

kann sein, dass ich berufsbedingt voreingenommen bin, das Halbjahresthema, das ich gerade behandle, lautet

Zitat:
Vernunft und Gewissen. Normsetzende Begründungen verantwortlichen Handelns


Im Lehrplan ist nicht nur vorgesehen, kritisch die bisher vorgetragenen Begründungen zu analysieren, es wird auch davon ausgegangen, dass man moralisches Handeln begründen kann.

Diese Herangehensweise gibt zwar vor, das Problem lösen zu wollen, aber eigentlich ist sie Teil des Problems. Die ganze Art, wie der Diskurs geführt wird, ist von religiös-philosophischen Vorstellungen geprägt. Man spricht abstrakt von Werten, wenn es darum geht, rein existenzielle Probleme zu lösen.

ich sehe das nicht. Das trifft sicher auf den historischen Teil des Unterrichts teilweise zu (vergiss nicht, dass die Grundlagen unserer Ethik aus dem alten Griechenland stammen, die alten Philosophen waren zwar in einem gewissen Sinn 'religiös', aber das war eine andere Religion als das Christentum, wenn überhaupt), aber oft auch nicht mehr auf die moderneren Ethiken. Was spricht dagegen, Strategien zur Lösung existenzieller Probleme durch Werte zu beschreiben? Die müssen doch nicht gottgegeben sein, es gibt eine ganze Reihe von Vernunftethiken.

Kramer hat folgendes geschrieben:
Man tut so, als wäre uneigennütziges Handeln fragwürdig und begründungsbedürftig, wogegen grob-egoistisches Handeln als selbstverständlich akzeptiert wird. Dahinter steht ein fragwürdiges Menschenbild, nachdem der Mensch grundsätzlich schlecht und asozial ist, wofür es keiner tiefschürfenden Begründung bedarf, wer es nicht ist, soll sich aber dafür philosophisch rechtfertigen.

Das erste Halbjahr stand unter dem Thema 'Menschenbilder'. Du kannst davon ausgehen, dass das, was Du schilderst, nur für einen Teil der Menschenbilder zutrifft, die im Laufe der Geschichte der Ethik vertreten wurden. Du hättest große Probleme, wenn Du das, was Du gerade geschildert hast, bei Aristoteles finden möchtest. Du kannst auch auf grob-egoistischem Verhalten eine Ethik aufbauen, Hobbes hat das vorgemacht.

Die Frage, ob 'der Mensch' altruistisch oder egoistisch ist, scheint mir falsch gestellt zu sein, weil das sicher auch von der Gesellschaft abhängt, in der er aufwächst. Im Tierreich findest Du häufig unterschiedliche 'Ethiken', je nachdem, ob es um Mitglieder der Gruppe oder Fremde geht. Auch Menschen, die sehr altruistisch Menschen der eigenen Gruppe gegenüber sind, können egoistisch gegenüber anderen sein. Du kennst sicher auch die soziobiologischen Modelle, die heute eher als evolutionäre Psychologie verkauft werden, die mit Gen-Egoismus altruistisch aussendes Verhalten begründen.

Ich vermute, dass das Problem umfassender ist und nicht der Philosophie oder den Kirchen in die Schuhe geschoben werden kann. Klar, wenn Du nur das Leben hierzulande in den letzten Jahrzehnten oder Jahrhunderten betrachtest, erhältst Du ein anders Bild als wenn Du Dich weltweit umschaust oder gar die Evolution des Menschen oder sogar die dessen tierlicher Vorfahren mit betrachtest.
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Kramer
postvisuell



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Beitrag(#1728191) Verfasst am: 15.02.2012, 01:57    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Was spricht dagegen, Strategien zur Lösung existenzieller Probleme durch Werte zu beschreiben? Die müssen doch nicht gottgegeben sein, es gibt eine ganze Reihe von Vernunftethiken.


Das, worum es eigentlich geht wird verschleiert und durch schwurbelige Sprache unnötig abstrahiert. Nimm als Beispiel den Begriff "Menschenwürde", der steht ja oft im Mittelpunkt solcher Wertedebatten. Da werden unendliche Debatten darüber geführt, wie man die Menschenwürde begründet, ob es die überhaupt gibt, wie man sie ohne den Glauben an die Gottgewolltheit und Gottesebenbildlichkeit des Menschen überhaupt rechtfertigen kann usw. Fragt man stattdessen, ob jemand es als Problem ansähe, das Objekt staatlicher Machtausübung zu sein, quasi rechtlos staattlicher Willkür ausgesetzt zu sein, wird man wohl auf breite Zustimmung stossen, dass das ein Problem ist, das es zu lösen gilt. Man müsste nicht endlos über den abstrakten Wert "Menschenwürde" philosophieren, sondern könnte sich dem konkreten, tatsächlich vorhandenen Problem widmen. Ohne Schwurbelei und ohne Okkupierung des Themas durch Theologen und anderer Hüter vermeintlich höherer Werte. Ethische Debatten wären dann Debatten über reale Probleme, die nach konkreten Lösungsvorschlägen verlangen, nicht nach dem Geschwafel weltfremder Theologen und anderer Wirrköpfe.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



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Beitrag(#1728220) Verfasst am: 15.02.2012, 07:44    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Was spricht dagegen, Strategien zur Lösung existenzieller Probleme durch Werte zu beschreiben? Die müssen doch nicht gottgegeben sein, es gibt eine ganze Reihe von Vernunftethiken.

Das, worum es eigentlich geht wird verschleiert und durch schwurbelige Sprache unnötig abstrahiert. Nimm als Beispiel den Begriff "Menschenwürde", der steht ja oft im Mittelpunkt solcher Wertedebatten. Da werden unendliche Debatten darüber geführt, wie man die Menschenwürde begründet, ob es die überhaupt gibt, wie man sie ohne den Glauben an die Gottgewolltheit und Gottesebenbildlichkeit des Menschen überhaupt rechtfertigen kann usw.

stimmt. Auf die Unmöglichkeit, Menschwürde ohne imago dei zu begründen, habe ich auch schon mehrfach hingewiesen. Mit imago dei geht es auch nicht.

Kramer hat folgendes geschrieben:
Fragt man stattdessen, ob jemand es als Problem ansähe, das Objekt staatlicher Machtausübung zu sein, quasi rechtlos staattlicher Willkür ausgesetzt zu sein, wird man wohl auf breite Zustimmung stossen, dass das ein Problem ist, das es zu lösen gilt.

Falls Du Recht hättest, wäre man an das Problem schon längst herangegangen. Es scheint nicht das Problem einer Mehrheit zu sein.

Kramer hat folgendes geschrieben:
Man müsste nicht endlos über den abstrakten Wert "Menschenwürde" philosophieren, sondern könnte sich dem konkreten, tatsächlich vorhandenen Problem widmen. Ohne Schwurbelei und ohne Okkupierung des Themas durch Theologen und anderer Hüter vermeintlich höherer Werte. Ethische Debatten wären dann Debatten über reale Probleme, die nach konkreten Lösungsvorschlägen verlangen, nicht nach dem Geschwafel weltfremder Theologen und anderer Wirrköpfe.

Du müsstest aber erst das Problem so formulieren, dass für eine Mehrheit im System Lösungsbedarf besteht. Wie willst Du das ohne Diskussion machen? Du lebst in einem Staat, Du hast die Rechte, die der Dir zugesteht. Wenn das weniger sind als Du einforderst, hast Du ein Problem.
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Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#1728222) Verfasst am: 15.02.2012, 08:11    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
'Ontologie' bedeutet für mich die begründete Auflistung, was Bunge als 'The world's furniture' bezeichnet hat, also das, womit wir unsere 'Welt' ausstatten, aber auch Definitionen der Relationen und Veränderungen dieser 'Gegenstände'.

Ja, das ist aber ein Begriff von "Ontologie", der ähnlich sinnvoll ist, wie der Gottesbegriff mancher Gläubiger.

nein, er ist die Basis eines vollkommen konsistenten naturalistischen Weltbilds, das ich vertrete.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ich denke, inhaltlich sind wir in vielen Punkten nicht weit auseinander, aber wir kommen aus unterschiedliche Traditionen.

Das sollten wir vielleicht vorher klären. Ich habe Biologie, Chemie und Informatik studiert und man hat mir eine Fakultas für Ethik zuerkannt. Was meinst Du, aus welcher 'Tradition' ich komme, wenn ich mich auf das Buch, das ich zitiert habe, beziehe? Der Inhalt besteht zu einen großen Teil aus Kritik an anderen Positionen, vermutlich auch an all denen, die Du auch ablehnst.

Das, was Du weiter unten formuliert hast, ist (mit etlichen Abstrichen, über die es sich eventuell zu diskutieren lohnen würde) in meiner Terminologie (m)eine Ontologie (AKA Metaphysik).

Ich fürchte, wir streiten uns über Begriffe.
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#1728246) Verfasst am: 15.02.2012, 11:28    Titel: Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
'Ontologie' bedeutet für mich die begründete Auflistung, was Bunge als 'The world's furniture' bezeichnet hat, also das, womit wir unsere 'Welt' ausstatten, aber auch Definitionen der Relationen und Veränderungen dieser 'Gegenstände'.

Ja, das ist aber ein Begriff von "Ontologie", der ähnlich sinnvoll ist, wie der Gottesbegriff mancher Gläubiger.

nein, er ist die Basis eines vollkommen konsistenten naturalistischen Weltbilds, das ich vertrete.

Ein Moment, habe ich das richtig gelesen? Die Physiker gehen heute davon aus, daß über 20% dieses Universums aus Dunkler Materie besteht, über die sie nichts wissen, und über 70% aus Dunkler Energie, über die sie gar nichts wissen. Die Biologie hat erst mit Darwin das Stadium der Inventurwissenschaft überhaupt verlassen und entdeckt ständig Neues, das auch die Fachleute überrascht, und die Menschenwissenschaften, namentlich Soziologie und Geschichteswissenschaften, verfügen zwar über eine Menge an gut belegten Fakten, aber bisher keine allgemein akzeptierten und belegten Modelle von Zusammenhängen. Wir wissen mittlerweile so viel aus diesen verschiedenen Bereichen unseres Universums, daß wir vielleicht zum ersten Mal in unserer Geschichte zu ahnen beginnen, was wir alles noch nicht wissen, und da kommst du her und hast ein "vollkommen konsistentes naturalistisches Weltbild"!

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ich denke, inhaltlich sind wir in vielen Punkten nicht weit auseinander, aber wir kommen aus unterschiedliche Traditionen.

Das sollten wir vielleicht vorher klären. Ich habe Biologie, Chemie und Informatik studiert und man hat mir eine Fakultas für Ethik zuerkannt. Was meinst Du, aus welcher 'Tradition' ich komme, wenn ich mich auf das Buch, das ich zitiert habe, beziehe? Der Inhalt besteht zu einen großen Teil aus Kritik an anderen Positionen, vermutlich auch an all denen, die Du auch ablehnst.

Das, was Du weiter unten formuliert hast, ist (mit etlichen Abstrichen, über die es sich eventuell zu diskutieren lohnen würde) in meiner Terminologie (m)eine Ontologie (AKA Metaphysik).

Ich fürchte, wir streiten uns über Begriffe.

Nein, wir streiten nicht um Begriffe, sondern um die Bedeutung von Philosophie, um die Bedeutung einer ontologischen Entscheidung. Du hast dich offenbar für eine Reihe von statischen, absoluten Begriffen entschieden (was du Ontologie oder Metaphysik nennst), auf deren Grundlage du diese Welt wahrnimmst und interpretierst. Eine solche Entscheidung schreit nach Begründung, die du nicht liefern kannst, daher auch deine Vorstellung, Solipsismus sei nicht zu widerlegen.

Was du nicht bemerkst, ist die simple Tatsache, daß alle unsere Begriffe und Modelle Teil eines sozialen Prozesses sind, von dem du nicht die mindeste Vorstellung hast, soziale Prozesse, in denen sich nicht nur die Menge unseres Wissens vermehrt hat, nicht nur die Art der Theorien und Erklärungsmodelle geändert hat, sondern das Denken selbst. Der feste Standpunkt, dein "vollkommen konsistentes naturalistisches Weltbild" ist ein durchaus schwammiger Grund, selbst Produkt dieses sozialen Prozesses, einer Sozio- und Psychogenese, die wir heute nur in Ansätzen verstehen.

Diese Welt besteht, grob gesprochen, aus drei Ebenen, die sich zwar nicht trennen, aber unterscheiden lassen, die physikalische, biologische und soziale Ebene unseres Univerums, wobei letztere unser Leben vermutlich direkter betrifft als die beiden ersten, uns aber gleichzeitig unbekannter ist als vergangenen Zeiten die Rückseite des Mondes. Sehr rationalen Vorstellungen über die beiden ersten stehen bislang noch weitgehende Fantasievorstellungen über letztere gegenüber.

Deine Position zur Ethik ist nur ein Beispiel dafür. Wenn du nicht verstehst, daß unsere moralischen Vorstellungen Produkt unserer sozialen Entwicklung und politischen Auseinandersetzungen sind, unserer gesellschaftlichen Erfahrungen gewissermaßen, dann taumeln unsere "Lösungen" immer hin und her zwischen einer Prinzipien-Ethik auf unterschiedlicher ideologischer Grundlage auf der einen und biologistischen Ethiken auf der anderen Seite.

Ähnlich ist es mit erkenntnis- und wissenschafttheoretischen Positionen. Solange man nicht versteht, daß Erkenntnis und Wissen einzelner Menschen ein Produkt eines gesellschaftlichen Prozesses ist, der Entwicklung von Gesellschaften, die wir Menschen miteinander bilden, solange bleiben solche Positionen scheinbar unbegründbare metaphysische Entscheidungen, maximal noch durch irgendwelche praktischen Erwägungen eher vermittelt als eigentlich begründet.

Nein, wir streiten uns nicht um Begriffe, wir streiten uns überhaupt nicht (ich mich zumindest nicht mit dir), sondern wir haben ziemlich unterschiedliche Vorstellungen von dieser Welt, und meine machen genau das zum Gegenstand der Untersuchung, was du als ontologische Entscheidung voraussetzt. Deshalb wende ich mich gegen Metaphysik.
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es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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step
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Beitrag(#1728247) Verfasst am: 15.02.2012, 11:29    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Kannst Du überhaupt ein vernünftiges Kriterium angeben, nach dem man der Meinung sein kann, etwas exstiere nicht?
Schwer zu sagen. Wenn ich weiß, dass die Existenz eines Wesen namens 'Zahnfee' nur in bestimmten Gegenden der Welt den Kindern erzählt wird, würde ich nicht annehmen, dass dieses Wesen existiert. Das wird wohl vernünftig sein.

Moment mal, Du selbst betonst immer, daß es bei epistemischen Fragen nicht um die parktische Vernunft solcher Annahmen gehe. Du müßtest also, willst Du die Existenz der Zahnfee epistemisch leugnen, ein epistemisches Kriterium angeben.

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Wenn man aber weltweit durch den gesamten Verlauf der Geschichte weit mehr Menschen, auch solche mit sehr hoher Intelligenz, findet, die an irgendwelche 'höheren Mächte' glauben, könnte da was dahinter stecken. Ich glaube das zwar nicht, aber wie sollte ich sicher sein?

Du weißt selbst, daß der Hinweis auf den Glauben inteeligenter Menschen kein epistemisches Argument ist (oft nicht mal ein praktisch-vernünftiges).

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Bezüglich Bibel-Gott und der katholischen Variante bin ich agnostisch. 'Gotteswort aus Menschenmund' könnte ein möglicherweise existentes absolutes Sein ungenau wiedergeben.

Aber wessen Existenz hältst Du demnach für möglich? Mir scheint, Deine Position möglicher Existenz ist nur dann logisch vertretbar, wenn sie sich auf ein sehr undefiniertes Gottesbild bezieht. Meines Erachtens ist auch das ein Fehlschluß, Du sagst im Prinzip - wenn ich das richtig verstanden habe: "Der christliche Gott könnte existieren, wenn wir ihn so umdefinieren, daß er keine widerlegbaren Eigenschaften mehr hat". Das ist - wie sich auch in Deinem nächsten hier gesnippten Abschnitt zeigt - auch ein Problem mit der Identitätsdefinition.

Vor allem jedoch würde das alles, wäre es denn logisch, auch für die Zahnfee gelten. Denn, Deiner Argumentation folgend, könnte ich behaupten, die Angewohnheit, konkret Belohnungen für ausgefallene Milchzähne zu verteilen, könnte "Zahnfeewahrheit aus Menschenmund" sein, bzw. die Zahnfee wirke durch "Zweitursachen", was ich "zwar nicht glaube", aber die "Widerlegung wäre doch schwierig".

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Sollte Gott durch Zweitursachen schaffen, wäre eine Widerlegung schwierig.

Zweitursachen? Was soll das denn sein? Meinst Du damit so eine Art Deismus, in der ein intelligentes Wesen die Naturkonstanten festlegt und dann auf den Startknopf drückt?

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Ich vermute, dass es leicht zu zeigen ist, dass wir auch im Bereich der Naturwissenschaften glauben. Du wirst doch nicht beweisen können, dass ein Modell des Seins etwas über das Sein aussagt, selbst wenn Du noch so intensiv modellierst und es immer korrekte Werte liefert? Du weißt doch auch nicht, was wir morgen wissen werden.

Richtig. Auf dieser Ebene - also der der grundsätzlichen Letztunsicherheit allen Wissens - ist tatsächlich eine epistemische Grenze erreicht. Diese Grenze bezieht sich jedoch auf alles, was wir wissen und nicht wissen. Es ist mE unlogisch, Göttern und Geistern hier eine Sonderstellung einzuräumen, indem man sie "agnostisch ehrt". Bei anderen Modellen tut man das auch nicht. Niemand ist explizit "epistemisch agnostisch" bezüglich der Existenz von lila Einhörnern oder der Richtigkeit widerlegter Theorien.
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Marcellinus
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Beitrag(#1728249) Verfasst am: 15.02.2012, 11:35    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Es ist mE unlogisch, Göttern und Geistern hier eine Sonderstellung einzuräumen, indem man sie "agnostisch ehrt". Bei anderen Modellen tut man das auch nicht. Niemand ist explizit "epistemisch agnostisch" bezüglich der Existenz von lila Einhörnern oder der Richtigkeit widerlegter Theorien.

Coole Sache, das...
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Alchemist
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Beitrag(#1728271) Verfasst am: 15.02.2012, 12:50    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Es ist mE unlogisch, Göttern und Geistern hier eine Sonderstellung einzuräumen, indem man sie "agnostisch ehrt". Bei anderen Modellen tut man das auch nicht. Niemand ist explizit "epistemisch agnostisch" bezüglich der Existenz von lila Einhörnern oder der Richtigkeit widerlegter Theorien.

Coole Sache, das...


Ja!
Danke für diesen Gedanken step
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



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Beitrag(#1728276) Verfasst am: 15.02.2012, 13:10    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Kannst Du überhaupt ein vernünftiges Kriterium angeben, nach dem man der Meinung sein kann, etwas exstiere nicht?
Schwer zu sagen. Wenn ich weiß, dass die Existenz eines Wesen namens 'Zahnfee' nur in bestimmten Gegenden der Welt den Kindern erzählt wird, würde ich nicht annehmen, dass dieses Wesen existiert. Das wird wohl vernünftig sein.

Moment mal, Du selbst betonst immer, daß es bei epistemischen Fragen nicht um die parktische Vernunft solcher Annahmen gehe. Du müßtest also, willst Du die Existenz der Zahnfee epistemisch leugnen, ein epistemisches Kriterium angeben.


Vielleicht genügt auch ein ontologisches - das der ontologischen Sparsamkeit. Du kannst Dich auch auf Ockhams Rasiermesser berufen, wonach nicht ohne Not die Existenz neuer Entitäten postuliert werden sollte, wenn Dir das lieber ist.

step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Wenn man aber weltweit durch den gesamten Verlauf der Geschichte weit mehr Menschen, auch solche mit sehr hoher Intelligenz, findet, die an irgendwelche 'höheren Mächte' glauben, könnte da was dahinter stecken. Ich glaube das zwar nicht, aber wie sollte ich sicher sein?

Du weißt selbst, daß der Hinweis auf den Glauben inteeligenter Menschen kein epistemisches Argument ist (oft nicht mal ein praktisch-vernünftiges).


Genauer gesagt das Gegenteil von einem "ad hominem", ein argumentum ad verecundiam.

step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Bezüglich Bibel-Gott und der katholischen Variante bin ich agnostisch. 'Gotteswort aus Menschenmund' könnte ein möglicherweise existentes absolutes Sein ungenau wiedergeben.

Aber wessen Existenz hältst Du demnach für möglich? Mir scheint, Deine Position möglicher Existenz ist nur dann logisch vertretbar, wenn sie sich auf ein sehr undefiniertes Gottesbild bezieht. Meines Erachtens ist auch das ein Fehlschluß, Du sagst im Prinzip - wenn ich das richtig verstanden habe: "Der christliche Gott könnte existieren, wenn wir ihn so umdefinieren, daß er keine widerlegbaren Eigenschaften mehr hat". Das ist - wie sich auch in Deinem nächsten hier gesnippten Abschnitt zeigt - auch ein Problem mit der Identitätsdefinition.


Richtig. Vor allen Dingen kann Aussagen über die Existenz eines semantisch undurchdringbaren Mysteriums niemand rechtens für wahr oder falsch halten. Gibt es z.B. einen oberbayrischen Riebieslanzeighosenknopflochstanzer? Mr. Green

step hat folgendes geschrieben:

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Sollte Gott durch Zweitursachen schaffen, wäre eine Widerlegung schwierig.

Zweitursachen? Was soll das denn sein? Meinst Du damit so eine Art Deismus, in der ein intelligentes Wesen die Naturkonstanten festlegt und dann auf den Startknopf drückt?


Eher so etwas wie das, was "liberale Theologen" wie Hans Kessler vertreten. Im Prinzip hat ein Schöpfer nicht nur den Startknopf gedrückt, sondern wirkt auch im naturalistischen Geschehen, im Sinne einer "creatio continua". Aber wie das genau funktionieren soll, dass z.B. eine Evolution sowohl rein naturalistisch ablief als auch von Gott gelenkt wurde, kann von den Theologens auch niemand sagen... zwinkern

Womit wir wieder bei dem semantisch undurchdringbaren Mysterium wären, das niemand ernsthaft für existent oder nicht-existent halten kann, solange der "göttliche Mechanismus" nicht etwas näher spezifiziert worden ist. Es gibt dazu, wie beispielsweise

Peitz, H.-H. (2010) Von Gott als Schöpfer reden. Herder Korrespondenz 64, 34–38.

erörtert, eine Reihe extrem verkopfter, prozesstheologischer Ansätze, in denen versucht wird, diesen Spagat zu bewältigen. Aber die sind bei näherer Betrachtung auch nicht überzeugend, weil ein "die Dinge erhaltender Gott" immer direkt handeln muss und damit (ob man es wahr haben will oder nicht) in natürliche Prozesse eingreift.

Wenn man das genau durchdenkt, ist das nichts anderes als "Intelligent Design" - mit dem einzigen Unterschied, dass sich der liberale Theologe des Orwellschen Zwiedenkens befleißigt: Er erkennt 6 Tage in der Woche eine "naturalistische Evolution" an, rennt aber am Sonntag plötzlich in die Kirche.

[Rest übereinstimmungshalber gesnippt]
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Zuletzt bearbeitet von Darwin Upheaval am 15.02.2012, 13:14, insgesamt einmal bearbeitet
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Kival
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Beitrag(#1728277) Verfasst am: 15.02.2012, 13:12    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:


Ähnlich ist es mit erkenntnis- und wissenschafttheoretischen Positionen. Solange man nicht versteht, daß Erkenntnis und Wissen einzelner Menschen ein Produkt eines gesellschaftlichen Prozesses ist, der Entwicklung von Gesellschaften, die wir Menschen miteinander bilden, solange bleiben solche Positionen scheinbar unbegründbare metaphysische Entscheidungen, maximal noch durch irgendwelche praktischen Erwägungen eher vermittelt als eigentlich begründet.



So richtig das ist, sind soziale Prozesse trotzdem keine Begründungen. Du scheinst zu meinen, mit der sozialen Erklärung davon, wie Moral sozial produziert, weitergegeben etc. wird, wäre die Ethik quasi schon fertig. Es geht aber nicht in erster Line darum, warum wir bestimmten Normen anhängen, sondern darum, welche Normen im Konfliktfall höher zu weten sind oder nicht. Eine rein sozialwissenschaftliche Antwort darauf kann immer nur sein: Es passiwert, was passiert. Es ist aber auch falsch, wenn Du andeuten willst, dass sich in der Philosohie prinzipiell den tatsächlichen Vorgängen verschlossen würde. In der Ethikforschung ist es nicht derart unüblich, auch "empirisch" zu arbeiten.
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"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)


Zuletzt bearbeitet von Kival am 15.02.2012, 13:26, insgesamt einmal bearbeitet
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Marcellinus
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Beitrag(#1728282) Verfasst am: 15.02.2012, 13:23    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:


Ähnlich ist es mit erkenntnis- und wissenschafttheoretischen Positionen. Solange man nicht versteht, daß Erkenntnis und Wissen einzelner Menschen ein Produkt eines gesellschaftlichen Prozesses ist, der Entwicklung von Gesellschaften, die wir Menschen miteinander bilden, solange bleiben solche Positionen scheinbar unbegründbare metaphysische Entscheidungen, maximal noch durch irgendwelche praktischen Erwägungen eher vermittelt als eigentlich begründet.

So richtig das ist, sind soziale Prozesse trotzdem keine Begründungen. Du scheinst zu meinen, mit der sozialen Erklärung davon, wie Moral sozial produziert, weitergegeben etc. wird, wäre die Ethik quasi schon fertig. Es geht aber nicht in erster Line darum, warum wir bestimmten Normen anhängen, sondern darum, welche Normen im Konfliktfall höher zu weten sind oder nicht. Eine rein sozialwissenschaftliche Antwort darauf kann immer nur sein: Es passiwert, was passiert.

Es gibt keine Begründung. Die Sozialwissenschaften können uns nur sagen, wie etwas entstanden ist, und was für Gründe und Folgen das hatte. Und dann müssen die Menschen entscheiden. Jeder mag dafür seine Gründe haben, oder auch nur vortäuschen, oder sich einreden. Und auch wenn bestimmte Gründe viele überzeugen, sagt das nichts über deren Qualität. Nur anhand der (vermuteten) Folgen könnte man zumindest einen Anhalt haben. Nennt sich auch Verantwortungsethik. Aber dann stellt sich wieder die Frage danach, für wen es welche Folgen hat. Du kommst aus der Falle nicht raus. Am Ende müssen Menschen sich entscheiden, und für die Folgen einstehen.
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Kival
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Beiträge: 24071

Beitrag(#1728286) Verfasst am: 15.02.2012, 13:33    Titel: Antworten mit Zitat

Welche Folgen etwas haben könnte und in welchem Verhältnis es zu den faktischen Wünschen der Bevölkerung steht, ließe sich durchaus untersuchen. Zudem kann es durchaus zweckdienlich sein, zu zeigen und zu erläutern, warum angeblich so sicher geglaubte Normen eben letztlich doch keine rationalen Begründungen sind. Du magst das einfach abtun: Natürlich gibt es das sowieso nicht, es gibt aber genug Menschen, die glauben daran, dass die christliche Ethik begründet wäre oder geben sonst irgendwie ihre Entscheidung an Expertenbegründer ab. Ich halte die philosophische Ethik für sehr wichtig vor allem da, wo sie normative Dogmen entkräftet und auf der anderen Seite dort für gefährlich, wo sie solche schafft oder bestätigt.
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Marcellinus
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Beitrag(#1728293) Verfasst am: 15.02.2012, 13:56    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Welche Folgen etwas haben könnte und in welchem Verhältnis es zu den faktischen Wünschen der Bevölkerung steht, ließe sich durchaus untersuchen. Zudem kann es durchaus zweckdienlich sein, zu zeigen und zu erläutern, warum angeblich so sicher geglaubte Normen eben letztlich doch keine rationalen Begründungen sind. Du magst das einfach abtun: Natürlich gibt es das sowieso nicht, es gibt aber genug Menschen, die glauben daran, dass die christliche Ethik begründet wäre oder geben sonst irgendwie ihre Entscheidung an Expertenbegründer ab. Ich halte die philosophische Ethik für sehr wichtig vor allem da, wo sie normative Dogmen entkräftet und auf der anderen Seite dort für gefährlich, wo sie solche schafft oder bestätigt.

Ja, aber weder das eine noch das andere hat mit der Entstehung und Entwicklung von Moral zu tun. Moral ist im Kern nichts anderes als die Vorstellungen, die Menschen von ihren Beziehungen untereinander haben, und davon wie sich Menschen zueinander verhalten sollten. Die Fähigkeit, moralische Vorstellungen zu entwickeln und auch miteinander auszuhandeln, ist uns vermutlich angeboren, ihr Inhalt dagegen nicht. Vielleicht Regeln, ähnlich wie bei unseren Sprachen, die auch eine große Spannbreite haben können, aber sicherlich nicht beliebig sind.

Nimm nur die letzten 50 Jahre (die Zeit, die ich persönlich recht gut überblicke), so hat sich das, was man unter Moral versteht, ständig in kleinen Schritten verändert, und ich denke, man könnte sogar bestimmen, in welche Richtung, und man könnte das wohl auch in Beziehung setzen zu gesellschaftlichen Veränderung, der Verschiebung von Machtgewichten.

Mit Begründungen hat das alles wenig zu tun, eher damit, welche Gruppen von Menschen mit welchen Ansichten an Bedeutung und Einfluß zu- bzw. abgenommen haben.
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step
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Beitrag(#1728317) Verfasst am: 15.02.2012, 15:52    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Du kannst Dich auch auf Ockhams Rasiermesser berufen, wonach nicht ohne Not die Existenz neuer Entitäten postuliert werden sollte, wenn Dir das lieber ist.

Klar, aber das gilt dann ebenso für "Gott".

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
... Im Prinzip hat ein Schöpfer nicht nur den Startknopf gedrückt, sondern wirkt auch im naturalistischen Geschehen, im Sinne einer "creatio continua". Aber wie das genau funktionieren soll, dass z.B. eine Evolution sowohl rein naturalistisch ablief als auch von Gott gelenkt wurde, kann von den Theologens auch niemand sagen... zwinkern

Womit wir wieder bei dem semantisch undurchdringbaren Mysterium wären, das niemand ernsthaft für existent oder nicht-existent halten kann, solange der "göttliche Mechanismus" nicht etwas näher spezifiziert worden ist. Es gibt dazu, wie beispielsweise

Peitz, H.-H. (2010) Von Gott als Schöpfer reden. Herder Korrespondenz 64, 34–38.

erörtert, eine Reihe extrem verkopfter, prozesstheologischer Ansätze, in denen versucht wird, diesen Spagat zu bewältigen. Aber die sind bei näherer Betrachtung auch nicht überzeugend, weil ein "die Dinge erhaltender Gott" immer direkt handeln muss und damit (ob man es wahr haben will oder nicht) in natürliche Prozesse eingreift.

Jeder Physiker weiß zudem, daß die Quantenphysik verborgene Variablen verbietet (mal salopp ausgedrückt). Sobald Gott irgendwie wirken würde, wäre die Quantenmechanik meßbar falsch. Auf diese Weise ist mE tatsächlich widerlegt daß Götter signifikant in das Naturgeschehen eingreifen, zumindest im derzeitigen guten Anwendungsbereich der Quantentheorie.
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#1728343) Verfasst am: 15.02.2012, 17:11    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
... Im Prinzip hat ein Schöpfer nicht nur den Startknopf gedrückt, sondern wirkt auch im naturalistischen Geschehen, im Sinne einer "creatio continua". Aber wie das genau funktionieren soll, dass z.B. eine Evolution sowohl rein naturalistisch ablief als auch von Gott gelenkt wurde, kann von den Theologens auch niemand sagen... zwinkern

Womit wir wieder bei dem semantisch undurchdringbaren Mysterium wären, das niemand ernsthaft für existent oder nicht-existent halten kann, solange der "göttliche Mechanismus" nicht etwas näher spezifiziert worden ist. Es gibt dazu, wie beispielsweise

Peitz, H.-H. (2010) Von Gott als Schöpfer reden. Herder Korrespondenz 64, 34–38.

erörtert, eine Reihe extrem verkopfter, prozesstheologischer Ansätze, in denen versucht wird, diesen Spagat zu bewältigen. Aber die sind bei näherer Betrachtung auch nicht überzeugend, weil ein "die Dinge erhaltender Gott" immer direkt handeln muss und damit (ob man es wahr haben will oder nicht) in natürliche Prozesse eingreift.

Jeder Physiker weiß zudem, daß die Quantenphysik verborgene Variablen verbietet (mal salopp ausgedrückt). Sobald Gott irgendwie wirken würde, wäre die Quantenmechanik meßbar falsch. Auf diese Weise ist mE tatsächlich widerlegt daß Götter signifikant in das Naturgeschehen eingreifen, zumindest im derzeitigen guten Anwendungsbereich der Quantentheorie.


Das kann man so sehen, ja. Ein Theist würde Dich nur darauf hinweisen, dass Gott immer dann ganz schnell aufhört, in unserer Welt herumzufuddeln, wenn Du ein QM-Experiment durchführst Lachen

Edit: Ich bin mir aber auch nicht wirklich sicher, ob die QM der Weisheit letzter Schluss ist. Kann gut sein, dass die unvollständig ist, ich vermute es sogar. Wäre es anders, wäre sie vermutlich ohne Weiteres mit der ART kompatibel. Es wäre also gut möglich, dass die Theorie-Version in 100 Jahren mit verborgenen Variablen kompatibel ist.
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step
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Beitrag(#1728348) Verfasst am: 15.02.2012, 17:44    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Ein Theist würde Dich nur darauf hinweisen, dass Gott immer dann ganz schnell aufhört, in unserer Welt herumzufuddeln, wenn Du ein QM-Experiment durchführst Lachen

Auch das kann ich widerlegen: Alles, was in der Welt abläuft, ist nämlich (nach derzeitigem Wissen) ein QM-Experiment. Ein solcher Gott müßte also bei jeder relevanten Dekohärenz aufhören, herumnzufuddeln, und an kohärenten Zuständen kann er ja wegen der SG schon gar nicht herumfuddeln. Es bliebe also nichts bzw. fast nichts zum Wirken übrig. In jedem Fall zu wenig, um die Geschicke der Welt in irgendeiner Weise zu determinieren.

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Edit: Ich bin mir aber auch nicht wirklich sicher, ob die QM der Weisheit letzter Schluss ist. Kann gut sein, dass die unvollständig ist, ich vermute es sogar. Wäre es anders, wäre sie vermutlich ohne Weiteres mit der ART kompatibel. Es wäre also gut möglich, dass die Theorie-Version in 100 Jahren mit verborgenen Variablen kompatibel ist.

Richtig, aber eine solche spätere Theorie müßte "für unsere Ansprüche" effektiv dasselbe voraussagen - ähnlich wie auch Newton heute noch gilt. Daher ändert das nichts (Wesentliches).
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#1728353) Verfasst am: 15.02.2012, 18:36    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Ein Theist würde Dich nur darauf hinweisen, dass Gott immer dann ganz schnell aufhört, in unserer Welt herumzufuddeln, wenn Du ein QM-Experiment durchführst Lachen

Auch das kann ich widerlegen: Alles, was in der Welt abläuft, ist nämlich (nach derzeitigem Wissen) ein QM-Experiment. Ein solcher Gott müßte also bei jeder relevanten Dekohärenz aufhören, herumnzufuddeln, und an kohärenten Zuständen kann er ja wegen der SG schon gar nicht herumfuddeln. Es bliebe also nichts bzw. fast nichts zum Wirken übrig. In jedem Fall zu wenig, um die Geschicke der Welt in irgendeiner Weise zu determinieren.


Das verstehe ich nicht. Wie willst Du denn ausschließen, dass Gott morgen Mittag um 12 Uhr irgendwo hinter Wolke 7 bei einem bestimmten Individuum eine bestimmte Mutation anstößt, die nicht "von selbst" eintreten würde? Du siehst es ja oft nicht mal einem Studenten an, ob er bei den Daten eines Experiments geschummelt hat. Die QM macht ja ohnehin nur statistische Aussagen, sagt aber keine konkreten Entwicklungen vorher. Angesichts dessen erscheint mir die Aussage, Gott widerlegen zu können, doch etwas gewagt.
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step
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Wohnort: Germering

Beitrag(#1728394) Verfasst am: 15.02.2012, 21:20    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben:
Wie willst Du denn ausschließen, dass Gott morgen Mittag um 12 Uhr irgendwo hinter Wolke 7 bei einem bestimmten Individuum eine bestimmte Mutation anstößt, die nicht "von selbst" eintreten würde?

Dieses Einzelergeignis kann ich natürlich nicht ausschließen. Mein Punkt ist, daß ein Gott sich auf mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit "unwichtige" Wirkungen beschränken müßte. Denn sonst würden wir entweder bemerken, daß die Naturgesetze nicht mehr stimmen, oder sein Wirken müßte recht streng zufallsverteilt sein.

Würde Gott z.B. häufiger mal gezielt Wirkungsquerschnitte oder Halbwertszeiten verändern, sagen wir in einem Kilo Uran, würde entweder plötzlich das KKW nicht mehr funktionieren, oder er erreicht nichts.

Anders ausgedrückt, unsere Welt ist viel zu regelmäßig für Götter.

Merkst Du übrigens, daß Du mit Deiner Spekulation, an die Du ja selbst nicht glaubst, schon sehr nah bei der Zahnfee bist?
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Marcellinus
Outsider



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Beitrag(#1728401) Verfasst am: 15.02.2012, 21:48    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

Merkst Du übrigens, daß Du mit Deiner Spekulation, an die Du ja selbst nicht glaubst, schon sehr nah bei der Zahnfee bist?

Wenn ihr wissen wollt, wie gläubige Wissenschaftler ticken, hier eine Reihe von Videos eines Interviews zwischen Richard Dawkins und George Coyne, Professor der Astronomie und ehemaligen Direktor der Vatikanischen Sternwarte: http://www.youtube.com/watch?v=po0ZMfkSNxc
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zelig
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Beiträge: 25404

Beitrag(#1728416) Verfasst am: 15.02.2012, 22:15    Titel: Re: Kommentar Kreationismus im Unterricht Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:

Merkst Du übrigens, daß Du mit Deiner Spekulation, an die Du ja selbst nicht glaubst, schon sehr nah bei der Zahnfee bist?

Wenn ihr wissen wollt, wie gläubige Wissenschaftler ticken, hier eine Reihe von Videos eines Interviews zwischen Richard Dawkins und George Coyne, Professor der Astronomie und ehemaligen Direktor der Vatikanischen Sternwarte: http://www.youtube.com/watch?v=po0ZMfkSNxc


Die Interviews kenne ich, und finde sie recht beeindruckend.
Mal eine Frage: Deine Formulierung aufnehmend, wie tickt denn Coyne aus Sicht eines Naturalisten?
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