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Das Milgram-Experiment
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Mad Magic
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 08.09.2007
Beiträge: 2172

Beitrag(#2003598) Verfasst am: 28.05.2015, 23:30    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Noch mal allgemein zu den Schlussfolgerungen von Milgram:

<schnipp>

So hab ich das bisher noch nicht gesehen. Da ist was dran.



Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und zur Beschränktheit des Psychologismus:

Adorno hat folgendes geschrieben:
Denkt man daran, wie Besuche irgendwelcher Potentaten, die politisch gar keine reale Funktion mehr haben, zu ekstatischen Ausbrüchen ganzer Bevölkerungen führen, so ist der Verdacht wohl begründet, daß das autoritäre Potential nach wie vor weit stärker ist, als man denken sollte. Ich möchte aber nachdrücklich betonen, daß die Wiederkehr oder Nichtwiederkehr des Faschismus im Entscheidenden keine psychologische, sondern eine gesellschaftliche Frage ist. Vom Psychologischen rede ich nur deshalb soviel, weil die anderen wesentlicheren Momente dem Willen gerade der Erziehung weitgehend entrückt sind, wenn nicht dem Eingriff der Einzelnen überhaupt.

http://www.zeit.de/1993/01/erziehung-nach-auschwitz/seite-2


Es ist sehr wichtig, dass Adorno dies betont hat. Erziehung ist eben nur die halbe Miete und darüber hinaus wird diese wiederum beeinflusst von den gesellschaftlichen Verhältnissen, welche wiederum, usw, usf ...-

Adorno macht nur eine Behauptung. Bringt er denn auch Belege aus der Ecke "vergleichende Gesellschaftswissenschaft"? So wie ich Adorno einschätze, fehlt derartiges.




Eine steile These:

die Experimental- oder besser Beobachtungswissenschaft der Politologie ist die Anthropologie oder Ethnologie. Meinetwegen auch vergleichende Kulturwissenschaft. In der Menschheitsgeschichte gab es egalitäre Gesellschaften. Diese Gesellschaften zu studieren, könnte eine Antwort auf die Frage liefern, wie sich die Miete zusammensetzt.

Dazu kommt irgendwann ein ausführlicher Beitrag. Suchbegriff ist: Egalitarian Behavior and Reverse Dominance Hierarchy - Christopher Boehm

Mich würde die Existenz dieser egalitären Gesellschaften interessieren, wo und wann gab es diese?
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3620

Beitrag(#2003610) Verfasst am: 29.05.2015, 00:07    Titel: Antworten mit Zitat

Mad Magic hat folgendes geschrieben:
Mich würde die Existenz dieser egalitären Gesellschaften interessieren, wo und wann gab es diese?

smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Unto Others
Sober, Wilson - 1998

Egalitarianism in Small-Scale Societies


Boehm gibt zahlreiche Beispiele, wie gesellschaftliche Gepflogenheiten Statusunterschiede in menschlichen Gesellschaften begrenzen. Dazu gehören Klatsch, Kritik, Spott, Ungehorsam, Verbannung, Auszug und Hinrichtung.

Die San der Kalahari "weisen Maulhelden in ihre Schranken". Unter den Hazda "wird einem Häuptling, der andere dazu anrichten möchte, für ihn zu arbeiten, öffentlich klar gemacht, daß seine Bemühungen belustigend sind." Unter den Iban "hört niemand zu, wenn ein Häuptling befiehlt." Bei den Nambicuara verlor "ein Häuptling, der die Vorrate ausgehen ließ, oder zu anspruchsvoll war, oder die Frauen für sich haben wollte, seine Untertanen an andere Stämme." Gleicher Weise schlossen sich Meskalero "anderen Stämmen an, falls ihr Häuptling unlauter, unzuverlässig oder ein Lügner war." Australische Eingeborene "beseitigten üblicherweise aggressive Menschen, die versuchten, sie zu beherrschen." In Neu Guinea, "wurde die Hinrichtung einer hervorgehobenen Person, die ihre Vorrechte überzogen hatte, im Geheimen von anderen Mitgliedern der Stammesgemeinschaften geplant. Die Ausführung der Tat wurde der Verwandtschaft des Opfers angetragen."


Und:
Zitat:
In diesen Gesellschaften herrschte Gleichheit, nicht aus fehlendem Bestreben, Herrscher zu werden, sondern weil Herrschaft weit oben stand auf der Liste unmoralischer Verhaltensweisen.

Amazon-Link Oder halt der Suchbegriff von oben.
_________________
"There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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Mad Magic
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 08.09.2007
Beiträge: 2172

Beitrag(#2003612) Verfasst am: 29.05.2015, 00:16    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Mad Magic hat folgendes geschrieben:
Mich würde die Existenz dieser egalitären Gesellschaften interessieren, wo und wann gab es diese?

smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Unto Others
Sober, Wilson - 1998

Egalitarianism in Small-Scale Societies


Boehm gibt zahlreiche Beispiele, wie gesellschaftliche Gepflogenheiten Statusunterschiede in menschlichen Gesellschaften begrenzen. Dazu gehören Klatsch, Kritik, Spott, Ungehorsam, Verbannung, Auszug und Hinrichtung.

Die San der Kalahari "weisen Maulhelden in ihre Schranken". Unter den Hazda "wird einem Häuptling, der andere dazu anrichten möchte, für ihn zu arbeiten, öffentlich klar gemacht, daß seine Bemühungen belustigend sind." Unter den Iban "hört niemand zu, wenn ein Häuptling befiehlt." Bei den Nambicuara verlor "ein Häuptling, der die Vorrate ausgehen ließ, oder zu anspruchsvoll war, oder die Frauen für sich haben wollte, seine Untertanen an andere Stämme." Gleicher Weise schlossen sich Meskalero "anderen Stämmen an, falls ihr Häuptling unlauter, unzuverlässig oder ein Lügner war." Australische Eingeborene "beseitigten üblicherweise aggressive Menschen, die versuchten, sie zu beherrschen." In Neu Guinea, "wurde die Hinrichtung einer hervorgehobenen Person, die ihre Vorrechte überzogen hatte, im Geheimen von anderen Mitgliedern der Stammesgemeinschaften geplant. Die Ausführung der Tat wurde der Verwandtschaft des Opfers angetragen."


Und:
Zitat:
In diesen Gesellschaften herrschte Gleichheit, nicht aus fehlendem Bestreben, Herrscher zu werden, sondern weil Herrschaft weit oben stand auf der Liste unmoralischer Verhaltensweisen.

Amazon-Link Oder halt der Suchbegriff von oben.


Achso, Du sprichst von Gesellschaften, die die Egalität anstrebten..., ich dachte schon...
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25869
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2003625) Verfasst am: 29.05.2015, 01:03    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Noch mal allgemein zu den Schlussfolgerungen von Milgram:

Es ist zum einen ein Unterschied, ob jemand etwas tut, was er eigentlich nicht will oder ob er etwas tut, was er eigentlich will. Da Milgram ja untersuchen wollte, warum *die Deutschen* plötzlich zu Faschisten wurden, ist sein Versuch völlig untauglich, weil ja die deutschen Faschisten das, was sie taten eben aus Überzeugung taten und eben nicht, obwohl sie es eigentlich nicht wollten.

Die deutschen Nichtfaschisten dagegen wurden sicher auch zu Sachen gezwungen, die sie nicht wollten; das bezog sich aber mehr auf Zwangsarbeit (Autobahnbau, Betriebe ohne Gewerkschaft) oder die Teilnahme am Krieg.

Es ist jedenfalls der falsche Versuchsaufbau, um Faschismus zu untersuchen, dem ja bei seinen Anhängern in erster Linie innere Überzeugungen zugrunde liegen und weniger äußere Befehle oder Ermunterungen. <schnipp>

So hab ich das bisher noch nicht gesehen. Da ist was dran.....
Das Zitat von Skeptiker wieder teilweise eingefügt

Seh ich eher nicht, das ist es doch, was Ahrendt dann anschließend die Banalität des Bösen nannte:
Wikipedia: Eichmann in Jerusalem
Zitat:
....
Arendt bezeichnet Eichmann als normalen Menschen. Abgesehen davon, dass er eine Karriere im SS-Apparat machen wollte, hatte er kein Motiv, vor allem war er nicht übermäßig antisemitisch. Er war psychisch normal, kein Dämon oder Ungeheuer. Er erfüllte nur seine Pflicht, er hat nicht nur Befehlen gehorcht, sondern dem Gesetz gehorcht. ....

Wenn Du Dir Interviews mit solchen Leuten ansiehst, dann ist es durchaus glaubhaft, dass die das nicht gerne gemacht haben: Was in den Erzählungen mitschwingt, ist ein gewisser Stolz, in der Erfüllung der Pflicht (bei den Leuten synonym zu Gehorsam) nicht versagt zu haben , obwohl sich die Gefühle streubten, man hat dann den "inneren Schweinehund" besiegt.

Was da am Werk war, war eine spätwilhelminsche planvolle Erziehung zur "unfertigen Persönlichkeit" die schon eine gewisse Beteiligung hatte - was Milgram als Ami nur nicht sehen konnte, war die Tatsache, dass der christliche amerikanische Erziehungsstil da nicht sehr weit von entfernt ist.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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schtonk
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Anmeldungsdatum: 17.12.2013
Beiträge: 12078

Beitrag(#2003641) Verfasst am: 29.05.2015, 02:16    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
...

Seh ich eher nicht, das ist es doch, was Ahrendt dann anschließend die Banalität des Bösen nannte:
Wikipedia: Eichmann in Jerusalem
Zitat:
....
Arendt bezeichnet Eichmann als normalen Menschen. Abgesehen davon, dass er eine Karriere im SS-Apparat machen wollte, hatte er kein Motiv, vor allem war er nicht übermäßig antisemitisch. Er war psychisch normal, kein Dämon oder Ungeheuer. Er erfüllte nur seine Pflicht, er hat nicht nur Befehlen gehorcht, sondern dem Gesetz gehorcht. ....

Wenn Du Dir Interviews mit solchen Leuten ansiehst, dann ist es durchaus glaubhaft, dass die das nicht gerne gemacht haben: Was in den Erzählungen mitschwingt, ist ein gewisser Stolz, in der Erfüllung der Pflicht (bei den Leuten synonym zu Gehorsam) nicht versagt zu haben , obwohl sich die Gefühle streubten, man hat dann den "inneren Schweinehund" besiegt.

Was da am Werk war, war eine spätwilhelminsche planvolle Erziehung zur "unfertigen Persönlichkeit" die schon eine gewisse Beteiligung hatte - was Milgram als Ami nur nicht sehen konnte, war die Tatsache, dass der christliche amerikanische Erziehungsstil da nicht sehr weit von entfernt ist.

Ich bin vor einiger Zeit auf ein Buch von Bettina Stangneth gestoßen: "Eichmann vor Jerusalem".
Sie revidiert darin zum größten Teil Arendts These und weist nach, dass Eichmann überhaupt nicht banal war. Sein Verhalten im Prozess war von ihm kalkuliert, er hoffte, damit durchzukommen.
In Argentinien plante er seine Rückkehr in die Politik. Auch in seiner NS-Amtszeit ist er mit großem planerischen Kalkül eines Machtpolitikers vorgegangen. Das Bild des subalternen befehlsempfangenden
Überzeugungstäters ist nicht mehr haltbar. Stangneth verknüpft ihre Ergebnisse zu Eichmann auch mit einem kritischen Blick auf den "Neuanfang" nach 45. Sie betont übrigens, dass Arendt wohl zu
ähnlichen Ergebnissen gekommen wäre, hätte sie damals schon Einblick in die Quellen gehabt, die Stangneth zur Verfügung standen.
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Samson83
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Anmeldungsdatum: 18.01.2013
Beiträge: 6833

Beitrag(#2003655) Verfasst am: 29.05.2015, 08:12    Titel: Antworten mit Zitat

Kann mir bitte jemand erklären warum gerade die Person Eichmann so interessant ist? Liegt dies am öffentlichen Prozess oder an der Analyse Arendts?

Als Analysepersonen erscheinen mir etwas Himmler und Heydrich viel interessanter. Ebenso ist die Autobiographie von Höß - Authentizität der Gedanken vorausgesetzt - viel ergiebiger. Sehr viel Einsichtiger als Arendts Buch erschienen mir übrigens die "Nürnberger Tagebücher" von Gilbert. Dort erscheinen die Nürnberger Angeklagten mehrheitlich auch nicht auf eine oder zwei simple Erklärungsmuster reduzierbar, sondern als durchaus widersprüchliche Charaktere. Daher - die "Banalität" und die beschriebene Dämonik schließen sich keineswegs vollkommen aus und scheinen mir etwa in einem Hans Frank vereinigt gewesen zu sein.
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An alle: Lasst Euch dadurch nicht in die Irre führen. Dieser braune Burschi muss bearbeitet werden - immer hart an der Sache. Macht ihn mürbe! (Kramer)
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Er_Win
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Anmeldungsdatum: 31.01.2008
Beiträge: 4482

Beitrag(#2003657) Verfasst am: 29.05.2015, 09:01    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
So wie ich Adorno einschätze, fehlt derartiges.



Adorno hat da ein total klares Konzept von der Gesellschaft... zynisches Grinsen
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25869
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2003663) Verfasst am: 29.05.2015, 09:27    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Kann mir bitte jemand erklären warum gerade die Person Eichmann so interessant ist? Liegt dies am öffentlichen Prozess oder an der Analyse Arendts?....

Es war die Analyse Arendts, die damit für einen gewissen weltweiten Schock sorgte, dass diese in diesem Ausmaß vorher unvorstellbare Verbrechen von ziemlich normalen Leuten begngen worden waren, die eben nicht schon von weitem daran zu erkennen waren, dass ihnen Hörner auf der Stirn wuchsen.

Und an dieser Kernaussage Arendts sollten wir auch festhalten, ob da jemand bezüglich ihrer konkreten Beschreibung Eichmanns anderer Meinung ist oder die Linde rauscht. Es wäre bestimmt schön, wenn man sagen könnte "Ja, das waren damals alle Nazis, und wir sin jetzt keine mehr und damit gut!!"

Dem ist leider nicht so. Du kannst davon ausgehen, dass da genügend Leute dabei waren, die weder rassistisch noch besonders kriegerisch waren und trotzdem mitgemacht haben, weil ja das Vaterland in Gefahr war, die gottlosen Bolschewiken drohten usw.. Und deshalb erfüllte man seine Pflicht und betete wahrscheinlich jeden Abend, dass Gott einem helfe, die nötigen Greuel zu überstehen, wenn er einem einen Platz in den KZs zugewiesen hatte.

Auch die Leute, die auf der anderen Seite die polnische Intelligenz ausgelöscht hatten oder auch nach dem Krieg unter Stalin weiter "säuberten", hatten keine Hörner auf der Stirn und die in Ex-Jugoslawien, die irgendwann anfingen, ihre Nachbarn umzubringen, weil die in einer anderen Kirche waren oder die falsche Sprache sprachen, auch nicht. Da gibt es zwar überball dann irgendwelche kulturellen Eigenarten oder historisch gewachsene Animositäten, die diese Ausbrüche dann begünstigen, aber eigentlich ist es Pipifax. Ich kann mir z.B. vorstellen, dass sich hinter diesem berühmten Erziehungsziel Gottesfurcht, das bei uns in einigen Verfassungen drinsteht, auch einer dieser Faktoren lauert, das hat weniger mit einer bestimmten Kirche zu tun als mit der unbedingten Unterordnugn unter irgendetwas.

Da kann man jetzt ungeheuer weiterspekulieren, ohne davon irgendetwas sicher belegen zu können, aber negativ wird ein Schuh draus, den man einigen regelmäßig auf den Kopf hauen sollte:

Das Christentum ist zwar nicht "Schuld" an den Verbrechen des dritten Reiches, aber ebenso ist es Blödsinn, zu leugnen, dass das dritte Reich insofern eine christliche Veranstaltung war, als sich praktisch alle beteiligten als Christen verstanden - die paar "Neogermanen" waren auch innerhalb der Nazis eine Randerscheinung. Ganz Deutschland war im Prinzip christlich, und das ziemlich heftig.

Das heißt, dass das Chistentum keinen Schutz davor bot, so etwas zu veranstalten. Und es wid es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht tun - in Jugoslawien waren auf allen Seiten auch nur Gläubige am Werk.
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Skeptiker
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Beitrag(#2003698) Verfasst am: 29.05.2015, 13:33    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Samson83 hat folgendes geschrieben:
Kann mir bitte jemand erklären warum gerade die Person Eichmann so interessant ist? Liegt dies am öffentlichen Prozess oder an der Analyse Arendts?....

Es war die Analyse Arendts, die damit für einen gewissen weltweiten Schock sorgte, dass diese in diesem Ausmaß vorher unvorstellbare Verbrechen von ziemlich normalen Leuten begngen worden waren, die eben nicht schon von weitem daran zu erkennen waren, dass ihnen Hörner auf der Stirn wuchsen.

Und an dieser Kernaussage Arendts sollten wir auch festhalten, ob da jemand bezüglich ihrer konkreten Beschreibung Eichmanns anderer Meinung ist oder die Linde rauscht. Es wäre bestimmt schön, wenn man sagen könnte "Ja, das waren damals alle Nazis, und wir sin jetzt keine mehr und damit gut!!"

Dem ist leider nicht so. Du kannst davon ausgehen, dass da genügend Leute dabei waren, die weder rassistisch noch besonders kriegerisch waren und trotzdem mitgemacht haben, weil ja das Vaterland in Gefahr war, die gottlosen Bolschewiken drohten usw.. Und deshalb erfüllte man seine Pflicht und betete wahrscheinlich jeden Abend, dass Gott einem helfe, die nötigen Greuel zu überstehen, wenn er einem einen Platz in den KZs zugewiesen hatte.

Auch die Leute, die auf der anderen Seite die polnische Intelligenz ausgelöscht hatten oder auch nach dem Krieg unter Stalin weiter "säuberten", hatten keine Hörner auf der Stirn und die in Ex-Jugoslawien, die irgendwann anfingen, ihre Nachbarn umzubringen, weil die in einer anderen Kirche waren oder die falsche Sprache sprachen, auch nicht. Da gibt es zwar überball dann irgendwelche kulturellen Eigenarten oder historisch gewachsene Animositäten, die diese Ausbrüche dann begünstigen, aber eigentlich ist es Pipifax. Ich kann mir z.B. vorstellen, dass sich hinter diesem berühmten Erziehungsziel Gottesfurcht, das bei uns in einigen Verfassungen drinsteht, auch einer dieser Faktoren lauert, das hat weniger mit einer bestimmten Kirche zu tun als mit der unbedingten Unterordnugn unter irgendetwas.

Da kann man jetzt ungeheuer weiterspekulieren, ohne davon irgendetwas sicher belegen zu können, aber negativ wird ein Schuh draus, den man einigen regelmäßig auf den Kopf hauen sollte:

Das Christentum ist zwar nicht "Schuld" an den Verbrechen des dritten Reiches, aber ebenso ist es Blödsinn, zu leugnen, dass das dritte Reich insofern eine christliche Veranstaltung war, als sich praktisch alle beteiligten als Christen verstanden - die paar "Neogermanen" waren auch innerhalb der Nazis eine Randerscheinung. Ganz Deutschland war im Prinzip christlich, und das ziemlich heftig.

Das heißt, dass das Chistentum keinen Schutz davor bot, so etwas zu veranstalten. Und es wid es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht tun - in Jugoslawien waren auf allen Seiten auch nur Gläubige am Werk.


Jetzt mal abgesehen von deinem Ausflug ins Christentum, das ja auch einige Angeklagte in Nürnberg als *Grund* oder als Entschuldigung für ihr *Handeln* vorgebracht haben:

Wer hat denn Eichmann 1932 den Befehl gegeben, erst in die NSDAP und dann in die SS einzutreten?

https://www.dhm.de/lemo/biografie/adolf-eichmann

Und:

Findest du es nicht ein wenig feige von Eichmann, angesichts einer solchen Biografie anzugeben, eigentlich habe er an einer Ad-hominem-Vernichtung des Bolschewismus und des Judentums gar kein Interesse gehabt, sondern nur Befehle befolgt ...?
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fwo
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Beitrag(#2003704) Verfasst am: 29.05.2015, 13:53    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
....
Jetzt mal abgesehen von deinem Ausflug ins Christentum, das ja auch einige Angeklagte in Nürnberg als *Grund* oder als Entschuldigung für ihr *Handeln* vorgebracht haben:

Wer hat denn Eichmann 1932 den Befehl gegeben, erst in die NSDAP und dann in die SS einzutreten?

https://www.dhm.de/lemo/biografie/adolf-eichmann

Und:

Findest du es nicht ein wenig feige von Eichmann, angesichts einer solchen Biografie anzugeben, eigentlich habe er an einer Ad-hominem-Vernichtung des Bolschewismus und des Judentums gar kein Interesse gehabt, sondern nur Befehle befolgt ...?

Sieh Dich doch im ganz normalen Leben um: Der Bursche wollte Karriere machen und hatte das Gefühl, sie da machen zu können. An der Stelle nennt man das nicht Gehorsam, sondern Angepasstheit.

Und was erzählen und die Psychologen heute? Dass in den Führungsetagen der Anteil der Soziopathen mit der Höhe der Etage steigt. Passt doch.

Ansonsten: Wenn Du richtig liest, dann habe ich dem Christentum eben nicht die Schuld am 3. Reich gegeben.
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Beitrag(#2003714) Verfasst am: 29.05.2015, 14:27    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
....
Jetzt mal abgesehen von deinem Ausflug ins Christentum, das ja auch einige Angeklagte in Nürnberg als *Grund* oder als Entschuldigung für ihr *Handeln* vorgebracht haben:

Wer hat denn Eichmann 1932 den Befehl gegeben, erst in die NSDAP und dann in die SS einzutreten?

https://www.dhm.de/lemo/biografie/adolf-eichmann

Und:

Findest du es nicht ein wenig feige von Eichmann, angesichts einer solchen Biografie anzugeben, eigentlich habe er an einer Ad-hominem-Vernichtung des Bolschewismus und des Judentums gar kein Interesse gehabt, sondern nur Befehle befolgt ...?


Sieh Dich doch im ganz normalen Leben um: Der Bursche wollte Karriere machen und hatte das Gefühl, sie da machen zu können. An der Stelle nennt man das nicht Gehorsam, sondern Angepasstheit.


Und an anderer Stelle nennt man das dann doch wieder Gehorsam, stimmt's?

Scheinbar gab und gibt es gar keine(n) Faschisten/Faschismus, sondern das sind alles nur gehorsame Karrieristen.

(Als er in die Bewegung eintrat, war diese aber noch nicht an der Macht. Es war also gar nicht sicher, ob er dort Karriere machen konnte.)

Was sind denn die heutigen Neofaschisten? Wollen die auch alle Karriere machen?

Ich denke, es ist nicht möglich, die inneren Überzeugungen als zentralen Faktor beim Eintritt in solche Organisationen außer Acht zu lassen. Das heisst nicht, dass nicht auch andere Faktoren eine Rolle spielen, aber eben nicht in der Hauptsache.

fwo hat folgendes geschrieben:
Und was erzählen und die Psychologen heute? Dass in den Führungsetagen der Anteil der Soziopathen mit der Höhe der Etage steigt. Passt doch.


Jetzt kommt also nach dem Gehorsam und dem Karrierismus die Psychopathologie.

Und alles nur, um die innere Überzeugung auf Teufel komm raus nicht zur Sprache zu bringen. Was soll das?

fwo hat folgendes geschrieben:
Ansonsten: Wenn Du richtig liest, dann habe ich dem Christentum eben nicht die Schuld am 3. Reich gegeben.


... sondern nur die Schuld für Untertanengeist und Gewalt allgemein. Nur ist das zu unspezifisch.

Aber das Christentum ist hier gar nicht mal so fehl am Platze, denn wie sagten die beiden Adolfs:

Zitat:
"Ich tat reinen Gewissens und gläubigen Herzens meine Pflicht."

(Adolf Eichmann, 1906-1962, SS-Obersturmbannfüher u. Leiter des Judenreferats im Reichsicherheitsamt, organisierte im Zuge der Endlösung den Transport der Juden in die Vernichtungslager)

"So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn."

Ich tue nur, was die Kirche seit fünfzehnhundert Jahren tut, allerdings gründlicher.


(Der Katholik Adolf Hitler)
http://www.unmoralische.de/christlich.htm


Das ist natürlich auch ein Wegschieben von Verantwortung und das Leugnen des Hasses auf alles, was in deren Augen die *heilige Ordnung* der irdischen (!) Herrschaft störte. Und dieser Hass war alles andere als nur eine Bereitschaft zur Unterordnung ...-
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Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 29.05.2015, 16:06, insgesamt einmal bearbeitet
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fwo
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Beitrag(#2003723) Verfasst am: 29.05.2015, 15:49    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
....
Jetzt kommt also nach dem Gehorsam und dem Karrierismus die Psychopathologie.

Und alles nur, um die innere Überzeugung auf Teufel komm raus nicht zur Sprache zu bringen. Was soll das?

....
Das ist natürlich auch ein Wegschieben von Verantwortung und das Leugnen des Hasses auf alles, was in deren Augen die *heilige Ordnung* der irdischen (!) Herrschaft störte. Und dieser Hass war alles andere als nur eine Bereitschaft zur Unterordnung ...-

Und jetzt könnte man noch gucken, woher der Hass kommt - im Normalfall ist es die Kompensation von Ohnmacht ...

Aber ich gebe die Frage zurück: Was soll das alles?

Natürlich spielt der Nazionalsozialismus die führende Rolle - hat ja schließlich auch den "Führer" gestellt.

Nur reicht das nicht, ohne den fruchtbaren Boden, d.h. ohne die kulturelle Infrastruktur, in der dieses Unkraut gehegt wird. Aus dem 3. Reich währe mit Sicherheit nichts geworden, wenn das Kapital damals nicht den Nationalsozialismus als Möglichkeit gesehen hätte, die eigene Kohle zu retten und zu mehren. Der Hass auf die Juden wäre nie der Hit gewesen, ohne die gute christliche Vorarbeit usw..

Und natürlich glühen die Führer jeder Bewegung für sie - sonst hätte die Bewegungen nie die Chance, welche zu werden. Das sind doch alles Selbstgänger. Aber speziell Eichmann war kein Führer des Nationalsozialismus, er war ein Technokrat.

Der Anteil der überzeugten Nazis unter den Deutschen war erheblich kleiner als die Anzahl ihrer Wähler und die überzeugten Nazis mit hinreichend Hass und Sendungsbewusstsein waren mehr mit Parteikarrieren beschäftigt als mit der Drecksarbeit, für die man insgesamt sowieso zuviel Leute brauchte, um sich auf die erklärten Nazis zu beschränken.

Und wenn Du mal so weit gekommen bist, stellt sich die Frage, warum die alle trotzdem so weit mitgemacht haben, dass es überhaupt funktionieren konnte - das war das Thema von Arendt und - unabsichtlich - auch das von Milgram. Der wollte nämlich beweisen, dass das ein deutsches Problem sei. Und das und nicht die Erklärung des gesamten Nationalsozialismus war Thema meiner Posts.
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Beitrag(#2003737) Verfasst am: 29.05.2015, 16:48    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
....
Jetzt kommt also nach dem Gehorsam und dem Karrierismus die Psychopathologie.

Und alles nur, um die innere Überzeugung auf Teufel komm raus nicht zur Sprache zu bringen. Was soll das?

....
Das ist natürlich auch ein Wegschieben von Verantwortung und das Leugnen des Hasses auf alles, was in deren Augen die *heilige Ordnung* der irdischen (!) Herrschaft störte. Und dieser Hass war alles andere als nur eine Bereitschaft zur Unterordnung ...-


Und jetzt könnte man noch gucken, woher der Hass kommt - im Normalfall ist es die Kompensation von Ohnmacht ...


In diesem Fall ist es die Überidentifikation mit der herrschenden Ordnung. Schau, die Übernahme der alten Diskriminierungen (Juden, Sinti/Romas, Landstreicher, Behinderte, ...), welche in früheren Herrschaftsstrukturen und entsprechender religiöser Ideologien wurzeln und die Verteidigung der Kapitalstruktur vor dem organisierten Proletariat und den Kommunisten - das waren die spezifischen Quellen des Hasses auf *das Bedrohliche* für den Staat, für das Kapital, für die Kultur und die herrschende Ordnung insgesamt.

Ohnmacht wäre wieder zu allgemein und völlig losgelöst von allen Verhältnissen mit denen eben eine Identifizierung stattfand.

fwo hat folgendes geschrieben:
Aber ich gebe die Frage zurück: Was soll das alles?

Natürlich spielt der Nazionalsozialismus die führende Rolle - hat ja schließlich auch den "Führer" gestellt.

Nur reicht das nicht, ohne den fruchtbaren Boden, d.h. ohne die kulturelle Infrastruktur, in der dieses Unkraut gehegt wird. Aus dem 3. Reich währe mit Sicherheit nichts geworden, wenn das Kapital damals nicht den Nationalsozialismus als Möglichkeit gesehen hätte, die eigene Kohle zu retten und zu mehren. Der Hass auf die Juden wäre nie der Hit gewesen, ohne die gute christliche Vorarbeit usw..


Ja genau. Und hier haben wir es eben mit ideologischen und gesellschaftichen Strukturen zu tun, weshalb die reine Psychologie als Erklärung nicht ausreicht.

fwo hat folgendes geschrieben:
Und natürlich glühen die Führer jeder Bewegung für sie - sonst hätte die Bewegungen nie die Chance, welche zu werden. Das sind doch alles Selbstgänger. Aber speziell Eichmann war kein Führer des Nationalsozialismus, er war ein Technokrat.


Ein Technokrat hätte er auch anderswo werden können. Wieso gerade in der NSDAP? Er muss ein politisch überzeugter Technokrat gewesen sein. Deswegen meine Frage an dich: Wer hat Eichmann 1932 den Befehl gegeben in die NSDAP/SS einzutreten? Die Antwort ist: niemand außer er selber!

fwo hat folgendes geschrieben:
Der Anteil der überzeugten Nazis unter den Deutschen war erheblich kleiner als die Anzahl ihrer Wähler und die überzeugten Nazis mit hinreichend Hass und Sendungsbewusstsein waren mehr mit Parteikarrieren beschäftigt als mit der Drecksarbeit, für die man insgesamt sowieso zuviel Leute brauchte, um sich auf die erklärten Nazis zu beschränken.


Aber in den Positionen, wo Eichmann & co. saßen, saßen auch die entsprechenden politischen Überzeugungen mit ihnen auf dem Posten.

Eichmann, der *gute Christ*, der des öfteren die Vernichtungslager persönlich in Augenschein nahm, wusste ganz genau, was er tat. Und alle anderen Nazigrößen wussten das auch. Wer sich da noch als ahnungslosen oder gleichgültigen Befehlsnotständler gebärdet, der ist will andere für dumm verkaufen. Und Ahrendt hat sich für dumm verkaufen lassen, indem sie quasi 1:1 übernommen hat, was Eichmann ihr gesagt hat.

Ansonsten sind es viele tausende gewesen, die in KZs und in den diversen Angriffskriegen die - wie du es nennst - "Drecksarbeit" erledigt haben. Die Schergen der SS z.B. waren hier eindeutig politisch motiviert. Ähnliches finden wir aber heute auch beim Vorgehen des IS.

Schließlich gab es tatsächlich die Handlanger, denen es egal war, wer sie bezahlte und die wohl vorwiegend aus der Schicht des Lumpenproletariats kamen.

Da kann man also durchaus differenzieren, ohne aber das politisch rechte Potenzial in breiten Schichten der Bevölkerung zu unterschätzen.

Und es gab die Wählerschaft der NSDAP, deren Gipfelpunkt im Juli 1932 bei 37,3% lag. Das waren sicherlich kaum alles überzeugte Nazis, sondern auch viele politisch verwirrte Mittelbürger und -innen. Für eine Möchtegern-Kulturnation wie Deutschland jedoch ist es trotzdem eine Schande, ein Schandfleck in der deutschen Geschichte.

fwo hat folgendes geschrieben:
Und wenn Du mal so weit gekommen bist, stellt sich die Frage, warum die alle trotzdem so weit mitgemacht haben, dass es überhaupt funktionieren konnte - das war das Thema von Arendt und - unabsichtlich - auch das von Milgram. Der wollte nämlich beweisen, dass das ein deutsches Problem sei. Und das und nicht die Erklärung des gesamten Nationalsozialismus war Thema meiner Posts.


Die Motivationen waren natürlich unterschiedlich. Und Arendt hat sich eben gerade nicht dadurch ausgezeichnet, dass sie Motivforschung betrieben hätte. Auch Migram hat eine solche gerade nicht betrieben, sondern ging mit einer vorgefassten Theorie (Faschismus = Gehorsam) in sein Experiment und hat als Ergebnis folglich in Form von Zahlen auch nur das wieder heraus bekommen, was er hinein gesteckt hatte.

Motivforschung, die haben Adorno u.a. betrieben, wobei gerade Adorno betont hat, dass psychologische Eigenschaften - wie Autoritarismus - nicht automatisch zu Faschismus führen. Im 2. Jahrhundert irgendwo in der Wüste führt Autoritarismus vielleicht auch zu unschönen Erscheinungen oder irgendwo in einer Raumkapsel Richtung Mars. Aber damit so was wie Faschismus entsteht, muss sich zuvor so etwas wie Kapitalismus und zusätzlich eine kräftige soziele Gegenbewegung etabliert haben.

Die Milgram-Experiment sind wichtig, aber sie sind völlig unspezifisch und beinhalten bereits eine fertige Theorie, die - höflich gesagt - einfach selber nicht überprüft ist ...-
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smallie
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Beitrag(#2003812) Verfasst am: 29.05.2015, 22:34    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Noch mal allgemein zu den Schlussfolgerungen von Milgram:

Es ist zum einen ein Unterschied, ob jemand etwas tut, was er eigentlich nicht will oder ob er etwas tut, was er eigentlich will. Da Milgram ja untersuchen wollte, warum *die Deutschen* plötzlich zu Faschisten wurden, ist sein Versuch völlig untauglich, weil ja die deutschen Faschisten das, was sie taten eben aus Überzeugung taten und eben nicht, obwohl sie es eigentlich nicht wollten.

Die deutschen Nichtfaschisten dagegen wurden sicher auch zu Sachen gezwungen, die sie nicht wollten; das bezog sich aber mehr auf Zwangsarbeit (Autobahnbau, Betriebe ohne Gewerkschaft) oder die Teilnahme am Krieg.

Es ist jedenfalls der falsche Versuchsaufbau, um Faschismus zu untersuchen, dem ja bei seinen Anhängern in erster Linie innere Überzeugungen zugrunde liegen und weniger äußere Befehle oder Ermunterungen. <schnipp>

So hab ich das bisher noch nicht gesehen. Da ist was dran.....
Das Zitat von Skeptiker wieder teilweise eingefügt

Seh ich eher nicht, das ist es doch, was Ahrendt dann anschließend die Banalität des Bösen nannte:
Wikipedia: Eichmann in Jerusalem
Zitat:
....
Arendt bezeichnet Eichmann als normalen Menschen. Abgesehen davon, dass er eine Karriere im SS-Apparat machen wollte, hatte er kein Motiv, vor allem war er nicht übermäßig antisemitisch. Er war psychisch normal, kein Dämon oder Ungeheuer. Er erfüllte nur seine Pflicht, er hat nicht nur Befehlen gehorcht, sondern dem Gesetz gehorcht. ....

Wenn Du Dir Interviews mit solchen Leuten ansiehst, dann ist es durchaus glaubhaft, dass die das nicht gerne gemacht haben: Was in den Erzählungen mitschwingt, ist ein gewisser Stolz, in der Erfüllung der Pflicht (bei den Leuten synonym zu Gehorsam) nicht versagt zu haben , obwohl sich die Gefühle streubten, man hat dann den "inneren Schweinehund" besiegt.

Stichwort Erzählungen:

    Mein Urgroßvater mütterlicherseits war Ortsgruppenführer - in einem Kuhdorf von 7 Bauernhöfen und einem Haus. Wenn meine Oma Leute im Fernsehen sah, die ihr gar nicht gefielen, dann sagte sie: "Die gehören verräumt." (Ein Beweisstück für die Frage: wieviel wußten die Leute?) Meine Oma hätte ohne zu zögern den Milgram-Knopf gedrückt.

    Der Urgroßvater hat dem polnischen Zwangsarbeiter einmal ein Fahrrad geliehen. Daraufhin bekam er Schwierigkeiten. Hier hat sein Oberer den Milgram-Knopf gedrückt.

    Einmal, als Kind, sagte meine Tante, man solle mir doch einfach ein paar überziehen, dann wäre Ruhe. Meine Oma sagte: "Wegen dir schlagen wir unsere Kinder nicht." Hier hätte die Tante den Knopf gedrückt.



fwo hat folgendes geschrieben:
Es wäre bestimmt schön, wenn man sagen könnte "Ja, das waren damals alle Nazis, und wir sin jetzt keine mehr und damit gut!!"

Dem ist leider nicht so.

Zuviel fällt mir dazu ein, um es hier und jetzt aufzuschreiben.





Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Scheinbar gab und gibt es gar keine(n) Faschisten/Faschismus, sondern das sind alles nur gehorsame Karrieristen.

Herrenrasse sein zu wollen ist ziemlich karrieriestisch. zwinkern


Skeptiker hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Und was erzählen und die Psychologen heute? Dass in den Führungsetagen der Anteil der Soziopathen mit der Höhe der Etage steigt. Passt doch.


Jetzt kommt also nach dem Gehorsam und dem Karrierismus die Psychopathologie.

Und alles nur, um die innere Überzeugung auf Teufel komm raus nicht zur Sprache zu bringen. Was soll das?

Ich denke, ich weiß warum Psychologismen hier ein Rolle spielen. Einer meiner Großonkel fror sich bei Stalingrad die Füße ab. Er hatte nicht den Mut, das seinem Vater zu schreiben. Ein Kamerad hat das berichtet.

Warum schrieb der Großonkel nicht:

    "Vater, ich werde für's Vaterland sterben und bin stolz darauf. Bist du das auch?"

Oder aus gesundem Menschenverstand:

    "Vater, schaut so aus, als seien wir doch nicht die Herrenrasse. Blast die Operation Barbarossa ab, sonst ist es vorbei mit dem tausendjährigen Reich."






fwo hat folgendes geschrieben:
Und jetzt könnte man noch gucken, woher der Hass kommt - im Normalfall ist es die Kompensation von Ohnmacht ...


Ohnmacht über den verlorenen ersten Weltkrieg. Als klar war, das der Platz an der Sonne hinfällig war, tja, dann brauchte man halt "Lebensraum im Osten".

Aber auch:

Größenwahn über Deutschlands Leistungen. Land der Dichter und Denker. Eine der führenden Wissenschaftsnationen der damaligen Welt.

Dummerweise hat der Volkskörper übersehen, daß ein guter Teil der Dichter und Denker entweder Juden oder sonstwie Entartete waren. Leute wie Billy Wilder, Fred Zinneman waren eine Bereicherung für Hollywood. Leute wie Leo Sziliard oder Enrico Fermi - die der Faschismus aus Italien vertrieben hatte, waren wesentlich an der Entwicklung der Atombombe beteiligt.

Mein Opa, ein grundgütiger Mensch, sagte: "Der Jude in der Kreisstadt hatte damals schon ein Auto." Neid spielt neben vielem anderen bestimmt auch eine Rolle.




Skeptiker hat folgendes geschrieben:
In diesem Fall ist es die Überidentifikation mit der herrschenden Ordnung.

Dazu fallen mir drei Dinge ein: Erfindung des Radios. Volksempfänger. Propaganda.

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smallie
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Beitrag(#2003967) Verfasst am: 30.05.2015, 22:16    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Es wäre bestimmt schön, wenn man sagen könnte "Ja, das waren damals alle Nazis, und wir sin jetzt keine mehr und damit gut!!"

Dem ist leider nicht so.

Zuviel fällt mir dazu ein, um es hier und jetzt aufzuschreiben.

Ein Beispiel soll für's erste reichen.


Nach der Geburt wurden Neugeborene hierzulande von ihren Müttern getrennt. Ich weiß nicht, wann diese Praxis einsetzte, ob bereits mit dem Ende der Hausgeburten oder erst später. Das hörte erst in den neuziger oder nuller-Jahren auf. Ich würde gerne wissen, wie diese Praxis damals begründet wurde. Und warum ihr so wenig widersprochen wurde (nehme ich an.)

Schnellvorlauf in die Gegenwart. Vor bald fünf Jahren kam meine Tochter zur Welt. Kurze Geschichte: Sie liegt neben mir im Klinikbett, in ihrer ersten Lebensnacht. Kommt eine Schwester herein und meint, ich solle das Kind wecken, damit es gestillt werden kann. Ich denk' mir, naja, das Kind wird sich schon bemerkbar machen, wenn es was braucht. Im Moment will sie schlafen. Also sagte ich: "Nein, jetzt" nicht.

Oha, hoppla. Falsche Antwort. Wenn Blicke töten könnten, gäbe es diese Zeilen nicht.

Erst kürzlich wurde mir klar, was das bedeutet. All die Jahre habe ich es übersehen: ich muß einer der ersten gewesen sein, die ihr wiedersprochen haben. Wäre mein Verhalten häufig, hätte sie nicht so giftig reagiert, sondern eher schultergezuckt und gedacht: "Schon wieder einer dieser Spinner."

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vrolijke
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Beitrag(#2003969) Verfasst am: 30.05.2015, 22:46    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Es wäre bestimmt schön, wenn man sagen könnte "Ja, das waren damals alle Nazis, und wir sin jetzt keine mehr und damit gut!!"

Dem ist leider nicht so.

Zuviel fällt mir dazu ein, um es hier und jetzt aufzuschreiben.

Ein Beispiel soll für's erste reichen.


Nach der Geburt wurden Neugeborene hierzulande von ihren Müttern getrennt. Ich weiß nicht, wann diese Praxis einsetzte, ob bereits mit dem Ende der Hausgeburten oder erst später. Das hörte erst in den neuziger oder nuller-Jahren auf. Ich würde gerne wissen, wie diese Praxis damals begründet wurde. Und warum ihr so wenig widersprochen wurde (nehme ich an.)

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Beitrag(#2003981) Verfasst am: 30.05.2015, 23:42    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Es wäre bestimmt schön, wenn man sagen könnte "Ja, das waren damals alle Nazis, und wir sin jetzt keine mehr und damit gut!!"

Dem ist leider nicht so.

Zuviel fällt mir dazu ein, um es hier und jetzt aufzuschreiben.

Ein Beispiel soll für's erste reichen.

Nach der Geburt wurden Neugeborene hierzulande von ihren Müttern getrennt. Ich weiß nicht, wann diese Praxis einsetzte, ob bereits mit dem Ende der Hausgeburten oder erst später. Das hörte erst in den neuziger oder nuller-Jahren auf. Ich würde gerne wissen, wie diese Praxis damals begründet wurde. Und warum ihr so wenig widersprochen wurde (nehme ich an.)

Schnellvorlauf in die Gegenwart. Vor bald fünf Jahren kam meine Tochter zur Welt. Kurze Geschichte: Sie liegt neben mir im Klinikbett, in ihrer ersten Lebensnacht. Kommt eine Schwester herein und meint, ich solle das Kind wecken, damit es gestillt werden kann. Ich denk' mir, naja, das Kind wird sich schon bemerkbar machen, wenn es was braucht. Im Moment will sie schlafen. Also sagte ich: "Nein, jetzt" nicht.

Oha, hoppla. Falsche Antwort. Wenn Blicke töten könnten, gäbe es diese Zeilen nicht.

Erst kürzlich wurde mir klar, was das bedeutet. All die Jahre habe ich es übersehen: ich muß einer der ersten gewesen sein, die ihr wiedersprochen haben. Wäre mein Verhalten häufig, hätte sie nicht so giftig reagiert, sondern eher schultergezuckt und gedacht: "Schon wieder einer dieser Spinner."

So geht es zu in Deutschland.


Irgendwer wollte letztens noch solche westlichen Werte verteidigen - irgendwo da draußen.

Ich weiß, aber nicht mehr, wer. Am Kopf kratzen

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@smallie, danke für deine Beiträge. Vor allem auf den vorherigen schreibe ich wahrscheinlich noch eine Antwort, vielleicht morgen.
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Beitrag(#2004024) Verfasst am: 31.05.2015, 13:36    Titel: Antworten mit Zitat

Mad Magic hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:

*Geschickter Weise* sind Milgrams Ergebnisse vor allem in den Situationen am desatrösesten, wo die *Täter* von ihren *Opfern* relativ weit entfernt sind und zusätzlich unter Verhaltensdruck gesetzt werden, während es in umgekehrten Konstellationen nicht mehr 65%, sondern nur noch 2% Täter und -innen gibt ...-

In welche Kostellation sind es nur noch 2% Täter? Ich habe darüber nichts gefunden.


Genau genommen 2,5%. das hatte ich oben bereits zitiert:

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Zitat:
So änderte Beispielsweise Milgram die Nähe zum Opfer. War im Grundlagenexperiment das vermeintliche Opfer in einem anderen Raum und die Reaktion nur akustisch, gingen die Variationen bis zum auflegen der Hand des Opfers auf die Schockplatte. Die Bereitschaft zum Maximum zu gehen sank auf 30%. Wenn der Experimentsleiter selber nicht im Raum war, sondern nur am Telefon sank die Zahl sogar auf 20.5%. Wenn der Proband selber die Voltzahl bestimmen durfte waren es nur noch 2.5%, die bereit waren zum Maximum zu gehen.

http://scienceblogs.de/zoonpolitikon/2012/02/08/milgrams-missverstandenes-experiment/


Hier zeigte sich auch ganz deutlich, was die Probanden in ihrem tiefsten Inneren eigentlich (nicht) wollten. Nur sind diese Ergebnisse nicht so bekannt gemacht worden ...-!


Nicht zu einfach machen bitte, die 2,5 % und Maximum, wobei vorher schon lange Lebensgefahr besteht? Überhaupt die Hinterfragung des Schmerzes für die "Opfer"?

Es gibt ähnliche Experimente, wo Studenten Wärter in einem Gefängnis spielen, die sich erschreckend schnell zu "Arschlöchern" entwickeln. Es ist deprimierend, dass so viele sich einem Herdentrieb, einer Obrigkeit unterwerfen ohne selbst richtig nachzudenken.

Die Religionen, wie die Ideologien legen Zeugnis über die verhältnismäßig leichte Manipulierbarkeit der Massen ab. Obrigkeitsgehorsam ist nur eines der Manipulationsinstrumente...

Wer manipuliert also womöglich die Massen irgend wohin und ist es tatsächlich jeweils gezielte Manipulation?


Für mich gehören diese Experimente, wie bei dir auch, im Zusammenhang genannt und eingeordnet.
Dazu noch die Erkenntnis aus "Der Herr der Fliegen". http://de.wikipedia.org/wiki/Herr_der_Fliegen
Das destruktive Verhalten entwickelt sich auch ohne Manipulation, es könnte menschlich sein.
Mit Manipulation ist es nur zielgerichteter im Sinne des Manipulators.
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smallie
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Beitrag(#2004128) Verfasst am: 01.06.2015, 00:01    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
@smallie, danke für deine Beiträge.

Schau mal in den Nerv-Thread. Da steht mehr. Ich wollt's nicht öffentlich schreiben.

Schlußfolgerungen daraus gerne wieder hier.
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smallie
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Beitrag(#2004129) Verfasst am: 01.06.2015, 00:04    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Hat sie es akzeptiert, oder wurdest Du gezwungen, das Kind zu füttern?

Sie hat es aktzeptiert.

Die Geschichte ist damit aber noch nicht zu ende. Das sollte ich auch noch aufschreiben. Öffentlich.
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smallie
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Beitrag(#2004808) Verfasst am: 05.06.2015, 00:07    Titel: Antworten mit Zitat

Die versprochene Geschichte - ich lasse sie (vorerst) weg, genauso wie die vielen anderen Geschichten, die ich noch erzählen könnte.



Stattdessen, als Versuch auf einen Punkt zu kommen:

Heute ziemlich wortwörtlich so zum Quasi-Schwiegervater gesagt: Das was in meiner Familie und in deiner geschehen ist, läßt sich nicht ungeschehen machen. Ich hab meinen Schaden weg, und deine Tochter auch. Jetzt geht es darum, den Schaden nicht noch eine Generation weiter zu tragen. Sonst hört der Wahnsinn niemals auf.


(Ich erzähle das so freimütig, weil ich denke, nicht der einzige zu sein, dem es so geht. Irgendjemand muß anfangen, diese Dinge anzusprechen und auszusprechen.)
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beefy
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Beitrag(#2004830) Verfasst am: 05.06.2015, 06:10    Titel: Antworten mit Zitat

An - und Aussprechen ist nur der erste Schritt. Siehe 68'er Bewegung.
Aber reden hilft meist nicht viel.
Man durchbricht den Kreislauf nur, wenn man es schafft auch zu handeln.

Gewalt und Brutalität in der Kindererziehung ist da ein ganz gutes Beispiel.Schwarze Pädagogik.Das ist schon seit mindestens 25 Jahren ein offen diskutiertes Thema.Es wird geredet und geredet und im Unterschichtenfernsehen wird sogar vorgesagt.
Jeder weiß darum, und wohin es führen kann.
Und trotzdem passiert es ständig.
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smallie
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Beitrag(#2005094) Verfasst am: 06.06.2015, 17:32    Titel: Antworten mit Zitat

Um die Kurve zurück zum Milgram-Versuch zu kriegen:

Drei Kollegen in unterschiedlichen Firmen sagten mir: "ich mache das, was mir gesagt wird." Ich bin mir sicher, das waren keine Einzelmeinungen; hätte ich noch mehr Leute gefragt - ich hätte bestimmt die gleiche Antwort bekommen.




beefy hat folgendes geschrieben:
An - und Aussprechen ist nur der erste Schritt. Siehe 68'er Bewegung.
Aber reden hilft meist nicht viel.
Man durchbricht den Kreislauf nur, wenn man es schafft auch zu handeln.

Teilweise kann ich inzwischen handeln, am Rest arbeite ich noch. zwinkern

Vor einer Weile spielte sich diese Szene in einem Kaufhaus ab.

    Ich und meine Tochter sind Zeuge wie ein Vater sein Kind packt. Sag ich ganz laut, so daß es die beiden auch hören mußten: "Schau mal, wie grob der sein Kind packt."


Ich weiß noch nicht mal, ob das eine gute Idee ist. Einerseits denke ich, es ist notwendig, dem fremden Kind verbale Unterstützung zu geben. Andererseits könnte derartiges den Konflikt noch anheizen. Hmm?



Hier hingegen habe ich versagt:

    vor etwa drei Jahren: ein Kollegin und ich kriegen einen Anschiß, weil ein Projekt nicht rechtzeitig zum Jahreswechsel fertig wurde. (Eine Woche später war das Dreivierteljahr-Projekt fertig.) Meine Kollegin war den Tränen nahe. Zu mir sagte der Chef - er hatte irgendetwas dummes gesagt - : "Grinsen Sie mich nicht so an."

Warum habe ich mir das gefallen lassen?

Leider war ich damals noch nicht so weit, mich dagegen zu wehren. Ich hab's runtergeschluckt. Und erfolgreich verdrängt - erst kürzlich fiel mir diese Szene wieder ein. Gleichzeitig fiel mir ein, daß meine Mutter manchmal zu mir sagte, nachdem ich Schimpfe bekam: "Schau nicht so blöd."



Wie werde ich zukünftig handeln?

    Gegenwärtig hängt ein Aushang im Kindergarten, man solle doch Sonnenhut und Sonnenkrem mitbringen. Das geht mir komplett gegen den Strich. Richtig müßte das heißen: "Wer Kinder hat, die zuwenig Tageslicht abbekommen haben, soll bitte Hut und Kreme bringen. Wir schließen die Haftung für Sonnenbrände aus."


Ach, seufz, eigentlich muß ich das demnächst so kommunizieren. Weinen


An einer Stelle gebe ich dir nicht ganz recht. Oder besser: ich verstehe deine Anspielung nicht. Was ist handeln? Kommunikation, Debatte und Streit sind auch Formen des Handelns.


beefy hat folgendes geschrieben:
Gewalt und Brutalität in der Kindererziehung ist da ein ganz gutes Beispiel.Schwarze Pädagogik.Das ist schon seit mindestens 25 Jahren ein offen diskutiertes Thema.Es wird geredet und geredet und im Unterschichtenfernsehen wird sogar vorgesagt.
Jeder weiß darum, und wohin es führen kann.
Und trotzdem passiert es ständig.

Geh an einem Ferientag in den Zoo. Besuche den Spielplatz und schreib einen Tag lang auf, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen. Dann hast du genug Material für einen langen, langen Aufsatz. Ich rede nicht von körperlicher Gewalt, sondern von - hmm? - erzieherischer, psychischer Gewalt.

Jüngst sah ich einen Vater seinen Sohn mit den Augen dirigieren. Der Sohn hat irgendwas geplappert, was der Vater nicht leiden mochte. Der Vater sah ihn an, weitete seine Augen - dann war Ruhe. Das war wohl ein eingespieltes Zeichen: sonst drück ich den Milgram-Knopf!




PS:

Das alles auch als Antwort dazu:

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Es ist sehr wichtig, dass Adorno dies betont hat. Erziehung ist eben nur die halbe Miete und darüber hinaus wird diese wiederum beeinflusst von den gesellschaftlichen Verhältnissen, welche wiederum, usw, usf ...-

Wo habe ich mehr Macht?

Als "Erziehender"? Als Wähler in einer Demokratie? Als Konsument? Als Arbeiter/Angestellter? Oder als Abteilungsleiter oder Chef?

Wenn ich das konservative "die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft" wörtlich nehme, dann kommt der Erziehung eine überragende Rolle zu.
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beefy
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Beitrag(#2005105) Verfasst am: 06.06.2015, 18:39    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

Geh an einem Ferientag in den Zoo. Besuche den Spielplatz und schreib einen Tag lang auf, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen. Dann hast du genug Material für einen langen, langen Aufsatz. Ich rede nicht von körperlicher Gewalt, sondern von - hmm? - erzieherischer, psychischer Gewalt.




Ich rede auch nicht von körperlicher Gewalt.
Und ich hab so viel mit dieser Klientel zu tun, daß ich an freien Tagen Orte mit Kindern eher zu meiden versuche.
In diesem Jahr habe ich schon die Eltern von about 400 Kindern mehr oder weniger kennengelert und erlebt.Ich kann da mehr als nur einen langen,langen Aufsatz zu schreiben.

Ich meine mit Handeln folgendes:In der Praxis nicht zu versagen, nichtmal im angeblich kleinsten wie fest anpacken oder mitzerren wenn sie einen bis zur Weißglut treiben.Sich bewußt machen daß es wie du sagst eben auch noch andere Formen der Gewalt gibt, als die körperlich und daß es viel leichter passieren kann, daß man diese auch ohne es in dem Moment zu bemerken, ausübt.

Zitat:

Gegenwärtig hängt ein Aushang im Kindergarten, man solle doch Sonnenhut und Sonnenkrem mitbringen. Das geht mir komplett gegen den Strich. Richtig müßte das heißen: "Wer Kinder hat, die zuwenig Tageslicht abbekommen haben, soll bitte Hut und Kreme bringen. Wir schließen die Haftung für Sonnenbrände aus."


Die zu erwartende Antwort wäre (wahrscheinlich etwas vorsichtiger formuliert) dann folgende:
Dein kind geht dann an den entsprechenden Tagen in eine andere Gruppe oder jedenfalls nicht mit nach draußen.Und zwar weil unser Job die körperliche Unversehrtheit der Kinder beinhaltet, ein Sonnenbrand dieser widerspricht und wir keine Ärzte sind um die Sonnenbrandgefahr jedes Hauttypen im einzelnen festzustellen.Genauso wie du.
Und wenn dir das nicht passt, such dir ne andere Kita.

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Beitrag(#2005120) Verfasst am: 06.06.2015, 20:26    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Stichwort Erzählungen:

    Mein Urgroßvater mütterlicherseits war Ortsgruppenführer - in einem Kuhdorf von 7 Bauernhöfen und einem Haus. Wenn meine Oma Leute im Fernsehen sah, die ihr gar nicht gefielen, dann sagte sie: "Die gehören verräumt." (Ein Beweisstück für die Frage: wieviel wußten die Leute?) Meine Oma hätte ohne zu zögern den Milgram-Knopf gedrückt.


Aber nicht, weil ihr das jemand gesagt hat, sondern aus inneren Antrieben.

smallie hat folgendes geschrieben:
Der Urgroßvater hat dem polnischen Zwangsarbeiter einmal ein Fahrrad geliehen. Daraufhin bekam er Schwierigkeiten. Hier hat sein Oberer den Milgram-Knopf gedrückt.


Dein Urgroßvater hat sich einem äußeren Antrieb widersetzt. Sei stolz auf ihn für diese Handlung!

smallie hat folgendes geschrieben:
Einmal, als Kind, sagte meine Tante, man solle mir doch einfach ein paar überziehen, dann wäre Ruhe. Meine Oma sagte: "Wegen dir schlagen wir unsere Kinder nicht." Hier hätte die Tante den Knopf gedrückt.


http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1984430#1984430

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Herrenrasse sein zu wollen ist ziemlich karrieriestisch. zwinkern


Auch. Aber in erster Linie ist *Herrenrasse* eine Form von Rassismus, von Diskriminierung zwecks künstlicher Herstellung allgemeinmenschlicher Ungleichheit.

smallie hat folgendes geschrieben:
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Und was erzählen und die Psychologen heute? Dass in den Führungsetagen der Anteil der Soziopathen mit der Höhe der Etage steigt. Passt doch.


Jetzt kommt also nach dem Gehorsam und dem Karrierismus die Psychopathologie.

Und alles nur, um die innere Überzeugung auf Teufel komm raus nicht zur Sprache zu bringen. Was soll das?


Ich denke, ich weiß warum Psychologismen hier ein Rolle spielen. Einer meiner Großonkel fror sich bei Stalingrad die Füße ab. Er hatte nicht den Mut, das seinem Vater zu schreiben. Ein Kamerad hat das berichtet.

Warum schrieb der Großonkel nicht:

    "Vater, ich werde für's Vaterland sterben und bin stolz darauf. Bist du das auch?"

Oder aus gesundem Menschenverstand:

    "Vater, schaut so aus, als seien wir doch nicht die Herrenrasse. Blast die Operation Barbarossa ab, sonst ist es vorbei mit dem tausendjährigen Reich."


Das Psychologische ist das eine. Die politischen Inhalte des Faschismus das andere und entscheidendere. fwo versuchte, es heraus zu filtern. Das schafft keine Aufklärung, sondern verwischt die Zusammenhänge ---> Antiaufklärung.

smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
In diesem Fall ist es die Überidentifikation mit der herrschenden Ordnung.


Dazu fallen mir drei Dinge ein: Erfindung des Radios. Volksempfänger. Propaganda.

Off-by-one error: "Die herrschende Meinung ist die Meinung der Herrschenden."


Faschistische Propaganda rief nicht in allen Klassen, Schichten und Milieus eine Resonanz hervor, sondern nur dort, wo eine ideologische Disposition bereits vorhanden war.

Das gleiche gilt sicherlich auch für das Befolgen der Befehle beim Milgram-Experiment, wobei hier im Unterschied zur Empfänglichkeit für den Volksempfänger eine eher allgemeine Disposition der Folglinge angenommen werden kann.

Sobald das Politische ins Spiel kommt, geht es immer um Identifikationen entweder mit

a) den herrschenden, bürgerlichen Institutionen (Staat, Kapital, Familie, Gesetze, Religion, ...) oder aber eher mit

b) den Menschen und ihren Rechten und Bedürfnissen.

Diese Unterscheidung markiert im Grunde auch den fundamentalen Gegensatz zwischen rechts (a) und links (b) ...-
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25869
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2005130) Verfasst am: 06.06.2015, 22:02    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
....
Faschistische Propaganda rief nicht in allen Klassen, Schichten und Milieus eine Resonanz hervor, sondern nur dort, wo eine ideologische Disposition bereits vorhanden war.

Das gleiche gilt sicherlich auch für das Befolgen der Befehle beim Milgram-Experiment, wobei hier im Unterschied zur Empfänglichkeit für den Volksempfänger eine eher allgemeine Disposition der Folglinge angenommen werden kann.

Sobald das Politische ins Spiel kommt, geht es immer um Identifikationen entweder mit

a) den herrschenden, bürgerlichen Institutionen (Staat, Kapital, Familie, Gesetze, Religion, ...) oder aber eher mit

b) den Menschen und ihren Rechten und Bedürfnissen.

Diese Unterscheidung markiert im Grunde auch den fundamentalen Gegensatz zwischen rechts (a) und links (b) ...-

@Skeptiker
Wenn ich das so lese, habe ich nicht den Eindruck, Du hättest Dich viel mit Leuten aus der WKII Generation unterhalten.

Ich denke gerade an einen Verwandten (jetzt ein Jahr tot) den ich von seiner Einstellung gegenüber den Juden, der Arbeitslosigkeit usw. als braun bis ins Mark beschreibe. Aber er war nicht in der NSDAP, weil er etwas gegen die Roten in der Organisation hatte (habe ich oben schon mal erwähnt), der wäre auch untauglich für jede Organisation gewesen, weil er kein Befehlsempfänger war - es wurde von ihm erzählt, dass er von der Partei in Ruhe gelassen wurde, nachdem er den Ortsvorsitzenden einmal unter 4 Augen gesprochen hatte (er hat das auf meine Nachfrage so beschrieben, dass er ihn am Hals genommen hat und ihm klar gemacht hat, dass ihm ein Unfall wiederführe, wenn er ihn nicht in Ruhe ließe.) Das war ein einfacher Handwerker, und gleichzeitig empfänglich für Propaganda - und auch wieder nicht.

Mein Vater war von seiner Einstellung her wohl eher soetwas wie ein christlicher Humanist (von Beruf Kunstmaler - im Gegensatz zu Hitler fertiges Studium zwinkern , organisierter Guttempler usw.) Aber gleichzeitig sauber eingepasst in den Spätwilhelminismus (Gehorsam als Pflicht, Verantwortung als Synonym für Gehorsam usw.), und über Jahre mit gleichgeschalteter Presse so vollgedröhnt, dass er beim Angriff auf Polen mit dabei war und dabei davon ausging, dass sie sich verteidigen - das war so tief in ihm drin - er war ja Zeitzeuge! - dass er bis zu seinem Tod diese "Wahrheit" auf der Gefühlsebene nicht ablegen konnte. Mein Vater war offensichtlich sehr empfänglich für Propaganda, aber nicht wirklich ein Nazi (war auch nicht in der NSDAP, dafür relativ früh in die SA eingetreten, um so dem Arbeitsdienst zu entgehen).

Da höre ich jetzt auf.

Fazit: Wenn ich mir so ansehe, wie die Leute aus dieser Generation waren, die ich kannte (die aus meiner Umgebung sind jetzt alle tot, deshalb Präteritum), dann werde ich das dumpfe Gefühl nicht los, dass die Zusammenhänge etwas komplexer sind, als Du sie hier beschreibst.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2005246) Verfasst am: 07.06.2015, 21:01    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
....
Faschistische Propaganda rief nicht in allen Klassen, Schichten und Milieus eine Resonanz hervor, sondern nur dort, wo eine ideologische Disposition bereits vorhanden war.

Das gleiche gilt sicherlich auch für das Befolgen der Befehle beim Milgram-Experiment, wobei hier im Unterschied zur Empfänglichkeit für den Volksempfänger eine eher allgemeine Disposition der Folglinge angenommen werden kann.

Sobald das Politische ins Spiel kommt, geht es immer um Identifikationen entweder mit

a) den herrschenden, bürgerlichen Institutionen (Staat, Kapital, Familie, Gesetze, Religion, ...) oder aber eher mit

b) den Menschen und ihren Rechten und Bedürfnissen.

Diese Unterscheidung markiert im Grunde auch den fundamentalen Gegensatz zwischen rechts (a) und links (b) ...-

@Skeptiker
Wenn ich das so lese, habe ich nicht den Eindruck, Du hättest Dich viel mit Leuten aus der WKII Generation unterhalten.

Ich denke gerade an einen Verwandten (jetzt ein Jahr tot) den ich von seiner Einstellung gegenüber den Juden, der Arbeitslosigkeit usw. als braun bis ins Mark beschreibe. Aber er war nicht in der NSDAP, weil er etwas gegen die Roten in der Organisation hatte (habe ich oben schon mal erwähnt), der wäre auch untauglich für jede Organisation gewesen, weil er kein Befehlsempfänger war - es wurde von ihm erzählt, dass er von der Partei in Ruhe gelassen wurde, nachdem er den Ortsvorsitzenden einmal unter 4 Augen gesprochen hatte (er hat das auf meine Nachfrage so beschrieben, dass er ihn am Hals genommen hat und ihm klar gemacht hat, dass ihm ein Unfall wiederführe, wenn er ihn nicht in Ruhe ließe.) Das war ein einfacher Handwerker, und gleichzeitig empfänglich für Propaganda - und auch wieder nicht.

Mein Vater war von seiner Einstellung her wohl eher soetwas wie ein christlicher Humanist (von Beruf Kunstmaler - im Gegensatz zu Hitler fertiges Studium zwinkern , organisierter Guttempler usw.) Aber gleichzeitig sauber eingepasst in den Spätwilhelminismus (Gehorsam als Pflicht, Verantwortung als Synonym für Gehorsam usw.), und über Jahre mit gleichgeschalteter Presse so vollgedröhnt, dass er beim Angriff auf Polen mit dabei war und dabei davon ausging, dass sie sich verteidigen - das war so tief in ihm drin - er war ja Zeitzeuge! - dass er bis zu seinem Tod diese "Wahrheit" auf der Gefühlsebene nicht ablegen konnte. Mein Vater war offensichtlich sehr empfänglich für Propaganda, aber nicht wirklich ein Nazi (war auch nicht in der NSDAP, dafür relativ früh in die SA eingetreten, um so dem Arbeitsdienst zu entgehen).

Da höre ich jetzt auf.

Fazit: Wenn ich mir so ansehe, wie die Leute aus dieser Generation waren, die ich kannte (die aus meiner Umgebung sind jetzt alle tot, deshalb Präteritum), dann werde ich das dumpfe Gefühl nicht los, dass die Zusammenhänge etwas komplexer sind, als Du sie hier beschreibst.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Anekdotenhafte Evidenz mit begrenzter Sichtweite, mehr nicht.

_________________
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Populismus ist keine Verschwörungstheorie

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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25869
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2005261) Verfasst am: 07.06.2015, 21:56    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
....
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Anekdotenhafte Evidenz mit begrenzter Sichtweite, mehr nicht.

Damit aber die begrenzte Sichtweite auch erkennbar wird, solltest Du die Gesetzlickeiten, die Du formuliert hast, zumindest statistisch untermauern können, denn rein kann es sie nicht geben, sonst dürfte es meine Anekdoten nicht geben.

Ansonsten antworte ich in ganz Deiner Weise einfach mit
Zitat:
Phantasierte Weltsicht, die nicht einmal anekdotisch begründet wird.

allerdings ist es dann besser begründet.
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VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 2956

Beitrag(#2005264) Verfasst am: 07.06.2015, 22:11    Titel: Antworten mit Zitat

So schön hat selten einer die linke Weltanschauung bloßgestellt. Sie fordert Identifikation mit:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
(a) den Menschen und ihren Rechten und Bedürfnissen.

und gleichzeitig die Zerschlagung und Zerrüttung der Werkzeuge zur Erfüllung dieser Bedürfnisse, die da wären:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
(b) Staat, Kapital, Familie, Gesetze, Religion, ...


Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Diese Unterscheidung markiert im Grunde auch den fundamentalen Gegensatz zwischen rechts (a) und links (b) .

Tja, was meint eigentlich "links"???
(A) Utopien des linksliberalen Gutmenschentums, das als Made im Speck des kapitalistischen Staates lebt?
(B) das real existierende sozialistische System (ehemals DDR, SU, heute Kuba, Nordkorea etc.)?

Da wäre noch zu erwähnen, daß alle unter (b) genannten Punkte in (B) einen höhweren Stellenwert besitzen/besaßen als im real existierenden Kapitalismus. Mit Ausnahme "Familie" aber die ist wiederum keine Erfindung des Kapitalismus, sondern existiert als Werkzeug der Existenzsicherung schon in der vorprimatischen Gesellschaft.


klassischer ML ist jedenfalls, das wissenschaftliche für sich zu beanspruchen:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Anekdotenhafte Evidenz mit begrenzter Sichtweite, mehr nicht.

Zu erfahren, ob man wenigstens seinen Marx/Lenin gelesen hat, darauf ist der geneigte Leser schon gespannt.
_________________
Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3620

Beitrag(#2005436) Verfasst am: 08.06.2015, 21:34    Titel: Antworten mit Zitat

beefy hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Geh an einem Ferientag in den Zoo. Besuche den Spielplatz und schreib einen Tag lang auf, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen. Dann hast du genug Material für einen langen, langen Aufsatz. Ich rede nicht von körperlicher Gewalt, sondern von - hmm? - erzieherischer, psychischer Gewalt.


Ich rede auch nicht von körperlicher Gewalt.
Und ich hab so viel mit dieser Klientel zu tun, daß ich an freien Tagen Orte mit Kindern eher zu meiden versuche.
In diesem Jahr habe ich schon die Eltern von about 400 Kindern mehr oder weniger kennengelert und erlebt.Ich kann da mehr als nur einen langen,langen Aufsatz zu schreiben.

Gut, dann habe ich dich schon richtig verstanden.



beefy hat folgendes geschrieben:
Ich meine mit Handeln folgendes:In der Praxis nicht zu versagen, nichtmal im angeblich kleinsten wie fest anpacken oder mitzerren wenn sie einen bis zur Weißglut treiben.Sich bewußt machen daß es wie du sagst eben auch noch andere Formen der Gewalt gibt, als die körperlich und daß es viel leichter passieren kann, daß man diese auch ohne es in dem Moment zu bemerken, ausübt.

Zur Weißglut treiben mich nur die Erwachsenen, mit Kinder kann ich meist ganz entspannt umgehen.



beefy hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Gegenwärtig hängt ein Aushang im Kindergarten, man solle doch Sonnenhut und Sonnenkrem mitbringen. Das geht mir komplett gegen den Strich. Richtig müßte das heißen: "Wer Kinder hat, die zuwenig Tageslicht abbekommen haben, soll bitte Hut und Kreme bringen. Wir schließen die Haftung für Sonnenbrände aus."


Die zu erwartende Antwort wäre (wahrscheinlich etwas vorsichtiger formuliert) dann folgende:
Dein kind geht dann an den entsprechenden Tagen in eine andere Gruppe oder jedenfalls nicht mit nach draußen.Und zwar weil unser Job die körperliche Unversehrtheit der Kinder beinhaltet, ein Sonnenbrand dieser widerspricht und wir keine Ärzte sind um die Sonnenbrandgefahr jedes Hauttypen im einzelnen festzustellen.Genauso wie du.

Das passt sehr gut zum Milgram-Thema - Mach, was dir gesagt wird.

Verantwortung auf vermeintliche Fachleute abzuschieben, gehört auch zur Misere, um die es in diesem Thread geht. Dazu inhaltlich im PS noch ganz ausführlich. Aber die Sache geht tiefer, als daß inhaltliche Argumente noch greifen würden.

Angenommen, ich unterschreibe einen Wisch und übernehme die Verantwortung für eventuellen Sonnenbrände oder Sonnenstiche meines Kindes. Dann hätten die im Kindergarten immer noch ein Autoritätsproblem, sie würden von anderen Kindern zu hören kriegen: "smalline muß keinen Hut aufsetzen. Warum muß ich das?"

(Ich kann mir übrigens nicht vorstellen, daß die Kinders im Garten wirklich mit Hut 'rumlaufen. Das macht die Sache noch absurder. Geschockt )



beefy hat folgendes geschrieben:
Und wenn dir das nicht passt, such dir ne andere Kita.

Früher ham'se gesagt: dann geh' halt rüber. Zustimmung

Ton, Steine, Scherben hatten dieses Stück, es gefällt mir nicht, aber der Titel gefällt mir: Keine Macht für niemand. (Bevor jemand lästert, die Problematik der doppelten Verneinung ist mir klar.)





PS:

beefy hat folgendes geschrieben:
Und zwar weil unser Job die körperliche Unversehrtheit der Kinder beinhaltet, ein Sonnenbrand dieser widerspricht und wir keine Ärzte sind um die Sonnenbrandgefahr jedes Hauttypen im einzelnen festzustellen.Genauso wie du.

Du schreibst "unser". Kann es sein, daß du dich persönlich von meinen Zeilen angegriffen fühlst? Hmm.


Man muß kein Arzt sein, um Sonnenbrandwahrscheinlichkeiten abschätzen zu können. Das gehört bei mir zum gesunden Menschenverstand. Zumal die Leute im Kindergarten es in der Hand haben, im Laufe von März bis Mai oft genug in den Garten zu gehen, so daß es Ende Mai keinen Sonnenbrand mehr gibt. (Plötzlich nackig rumlaufen ist natürlich etwas anderes. Ebenso Scheißwetter von März bis Mai und darauf Knallesonne. Dann muß aufgepasst werden. Kindergärten ohne Garten nicht zu vergessen.)


Mein Vertrauen in Ärzte ist nicht besonders groß. Etliche verschreiben Homöopathika und denken sich nix dabei. Laut Gerd Gigerenzer verstehen 79% aller Ärzte nicht, was falsch positiv in der Praxis bedeutet.

Hier schon mal erwähnt:
smallie hat folgendes geschrieben:
Seit dem ich Gerd Gigerenzer gelesen habe, wundert mich nichts mehr.

Zitat:
Glaub keiner Statistik, die du nicht verstanden hast

[...]

Vor dem Lehrgang beantworteten 60 Prozent der Gynäkologen die Frage mit a oder b und überschätzten somit die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung stark. Nur 21 Prozent der Ärzte wussten die richtige Antwort!

http://www.gehirn-und-geist.de/alias/pdf/gug-09-10-s034-pdf/1006101?file [pdf]

Eine schöner Artikel zur manchmal falschen Risikobewertung in der Medizin.




Ein kleines Experiment, um die Kompentenz von Ärzten abzuklopfen:


ANTIBIOTIKA UND DAS MIKROBIOM

Das Mikrobiom sind die Billionen Mikroben, die auf und in uns Leben. Das Thema gibt es seit ungefähr fünf Jahren. Insgesamt ist nur wenig über die symbiotischen Beziehungen bekannt, innerhalb des Mikrobioms und zwischen Mikrobiom und Mensch. Unter dem wenigen bekannten: die Gabe von Antibiotika verändert das Mikrobiom auf Lebenszeit. Es erholt sich nie wieder von diesem pharmazeutischen "Giftschlag".

Jeder vorsichtige Mensch würde darum sagen: Antibiotika nur noch in kritischen Fällen, bei schwerer Krankheit oder wenn es um Leben oder Tod geht. Das könnte nebenbei auch die Zahl der multiresistenten Keime verringern.

So. Jetzt frag einige Ärzte, ob sie davon schon gehört haben. (Oder sollte ich gar ein Poll aufmachen, dann können alle Anwesenden mitspielen. Ha! ein wissenschafts-soziales Experiment!)
_________________
"There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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