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Die Arroganz der Empathen
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
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Beitrag(#2075864) Verfasst am: 12.11.2016, 14:46    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Dann bräuchte es aber auch keine Soziologie, wenn man nur die Fakten/die Empirie für sich sprechen lässt.

Wir hatten an anderer Stelle den säkularen Trend beim Rauchverhalten. Auch da ist die Frage: Warum ist denn der Trend so, wie er ist?

Da muss es doch noch Bestimmungsfaktoren und Zusammenhänge geben, die das Verhalten der Menschen erklären können.

Du selber brachtest doch die Soziologie ins Spiel. Und die Soziologie muss mehr sein, als nur eine Beschreibung mit Hinweis auf *Schwarmverhalten*. Da sollte einfach ein Anspruch dahinter sein ...-


In diesem Fall sprechen die Fakten für sich, weil sie eine theoretische Annahme, ein gedankliches Modell widerlegen.


Welches gedankliche Modell wird hier durch was wiederlegt? Am Kopf kratzen

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Rauchen. Interessant. Ich war selbst Raucher, aber nach einer soziologischen Theorie, warum immer weniger geraucht wird, habe ich noch nie gesucht, also vermute ich jetzt mal:

Rauchen ist eine soziale Gewohnheit. Sie hat etwas mit 'dazugehörenwollen' zu tun. Deshalb ist diese Gewohnheit auch so immun gegen rationale Erklärungen und Aufklärungsprogramme. Ich werde nie vergessen, daß wir als Schüler einen Aufklärungsfilm sehen mußten, der durchaus mit Schockbildern arbeitete. Dieser Film hat uns so aufgeregt, das wir danach erst einmal zusammen eine rauchen mußten! zwinkern

Ich denke, daß der Trend zum Nichtrauchen auch eine Frage sozialer Gewohnheiten, und noch dazu der Verlagerung von Machtgewichten ist. Man darf nicht vergessen, daß eine Mehrheit der Menschen auch in der Blütezeit des Rauchens Nichtraucher waren. Allerdings haben sie eher schweigend gelitten, während das Rauchen als ein Zeichen von Männlichkeit, Gruppenharmonie und Geselligkeit galt, verbunden durchaus mit einer gewissen Form von Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen, die diese Form von Geselligkeit nicht teilten.

Das war übrigens nicht immer so gewesen. Lange Zeit galt das Rauchen in der Öffentlichkeit und in der Gegenwart von Frauen als ungehörig. Aber zurück zur Mitte des 20. Jh.

Wer nicht rauchte, war eben ungesellig und ein weibischer Schwächling. Diese Vorstellungen von Männlichkeit sind, nicht unerheblich durch die Machtverlagerung zugunsten der Frauen, letzthin ins Wanken geraten, so daß auch nun die sich trauen, sich zu äußern, die diesen Idealen nicht gerecht werden oder werden wollen.

Diese Gruppe ist nun so laut geworden, daß sie auch Einfluß auf die allgemeine Gesetzgebung genommen haben, wodurch das Rauchen zunehmend in der Öffentlichkeit mit einem Tabu belegt wurde. Die Zahl der Raucher ist übrigens keineswegs so sehr zurückgegangen wie man nach ihrer öffentlichen Unsichtbarkeit meinen sollte, und es sind nicht selten gerade die Frauen, die heute am stärksten rauchen. Den Einfluß der Werbeverbote halte ich übrigens für marginal. Ebenso, wie allgemeine Umerziehungsversuche.

Es war also, das wäre mein vorläufiges Modell, eine Machtverlagerung von den Männern zu den Frauen, die vormals männliche Ideale und Gewohnheiten zurückgedrängt haben, und zwar vor allem bei den Männern, und eine mehr rücksichtsvolles Verhalten gegenüber der eigenen Gesundheit wie der anderen erzwungen haben. Im Zuge dieser Machtverlagerung haben Frauen zT. ehemals männliches Verhalten angenommen, sodaß man starke Raucher nun auch unter ihnen findet, was sogar schon zu nachweisbarem Rückgang ihrer Lebenserwartung geführt hat.


Rauchen als männliche Dominanz, Rauchen um dazu zu gehören, etc. Du stellst hier einige Thesen auf, die so ein bisschen herbei geklaubt wirken. fwo fügt dem auch noch die gesundheitliche Aufklärung hinzu. Man könnte auch noch weitere Thesen nennen, wie etwa die Veränderung *der Arbeitswelt*.

Ich will das gar nicht groß kommentieren, denn das ist alles nicht ganz falsch, aber eine Theorie entsteht durch die Nennung verschiedener Einflussfaktoren natürlich noch nicht.

Was aber interessant wäre, wäre eine Untersuchung, inwieweit es säkulare Trends hinsichtliche solcher Werte wie menschliche Solidarität und Empathie gibt. Das Ergebnis bezogen auf die letzten Jahrzehnte scheint mir jetzt schon festzustehen, aber die Gründe dafür wären interessant.

Es kommen heutzutage neurechte Bewegungen nach oben, die die mitmenschliche Solidarität angreifen und/oder auf bestimmte Gruppen begrenzt sehen wollen (Familie, Nation, Geschlecht, *Wertegemeinschaft*, *Religionsgemeinschaft*, etc.).

Das ist natürlich nicht neu und daran schließt sich die Frage an, warum die menschliche Geschichte auch in dieser Hinsicht einfach nicht voran kommt, sondern wir lauter déjà vues erleben. Solche Klonovskis hat es ja unter anderen Namen auch früher schon gegeben ...-
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fwo
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Beitrag(#2075870) Verfasst am: 12.11.2016, 14:55    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Man könnte auch noch weitere Thesen nennen, wie etwa die Veränderung *der Arbeitswelt*....

Die Veränderung der Arbeitswelt (Rauchverbote in Firmen) ist Folge der nachgewiesenen Schädlichkeit des Rauches. Wenn die Arbeitgeber nicht entsprechend reagiert hätten, hätten bei Lungenkrebsfällen bei Nichtrauchern die Berufsgenossenschaften zur Haftung herangezogen werden können.
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Skeptiker
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Beitrag(#2075873) Verfasst am: 12.11.2016, 15:05    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Man könnte auch noch weitere Thesen nennen, wie etwa die Veränderung *der Arbeitswelt*....

Die Veränderung der Arbeitswelt (Rauchverbote in Firmen) ist Folge der nachgewiesenen Schädlichkeit des Rauches. Wenn die Arbeitgeber nicht entsprechend reagiert hätten, hätten bei Lungenkrebsfällen bei Nichtrauchern die Berufsgenossenschaften zur Haftung herangezogen werden können.


Nee, ich dachte eher an die Zunahme der Angestell/-innen. Es führt halt zu großen Konflikten, wenn Raucher/-innen und Nichtraucher/-innen gemeinsam im Büro sitzen.

Die Berufsgenossenschaften pflegen im übrigen derartige Fälle gleich abzuwimmeln. Sicherlich gibt es durch das Passiv-Mitrauchen eine Schädigung. Aber sind denn Fälle bekannt, wo die BG jemals dafür gezahlt hat? Die reden sich doch immer damit raus, dass es auch andere Einflüsse in der Freizeit oder so gegeben haben könnte usw.
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zelig
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Beitrag(#2075875) Verfasst am: 12.11.2016, 15:53    Titel: Antworten mit Zitat

Interessanter Diskussionszweig.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Er_Win hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Die "Begründung" dieser Normen bestehen in ihrer Existenz, ihrer allgemeinen Akzeptanz. Das heißt nicht, daß dafür nie eine Begründung angegeben wird, aber sie ist nicht der Grund ihrer Gültigkeit; manchmal ja, manchmal nein. manchmal heißt es einfach nur: das tut man nicht.


Zirkelschluss, ick hör' dir trapsen.

Eine Norm existiert, weil sie allgemein akzeptiert ist und sie ist allgemein akzeptiert, weil sie besteht.

Soll das Theorie sein?


Das ist die Praxis. Die Theorie dazu wäre die Genese sozialer (Verhaltens-)Muster.


So ist es.


Ja, diese Differenzierung ist richtig. Aber nicht vollständig. In der Reihenfolge wie sie oben genannt wurden, gibt es die Ebene,
- auf der die Rationalisierung vorhandener Verhaltensnormen stattfindet. Also einfach gesprochen, Gründe für die Richtigkeit des Verhaltens nachgeschoben werden.
- auf der die "Genese sozialer (Verhaltens-)Muster" erzählt wird. Im Idealfall ohne eigenen normativen Anspruch, würde ich sagen. Also rein deskriptiv. (Hier wird fwo vermutlich einhaken, der im Prinzip die Existenz der nächsten Ebene abstreiten wird):
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln
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fwo
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Beitrag(#2075914) Verfasst am: 12.11.2016, 19:08    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
....
Ja, diese Differenzierung ist richtig. Aber nicht vollständig. In der Reihenfolge wie sie oben genannt wurden, gibt es die Ebene,
- auf der die Rationalisierung vorhandener Verhaltensnormen stattfindet. Also einfach gesprochen, Gründe für die Richtigkeit des Verhaltens nachgeschoben werden.
- auf der die "Genese sozialer (Verhaltens-)Muster" erzählt wird. Im Idealfall ohne eigenen normativen Anspruch, würde ich sagen. Also rein deskriptiv. (Hier wird fwo vermutlich einhaken, der im Prinzip die Existenz der nächsten Ebene abstreiten wird):
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln

Nö. Da hakt er nicht ein.
Es wäre dämlich das abzustreiten, dass es das gibt - und wenn Du genau liest, was ich hier verzapft habe, dann gibt es sogar irgendwo (bin gerade zu faul zu suchen) eine Formulierung von mir in diesem Thread, in der ich den Raum für diese letzte Ebene beschreibe, die allerdings erst in unserer individualisierten Gesellschaft richtig zum Tragen kommt.

Was ich allerdings nicht müde werde zu betonen: Wir wurden darauf hin gezüchtet, das kulturelle Erbe unserer Eltern sehr genau zu reproduzieren - das ist eine der Kerneigenschaften der Art Mensch. Abänderungen der elterlichen Kultur erfahren wir als schmerzhaft (schlechtes Gewissen, Disharmoniegefühle u.Ä.). Dass es uns trotzdem möglich ist, uns "umzuprogrammieren" (ein paar Zeilen weiter oben steht z.B. etwas von horizontaler Tradition) bestreite ich nicht. Allerdings ist die Frage, wie häufig das ist, wenn ich es auf der Populationsebene betrachte. Kulturen sind ganz schwerfällige Dampfer, wenn sie nicht gerade einen Bruch erleben, der die Elterngeneration in ihrer Weitergabe bremst wie bei uns nach dem 2. WK.
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zelig
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Beitrag(#2075916) Verfasst am: 12.11.2016, 19:17    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
....
Ja, diese Differenzierung ist richtig. Aber nicht vollständig. In der Reihenfolge wie sie oben genannt wurden, gibt es die Ebene,
- auf der die Rationalisierung vorhandener Verhaltensnormen stattfindet. Also einfach gesprochen, Gründe für die Richtigkeit des Verhaltens nachgeschoben werden.
- auf der die "Genese sozialer (Verhaltens-)Muster" erzählt wird. Im Idealfall ohne eigenen normativen Anspruch, würde ich sagen. Also rein deskriptiv. (Hier wird fwo vermutlich einhaken, der im Prinzip die Existenz der nächsten Ebene abstreiten wird):
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln

Nö. Da hakt er nicht ein.
Es wäre dämlich das abzustreiten, dass es das gibt - und wenn Du genau liest, was ich hier verzapft habe, dann gibt es sogar irgendwo (bin gerade zu faul zu suchen) eine Formulierung von mir in diesem Thread, in der ich den Raum für diese letzte Ebene beschreibe, die allerdings erst in unserer individualisierten Gesellschaft richtig zum Tragen kommt.

Was ich allerdings nicht müde werde zu betonen: Wir wurden darauf hin gezüchtet, das kulturelle Erbe unserer Eltern sehr genau zu reproduzieren - das ist eine der Kerneigenschaften der Art Mensch. Abänderungen der elterlichen Kultur erfahren wir als schmerzhaft (schlechtes Gewissen, Disharmoniegefühle u.Ä.). Dass es uns trotzdem möglich ist, uns "umzuprogrammieren" (ein paar Zeilen weiter oben steht z.B. etwas von horizontaler Tradition) bestreite ich nicht. Allerdings ist die Frage, wie häufig das ist, wenn ich es auf der Populationsebene betrachte. Kulturen sind ganz schwerfällige Dampfer, wenn sie nicht gerade einen Bruch erleben, der die Elterngeneration in ihrer Weitergabe bremst wie bei uns nach dem 2. WK.


OK. Auf Populationsebene, ich würde eher sagen: Auf der Ebene Kulturkreis, sind radikale Brüche selten. Was vielleicht nicht so negativ ist, wenn man bedenkt, daß sie in der Regel infolge katastrophaler Ereignisse erfolgen.
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fwo
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Beitrag(#2075918) Verfasst am: 12.11.2016, 19:28    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
....
Ja, diese Differenzierung ist richtig. Aber nicht vollständig. In der Reihenfolge wie sie oben genannt wurden, gibt es die Ebene,
- auf der die Rationalisierung vorhandener Verhaltensnormen stattfindet. Also einfach gesprochen, Gründe für die Richtigkeit des Verhaltens nachgeschoben werden.
- auf der die "Genese sozialer (Verhaltens-)Muster" erzählt wird. Im Idealfall ohne eigenen normativen Anspruch, würde ich sagen. Also rein deskriptiv. (Hier wird fwo vermutlich einhaken, der im Prinzip die Existenz der nächsten Ebene abstreiten wird):
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln

Nö. Da hakt er nicht ein.
Es wäre dämlich das abzustreiten, dass es das gibt - und wenn Du genau liest, was ich hier verzapft habe, dann gibt es sogar irgendwo (bin gerade zu faul zu suchen) eine Formulierung von mir in diesem Thread, in der ich den Raum für diese letzte Ebene beschreibe, die allerdings erst in unserer individualisierten Gesellschaft richtig zum Tragen kommt.

Was ich allerdings nicht müde werde zu betonen: Wir wurden darauf hin gezüchtet, das kulturelle Erbe unserer Eltern sehr genau zu reproduzieren - das ist eine der Kerneigenschaften der Art Mensch. Abänderungen der elterlichen Kultur erfahren wir als schmerzhaft (schlechtes Gewissen, Disharmoniegefühle u.Ä.). Dass es uns trotzdem möglich ist, uns "umzuprogrammieren" (ein paar Zeilen weiter oben steht z.B. etwas von horizontaler Tradition) bestreite ich nicht. Allerdings ist die Frage, wie häufig das ist, wenn ich es auf der Populationsebene betrachte. Kulturen sind ganz schwerfällige Dampfer, wenn sie nicht gerade einen Bruch erleben, der die Elterngeneration in ihrer Weitergabe bremst wie bei uns nach dem 2. WK.


OK. Auf Populationsebene, ich würde eher sagen: Auf der Ebene Kulturkreis, sind radikale Brüche selten. Was vielleicht nicht so negativ ist, wenn man bedenkt, daß sie in der Regel infolge katastrophaler Ereignisse erfolgen.

Danke für den Begriff Kulturkreis, der hier mit Sicherheit passender ist, mir aber eben nicht in den Sinn kam.
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Marcellinus
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Beitrag(#2075920) Verfasst am: 12.11.2016, 19:39    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Was aber interessant wäre, wäre eine Untersuchung, inwieweit es säkulare Trends hinsichtliche solcher Werte wie menschliche Solidarität und Empathie gibt. Das Ergebnis bezogen auf die letzten Jahrzehnte scheint mir jetzt schon festzustehen, aber die Gründe dafür wären interessant.

Es kommen heutzutage neurechte Bewegungen nach oben, die die mitmenschliche Solidarität angreifen und/oder auf bestimmte Gruppen begrenzt sehen wollen (Familie, Nation, Geschlecht, *Wertegemeinschaft*, *Religionsgemeinschaft*, etc.).

Das ist natürlich nicht neu und daran schließt sich die Frage an, warum die menschliche Geschichte auch in dieser Hinsicht einfach nicht voran kommt, sondern wir lauter déjà vues erleben. Solche Klonovskis hat es ja unter anderen Namen auch früher schon gegeben ...-


Hast du schon überlegt, daß das zwei Seiten der selben Medaille sein könnten, der Trend zu mehr menschlicher Solidarität und Empathie ebenso wie der zu mehr Abgrenzung im Namen von traditionellen Gruppen? Beides ist meiner Ansicht nach Folge der gleichen Entwicklung, des gleichen sozialen Prozesses, den wir etwas vereinfachend Globalisierung nennen, etwas genauer, die Verlängerung und Verstärkung zwischenmenschlicher Interdependenzketten, wechselseitiger Abhängigkeiten durch Warenaustausch, internationale Arbeitsteilung, internationale Konkurrenz, Vergrößerung der Märkte, technische Entwicklungen im Transportwesen, die diesen Warenaustausch erst möglich und profitabel machen, aber auch Abhängigkeiten durch wachsende militätische Bedrohungen, um nur einige Aspekte zu nennen.

Das alles verstärkt die wechselseitigen Abhängigkeit zwischen den Menschen und Menschengruppen verschiedener Nationen, Länder, Kontinente. Es kommt zu mehr gegenseitigen Begegnungen, zu gegenseitigem Kennenlernen, verstärktem Interesse füreinander. Aber es erhöht eben auch die Reibungspunkte, macht unterschiedliche Interessen deutlich, die nun offen zu sehen sind, und immer mehr Menschen bewußt werden. All diese Entwicklungen bedeuten auch Veränderungen in den Machtbalancen zwischen den Menschen und Menschengruppen, und damit gibt es nicht nur Sieger, sondern auch Verlierer. Ich finde es geradezu naiv, anzunehmen, solche Entwicklungen würden nur und gewissermaßen automatisch zum Besseren führen.
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Marcellinus
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Beitrag(#2075921) Verfasst am: 12.11.2016, 19:42    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln


Oh, oh, und wo siehst du diese "rationale, normative Diskussion" - ich meine, außerhalb von deinen idealistischen Träumen. zwinkern
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Beitrag(#2075922) Verfasst am: 12.11.2016, 19:45    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln


Oh, oh, und wo siehst du diese "rationale, normative Diskussion" - ich meine, außerhalb von deinen idealistischen Träumen. ;)


Kaum je. Was nicht bedeutet, daß sie unmöglich ist. Du weißt ja, die Winzigkeit der Schaumkrone auf der riesigen See. Aber es ist eben diese Winzigkeit, die uns ausmacht. ; )
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Marcellinus
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Beitrag(#2075923) Verfasst am: 12.11.2016, 19:49    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Kulturen sind ganz schwerfällige Dampfer, wenn sie nicht gerade einen Bruch erleben, der die Elterngeneration in ihrer Weitergabe bremst wie bei uns nach dem 2. WK.


Wobei das verrückte ist, daß dieses Abreißen der Generationenkette nicht nur bei uns erfolgte, wo man es noch auf den verlorenen Krieg schieben konnte, der die Autorität der Elterngeneration auf ganz grundsätzliche Weise in Frage stellte, wobei die Väter oft auch tot oder für lange Jahre in der Gefangenschaft waren, und als Autoritätspersonen einfach physisch ausfielen. Aberr dieses Abreißen der Generationenkette ist ganz ähnlich auch in anderen europäischen und westlichen Ländern passiert.
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Marcellinus
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Beitrag(#2075924) Verfasst am: 12.11.2016, 19:51    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln


Oh, oh, und wo siehst du diese "rationale, normative Diskussion" - ich meine, außerhalb von deinen idealistischen Träumen. zwinkern


Kaum je. Was nicht bedeutet, daß sie unmöglich ist. Du weißt ja, die Winzigkeit der Schaumkrone auf der riesigen See. Aber es ist eben diese Winzigkeit, die uns ausmacht. ; )


Ich weiß nicht. Ausmachen tut uns wohl etwas anderes. Nur mit einer "Schaumkrone auf der riesigen See", die dazu erst sehr spät in unserer Entwicklung aufgetaucht ist, hätten wir kaum überlebt, es kaum bis hier her geschafft. Der kleine Unterschied muß woanders liegen, und ich bin gar nicht so sicher, ob er so sympatisch ist. zwinkern
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Beitrag(#2075932) Verfasst am: 12.11.2016, 20:18    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln


Oh, oh, und wo siehst du diese "rationale, normative Diskussion" - ich meine, außerhalb von deinen idealistischen Träumen. ;)


Kaum je. Was nicht bedeutet, daß sie unmöglich ist. Du weißt ja, die Winzigkeit der Schaumkrone auf der riesigen See. Aber es ist eben diese Winzigkeit, die uns ausmacht. ; )


Ich weiß nicht. Ausmachen tut uns wohl etwas anderes. Nur mit einer "Schaumkrone auf der riesigen See", die dazu erst sehr spät in unserer Entwicklung aufgetaucht ist, hätten wir kaum überlebt, es kaum bis hier her geschafft. Der kleine Unterschied muß woanders liegen, und ich bin gar nicht so sicher, ob er so sympatisch ist. ;)


Es ist nicht das Einzige, was uns ausmacht. Aber die prinzipielle Fähigkeit, sich für eine Sache aus einem Grund zu entscheiden, und nicht infolge einer Ursache, halte ich für essentiell. Und ja, zum reinen Überleben taugt das nicht unbedingt. Bestimmt nicht über evolutionäre Zeiträume.
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Beitrag(#2075936) Verfasst am: 12.11.2016, 20:44    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Kulturen sind ganz schwerfällige Dampfer, wenn sie nicht gerade einen Bruch erleben, der die Elterngeneration in ihrer Weitergabe bremst wie bei uns nach dem 2. WK.


Wobei das verrückte ist, daß dieses Abreißen der Generationenkette nicht nur bei uns erfolgte, wo man es noch auf den verlorenen Krieg schieben konnte, der die Autorität der Elterngeneration auf ganz grundsätzliche Weise in Frage stellte, wobei die Väter oft auch tot oder für lange Jahre in der Gefangenschaft waren, und als Autoritätspersonen einfach physisch ausfielen. Aberr dieses Abreißen der Generationenkette ist ganz ähnlich auch in anderen europäischen und westlichen Ländern passiert.

Ein paar Anmerkungen dazu:

Ich kann hier nur vermuten, aber ich gehe davon aus, dass dieses Infragestellen auch deshalb so massiv stattfand, weil vorher schon die Eltern zögerlich waren in der Weitergabe ihres kulturellen Erbes. Sie haben es nach meiner Meinung weder bewusst gemacht, noch weil der Krieg verloren wurde, sondern eher aus so einer Art unbewusster Scham nachdem die Greuel ins Bewusstsein gerückt worden waren. Es war wahrscheinlich nicht für die Mehrheit, aber doch für einen wesentlichen Teil der Bevölkerung das Erlebnis des Versagens wesentlicher Bestandteile der Kultur der Eltern.

Beim toten Vater fällt mir eine Beobachtung aus der Psychotherapie ein (nicht von mir gemacht, aber mündlich von einem Therapeuten erfahren - kann also keine normale Quelle liefern) Die wirken oft gerade wegen ihrer Abwesenheit und der fehlenden Erfahrung ihrer Fehlbarkeit sehr stark.

Wenn ich hier von Kulturbruch schreibe, handelt es sich um eigene Gedanken und eine eigene Bewertung. Besonders deutlich ist das für mich auch an den Kirchenaustrittszahlen zu sehen, die meines Wissens nirgends so seit dem Kriegsende gestiegen sind wie bei uns. Oder "weiß" ich da was Falsches?

Hast Du genaueres zum Thema Kulturbruch seit WK II auch in anderen Ländern?
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vrolijke
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Beitrag(#2075938) Verfasst am: 12.11.2016, 20:58    Titel: Antworten mit Zitat

In ein Soziologiebuch habe ich "den Krieg, und die fehlende Väter" als Erklärung für die "68er Generation" gelesen.
Komischerweise gescha das genauso in Frankreich, die Niederlande oder Belgien. Wo die "fehlende Väter" kaum als Erklärung herhalten kann.
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2075941) Verfasst am: 12.11.2016, 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
In ein Soziologiebuch habe ich "den Krieg, und die fehlende Väter" als Erklärung für die "68er Generation" gelesen.
Komischerweise gescha das genauso in Frankreich, die Niederlande oder Belgien. Wo die "fehlende Väter" kaum als Erklärung herhalten kann.


Das ist genau der Punkt! Du kannst auch die USA hinzunehmen, alle Länder, in denen rund um 1968 die Luft brannte, und die junge Generation sich demonstrativ abwandte von der älteren. Wie textete Bob Dylan:

Come mothers and fathers throughout the land
And don't criticize what you can't understand
Your sons and your daughters are beyond your command

Your old road is rapidly aging

Please get out of the new one if you can't lend your hand
For the times they are a-changin'


Ja, du kannst dort den Vietnamkrieg verantwortlich machen, aber Dylan hat diesen Song schon 63 aufgenommen. Da begann das US-Engagement in Vietnam erst. Nimm Frankreich. Da fällt einem der Algerienkrieg ein, aber der war 68 schon lange vorbei. Es muß etwas anderes gewesen sein, etwas das seine Ursache nicht in der Tagespolitik hatte, nicht in der Frage, ob man einen Krieg verloren hatte oder gewonnen. Es war etwas Grundsätzlicheres, das damals zu Bruch gegangen ist. Etwas, in dem sich die Jugend eigentlich aller westlichen Länder wiedererkannte, und mit einiger Verzögerung auch die im Osten Europas.
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vrolijke
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Beitrag(#2075945) Verfasst am: 12.11.2016, 21:38    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
In ein Soziologiebuch habe ich "den Krieg, und die fehlende Väter" als Erklärung für die "68er Generation" gelesen.
Komischerweise gescha das genauso in Frankreich, die Niederlande oder Belgien. Wo die "fehlende Väter" kaum als Erklärung herhalten kann.


Das ist genau der Punkt! Du kannst auch die USA hinzunehmen, alle Länder, in denen rund um 1968 die Luft brannte, und die junge Generation sich demonstrativ abwandte von der älteren. Wie textete Bob Dylan:

Come mothers and fathers throughout the land
And don't criticize what you can't understand
Your sons and your daughters are beyond your command

Your old road is rapidly aging

Please get out of the new one if you can't lend your hand
For the times they are a-changin'


Ja, du kannst dort den Vietnamkrieg verantwortlich machen, aber Dylan hat diesen Song schon 63 aufgenommen. Da begann das US-Engagement in Vietnam erst. Nimm Frankreich. Da fällt einem der Algerienkrieg ein, aber der war 68 schon lange vorbei. Es muß etwas anderes gewesen sein, etwas das seine Ursache nicht in der Tagespolitik hatte, nicht in der Frage, ob man einen Krieg verloren hatte oder gewonnen. Es war etwas Grundsätzlicheres, das damals zu Bruch gegangen ist. Etwas, in dem sich die Jugend eigentlich aller westlichen Länder wiedererkannte, und mit einiger Verzögerung auch die im Osten Europas.

Ich glaube, Geschichte läuft immer akkordeonmäßig.
Toleranz - Intoleranz. Fundamentalismus - Wissenschaftlichkeit. Verträglichkeit - Unverträglichkeit.
Kriege sind keine Ursachen, sondern Folgen davon.
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Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm

Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Samson83
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Beitrag(#2075946) Verfasst am: 12.11.2016, 21:41    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln


Oh, oh, und wo siehst du diese "rationale, normative Diskussion" - ich meine, außerhalb von deinen idealistischen Träumen. zwinkern


Kaum je. Was nicht bedeutet, daß sie unmöglich ist. Du weißt ja, die Winzigkeit der Schaumkrone auf der riesigen See. Aber es ist eben diese Winzigkeit, die uns ausmacht. ; )

Schäumt es irgendwo wobei relevant ist? Ich habe gerade "the big short gelesen" - an der Wall street schäumt es offensichtlich nicht. Ich kann dir aus eigener Ansicht versichern - auch nicht in deutschen Gerichten (nicht mal beim BVerfG). Im Bundestag? Im zu erwartenden US-Kabinett?
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zelig
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Beitrag(#2075952) Verfasst am: 12.11.2016, 23:08    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
- Und auf einer weiteren Ebene findet die normative Diskussion statt, die auf rationaler Basis die eigenen Voraussetzungen hinterfragt, Prämissen freilegt, abwägt, und das bessere Argument gelten lässt. Sie mündet im Dialog, im Prozessualen, und setzt letzlich nach meiner Ansicht - im Gegensatz zum Geschehen auf der erstgenannten Ebene- die menschliche Fähigkeit voraus, begründet zu handeln


Oh, oh, und wo siehst du diese "rationale, normative Diskussion" - ich meine, außerhalb von deinen idealistischen Träumen. ;)


Kaum je. Was nicht bedeutet, daß sie unmöglich ist. Du weißt ja, die Winzigkeit der Schaumkrone auf der riesigen See. Aber es ist eben diese Winzigkeit, die uns ausmacht. ; )

Schäumt es irgendwo wobei relevant ist? Ich habe gerade "the big short gelesen" - an der Wall street schäumt es offensichtlich nicht. Ich kann dir aus eigener Ansicht versichern - auch nicht in deutschen Gerichten (nicht mal beim BVerfG). Im Bundestag? Im zu erwartenden US-Kabinett?


Ja. Die Judikative fußt auf der Annahme eines zur Selbststeuerung fähigen Menschen. Insofern könnte das auch für dich von Belang sein.
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Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
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Beitrag(#2075957) Verfasst am: 13.11.2016, 00:05    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Diese Antwort war jetzt so allgemein, weil ich zwei Schwierigkeiten mit Deinem Post habe:
1.) Verstehe ich nicht ganz, warum Du meinst, meine Beschreibung der Zustände passe nicht auf Dich - aber vielleicht hat sich das hiermit erledigt.


Wo habe ich das geschrieben?

Zitat:
2.) verstehe ich nicht, was Du hier als abwertend empfindest.


Ich denke, das habe ich hinreichend begründet.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2075960) Verfasst am: 13.11.2016, 00:14    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:

Die Judikative fußt auf der Annahme eines zur Selbststeuerung fähigen Menschen. Insofern könnte das auch für dich von Belang sein.


In gewisser Weise tun wir das alle. Genauer gesagt, unterstellen wir, daß unsere Mitmenschen so handeln, wie wir das von ihnen erwarten, wohl wissend, daß das für einige nicht gilt. Wir haben uns angewöhnt, das "vernünftig" zu nennen. Aber das ist eigentlich nicht der Punkt.

Menschen bilden Gruppen, und diese Gruppen haben bestimmte Verhaltensstandards. Die müssen übrigens nicht egalitär sein, waren es vermutlich über die meiste Zeit unserer Entwicklung auch nicht. Aber sie werden jedem neuen Mitglied, das in die Gruppe aufgenommen wird (in der Regel nach der Geburt durch eine Frau dieser Gruppe), durch Erziehung antrainiert. So weiß jedes Mitglied einer Gruppe, welches Verhalten von ihm erwartet wird.

Wenn eines von ihnen diesen Verhaltenskodex verletzt, schließt es sich selbst aus der Gruppe aus. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich, aber es sind immer in der einen oder anderen Weise Strafen, bis hin zum zeitweiligen oder endgültigen Ausschluß aus der Gruppe. Das System der Strafe ist uralt und beruht auf der Erfahrung, daß Menschen Schaden zu vermeiden suchen, es also nicht nur den eigentlichen Übeltäter von weiteren Übeltaten abhält, sondern gleichzeitig als Warnung für andere gilt (einen bestrafen und hundert erziehen (Mao)). Das funktioniert nicht immer, aber in einer hinreichenden Anzahl von Fällen, und ein besseres System haben wir nicht, weshalb wir es in allen menschlichen Gruppen finden.

Davon unterscheiden muß man die weltanschauliche Begründung des jeweiligen Strafsystems, manchmal realistisch und schnörkellos, manchmal, wie bei uns ideologisch aufgeblasen. Je mehr die Ideologie den praktischen Erfordernissen im Wege steht, umso schlechter funktioniert das System. Dieses "schlechter funktionieren" kann darin bestehen, daß die Falschen bestraft werden, daß zu viel, zu wenig, zu früh oder zu spät, oder einfach falsch bestraft wird. Beispiele dafür kennt jeder.

Die jeweilige ideologische Begründung hat eigentlich nur eine Aufgabe. Sie muß glaubwürdig sein, also zum jeweiligen Zeitgeist passen. So reden wir uns heute ein, autonome Individuen zu sein, die in jedem Augenblick über einen "freien Willen" verfügen. Das macht uns ein warmes Gefühl, und so ist es nur angemessen, daß unser Justizsystem diese Illusion zu bestärken sucht. Funktioniert zwar nicht, scheint aber kaum einen zu stören. Würde sich das Wir-Bild dieser Gesellschaft ändern, würde sich sicher auch die ideologische Begründung unseres Justizsystems ändern, seine praktische Durchführung nicht zwingend. Vielleicht würde es realistischer, vielleicht ideologischer (was dazu führen würde, daß es schlechter funktioniert), oder es bliebe im wesentlichen gleich.

Grundsätzliche Änderungen sind in der Praxis unseres Justizsystems erst zu erwarten, wenn wir über wirkungsvolle Methoden der Verhaltenssteuerung und -änderung verfügen. Ob man sich das allerdings wünschen soll, da bin ich mir nicht so sicher.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Kramer
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Beiträge: 30878

Beitrag(#2075970) Verfasst am: 13.11.2016, 00:50    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:

In gewisser Weise tun wir das alle. Genauer gesagt, unterstellen wir, daß unsere Mitmenschen so handeln, wie wir das von ihnen erwarten, wohl wissend, daß das für einige nicht gilt. Wir haben uns angewöhnt, das "vernünftig" zu nennen. Aber das ist eigentlich nicht der Punkt.


Schade. Für einen Augenblick hatte ich die Hoffnung, hier würde jemand zum des Thema das Threads zurück finden.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#2075980) Verfasst am: 13.11.2016, 02:11    Titel: Re: Die Arroganz der Empathen Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Ich denke schon ewig über ethische Fragen nach. Ich versuche schon ewig, so etwas wie eine annähernd objektivierbare Ethik zu finden, und so etwas wie eine schlüssige, transzendente Moralbegründung. Bisher vergeblich. Der Utilitarismus ist ein Ansatz, nicht mehr.

Im vollen Bewusstsein,dass Schopenhauer von der akademischen Philosophie, obgleich begnadeter Stilist, nicht ernst genommen wird, scheint mir sein Standpunkt, dass die einzige Quelle von Ethik Mitgefühl, mithin Empathie ist, noch als das überzeugendste Konzept zu sein.

Nur: Gefühle kann man haben und äußern, aber nicht fordern. Ist es daher nicht eine unglaublich distanzlose Arroganz, den eigenen Maßstab an Empathie als verbindlich betrachten zu wollen?

Gibt es irgendeine tragfähige Grundlage außer dem eigenen Gefühl (Subjektiv! Relativ! Irrelevant!) sich gegenüber Personen wütend zu äußern, die sich hämisch über ertrunkene Flüchtlinge äußern; die begeistert Fleisch aus Massentierhaltung konsumieren; Gorillas jagen gehen, oder noch schlimmeres tun?

Auf meine Frage: Ist die bloße Erkenntnis, dass das eigene Handeln empfindungsfähigen Wesen vermeidbares Leid zufügt, ein hinreichender Grund,dieses Verhalten zu unterlassen; habe ich noch nie eine Antwort ohne Aggressivität oder Sarkasmus erhalten.

Aber trifft diese Frage nicht den Kern? Gibt es außer Kivals mehrfach gefallener Antwort "wenn man kein amoralisches Arschloch sein will... " überhaupt einen Ansatz, zu ethischem Verhalten zu bewegen? Und entzieht das Fehlen der berühmten Letztbegründung nicht jeglicher Forderung an Andere sämtlichen Boden?

Ich muss zugeben, dass mich begründungsfreies Fordern an andere provoziert. Begründungsfreies und von reinem Gefühl getragene Forderung nach Tierschutz provoziert zu Äußerungen wie der mit den Gorillajagden. Forderungen nach Solidarität an andere (statt sich auf eigene Hilfe zu beschränken) bzgl. etwa Migranten oder sozial Bedürftigen provoziert zu zynischsten Bemerkungen über selbige, einfach weil die Arroganz, mit der man den eigenen Grad an Gefühl absolut setzt. Welche Arroganz. Ich muss in der Tat zugeben, dass mich eine aus bloßem Eigennutz und Besitzerhaltungsstreben entspringende rechte Gesinnung weniger abstößt, ja teilweise anspricht; als eine substanzlos Solidarität fordernde Linke.

Mich würde interessieren, ob die vorstehenden Überlegungen hier als schlüssig, vertretbar erscheinen; oder kompletten Blödsinn darstellen. Wenn ja, wäre eine Begründung die über reine Aggression hinausgeht interessant.


Ich habe lange über Deinen Beitrag nachgedacht. Mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass da irgend etwas in Deiner Argumentation nicht stimmt, aber ich konnte nicht genau feststellen, was es ist. Ich denke, jetzt habe ich den Fehler gefunden.

Der Aufmacher für Deinen Beitrag, die objektivierbare Ethik, und das Phänomen, das Du anprangerst, die vermeintliche "Arroganz der Empathen" haben nur entfernt etwas miteinander zu tun.

Wenn Dir jemand die kalte Schulter zeigt, weil Du ein Verhalten an den Tag legst, das er nicht akzeptabel findet, dann ist das keine Frage der objektivierbaren Ethik, sondern eine subjektive Reaktion auf Dein Verhalten. Dahinter steht nicht der Anspruch, eine objektive Ethik zu postulieren, das ist eine rein emotionale Reaktion.

Das sind zwei völlig verschiedene Ebenen. So kann jemand z.B. der Ansicht sein, dass Ehebruch kein Tatbestand ist, der strafrechtlich verfolgt werden sollte, aber dennoch in einem Ehebruch seines Partners einen Vertrauensbruch sehen, der das Ende der Beziehung bedeutet.

Du vermischt das zwei Sachverhalte. In Deiner Einleitung geht es um die Frage, welche ethischen und moralischen Grundsätze für alle gelten sollten, in Deinen Beispielen geht es aber um die Beziehungsebene, also um die Frage, "Mit welchen Menschen möchte man sich umgeben?"

Du sprichst von "distanzloser Arroganz", obwohl das eigentliche Phänomen, das Du beschreibst, doch ist, dass sich Leute voneinander distanzieren, weil sie nicht die gleichen Wertvorstellungen teilen. Und in diesem Umfeld braucht man keine Letztbegründungen. Ich brauche keine Letztbegründung dafür, dass ich in einem bestimmten Restaurant nicht esse, wenn mir das Essen dort nicht schmeckt. Und ich brauche auch keine Letztbegründung dafür, dass ich bestimmte Menschen nicht mag und keine nähere Beziehung zu ihnen haben möchte, wenn sie Dinge tun oder sagen, die mir Unbehagen bereiten. Damit stelle ich keine universelle Regel auf, sondern treffe nur eine subjektive Entscheidung aufgrund meiner persönlichen Präferenzen. Die einzige Sanktion, die ich ausspreche, ist die, dass ich nicht mehr als Gast, Freund oder was auch immer verfügbar bin.

Ich entziehe meine Wertschätzung, aber das darf ich, denn es ist meine. Das ist keine Arroganz, das ist die legitime Wahrnehmung persönlicher Interessen. Arrogant wäre es, mir dieses Recht abzusprechen. Arrogant wäre es, zu sagen, "Du musst mich trotzdem mögen und mir unkritisch begegnen, obwohl ich Dinge sage und mache, die Du nicht magst." Ich habe nicht das Recht, anderen zu verbieten, was sie sagen oder tun. Aber ich habe das Recht, mich von ihnen zu distanzieren und sie aus meinem Leben auszuschliessen. Das ist keine Arroganz, das ist Selbstschutz.
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Samson83
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Beitrag(#2075990) Verfasst am: 13.11.2016, 02:52    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist sehr gut begründet. Aber ist das dann nicht tatsächlich eine Reduktion von Moral auf ein Geschmacksurteil?

Ich habe bei diesen Beitrag annehmen Kommilitonen gedacht: den süddeutschen Afd-ler Mandic der Obama für quotenneger nennt und eine Nähe von Afd und npd nicht leugnet, sondern für für befindet.

Meine Freunde und ich haben ihn gemieden; einmal haben wir wegen seiner Nähe in einer Kneipe sogar infantil-demonstrativ den Tisch gewechselt. Aber ist solch ein Gandeln, das lediglich auf emotionaler Abscheu beruht nicht ohne Wert und Relevanz? Und Ist nicht verfehlt sich wegen vermeintlichen. Besserer Mensch sein für überlegennzu halten, wenn dies nicht auf Intersubjektiv-objektiv-rationaler Argumentation, sondern auf bloßem Gefühl beruht? Ähnlich wie wertlos es ist, welche Blöder mich kürzlich in der Londoner Nationalgalereie angesprochen und berührt haben weil ich nichts von Kunst- und Kunstgeschichte verstehe?
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Kramer
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Beitrag(#2075993) Verfasst am: 13.11.2016, 03:18    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Das ist sehr gut begründet. Aber ist das dann nicht tatsächlich eine Reduktion von Moral auf ein Geschmacksurteil?


Nein, weil es dabei gar nicht um Moral geht. Ist Rosenkohl unmoralisch? Nein, aber es gibt Menschen, die mögen Rosenkohl nicht und bestellen Rosenkohl nicht im Restaurant und kaufen ihn nicht im Supermarkt. Ist deren Entscheidung unmoralisch? Nö, die mögen Rosenkohl einfach nicht.

Ist es unmoralisch, "Big Brother" oder "Bauer sucht Frau" nicht zu mögen? Da steckt eine Menge von Menschen viel Zeit Geld und Arbeit rein. Dennoch ist es völlig legitim, diese Sendungen scheisse zu finden.

Und wen Du einen Kommilitonen hattest, mit dem Du einfach nicht befreundet sein wolltest, weil er Ansichten hatte, die Du abstossend fandest, dann ist Deine Entscheidung keine moralische oder ethische Entscheidung, sondern einfach nur eine Entscheidung, mit welchen Menschen Du Kontakt haben möchtest. Hättest Du geschrieben, dass Du ihn nicht mochtest, weil er die falschen Klamotten getragen hat oder weil Dir seine Frisur nicht gefallen hat, dann wäre das etwas anderes. Deine Distanzierung basierte aber nicht auf einem Vorurteil, sondern - wie ich annehme - auf Gesprächen mit diesem Menschen, in denen er sich als nicht kompatibel mit Deinen Werten erwiesen hat.
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Er_Win
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Beitrag(#2076019) Verfasst am: 13.11.2016, 12:33    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:


Ich will das gar nicht groß kommentieren, denn das ist alles nicht ganz falsch, aber eine Theorie entsteht durch die Nennung verschiedener Einflussfaktoren natürlich noch nicht.


die - gut gesicherte - Theorie dahinter ist, wie musterbildende Wahrnehmungsprozesse (insb. auch die unbewußten) ablaufen und dass dabei die "emotional wertende Konnotation" eine große Rolle spielt.

Und die hat sich beim "Rauchen" zB. eben gewandelt ...
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fwo
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Beitrag(#2076051) Verfasst am: 13.11.2016, 16:14    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Samson83 hat folgendes geschrieben:
Das ist sehr gut begründet. Aber ist das dann nicht tatsächlich eine Reduktion von Moral auf ein Geschmacksurteil?


Nein, weil es dabei gar nicht um Moral geht. Ist Rosenkohl unmoralisch? Nein, aber es gibt Menschen, die mögen Rosenkohl nicht und bestellen Rosenkohl nicht im Restaurant und kaufen ihn nicht im Supermarkt. Ist deren Entscheidung unmoralisch? Nö, die mögen Rosenkohl einfach nicht.

Ist es unmoralisch, "Big Brother" oder "Bauer sucht Frau" nicht zu mögen? Da steckt eine Menge von Menschen viel Zeit Geld und Arbeit rein. Dennoch ist es völlig legitim, diese Sendungen scheisse zu finden.

Und wen Du einen Kommilitonen hattest, mit dem Du einfach nicht befreundet sein wolltest, weil er Ansichten hatte, die Du abstossend fandest, dann ist Deine Entscheidung keine moralische oder ethische Entscheidung, sondern einfach nur eine Entscheidung, mit welchen Menschen Du Kontakt haben möchtest. Hättest Du geschrieben, dass Du ihn nicht mochtest, weil er die falschen Klamotten getragen hat oder weil Dir seine Frisur nicht gefallen hat, dann wäre das etwas anderes. Deine Distanzierung basierte aber nicht auf einem Vorurteil, sondern - wie ich annehme - auf Gesprächen mit diesem Menschen, in denen er sich als nicht kompatibel mit Deinen Werten erwiesen hat.

@ Kramer
Kannst Du den genauen Unterschied zwischen diesem Bewertungssystem, das Du hier zeichnest, und Moral mal auf der psychischen Ebene bzw. der Ebene der Entstehung erklären?
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fwo
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Beitrag(#2076053) Verfasst am: 13.11.2016, 16:25    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Diese Antwort war jetzt so allgemein, weil ich zwei Schwierigkeiten mit Deinem Post habe:
1.) Verstehe ich nicht ganz, warum Du meinst, meine Beschreibung der Zustände passe nicht auf Dich - aber vielleicht hat sich das hiermit erledigt.


Wo habe ich das geschrieben?

Zitat:
2.) verstehe ich nicht, was Du hier als abwertend empfindest.


Ich denke, das habe ich hinreichend begründet.

Da habe ich dann etwas verpasst - in dem Post, auf den ich geantwortet habe, hieß es nur:
Kramer hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das Regelwerk, das die Moral in der Praxis darstellt, wird doch zum großen Teil gar nicht als Regelwerk sondern als Bewertungskatalog tradiert. Als nicht "wer so handelt wird bestraft", sondern "Wer so handelt ist böse und mit bösen Leuten wollen wir nichts zu tun haben." Die Strafe ist nicht institutionalisiert, sondern findet durch Gemeinschaftsentzug statt.


Das klingt mir in Deinen Worten zu generalisiert und auch irgendwie zu abfällig und banal. Es geht mir nicht um eine tradierte Moral, die andere Menschen ausschliesst, sondern um persönliche Wertvorstellungen, die alles andere als tradiert sein müssen, und wie man sie im Umgang mit anderen Menschen aufrecht erhält. ....

Die Frage hier ist auch, ob wir beide wirklich das selbe unter Tradition verstehen. Ich unterscheide nicht nur aus Abwechslungsgründen zwischen vertikaler (von einer Generation zu nächsten) und horizontaler Tradition (innerhalb einer Generation). Auch das Wort nur finde ich im Zusammenhang mit Tradition unangebracht.
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Beitrag(#2076054) Verfasst am: 13.11.2016, 16:27    Titel: Antworten mit Zitat

@fwo

Einschub: kennst du zB. diese Baby-Experimente ?
https://www.youtube.com/watch?v=HBW5vdhr_PA
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fwo
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Beitrag(#2076056) Verfasst am: 13.11.2016, 16:48    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
@fwo

Einschub: kennst du zB. diese Baby-Experimente ?
https://www.youtube.com/watch?v=HBW5vdhr_PA

Ich habe mir das gerade mal angesehen, und wäre da sehr vorsichtig mit der Interpretation:
1. Die Kinder sitzen auf dem Schoß eines Elternteiles - Kluger-Hans-Effekte sind da sehr schwer auszuschließen.
2. Die Figuren, die die Kinder wählten, führten in einer einfacheren Interpretation schlicht zu neuen interessanten Situationen. Man könnte auch sagen, sie boten mehr Unterhaltung.
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