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Gen, Geschlecht, Kultur und Verhalten
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2014592) Verfasst am: 08.08.2015, 15:43    Titel: Gen, Geschlecht, Kultur und Verhalten Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Genderwissenschaften untersuchen Menschen, gehören damit, ob sie es wollen oder nicht, in den Randbereich der Naturwissenschaften

Jo.


Deshalb hier ein Thread, über gender science, und was mir dazu einfällt. Die wichtigsten Fragen lauten: "Willst du mit mir ins Bett?" Und: "Warum gibt es Monogamie?" Los geht es aber mit "Kann sie auch kochen?"

Bitte nicht!



PS:

Über Hormone und Enzyme weiß ich nichts, wer dazu oder zu anderen Aspekten etwas sagen kann, ist eingeladen, das aufzuschreiben.
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2014595) Verfasst am: 08.08.2015, 16:14    Titel: Antworten mit Zitat

KANN SIE AUCH KOCHEN? Mr. Green

Meerkatzen bevorzugen geschlechtstypische Spielsachen, so behauptet folgende Studie. Unter den beliebten Spielsachen: ein Kochtopf.

Zitat:
Auch Affen wählen "geschlechtstypisches" Spielzeug

Oft spielen Mädchen eher mit Puppen und Jungs lieber mit Autos. Dieses Verhalten ist keineswegs nur gesellschaftlich programmiert, sondern offenbar ebenso angeboren: Auch Affen, die keine Vorstellung von den menschlichen sozialen Rollen haben, entscheiden sich eher für das "geschlechtstypische" Spielzeug, haben amerikanische und britische Psychologinnen herausgefunden.

In ihren Experimenten beobachteten Gerianne Alexander von der A&M-Universität Texas und Melissa Hines von der Universität London das Spielverhalten Grüner Meerkatzen. Die Vorlieben der Primaten deckten sich mit denen menschlicher Kinder: Männliche Affen spielten ausgiebiger mit typischem Jungenspielzeug wie Autos oder Bällen, weibliche Tiere beschäftigten sich dagegen länger mit Puppen und Kochtöpfen. Bei geschlechtsneutralem Spielzeug wie Bilderbüchern oder Stofftieren fanden die Forscherinnen keinen Unterschied, meldet die A&M-Universität Texas.

Was ein Mädchen- oder ein Jungenspielzeug ausmacht, ist offenbar nicht nur von der menschlichen Gesellschaft vorbestimmt, schließen die Forscherinnen aus ihren Beobachtungen. Vielmehr sorge etwas Angeborenes dafür, dass Mädchen und Jungs von verschiedenen Spielzeugen angezogen werden. Bestimmte Aspekte eines Spielzeugs, die die Geschlechter anders ansprechen, könnten mit traditionellen weiblichen und männlichen Funktionen zusammenhängen, die schon seit Urzeiten wichtig sind, vermutet Alexander.

http://www.wissenschaft.de/kultur-gesellschaft/gesellschaft/-/journal_content/56/12054/1159690/Auch-Affen-wählen-geschlechtstypisches-Spielzeug/


Psychology Today spricht sogar von einer incredibly ingenious study, einer unglaublich raffinierten oder genialen Studie.



Das Original:

Zitat:
Sex differences in response to children's toys in nonhuman primates (Cercopithecus aethiops sabaeus)
Gerianne M Alexander, Melissa Hines - 2002

In this study, we found that vervet monkeys (Cercopithecus aethiops sabaeus) show sex differences in toy preferences similar to those documented previously in children.





http://www.ehbonline.org/article/S1090-5138(02)00107-1/fulltext




Die Meerkatzen bekamen diese Spielzeuge vorgesetzt:

- ein oranger Ball
- Polizeiauto
- Stoffpuppe
- Kochtopf
- Bilderbuch
- Stoffhund

Als "Spiel" wurde bereits "physischer Kontakt" mit dem Objekt gewertet.


Zitat:
2.1. Procedures

For each trial, six toys were placed in the group cage, one at a time, in a random order. Each toy remained in the enclosure for 5 min.

The six toys were a ball, a police car, a soft doll, a cooking pot, a picture book and a stuffed dog. These toys were categorized as “masculine” toys, “feminine” toys, or “neutral” toys on the basis of evidence that boys are more interested than girls in balls and cars (the “masculine” toy set), girls are more interested than boys in dolls and pots (the “feminine” toy set), and boys and girls are approximately equally interested in books and stuffed animals (the “neutral” toy set).

The six toys were selected because children in a broad age range categorize them as “masculine,” “feminine,” or “neutral” and, for those toys categorized as “masculine” or “feminine,” the sex difference in toy preferences is reliable and relatively large in children.

Contact was coded when an animal (or animals) approached a toy and made physical contact with it.

http://www.ehbonline.org/article/S1090-5138(02)00107-1/fulltext



Diese relativen Kontakte haben sie ermittelt:



Warum es in der Graphik red pan heißt, und an anderer Stelle cooking pot, ist mir nicht klar.



Im Abstrakt fassen sie ihre Schlußfolgerung so zusammen:

Zitat:
Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß geschlechtsbedingte Vorlieben für Gegenstände früh in der menschlichen Evolution entstanden, noch vor Entstehen eines eigenständigen Hominiden-Zweigs. Das impliziert, daß besonderen Vorlieben für Merkmale (z. B. Farbe, Form, Bewegung) aus ungleichen Selektionsdrücken aufgrund unterschiedlichen Verhaltens von Männchen und Weibchen evolviert sein könnte und daß diese geschlechtsbedingten Vorlieben zu den heute in Kindern beobachteten Vorlieben beitragen könnten.


Original:

The results suggest that sexually differentiated object preferences arose early in human evolution, prior to the emergence of a distinct hominid lineage. This implies that sexually dimorphic preferences for features (e.g., color, shape, movement) may have evolved from differential selection pressures based on the different behavioral roles of males and females, and that evolved object feature preferences may contribute to present day sexually dimorphic toy preferences in children.



Es ist erstaunlich, wie die Evolution den Meerkatzen in weiser Voraussicht eine Vorliebe für Kochtöpfe eingepflanzt hat. Da wird die Puppe gleich mal links liegen gelassen. Auch in Stoffhunde sind beide Geschlechter vernarrt - hier deutet sich bereits an, daß Menschen später Wölfe domestizieren werden.

noc

Obendrein mangelt es der Studie an Kontroll-Elementen: roter Ball, grüne Pfanne, Puppe mit Fell, Hund ohne. Am Ende müssen die Autoren zugeben, daß männliche Meerkatzen keine geschlechtsspezifischen Vorlieben haben.

Zitat:
As hypothesized, simple planned comparisons showed females compared to males had higher percent contact with the “feminine” toys, P=.01, and males compared to females had higher percent contact with the “masculine” toys, P=.05.

Although the serial introduction of the toys does not permit a true contrast of the relative preference for “masculine” over “feminine” toys within each sex, a within-sex comparison of contact scores showed that female vervets had greater percent contact with “feminine” over “masculine toys,” P<.01, but males had similar percent contact with “masculine” and “feminine” toys, P=.19.

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fwo
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Beitrag(#2014651) Verfasst am: 09.08.2015, 04:26    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
.....
Die Meerkatzen bekamen diese Spielzeuge vorgesetzt:

- ein oranger Ball
- Polizeiauto
- Stoffpuppe
- Kochtopf
- Bilderbuch
- Stoffhund

Als "Spiel" wurde bereits "physischer Kontakt" mit dem Objekt gewertet.


Zitat:
2.1. Procedures

For each trial, six toys were placed in the group cage, one at a time, in a random order. Each toy remained in the enclosure for 5 min.

The six toys were a ball, a police car, a soft doll, a cooking pot, a picture book and a stuffed dog. These toys were categorized as “masculine” toys, “feminine” toys, or “neutral” toys on the basis of evidence that boys are more interested than girls in balls and cars (the “masculine” toy set), girls are more interested than boys in dolls and pots (the “feminine” toy set), and boys and girls are approximately equally interested in books and stuffed animals (the “neutral” toy set).

The six toys were selected because children in a broad age range categorize them as “masculine,” “feminine,” or “neutral” and, for those toys categorized as “masculine” or “feminine,” the sex difference in toy preferences is reliable and relatively large in children.

Contact was coded when an animal (or animals) approached a toy and made physical contact with it.
....

Lachen Aua. Da haben die Regenwürmer ja Gückgehabt, dass sie allgemein als Zwitter bekannt sind. Sonst hätten auch sie wahrscheinlich "spielen" müssen.
Das InstitutsleiterIn, das diese Versuche genehmigt, gehört genauso gefeuert, wie das Redaktion, das dieses Veröffentlichung nicht zurückweist.
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smallie
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Beitrag(#2014654) Verfasst am: 09.08.2015, 07:50    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, ein unglaublicher Fall. Schon alleine die Tatsache, einem Meerkatzenaffen eine menschliche Stoffpuppe und einen Zottelhund anzubieten, ohne vorher zu checken, ob und welches Stück überhaupt als Artgenosse erkannt wird.



Aber, von wegen: feuern. Die machen weiter.

Sie behaupten, ihr Versuch sei repliziert worden, mit Rhesusaffen. Dabei ist beim neuen Versuch genau das Gegenteil herausgekommen: nicht die Jungs spielen unabhängig vom Geschlecht, sondern die Mädels. Pfeifen


Zitat:
Monkeys, girls, boys and toys
A confirmation Comment on “Sex differences in toy preferences: Striking parallels between monkeys and humans”



We are thrilled to have independent confirmation of our finding (Alexander & Hines, 2002) that non-human primates show preferences for sex-typed toys similar to those seen in human children.

Now, publication of a second study showing that male monkeys show more interest in boys’ toys than do female monkeys (Hassett et al., 2008) strengthens the evidence of inborn influences on sex-typed toy preferences, [...]

Hassett et al. did not find that females preferred toys described as feminine over those described as masculine, nor did they find that females preferred these toys more than males did. We think that they did not see these effects because they used plush toys as feminine toys, and plush toys do not have substantially greater incentive value for girls than for boys

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2643016/



Auch sechs Jahre nach der ersten Veröffentlichung fällt ihnen nicht auf, daß die Weibchen den Hund lieber hatten als die Puppe. Vom absoluten Irrwitz, bei Affen, deren Linie sich von unserer vor, was weiß ich, zehn, fünfzehn Millionen Jahren getrennt hat, nach Vorlieben für Lastwägen zu suchen.

Zitat:
We concluded in our original report that non-human primates provide a valuable approach to examining what it is about a truck that appeals to a male brain, and what it is about a doll that appeals to a female brain. There are now two non-human primate species where various models can be tested, and compared with human findings. In addition, it might be possible to examine whether socialization effects similar to those seen for children apply to other species.

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fwo
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Beitrag(#2014671) Verfasst am: 09.08.2015, 11:45    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
....Vom absoluten Irrwitz, bei Affen, deren Linie sich von unserer vor, was weiß ich, zehn, fünfzehn Millionen Jahren getrennt hat, nach Vorlieben für Lastwägen zu suchen. ...

Wann diese Linien sich genetisch getrennt haben, ist eine Sache, die hier nach meiner Meinung relativ unwesentlich ist - es gibt geügend Eigenschaften, die innerhalb der Evolution mit hoher Sicherheit über gewaltige genetische Abstände transportiert wurden - wenn sie nur genügend wichtig für die grundsätzliche Dynamik der Evolutiion sind. Zwei ganz bekannte Beispiele: Die Terrotorrialität und die Präferenz leicht abbaubarer Kohlenhydrate (auf unsere Wahrnehmung übersetzt: Die Bevorzugung von Süßem). Hohe Sicherheit heißt hier, dass diese Ausprägungen mit relativ wenigen Ausnahmen fast überall nachzuweisen sind.

Für mich sehr viel wesentlicher, um dieses Experiment einfach nur als lächerlich zu beurteilen, ist die Tatsache, dass die menschliche Evolution eine besondere Beziehung zu Werkzeugen hat: Die Entwicklung der Steinwerkzeuge zeigt lange vor der Entstehung der Sprache den Beginn der kummulativen Kultur, die das Wesen des Menschen ausmacht. Die Art der hergestellten Werkzeuge in Verbindung mit dem körperlichen Geschlechtsdimorphismus und der indirekt nachweisbaren Rollenverteilung legt nahe, dass es sich hier um eine männliche Domöne handelt - die speziellen körperlichen Anpssungen der Männchen demostriert E. Kirschmann in seiner Werfertheorie sehr ausführlich.

Vor diesem speziellen Hintergrund Versuche zur geschlechterspezifischen Spielzeugwahl mit technischen Gegenständen außerhalb der menschlichen Spezies zu veranstalten, ist einfach nur grotesk.
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smallie
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Beitrag(#2014682) Verfasst am: 09.08.2015, 13:48    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
....Vom absoluten Irrwitz, bei Affen, deren Linie sich von unserer vor, was weiß ich, zehn, fünfzehn Millionen Jahren getrennt hat, nach Vorlieben für Lastwägen zu suchen. ...

Wann diese Linien sich genetisch getrennt haben, ist eine Sache, die hier nach meiner Meinung relativ unwesentlich ist - es gibt geügend Eigenschaften, die innerhalb der Evolution mit hoher Sicherheit über gewaltige genetische Abstände transportiert wurden - wenn sie nur genügend wichtig für die grundsätzliche Dynamik der Evolutiion sind. Zwei ganz bekannte Beispiele: Die Terrotorrialität und die Präferenz leicht abbaubarer Kohlenhydrate (auf unsere Wahrnehmung übersetzt: Die Bevorzugung von Süßem). Hohe Sicherheit heißt hier, dass diese Ausprägungen mit relativ wenigen Ausnahmen fast überall nachzuweisen sind.

Hast natürlich Recht.


An Edukir und Werkzeuge mußte ich auch denken. Zu "körperlichen Geschlechtsdimorphismus" und "indirekt nachweisbaren Rollenverteilung":

fwo hat folgendes geschrieben:
Die Art der hergestellten Werkzeuge in Verbindung mit dem körperlichen Geschlechtsdimorphismus und der indirekt nachweisbaren Rollenverteilung legt nahe, dass es sich hier um eine männliche Domöne handelt - die speziellen körperlichen Anpssungen der Männchen demostriert E. Kirschmann in seiner Werfertheorie sehr ausführlich.

Ich kann mir mehrere Gründe für unterschiedlichen Körperbau vorstellen.

Die klassisch-populäre geht vielleicht so: auf der Jagd braucht man Kraft, deshalb sind Männer größer. Ich vermute eher, Jagd war ein Ausdauersport. Du hetzt das Tier, bis es überhitzt ist und nicht mehr fortlaufen kann. Dann stichst du es mit dem Speer. Das könnten theoretisch auch Frauen gemacht haben.

(Ein etwas dünnes Beispiel, vorsorgliches gegeben, um ein Argument wie "mit Kindern geht das nicht" abzuwehren: Sacajawea hat Lewis und Clark auf ihrer Expedition mit ihrem Neugeborenen begleitet.)

Mein Tipp in Sachen Geschlechtsdimorphismus: es gab Zeiten und Orte, da haben sich die Männer um die Weiber geprügelt, und die jungen und kleinen bekamen keine ab.



Ich sollte die Stelle unbedingt noch mal suchen. Ergänzend zum nächsten Beitrag würde das die enorme Bandbreite menschlichen Verhaltens herausstreichen.
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smallie
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Beitrag(#2014686) Verfasst am: 09.08.2015, 15:17    Titel: Antworten mit Zitat

Ein starkes Beispiel für geschlechtsspezifisches Verhalten. Es geht um die Frage, steigen Männer im Prinzip mit jeder ins Bett? Tun Frauen das auch?


Gender Differences in Receptivity to Sexual Offers
R. D. Clark III, E. Hatfield - 1978, veröffentlicht 1989

Das Original konnte ich leider nicht finden.



Zitat:
Möchtest du mit mir ins Bett?

Die Keimzelle für das Experiment war sein Seminar in Sozialpsychologie, wo Clark mit den Studenten eine kurz zuvor erschienene Arbeit von James W. Pennebaker diskutierte: "Werden die Mädchen nicht hübscher zur Polizeistunde: Eine Country-und-'Western-Herangehensweise an die Psychologie"

Im Zusammenhang mit dieser Untersuchung kam Clark auf die Unterschiede zwischen Mann und Frau bei der Partnerwahl zu sprechen: "Eine Frau - ob sie gut aussieht oder nicht - braucht sich keine Sorgen über den Zeitpunkt zu machen, wenn sie einen Mann sucht. Alles, was sie tun muss, ist, mit dem Finger auf einen Mann zu zeigen, zu flüstern "Komm her zu mir!", und sie hat ihn erobert. [...]

Die Frauen im Seminar protestierten. Da sagte Clark: "Wir müssen nicht streiten. Das ist eine empirische Frage. Lasst uns ein Experiment planen und sehen, wer Recht hat."

Einige Wochen später waren fünf Frauen und vier Männer auf dem Universitätsgelände unterwegs und versuchten, Kontakt mit dem anderen Geschlecht aufzunehmen. Neben dem unverschämten Sexangebot gab es zwei Alternativen, die ebenfalls an je 16 Männern und Frauen ausprobiert wurden: "Möchtest du heute Abend mit mir ausgehen?" Und: "Möchtest du heute Abend zu mir in meine Wohnung kommen?" Dier erste Einladung nahmen etwa gleich viele Männer wie Frauen an: die Hälfte. In die Wohnung mitkommen mochten dann bloß noch eine Frau von 16, während elf Männer dazu bereit gewesen wären. Das Sexangebot lehnten alle Frauen ab, während es zwölf Männer annahmen - eineinhalb mal so viele, wie zu einem normalen Treffen mit der Frau bereit waren.

Clark war sich sicher, dass der Grund für diesen Unterschied die asymmetrische Biologie der Geschlechter sei. "Um ein Kind zu produzieren, müssen Männer nur eine vernachlässigbare Menge Energie investieren; ein einzelner Mann könnte eine fast unbegrenze Anzahl von Kindern zeugen. Ein Frau dagegen kann nur eine begrenzte Anzahl von Kindern austragen und aufziehen."

Die unterschiedlichen Kosten von Sex für Mann und Frau führen geradewegs zu dem Verhalten, das Clark in seinem Experiment beobachtet hatte. Die Frauen sind wählerisch, die Männer grundsätzlich bereit, mit jeder Frau ins Bett zu gehen. Im Gegensatz zu den Frauen, die alle entrüstet auf das Sexangebot reagierten, entschuldigten sich die vier Männer, die es nicht annahmen, noch bei den Frauen: "Ich bin verheiratet." Oder: "Ich habe schon eine Freundin."


aus: Reto U. Schneider - Das Buch der verrückten Experimente. S. 252




Anmerkungen und Kritik:


    - Wäre das Ergebnis anders ausgefallen, wenn es nicht am hellichten Tag durchgeführt worden wäre, sondern nachts in einer Bar oder einem Club?

    - Klassischer WIERDO-Versuch: White-Industrialized-Educate-Rich-Democratic. Die Studie sagt erstmal nur etwas über das Verhalten von Vordiplomstudenten aus.

    - Die Zahl der Probanden ist zu klein, um Casanovas, Nymophmanen, queers etc. dingfest zu machen.

    - Was ist aus der These geworden, die Erfindung der Pille habe das Sexualverhalten verändert?

    - Die Frauen hätten noch nach ihrem Zyklus befragt werden müssen: "Hast du gerade einen Eisprung?"




Erwähnenswert ist die Veröffentlichungsgeschichte der Studie:

Zitat:
Als Clark seine Studie publizieren wollte, bekam er zu spüren, dass seine Resultate nicht dem Zeitgeist entsprachen. Von einer Zeitschrift erhielt er folgende Antwort: "Diese Arbeit sollte zurückgewiesen werden, ohne die Möglichkeit, sie bei irgend einer anderen Fachzeitschrift einzureichen. Wenn "Cosmopolitan" sie nicht drucken will, ... dann mag sie vielleicht "Penthouse". Diese Zeitschrift jedenfalls nicht."

Später erfuhr die Psychologin Elaine Hatfield von dem Experiment und schrieb Clarks Artikel etwas um. Der Ton der Reaktionen wurde etwas gemäßigter, die Absagen gewundener. "Ich finde, diese Studie sollte publiziert werden (und ich bin sicher, dass sie es auch wird). Ich bedaure, dass ich Ihnen nicht mitteilen kann, daß wir sie publizieren werden."

Dann tauchte ein neuer Kritikpunkt auf: Die Resultate seien veraltet. 1978 seien die Geschlechtsunterschiede vielleicht so gewesen, aber das habe sich seither verändert. Also wiederholte Clark das Experiment im Jahr 1982 - mit praktisch demselben Resultat. Nach weiteren Absagen wurde die Studie schließlich 1989 vom Journal of Psychology & Human Sexuality publiziert.

ebd.




PS:

Ich freue mich sehr auf eure Erfahrungsberichte a al "Ich hab eindeutige Angebot schon mal ausgeschlagen" (Männer), "Die kam einfach mit mir mit" (Männer) und "Ich hab' eindeutige Angebote angenommen" (Frauen) und "Der wollte einfach nicht" (Frauen). Im Dienste der Wissenschaft bitte ich um möglichst ausführliche Darstellung. zwinkern
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fwo
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Beitrag(#2014696) Verfasst am: 09.08.2015, 16:35    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
....
An Edukir und Werkzeuge mußte ich auch denken. Zu "körperlichen Geschlechtsdimorphismus" und "indirekt nachweisbaren Rollenverteilung":

fwo hat folgendes geschrieben:
Die Art der hergestellten Werkzeuge in Verbindung mit dem körperlichen Geschlechtsdimorphismus und der indirekt nachweisbaren Rollenverteilung legt nahe, dass es sich hier um eine männliche Domöne handelt - die speziellen körperlichen Anpssungen der Männchen demostriert E. Kirschmann in seiner Werfertheorie sehr ausführlich.

Ich kann mir mehrere Gründe für unterschiedlichen Körperbau vorstellen.

Die klassisch-populäre geht vielleicht so: auf der Jagd braucht man Kraft, deshalb sind Männer größer. Ich vermute eher, Jagd war ein Ausdauersport. Du hetzt das Tier, bis es überhitzt ist und nicht mehr fortlaufen kann. Dann stichst du es mit dem Speer. Das könnten theoretisch auch Frauen gemacht haben.

(Ein etwas dünnes Beispiel, vorsorgliches gegeben, um ein Argument wie "mit Kindern geht das nicht" abzuwehren: Sacajawea hat Lewis und Clark auf ihrer Expedition mit ihrem Neugeborenen begleitet.)

Mein Tipp in Sachen Geschlechtsdimorphismus: es gab Zeiten und Orte, da haben sich die Männer um die Weiber geprügelt, und die jungen und kleinen bekamen keine ab.


Ich sollte die Stelle unbedingt noch mal suchen. Ergänzend zum nächsten Beitrag würde das die enorme Bandbreite menschlichen Verhaltens herausstreichen.

Die enorme Bandbreite menschlichen Verhaltens ist sowieso die Voraussetzung eines Wesens, das große Bereiche seines Verhaltens kulturell steuert, die muss man eigentlich nicht auch noch betonen. Aber während ich z.B. kulturell aus dem Läufer Mensch ein weitgehend sessiles Lebewesen machen kann (Das Auto schafft sich den Behinderten, der seiner bedarf), ich kann ihn in einigen Bereichen also dazu bringen, auf strukturell vorhandene Organe zu verzichten, kann ich ihm weder durch Umerziehung noch durch besondere Fütterung Organe verschaffen, die der von Natur aus nicht hat - ein Kind, bei dessen Zeugung sich die Eltern ein Mädchen wünschten, bekommt dadurch keine Eierstöcke, wenn es dummerweise doch ein Junge geworden ist, selbst wenn man der Mutter bis zur Geburt nicht erzählt, dass sie beim Zeugen nicht aufgepasst hat.

Zum Dimorphismus: Es liegt nicht nur ein Größen- und Stärkenunterschied vor, Edukir zeigt, dass der Unterschied zu entscheidenden Unterschieden in den Leistungen Schlagen und Werfen führt, beides frühe Werkzeugnutzungen. Er führt außerdem aus, dass schon bei kleinen Kindern hier koordinative Geschlechtsunterschiede feststellbar sind.

Normale Rangordnungsdifferenzen werden auch bei Menschen üblicherweise unbewaffnet ausgetragen. Gerade in Jäger- und Sammlergesellschaften, in denen die Polygynie m.W. auch nicht vorkommt, weil die Männchen-Rolle des Jägers normalerweise nur eine Ein-Frauen-Familie ernähren kann, ist der Zweikampf normalerweise in einer Art ritualisiert, die Todesfälle ausschließen soll. Die speziellen Unterschiede kommen also kaum vom Wettbewerb um die Gunst der Weibchen.

Zum Thema Dauerleistung: ein hartes (Dauer) -Leistungstraining führt bei Frauen zu einer Verschiebung des Hormonsystems in Richtung Mann. Die Folge ist, dass der Eisprung irgendwann ausbleibt. Oder andersherum: Populationen ohe klare Rollentrennung in Jagd / Krieg und Haushalt haben einen klaren Fortpflanzungsnachteil. Diese Rollentrennung ist aber nicht kulturbedingt, wegen der besonderen Pflegebedürftigkeit der Primatenjungen ist die erheblich älter als die Menschheit. Sie konnte allerdings kulturell verstärkt werden. (Die Vergangenheitsform ist Absicht - ich rede hier von der Evolutuion.)
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Naastika
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Beitrag(#2014702) Verfasst am: 09.08.2015, 17:09    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:


PS:

Ich freue mich sehr auf eure Erfahrungsberichte a al "Ich hab eindeutige Angebot schon mal ausgeschlagen" (Männer), "Die kam einfach mit mir mit" (Männer) und "Ich hab' eindeutige Angebote angenommen" (Frauen) und "Der wollte einfach nicht" (Frauen). Im Dienste der Wissenschaft bitte ich um möglichst ausführliche Darstellung. zwinkern


Interessant, manche Themen kommen immer wieder auf. Hatten wir das nicht vor ca. 12-18 Monaten mit dem User fake? Egal...

Bei solchen Experimenten werden imho zwei Punkte vernachlässigt:

1. Selbst wenn eine Frau durchaus interessiert wäre, mit einem ihr unbekannten Mann spontan Sex zu haben, so geht sie uU grosses Risiko an (und ich nehme an, dessen ist sich jede Frau bewusst).
Vielleicht würde der Unbekannte sie zu sexuellen Handlungen zwingen, auf die sie nicht einlassen will, und sie trotz grundsätzlicher Bereitschaft de facto vergewaltigen.
Der Grund ist rein biologisch, durchschnittlich größere Muskelkraft der Männer.

2. Der nächste Punkt ist kultureller Natur: Immer noch gelten sexuell aufgeschlossene Frauen als "leichte Flittchen". Dies variiert sicherlich nach sozialer Gruppe, daher entsprechend dem WIERDO-Einwand wird hier weniger über "Frau an sich" geforscht, sondern das Verhalten der weiblichen Studenten in den USA.
Eine genauere Untersuchung, welche soziale Folgen entsprechendes Verhalten bei Frauen im Vergleich zu Männern hat, wäre interessant. Steigen solche Frauen eher beruflich auf oder nicht?

Sie könnten sich sicherlich auch "hochschlafen", aber werden vielleicht berufliche Qualfikationen von Frauen eher angezweifelt, die nicht strategisch mit Vorgesetzten einlassen, sondern wirklich nach Lustprizip mit in der Hierarchi gleichgeorndene (oder vielleicht soger untergeordnene) Männer einlassen?
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tillich (epigonal)
hat Spaß



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Beiträge: 21760

Beitrag(#2014708) Verfasst am: 09.08.2015, 17:33    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Clark war sich sicher, dass der Grund für diesen Unterschied die asymmetrische Biologie der Geschlechter sei. "Um ein Kind zu produzieren, müssen Männer nur eine vernachlässigbare Menge Energie investieren; ein einzelner Mann könnte eine fast unbegrenze Anzahl von Kindern zeugen. Ein Frau dagegen kann nur eine begrenzte Anzahl von Kindern austragen und aufziehen."

Die unterschiedlichen Kosten von Sex für Mann und Frau führen geradewegs zu dem Verhalten, das Clark in seinem Experiment beobachtet hatte. Die Frauen sind wählerisch, die Männer grundsätzlich bereit, mit jeder Frau ins Bett zu gehen. Im Gegensatz zu den Frauen, die alle entrüstet auf das Sexangebot reagierten, entschuldigten sich die vier Männer, die es nicht annahmen, noch bei den Frauen: "Ich bin verheiratet." Oder: "Ich habe schon eine Freundin."

Mein wesentlicher Kritikpunkt wäre: Das Experiment zeigt nur, dass es da ein geschlechtsspezifisches Verhalten gab - nicht mehr, nicht weniger. Über die Gründe dafür sagt das Experiment aber genau nichts; seine biologisierende Erklärung ist also schlicht frei erfunden.

Außerdem scheint er übersehen zu haben, dass auch viele Frauen, die nicht sofort mit einem Wildfremden ins Bett steigen, deutlich öfter Sex haben dürften, als zur Zeugung der erwünschten (oder zu einem beliebigen Zeitpunkt der Evolution sinnvollen) Kinderzahl notwendig wäre.

Das lässt die Erklärung nicht nur als völlig unfundiert, sondern auch als durch eine kleine Kontrollüberlegung leicht widerlegbarer Bullshit erscheinen.
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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fwo
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Beitrag(#2014715) Verfasst am: 09.08.2015, 18:05    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
....
Mein wesentlicher Kritikpunkt wäre: Das Experiment zeigt nur, dass es da ein geschlechtsspezifisches Verhalten gab - nicht mehr, nicht weniger. Über die Gründe dafür sagt das Experiment aber genau nichts; seine biologisierende Erklärung ist also schlicht frei erfunden.
...

Kann man so sagen. Nach diesem Maßstab ist allerdings die ganze Evolutionstheorie frei erfunden. Innerhalb der haben sich allerdings energetische bzw. investitionstechnische Betrachtung als sehr gute Erklärungen für sehr viele Mechanismen ergeben. Und zwar durchgängig durch alle Taxa. Innerhalb des Anwendungsprinzipes der erfolgreichen Vermehrung entbehrt das auch nicht einer gewissen Logik. Die Ablehnung des "Biologisierens" soll allerdings wohl andeuten, dass der Mensch kein biologisches, aus der Evolution hervorgegangenes Lebewesen mit angeborenen Verhaltenstendenzen ist.

Gesteht man der Evolutionstheorie aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu, müsste man andersherum begründen, warum derartige Betrachtungen beim Menschen nicht angebracht sind. Weil das menschliche Sexualverhalten frei von allem angeborenen ist?

(btw: Die gesamte aristotelische Logik ist frei erfunden. In wie weit ist diese Feststellung in diesem Zusammenhang dann hilfreich?)
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Beitrag(#2014722) Verfasst am: 09.08.2015, 18:38    Titel: Antworten mit Zitat

Um es etwas zu elaborieren:

Seine These ist, dass das Verhalten eine unmittelbar biologische Ursache hat, und zwar eine ganz bestimmte (Aufwand Kinderaustragen und -aufzucht - auch schon merkwürdig, dass er diese Aufgabe selbstverständlich den Frauen zuschreibt). [Exkurs: Inwieweit das übrigens schon intern biologisch plausibel ist, sei übrigens mal dahingestellt und den Evolutionsbiologen überlassen: Das entsprechende Verhalten der Männer wäre ja nur für ihre unmittelbare eigene Genweitergabe nützlich, nicht aber für die Gruppe; und es gibt ja nun diverses menschliches Verhalten, dass die Erklärung der nur individuellen Genweitergabe völlig sprengt.]

Um seine These zu belegen, hatte er sie mit anderen möglichen Ursachen vergleichen müssen (Beispiele oben bei Naastika), mit einem dazu passend entwickelten Experiment. Sprich: Er hätte Gegenhypothesen zu seiner eigenen bilden und überprüfen müssen. Hat er aber nicht gemacht, sondern stattdessen experimentell gezeigt, dass es ein Verhalten gibt, aber dann versucht es zu erklären, ohne dafür geeignete Daten zu haben.

Außerdem hat er widersprechende Daten - den offensichtlich vorhandenen, auch von Frauen ausgeübten Sex ohne Ziel der Kinderzeugung - völlig ignoriert.

Diese reine Spekulation mit einem Scheinbeleg aus nicht geeigneten Daten unter Ignorierung widersprecehnder Daten meinte ich mit "frei erfunden"; da kannst auch "schlechte Wissenschaft" sagen. Plausibel erscheint das Ganze dann, wenn man von vorneherein biologisch-evolutionäre Erklärungen vorzieht. Diese ist hier aber nicht plausibel aus den Daten entwickelt, sondern diesen einfach übergestülpt.

Die Evolutionstheorie, die du als Vergleich angeblich ähnlich schlecht belegter Begründungen heranziehst, hat dieses Problem aber gar nicht, solange sie nicht auf menschliches Verhalten angewandt wird. Solange sie sich mit rein biologischen Phänomenen befasst, ist es ja nun völlig unproblematisch, sie auch genau so erklären zu wollen.
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beachbernie
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Beitrag(#2014723) Verfasst am: 09.08.2015, 18:45    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Clark war sich sicher, dass der Grund für diesen Unterschied die asymmetrische Biologie der Geschlechter sei. "Um ein Kind zu produzieren, müssen Männer nur eine vernachlässigbare Menge Energie investieren; ein einzelner Mann könnte eine fast unbegrenze Anzahl von Kindern zeugen. Ein Frau dagegen kann nur eine begrenzte Anzahl von Kindern austragen und aufziehen."

Die unterschiedlichen Kosten von Sex für Mann und Frau führen geradewegs zu dem Verhalten, das Clark in seinem Experiment beobachtet hatte. Die Frauen sind wählerisch, die Männer grundsätzlich bereit, mit jeder Frau ins Bett zu gehen. Im Gegensatz zu den Frauen, die alle entrüstet auf das Sexangebot reagierten, entschuldigten sich die vier Männer, die es nicht annahmen, noch bei den Frauen: "Ich bin verheiratet." Oder: "Ich habe schon eine Freundin."

Mein wesentlicher Kritikpunkt wäre: Das Experiment zeigt nur, dass es da ein geschlechtsspezifisches Verhalten gab - nicht mehr, nicht weniger. Über die Gründe dafür sagt das Experiment aber genau nichts; seine biologisierende Erklärung ist also schlicht frei erfunden.

Außerdem scheint er übersehen zu haben, dass auch viele Frauen, die nicht sofort mit einem Wildfremden ins Bett steigen, deutlich öfter Sex haben dürften, als zur Zeugung der erwünschten (oder zu einem beliebigen Zeitpunkt der Evolution sinnvollen) Kinderzahl notwendig wäre.

Das lässt die Erklärung nicht nur als völlig unfundiert, sondern auch als durch eine kleine Kontrollüberlegung leicht widerlegbarer Bullshit erscheinen.



Hier kann ich nur vollumfaenglich zustimmen.

Wobei ich allerdings den starken Verdacht habe, dass der Herr Clark vor allem deshalb Schwierigkeiten hatte seinen Bullshit zu publizieren, weil er den falschen Bullshit lieferte.

Warum schliesst er aus seinem Experiment denn nicht, so wie es sich gehoert, dass das unterschiedliche Reagieren auf eine unverhohlene Kopulationsaufforderung ausschliesslich auf soziale Faktoren, vor allem maennliche Besitzansprueche auf den weiblichen Koerper und die Unterdrueckung der weiblichen Sexualitaet durch eine die Gesellschaft dominierende hegemoniale Maennlichkeit zurueckzufuehren ist? So wird aus diesem Clark ganz gewiss nie ein richtiger "Genderforscher"! zwinkern
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Beitrag(#2014767) Verfasst am: 10.08.2015, 00:25    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Um es etwas zu elaborieren:

Seine These ist, dass das Verhalten eine unmittelbar biologische Ursache hat, und zwar eine ganz bestimmte (Aufwand Kinderaustragen und -aufzucht - auch schon merkwürdig, dass er diese Aufgabe selbstverständlich den Frauen zuschreibt).

Auf einer gewissen Wiese hast Du Recht: Selbst das Bewusstsein des Menschen ist eine biologische Tatsache, insofern ist die Aussage, dass auch menschliches Verhalten biologische Ursachen hat ein Selbstgänger. Wenn Du aber meinst, mit seiner Aussage wollte Clark persönliche oder kulturelle Einfüsse auf menschliches Verhalten ausschließen, ist das der pure Blödsinn. Was Clark zeigt, ist das das menschliche Verhalten der evolutionären Logik nicht widerspricht. Nicht mehr und nicht weniger. Die "unmittelbare biologische Ursache" ist ein Strohmann.

Als witzig empfinde ich übrigens, dass Du den im Bereich der Entscheidungen verfeuerst, und erzählst, was Clark alles unterlassen hat, an Begründungen für das gefragte Verhalten zu untersuchen. Witzig deshalb, weil die Psychologie, der man nun als letztes vorwerfen kann uns unsere Sonderrolle nehmen zu wollen, weil genau die ihr genuines Thema ist, bei den menschlichen Entscheidungen zu dem Ergebnis kommt, dass im Normalfall unsere Entscheidungen "gefühlsmäßig" fällen und erst anschließend rationalisieren. Was alles mag wohl in diesen Gefühlen drinstecken?
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
[Exkurs: Inwieweit das übrigens schon intern biologisch plausibel ist, sei übrigens mal dahingestellt und den Evolutionsbiologen überlassen: Das entsprechende Verhalten der Männer wäre ja nur für ihre unmittelbare eigene Genweitergabe nützlich, nicht aber für die Gruppe; und es gibt ja nun diverses menschliches Verhalten, dass die Erklärung der nur individuellen Genweitergabe völlig sprengt.]

Und es gibt fast in der gesamten Tierwelt Beispiele für"Genstrategien" bei denen die individuelle Genweitergabe zugunsten der Genweitergabe von Verwandten zurückgestellt wird. Beim Menschen ist das noch etwas komplexer, weil der Mensch zusätzlich zu seiner Eigenschaft als Träger seiner Gene auch noch als Träger seiner Kultur unterwegs ist - das sind aber alles keine Widersprüche, sondern machen das Geschehen nur etwas schwerer durchschaubar. Wir bekommen keine unmittelbaren Kausalreihen mehr zu sehen, sondern müssen statistisch arbeiten, um überhaupt Zusammenhänge sichtbar machen zu können.
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Um seine These zu belegen, hatte er sie mit anderen möglichen Ursachen vergleichen müssen (Beispiele oben bei Naastika), mit einem dazu passend entwickelten Experiment. Sprich: Er hätte Gegenhypothesen zu seiner eigenen bilden und überprüfen müssen. Hat er aber nicht gemacht, sondern stattdessen experimentell gezeigt, dass es ein Verhalten gibt, aber dann versucht es zu erklären, ohne dafür geeignete Daten zu haben.

Außerdem hat er widersprechende Daten - den offensichtlich vorhandenen, auch von Frauen ausgeübten Sex ohne Ziel der Kinderzeugung - völlig ignoriert.

Da bringst Du etwas durcheinander: Die Bereitwilligkeit, mit einem neuen Partner ins Bett zu hüpfen, ist genau diese Bereitschaft und nicht identisch mit der, mit einem bekannten Partner folgenlos Sex zu haben.
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Diese reine Spekulation mit einem Scheinbeleg aus nicht geeigneten Daten unter Ignorierung widersprecehnder Daten meinte ich mit "frei erfunden"; da kannst auch "schlechte Wissenschaft" sagen. Plausibel erscheint das Ganze dann, wenn man von vorneherein biologisch-evolutionäre Erklärungen vorzieht. Diese ist hier aber nicht plausibel aus den Daten entwickelt, sondern diesen einfach übergestülpt.

Die Evolutionstheorie, die du als Vergleich angeblich ähnlich schlecht belegter Begründungen heranziehst, hat dieses Problem aber gar nicht, solange sie nicht auf menschliches Verhalten angewandt wird. Solange sie sich mit rein biologischen Phänomenen befasst, ist es ja nun völlig unproblematisch, sie auch genau so erklären zu wollen.

Du hast offensichtlich ein Problem mit "biologisch-evolutionäre Erklärungen". Sonst würdest Du sehen, dass niemand die vorzieht. Was untersucht wird, ist eigentlich immer nur, ob sich ein Widerspruch zu diesen findet - das wäre das eigentlich interessante. Es sollte eigentlich jedem, dem klar ist, dass wir das Produkt einer Evolution sind, auch klar sein, dass unser Handeln auch immer eine biologisch evolutionäre Ebene hat - das wird im Gegensatz zur Verdauung bei Verhalten, das wir über das Großhirn steuern, nicht die einzige Ebene sein, aber sie ist vorhanden und sollte in statistischen Analysen auch erkennbar sein. Die Evolution hört beim Menschen nicht mit dessen Artwerdung auf, sie wird nur komplizierter.
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kereng
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Beitrag(#2014774) Verfasst am: 10.08.2015, 07:03    Titel: Antworten mit Zitat

Naastika hat folgendes geschrieben:
2. Der nächste Punkt ist kultureller Natur: Immer noch gelten sexuell aufgeschlossene Frauen als "leichte Flittchen".

Dieses "kulturelle" Verhalten lässt sich wiederum auf biologische Gründe zurückführen. Oder ist es Zufall, dass Vorschriften wie Jungfräulichkeit bis zur Ehe oder Verschleierung den Männern garantieren, keinen fremden Nachwuchs zu untergeschoben zu bekommen, also ihre eigenen Gene weiterzugeben.
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Beitrag(#2014776) Verfasst am: 10.08.2015, 07:59    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Was Clark zeigt, ist das das menschliche Verhalten der evolutionären Logik nicht widerspricht. Nicht mehr und nicht weniger. Die "unmittelbare biologische Ursache" ist ein Strohmann.

Nun, ich hatte "Grund" nicht als "kein Widerspruch" verstanden, sondern als "Grund".
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fwo
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Beitrag(#2014782) Verfasst am: 10.08.2015, 08:29    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Was Clark zeigt, ist das das menschliche Verhalten der evolutionären Logik nicht widerspricht. Nicht mehr und nicht weniger. Die "unmittelbare biologische Ursache" ist ein Strohmann.

Nun, ich hatte "Grund" nicht als "kein Widerspruch" verstanden, sondern als "Grund".

Das ist auf der evolutionären Ebene auch richtig - das ist seine Fragestellung.

Aber es liegt jetzt an Dir, einen Veitstanz zu bekommen, weil da ein übergriffiger Biologe Dich schon wieder zum Automaten reduziert, oder das so einzuordnen, wie man es bei der mehrschichtig funktionierenden Spezies Mensch einordnen sollte.

Um das mal in eine Wissenschaft zu übersetzen, in der Du denken gelernt hast:
Früher war Geschichte immer Geschichte der Herrschenden. Dann gab es irgendwann eine Geschichte der Städte, dann die der Bürgerrechte usw., im Moment ist gerade die der Frauenrechte modern. Aber diese unterschiedlichen Geschichten gibt es gar nicht, es gibt nur eine, die ich aus unterschiedlichen Richtungen betrachten kann.
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fwo
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Beitrag(#2014789) Verfasst am: 10.08.2015, 09:30    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
....
Zum Thema Dauerleistung: ein hartes (Dauer) -Leistungstraining führt bei Frauen zu einer Verschiebung des Hormonsystems in Richtung Mann. Die Folge ist, dass der Eisprung irgendwann ausbleibt. Oder andersherum: Populationen ohe klare Rollentrennung in Jagd / Krieg und Haushalt haben einen klaren Fortpflanzungsnachteil. Diese Rollentrennung ist aber nicht kulturbedingt, wegen der besonderen Pflegebedürftigkeit der Primatenjungen ist die erheblich älter als die Menschheit. Sie konnte allerdings kulturell verstärkt werden. (Die Vergangenheitsform ist Absicht - ich rede hier von der Evolutuion.)

fwo hat folgendes geschrieben:
.... Die Evolution hört beim Menschen nicht mit dessen Artwerdung auf, sie wird nur komplizierter.

Der Widerspruch "Evolution in der Vergangenheit" zu dieser nachfolgenden Aussage wird durch den zweiten Teil "komplizierter" aufgelöst. Für die Evolution zum Menschen und am Anfang seiner Geschichte funktionieren die ganzen einfachen Modelle noch. Dass wir auch heute noch der Evolution unterliegen, ist insofern klar, als es nicht anders geht - auch wenn wenn die ganze Sache heute so unübersichtlich ist, dass Gendriften nur für einfache Geschichten wie Krankheiten klar sichtbar werden, werden wir Gendriften auslösen - bloß welche? Es ist eben alles viel komplzierter. Und da stolpern einige drüber: Einige Geisteswissenschaftler, die meinen, Evolution war gestern und sich deshalb über biologische Fragestellungen beim Menschen beschweren, genauso wie einige Sozialdarwinisten, die meinen, auch die zukünftige Menschheitsgeschichte in klassischen Evolutionsmustern erklären zu können, ohne die besonderen Bedingungen der Art Mensch einzubeziehen. Da trifft sich dann der Pädagoge tillich mit dem Demagogen Sarrazin.


@smallie:
sorry - Ich hatte nicht vor, "Deinen" Thread zu kapern, und bin mit diesem Wort zum Sonntag auch wieder raus.
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Beitrag(#2014798) Verfasst am: 10.08.2015, 10:52    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Was Clark zeigt, ist das das menschliche Verhalten der evolutionären Logik nicht widerspricht. Nicht mehr und nicht weniger. Die "unmittelbare biologische Ursache" ist ein Strohmann.

Nun, ich hatte "Grund" nicht als "kein Widerspruch" verstanden, sondern als "Grund".

Das ist auf der evolutionären Ebene auch richtig - das ist seine Fragestellung.

Nein, die Fragestellung war: "Warum verhalten sich die Menschen hier so und nicht anders?" Wenn er dann als "Grund" eine Antwort auf evolutionsbiologischer Ebene gibt, ist das Teil der Antwort, nicht der Fragestellung: Er behauptet damit, das sei die ausschlaggebende Ebene. Eine Einschränkung, wie du sie vornimmst und die offen lässt, wie relevant andere Ebenen sind, hat er nicht formuliert; er hat andere Ebenen des Verstehens menschlichen Verhaltens nicht einmal in Betracht gezogen. (Alles nach der Darstellung oben.)

fwo hat folgendes geschrieben:
Um das mal in eine Wissenschaft zu übersetzen, in der Du denken gelernt hast:
Früher war Geschichte immer Geschichte der Herrschenden. Dann gab es irgendwann eine Geschichte der Städte, dann die der Bürgerrechte usw., im Moment ist gerade die der Frauenrechte modern. Aber diese unterschiedlichen Geschichten gibt es gar nicht, es gibt nur eine, die ich aus unterschiedlichen Richtungen betrachten kann.

Und auch da kann ich nicht beliebig eine Ebene auswählen und dann als Grund auf dieser Ebene für das Ereignis X das Phänomen Y festmachen, sondern ich muss begründen, warum ich den (wesentlichen) Grund überhaupt auf dieser Ebene erkenne und nicht auf einer anderen; bzw. ich muss, wenn verschiedene Gründe auf verschiedenen Ebenen zusammenspielen, diese ins Verhältnis setzen. Im obigen Beispiel ist weder das eine noch das andere geschehen.
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Naastika
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Beitrag(#2014804) Verfasst am: 10.08.2015, 11:24    Titel: Antworten mit Zitat

kereng hat folgendes geschrieben:
Naastika hat folgendes geschrieben:
2. Der nächste Punkt ist kultureller Natur: Immer noch gelten sexuell aufgeschlossene Frauen als "leichte Flittchen".

Dieses "kulturelle" Verhalten lässt sich wiederum auf biologische Gründe zurückführen. Oder ist es Zufall, dass Vorschriften wie Jungfräulichkeit bis zur Ehe oder Verschleierung den Männern garantieren, keinen fremden Nachwuchs zu untergeschoben zu bekommen, also ihre eigenen Gene weiterzugeben.


Genetisch begründete Vorschriften müssten global gesehen und in völlig diferenzierenden Kulturen weitestgehen gleich sein. Nun sind sie es aber nicht.

Nehmen wir mal die Ureinwohner Nordamerikas aka Indianer.

Während in der Tat die Cheyenne als Puritaner gelten und die verheirateten Frauen während der Raubzüge der Männer Keuschheitsgürtel trugen (wobei es auch anerkannte und hochgeachtete Kriegerinnen mit eigenen geheimen Gesellschaften gab), waren die benachbarten Arapaho wesetlich lockerer (bei Männern und Frauen).

Die Stämme des Südwestens wie die Apachen lebten auch vorehelich sexuell aktiv. Es galt als normal, dass junge Männern von ihren Tanten sexuell initiiert wurden.

Die Cheyenne wiederrum erkannten z.B. Existenz von vier Geschlechtern an: männlich, weiblich, homosexuell lebende Männder oder lesbisch lebende Frauen.


Was ist hier nun genetisch und was kulturell? Cool
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Beitrag(#2014847) Verfasst am: 10.08.2015, 15:37    Titel: Antworten mit Zitat

Wo fang' ich jetzt an mit meinen Antworten?

Am Besten mit der kürzesten.



fwo hat folgendes geschrieben:

<schnipp>

@smallie:
sorry - Ich hatte nicht vor, "Deinen" Thread zu kapern, und bin mit diesem Wort zum Sonntag auch wieder raus.

Du bist genau bei dem Thema, um das es hier gehen sollte.

Insofern hast du den Thread nicht gekapert, sondern mir Schreibarbeit agbenommen. zwinkern



PS:

Zum Geschnippten lasse ich aus Zeitgründen nur ein Schlagwort fallen: Gene-Culture-Coevolution; Dual-Inheritance-Theory. Aus der Ecke kommt auch die noch vorzustellende These zur Entstehung der Monogamie.

Bekanntestes Beispiel für diese Coevolution von Genen und Kultur: Der Mensch beginnt, Vieh zu halten - eine kulturelle Neuerung. Die Kultur des Milchtrinkens führt zu einer genetischen Anpassung im Menschen: lebenslange Laktosetoleranz.
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Beitrag(#2014874) Verfasst am: 10.08.2015, 18:50    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Was Clark zeigt, ist das das menschliche Verhalten der evolutionären Logik nicht widerspricht. Nicht mehr und nicht weniger. Die "unmittelbare biologische Ursache" ist ein Strohmann.

Nun, ich hatte "Grund" nicht als "kein Widerspruch" verstanden, sondern als "Grund".

Das ist auf der evolutionären Ebene auch richtig - das ist seine Fragestellung.

Aber es liegt jetzt an Dir, einen Veitstanz zu bekommen, weil da ein übergriffiger Biologe Dich schon wieder zum Automaten reduziert, oder das so einzuordnen, wie man es bei der mehrschichtig funktionierenden Spezies Mensch einordnen sollte.

Um das mal in eine Wissenschaft zu übersetzen, in der Du denken gelernt hast:
Früher war Geschichte immer Geschichte der Herrschenden. Dann gab es irgendwann eine Geschichte der Städte, dann die der Bürgerrechte usw., im Moment ist gerade die der Frauenrechte modern. Aber diese unterschiedlichen Geschichten gibt es gar nicht, es gibt nur eine, die ich aus unterschiedlichen Richtungen betrachten kann.


tillich hat hier zur Abwechslung mal recht mit seiner "bullshit"-diagnose. Wengleich ich mir nicht sicher bin ob er wirklich verstanden hat, weshalb das 'bullshit" ist.

Solche Geschichten, wie Groesse der untersuchten Gruppe, die auch fuer Zweifel an der Wissenschaftlichkeit der Untersuchung sorgen koennten, lasse ich mal bewusst mal aussen vor, weil es mir hier nicht darum geht.

Es ist nicht "bullshit", weil die Schlussfolgerung aus dieser kleinen Untersuchung falsch waere, sondern weil es anhand der gegebenen Informationen nicht entscheidbar ist, ob seine Schlussfolgerung richtig oder falsch ist.

Natuerlich wuerde sein evolutionsbiologischer Ansatz seine Ergebnisse erklaeren. Das reicht aber nicht aus um zu behaupten, dass diese Ursache auch richtig erkannt ist. Vorher muesste man noch ausschliessen, dass andere, vielleicht genauso plausible Erklaerungen die gemessen Ergebnisse erklaeren.

So liegt es z.B. voellig auf der Hand, dass man das zur Debatte stehende unterschiedliche Sexualverhalten der Geschlechter auch genausogut durch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Erziehung und andere rein kulturelle Faktoren erklaeren koennte. Um zu entscheiden, welche Ursachen hier tatsaechlich massgeblich sind, muesste man den Forschungsansatz erheblich ausweiten und weitaus kompliziertere und langwierigere Untersuchungen anstellen. Z.B. indem mal Probanten mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergruenden und/oder ethnischer Herkunft waehlt, zuerst die relevanten kulturellen Unterschiede erfasst und dann deren Sexualverhalten. Dann erst liesse sich halbwegs wissenschaftlich entscheiden welcher Faktor hier der ausschlaggebende ist oder ob hier eine Kombination evolutionsbiologischer und soziokultureller Faktoren vorliegt. Wenn man dann noch sehr schlaue Methoden entwickelt, kann man vielleicht noch versuchen die Einflussfaktoren zu quantifizieren.

Clark macht hier wohl den gleichen Fehler wie er fuer die Genderwissenschaften typisch ist. Er waehlt bewusst einen Ansatz, der das Ergebnis praktischerweise gleich vorwegnimmt und das hat nun mal mit Wissenschaft nicht so furchtbar viel zu tun.
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Beitrag(#2014887) Verfasst am: 10.08.2015, 19:55    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:

So liegt es z.B. voellig auf der Hand, dass man das zur Debatte stehende unterschiedliche Sexualverhalten der Geschlechter auch genausogut durch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Erziehung und andere rein kulturelle Faktoren erklaeren koennte.

[...]


da ich mich vor Jahren mal etwas intensiver mit "Gender-ismus" befasste, hier 2 Tipps:


Zitat:
Dabei war schon zum Ausgang des 19. Jahrhundert sichtbar geworden, was seither zahlreiche Forschungen zur Gewissheit werden ließen: die Sexualität des Menschen ist mit rein biologisch-medizinischen Kategorien nicht angemessen zu erfassen. Der entscheidende Anstoß zur Ausweitung des wissenschaftlichen Fächerkanons für die Erforschung unserer "Sexualitäten" - denn sie sind tatsächlich so bunt und vielfältig - kam mit einer allmählichen Erkenntnis: unsere sexuellen Verhaltensweisen sind an sozialen Normen ausgerichtet - also an gesellschaftlich vermittelten Regeln über das, was als richtig und schicklich gilt. Damit wurde Sexualverhalten zum Sozialverhalten; Sexualität wurde entscheidend "Sozio-Sexualität"

http://www.sexologie.org/dgss/dgss.htm


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Beitrag(#2014909) Verfasst am: 10.08.2015, 21:53    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:

So liegt es z.B. voellig auf der Hand, dass man das zur Debatte stehende unterschiedliche Sexualverhalten der Geschlechter auch genausogut durch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Erziehung und andere rein kulturelle Faktoren erklaeren koennte.

[...]


da ich mich vor Jahren mal etwas intensiver mit "Gender-ismus" befasste, hier 2 Tipps:


Zitat:
Dabei war schon zum Ausgang des 19. Jahrhundert sichtbar geworden, was seither zahlreiche Forschungen zur Gewissheit werden ließen: die Sexualität des Menschen ist mit rein biologisch-medizinischen Kategorien nicht angemessen zu erfassen. Der entscheidende Anstoß zur Ausweitung des wissenschaftlichen Fächerkanons für die Erforschung unserer "Sexualitäten" - denn sie sind tatsächlich so bunt und vielfältig - kam mit einer allmählichen Erkenntnis: unsere sexuellen Verhaltensweisen sind an sozialen Normen ausgerichtet - also an gesellschaftlich vermittelten Regeln über das, was als richtig und schicklich gilt. Damit wurde Sexualverhalten zum Sozialverhalten; Sexualität wurde entscheidend "Sozio-Sexualität"

http://www.sexologie.org/dgss/dgss.htm


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Ich bin da letztens über eine Vera Birkenbihl gestolpert:

https://www.youtube.com/watch?v=PNmumMFx8l4

Ihren Vortrag fand ich amüsant und lehrreich Sehr glücklich
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Ahriman
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Beitrag(#2014921) Verfasst am: 10.08.2015, 22:53    Titel: Antworten mit Zitat

BB hat folgendes geschrieben:
So liegt es z.B. voellig auf der Hand, dass man das zur Debatte stehende unterschiedliche Sexualverhalten der Geschlechter auch genausogut durch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Erziehung und andere rein kulturelle Faktoren erklaeren koennte.

Eben. Ich bin sicher, daß die sexuellen Verhaltungsweisen anerzogen sind. Weil es nämlich genügend Kulturen gegeben hat, bei denen alles immer wieder ganz anders war. Unser Nacktheitstabu ist anerzogen, es gab mindestens ein Volk in Brasilien, wo man völlig nackt rumlief, es gab Völker wo zumindest die Unverheirateten fröhlich durcheinander vögelten, es gab Völker mit Mutterrecht (matrilinear) wo man nicht mal wußte, daß die Frauen vom Vögeln schwanger wurden. Man hat dem Ehrengast die Tochter ins Bett gelegt, die Eskimos haben (bevor die Missionare kamen) ihre Frauen getauscht, es gab auch immer Vielweiberei, und Mark Twain erzählt von einer Südseekönigin, die an die zwanzig junge Männer hatte.
Alles was bei uns "progressive" junge Leute machen war schon mal da. Und geschieht nichts Neues unter der Sonne, sagte Salomo.
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Beitrag(#2015040) Verfasst am: 11.08.2015, 18:33    Titel: Antworten mit Zitat

Ahriman hat folgendes geschrieben:
BB hat folgendes geschrieben:
So liegt es z.B. voellig auf der Hand, dass man das zur Debatte stehende unterschiedliche Sexualverhalten der Geschlechter auch genausogut durch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Erziehung und andere rein kulturelle Faktoren erklaeren koennte.

Eben. Ich bin sicher, daß die sexuellen Verhaltungsweisen anerzogen sind. Weil es nämlich genügend Kulturen gegeben hat, bei denen alles immer wieder ganz anders war. Unser Nacktheitstabu ist anerzogen, es gab mindestens ein Volk in Brasilien, wo man völlig nackt rumlief, es gab Völker wo zumindest die Unverheirateten fröhlich durcheinander vögelten, es gab Völker mit Mutterrecht (matrilinear) wo man nicht mal wußte, daß die Frauen vom Vögeln schwanger wurden. Man hat dem Ehrengast die Tochter ins Bett gelegt, die Eskimos haben (bevor die Missionare kamen) ihre Frauen getauscht, es gab auch immer Vielweiberei, und Mark Twain erzählt von einer Südseekönigin, die an die zwanzig junge Männer hatte.
Alles was bei uns "progressive" junge Leute machen war schon mal da. Und geschieht nichts Neues unter der Sonne, sagte Salomo.

Da wäre ich mir nicht so sicher. Was du schreibst entspricht in etwa dem 'Prozess der Zivilisation' wie von Elias sehr schön beschrieben. Duerr hat diese Zivilisationstheorie näher betrachtet und sie auf über 2500 Seiten einer heftigen Kritik unterzogen.
Kleines Beispiel: Du magst vielleicht eine nackte Indianerin sehen. Du übersiehst dabei aber ihren Gürtel den sie trägt. Ohne diesen Gürtel wäre sie nackt und würde sich auch schämen.
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Beitrag(#2015058) Verfasst am: 11.08.2015, 20:43    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Clark war sich sicher, dass der Grund für diesen Unterschied die asymmetrische Biologie der Geschlechter sei. "Um ein Kind zu produzieren, müssen Männer nur eine vernachlässigbare Menge Energie investieren; ein einzelner Mann könnte eine fast unbegrenze Anzahl von Kindern zeugen. Ein Frau dagegen kann nur eine begrenzte Anzahl von Kindern austragen und aufziehen."

Die unterschiedlichen Kosten von Sex für Mann und Frau führen geradewegs zu dem Verhalten, das Clark in seinem Experiment beobachtet hatte. Die Frauen sind wählerisch, die Männer grundsätzlich bereit, mit jeder Frau ins Bett zu gehen. Im Gegensatz zu den Frauen, die alle entrüstet auf das Sexangebot reagierten, entschuldigten sich die vier Männer, die es nicht annahmen, noch bei den Frauen: "Ich bin verheiratet." Oder: "Ich habe schon eine Freundin."

Mein wesentlicher Kritikpunkt wäre: Das Experiment zeigt nur, dass es da ein geschlechtsspezifisches Verhalten gab - nicht mehr, nicht weniger. Über die Gründe dafür sagt das Experiment aber genau nichts; ...

Das ist zweifellos richtig.




tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
... seine biologisierende Erklärung ist also schlicht frei erfunden.

Aber nicht von Clark erfunden. zwinkern

Die Erklärung ist schon älter und geht Robert Trivers zurück: Parental investment and sexual selection (1972) Trivers war nicht der erste, der darüber nachdachte.

Zitat:
Elternaufwand

Elternaufwand bezeichnet in der Evolutionstheorie jeden Aufwand der Eltern, der zum Fitnessgewinn von Nachkommen führt. Beispiele sind Füttern oder Beschützen, aber auch vorgeburtliche Investitionen wie Brutfürsorge und Schwangerschaft.


Hintergrund

Das Konzept des Elternaufwands wurde 1972 vom amerikanischen Soziobiologen Robert Trivers als Verfeinerung des Bateman-Prinzips vorgestellt und dient dazu, die Intensität des Wettbewerbs bei der Paarung und die Geschlechterrollen vorherzusagen (sexuelle Selektion). Demnach wählt der Elternteil, der den höheren Aufwand zum Fitnessgewinn der Nachkommen betreibt, seinen Sexualpartner nach bestimmten Kriterien aus, während der mit dem geringeren Aufwand mit seinen Geschlechtsgenossen in Konkurrenz tritt. Da meistens das Weibchen den höheren Aufwand betreibt, wählt am häufigsten das Weibchen seinen Sexualpartner aus, während sich die Konkurrenz am häufigsten bei den Männchen findet.

https://de.wikipedia.org/wiki/Elternaufwand


Die These war also schon da, und Clarks Versuch liefert ein Beispiel beim Menschen.

Gerade beim Menschen allerdings, und bei den vielen unterschiedlichen Kulturen, die es gibt, reicht ein Beispiel sicher nicht aus, um ein vollständiges Bild zu erhalten.




tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Außerdem scheint er übersehen zu haben, dass auch viele Frauen, die nicht sofort mit einem Wildfremden ins Bett steigen, deutlich öfter Sex haben dürften, als zur Zeugung der erwünschten (oder zu einem beliebigen Zeitpunkt der Evolution sinnvollen) Kinderzahl notwendig wäre.

Dazu schließe ich mich fwo an:

fwo hat folgendes geschrieben:
Da bringst Du etwas durcheinander: Die Bereitwilligkeit, mit einem neuen Partner ins Bett zu hüpfen, ist genau diese Bereitschaft und nicht identisch mit der, mit einem bekannten Partner folgenlos Sex zu haben.





tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Um es etwas zu elaborieren:

Seine These ist, dass das Verhalten eine unmittelbar biologische Ursache hat, und zwar eine ganz bestimmte (Aufwand Kinderaustragen und -aufzucht - auch schon merkwürdig, dass er diese Aufgabe selbstverständlich den Frauen zuschreibt).

Kleines caveat, damit wir nicht aneinander vorbei reden. Bei Clark geht es um Frauen des zwanzigsten Jahrhunderts. Parental Investment hingegen trifft allgemeine Aussagen, die für alle Arten gelten.

Bei manchen Arten kümmern sich die Männchen um Brut. Siehe: Seepferdchen oder Kiefernfische.

Bei Säugetieren ist Schwangerschaft und Stillen eine Aufgabe, die nur die Weibchen leisten können. Bei den meisten Säugern dürfte der Elternaufwand nach dem Abstillen auf Null gehen. Nur bei solchen "Nesthockern" wie dem Menschen fällt auch nachher noch Aufwand an.



tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
[Exkurs: Inwieweit das übrigens schon intern biologisch plausibel ist, sei übrigens mal dahingestellt und den Evolutionsbiologen überlassen: Das entsprechende Verhalten der Männer wäre ja nur für ihre unmittelbare eigene Genweitergabe nützlich, nicht aber für die Gruppe; und es gibt ja nun diverses menschliches Verhalten, dass die Erklärung der nur individuellen Genweitergabe völlig sprengt.]

Das geht schon in die richtige Richtung. Mir fehlt nur, daß menschliches Verhalten teils genetisch, teils kulturell bestimmt ist. Der kulturelle Teil dürfte überwiegen, denn genetische Änderungen dauern viel länger als kulturelle.
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smallie
resistent!?



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Beitrag(#2015062) Verfasst am: 11.08.2015, 21:06    Titel: Antworten mit Zitat

Naastika hat folgendes geschrieben:
kereng hat folgendes geschrieben:
Naastika hat folgendes geschrieben:
2. Der nächste Punkt ist kultureller Natur: Immer noch gelten sexuell aufgeschlossene Frauen als "leichte Flittchen".

Dieses "kulturelle" Verhalten lässt sich wiederum auf biologische Gründe zurückführen. Oder ist es Zufall, dass Vorschriften wie Jungfräulichkeit bis zur Ehe oder Verschleierung den Männern garantieren, keinen fremden Nachwuchs zu untergeschoben zu bekommen, also ihre eigenen Gene weiterzugeben.


Genetisch begründete Vorschriften müssten global gesehen und in völlig diferenzierenden Kulturen weitestgehen gleich sein. Nun sind sie es aber nicht.

Nehmen wir mal die Ureinwohner Nordamerikas aka Indianer.

Während in der Tat die Cheyenne als Puritaner gelten und die verheirateten Frauen während der Raubzüge der Männer Keuschheitsgürtel trugen (wobei es auch anerkannte und hochgeachtete Kriegerinnen mit eigenen geheimen Gesellschaften gab), waren die benachbarten Arapaho wesetlich lockerer (bei Männern und Frauen).

Die Stämme des Südwestens wie die Apachen lebten auch vorehelich sexuell aktiv. Es galt als normal, dass junge Männern von ihren Tanten sexuell initiiert wurden.

Die Cheyenne wiederrum erkannten z.B. Existenz von vier Geschlechtern an: männlich, weiblich, homosexuell lebende Männder oder lesbisch lebende Frauen.


Was ist hier nun genetisch und was kulturell? Cool

Deine Beispiel sind anschaulicher, als das, was ich vorbereitet hatte.

Clarks Experiment passt nicht zu dem, was Darwin berichtet:

Zitat:
Die Reise der Beagle - Kapitel XVIII - Tahiti
Charles Darwin - 1839

In Sachen Moral wurde oft gesagt, die Tugend der Frauen sei höchst offen für Ausnahmen. Bevor man ihnen zu schwere Vorwürfe macht, ist es gut, sich an die Szenen zu erinnern, die Kapitän Cook und Mr. Banks beschrieben haben und in denen die Mütter und Großmütter der heutigen Menschenschlags [race] eine Rolle spielten. Wer auf der Schwere der Vorwürfe besteht, sollte bedenken, wie sehr die Moral der Frauen in Europa schon früh von der Mutter auf ihre Töchter übertragen wird, und wie sehr in jedem Einzelfall religiöse Gebote beteiligt sind. Aber es ist zwecklos gegen solche Einwände zu argumentieren [...]


Original:

The Voyage of the Beagle - Chapter XVIII - Tahiti
Charles Darwin - 1839

In point of morality, the virtue of the women, it has been often said, is most open to exception. But before they are blamed too severely, it will be well distinctly to call to mind the scenes described by Captain Cook and Mr. Banks, in which the grandmothers and mothers of the present race played a part.

Those who are most severe, should consider how much of the morality of the women in Europe is owing to the system early impressed by mothers on their daughters, and how much in each individual case to the precepts of religion. But it is useless to argue against such reasoners; [...]

http://www.bartleby.com/29/18.html


Diese Zeile daraus ist sehr interessant: bedenke, wie sehr die Moral der Frauen in Europa schon früh von der Mutter auf ihre Töchter übertragen wird. Da versteckt sich noch ein Argument, das ich gerade nicht klar benennen kann.



Naastika hat folgendes geschrieben:
Genetisch begründete Vorschriften müssten global gesehen und in völlig diferenzierenden Kulturen weitestgehen gleich sein.

Genau danach ist gesucht. Ein Beispiel fällt mir ein.


ELTERN-KIND-BINDUNG

Selbstverständlich ist sie nicht. Viele Tiere laichen ab im Wasser oder legen ihre Eier in den Sand oder einen Wirt und damit hat es sich mit dem Elternaufwand.

Bei Säugetieren geht das naturgemäß nicht. Das spricht für mich dafür, daß Eltern-Kind-Bindung, besser Mutter-Kind-Bindung hier angeboren ist.

Gegenbeispiel: die Waisenkinder in Ceausecus Rumänien. Wo war die Eltern-Kind-Bindung in diesem Fall?
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2015099) Verfasst am: 12.08.2015, 08:33    Titel: Antworten mit Zitat

unquest hat folgendes geschrieben:
Was du schreibst entspricht in etwa dem 'Prozess der Zivilisation' wie von Elias sehr schön beschrieben. Duerr hat diese Zivilisationstheorie näher betrachtet und sie auf über 2500 Seiten einer heftigen Kritik unterzogen.
Kleines Beispiel: Du magst vielleicht eine nackte Indianerin sehen. Du übersiehst dabei aber ihren Gürtel den sie trägt. Ohne diesen Gürtel wäre sie nackt und würde sich auch schämen.


Laut Wikipedia sind es sogar 3500 Seiten! Elias selbst hat zum ersten Band von Hans Peter Duerr eine Antwort verfaßt, die '88 in der ZEIT erschien, und in der er auf gerade mal 8 Buchseiten* darlegt, warum sich Duerr an einen Zivilisationsbegriff abarbeitet, der nicht der von Elias ist.

________
* Nachzulesen in : N. Eiias, Ges. Werke, Bd. 16, S. 334 - 341
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Ahriman
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Beitrag(#2015119) Verfasst am: 12.08.2015, 12:42    Titel: Antworten mit Zitat

unquest hat folgendes geschrieben:
Kleines Beispiel: Du magst vielleicht eine nackte Indianerin sehen. Du übersiehst dabei aber ihren Gürtel den sie trägt. Ohne diesen Gürtel wäre sie nackt und würde sich auch schämen.

Ja schon. Aber auch das ist anerzogen, keinesfalls evolutionär über die Gene gesteuert.
Innerhalb weniger Jahrzehnte kamen die Skandinavier vom Pornographieverbot weg zum Gegenteil, und das schwappte dann über ganz Westeuropa. So schnell ist die Evolution nicht. Das war ein reiner Kultur- und Lernvorgang. Und es hat auch grad mal so ein halbes Jahrhundert gedauert von den voluminösen Badeanzügen der Damen um 1900 bis zum Bikini, und dann noch ein paar wenige Jährchen zum Tanga.
Unser Sexualverhalten ist allein Kultur und Erziehung. Das gilt übrigens auch für den Kannibalismus.
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