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Was ist Raum, was ist Zeit?
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
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Beitrag(#2051986) Verfasst am: 08.04.2016, 23:16    Titel: Was ist Raum, was ist Zeit? Antworten mit Zitat

Ganz guter Artikel im April-SdW:

http://www.spektrum.de/magazin/sind-raum-und-zeit-das-produkt-quantenmechanischer-verschraenkungsprozesse/1400768

Es ist natürlich sehr schwer, so etwas anschaulich darzustellen. Aber ich halte das, basierend auf der sog. Maldacena-Dualität, für den besten Ansatz der vergangenen Jahrzehnte. Sozusagen das erste Mal, daß man sagen könnte "wir beginnen zu verstehen, was Raum und Zeit wirklich sind". Nebenbei bietet dieser Ansatz auch eine mögliche Erklärung für die Expansion des Universums.

Falls jemand das PDF will, bitte PN mit @.
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Tso Wang
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Anmeldungsdatum: 21.09.2003
Beiträge: 1433

Beitrag(#2052014) Verfasst am: 09.04.2016, 14:10    Titel: Re: Was ist Raum, was ist Zeit? Antworten mit Zitat

.

http://www.nature.com/news/the-quantum-source-of-space-time-1.18797

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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2052031) Verfasst am: 09.04.2016, 16:14    Titel: Antworten mit Zitat

Kurzfassung:

Was ist Verschränkung? Warum passt meine Vorstellung von Verschränkung nicht zu dem, was im Artikel steht? Am Kopf kratzen





DE-SITTER-RAUM

Der Artikel erwähnt ihn überhaupt nicht, sondern steigt gleich beim Anti-De-Sitter-Raum ein. Das finde ich schade.

Cowen hat folgendes geschrieben:
Maldacena postulierte eine Beziehung zwische zwei scheinbar ganz unterschiedlichen Modelluniversen. Das eine heißt Anti-de-Sitter-Raum (AdS). Dieses Modell ähnelt unserem Kosmos - allerdings ohne Expansion oder Kontraktion -, ist dreidimensional, enthält Quantenteilchen und gehorcht den einsteinschen Feldgleichungen.

Anti-de-Sitter ist eine mathemagische Transformation des normalen de-Sitter-Raums. Er unterscheidet sich vom "normalen" Raum durch die an M.C. Escher erinnernde Projektion, die es salopp gesagt erlaubt, auf endlichem Raum unendlich viel unterzubringen.

Die Motivation dahinter: untersucht man den "normalen Raum", dann fällt es schwer, einen Grund anzugeben, warum man nun ein kleines oder ein großes Raumstück untersuchen sollte. Abgrenzungen - im Sinne von Ereignishorizonten - wären erstmal willkürlich, genau die will man ja berechnen, da wäre es schlecht, wenn man sie bereits in den Ansatz hineinsteckte.

Bei AdS hingegen braucht man nicht vorher abgrenzen, da passt alles auf wenige Pixel. zwinkern





Obendrein: in einer Sache ähnelt unser Kosmos weder de-Sitter- noch Anti-de-Sitter, denn in unserem Kosmos gibt es neben dem Raum, der kosmologischen Konstante beziehungsweise der Nullpunktsenergie auch noch gewöhnliche, meinetwegen auch dunkle, Materie. Mein Bauchgefühl sagt, es ist keine gute Idee, die Materie einfach wegzulassen.



VERSCHRÄNKUNG UND INFORMATIONSPARADOX

Was am Ereignishorizont genau passiert, ist seit den 1970er Jahren umstritten. Siehe die Debatte darüber, ob Schwarze Löcher Haare haben oder nicht. Wenn verschränkte Teilchenpaare nahe an einem Ereignishorizont entstehen, dann kann eins davon ins Schwarze Loch fallen, während das andere entkommt. (Hat Hawking so gesagt, und hinzugefügt, daß es in Wirklichkeit komplizierter ist.)

Der Gedanke ist problematisch, weil dabei Information über das Hineingefallene verlorengeht.

    - Hawking-Strahlung kann nicht gleichzeitig thermisch-zufällig sein und obendrein Information über einen Raumfahrer, ein Raumschiff oder einen ganzen Stern enthalten, der hineingefallen ist.

    - Oder Hawkings Vorstellung ist falsch, dann handelt man sich neue Probleme in Form einer Feuerwand ein. Die, soweit ich es verstanden habe, von der Wahl der Koordinaten abhängig ist.

    - Oder es geht Quanteninformation verloren.

So oder so bleibt nur Mit den Augen rollen


Es wundert mich, daß der Artikel dazu nichts sagt.


Im Gegensatz zu unserem Kosmos ist ein AdS-Raum frei von Materie. Insbesondere auch frei von starken Feldern, die ein spontan entstehendes und vergehendes Teilchenpaar überhaupt erst trennen könnten. Der Artikel spricht viel von Verschränkung. Aber mir ist nicht klar, was da verschränkt sein soll? Außer der Nullpunktsenergie ist ja nichts da.


Ich könnte wüst spekulieren, daß es bei der Verschränkung um hypothetische Partikel wie das Inflaton geht.

Oder auch, daß nicht nur ein Partikelpaar spontan entsteht, sondern mehrere gleichzeitig, die dann so miteinander Wechselwirken, ohne sich zu annihilieren. Klingt aber nicht überzeugend, denn nach einer Wechselwirkung ist es doch vorbei mit der Verschränkung?




WELCHE SKALA HAT DIESER GRAPH?

Verschränkung ist unter "normalen" Bedingungen kurzlebig und kleinräumig. Es braucht ein Menge Apparatur, um eine Verschränkung aufrecht zu erhalten. Wie ist dann dieser Graph zu lesen? Geht es da um subatomare Größenordnungen oder um kosmologische?


Wenn's um atomare Größenordnungen geht, könnte ich mir einen Reim darauf machen. Aber es ist von bulk universe die Rede.

In meiner Lesart geht das Argument so:

Bei uns entsteht ein Paar verschränkter Teilchen. Sagen wir zwei Photonen. Das eine saust in Richtung Andromeda-Nebel davon und stellt so den Kausalzusammenhang zwischen der Milchstraße und dem Rest des beobachtbaren Universums her?

Ist es das, was der Artikel sagen will? Diese Auslegung finde ich nicht überzeugend. Warum muß das Photon verschränkt sein? Damit es nach Hause telefonieren kann? Reicht ein darüberstreichen des Lichtkegels nicht, um einen kausalen Zusammenhang herzustellen?



Und überhaupt:

- wie weit kommt ein verschränktes Photon, bevor es mit irgend etwas wechselwirkt? Da muß ich passen, tippe aber auf nicht so weit. Stimmt das?

- mag sein, daß die zugrundeliegenden Arbeiten das anders darstellen, in der Graphik jedenfalls sind die Partikel promisk verschränkt. So ist es in Wirklichkeit auch nicht, oder?




WURMLÖCHER

Cowen hat folgendes geschrieben:
Nach der ER = EPR-Hypothese ist die durch ein Wurmloch hergestellte Verbindung dasselbe wie eine Quantenverschränkung, nur in viel größerem Maßstab.


Eine kühne These. Das gefällt mir. Glauben tu' ich sie nicht.



Wurmlöcher - gibt es irgend ein Argument, das auch nur annähernd auf die Existenz solcher Dinger hindeutet? Die Wurmloch-Analogie bringt nichts Neues, das über Begriff Nicht-Lokalität hinausgeht. Oder ist mir da etwas entgangen?




PS:

Besonders bei der de-Sitter-Sache ohne Gewähr.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Beitrag(#2052034) Verfasst am: 09.04.2016, 17:23    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
in einer Sache ähnelt unser Kosmos weder de-Sitter- noch Anti-de-Sitter, denn in unserem Kosmos gibt es neben dem Raum, der kosmologischen Konstante beziehungsweise der Nullpunktsenergie auch noch gewöhnliche, meinetwegen auch dunkle, Materie. Mein Bauchgefühl sagt, es ist keine gute Idee, die Materie einfach wegzulassen.

Ja, wie im Artikel erwähnt, ist das modellierte Universum statisch. Ich denke aber, das ist bei Fragen nach der Natur der Raumzeit erstmal legitim und sogar eine gute Idee, auf diese Weise einen fundamentalen Zusammenhang zu suchen.

smallie hat folgendes geschrieben:
Im Gegensatz zu unserem Kosmos ist ein AdS-Raum frei von Materie. Insbesondere auch frei von starken Feldern, die ein spontan entstehendes und vergehendes Teilchenpaar überhaupt erst trennen könnten. Der Artikel spricht viel von Verschränkung. Aber mir ist nicht klar, was da verschränkt sein soll? Außer der Nullpunktsenergie ist ja nichts da.

Nee, das ist ganz anders gemeint. In dem (leeren) AdS-Universum gibt es das Phänomen "Raum", während die Quantenfelder und ihre Verschränkung in einem anderen Raum (der Hülle mit den Tensoren) leben. Es sind also nicht die uns bekannten Teilchen, sondern sie werden in einem mathematischen, erstmal hypothetischen Raum angenommen, und zwar gerade so, daß ihre Beschreibung mathematisch äquivalent zum Raum in "unserem" AdS-Universum ist. Das dies überhaupt geht, ist nicht selbstverständlich. Der Witz dabei ist, daß die Tensorfelder einer QFT genügen, mit der man einigermaßen gut umgehen kann.
Wenn sich das besser bestätigt, kann man u.a. zurückschließen und aus den Eigenschaften der Tensorfelder Voraussagen über Raumphänomene machen, und letztlich eine fundamentalere Erklärung für Raum und Zeit angeben.

Ich habe nach einem einfach verständlichen Analogon gesucht, mir ist aber leider noch keins eingefallen.

smallie hat folgendes geschrieben:
Verschränkung ist unter "normalen" Bedingungen kurzlebig und kleinräumig. Es braucht ein Menge Apparatur, um eine Verschränkung aufrecht zu erhalten.

Ja, in unserem Universum. Die dort geltenden QFTs haben ja auch ganz andere Parameter.

smallie hat folgendes geschrieben:
Wie ist dann dieser Graph zu lesen? Geht es da um subatomare Größenordnungen oder um kosmologische?

Ich würde sagen, es gilt für jede Größenordnung oberhalb der Plancklängen.

smallie hat folgendes geschrieben:
Bei uns entsteht ein Paar verschränkter Teilchen. Sagen wir zwei Photonen. Das eine saust in Richtung Andromeda-Nebel davon und stellt so den Kausalzusammenhang zwischen der Milchstraße und dem Rest des beobachtbaren Universums her? Ist es das, was der Artikel sagen will?

Nein, wie gesagt, die Verschränkung bezieht sich gar nicht auf die Teilchen in unserem Universum, sondern auf die der generierenden QFT in der hypothetischen Hülle.

smallie hat folgendes geschrieben:
- wie weit kommt ein verschränktes Photon, bevor es mit irgend etwas wechselwirkt? Da muß ich passen, tippe aber auf nicht so weit. Stimmt das?

Auf der Erde stimmt das jedenfalls. Aber Photonen gehorschen ja einer ganz anderen QFT.

smallie hat folgendes geschrieben:
- mag sein, daß die zugrundeliegenden Arbeiten das anders darstellen, in der Graphik jedenfalls sind die Partikel promisk verschränkt. So ist es in Wirklichkeit auch nicht, oder?

In dem CFT Raum ist es aber so, nehme ich an. Und wenn es da Dekohärenz gibt, gibts bei uns äquivalent einen neuen Raum, salopp gesagt. Wie "selten" das nun vorkommt, weiß ich auch nicht.

smallie hat folgendes geschrieben:
Wurmlöcher - gibt es irgend ein Argument, das auch nur annähernd auf die Existenz solcher Dinger hindeutet? Die Wurmloch-Analogie bringt nichts Neues, das über Begriff Nicht-Lokalität hinausgeht.

Wurmlöcher sind ein Raumzeitphänomen (jedenfalls wenn die ART stimmt). Daher ist es interessant, ob der Maldacena-Ansatz diese äquivalent voraussagt und welches Quantenphänomen im CFT Raum ihnen entspricht.
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Tso Wang
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Anmeldungsdatum: 21.09.2003
Beiträge: 1433

Beitrag(#2052064) Verfasst am: 10.04.2016, 09:15    Titel: Gravity and Entanglement Antworten mit Zitat

.

https://www.youtube.com/watch?v=WQU9yOtWrQk

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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#2052076) Verfasst am: 10.04.2016, 12:03    Titel: Antworten mit Zitat

Danke, in dem Video ist noch einiges Weitere erklärt, so daß man einen besseren Eindruck von den Zusammenhängen bekommt.
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zelig
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Beiträge: 25403

Beitrag(#2052080) Verfasst am: 10.04.2016, 13:21    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ich habe nach einem einfach verständlichen Analogon gesucht, mir ist aber leider noch keins eingefallen.


Für einen interessierten Laien wäre es sehr hilfrauch, wenn Dir das gelänge.
Vorläufig stelle ich mir eine riesige Menge von Seifenblasen vor, die sich vielfach in ihren Oberflächen überschneiden (oder Übergänge bilden?). Wir sind die zweidimensionalen Wesen, die diesmal auf der Innenseite einer dieser Seifenblase existieren. Wir haben bisher eine Theorie über die Innenregion ("Raum") unserer Blase, die wir beobachten können. Und wir haben eine Theorie über die Region auf der wir leben (Grenze des "Raums").
Insgesamt könnte es sein, daß die eine Theorie die gesamte Metaregion beschreibt, und die andere eine lokale Subregion. Bezogen auf das aktuelle Theme sind wir gerade von der Entdeckung fasziniert, daß Gravitation als lokale Beschreibung äquivalent (?) zu einer Untermenge der Metatheorie ist. Ferner könnte die Verschränkung konstitutiv für die (physikalische) Zeit sein.

Ich wünschte, ich hätte mich früher stärker für diese Themen interessiert. Wahrscheinlich zeige ich gerade vor allem meine eigenen Grenzen. : )
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#2052085) Verfasst am: 10.04.2016, 15:01    Titel: Antworten mit Zitat

Dasselbe nochmal anders erklärt, und mit einer Analogie (soup can label). Die Analogie gefällt mir persönlich nicht so, aber trotzdem:
https://www.sciencenews.org/article/entanglement-gravitys-long-distance-connection

Ein kurzer (leicht) und ein längerer (schwierig) Foliensatz:
http://people.brandeis.edu/~headrick/talks/EntanglementGeometry.pdf
http://gr20-amaldi10.edu.pl/userfiles/10-03_Tadashi%20Takayanagi%20-%20Entanglement%20Entropy%20and%20the%20Gravity___.pdf
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2052134) Verfasst am: 10.04.2016, 20:14    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
in einer Sache ähnelt unser Kosmos weder de-Sitter- noch Anti-de-Sitter, denn in unserem Kosmos gibt es neben dem Raum, der kosmologischen Konstante beziehungsweise der Nullpunktsenergie auch noch gewöhnliche, meinetwegen auch dunkle, Materie. Mein Bauchgefühl sagt, es ist keine gute Idee, die Materie einfach wegzulassen.

Ja, wie im Artikel erwähnt, ist das modellierte Universum statisch. Ich denke aber, das ist bei Fragen nach der Natur der Raumzeit erstmal legitim und sogar eine gute Idee, auf diese Weise einen fundamentalen Zusammenhang zu suchen.

Da fehlt mir noch ein Baustein.

In einem statischen Universum sollte es nicht vorkommen, daß sich der gelbe und der rote Raumbereich voneinander trennen. Der Vorgang sieht mir recht dynamisch aus.



step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Im Gegensatz zu unserem Kosmos ist ein AdS-Raum frei von Materie. Insbesondere auch frei von starken Feldern, die ein spontan entstehendes und vergehendes Teilchenpaar überhaupt erst trennen könnten. Der Artikel spricht viel von Verschränkung. Aber mir ist nicht klar, was da verschränkt sein soll? Außer der Nullpunktsenergie ist ja nichts da.

Nee, das ist ganz anders gemeint. In dem (leeren) AdS-Universum gibt es das Phänomen "Raum", während die Quantenfelder und ihre Verschränkung in einem anderen Raum (der Hülle mit den Tensoren) leben. Es sind also nicht die uns bekannten Teilchen, sondern sie werden in einem mathematischen, erstmal hypothetischen Raum angenommen, und zwar gerade so, daß ihre Beschreibung mathematisch äquivalent zum Raum in "unserem" AdS-Universum ist.

"Verschränkt" in CFT, nicht aber in AdS - das erklärt, warum ich mit der Darstellung der Verschränkung nichts anfangen konnte. Danke, das war mir nicht klar.



step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wie ist dann dieser Graph zu lesen? Geht es da um subatomare Größenordnungen oder um kosmologische?

Ich würde sagen, es gilt für jede Größenordnung oberhalb der Plancklängen.

Da gehe ich mit. Solange der betreffende Raumbereich nahe an der Schwarzschilddichte liegt. Nur dann gilt, daß Entropie proportional zu einer Oberfläche ist. Im normalen Raum ist sie grob gesagt eher proportional zum Volumen.


Wenn die Beschreibung der Welt im AdS-Raum äquivalent ist zur Beschreibung in CFT, dann sollten sich Zusammenhänge in einem System in die Sprache das anderen übertragen lassen.

Welche Ursachen gibt es - in herkömmlicher Darstellung -, daß sich Raumbereiche abspalten, die hinterher kausal getrennt sind? Zwei Gründe fallen mir ein:

    1) kosmische Expansion. Sei es Inflation, kosmologische Konstante oder eine, ermm, "variable" kosmologische Konstante.
    2) gravitativer Ereignishorizont, also Schwarzes Loch.



Zu 1) Denk an zwei Beobachter, von denen einer am "Nordpol", einer am "Südpol" des beobachtbaren Universums steht. Beide sind "heute" kausal voneinander getrennt, obwohl beide in unserem Lichtkegel liegen. Das obige Diagramm stellt das als disjunkte Raumbereiche, ja sogar als getrennte Universen, dar - was sie im Sinne einer gelösten Verschränkung in CFT auch sind. Daß es aber kontinuierlichen Raum dazwischen gibt, ist in der graphischen Darstellung verloren gegangen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß die mathematische Darstellung des Sachverhaltes diesen Fehler nicht macht. Meine Kritik ist eher, daß die neuartige Darstellung den beiden Argumenten 1) und 2) nichts hinzufügt.

Zu 2) Ein Schwarzes Loch könnte ich mir als Raumbereich verstehen, der ebenfalls von unserem kausal getrennt ist. Ob nur vorübergehend oder für immer - eine Antwort darauf wäre die Lösung des Informationsparadoxons.


Wenn die Ads/CFT-Dualität zu diesen Fragen etwas beitragen könnte, dann wäre sie mehr als nur Spekulation. Interessanterweise stammen die Beispiele für die Nützlichkeit der Dualität, wie sie der SdW-Artikel nennt, aus ganz anderen Bereichen der Physik.



step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wurmlöcher - gibt es irgend ein Argument, das auch nur annähernd auf die Existenz solcher Dinger hindeutet? Die Wurmloch-Analogie bringt nichts Neues, das über Begriff Nicht-Lokalität hinausgeht.

Wurmlöcher sind ein Raumzeitphänomen (jedenfalls wenn die ART stimmt). Daher ist es interessant, ob der Maldacena-Ansatz diese äquivalent voraussagt und welches Quantenphänomen im CFT Raum ihnen entspricht.

Meine Vorstellung geht so:

wäre ich Universumsbauer und könnte darum Masse beliebig im Raum platzieren, dann könnte ich auch Wurmlöcher erzeugen. Wie bei einer natürlichen kosmischen Entwicklung ein Wurmloch entstehen sollte, überfordert meine Phantasie.

Nichtsdestotrotz:

Wenn es gelingt, Gravitation mit den anderen Kräften zu vereinigen, dann ist es zumindest denkbar, daß sich das Phänomen "Wurmloch" analog auch bei den anderen Kräften zeigt. Insofern ziehe ich meinen Einwand zurück. Auch wenn es kein praktisches Beispiel für ein Wurmloch in der Welt der Schwerkraft gibt, so könnte es doch eins in der Welt der CFT-GUT-Verschränkung geben.

Das muß zwangsläufig so sein, wenn sich die Erscheinungen unseres Raumes tatsächlich um eine Dimension verringern lassen. Dann gibt es Korrelationen, die wir nicht sehen.



Noch ein ganz großes caveat hinterhergeschickt.

Die AdS/CFT-Dualität kann Korrelationen beschreiben kann, die wir nicht sehen. Aber warum sollten diese Korrelationen EPR-artig sein? Warum gilt ER = EPR, obwohl niemand EPR vertritt?

EPR ist die Behauptung, es gäbe verborgene Variablen. Bisher gibt es aber keinen Fall, der die Bellsche Ungleichung verletzt. Wenn AdS/CFT tatsächlich EPR bestätigen sollte und verborgene Variablen wieder salonfähig macht, wäre das eine Sensation.
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smallie
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Beiträge: 3613

Beitrag(#2052138) Verfasst am: 10.04.2016, 20:38    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich habe nach einem einfach verständlichen Analogon gesucht, mir ist aber leider noch keins eingefallen.


Für einen interessierten Laien wäre es sehr hilfrauch, wenn Dir das gelänge.

So vielleicht.

Hier wird der 3D-Raum mit verblüffendem Effekt auf 2D reduziert.



Bei AdS/CFT ist es umgekehrt. Da gibt es derartige Stützeffekte oder Korrelationen, obwohl wir sie nicht sehen.
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step
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Beitrag(#2052200) Verfasst am: 11.04.2016, 14:32    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Die AdS/CFT-Dualität kann Korrelationen beschreiben kann, die wir nicht sehen. Aber warum sollten diese Korrelationen EPR-artig sein? Warum gilt ER = EPR, obwohl niemand EPR vertritt? EPR ist die Behauptung, es gäbe verborgene Variablen. Bisher gibt es aber keinen Fall, der die Bellsche Ungleichung verletzt. Wenn AdS/CFT tatsächlich EPR bestätigen sollte und verborgene Variablen wieder salonfähig macht, wäre das eine Sensation.

EPR steht hier einfach für Verschränkung, nämlich für die drei Forscher, die damals das erste Paper über Verschränkung schrieben:

Einstein, A.; Podolsky, B.; Rosen, N. (15 May 1935). "Can Quantum-Mechanical Description of Physical Reality Be Considered Complete?" - Physical Review 47 (10): 777–780.

Zu den anderen Fragen gibt es teilweise was in der verlinkten Präsentation, z.B. Fläche vs. Volumen und auch zur möglichen Auflösung des Informationsparadoxes und kosmischer Expansion durch diesen Ansatz. Ansonsten sobald ich wieder Zeit finde ...
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smallie
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Beitrag(#2052218) Verfasst am: 11.04.2016, 18:04    Titel: Antworten mit Zitat

Vorrausgeschickt: es fehlt ein "nicht" im Satz über die Verletzung der Bellschen Ungleichung.

step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Die AdS/CFT-Dualität kann Korrelationen beschreiben kann, die wir nicht sehen. Aber warum sollten diese Korrelationen EPR-artig sein? Warum gilt ER = EPR, obwohl niemand EPR vertritt? EPR ist die Behauptung, es gäbe verborgene Variablen. Bisher gibt es aber keinen Fall, der die Bellsche Ungleichung verletzt. Wenn AdS/CFT tatsächlich EPR bestätigen sollte und verborgene Variablen wieder salonfähig macht, wäre das eine Sensation.

EPR steht hier einfach für Verschränkung, nämlich für die drei Forscher, die damals das erste Paper über Verschränkung schrieben:

Einstein, A.; Podolsky, B.; Rosen, N. (15 May 1935). "Can Quantum-Mechanical Description of Physical Reality Be Considered Complete?" - Physical Review 47 (10): 777–780.

Ist mir bekannt.

Vergleiche Wikipedia:

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Bell's theorem - Historical background

In the early 1930s, the philosophical implications of the current interpretations of quantum theory troubled many prominent physicists of the day, including Albert Einstein. In a well-known 1935 paper, Boris Podolsky and co-authors Einstein and Nathan Rosen (collectively "EPR") sought to demonstrate by the EPR paradox that QM was incomplete. This provided hope that a more-complete (and less-troubling) theory might one day be discovered. But that conclusion rested on the seemingly reasonable assumptions of locality and realism (together called "local realism" or "local hidden variables", often interchangeably). In the vernacular of Einstein: locality meant no instantaneous ("spooky") action at a distance; realism meant the moon is there even when not being observed. These assumptions were hotly debated in the physics community, notably between Nobel laureates Einstein and Niels Bohr.

In his groundbreaking 1964 paper, "On the Einstein Podolsky Rosen paradox", physicist John Stewart Bell presented an analogy (based on spin measurements on pairs of entangled electrons) to EPR's hypothetical paradox. Using their reasoning, he said, a choice of measurement setting here should not affect the outcome of a measurement there (and vice versa). After providing a mathematical formulation of locality and realism based on this, he showed specific cases where this would be inconsistent with the predictions of QM theory.

https://en.wikipedia.org/wiki/Bell's_theorem


Ich halte mein Argument aufrecht - wenn AdS/CFT eine Aussage macht in Sachen EPR, - und das scheint mir der Fall zu sein, auch wenn es nicht ausdrücklich gesagt wurde -, dann wäre das eine Sensation.


step hat folgendes geschrieben:
Zu den anderen Fragen gibt es teilweise was in der verlinkten Präsentation, z.B. Fläche vs. Volumen und auch zur möglichen Auflösung des Informationsparadoxes und kosmischer Expansion durch diesen Ansatz. Ansonsten sobald ich wieder Zeit finde ...

Beim ersten drüberschauen gestern habe ich nach einem Drittel aufgegeben. Für mein Hausmacher-Niveau ist das dann doch etwas hoch. Weinen Mal sehen, ob nach gründlichem Lesen etwas 'rumkommt.
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Beitrag(#2052231) Verfasst am: 11.04.2016, 18:49    Titel: Antworten mit Zitat

@smallie - ich verstehe nicht, wie Du darauf kommst, es deute hier etwas auf verborgene Variablen hin. Wenn der AdS/CFT Ansatz stimmt, ist die quantisierte Raumzeit äquivalent zu einer QFT ohne Gravitation in einem um 1 niederdimensionalen Raum (typischerweise 4 statt 5). Wo sollen da die HV herkommen, die es in einer QFT ja eben nicht gibt?

Zum BH Information Paradox:

https://en.wikipedia.org/wiki/AdS/CFT_correspondence#Black_hole_information_paradox

Zitat:
The AdS/CFT correspondence resolves the black hole information paradox, at least to some extent [...] Any ... black hole corresponds to a configuration of particles on the boundary of anti-de Sitter space. These particles obey the usual rules of quantum mechanics and in particular evolve in a unitary fashion, so the black hole must also evolve in a unitary fashion, respecting the principles of quantum mechanics. In 2005, Hawking announced that the paradox had been settled in favor of information conservation by the AdS/CFT correspondence, and he suggested a concrete mechanism by which black holes might preserve information.

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smallie
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Beiträge: 3613

Beitrag(#2052318) Verfasst am: 12.04.2016, 18:58    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
@smallie - ich verstehe nicht, wie Du darauf kommst, es deute hier etwas auf verborgene Variablen hin. Wenn der AdS/CFT Ansatz stimmt, ist die quantisierte Raumzeit äquivalent zu einer QFT ohne Gravitation in einem um 1 niederdimensionalen Raum (typischerweise 4 statt 5). Wo sollen da die HV herkommen, die es in einer QFT ja eben nicht gibt?

Das mußt du die Leute fragen, die EPR ins Spiel gebracht haben. Und bei EPR denke ich an verborgene Variable, Nicht-Lokalität oder Nicht-Realismus. Zu mindestens einem dieser Punkte sollte eine Aussage kommen, wenn EPR angerufen wird.


step hat folgendes geschrieben:
Zum BH Information Paradox:

https://en.wikipedia.org/wiki/AdS/CFT_correspondence#Black_hole_information_paradox

Zitat:
The AdS/CFT correspondence resolves the black hole information paradox, at least to some extent [...] Any ... black hole corresponds to a configuration of particles on the boundary of anti-de Sitter space. These particles obey the usual rules of quantum mechanics and in particular evolve in a unitary fashion, so the black hole must also evolve in a unitary fashion, respecting the principles of quantum mechanics. In 2005, Hawking announced that the paradox had been settled in favor of information conservation by the AdS/CFT correspondence, and he suggested a concrete mechanism by which black holes might preserve information.

Nun ja, Hawking schreibt weiter mit an Artikel, in denen die Sache aus anderem Winkel betrachtet.

Das neuste Ding sind supertranslations - frag mich nicht, was das ist, da muß ich passen. Siehe hier, ich zitiere nur den Teil zu Hawkings Mitwirkung:


Zitat:
Stephen Hawking's New Black-Hole Paper, Translated
January 8, 2016


SF: Stephen Hawking is an author on this paper, so I take it he agrees that his original argument was flawed in this way.


AS: Right. I think that’s why he got excited. People have made all kinds of crazy criticisms of his argument, and to the best of my impressions, he’s correctly objected to all of them. But this one, he heard it and he seemed to immediately agree that this was the key. In fact, as you’ve learned from what happened at Stockholm, he’s more certain than I am that this is the missing link in understanding black hole information. I’ve been surprised so many times in my career about how things turn out that I'm not making any predictions.

http://blogs.scientificamerican.com/dark-star-diaries/stephen-hawking-s-new-black-hole-paper-translated-an-interview-with-co-author-andrew-strominger/

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Beitrag(#2052320) Verfasst am: 12.04.2016, 19:18    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Und bei EPR denke ich an verborgene Variable, Nicht-Lokalität oder Nicht-Realismus. Zu mindestens einem dieser Punkte sollte eine Aussage kommen, wenn EPR angerufen wird.

Das stimmt sogar: Nichtlokalität in der CFT.
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smallie
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Beitrag(#2052323) Verfasst am: 12.04.2016, 19:36    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hab' EPR als Kritik an dem Konzept abgespeichert.

Wenn die EPR-Arbeit geschrieben wurde, um zu sagen: seht her! Quantenmechanische Verschränkung ist Nicht-Lokal! dann verstehe ich, was gemeint ist, und mein Gedanke, da sei eine Sensation versteckt, war Unfug. Die populäre Darstellung von EPR geht eher so, daß sie sagten: Seht! Da ist eine Lücke im Gedankengebäude.

Allerdings wäre ich nicht überrascht, wenn die populäre Darstellung etwas anders geht, als das, was wirklich in der Arbeit steht.
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smallie
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Beitrag(#2053741) Verfasst am: 25.04.2016, 20:58    Titel: Antworten mit Zitat

Das EPR-Papier habe ich inzwischen gelesen und auch schon ein bisschen was dazu und zu Bell aufgeschrieben.

Nun ist mir gerade aufgefallen, daß ich doof bin.

Wenn ich die Sache richtig verstehe, dann sollte folgendes möglich sein:

    - geh' ins 3D-Kino.
    - platziere zwei Brillen hintereinander, und zwar zwei gegenseitig polarisierende Scheiben. Ergebnis: es geht kein Licht durch.
    - platziere drei Brillen hintereinander, so daß die mittlere um 45° zwischen den zwei entgegengesetzten steht. Ergebnis: es geht ein bisschen Licht durch.

Kommt das hin?

Frage
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step
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Beitrag(#2053884) Verfasst am: 27.04.2016, 12:50    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Wenn ich die Sache richtig verstehe, dann sollte folgendes möglich sein:

    - geh' ins 3D-Kino.
    - platziere zwei Brillen hintereinander, und zwar zwei gegenseitig polarisierende Scheiben. Ergebnis: es geht kein Licht durch.
    - platziere drei Brillen hintereinander, so daß die mittlere um 45° zwischen den zwei entgegengesetzten steht. Ergebnis: es geht ein bisschen Licht durch.

Kommt das hin?

Ja, das ist korrekt.

Ohne Quantenphysik kann man sich das so veranschaulichen: Der Linear-Polfilter läßt nur eine Ebene durch. Er "betrachtet" dazu jede Lichtwelle als zusammengesetzt aus einer Komponente parallel und senkrecht zu seiner P-Richtung - was aufgrund der vektoriellen Natur des EM-Feldes möglich ist.

Wenn der erste Filter jetzt z.B. 0° und der zweite ß-Richtung durchläßt, dann "zerlegt" der zweite Filter das 0°-Licht in Linearkomponenten ß und ß-π/2. Es kommt also die relative Amplitude cos(ß) in ß-Richtung polarisiert durch.

Der dritte Filter macht es genauso: Wenn er α durchläßt, dann "zerlegt" der dritte Filter das ß-Licht in Linearkomponenten α und α-π/2. Es kommt also am Ende Amplitude cos(ß)*cos(ß-α) in α-Richtung polarisiert durch.

Ist der Hintegrund Deiner Frage etwa das Gedankenexperiment mit dem Zufallsgenerator, z.B. hier beschrieben?
http://scienceblogs.de/arte-fakten/2010/07/02/die-eprgeschichte-teil-3-ein-zufallsgenerator-fur-bell/
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smallie
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Beitrag(#2053993) Verfasst am: 28.04.2016, 22:16    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wenn ich die Sache richtig verstehe, dann sollte folgendes möglich sein:

    - geh' ins 3D-Kino.
    - platziere zwei Brillen hintereinander, und zwar zwei gegenseitig polarisierende Scheiben. Ergebnis: es geht kein Licht durch.
    - platziere drei Brillen hintereinander, so daß die mittlere um 45° zwischen den zwei entgegengesetzten steht. Ergebnis: es geht ein bisschen Licht durch.

Kommt das hin?

Ja, das ist korrekt.

Jetzt bin ich gespannt, das mal in Echt auszuprobieren.


step hat folgendes geschrieben:
Ohne Quantenphysik kann man sich das so veranschaulichen: Der Linear-Polfilter läßt nur eine Ebene durch. Er "betrachtet" dazu jede Lichtwelle als zusammengesetzt aus einer Komponente parallel und senkrecht zu seiner P-Richtung - was aufgrund der vektoriellen Natur des EM-Feldes möglich ist.

Wenn der erste Filter jetzt z.B. 0° und der zweite ß-Richtung durchläßt, dann "zerlegt" der zweite Filter das 0°-Licht in Linearkomponenten ß und ß-π/2. Es kommt also die relative Amplitude cos(ß) in ß-Richtung polarisiert durch.

Der dritte Filter macht es genauso: Wenn er α durchläßt, dann "zerlegt" der dritte Filter das ß-Licht in Linearkomponenten α und α-π/2. Es kommt also am Ende Amplitude cos(ß)*cos(ß-α) in α-Richtung polarisiert durch.

So genau hätte ich das nicht sagen können.

Auf meinem Niveau - und rückwärts gedacht - lautet das: beim Durchgang durch einen Spalt - hier Polfilter - ist der Ort eines Teilchens festgelegt. Würde das Teilchen dann noch durch einen zweiten, um 90 Grad gedrehten Spalt in Abstand x gehen, wäre sowohl Ort und Geschwindigkeit des Teilchens bekannt.


step hat folgendes geschrieben:
Ist der Hintegrund Deiner Frage etwa das Gedankenexperiment mit dem Zufallsgenerator, z.B. hier beschrieben?
http://scienceblogs.de/arte-fakten/2010/07/02/die-eprgeschichte-teil-3-ein-zufallsgenerator-fur-bell/

Ja, genau.

Hab' inzwischen halbwegs fertig, was ich aufschreiben wollte. Ein kurzer, geschichtlicher Überblick zum Thema Verschränkung.





1926 - de Broglie behauptet die Wellennatur von Partikeln.
1926 - Schrödinger stellt seine Gleichung auf, mit dem Elektron als eine Partikelwelle.
1926 - Born sieht das Amplitudenquadrat der Wellenfunktion als Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

1927 - Heisenbergs Unschärferelation
1927 - Kopenhagener Interpretation

1932 - Nachweis des Neutrons

1935 - EPR.

EPR argumentiert in zwei Stufen.

    1) Kopenhaagener Kollaps

    Mit einer Messung wird der Zustand der Wellenfunktion festgestellt. Oder auf deutsch: man schaut, wo man das Partikel tatsächlich findet. Der Messvorgang führt dazu, daß der weitere Zustand des neuen Systems unbekannt ist.


    2) Was passiert, wenn zwei dieser Kollapse hintereinander passieren? Beziehungsweise an zwei verschränkten Teilchen? Der erste Kollaps hinterläßt das System in einem undefinierten Zustand, deshalb führen weitere Messungen zu logischen Widersprüchen.


1957 - Bohm und Aharonov kommen auf die übliche Darstellung mit dem Spin. Discussion of Experimental Proof for the Paradox of Einstein, Rosen, and Podolsk

1965 - Bell stellt seine Ungleichung auf.




Hier ein Beispiel, wie es aussähe, wenn in der Quantenwelt die gleichen Regeln herrschten wie in der makroskopischen. Statt verschränkter Photonen oder Elektronen nehme ich Spielkarten. Die sollen diese Eigenschaften haben:

    Farbe - schwarz oder weiß
    Schlag - rund oder eckig
    Zahl - gerade oder ungerade


Verschränkte Spielkarten haben dabei jeweils entgegengesetzte Eigenschaften. Wenn die eine schwarz ist, dann ist die andere weiß, und so weiter. Dies sind die möglichen Kombinationen, die dabei entstehen können. Die Spalten sind F, S, Z - Farbe, Schlag, Zahl.


Zitat:
F S Z

0 0 0
0 0 1
0 1 0
0 1 1
1 0 0
1 0 1
1 1 0
1 1 1



Nun erhalten Alice und Bob verschränkte Spielkarten, die sie jeweils auf eine beliebige Eigenschaft testen. Also entweder Farbe, Schlag. Oder Farbe, Zahl. Oder Schlag, Zahl. Sie notieren, ob sie gleich oder ungleich gemessen haben, G und U.


Zitat:
F S Z FS FZ SZ

0 0 0 G G G
0 0 1 G U U
0 1 0 U G U
0 1 1 U U G
1 0 0 U U G
1 0 1 U G U
1 1 0 G U U
1 1 1 G G G


Sie würden in 33% aller Fälle gleich messen. Warum die erste und letzte Zeile dabei keine Rolle spielen, kann ich leider nicht erklären.



Das Problem ist: im Quanten-Experiment ergeben sich andere Wahrscheinlichkeiten als diese Überlegung nahelegt. Es ist, als ob das Teilchen bei Bob wüßte, daß Alice sein verschränktes Gegenpart gemessen hat, sonst könnte es nicht zu einem anderen Meßergebnis kommen, als wenn Alice das Experiment nicht gemacht hätte.

Etwas fachlicher und ohne "Kartentricks" gesagt. Üblicherweise geht es um den Spin von Teilchen. Oder um Polarisationseben von Photonen. Photonen können Nord-Süd polarisiert sein oder Ost-West oder Südwest nach Nordost. Also so:

    | - /




Tja, und an der Stelle kam ein Kinobesuch Cool dazwischen, daraus entstand dann obige Frage.
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smallie
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Beitrag(#2054017) Verfasst am: 29.04.2016, 16:57    Titel: Antworten mit Zitat

Warum fällt es mir manchmal so schwer, meinen eigenen Unfug in statu nascendi zu erkennen? Nein

smallie hat folgendes geschrieben:
Auf meinem Niveau - und rückwärts gedacht - lautet das: beim Durchgang durch einen Spalt - hier Polfilter - ist der Ort eines Teilchens festgelegt. Würde das Teilchen dann noch durch einen zweiten, um 90 Grad gedrehten Spalt in Abstand x gehen, wäre sowohl Ort und Geschwindigkeit des Teilchens bekannt.

Das muß natürlich Ort und Impuls heißen.


Ok, kann passieren. Aber der hier ist grob:

smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
F S Z FS FZ SZ

0 0 0 G G G
0 0 1 G U U
0 1 0 U G U
0 1 1 U U G
1 0 0 U U G
1 0 1 U G U
1 1 0 G U U
1 1 1 G G G


Sie würden in 33% aller Fälle gleich messen. Warum die erste und letzte Zeile dabei keine Rolle spielen, kann ich leider nicht erklären.

Genau deshalb heißt es ja Bellsche Ungleichung, weil von den 2 hoch n Zuständen des Systems immer zwei dabei sind, in denen Alice und Bob gleich messen.
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uwebus
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Beitrag(#2055739) Verfasst am: 15.05.2016, 16:54    Titel: Re: Was ist Raum, was ist Zeit? Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ganz guter Artikel im April-SdW:

http://www.spektrum.de/magazin/sind-raum-und-zeit-das-produkt-quantenmechanischer-verschraenkungsprozesse/1400768


Auszug:
"Viele Physiker halten die Verschränkung für das grundlegende Quantenphänomen überhaupt. Einige mutmaßen jetzt sogar, Raum und Zeit seien Folgen quantenmechanischer Verschränkungsprozesse.

https://de.wikipedia.org/wiki/Prozess_(Begriffskl%C3%A4rung)
Prozess (Begriffsklärung)

Prozess, ein gerichteter Ablauf eines Geschehens
Latein: procedo vorwärts gehen, schreiten, hervortreten, -gehen, -kommen

Leute,

ihr beherrscht doch alle die deutsche Sprache. Wie kann denn der Ablauf eines Geschehens die Ursache dieses Geschehens sein? Zeit ist ein Maßstab für Veränderung, Veränderung ist ein Geschehen, welches mithilfe des Zeitmaßstabes beschrieben werden kann.

Was sind denn die Voraussetzungen dafür, daß es eine Veränderung überhaupt geben kann?
1) Das sich Verändernde muß eine Ausdehnung besitzen, da sich ein mathematischer Punkt nicht verändern kann, also ist Raum = Volumen+Inhalt die eine Voraussetzung für Veränderung.
2) Das sich räumlich Verändernde muß über ein inhärentes Ungleichgewicht verfügen, was zu einer STÄNDIGEN Veränderung seiner selbst führt, also das erzeugt, was man ZEIT nennt, das ist die zweite Voraussetzung.

Wer also Raum und Zeit erklären will, muß die Voraussetzungen des sich Verändernden erklären können, nicht dessen Veränderungsprozesse. ERST kommt das sich Verändernde, die Ursache, danach die Wirkung, der Veränderungsprozeß.

Deshalb braucht man den genannten Artikel gar nicht erst zu lesen, da hier Ursache und Wirkung vertauscht werden.

Manchmal habe ich den Eindruck, daß Physiker sich verhalten wie früher die Scholastiker, die sich auch ernsthaft darüber Gedanken machten, wie viele Engel wohl auf einer Nadelspitze Platz hätten, ohne jedoch darauf einzugehen, was Engel denn seien.
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Bliss
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Beitrag(#2055971) Verfasst am: 17.05.2016, 13:48    Titel: Re: Was ist Raum, was ist Zeit? Antworten mit Zitat

uwebus hat folgendes geschrieben:
Quark

Shhh, wenn Erwachsene reden unterbricht man sie nicht.
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zelig
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Beitrag(#2080916) Verfasst am: 30.12.2016, 23:46    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Teil des Streits über die Zeit im uwebus-Thread erübrigt sich vielleicht, wenn man akzeptiert, daß es sowohl die erlebte Zeit gibt, als auch die Zeit als wissenschaftliches Modell. Ähnlich wie man einerseits etwas schmeckt, und andererseits Lebensmittelchemiker wissen, welche Moleküle in welchen Kombinationen welchen Geschmack hervorrufen. Der Vergleich hinkt, klar.

Ausgehend von der Dreiteilung Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, würde mich mal interessieren, welches intuitive Bild der erlebten Zeit ihr habt, und wie ihr euch darin positioniert.
Bei mir ist es beispielsweise so, daß ich die Zukunft wie einen Luftstrom auf mich zukommen sehe, mein Standpunkt fixiert die Gegenwart ist, und die Vergangenheit der Strom, der an mir vorbei hinter meinen Rücken in die ferne fließt.

Und wo wir schon dabei sind, ich wünsche jetzt schon allen Mitforisten und stillen Mitlesern einen guten Rutsch ins neue Jahr.
In diesem Bild scheint man sich selber durch eine statische Zeit zu bewegen. : )
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Marcellinus
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Beitrag(#2080939) Verfasst am: 31.12.2016, 13:04    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Ein Teil des Streits über die Zeit im uwebus-Thread erübrigt sich vielleicht, wenn man akzeptiert, daß es sowohl die erlebte Zeit gibt, als auch die Zeit als wissenschaftliches Modell.


Und genau da haben wir die Probleme, weil es offenbar Schwierigkeiten macht, zu akzeptieren, daß "Zeit" ein wissenschaftliches, mithin von Menschen gemachtes Modell ist, und Zeiterleben ein Produkt sozialer Prozesse ist.
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fwo
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Beitrag(#2080940) Verfasst am: 31.12.2016, 13:40    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ein Teil des Streits über die Zeit im uwebus-Thread erübrigt sich vielleicht, wenn man akzeptiert, daß es sowohl die erlebte Zeit gibt, als auch die Zeit als wissenschaftliches Modell.


Und genau da haben wir die Probleme, weil es offenbar Schwierigkeiten macht, zu akzeptieren, daß "Zeit" ein wissenschaftliches, mithin von Menschen gemachtes Modell ist, und Zeiterleben ein Produkt sozialer Prozesse ist.

@ Marcellinus:
Bau doch da mal ein "auch" in Deine Formulierungen, damit ich den Griffel halten kann:
Ein mal abgesehen davon, dass das Zeiterleben bzw. Zeitempfinden auch Bereiche kennt, die kein Produkt sozialer, sondern eines evolutionärer Prozessen sind (die Zeitempfindung ist z.B. für das Abschätzen von Geschwindigkeiten unabdingbar - erkläre mal diese Treffsicherheit ohne Zeitempfindung: https://www.youtube.com/watch?v=9ieWrWLjii0 ) ist auch in deiner Aussage enthalten, dass diese sozialen Prozesse auch zu unterschiedlichen Zeiterlebnissen führen können, und das sogar innerhalb einer Gesellschaft, situationsabhängig sogar innerhalb einer Person. Und bei dem in der Sprache abstrakt handelnden Menschen hat das sogar zu einem Zeitbegriff geführt, der gar nicht mehr direkt vom Zeiterleben abhängt, sondern Teil unserer Vorstellung von dieser Welt ist. Und das schon lange vor Newton.

Vielleicht sollten wir noch eine Ebne höher gehen:
Die natürliche Sprache - und damit auch das Handeln in und mit diesem Vehikel - ist nur möglich aufgrund einer nichtvorhandenen Eineindeutigkeit zwischen Symbol und Bedeutung. Das gilt auch für die Soziologie.
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zelig
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Beitrag(#2080941) Verfasst am: 31.12.2016, 13:53    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ein Teil des Streits über die Zeit im uwebus-Thread erübrigt sich vielleicht, wenn man akzeptiert, daß es sowohl die erlebte Zeit gibt, als auch die Zeit als wissenschaftliches Modell.


Und genau da haben wir die Probleme, weil es offenbar Schwierigkeiten macht, zu akzeptieren, daß "Zeit" ein wissenschaftliches, mithin von Menschen gemachtes Modell ist, und Zeiterleben ein Produkt sozialer Prozesse ist.


Wissenschaftliche Modelle sind ja immer von Menschen gemacht. Das sagt erst mal nichts über den ontologischen Status dessen aus, was modelliert wurde. Man könnte natürlich trotzdem der Auffassung sein, daß Zeit nicht existiert. Nur wird diese Auffassung nicht durch die obige Aussage begründet.

Zeit ist nicht direkt sinnlich erfahrbar. Die Dauer ist im Gegensatz zur räumlichen Ausdehnung flüchtig. Sie lässt sich nicht fassen. Dagegen hat das Urmeter eine scharfe Grenze zum Raum, der es umgibt. Der Raum ist Exklusiv. Wo das Urmeter ist, kann unser Körper nicht sein. Wir können nur mit den Fingern über seine Oberfläche streichen. Wir schließen die Augen, und wenn wir sie wieder öffnen, dann liegt es immer noch da. Das ist alles Intuition. Und die Intuition für die Zeit ist, daß da eigentlich nichts ist - weil wir kein Analogon zur räumlich ausgedehnten Substanz haben, die der Zeit zugrunde liegen könnte.
Nur, gerade die moderne Naturwissenschaft stellt die obige Intuition in Frage. Die Substanz, die das Urmeter ausmacht, verflüchtigt sich ebenso wie die Zeit, je genauer wir hinschauen.

edit: umformulierung
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Beitrag(#2080946) Verfasst am: 31.12.2016, 14:19    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ein Teil des Streits über die Zeit im uwebus-Thread erübrigt sich vielleicht, wenn man akzeptiert, daß es sowohl die erlebte Zeit gibt, als auch die Zeit als wissenschaftliches Modell.

Und genau da haben wir die Probleme, weil es offenbar Schwierigkeiten macht, zu akzeptieren, daß "Zeit" ein wissenschaftliches, mithin von Menschen gemachtes Modell ist, und Zeiterleben ein Produkt sozialer Prozesse ist.

Wissenschaftliche Modelle sind ja immer von Menschen gemacht. Das sagt erst mal nichts über den ontologischen Status dessen aus, was modelliert wurde. Man könnte natürlich trotzdem der Auffassung sein, daß Zeit nicht existiert. Nur wird diese Auffassung nicht durch die obige Aussage begründet.


Nun, wissenschaftliche Modelle sind Modelle, letztlich gedankliche Vorstellungen. Sie dienen der Orientierung in dieser Welt, der leider keine fertige Gebrauchsanweisung beiliegt. Die Frage ist aus meiner Sicht nicht, ob "Zeit" existiert (das ist eine philosophische Frage, keine wissenschaftliche), sondern wie realistisch die Vorstellungen sind, die wir damit verbinden. Einsteins Relativitätstheorie hat da unsere Vorstellungen erweitert, allerdings in den Bereich jenseits unserer Intuition. Für GPS ist das gut, für unser Verständnis nicht. zwinkern
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zelig
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Beitrag(#2080951) Verfasst am: 31.12.2016, 14:26    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist aus meiner Sicht nicht, ob "Zeit" existiert (das ist eine philosophische Frage, keine wissenschaftliche), sondern wie realistisch die Vorstellungen sind, die wir damit verbinden.


Ah, ok. Dann habe ich dich nicht richtig verstanden. Natürlich ist die soziale Konstruktion Zeit faszinierend, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sie sich vollends ausgebreitet hat aufgrund der Notwendigkeit, Fahrpläne für Züge zu erstellen.
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Zumsel
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Beitrag(#2080964) Verfasst am: 31.12.2016, 14:55    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Zeit ist nicht direkt sinnlich erfahrbar...


Nein, aber jede sinnliche Erfahrung ist zeitlich. Wie schon im anderen Thread gesagt, Kant lohnt sich auch heute noch:

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Kant,+Immanuel/Kritik+der+reinen+Vernunft/I.+Transzendentale+Elementarlehre/Erster+Teil%3A+Die+transzendentale+%C3%84sthetik/2.+Abschnitt%3A+Von+der+Zeit
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Marcellinus
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Beitrag(#2080968) Verfasst am: 31.12.2016, 15:01    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Ein mal abgesehen davon, dass das Zeiterleben bzw. Zeitempfinden auch Bereiche kennt, die kein Produkt sozialer, sondern eines evolutionärer Prozessen sind (die Zeitempfindung ist z.B. für das Abschätzen von Geschwindigkeiten unabdingbar - erkläre mal diese Treffsicherheit ohne Zeitempfindung: https://www.youtube.com/watch?v=9ieWrWLjii0 ) ist auch in deiner Aussage enthalten, dass diese sozialen Prozesse auch zu unterschiedlichen Zeiterlebnissen führen können, und das sogar innerhalb einer Gesellschaft, situationsabhängig sogar innerhalb einer Person. Und bei dem in der Sprache abstrakt handelnden Menschen hat das sogar zu einem Zeitbegriff geführt, der gar nicht mehr direkt vom Zeiterleben abhängt, sondern Teil unserer Vorstellung von dieser Welt ist. Und das schon lange vor Newton.


Nein, das mit der Zwille ist kein "Zeiterleben". Für ein bewußtest Erleben geht das viel zu schnell. Das schafft nur unser Unterbewußtsein, mit viel, viel Übung. Genauso, wie dein Fuß auf der Bremse steht, bevor du noch begriffen hast, was da unerwartet aus der Seitenstraße kommt. Auch da, viel, viel Übung. Bei einem Fahranfänger rumst es da mit Sicherheit. Von angeboren also keine Spur. OK, evolutionär entstanden ist sicherlich unsere Fähigkeit, aus einer Fülle fast gleichartiger Abläufe ein Abschätzung vorzunehmen. Aber frage mal einen Bogenschützen, wie lange es dauert, bis das zuverlässig klappt.

Unsere heutige Vorstellung von dieser Welt, untrennbar gebunden an einen Minuten-, bei manchen sogar an einen Sekundentakt, ist jedenfalls für die Menschen in den Industrienationen allumfassend, so allumfassend, daß es sogar ihre Freizeit strukturiert, sehr zu unser aller Schaden übrigens, als auch historisch noch ziemlich neu.

Deine Einzelbeispiele von Zeitmessungsinstrumenten sprechen da nicht dagegen, sowenig wie das Auffinden einer antiken Batterie ein Beleg für die Elektrifizierung Babylons ist.

Galilei zB verwendete bei seinen Beschleunigungsexperimenten eine Einer, aus dem in einen dünnen Strahl Wasser auslief, das er auffing und wog, gelegentlich auch einfach nur seinen Pulsschlag, aber keine Uhr, die es ja zu seiner Zeit schon gab. In dem Augenblick ist es erst einmal nur der Vergleich von unterschiedlichen physikalischen Abläufen. Zu einer Vorstellung eines, gewissermaßen von den Objekten unabhängigen Zeitflusses, wie bei Newton, ist es da noch ein Weg. Und seit Einstein wissen wir, daß dieser "Zeitfluß" eben nicht unabhängig ist von den Objekten, deren Veränderung ihn bilden. Hier kann man, denke ich, reicht schön beobachten, wie sich das physikalische Modell der Zeit entwickelt und weiterentwickelt hat.
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