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Tribunale in den Medien (Fernsehen, Radio, Zeitung, Internet, etc.)

 
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Religionskritik-Wiesbaden
homo est creator Dei



Anmeldungsdatum: 04.11.2008
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Beitrag(#2072879) Verfasst am: 19.10.2016, 00:01    Titel: Tribunale in den Medien (Fernsehen, Radio, Zeitung, Internet, etc.) Antworten mit Zitat

Tribunale in den Medien (Fernsehen, Radio, Zeitung, Internet, etc.)

aktuell wird die filmische Umsetzung des Theaterstückes 'Terror' von Ferdinand von Schirach in den Medien diskutiert.

Grundsätzliche Fragen zur Verfassung werden innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens dem 'interessierten' Volk zur Entscheidung gegeben.

Aber kann bzw. soll das Volk wirklich in diesem Bereich entscheiden?
und wenn es solche Entscheidungen gibt,
wie würden Sie,
wie würdest Du im konkreten Fall des Stückes 'Terror' entscheiden?
Wie viel 'Demokratie' steckt in diesen Abstimmung?
etc.


Ps. Mehr ist mir jetzt auch nicht als Einleitung eingefallen, ist schon spät
_________________
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Religionskritik-Wiesbaden
homo est creator Dei



Anmeldungsdatum: 04.11.2008
Beiträge: 10333
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag(#2072881) Verfasst am: 19.10.2016, 00:07    Titel: Kein Freispruch - der kommenden Junta keine Rakete Antworten mit Zitat

Quelle: eigener Beitrag aus dem Clubraum
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=2072866#2072866

Unabhängig von der Verfassungsdiskussion möchte ich noch den folgenden Gedanken einbringen (bin gerade in verquaster Stimmung, hoffe mich aber doch verständlich auszudrücken):

Der Bundeswehrsoldat im Kampfflieger ist nach meinem Dafürhalten im 'aktiven' Einsatz (das heißt im betätigen seiner Waffe(n)) eben nicht mehr seinem 'Gewissen' verpflichtet - sondern einzig allein dem Befehl seines Vorgesetzten.
Gerade ein Kampfpilot ist schließlich Herr über die Bordraketen und damit auch Herr über Massenvernichtungswaffen. Wenn dieser also nun meint, er müsse gegen den Befehl des Vorgesetzten handeln, und seine Waffen einsetzten, im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten (denn schließlich ist ja der Pilot nicht über alle Einzelheiten des Falles informiert, in seiner Kabine bekommt er vielleicht mit, wie eventuell sich Alternativen auftuen (z.B. ein zufällig an Bord befindlicher Skymarschall gelangt in die Kabine, es gelingt doch irgendwie, den Attentäter umzudrehen, etc., etc.),

dann handelt dieser eigenmächtig und selbst terroristisch.

Ein Beispiel:
Wenn wir den Piloten ungestraft davon kommen lassen,
dann ist das ein Freibrief nicht nur für autonomes Handeln im Sinne des negativen Waffeineinsatzes (der Verweigerung), sondern auch des positiven Waffeneinsatzes.

Nehmen wir an,
der amerikanische Präsident besucht uns - vielleicht wie vor ca 11 Jahren Georg Bush Jr., und ein Pilot X ist mit seinem Kampfjet zum Schutz des Luftraumes abgestellt.
Er beschließt aber,
nicht den Luftraum zu schützen, sondern eine Rakete auf die Empfangslokalität des Präsidenten zu schießen. Schließlich zündelt dieser schon in Afghanistan und dem Irak,
und wer weiß, was dieser noch alles ausheckt.

Oder aber,
Diktator Mumbumba (im Lande Bubu) ist als Staatsgast eingeladen, ein paar H&K Gewehr, Leopards und flotte U-Boote für sein terroristisches Regime zu kaufen,
und unser Pilot X hat gerade schlimme Nachrichten aus Mumbumbas finsteren Reich gehört - beschließt, diesen nicht zu schützen,
sondern ihn mit allen anderen anwesenden mit einer Rakete wegzublasen (klingt freundlich),
damit das Volk von Bubu wieder frei ist.

Wo nämlich sind denn die Grenzen des Gewissenskillers,
vielleicht rettet ein kleiner Massenmord mit Rakete auf einen Staatsgast mehr Leben,
als eben bei so einem Fußballspiel mit drauf fallendem Flugzeug.

Wollen wir wirklich einem Piloten X die Entscheidungsfreiheit zum positiven Einsatz von Waffen überlassen,
und ihn freisprechen.
Und was, wenn es dann nicht nur ein Soldat ist,
sondern mehrere - gut gemeinte Militärregime die sich im Übergang einrichten bis auf Jahrzehnte gibt es ja auch noch in unserer Zeit.

Um auf die Flugzeugstorry des Terrorstückes zurückzukommen,
der Pilot hätte für mich jederzeit das Gewissensrecht gehabt,
es abzulehnen die Rakete auf ein Passagierflugzeug zu schießen,
aber eben nicht umgekehrt, die Waffen gegen den Befehl einzusetzen.
_________________
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Samson83
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Anmeldungsdatum: 18.01.2013
Beiträge: 6833

Beitrag(#2072888) Verfasst am: 19.10.2016, 00:45    Titel: Antworten mit Zitat

Im konkreten Fall kann die piloteneigenschaft keinen Unterschied machen.

Das Schuldprinzip folgt aus der Menschenwürde (die ansonsten im Film völlig falsch bzw. missverständlich dargelegt wurde). Wenn ein "übergesetzlicher Notstand" angenommen wird, greift dieser sowohl bei Soldaten als auch Zivilisten.

Andererseits zeigt dein Beispiel welche absurden Blüten die Anerkenntnis dieses Rechtsinstitut treiben kann.
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25878
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2072892) Verfasst am: 19.10.2016, 01:01    Titel: Re: Kein Freispruch - der kommenden Junta keine Rakete Antworten mit Zitat

Religionskritik-Wiesbaden hat folgendes geschrieben:
Quelle: eigener Beitrag aus dem Clubraum
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=2072866#2072866

Unabhängig von der Verfassungsdiskussion möchte ich noch den folgenden Gedanken einbringen (bin gerade in verquaster Stimmung, hoffe mich aber doch verständlich auszudrücken):

Der Bundeswehrsoldat im Kampfflieger ist nach meinem Dafürhalten im 'aktiven' Einsatz (das heißt im betätigen seiner Waffe(n)) eben nicht mehr seinem 'Gewissen' verpflichtet - sondern einzig allein dem Befehl seines Vorgesetzten.

Da befindest Du dich juristisch noch im III Reich. Seit die Soldaten Staatsbürger in Uniform sind, sind sie auch persönlich dafür verantwortlich, was sie tun oder nicht tun. So dürfen sie z.B. keine rechtswidrigen Befehle ausführen.
Religionskritik-Wiesbaden hat folgendes geschrieben:
Gerade ein Kampfpilot ist schließlich Herr über die Bordraketen und damit auch Herr über Massenvernichtungswaffen. Wenn dieser also nun meint, er müsse gegen den Befehl des Vorgesetzten handeln, und seine Waffen einsetzten, im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten (denn schließlich ist ja der Pilot nicht über alle Einzelheiten des Falles informiert, in seiner Kabine bekommt er vielleicht mit, wie eventuell sich Alternativen auftuen (z.B. ein zufällig an Bord befindlicher Skymarschall gelangt in die Kabine, es gelingt doch irgendwie, den Attentäter umzudrehen, etc., etc.),

dann handelt dieser eigenmächtig und selbst terroristisch.

Ein Beispiel:
Wenn wir den Piloten ungestraft davon kommen lassen,
dann ist das ein Freibrief nicht nur für autonomes Handeln im Sinne des negativen Waffeineinsatzes (der Verweigerung), sondern auch des positiven Waffeneinsatzes.

Nehmen wir an,
der amerikanische Präsident besucht uns - vielleicht wie vor ca 11 Jahren Georg Bush Jr., und ein Pilot X ist mit seinem Kampfjet zum Schutz des Luftraumes abgestellt.
Er beschließt aber,
nicht den Luftraum zu schützen, sondern eine Rakete auf die Empfangslokalität des Präsidenten zu schießen. Schließlich zündelt dieser schon in Afghanistan und dem Irak,
und wer weiß, was dieser noch alles ausheckt.

Oder aber,
Diktator Mumbumba (im Lande Bubu) ist als Staatsgast eingeladen, ein paar H&K Gewehr, Leopards und flotte U-Boote für sein terroristisches Regime zu kaufen,
und unser Pilot X hat gerade schlimme Nachrichten aus Mumbumbas finsteren Reich gehört - beschließt, diesen nicht zu schützen,
sondern ihn mit allen anderen anwesenden mit einer Rakete wegzublasen (klingt freundlich),
damit das Volk von Bubu wieder frei ist.

Wo nämlich sind denn die Grenzen des Gewissenskillers,
vielleicht rettet ein kleiner Massenmord mit Rakete auf einen Staatsgast mehr Leben,
als eben bei so einem Fußballspiel mit drauf fallendem Flugzeug.

Wollen wir wirklich einem Piloten X die Entscheidungsfreiheit zum positiven Einsatz von Waffen überlassen,
und ihn freisprechen.
Und was, wenn es dann nicht nur ein Soldat ist,
sondern mehrere - gut gemeinte Militärregime die sich im Übergang einrichten bis auf Jahrzehnte gibt es ja auch noch in unserer Zeit.

Um auf die Flugzeugstorry des Terrorstückes zurückzukommen,
der Pilot hätte für mich jederzeit das Gewissensrecht gehabt,
es abzulehnen die Rakete auf ein Passagierflugzeug zu schießen,
aber eben nicht umgekehrt, die Waffen gegen den Befehl einzusetzen.

Wie kommst Du darauf, dass es sich um einen allgemeinen Freibrief handelt, wenn nach der Einzelfallprüfung - genau das ist die Gerichtsverhandlung ja, festgestellt wird, dass der Täter unbestraft bleibt?

Außerdem gibt es Situationen, in denen Befehle unwirksam werden. Um mal einen einfacheren Fall zu konstruieren: Soldaten sollen irgendwo patroullieren, haben aber die Auflage, auf keinen Fall Schusswaffen einzusetzen. Dann kommt jemand erkennbar mit Sprenggürtel auf sie zu und hält auf Zuruf nicht an. Er wird deshalb erschossen. Es wird eine Untersuchung geben, die feststellen wird, dass der Soldat in Notwehr gehandelt hat und deshalb nicht zu belangen ist. Ein Befehl, der dazu führt, dass ich mich umbringen lassen soll, ist unwirksam.

Genauso wie ein Befehl unwirksam wird, der dazu führt, dass 100000 Leute in einem Fußballstadium umkommen. Allerdings ist es mal eine originelle Wendung, den Soldaten einfach zum Terroristen zu erklären.

Dein Lumumba-Beispiel trifft auch das Beispiel aus dem Film nicht, weil Du durch die Tötung eines Staatspräsidenten keine unmittelbare Gefahr abwendest. Aber genau das passierte durch den Abschuss des Fugzeuges - egal, wie man die Tat sonst noch bewertet.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25878
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2072894) Verfasst am: 19.10.2016, 01:14    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Im konkreten Fall kann die piloteneigenschaft keinen Unterschied machen.

Das Schuldprinzip folgt aus der Menschenwürde (die ansonsten im Film völlig falsch bzw. missverständlich dargelegt wurde). Wenn ein "übergesetzlicher Notstand" angenommen wird, greift dieser sowohl bei Soldaten als auch Zivilisten.

Andererseits zeigt dein Beispiel welche absurden Blüten die Anerkenntnis dieses Rechtsinstitut treiben kann.

Bist Du Dir sicher, dass das Konstrukt der Menschenwürde in der Beurteilung der persönlichen Tat, die aus diesem hier hergestellten Dilemma resultiert, überhaupt sinnvoll ist?

Es war auf jeden Fall sinnvoll, als der Staat über allgemeine Regeln sinnierte, wie in einem solchen Fall zu handeln sei.
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Critic
oberflächlich



Anmeldungsdatum: 22.07.2003
Beiträge: 15978
Wohnort: Arena of Air

Beitrag(#2072902) Verfasst am: 19.10.2016, 04:23    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Samson83 hat folgendes geschrieben:
Im konkreten Fall kann die piloteneigenschaft keinen Unterschied machen.

Das Schuldprinzip folgt aus der Menschenwürde (die ansonsten im Film völlig falsch bzw. missverständlich dargelegt wurde). Wenn ein "übergesetzlicher Notstand" angenommen wird, greift dieser sowohl bei Soldaten als auch Zivilisten.

Andererseits zeigt dein Beispiel welche absurden Blüten die Anerkenntnis dieses Rechtsinstitut treiben kann.

Bist Du Dir sicher, dass das Konstrukt der Menschenwürde in der Beurteilung der persönlichen Tat, die aus diesem hier hergestellten Dilemma resultiert, überhaupt sinnvoll ist?

Es war auf jeden Fall sinnvoll, als der Staat über allgemeine Regeln sinnierte, wie in einem solchen Fall zu handeln sei.


(1) Ich wußte ja schon relativ früh, daß ich nicht Jura studieren würde. Bei allen dann möglichen Karrierewegen, und auch unter der wahrscheinlich zutreffenden Annahme, daß sich nur in seltenen Fällen ein moralisches Dilemma dieser Tragweite auftun würde: Ich meine, ich habe letztlich Schwierigkeiten zu richten, wenn ich mich beispielsweise fragen würde: Hätte ich möglicherweise in der Situation, in der sich der Angeklagte befand, unter genau denselben Umständen, genauso gehandelt? Insbesondere dann, wenn jede Handlungsmöglichkeit dazu geeignet wäre, daß ich letztendlich darüber zerbreche.

Ein Kuriosum ist, man kann sowohl von der Menschenwürde her argumentieren als auch sie völlig außer Acht lassen, egal wie man handelt. Man könnte ja beispielsweise argumentieren: Toll, daß bei meiner Entscheidung die Menschenwürde gewahrt blieb, die Insassen des Flugzeugs und ein paar tausend Zuschauer im Stadion sind aber trotzdem tot. Ich hätte die Menschenwürde und das Recht auf Unversehrtheit der Stadion-Zuschauer aber besser geschützt, hätte ich rechtzeitig abgedrückt. Es ist ja auch ein moralischer Wert, anderen die Hilfe nicht zu verweigern, denen man helfen kann. Das Flugzeug abzuschießen, was letztlich zum Tod der Insassen führen würde, damit aber Tausende Andere zu retten, sahen vielleicht die Zuschauer als die von den aufgezeigten Möglichkeiten(*) am wenigsten beschissene.


(2) Interessanterweise sehen wir hier aber eine gewisse Umwertung bei der Beurteilung unterschiedlicher Ethikvorstellungen: Einerseits haben die Menschen hier utilitaristisch geurteilt: Im allgemeinen erkennen sie wohl schon die Menschenwürde an, gehen aber davon aus, daß es Extremsituationen geben kann, in denen es gerechtfertigt sein kann, abzuwägen: Das geht beim Mundraub los, über das Beispiel mit dem Diebstahl von dem hartherzigen Apotheker und betrifft eben auch so etwas. Sie würden die Tötung Weniger akzeptieren, wenn dadurch viele Andere gerettet würden. (Vielleicht auch mit der Spitze, daß der Pilot in dem fiktiven Fall es ja nicht darauf angelegt hat, Andere zu töten, aber es nicht anders möglich gewesen wäre.)

Andererseits hätten die Menschen, wenn sie ein Flugzeug besteigen, aber schon gerne, daß diejenigen, die letztlich entscheiden, deontologisch urteilen, also davon ausgehen, daß es in jeder Situation falsch sei, das Flugzeug abzuschießen. Menschen sehen gemeinhin Andere, die deontologisch urteilen, als vertrauenswürdiger an ("Inference of trustworthiness from intuitive moral judgments"). Das gehe übrigens auch denen so, die in dem Dilemma utilitaristisch geurteilt hätten: Das zeigt ja, daß einigermaßen feste Wertvorstellungen schon anerkannt werden, aber es eben auch nicht so einfach ist.


(3) Ich habe mich schonmal über einen TV-Krimi aufgeregt, in dem die Ermittlerin zwar Taten aufklärte, damit aber eine Familie auseinandergerissen und noch einen anderen halbwegs guten Mann in den Knast gebracht hat (die Kinder der Familie kamen natürlich ins Heim, weil beide Eltern Straftaten begangen hatten etc.), sozusagen nach dem Motto "Es mögen die Gesetze herrschen, wenn auch die Welt darüber vergehe". Der Polizist kann das vielleicht tun, sich moralisch rausziehen, denn es obliege ihm ja nicht, darüber zu entscheiden, eine Tat zu beurteilen. Kann ein Gericht, das später darüber urteilen muß, aber wirklich strikt nach den Buchstaben des Gesetzes urteilen, oder fragt sich die Richterin, der Richter nicht auch, wie sie oder er selbst in der Situation gehandelt hätte, oder was Gerechtigkeit eigentlich ist? Wäre es anders, könnte man das Richten ja auch anhand einer Checkliste vornehmen.

(Das war ja z.B. bei Marianne Bachmayer, die den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter erschossen hatte, ein moralisches Problem: Juristisch gesehen hätte die Tat als Mord beurteilt werden müssen, aber das Gericht formulierte die Auffassung, daß sie in ihrer Lage nicht habe erkennen können, daß es sich dabei um Mord gehandelt habe. Es ist dann die Frage: Ist ein solches Urteil dann schon ein "Freibrief. zur Selbstjustiz", wenn derjenige gewissermaßen "Strafrabatt" dafür erhält, oder handelt es sich um die Anerkenntnis einer Ausnahmesituation?)

Um es jetzt mal positiv auszudrücken und den Verfechtern dieses Gedankenkonstrukt nicht nur als Ausdruck eines Denkens anzukreiden, das die Menschenwürde dem Sicherheitsstaat unterwerfen will, sondern auch dahingehend, daß der Staat dem Menschen am Abzug zwar eine empfundene Gewissensschuld und die letztendliche Entscheidung auch nicht abnehmen kann, aber ihn zumindest nicht noch zusätzlich dafür bestraft (oder auch den Fall "Oberst Klein, anyone?"): Zumindest zeigt die Konstruktion mit dem "übergesetzlichen Notstand", daß das Dilemma beim Trolley-Problem eben auch die Juristen beschäftigt.

Wenn man andererseits immer wieder Forderungen an Strafverschärfungen etc. liest, drängt sich einem irgendwo auch auf, daß die Urheber wohl auch denken, daß sie selbst solchen Bestimmungen niemals unterfallen werden: Es gibt auch solche Fälle, aber die meisten Verbrecher würden wohl eher nicht sagen, daß sie lieber länger dafür sitzen würden?!


______________
(* = (ungeachtet solcher, die hier nicht aufgezeigt sind))
_________________
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Dann bin ich halt bekloppt. Mit den Augen rollen

"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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sünnerklaas
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Beitrag(#2072904) Verfasst am: 19.10.2016, 07:14    Titel: Re: Kein Freispruch - der kommenden Junta keine Rakete Antworten mit Zitat

Religionskritik-Wiesbaden hat folgendes geschrieben:

Um auf die Flugzeugstorry des Terrorstückes zurückzukommen,
der Pilot hätte für mich jederzeit das Gewissensrecht gehabt,
es abzulehnen die Rakete auf ein Passagierflugzeug zu schießen,
aber eben nicht umgekehrt, die Waffen gegen den Befehl einzusetzen.


Ich halte die Sache für sehr kompliziert und schwierig. Hier geht es im Wesentlichen um die Frage, wann "Gefahr im Verzug" ist - und wie reagiert werden sollte, wenn sich z.B. alle Vorgesetzten bis hin zum zuständigen Minister wegducken.
Moralisieren kann man in solchen Fällen nicht. Es gibt auch kein Schwarz und kein Weiß.
Ich halte es in solchen Fällen mit Helmut Schmidt, der einmal im Zusammenhang mit der Hamburger Flut 1962 und dem Deutschen Herbst 1977 gesagt hat, es gäbe Situationen, die in keinem Vorschriftenbuch der Armee stünden, bei denen trotzdem aber eine Entscheidung getroffen werden müsse, um das eigene und das Leben Anderer zu retten. Das habe er im Krieg gelernt.

Ich halte solche "Abstimmungen" für schlecht, weil sie kompliziert sind und auch in einem erheblichen Maß disziplinarischer Natur sind - und weniger strafrechtlicher.
_________________
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diskordianerpapst
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Anmeldungsdatum: 16.11.2012
Beiträge: 4597

Beitrag(#2072905) Verfasst am: 19.10.2016, 09:10    Titel: Antworten mit Zitat

Das vorgestellte Szenario trägt dazu bei die öffentliche Meinung in Richtung einer Legitimation
solchen Vorgehens zu lenken. Wenn auch von Schirach vermutlich gar nicht so intendiert,
kommt es doch so einigen wie gerufen.
Das moraliasch/juristische Dilemma hätte man auch an anderen Szenarien zur Diskussion stellen können,
als ausgerechnet diesem.

Es wurde seitens bestimmter Politiker immer so dargestellt das mit grosser Sicherheit ganz
ganz viele Menschen am Boden mit dem sicheren Tod bedroht wären, die es zu schützen gelte.

Eine solche Situation ist aber in den meisten Fällen zunächst mal schwierig für Terroristen herzustellen.
Sie erfordert exaktes Timing und reibungslosen Ablauf.
Zudem müssen Terroristen seit längerem davon ausgehen das sie abgeschossen werden (zumindest in USA)
oder anderweitig abgefangen werden.
Längere Anflugstrecken auf ein bestimmtes Ziel verbieten sich also, damit wird das Szenario eines
Abschusses zur Rettung von Menschenmassen bei gleichzeitig geringer Opferzahl durch den Abschuss
selbst immer unwahrscheinlicher.
Der Terrorist wird wohl eher eine kurze Flugstrecke wählen, oder versuchen erst kurz vor dem Ziel
die Maschine in seine Gewalt zu bringen. Wenn dann überhaupt noch Zeit zum Abschuss
bleibt wird der sehr wahrscheinlich nur noch über dicht besiedeltem Gebiet, weil kurz vor dem Ziel,
stattfinden können.

Selbst bei bekanntem, erklärtem Ziel der/des Terroristen wird bis kurz vor dem Aufschlag nicht
100% sicher sein ob der Terrorist seinen Massenmord auch tatsächlich ausführt.
Aber in den meisten Fällen wird die genaue Absicht gar nicht sicher bekannt sein, selbst wenn
"geheimdienstliche Erkenntnisse" vorliegen, denn die können auch falsch sein. Ich vermute sogar sie
sind in den meisten Fällen falsch, nur bekommt das normalerweise kein Normalbürger mit sondern
nur die Fälle wo mal was gestimmt hat. Eine Entscheidung zum Abschuss wird also immer mehr oder weniger
auf unsicheren Erkenntnissen oder Spekulationen beruhen.
Mal ganz abgesehen von dem wahrscheinlichsten Szenario das da erstmal nur eine Machine rumkurvt
die sich nicht meldet oder meinetwegen auch der Transponder tot ist. Das passiert auch so immer wieder.

Deutschland ist so dicht besiedelt das ein Abschuss quasi immer auch Menschen am Boden gefährdet,
oft in sehr schwer vorhersehbarer Menge. Bei einem Abschuss fällt eine Verkehrsmaschine ja
nicht wie ein Stein vom Himmel, an der Stelle an der sie getroffen wurde.
Eine Abwägung zugunsten einer geringeren Zahl von Opfern würde also in den meisten
Fällen schlichtweg nicht möglich sein, weder für Verantwortliche oben in der Befehlskette,
noch für auf eigene Faust handelnde Soldaten.
Daher vermutlich auch das Beispiel mit dem vollbesetzten Fussballstadion.
Es ist offensichtlich so konstruiert dass diese ganz praktischen Probleme mal eben verschwinden.

Mich beschlich der Verdacht dass Politiker, als potentielle Zielpersonen,
vorwiegend sich selbst schützen und dafür Wege eröffnen wollen,
seit deren Ideen zum Abschuss öffentlich wurden.

Es war schon beim Regierungsatombunker so, da haben sie sich offensichtlich auch für so
wichtig gehalten dass sie Milliarden an Steuergeldern dafür ausgaben ein paar Wochen
länger leben zu können als der Rest der Bevölkerung.

Eine veränderte Bedrohungslage erfordert aber nun offensichtlich andere "Lösungen",
zudem hat man verstanden das es besser ist wenn die Bevölkerung auch "dafür" ist.
Da muss man nicht mehr alles im Geheimen machen sondern braucht nur über seine wahren
Beweggründe zu schweigen und es als dem Gemeinwohl dienlich hinzustellen.
Fieser Nebeneffekt bei Erfolg: Als geschützter Politiker braucht man gar keine Angst mehr zu haben
negative Folgen seiner (Aussen-)Politik auch selbst tragen zu müssen.

Ich ordne das in die selbe Kategorie ein wie die permanenten Vorstösse die Bundeswehr
im Inneren einzusetzen. Natürlich nur zur "Terrorbekämpfung"...

Und noch etwas irritiert: Das mehr oder weniger versehentliche Abschiessen von Passagiermaschinen,
oder deren verschwinden, scheint eh immer mehr "in Mode" zu kommen.
Ein Volk von Fernurlaubern kann daran eigentlich nicht interessiert sein, dass ihr Staat
dabei nun quasi auch noch "mitmachen" will.

Aber ich muss zugeben ich hab auch selbst ganz persönliche Motive was gegen "gezielten" Abschuss zu haben:
Ein Blick nach oben an einem Tag mit wenig Wolken sagt mir: Nee lieber nicht,
jedenfalls nicht hier, zwischen einigen grösseren und kleinen europäischen Flughäfen,
mehreren militärischen Fliegerbasen und unter einem kleineren Flugroutenkreuz zwinkern
Wer mag, kann ja schauen was wo so los ist:
https://www.flightradar24.com/
Über Teilen von MVP oder Niedersachsen sind noch ein paar Löcher und wohl gleichzeitig auch
wenig potentielle Ziele für Terroristen.
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sponor
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Anmeldungsdatum: 16.05.2008
Beiträge: 1712
Wohnort: München

Beitrag(#2072910) Verfasst am: 19.10.2016, 10:16    Titel: Antworten mit Zitat

Ich kann, wie auch schon eine andere Nutzerin im anderen Thread, wirklich sehr das Lesen von Thomas Fischers Kolumne zu exakt diesem Film empfehlen. Der Mann kennt sich da besser aus als irgendwer in diesem Forum, sag ich mal dreist.
Viele Probleme sind danach keine mehr. Dafür weiß man dann, was der Unterschied zwischen "rechtswidrig" und "schuldig" ist, und warum dieser (nicht nur hier) extrem bedeutsam ist.
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Unsere Welt wird noch so fein werden, daß es so lächerlich sein wird, einen Gott zu glauben als heutzutage Gespenster.
(G. Chr. Lichtenberg)
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diskordianerpapst
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Anmeldungsdatum: 16.11.2012
Beiträge: 4597

Beitrag(#2072911) Verfasst am: 19.10.2016, 10:39    Titel: Re: Kein Freispruch - der kommenden Junta keine Rakete Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Religionskritik-Wiesbaden hat folgendes geschrieben:
Quelle: eigener Beitrag aus dem Clubraum
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=2072866#2072866

Unabhängig von der Verfassungsdiskussion möchte ich noch den folgenden Gedanken einbringen (bin gerade in verquaster Stimmung, hoffe mich aber doch verständlich auszudrücken):

Der Bundeswehrsoldat im Kampfflieger ist nach meinem Dafürhalten im 'aktiven' Einsatz (das heißt im betätigen seiner Waffe(n)) eben nicht mehr seinem 'Gewissen' verpflichtet - sondern einzig allein dem Befehl seines Vorgesetzten.

Da befindest Du dich juristisch noch im III Reich. Seit die Soldaten Staatsbürger in Uniform sind, sind sie auch persönlich dafür verantwortlich, was sie tun oder nicht tun. So dürfen sie z.B. keine rechtswidrigen Befehle ausführen.


Im Prinzip richtig, aber in der Praxis natürlich vom einzelnen Soldaten meist nicht entscheidbar:
Er darf keine Befehle ausführen die offensichtlich verbrecherisch sind, sonst ist er selbst dran.
Er kann den Befehl verweigern wenn er der Ansicht ist ein Befehl wäre allgemein Rechtswidrig
oder speziell Vorschriftswidrig. Das Risiko einer Bestrafung trägt er aber, jedenfalls in einer breiten
Grauzone und er steht meist unter Zeitdruck die ihm ein Rechtskundig machen, oder einholen einer
Beratung nicht erlaubt.
Im krassen Gegensatz dazu stehen einem Kommandeur, ganz zu schweigen von höheren Ebenen,
ein ganzer Stab von Rechtsberatern dauernd zur Verfügung.

Ein Soldat wird also im Zweifel eher dazu neigen den Befehl auszuführen, auch weil er meist gar
keine Informationen hat, die Gesamtsituation überblicken zu können.
Diese Informationen wird er auch nie bekommen, natürlich schon allein aus "Geheimhaltungsgründen",
aber erst recht nicht ein Kampfpilot/Waffensystemoffizier dem wohl nur Sekunden für
eine eigene Entscheidungsfindung zur Verfügung stünden, die nebenbei mit ganz anderen Aufgaben
schon ziemlich ausgelastet sind.


fwo hat folgendes geschrieben:

Außerdem gibt es Situationen, in denen Befehle unwirksam werden. Um mal einen einfacheren Fall zu konstruieren: Soldaten sollen irgendwo patroullieren, haben aber die Auflage, auf keinen Fall Schusswaffen einzusetzen. Dann kommt jemand erkennbar mit Sprenggürtel auf sie zu und hält auf Zuruf nicht an. Er wird deshalb erschossen. Es wird eine Untersuchung geben, die feststellen wird, dass der Soldat in Notwehr gehandelt hat und deshalb nicht zu belangen ist. Ein Befehl, der dazu führt, dass ich mich umbringen lassen soll, ist unwirksam.


Diese Fälle sind vergleichsweise einfach. Während der (kurzen) Wachausbildung tauchen
regelmässig Fragen mit echtem Dilemma auf, meiner Erfahrung nach wird man als Soldat damit allein gelassen.
Was nach welchem Gesetz oder Dientsvorschrift erlaubt oder verboten ist wird sich für den Soldaten
im Zweifel erst hinterher herausstellen. Da helfen auch die verkleisternden "Staatsbürger in Uniform",
"Innere Führung" und sonstige Konzepte nicht viel weiter.
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Beitrag(#2072913) Verfasst am: 19.10.2016, 11:25    Titel: Re: Kein Freispruch - der kommenden Junta keine Rakete Antworten mit Zitat

diskordianerpapst hat folgendes geschrieben:

Diese Fälle sind vergleichsweise einfach. Während der (kurzen) Wachausbildung tauchen
regelmässig Fragen mit echtem Dilemma auf, meiner Erfahrung nach wird man als Soldat damit allein gelassen.
Was nach welchem Gesetz oder Dientsvorschrift erlaubt oder verboten ist wird sich für den Soldaten
im Zweifel erst hinterher herausstellen. Da helfen auch die verkleisternden "Staatsbürger in Uniform",
"Innere Führung" und sonstige Konzepte nicht viel weiter.


Da bringt letztendlich nur Erfahrung weiter. Bei verschiedensten Diensten sollte es eigentlich üblich sein, dass einem Jungen ein Älterer, Erfahrener zugeordnet ist, der da dann die Funktion eines Paten hat.
Ansonsten gilt hier in D zumindest im ÖD, dass bei Gefahr im Verzug und Nichterreichbarkeit der Vorgesetzten der Anwesende vor Ort die Entscheidung zu treffen hat - und zwar nach bestem Wissen und Gewissen. Dazu benötigt man Leute, die auch in sehr kritischen und stressigen Situationen in der Lage sind, umsichtig zu handeln, nicht die Nerven verlieren und dann Entscheidungen zu treffen, die sie selber vertreten und begründen können. Kein Vorgesetzter, kein Disziplinar- und auch kein Strafgericht wird ihnen unter solchen Voraussetzungen etwas anhaben können.
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Anmeldungsdatum: 31.01.2008
Beiträge: 4482

Beitrag(#2072914) Verfasst am: 19.10.2016, 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

sponor hat folgendes geschrieben:
Ich kann, wie auch schon eine andere Nutzerin im anderen Thread, wirklich sehr das Lesen von Thomas Fischers Kolumne zu exakt diesem Film empfehlen. Der Mann kennt sich da besser aus als irgendwer in diesem Forum, sag ich mal dreist.


Wobei - die 2 Seiten Einleitung kann man sich sparen, ausser man steht auf Schmähschriften. Die Essenz steht erst ab Ende Seite 3 ...
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Beiträge: 25878
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2072916) Verfasst am: 19.10.2016, 11:58    Titel: Re: Kein Freispruch - der kommenden Junta keine Rakete Antworten mit Zitat

diskordianerpapst hat folgendes geschrieben:
...
fwo hat folgendes geschrieben:

Außerdem gibt es Situationen, in denen Befehle unwirksam werden. Um mal einen einfacheren Fall zu konstruieren: Soldaten sollen irgendwo patroullieren, haben aber die Auflage, auf keinen Fall Schusswaffen einzusetzen. Dann kommt jemand erkennbar mit Sprenggürtel auf sie zu und hält auf Zuruf nicht an. Er wird deshalb erschossen. Es wird eine Untersuchung geben, die feststellen wird, dass der Soldat in Notwehr gehandelt hat und deshalb nicht zu belangen ist. Ein Befehl, der dazu führt, dass ich mich umbringen lassen soll, ist unwirksam.


Diese Fälle sind vergleichsweise einfach. Während der (kurzen) Wachausbildung tauchen
regelmässig Fragen mit echtem Dilemma auf, meiner Erfahrung nach wird man als Soldat damit allein gelassen.
Was nach welchem Gesetz oder Dientsvorschrift erlaubt oder verboten ist wird sich für den Soldaten
im Zweifel erst hinterher herausstellen. Da helfen auch die verkleisternden "Staatsbürger in Uniform",
"Innere Führung" und sonstige Konzepte nicht viel weiter.

Die können auch nicht viel weiter helfen - ein Dilemma ist ein Dilemma ist ein Dilemma. (ot @Er_Win: Und wieder haben wir ein Zitat ohne Herkunftsangabe)

Was da aber im Anschluss wesentlich ist, ist der Unterschied rechtswidrig und schuldig, auf den auch Sponor gerade nocheinmal hingewiesen hat.

Um nocheinmal direkt auf die Entscheidung des Piloten zurückzukommen: Ich kennen das Drama und entsprechend den Film nicht. Aber die reale Situation des Piloten ist gut vorstellbar. Er wählt ja nicht zwischen einmal 100 Leuten im Fugzeug und 100 000 Leuten im Stadium, sondern zwischen 100 Leuten im Flugzeug und 100 000 Leuten im Stadium + 100 Leuten im Flugzeug. Die 100 Leute im Flugzeug gewinnen ohne den Abschuss zwischen 0,5 und 2 Minuten Leben. Das bedeutet nicht, dass er es überhaupt schafft zu schießen, nachdem er diese "Abwägung" getroffen hat - es gibt auch Leute, die zur Notwehr unfähig sind, wenn sie selbst ganz unmittelbar betroffen sind. Wie man da selbst reagiert, weiß man erst hinterher.

An der Stelle komme ich dann zu meiner Frage an Samson. Der Verstoß gegen § 1 der Verfassung macht niemanden schuldig, schuldig werden wir durch einen Verstoß gegen die der Ausführungen der Verfassung in den Gesetzen (lassen wir die mögliche Entschuldung durch irgendwelche Umstände mal außen vor).

Die Verfassung kommt da ins Spiel, wenn der Gesetzgeber versucht, dieses Dilemma zu mildern, indem er den Versuch wagt, alle möglichen derartigen Fälle - die ja, diskordianerpapst führt das oben am Beispiel von Wohngebieten weiter aus, längst nicht so eindeutig zu sein brauchen wie am Theaterbeispiel - zu regeln. Ein derartiges Gesetz wäre dann in der Tat eine Art Rechenvorschrift, in der einige aktuelle Parameterwerte einzusetzen wären, damit am Ende das Ergebnis, also Abschuss oder kein Abschuss produziert würde. Dieses Gesetz wäre dann verfassungswidrig, das ist auch bereits entscheiden.

Die Menschenwürde in diesem Einzelfall heranzuziehen, ist für mich nicht nur der falsche Platz, weil Strafrichter nicht nach der Verfassung urteilen, sondern nach dem Gesetz, es macht aus der Menschenwürde auch einen Popanz, der nichts mit der Realität zu tun hat.
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Er_Win
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Beitrag(#2072920) Verfasst am: 19.10.2016, 12:26    Titel: Re: Kein Freispruch - der kommenden Junta keine Rakete Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Die können auch nicht viel weiter helfen - ein Dilemma ist ein Dilemma ist ein Dilemma. (ot @Er_Win: Und wieder haben wir ein Zitat ohne Herkunftsangabe)
...


ebenfalls OT: häääää ? Dunkel ist mir deiner Worte Sinn ...
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JuergenPB
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Beitrag(#2072951) Verfasst am: 19.10.2016, 16:11    Titel: Antworten mit Zitat

Richter T. Fischer weist in der Zeit auf den Irr- und Unsinn des Film und der Abstimmung hin:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terror-ferdinand-von-schirach-fischer-im-recht


P. E. Reckenwald meint – m.E. irrend – es läge eine Doppelwirkung vor:
Code:
http://www.kath-info.de/abschuss.html

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Gruß Jürgen

Disclaimer: Dieser Beitrag kann Spuren von Satire, Ironie und schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr!

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Er_Win
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Beitrag(#2072954) Verfasst am: 19.10.2016, 16:30    Titel: Antworten mit Zitat

JuergenPB hat folgendes geschrieben:


P. E. Reckenwald meint – m.E. irrend – es läge eine Doppelwirkung vor:
Code:
http://www.kath-info.de/abschuss.html


Irrend in Bezug worauf ?

Reckenwald bezieht sich auf die kath.Moraltheologie und nicht auf das deutsche Rechtssystem !

Infos zu zweiterem in o.a. causa s.a. hier:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2006/02/rs20060215_1bvr035705.html
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Samson83
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Beitrag(#2073075) Verfasst am: 20.10.2016, 18:04    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Samson83 hat folgendes geschrieben:
Im konkreten Fall kann die piloteneigenschaft keinen Unterschied machen.

Das Schuldprinzip folgt aus der Menschenwürde (die ansonsten im Film völlig falsch bzw. missverständlich dargelegt wurde). Wenn ein "übergesetzlicher Notstand" angenommen wird, greift dieser sowohl bei Soldaten als auch Zivilisten.

Andererseits zeigt dein Beispiel welche absurden Blüten die Anerkenntnis dieses Rechtsinstitut treiben kann.

Bist Du Dir sicher, dass das Konstrukt der Menschenwürde in der Beurteilung der persönlichen Tat, die aus diesem hier hergestellten Dilemma resultiert, überhaupt sinnvoll ist?

Es war auf jeden Fall sinnvoll, als der Staat über allgemeine Regeln sinnierte, wie in einem solchen Fall zu handeln sei.

Mit Institut meinte ich nicht die Menschenwürde, sondern den übergesetzlichen Notstand. Und nein, ich bin der Ansicht, dass die Menschenwürde zur Bewertung der individuellen Schuld des Soldaten hier nicht sinnvoll ist.
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Samson83
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Beitrag(#2073117) Verfasst am: 20.10.2016, 21:31    Titel: Antworten mit Zitat

Übrigens läuft dieselbe Diskussion bei Mykath. Insbesondere die Beiträge des Users "Xamanoth" sind wertvoll:

http://www.mykath.de/topic/34040-hart-aber-fair-abschuss-einer-entfuhrten-passagiermaschine/
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fwo
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Beitrag(#2073122) Verfasst am: 20.10.2016, 22:03    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Übrigens läuft dieselbe Diskussion bei Mykath. Insbesondere die Beiträge des Users "Xamanoth" sind wertvoll:

http://www.mykath.de/topic/34040-hart-aber-fair-abschuss-einer-entfuhrten-passagiermaschine/

Lachen
Die des Users Marcellinus aber auch. Danke für den Link.
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Samson83
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Beitrag(#2073131) Verfasst am: 20.10.2016, 22:21    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Samson83 hat folgendes geschrieben:
Übrigens läuft dieselbe Diskussion bei Mykath. Insbesondere die Beiträge des Users "Xamanoth" sind wertvoll:

http://www.mykath.de/topic/34040-hart-aber-fair-abschuss-einer-entfuhrten-passagiermaschine/

Lachen
Die des Users Marcellinus aber auch. Danke für den Link.

Ich kann diesem Hicks Bossom nicht folgen. Nicht im Ansatz.
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2073134) Verfasst am: 20.10.2016, 22:26    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Samson83 hat folgendes geschrieben:
Übrigens läuft dieselbe Diskussion bei Mykath. Insbesondere die Beiträge des Users "Xamanoth" sind wertvoll:

http://www.mykath.de/topic/34040-hart-aber-fair-abschuss-einer-entfuhrten-passagiermaschine/

Lachen
Die des Users Marcellinus aber auch. Danke für den Link.


Verlegen Gerade da hatte ich versucht, mich etwas rauszuhalten.
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satsche
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Wohnort: Südhessen

Beitrag(#2073184) Verfasst am: 21.10.2016, 02:01    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn ich das noch richtig erinnere, kommt in dem Film ein einziges Mal die Vokabel Staatsräson vor, im "Zwiegespräch" zwischen der Staatsanwältin und dem Angeklagten.

Ich stelle mir diesen Begriff im Zentrum eines drehenden Rades vor, wobei dem Auge vorgegaukelt wird, es würde sich rückwärts drehen und mit diesem Drehen werden alle anderen Begriffe bis hin zur Menschenwürde, die sich um den zentralen Begriff Staatsräson drehen bis zur Unkenntlichkeit verwischt.

Das soll das Pupslikum gefälligst verinnerlichen.
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