DDR - Erziehung/ Indoktrination/ Ausgrenzung
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Freigeisterhaus -> Kultur und Gesellschaft

#1: DDR - Erziehung/ Indoktrination/ Ausgrenzung Autor: IEFPIEH BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 11:56
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Der Anregung von RAW im Thread Missbrauchsfälle in der RKK folge ich gern und spinne mal einen "DDR-Faden" an.

Natürlich kann ich hier nur eigene Erfahrungen und meine subjektiven Schlüsse daraus darstellen.
Als die DDR der BRD 1990 betrat, war ich 20 Jahre alt, hatte aber dafür nicht zuletzt auf Grund meines familiären backgroundes schon einiges mit dem Apperat erlebt - also keinen geradlinigen, ungestörten, halt DDR-typischen Lebenslauf wie z.B. die Pfarrestochter Angela Merkel, geb. Kasner.

Das DDR-Bildungssystem war - so meine Wahrnehmung auch damals -ein straff durchorganisiertes Indoktrinationsinstrument mit stark militaristischer Ausrichtung.

Schon im Kindergartenalter wußten wir wie der Armeechef hieß und aussah (Armeegeneral Heinz Hoffmann), bekamen Bildchen zum ausmalen auf denen Soldaten der NVA mit den sowjetischen Waffenbrüdern im Manöver dargestellt waren und wurden angehalten zum Tag der NVA am 1.März Bilder zu malen auf denen Kinder "unseren" Soldaten, die meist auf Panzern saßen, mindestens aber eine Knarre in der Hand hatten, Blümchen überreichten --- ich habe einiges davon noch griffbereit in der Schublade und wir sagen Lieder von Hans-Jürgen, der vor dem Kasernentor steht, lernten schon im KiGa marschieren ect. pp ...

Insgesamt aber sehe ich heute das Grundprinzip der Wissensvermittlung in DDR und seine Ergebnisse eher positiv. Man denke jetzt nicht nur an die POS, sondern z.B. auch an die Organisation der Studienplatzvergabe - so gab es durch die zentrale Lenkung einen sehr hohen Anteil von Frauen in den technischen und naturwissentschaftlichen Fachgebieten.

Aber man darf über all den positiven Aspekten aber die allgemeinen Erziehungsziele, die von der Kindergrippe an rigeros durch gezogen wurden, nicht vergessen.
Klares Ziel war die "allseitig gebildete, sozialistische Persönlichkeit" - Ziel war das Leben des einzelnen überschaubar und dem Willen der Partei-und Staatsführung steuerbar zu machen ... die große sozialistische Gesellschaft und der Führung der Vorhut der Arbeiterklasse, der Partei neuen Typs, der SED - Orwells "1984" lag in vielem tatsächlich nicht so falsch....

So und jetzt hole ich erst mal Luft und hoffe das wird eine interessante Diskussion.

#2:  Autor: Martha-Helene BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 12:15
    —
Ein anderer DDR-Geborener hat unter seinen Schreiben "Venceremos" stehen.
"Wir werden siegen"
Bisher bin ich nicht dazu gekommen zu fragen, wer da siegen soll.

Bei dir steht nun auch Spanisches (?)
Hat das irgendwie miteinander zu tun?

#3:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 12:33
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"Venceremos" war die Losung der Unidad Popular in Chile, die am 11. September 1973 durch den Staatsstreich Pinochets die Regierungsgewalt verlor. Ihrem Sänger Victor Jarra, der das Lied "Venceremos" schuf, zerbrachen die Schergen in einem KZ-Stadion die Hände. Ein Großteil der Führung von Sozialisten und Kommunisten siedelte ins Exil in die DDR über.

"No pasaran!" ("Sie kommen nicht durch") kommt aus der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges 1936-1939. Die Verteidiger der demokratischen Republik und die Interbrigadisten aus vielen Ländern Europas erhoben diese Losung 1937, als die spanischen und italienischen Faschisten Madrid bedrohten. Sie ist auf alten Fotos zu sehen, die die Barrikaden der Verteidiger zeigen.
Der Einsatz der Interbrigadisten wurde in Filmen thematisiert, wie "Fünf Patronenhülsen" oder "Hans Beimler, Kamerad", die irgendwann auch jene zu sehen bekamen, die zur DDR auf Distanz gehen sollten.
Während der Verteidigungsminister der DDR, Heinz Hoffmann aus Mannheim, wirklich als Offizier im Schützengraben lag, verdiente sich Erich Mielke seine Sporen als Henkersknecht im sogenannten "Büro Herz" in Barcelona, wo nicht etwa die Faschisten verhört wurden, sondern die eigenen Leute sowie Demokraten und Anarchisten. In der DDR wurde auch nicht bekannt, dass das Idol Hans Beimler nicht etwa aus dem Olivenhain vor ihm tödlich von den Franquisten getroffen wurde, wie im Film zu sehen war, sondern die Kugel von hinten kam, wie der Obduktionsbericht ausweist.

#4:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 12:44
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Mein allererster Beitrag im FGH war auch mit der DDR-Problematik verbunden. Vielleicht finden sich darin einige Anregungen.

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=681657&highlight=#681657

Nach den ersten Reaktionen wollte ich eigentlich das Forum wieder verlassen. Ich dachte: "Hier bist Du doch sehr fremd".

Zum DDR-Schulunterricht. Den naturwissenschaftlich-technischen Fächern wurde ein großes Augenmerk geschenkt, um im Wettbewerb der beiden Systeme eines Tages - so glaubte man - ein Übergewicht über den Westen zu erlangen. Viele Lehrbücher waren vorbildlich systematisch aufgebaut.
Ferner wurde über den "Unterrichtstag in der Produktion" versucht, einen engen Praxisbezug herzustellen; obligatorisch waren auch die Unterrichtsfächer "Technisches Zeichnen" und "Einführung in die sozialistische Produktion" (ESP). Das war allerdings eine zweischneidige Angelegenheit, konnten doch die Schüler mitbekommen, wie es wirklich in den Betrieben aussah (fehlende Materialzufuhr, Schlamperei, schwere körperliche Arbeit) und wie die Angehörigen der "Arbeiterklasse" wirklich über ihre Arbeit und das System dachten.

#5:  Autor: IEFPIEH BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 13:06
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Martha-Helene hat folgendes geschrieben:
Ein anderer DDR-Geborener hat unter seinen Schreiben "Venceremos" stehen.
"Wir werden siegen"
Bisher bin ich nicht dazu gekommen zu fragen, wer da siegen soll.

Bei dir steht nun auch Spanisches (?)
Hat das irgendwie miteinander zu tun?


Telliamed hat das schön zusammengefasst, dem ist nichts hinzuzufügen.

Vielleicht noch ein paar Lektürehinweise zu den stalinistischen Verfolgungen von Trotzkisten, Anarchisten und anderen "Links"abweichlern hinter der Front:
Hans Magnus Enzensberger: Der kurze Sommer der Anarchie
Augustin Souchy: Nacht über Spanien
Abel Paz: Durruti, Leben und Tod des spanischen Anarchisten

Für mich ist "¡No Pasarán!" der Ausruf entschlossener Menschen, die sich für ihre Ideale gegen Unterdrückung und Reaktion einsetzen.

#6:  Autor: IEFPIEH BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 13:51
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Telliamed hat folgendes geschrieben:
Mein allererster Beitrag im FGH war auch mit der DDR-Problematik verbunden. Vielleicht finden sich darin einige Anregungen.

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=681657&highlight=#681657


ich finde du fasst das Verhältnis Staat/ Individium/ Kirche etwas einseitig ... die ev. Kirche in der DDR war tatsächlich ein sehr heterogenes Sammelbecken für alle möglichen Menschen die mit dem Spitzel- und Unterdrückungssystem in der DDR nicht einverstanden waren - es gab einfach keine andere Möglichkeit, keinen anderen Raum um offen über Mißstände, Schikanen u.s.w zu sprechen ...
das "religiöse"/ fromme spielte in vielen Gemeinden, besonders in den Städten, nach meiner Wahrnehmung eher eine untergeordnete Rolle
- darum ja dann mein Schock am kirchlichen Proseminar in Naumburg - die Mitschüler aus den Erzgebirgsdörfern waren alles andere als "oppositionell", die waren z.T. stark evangelikal-charismatisch angehaucht ...
Erst dort wurde mir klar: die Kirche ist nicht der bis dahin wahrgenommene Ort der Befreiung.
Und wenn man es wagte Glaubensdinge zu hinterfragen, wurde man genauso isoliert, bespitzelt und verleumdet - wie in der soz. Gesellschaft, wenn man Zweifel an der Partei-und Staatsführung äußerte.

Zum Thema Unterricht gehe ich konform: ESP, PA, TZ waren Teil des polytechnischen Konzeptes und ich denke wir haben da eine Menge mitnehmen können.

Andererseits wurden im Schulsystem junge Menschen, die nicht voll auf Linie waren gnadenlos ausgesiebt. In der Begründung der Ablehnung meiner Bewerbung um einen Platz an der EOS hieß es: "Der Schüler hat Reserven in der Persönlichkeitsentwicklung...."

Eigentlich klasse, wenn man mit 16 noch Reserven hat ... ;)

#7:  Autor: I.R BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 14:56
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Weder wusste ich im Kindergarten, wie der Obersoldat hiess, noch welchen Dienstgrad er hatte. Das war ganz gewiss nicht obligatorisches Dauerthema.
Ich kenne auch niemanden, der im Kindergarten marschiert wäre. OK, manchmal rief die eine Tante: "Marsch, Marsch!", aber das war sicher nicht gemeint, oder?

#8:  Autor: IEFPIEH BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 15:27
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I.R hat folgendes geschrieben:
Weder wusste ich im Kindergarten, wie der Obersoldat hiess, noch welchen Dienstgrad er hatte. Das war ganz gewiss nicht obligatorisches Dauerthema.
Ich kenne auch niemanden, der im Kindergarten marschiert wäre. OK, manchmal rief die eine Tante: "Marsch, Marsch!", aber das war sicher nicht gemeint, oder?


Nun, wir sind halt Anfang der 70er marschiert, und wußten über die grünen Männel bestens Bescheid.

Ich weiß nicht wieviel Spielraum die Kindergartenleitung bei der Ausgestalltung hatte.
Deswegen schrieb ich auch im ersten Eingangsbeitrag, dass ich hier nur eigene Erfahrungen wiedergeben kann. In dem Kindergarten den ich besuchte, war das so ...

Soviel ich weiß gab es einen verbindlichen Lehrplan für den Kindergarten, ich kann ja mal schauen ob ich den irgendwo finde ...

#9:  Autor: pewe BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 18:16
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IEFPIEH hat folgendes geschrieben:

Soviel ich weiß gab es einen verbindlichen Lehrplan für den Kindergarten, ich kann ja mal schauen ob ich den irgendwo finde ...

Ich hörte, dass hier auch die Kinder gefragt wurden, ob das Sandmännchen einen langen Bart hat?

#10:  Autor: wuffi BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 18:53
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Hatte in meiner Abiturklasse 2 Pfarrerkinder , natürlich waren die in der FDJ . Zu meinem Bedauern wurden eher Lippenbekenntnisse und äussere Zeichen ( Halstuch , FDJ- Hemd ) verlangt , als durch Kritik , Diskusion und Erfahrung gewonnene Überzeugungen , deshalb sind sie auch so tierisch auf die Fresse gefallen . Ein Grossteil der Opposition wollte dann auch einen eigenen DDR Weg in die Demokratie , als Kohl dann aber mit dem Westgeld winkte , was das vorbei .
Finde das Thema , nur auf Erziehung gelegt etwas zu kurz gegriffen

#11: Re: DDR - Erziehung/ Indoktrination/ Ausgrenzung Autor: HeizölrückstoßabdämpfungWohnort: Stralsund BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 20:21
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IEFPIEH hat folgendes geschrieben:
Der Anregung von RAW im Thread Missbrauchsfälle in der RKK folge ich gern und spinne mal einen "DDR-Faden" an.


Das könnte interessant werden.

Zitat:
Natürlich kann ich hier nur eigene Erfahrungen und meine subjektiven Schlüsse daraus darstellen.
Als die DDR der BRD 1990 betrat, war ich 20 Jahre alt, hatte aber dafür nicht zuletzt auf Grund meines familiären backgroundes schon einiges mit dem Apperat erlebt - also keinen geradlinigen, ungestörten, halt DDR-typischen Lebenslauf wie z.B. die Pfarrestochter Angela Merkel, geb. Kasner.


Ich war 10 Jahre alt. Einige Repressalien v.a. gegen meinen Vater habe ich auch mitbekommen.

Zitat:
Das DDR-Bildungssystem war - so meine Wahrnehmung auch damals -ein straff durchorganisiertes Indoktrinationsinstrument mit stark militaristischer Ausrichtung.


Ich erinnere mich noch genau an die Pioniernachmittage, ich habe sie gehasst. Aber nicht wegen der sozialistischen Indoktrination, das war mir schuppe und zudem auch nicht so stark präsent, sondern weil ich an solchen Nachmittagen nicht machen konnte, was ich wollte. Mich interessierten andere Dinge als Basteln und ähnliche Tätigkeiten.

Zitat:

Schon im Kindergartenalter wußten wir wie der Armeechef hieß und aussah (Armeegeneral Heinz Hoffmann), bekamen Bildchen zum ausmalen auf denen Soldaten der NVA mit den sowjetischen Waffenbrüdern im Manöver dargestellt waren und wurden angehalten zum Tag der NVA am 1.März Bilder zu malen auf denen Kinder "unseren" Soldaten, die meist auf Panzern saßen, mindestens aber eine Knarre in der Hand hatten, Blümchen überreichten --- ich habe einiges davon noch griffbereit in der Schublade und wir sagen Lieder von Hans-Jürgen, der vor dem Kasernentor steht, lernten schon im KiGa marschieren ect. pp ...


Ich habe nichts derartiges in Erinnerung. Ich kann mich nur daran erinnern, dass wir am 1. Mai immer rote Nelken an einem Soldatengrab niedergelegt haben.

Zitat:
Insgesamt aber sehe ich heute das Grundprinzip der Wissensvermittlung in DDR und seine Ergebnisse eher positiv. Man denke jetzt nicht nur an die POS, sondern z.B. auch an die Organisation der Studienplatzvergabe - so gab es durch die zentrale Lenkung einen sehr hohen Anteil von Frauen in den technischen und naturwissentschaftlichen Fachgebieten.

Aber man darf über all den positiven Aspekten aber die allgemeinen Erziehungsziele, die von der Kindergrippe an rigeros durch gezogen wurden, nicht vergessen.
Klares Ziel war die "allseitig gebildete, sozialistische Persönlichkeit" - Ziel war das Leben des einzelnen überschaubar und dem Willen der Partei-und Staatsführung steuerbar zu machen ... die große sozialistische Gesellschaft und der Führung der Vorhut der Arbeiterklasse, der Partei neuen Typs, der SED - Orwells "1984" lag in vielem tatsächlich nicht so falsch....

So und jetzt hole ich erst mal Luft und hoffe das wird eine interessante Diskussion.


Ich erinnere mich an meine DDR-Schulzeit mit gespaltenen Gefühlen. Einerseits wurden naturwissenschaftliche und andere Grundkenntnisse gut und anschaulich vermittelt. Ich kann mich z.B. noch genau an die Sezierungen eines Frosches und eines Fisches erinnern. Andererseits mochte ich das straff organisierte System nicht, ich denke da z.B. an die Fahnenappelle, bei denen besonders gute oder schlechte Schüler nach vorn traten oder den Samstagsunterricht.

#12: Re: DDR - Erziehung/ Indoktrination/ Ausgrenzung Autor: Evilbert BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 20:50
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Heizölrückstoßabdämpfung hat folgendes geschrieben:


Ich erinnere mich an meine DDR-Schulzeit mit gespaltenen Gefühlen. Einerseits wurden naturwissenschaftliche und andere Grundkenntnisse gut und anschaulich vermittelt. Ich kann mich z.B. noch genau an die Sezierungen eines Frosches und eines Fisches erinnern.


Das hatten wir im Westen auch - war ein Tintenfisch. Die (Bio-) Lehrerin war eine Alkoholikerin, die gleichzeitig auch unsere Englischlehrerin war.
Sie war nett und bemüht und hat wenig Bio unterrichtet, sondern mehr Englisch.

Die Tintenfischsezierung war unangekündigt und hat mir den Tag verdorben.

Was will ich damit sagen?

Es ist wahrscheinlich nicht nur eine Frage der Systeme, des Ortes usw.
Der konkrete Lehrkörper zählt am Meisten.
Ich hatte in Mathe von Jg. 12 bis 13 zwischen 13 und 2 Punkten. Glaub kaum; dass das nur an meinen Eskarpaden lag oder genetisch bedingt war.

Die unterschiedlichen Erfahrungen Ifpies und IRs (also Ostler scheinen ja alle doofe Nicks zu haben : zynisches Grinsen ) sind also wohl nicht verwunderlich.

#13:  Autor: I.R BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 21:06
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pewe hat folgendes geschrieben:
IEFPIEH hat folgendes geschrieben:

Soviel ich weiß gab es einen verbindlichen Lehrplan für den Kindergarten, ich kann ja mal schauen ob ich den irgendwo finde ...

Ich hörte, dass hier auch die Kinder gefragt wurden, ob das Sandmännchen einen langen Bart hat?

Es gibt nur ein Sandmännchen!

#14: Re: DDR - Erziehung/ Indoktrination/ Ausgrenzung Autor: HeizölrückstoßabdämpfungWohnort: Stralsund BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 22:03
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Noseman hat folgendes geschrieben:
(also Ostler scheinen ja alle doofe Nicks zu haben : zynisches Grinsen )


Den A.... versohlen

#15: Re: DDR - Erziehung/ Indoktrination/ Ausgrenzung Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 26.03.2010, 23:28
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Noseman hat folgendes geschrieben:
(also Ostler scheinen ja alle doofe Nicks zu haben : zynisches Grinsen )


Vor allem Heizmannrückholdampfkesselwart oder wie der heisst.

Skeptiker

#16:  Autor: Femina BeitragVerfasst am: 27.03.2010, 00:14
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Ich kann mich erinnern, dass ich mich meine ganze Kindheit über sowas von dieser Indoktrination abgestoßen fühlte. Im Kindergarten haben sie es noch weniger übertrieben. Da erinnere ich mich aber auch an die Soldaten, von denen öfter mal die Rede war und dass ich dabei immer dachte: "Ein Glück, dass ich kein Junge bin." Sie machten mir aber auch Angst. Denn: "Wozu brauchen wir Soldaten?" - "Damit sie uns vor den bösen Menschen beschützen." - "Was denn für böse Menschen?" - "Na, die sind hinter der Mauer." - "Und wenn die Soldaten es nicht schaffen, die bösen Menschen zurück zu halten?" - "Das schaffen sie." - Aber genau das habe ich nie so richtig glauben können und deshalb hatte ich schon als kleines Kind Angst.

In der Schule ging die erste Peinlichkeit mit dem blauen Halstuch los. Es gab recht bald nach der Einschulung so einen Gruppennachmittag in einem Partnerbetrieb und da gab es auch die blauen Halstücher. "Ihr seid jetzt Pioniere." Ich war nicht mal ablehnend beeinflusst. Meine Eltern sprachen mit mir nie über sowas. Sie hatten nicht gesagt, du kriegst heute ein blaues Halstuch und das ist doof. Ich habe ganz von selber und ganz von Anfang angespürt, dass ich dieses Ding hasse. ´Zu Hause habe ich es dann versteckt, weil ich mich dafür gechämt habe. Später bekamen wir so indoktrinierene Bücher zu lesen. Die habe ich auch immer versteckt, damit meine Eltern nur nicht sehen mussten, welch furchtbare Bücher ich für die Schule lesen musste.

Ich hasste die Fahnenappelle, die bei Wind und Wetter stattfanden und wo so bescheuertes Zeug gefaselt wurde, ich hasste die Pionier- und FDJ Tracht und wurde unzählige Male dafür gerügt, dass ich sie einfach nicht angezogen hatte. Der Gipfel vom Ganzen waren später diese mehrfachen Armee Drills an der Schule und auch noch vor Beginn des 2. Studienjahrs für Mädchen. Da habe ich mich auch einige Male verweigert. Dabei bin ich allerdings auch auf den Unmut meiner Mitchüler gestoßen, weil die unbedingt immer gewinnen wollten und mit mir war das nicht möglich. Ich sagte, mir wäre das scheißegal, ob wir nun erster oder letzter werden. Ist doch eh alles Kacke. Naja, ich habe damit nicht gerade Freunde gewonnen. Habe mich aber darüber hinweg gesetzt.

Was ich auch noch ganz schrecklich in Erinnerung habe, war, dass irgendwann in der 6. Klasse die Rede davon war, der Westen bereite einen Atomkrieg vor und dabei würden wir bald alle sterben. Ich hatte von da an über Jahre Todesängste, lag nachts in meinem Bett und konnte nicht einschlafen, weil ich überzeugt davon war, jetzt geht es gleich los.

Ich hatte auch ein Problem damit, dass ich nicht immer sagen durfte, was ich wollte. Habe noch nie gern ein Blatt vor den Mund genommen. Noch bildlich vor Augen habe ich, wie wir in der 8. Klasse in die DSF (für die Wessis: Deutsch Sowjetische Freundschaft) eintreten sollten, ich aber nicht wollte. Meine Klassenlehrerin hatte es sich zum Ziel gesetzt, alle Schüler da mit rein zu bekommen. Ich blieb hartnäckig. Bis eines Nachmittags meine Mutter zu mir sagte, ich würde gewiss nie einen Studienplatz bekommen, wenn ich da nicht einträte. ...

In einer anderen Situation habe ich mich für die negativen Konsequenzen entschieden. Ich hätte einen Platz zum Studium der Finanzwirtschaft bei der Staatsbank bekommen können. Den hätte ich wirklich gern angenommen. Die Bedingung war aber, meine ganze Familie hätte keine Kontakte in den Westen mehr haben dürfen. Wir hatten 2 Kontakte. Und nee, das hätte ich als Verrat empfunden. Ich habe mich gegen den Studienplatz entschieden.

Die Liste könnte hier noch länger werden. Ich bin heute einfach froh, dass unsere Kinder nahezu angstfrei aufwachsen können, dass sie in der Schule keine Kluft tragen müssen, dass die Bücher, die sie lesen müssen, interessant sind, so dass ich sie teilweise gern gemeinsam mit ihnen lese, dass ihre Klassenausflüge und sonstige Unternehmungen frei von Indoktrination sind. Gegen religiöse Indoktrination müssen wir uns zwar heute auflehnen, aber die hat doch zumindest dann, wenn man an den gewissen Fächern nicht teilnimmt, an der Schule nicht den Stellenwert, den die sozialistische Indoktrination bei uns damals hatte. Ich hoffe jedenfalls, dass wir die eines Tages auch noch besiegen.

Außerordentlich erleichtert bin ich, dass man meine Söhne nicht eines Tages dazu zwingen wird, zur Armee zu gehen.

Lernmäßig ist es für unsere Kinder heute auch viel besser. Gut, es ist eine andere Zeit, aber z.B. Sprachen werden doch heute viel eher und viel praktischer gelernt. Das ist etwas, was mir heute ganz deutlich fehlt.


Zuletzt bearbeitet von Femina am 27.03.2010, 23:24, insgesamt einmal bearbeitet

#17:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 27.03.2010, 00:22
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Femina hat folgendes geschrieben:
Ich kann mich erinnern, dass ich mich meine ganze Kindheit über sowas von dieser Indoktrination abgestoßen fühlte. Im Kindergarten haben sie es noch weniger übertrieben. Da erinnere ich mich aber auch an die Soldaten, von denen öfter mal die Rede war und dass ich dabei immer dachte: "Ein Glück, dass ich kein Junge bin." Sie machten mir aber auch Angst. Denn: "Wozu brauchen wir Soldaten?" - "Damit sie uns vor den bösen Menschen beschützen." - "Was denn für böse Menschen?" - "Na, die sind hinter der Mauer." - "Und wenn die Soldaten es nicht schaffen, die bösen Menschen zurück zu halten?" - "Das schaffen sie." - Aber genau das habe ich nie so richtig glauben können und deshalb hatte ich schon als kleines Kind Angst.

In der Schule ging die erste Peinlichkeit mit dem blauen Halstuch los. Es gab recht bald nach der Einschulung so einen Gruppennachmittag in einem Partnerbetrieb und da gab es auch die blauen Halstücher. "Ihr seid jetzt Pioniere." Ich war nicht mal ablehnend beeinflusst. Meine Eltern sprachen mit mir nie über sowas. Sie hatten nicht gesagt, du kriegst heute ein blaues Halstuch und das ist doof. Ich habe ganz von selber und ganz von Anfang angespürt, dass ich dieses Ding hasse. ´Zu Hause habe ich es dann versteckt, weil ich mich dafür gechämt habe. Später bekamen wir so indoktrinierene Bücher zu lesen. Die habe ich auch immer versteckt, damit meine Eltern nur nicht sehen mussten, welch furchtbare Bücher ich für die Schule lesen musste.

Ich hasste die Fahnenappelle, die bei Wind und Wetter stattfanden und wo so bescheuertes Zeug gefaselt wurde, ich hasste die Pionier- und FDJ Tracht und wurde unzählige Male dafür gerügt, dass ich sie einfach nicht angezogen hatte. Der Gipfel vom Ganzen waren später diese mehrfachen Armee Drills an der Schule und auch noch vor Beginn des 2. Studienjahrs für Mädchen. Da habe ich mich auch einige Male verweigert. Dabei bin ich allerdings auch auf den Unmut meiner Mitchüler gestoßen, weil die unbedingt immer gewinnen wollten und mit mir war das nicht möglich. Ich sagte, mir wäre das scheißegal, ob wir nun erster oder letzter werden. Ist doch eh alles Kacke. Naja, ich habe damit nicht gerade Freunde gewonnen. Habe mich aber darüber hinweg gesetzt.

Was ich auch noch ganz schrecklich in Erinnerung habe, war, dass irgendwann in der 6. Klasse die Rede davon war, der Westen bereite einen Atomkrieg vor und dabei würden wir bald alle sterben. Ich hatte von da an über Jahre Todesängste, lag nachts in meinem Bett und konnte nicht einschlafen, weil ich überzeugt davon war, jetzt geht es gleich los.

Ich hatte auch ein Problem damit, dass ich nicht immer sagen durfte, was ich wollte. Habe noch nie gern ein Blatt vor den Mund genommen. Noch bildlich vor Augen habe ich, wie wir in der 8. Klasse in die DSF (für die Wessis: Deutsch Sowjetische Freundschaft) eintreten sollten, ich aber nicht wollte. Meine Klassenlehrerin hatte es sich zum Ziel gesetzt, alle Schüler da mit rein zu bekommen. Ich blieb hartnäckig. Bis eines Nachmittags meine Mutter zu mir sagte, ich würde gewiss nie einen Studienplatz bekommen, wenn ich da nicht einträte. ...

In einer anderen Situation habe ich mich für die negativen Konsequenzen entschieden. Ich hätte einen Platz zum Studium der Finanzwirtschaft bei der Staatsbank bekommen können. Den hätte ich wirklich gern angenommen. Die Bedingung war aber, meine ganze Familie hätte keine Kontakte in den Westen mehr haben dürfen. Wir hatten 2 Kontakte. Und nee, das hätte ich als Verrat empfunden. Ich habe mich gegen den Studienplatz entschieden.

Die Liste könnte hier noch länger werden. Ich bin heute einfach froh, dass unsere Kinder nahezu angstfrei aufwachsen können, dass sie in der Schule keine Kluft tragen müssen, dass die Bücher, die sie lesen müssen, interessant sind, so dass ich sie teilweise gern gemeinsam mit ihnen lese, dass ihre Klassenausflüge und sonstige Unternehmungen frei von Indoktrination sind. Gegen religiöse Indoktrination müssen wir uns zwar heute auflehnen, aber die hat doch zumindest dann, wenn man an den gewissen Fächern nicht teilnimmt, an der Schule nicht den Stellenwert, den die sozialistische Indoktrination bei uns damals hatte. Ich hoffe jedenfalls, dass wir die eines Tages auch noch besiegen.

Lernmäßig ist es für unsere Kinder heute auch viel besser. Gut, es ist eine andere Zeit, aber z.B. Sprachen werden doch heute viel eher und viel praktischer gelernt. Das ist etwas, was mir heute ganz deutlich fehlt.


Na siehst Du. Es ist alles gut geworden. Oder zumindest wird alles gut!

Skeptiker

#18:  Autor: wuffi BeitragVerfasst am: 27.03.2010, 04:19
    —
Hallo Telliamed , habe Deinen 1. Beitrag gelesen , gut analysiert , dem ist nichts hinzuzufügen .
Ich komm nun aus einer Familie des kommunistischen Widerstands , mich hat das Christentum insofern als Heranwachsender interresiert , dass ich dachte , irgendetwas muss doch daran sein , weshalb ist es wohl so unerwünscht , bin auch heimlich mit Schulkameraden in die Christenlehre gegangen ( es gab nur 2 in meiner Klasse ). Es ging sogar soweit ,dass ich mit 18 Jahren gegen den Willen meiner Eltern Christ wurde , das Abitur durfte ich auf Grund meiner Familiengeschichte noch machen , aber mit dem Studium wurde es nichts . Gegen Ende der DDR sind mir die Augen aufgegangen , als die ganzen Popen riefen : Jetzt sind wir dran
Uns wurden die humanistischen Traditionen nicht vermittelt ( Meinungsfreiheit , Pessefreiheit usw.) und als kleinbürgerlich abgetan , ist mit ein Grund des Scheiterns der DDR .
Bei diesen Themen sollten Wessis nur höfliche Fragen stellen dürfen , dann braucht man sich auch nicht überlegen aus dem Forum auszusteigen

#19:  Autor: WilsonWohnort: Swift Tuttle BeitragVerfasst am: 27.03.2010, 10:50
    —
Zitat:

Ich bin heute einfach froh, dass unsere Kinder nahezu angstfrei aufwachsen können, dass sie in der Schule keine Kluft tragen müssen, dass die Bücher, die sie lesen müssen, interessant sind, so dass ich sie teilweise gern gemeinsam mit ihnen lese, dass ihre Klassenausflüge und sonstige Unternehmungen frei von Indoktrination sind. Gegen religiöse Indoktrination müssen wir uns zwar heute auflehnen, aber die hat doch zumindest dann, wenn man an den gewissen Fächern nicht teilnimmt, an der Schule nicht den Stellenwert, den die sozialistische Indoktrination bei uns damals hatte. Ich hoffe jedenfalls, dass wir die eines Tages auch noch besiegen[/code]


naja. man geht hier eben subtiler vor.
jedoch nicht minder erfolgreich.
in der ddr wusste doch sowieso jeder, dass was nicht stimmte, salopp gesagt.

#20:  Autor: RoodyWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 27.03.2010, 12:55
    —
Wilson hat folgendes geschrieben:
Zitat:

Ich bin heute einfach froh, dass unsere Kinder nahezu angstfrei aufwachsen können, dass sie in der Schule keine Kluft tragen müssen, dass die Bücher, die sie lesen müssen, interessant sind, so dass ich sie teilweise gern gemeinsam mit ihnen lese, dass ihre Klassenausflüge und sonstige Unternehmungen frei von Indoktrination sind. Gegen religiöse Indoktrination müssen wir uns zwar heute auflehnen, aber die hat doch zumindest dann, wenn man an den gewissen Fächern nicht teilnimmt, an der Schule nicht den Stellenwert, den die sozialistische Indoktrination bei uns damals hatte. Ich hoffe jedenfalls, dass wir die eines Tages auch noch besiegen[/code]


naja. man geht hier eben subtiler vor.
jedoch nicht minder erfolgreich.
in der ddr wusste doch sowieso jeder, dass was nicht stimmte, salopp gesagt.

Dem kann ich so nicht zustimmen!
Meine klaren Feindbilder sind erst spät entstanden.
Da meine Eltern sehr opportunistisch in politischen Fragen waren, wuchs ich "gläubig" auf, der Kommunismus war das Endziel der Geschichte.
Im Kindergarten sang ich inbrünstig das Lied vom "Kleinen Trompeter", das Halstuch war für MICH eine Auszeichnung!
Das Ganze hatte etwas religiöses!
Besonders deutlich wird mir das im Nachhinein in Bezug auf meinen siebenwöchigen Aufenthaltes in der "Pionierrepublik Wilhelm Pieck". Rotlicht pur!
Das heftigste war dann die abschließende Fahrt zum X. Parteitag der SED in den Palast der Republik. Ich versteh deshalb, wie das "Dritte Reich" seine Kids in Extase versetzte, denn bis zu meinem ersten Sex war das der schönste Tag in meinem Leben!
Erst viel später bei der NVA wurde ich "ungläubig".

#21:  Autor: Femina BeitragVerfasst am: 27.03.2010, 23:37
    —
@Wilson: Du hast Recht, ich hätte schreiben sollen, relativ frei von Indoktrination. Ich kann dir auch zustimmen, dass man heute mit der religiösen Indoktrination subtiler vorgeht. Der Hauptunterschied ist, dass man heute bei der religiösen Indoktrination die Bedürfnisse von Menschen, insbesondere von jungen Menschen bewusster ausnutzt. Ich habe mich bei diesem ganzen Sozialismusgelabere und all den Zwängen nie bei meinen Bedürfnissen gepackt gesehen. Deshalb konnten die wohl bei den meisten Menschen nicht so in die Herzen vordringen.

Roody, bei dir waren es wohl zu einem großen Teil die Eltern, die die Sozialismusgläubigkeit bei dir unterstützt haben. Was man mit mit der Muttermilch mitbekommt, beeinflusst nicht unerheblich. Deine Eltern haben es geschafft, das bei dir auf der emotionalen Schiene zu bewirken. Das ist entscheidend. Prozentual gesehen waren das wohl aber eher wenige Menschen, die vom politischen System der DDR überzeugt waren.

Für mich war vor 2 Jahren ein Klassentreffen ganz interessant. Ich hatte in meiner Klasse eine ganze Reihe von Kindern so genannter roter Socken, die immer alles brav mitgeacht haben, was bei mir Widerstand ausgelöst hat. Und gerade diese Familien waren interessanter Weise die ersten, die nach dem Mauerfall in den Westen übergesiedelt sind. Und obwohl man es denen damals nie angemerkt hat, dass sie mit dem System nicht einverstanden waren, haben sie heute so völlig anders geredet, als hätten sie schon immer diese Überzeugung gehabt.

#22:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 29.03.2010, 11:17
    —
Die bisherigen Berichte weckten alle in mir Erinnerungen.

In Kürze wird nach 36 Jahren das erste Mal meine Abiturklasse zusammenkommen.

Wir hatten auch durch die Wohnlage im Süden Erfurts einen hohen Anteil von Kindern aus Kreisen der Funktionäre, Offiziere, Polizisten, Hochschullehrer, leitenden Betriebskader. Die Verbundenheit mit dem Staat war allgemein eng, religiöse Schüler gab es nur ganz wenige. Bei mir - Null-Westverwandtschaft. Vor 1989 kannte ich keinen einzigen Bundesbürger persönlich näher, Kontakte waren im Arbeitsumfeld nicht möglich und erwünscht.

@Femina
Mit Ängsten vor dem Atomkrieg bin ich in den 1960er Jahren auch aufgewachsen. Da wurde auch noch der Atomalarm in New York und anderen Städten der USA im Fernsehen gezeigt (wir bekamen 1963 Fernsehen), bei dem alle Sirenen einer Großstadt gleichzeitig heulten. Das wiederum erinnerte meine Eltern an die Zerstörung ihrer Heimatstädte Dresden und Chemnitz, die sie in den Bombenkellern miterlebten. Mit ihren Berichten von den brennenden Menschen in der Dresdener Innenstadt bin ich in der frühen Kindheit aufgewachsen.
In sowjetischen Filmen wiederum wurde gezeigt, wie Kinder als Partisanen die deutschen Eindringlinge töteten. Dann aber gleichzeitig die Erzählung eines Onkels aus Wehrmachts-Zeiten, wonach ein deutscher Maschinengeschütze allein ganze Reihen anstürmender Sowjetsoldaten niedermähte, die völlig ungedeckt ins Feuer getrieben wurden. Was auf der einen Seite als "Heldentum" hingestellt wurde, erschien auf der anderen Seite als offen zutage tretende Geringschätzung des einmaligen, unwiederholbaren Menschenlebens.

Im November 1983, auf dem Höhepunkt der Krise um die Mittelstreckenraketen von NATO und Warschauer Vertrag, als die Sowjets ein südkoreanisches Passagierflugzeug abschossen, prahlten an einem Nebentisch im Berliner Restaurant "Praha" mehrere SED-Funktionäre: "Unsere Atom U-Boote sind jetzt vor Washington aufgetaucht!" Ich dachte bloß: "Wißt Ihr eigentlich, wie gefährlich das alles ist? Bei uns sind atomare Mittelstreckenwaffen von Würzburg und Jena aus aufeinander gerichtet!" Doch bereits im Juli 1982 hatte der berühmte Waldspaziergang bei Genf zwischen Paul Nitze und Julij Kvizinskij stattgefunden, der zu einer späteren Regelung bei den Mittelstreckenwaffen führten.
http://www.zeit.de/1993/20/Ein-blutendes-Herz



Meine Freundin, mit der ich in der Abiturzeit zusammen war, gehörte mit ihren Eltern der evangelischen Kirche an. So lernte ich den Umgang mit nahe stehenden Andersdenkenden. In den 1970er Jahren hatte sie nicht mehr solche Schwierigkeiten mit dem Zugang zum Medizinstudium und ist heute leitende Medizinerin. Damals hatte man staatlicherseits eingesehen, dass sich in Ärztefamilien wieder eigener Nachwuchs einfand. Beim Medizinstudium kamen viele der von der Partei zum Studium delegierten jungen Menschen nicht klar.

Wenn ich in meinem Bericht nicht genügend innerhalb der verschiedenen Gruppierungen in der evangelischen Kirche differenzierte, so liegt das daran, dass ich auf die Kirchen nur von außen blickte. Ich stammte aus einer atheistischen Familie in dritter Generation, schon meine Großeltern waren um die Jahrhundertwende als sächsische Freidenker für die "Verbrennung" im Krematorium.
Was mich in die Kirchen zog, waren die Musik von Bach und Händel oder mittelalterliche und frühneuzeitliche Altarbilder und Schnitzkunstwerke, gotische Glasmalereien und barocke Sarkophage.

#23:  Autor: Femina BeitragVerfasst am: 29.03.2010, 23:44
    —
@Telliamed: Zu diesen ganzen politischen Hintergründen aus dieser Zeit kann ich fast gar nichts sagen, weil ich Politik bewusst abgeblockt habe. Sie war langweilig und nervig. Berichte über Krieg, ... usw. haben mir schon beim Sehen einiger Bilder Angst gemacht, habe ich stets sofort abgeschaltet. Erst nach der Wende begann ich mich für Politik zu interessieren, weil es plötzlich spannend und interessant wurde.

Ich kannte auch Menschen, die in der Kirche waren, aber nie hat einer von denen aus dem Nähkästchen geplaudert. Ich habe die auch nie als Andersdenkende empfunden. Meine beste Studienfreundin ist relativ streng gläubig (ja, ich stellte dann beim Studium staunend fest, dass es tatsächlich mehrere Studenten gab, die in der Kirche waren. Mein Studium begann 1986.) und obwohl wir 4 Jahre lang in einem Zimmer gewohnt haben, hat sie nie näher darüber gesprochen. Wir haben uns in allen anderen Alltagsfragen bestens verstanden. Meine eigene Familie, die waren auch in der Kirche. Allerdings alles Mitläufer. Von denen hat auch keiner großartig über Religion gesprochen. Meine Omi habe ich ein paarmal in der Kirche singen hören, da sie dort im Chor war. Aber doch nur, weil´s so schön klingt. Nie hat sie über Religion gesprochen. Ich wollte mit ihr jetzt darüber sprechen, aber sie lehnt es ab. Sie sagt, sie möchte sich nicht aufregen, sie möchte ihre Ruhe haben.

#24:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 17:43
    —
Femina hat folgendes geschrieben:
@Telliamed: Zu diesen ganzen politischen Hintergründen aus dieser Zeit kann ich fast gar nichts sagen, weil ich Politik bewusst abgeblockt habe. Sie war langweilig und nervig. Berichte über Krieg, ... usw. haben mir schon beim Sehen einiger Bilder Angst gemacht, habe ich stets sofort abgeschaltet. Erst nach der Wende begann ich mich für Politik zu interessieren, weil es plötzlich spannend und interessant wurde.


Da waren die Kriegsbilder aus Belgrad und Irak plötzlich interessant oder wie?

Skeptiker

#25:  Autor: wuffi BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 18:31
    —
Was mich auch immer genervt hat , war die Verherrlichung des preussischen Militarismus , obwohl in der Tradition Sozialisten und Kommunisten immer gegen diesen Kadavergehorsam gekämpft hatten .
Der Höhepunkt war dann in den 70 ern als neue Denkmäler für die Preussen Generäle errichtet wurden .
Auch die NVA Offiziersuniformen unterschieden sich nicht viel von den alten Vorbildern , diese ekligen Reiterhosen . In meiner Wehrdienstzeit hab ich bei so manchem Offizier gedacht , das Arschloch könnte auch in der Wehrmacht gedient haben .

#26:  Autor: Evilbert BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 18:37
    —
wuffi hat folgendes geschrieben:

Der Höhepunkt war dann in den 70 ern als neue Denkmäler für die Preussen Generäle errichtet wurden .


Geschockt

Das hab ich nicht gewußt und damit hätte ich jetzt auch nicht gerechnet.

#27:  Autor: wuffi BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 19:53
    —
Das bekannteste war wohl der Hau Degen Schill , hinter der Berliner Staatsoper . Es muss wohl interne Kritik gegeben haben , denn die Propaganda Maschine lief auf Hochtouren . Denn es wurde auch gerechtfertigt , was sonst nicht deren Art war , zb. mit den Befreiungskriegen

#28: Re: DDR - Erziehung/ Indoktrination/ Ausgrenzung Autor: AszWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 20:13
    —
Heizölrückstoßabdämpfung hat folgendes geschrieben:
Noseman hat folgendes geschrieben:
(also Ostler scheinen ja alle doofe Nicks zu haben : zynisches Grinsen )


Den A.... versohlen


ich schließ mich Heizölrückstoßabdämpfung an und verstehe überhaupt nicht, was ihr an diesem wunderschönen Namen auszusetzen habt komm her kleiner

#29:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 20:45
    —
@wuffi
Zitat:
Was mich auch immer genervt hat , war die Verherrlichung des preussischen Militarismus , obwohl in der Tradition Sozialisten und Kommunisten immer gegen diesen Kadavergehorsam gekämpft hatten .
Der Höhepunkt war dann in den 70 ern als neue Denkmäler für die Preussen Generäle errichtet wurden .
Auch die NVA Offiziersuniformen unterschieden sich nicht viel von den alten Vorbildern , diese ekligen Reiterhosen . In meiner Wehrdienstzeit hab ich bei so manchem Offizier gedacht , das Arschloch könnte auch in der Wehrmacht gedient haben .


Die Wiedererrichtung der Bronze-Standbilder für Scharnhorst, Bülow, Gneisenau, Blücher und Yorck in Berlin kann man sicher unter noch mehr Gesichtspunkten betrachten.
Zum einen gehörten sie zum historischen Bild des Zentrums von Berlin, das durch den vom Nationalsozialismus entfesselten Zweiten Weltkrieg stark in Mitleidenschaft gezogen worden war. Sie stammten zum anderen alle von Christian Daniel Rauch (1777-1857), dem nach Gottfried Schadow wohl bedeutendsten Bildhauer des Klassizismus in Preußen, ebenso wie das Reiterstandbild für Friedrich II. Unter den Linden.
1981 wurde es enthüllt, nachdem es von Potsdam nach Berlin gebracht worden war. Der Literaturwissenschaftler Werner Mittenzwei erzählte einmal, wie erstaunt er war, dass die von seiner Frau Ingrid verfasste Biographie Friedrichs II. 1979 zufällig in die Hände Honeckers geriet, was die Wiedererrichtung des Denkmals ungemein beförderte.

Einerseits brachten die Heere Napoleons bürgerlichen Fortschritt in die europäischen Länder, in Deutschland profitierten besonders das Königreich Westfalen und das Großherzogtum Berg von der Einführung des Code Civil, die auch die Gleichstellung der Juden mit sich brachte. Zum anderen forderten jedoch die grenzenlosen Eroberungskriege Napoleons mehr als 1 Million Menschenleben, und ihr Ziel wurde selbst von seinen engsten Mitstreitern, wie Caulaincourt, nicht mehr verstanden. Sie konnten nur noch durch einen Abwehrkampf gestoppt werden.

Ja, diese Generale dienten Preußen. Aber Scharnhorst setzte sich - gegen die Lethargie des Königs Friedrich Wilhelm III. - für die allgemeine Volksbewaffnung im Kampf gegen Napoleon ein, die von den Junkern denn doch argwöhnisch betrachtet wurde. Bülow sicherte 1813 in der Schlacht bei Dennewitz den Zugang zu Berlin, der durch Marschall Michel Ney bedroht wurde. Gneisenau war Generalstabschef und strategischer Kopf des Befreiungskrieges gegen Napoleon, Blücher (der sich 1806 nicht wie die Kommandanten Magdeburgs und Stettins beim Auftauchen der Franzosen gleich ergab) als "Marschall Vorwärts" zwar ein halb-analphabetischer Haudegen, aber eine beliebte Volksfigur. Schließlich bewirkte die Konvention von Tauroggen, die der ansonsten reaktionäre Junker Yorck mit dem russischen General Diebitsch im Dezember 1812 abschloß, das Ausscheiden des preußischen Hilfskorps aus dem Kampf gegen die Russen.

Dafür, dass die historische Bewertung dieser Figuren zwiespältig ausfällt, können die Denkmäler Rauchs nichts.

#30:  Autor: AszWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 20:50
    —
Ansonsten bin ich auch Ossa. Ich war nicht im Widerstand (aus für mich wichtigen Gründen) und ich habe die Wende von der anderen Seite erlebt.

Ich bin in einer Familie großgeworden, in der Politik z.B. selbstverständlich war. Es wurde nicht groß diskutiert, aber wir haben damit gelebt. Bildung war das wichtigste, was es überhaupt gab.
Meine Eltern waren beide Lehrer. Ich glaube, mein Vater war ziemlich autoritär, er ist ja auch nicht lange im Schuldienst geblieben, weil er einem Kind auf dem Schulhof eine gescheuert hatte. Während meiner Schulzeit war er an der Uni als Lehrer im Hochschuldienst (russisch und polnisch) Meine Mutter war eine ausgesprochen beliebte Lehrerin, manche ihrer Schüler (sie war Grundschullehrerin) kamen noch als Erwachsene zu Besuch zu uns nach Hause. Von meiner Mutter habe ich übrigens das erste Mal den Begriff Legastheniker gehört. Im Gegensatz zu vielen anderen Lehrern (Mitte bis Ende der 60iger Jahre) hat sie die Betroffenen in ihrem Unterricht immer sehr gefördert. Seit damals weiß ich, daß eine echte Legasthenie (meistens) mit einer ausgesprochenen Mathematikbegabung einhergeht.
Es ist durchaus so gewesen, daß es in der DDR ein etwas durchorganisierteres Schulsystem gab als jetzt. Die blöden Fahnenapelle gehörten auch dazu. Aber auch ein einheitlicher Lehrplan und einheitliche Prüfungen, jeder zukünftige Student war nach dem Abitur auf einem relativ einheitlichen Wissensstand. Und Mittwochs gab es keine Hausaufgaben. Auch wenn kein Pioniernachmittag war Verlegen
Als meine Tochter zum (bundesdeutschen)Abitur hin Physik abwählen durfte, bin ich fast umgefallen!
Was ich aber ganz persönlich mitbekommen habe war, daß es in den Händen der Schuldirektoren, aber auch der Lehrer und auch der Schüler lag, wie das Leben in der Schule ablief.
In der einen Schule gab es den autoritären Führungsstil, zwei verfeindete Lehrerlager (was mir als Schülerin fast zum Verhängnis wurde) und ein, zwei engagierte Lehrer/innen, bei denen das Lernen einfach Spaß machte.
In der anderen Schule gab es ca. 3 Lehrer/innen die schwierig und verfeindet waren, ein gutes Verhältnis zwischen Direktion und Schülern und die meisten Lehrer waren engagiert.
Meine Deutschlehrerin ist in den 90igern verstorben, zu ihrer Beerdigung war der Friedhof voller Leute (kein kleiner Friedhof) und die meisten von denen waren ehemalige Schüler, die genauso heulten wie ich.
Natürlich gab es Indoktrination - "der Sozialismus wird siegen, weil er war ist" - da bin ich zum ersten Mal ausgestiegen... warum brauch ich hier wohl nicht zu erklären.
Ich hatte mit der Kirche überhaupt keine Berührung weil wir atheistisch waren - wohlgemerkt a.. nicht anti.
Deshalb habe ich mich auch ein wenig mit dem Christentum beschäftigt. Hab mir von einer Mitschülerin (ich glaube heute, die waren irgendwie evangelikal) das Vaterunser richtig beibringen lassen. Meine Mutter wurde mal nett von einem Mitlehrer daraufhingewiesen, daß ich einen Rosenkranz (Pan Jesus) als Kette um den Hals trug. Ich fands bloß kultig und hatte keine Ahnung. Nach dem Gespräch mit meiner Mutter habe ich natürlich gleich mal geforscht, was das ist Auf den Arm nehmen
Kirchenbauten fand ich architektionisch schön (ähm, die romanischen) - wie irgendwie Denkmäler oder Theater oder so.
In Halle (MediFA) waren viele christliche Mädchen in meinem Studiengang, auch eine Zeugin Jehovas, die in einer ExtraPension wohnte und ihre dünnen langen Haare immer in unserem Studentenwohnheim föhnte, weil "sonst der Haarsaft" verlorengeht.
Ich hab eigentlich immer erlebt, daß uns "Kommunistengören" immer gesagt wurde, wir müßten Vorbilder sein und überhaupt. Mag sein, daß es bei anderen anders war, dann hatte ich eben einfach Pech (oder Glück).
Und die meisten Außenseiter, die ich zu meiner Schulzeit erlebt hatte, wurden oft durch ihre Eltern zu Außenseitern gemacht - u.a. weil ja der Atheismus und natürlich der Sozialismus des Teufels waren. Nichtdestotrotz gingen viele auf die EOS und studierten. Zwei meiner entsprechenden Klassenkameraden haben sich allerdings im jungen Erwachsenenalter umgebracht.

So, jetzt wird das Posting zu lang - also klemme ich mir weitere Hinweise auf mein wirklich buntes (Schul-) leben...

#31:  Autor: AszWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 20:54
    —
Telliamed hat folgendes geschrieben:
@wuffi
...
Dafür, dass die historische Bewertung dieser Figuren zwiespältig ausfällt, können die Denkmäler Rauchs nichts.


Zu diesem Thema fällt mir immer die Moltke-Diskussion in der "Aula" ein. Gröhl... Und gleich darauf der Bischof mit dem Tomatenwein.
Kann ich hier übrigens nur empfehlen, die Stelle, als die Protagonisten ihren Austritt aus der Kirche erklären und der Bischof mit ihnen Tomatenwein trinkt. Gröhl...

#32:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 21:42
    —
@Asz

Zu Deiner sehr interessanten Jugendgeschichte, wenn Du willst, hier später einige Anmerkungen, ansonsten PN.

Zur "Aula" und zu Hermann Kant. Die "Aula" ist natürlich auch heute noch Kult. Quasi Rieck, der in den Westen gegangene FDJler, als Wirt in einer heruntergekommenen Hamburger Kneipe, in der er auf die Frage nach der Speisekarte ausweichend antwortet, dass sie in der Küche gerade noch überlegen, wie Bockwurst geschrieben wird.

Ich kannte noch "Das Impressum" und den stark autobiographischen "Der Aufenthalt" (in polnischer Kriegsgefangenschaft). Der "Dritte Nagel" aber ging mir dann gehörig auf den Wecker wegen dieser zur Manie gewordenen witzelnden Schreibweise. Ja, 1989 gehörte das ZK-Mitglied Kant zu den ersten, die sich der öffentlichen Diskussion stellten. Aber immer mit diesem Unterton "Ja, ich weiß, da war noch etwas anderes, aber wir kommen schon drüber weg."
Ich mache nicht einmal seine Haltung 1976 in erster Linie zum Vorwurf, er mag tatsächlich davon überzeugt gewesen sein, dass sich Biermann dem "Gegner" angedient habe. Aber etwas mehr Einsicht - nicht Reue - hätte ihm gut gestanden.
Und am 4. November waren dann Christa Wolf (die ich am Anfang in den 1970er Jahren nicht leiden konnte, weil sie selbstverständlich die Honorare aus dem Westen einstrich, dafür auf ihrem mecklenburgischen Landgut im "einfachen Landleben" badete, während in Berlin schon der Teufel los war; ich tat ihr Unrecht) und Stefan Heym und Christoph Hein auf dem Alexanderplatz. Und als sich in das Kesseltreiben gegen Gregor Gysi bereits wieder antisemitische Töne mischten, besuchte St. Heym ihn demonstrativ, um ihm seine Solidarität zu bekunden.

#33:  Autor: HomoCarnulaWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 21:59
    —
Ich hab nur *rechne* ~9 Jahre meiner Kindheit in der DDR verbracht, kann aber (bis auf meine völlig bescheuerte Lehrerin in der 1.-4.... die sicher auch in der BRD bescheuert gewesen wäre) nur positives sagen.
Ich hab keine Ahnung gehabt wie der Generalfeldmarschallvonundzuhastenichtgesehen geheissen hat Geschockt ich mochte die russischen Soldaten, die die ich traf, hatten Geschenke dabei Lachen Verlegen, ich liebte "Der kleine Trompeter" heiss und innig, und habe auch gerade wieder die Melodie im Kopf, und fand nichts schlimmes an den Pioniergesetzen.

Die Christen, die ich kannte, zumindest in meiner Klasse die eine... waren merkwürdig. Ich bin zu einem Geburtstag von der Klassenkameradin eingeladen worden, und wurde regelrecht gezwungen, beim Tischgebet teilzunehmen. Das hat in mir instinktiven Widerstand ausgelöst.

Ich mochte den Sportunterricht nicht, wahrscheinlich weil ich die Beweglichkeit eines Bambusstammes der in Stahl eingekleidet ist hatte. Dadurch bin ich beim Turnunterricht negativ aufgefallen, und mir machte es definitiv keinen Spass, dass man mich zu Leistungen zwingen wollte, die ich nicht erbringen konnte/wollte.

Das Pionierwesen hatte schon etwas religiöses... aber ich mochte es. Ich mochte meine Goldene Eins, die mir der doofe Polizist wieder abgenommen hat, nachdem ich nach der Prüfung vor Freude vor ein Auto lief Geschockt

Meine Oma hat mir öfter erzählt, dass ich weinend zu ihr kam und meinte "Die haben erzählt dass Honecker ein Verbrecher ist", als sich dann die Zeiten änderten. Und ich glaube, damals hab ich gelernt, dass Ideale einen nirgendwohin bringen. Alles ändert sich plötzlich... die ganze Welt ist anders, obwohl sich *äusserlich* nichts geändert hat. Daran knabber ich im Endeffekt immer noch. Aber das ist bei dem Alter damals wohl auch verständlich... wenn dir von heut auf morgen erklärt wird, dass alles falsch und schlecht ist, was du vorher gemacht hast.

Von Repressalien hab ich (ausser bei besagter doofen Lehrerin) nichts mitbekommen. Und ich wage zu behaupten, dass man das in dem Alter (sofern es nicht den eigenen Familienbereich betrifft) auch nicht für sowas Augen hat. Weder hab ich mit 8 gedacht, dass Lieder Indoktrination seien oder sonstiges.

#34:  Autor: Femina BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 22:27
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Femina hat folgendes geschrieben:
@Telliamed: Zu diesen ganzen politischen Hintergründen aus dieser Zeit kann ich fast gar nichts sagen, weil ich Politik bewusst abgeblockt habe. Sie war langweilig und nervig. Berichte über Krieg, ... usw. haben mir schon beim Sehen einiger Bilder Angst gemacht, habe ich stets sofort abgeschaltet. Erst nach der Wende begann ich mich für Politik zu interessieren, weil es plötzlich spannend und interessant wurde.


Da waren die Kriegsbilder aus Belgrad und Irak plötzlich interessant oder wie?

Skeptiker


Nee, natürlich nicht. Die spannenden Berichte aus der ersten Zeit waren die über die DDR und über das, was wir vorher alles nicht wussten. Danach hatte sich für mich irgendwie eine Tür zum Politikinteresse geöffnet. Es gab ja auch so Vieles, womit man erstmal klar kommen musste. Wie funktioniert das neue system jetzt? Das bekam man ja auch über die Nachrichten mit. Heute interessiert mich insbesondere der sozialpolitische Bereich. Etwas, worum sich meine Eltern wohl weniger sorgen gemacht haben.

@ASZ: Wir hatten auch mittwochs Hausaufgaben auf. Traurig

#35:  Autor: wuffi BeitragVerfasst am: 30.03.2010, 22:41
    —
@ Talliamed , vieleicht reden wir aneinander vorbei . Ich meinte den propagandistischen Aufwand der im Zusammenhang mit der Neu- und Wiedererrichtung der Denkmäler betrieben wurde . Es hätte auch ohne dem gehen können , ausser Biermann hat sich ja auch keiner an den preussischen Adlern an der Weidendammer Brücke gestört . Das mit dem alten Fritz war doch der Höhepunkt , es muss Ende der 70 er gewesen sein ? Du bist doch gut in Geschichte
Ich hatte den Eindruck hier sollten alte Geister beschwört werden
Was homo carnula beschrieb musste ich oft denken , alles was du gemacht gelernt und gedacht hast ist plötzlich falsch . Wer soll das an den Kindern wieder gut machen , hatte einen Neffen in dem Alter

#36:  Autor: AszWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 09:30
    —
Femina hat folgendes geschrieben:
...

@ASZ: Wir hatten auch mittwochs Hausaufgaben auf. Traurig


Boah, das war gemein!

#37:  Autor: AszWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 09:38
    —
Telliamed hat folgendes geschrieben:
@Asz

Zu Deiner sehr interessanten Jugendgeschichte, wenn Du willst, hier später einige Anmerkungen, ansonsten PN.

Zur "Aula" und zu Hermann Kant. Die "Aula" ist natürlich auch heute noch Kult. Quasi Rieck, der in den Westen gegangene FDJler, als Wirt in einer heruntergekommenen Hamburger Kneipe, in der er auf die Frage nach der Speisekarte ausweichend antwortet, dass sie in der Küche gerade noch überlegen, wie Bockwurst geschrieben wird.



Ich komm aus Greifswald. Das erklärt ja wohl fast alles. Außerdem kannten meine Eltern die Originale der Kantschen Protagonisten.
Ich bin übrigens beim "Aufenthalt" ausgestiegen. Das war für mich der Höhepunkt des Manierismus und völlig undurchschaubar.
Ich fand den Roman auch propagandistisch - und zwar hatte ich den Eindruck, als wenn Kant sich zwingen mußte, dieses Buch mit diesen Intentionen zu schreiben. Daher die Wortspielereien. Es wirkte völlig unehrlich.

#38:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 09:44
    —
@wuffi

Zitat:
@ Talliamed , vieleicht reden wir aneinander vorbei . Ich meinte den propagandistischen Aufwand der im Zusammenhang mit der Neu- und Wiedererrichtung der Denkmäler betrieben wurde .


Ich wollte nur die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen, aus dem Stegreif zu "pransen", wie der sächsische Ausdruck meiner Eltern für nerv lautete. Das wiederum hängt damit zusammen, dass mir als altem Sack vor allem die 1960/1970er Jahre lebhaft vor Augen stehen, und zwar gerade jetzt in Verbindung mit einer bevorstehenden Abiturfeier, und ich gern ins Erzählen abrutsche.

Die Bronzestatuen Rauchs in Berlin wurden eher klammheimlich enthüllt.

Was den militaristischen Aufwand betrifft, so war er zwar in der DDR höher, aber auch die "finale Vergruftung" des Preußenkönigs Friedrich II. neben seinen Lieblingshunden in Potsdam-Sanssouci 1991, in Anwesenheit von Präsident und Bundeswehr mit klingendem Spiel, war nicht ohne. Oder die Verabschiedung Helmut Kohls mit dem "Großen Zapfenstreich" vor der Kulisse des Speyerer Domes.

Die Antwort @Feminas auf die Frage nach dem Erwachen des Interesses für Politik hätte ich fast vorausgesehen. Erst nach 1990 wurde deutlich, was alles an sozialen Errungenschaften in der DDR, die man zuvor für selbstverständlich gehalten hat, nicht mehr da war.
Sofort sind dann allerdings möglicherweise welche zur Stelle, die irgendwie "Dankbarkeit" einfordern, obwohl die Ereignisse in der DDR ihren Ausgangspunkt hatten, die 1989 ihren Höhepunkt fanden (ich suche sowohl den Begriff der "Revolution" als auch den der "Wiedervereinigung" zu vermeiden). Was nützt die schönste Reisefreiheit, wenn man kein Geld dafür hat, weil man auf Hartz.IV ist.
Man kann zwar jetzt gefahrlos sagen, dass Westerwelle ein ... ist, aber versuch mal im Betrieb zu sagen, dass Dein Chef ein ... ist. Die Zeiten sind mitnichten vorbei, in denen man sich sehr genau überlegen muss, was man in welcher Umgebung sagt.

@Asz
Völlig konform, was den "späten" Hermann Kant betrifft.

#39:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 09:49
    —
@Asz

Mir hat mal einer erzählt, dass er das Vorbild für den Trullesand abgegeben hätte. Der wurde auch nach China verfrachtet und mit einer Frau verbandelt, die ich ebenfalls kennenlernte.
Seine jahrelangen Erfahrungen in China verarbeitete er in einem Buch über die dortige Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert. Aber wie das bei literarischen Vorbildern so ist, können auch mehrere Modell gestanden haben.

So wie die "Fischköppe" aus dem Norden für uns als "Kasperkopfschnitzer" titulierte Thüringer. fool

#40:  Autor: WilsonWohnort: Swift Tuttle BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 11:11
    —
Die Gesetze der Thälmannpioniere

Wir Thälmannpioniere
lieben unser sozialistisches Vaterland, die Deutsche Demokratische Reublik. In Wort und Tat ergreifen wir immer und überall Partei für unseren Arbeiter-und-Bauern-Staat, der ein fester Bestandteil der sozialistischen Staatengemeinschaft ist.

Wir Thälmannpioniere
tragen mit stolz unser rotes Halstuch und halten es in Ehren. Unser rotes Halstuch ist Teil der Fahne der Arbeiterklasse. Für uns Thälmannpioniere ist es eine große Ehre, das rote Halstuch als äußeres Zeichen unserer engen Verbundenheit zur Sache der Arbeiterklasse und ihrer Partei, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, zu tragen.

Wir Thälmannpioniere
lieben und achten unsere Eltern. Wir wissen, daß wir unseren Eltern viel verdanken. Wir befolgen ihren Rat und helfen ihnen immer. Wir wollen bewußte Gestalter der sozialistischen Gesellschaft werden.

Wir Thälmannpioniere
lieben und schützen den Frieden und hassen die Kriegstreiber. Durch fleißiges Lernen und durch gute Taten stärken wir den Sozialismus und helfen den Friedenskräften der ganzen Welt. Wir treten immer und überall gegen die Hetze und die Lügen der Imperialisten auf.

Wir Thälmannpioniere
sind Freunde der Sowjetunion und aller sozialistischen Bruderländer und halten Freundschaft mit allen Kindern der Welt. Die Freundschaft zur Sowjetunion ist uns Herzenssache. Die Leninpioniere sind unsere besten Freunde. Wir arbeiten eng mit den Pionieren der sozialistischen Länder und allen fortschrittlichen Kinderorganisation in der Welt zusammen. Wir üben aktive Solidarität mit allen um ihre Freiheit und Unabhängigkeit kämpfenden Völker.

Wir Thälmannpioniere
lernen fleißig, sind ordentlich und diszipliniert. Wir eignen uns gründliche Kenntnisse und Fertigkeiten an und treten überall für Ordnung, Disziplin und Sauberkeit ein. Wir sorgen dafür, das jeder ehrlich lernt, sein Wissen anwendet und bei ihm Wort und Tat übereinstimmen. So bereiten wir uns auf das Leben und die Arbeit in der sozialistischen Gesellschaft vor.

Wir Thälmannpioniere
lieben die Arbeit, achten jede Arbeit und alle arbeitenden Menschen. Wir lernen von den Arbeitern, Genossenschaftsbauern und den anderen Werktätigen und packen schon heute bei jeder Arbeit mit zu, wo immer es auf unsere Hilfe ankommt. Wir schützen das Volkseigentum.

Wir Thälmannpioniere
lieben die Wahrheit, sind zuverlässig und einander freund. Wir streben immer danach, die Wahrheit zu erkennen, und treten für den Sozialismus ein. Wir erfüllen die von uns übernommenen Aufgaben und stehen zu unserem Pionierwort. Wir sorgen dafür, daß unsere Gruppe eine feste Gemeinschaft wird, und helfen kameradschaftlich jedem anderen Schüler.

Wir Thälmannpioniere
machen uns mit der Technik vertraut, erforschen die Naturgesetze und lernen sie Schätze der Kultur kennen. wir interessieren uns für das Neue in Wissenschaft und Technik. Wir nehmen an naturwissenschaftlich-technichen Staffeln teil, betätigen uns künstlerisch, fördern die Talente und beweisen unser Können.

Wir Thälmannpioniere
halten unseren Körper sauber und gesund, treiben regelmäßig Sport und sind fröhlich. Wir stählen unseren Körper bei Sport, Spiel und Touristik. Wir interessieren uns für die Schönheiten unserer Heimat und wandern gern. Wir rauchen und trinken keinen Alkohol.

Wir Thälmannpioniere
bereiten uns gut darauf vor, gute Mitglieder der Freien Deutschen Jugend zu werden. Wir interessieren uns für die Geschichte des sozialistischen Jugendverbandes und die Taten der FDJ-Mitglieder. Ihre hervorragenden Leistungen sind uns Vorbild und Ansporn. Wir verwirklichen mit ihnen gemeinsame Vorhaben.

#41:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 11:42
    —
@Wilson

Das sind jetzt elf Gebote, eines mehr als die 10 Gebote der Kirche, gepostet um 11 Uhr 11! Geschockt

"Wir interessieren uns für die Schönheiten unserer Heimat und wandern gern." Passt.

Aber dann, ich habe gleich danach gesucht und den Rest nur überflogen:
Am meisten beeindruckte mich schon damals in Nr. 10:
Zitat:
Wir rauchen und trinken keinen Alkohol.

Bei Dir ist ein wichtiges Wörtchen weggelassen: zwinkern

Zitat:
"Wir rauchen nicht und trinken keinen Alkohol."

#42:  Autor: AszWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 11:45
    —
Telliamed hat folgendes geschrieben:
@Wilson

Das sind jetzt elf Gebote, eines mehr als die 10 Gebote der Kirche, gepostet um 11 Uhr 11! Geschockt

"Wir interessieren uns für die Schönheiten unserer Heimat und wandern gern." Passt.

Aber dann, ich habe gleich danach gesucht und den Rest nur überflogen:
Am meisten beeindruckte mich schon damals in Nr. 10:
Zitat:
Wir rauchen und trinken keinen Alkohol.

Bei Dir ist ein wichtiges Wörtchen weggelassen: zwinkern

Zitat:
"Wir rauchen nicht und trinken keinen Alkohol."


Arrrgh! Ohnmacht

#43:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 11:46
    —
Und weil es so schön war, gleich noch die

"Zehn Gebote der sozialistischen Moral und Ethik " aus den Zeiten Walter Ulbrichts:*

http://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Gebote_der_sozialistischen_Moral_und_Ethik


*Sein Vorname zeigt, wie wichtig der Buchstabe "W" im Alphabet ist. Wie würde es denn sonst lauten: Walter Ulbricht, Waffenbrüderschaft ...

#44:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 14:36
    —
Telliamed hat folgendes geschrieben:
@Wilson

Das sind jetzt elf Gebote, eines mehr als die 10 Gebote der Kirche, gepostet um 11 Uhr 11! Geschockt

"Wir interessieren uns für die Schönheiten unserer Heimat und wandern gern." Passt.

Aber dann, ich habe gleich danach gesucht und den Rest nur überflogen:
Am meisten beeindruckte mich schon damals in Nr. 10:
Zitat:
Wir rauchen und trinken keinen Alkohol.

Bei Dir ist ein wichtiges Wörtchen weggelassen: zwinkern

Zitat:
"Wir rauchen nicht und trinken keinen Alkohol."

Das ist überinterpretiert und war bestimmt nicht so gemeint, weil das ein zu offensichtlicher Affront gegenüber den Genossen aus der Sowietunion gewesen wäre. Das sollte wohl schon so heißen und bedeutet einfach, das der Alkohol nicht gleichzeitig geraucht und getrunken werden soll. zwinkern

fwo

#45:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 31.03.2010, 15:54
    —
@fwo

Na in der Sowjetunion, so in Karelien, sind die Schamanen sogar auf Fliegenpilz abgefahren, der bei uns nur als ästhetisch wertvolle Zierde neben dem Gartenzwerg steht.

Aber so etwas wie diese zehn oder elf Gebote haben die Genossen in der SU dann doch nicht hingekriegt. Die Kartechismen waren ein Import aus dem lateinischen Europa und haben sich an der Basis, in den Städten und Dörfern, nie richtig durchgesetzt. Beliebt blieb hingegen bis heute die "rote Ecke" in der Hütte, wo früher die Ikone hing, und der sich der Gast zuerst mit Ehrfurcht zuneigte.
Um den Hals tragen dort auch viele AtheistInnen ein kleines Amulett mit Heiligenmotiven, eine Erinnerung an eine besonders geschätzte Person, wie Mutter oder Geliebter, außerdem kann man ja nie wissen, ob es nicht doch hilft.

#46: Produkt: Staatskind Autor: Religionskritik-WiesbadenWohnort: Wiesbaden BeitragVerfasst am: 01.04.2010, 23:56
    —
Heute (01.04) kam auf ZDF-Info die folgende Doku:

Produkt: Staatskind

Zitat:
Produkt: Staatskind
Das Kinderkombinat in der Königsheide Film von Konrad Herrmann
In der Königsheide im östlichen Teil Berlins entstand 1953 das größte Kinderheim der DDR. Später bekannt auch unter dem Namen Kinderkombinat A.S. Makarenko . Gut 6.000 Kinder sind bis 1981 dort aufgewachsen. Nicht wenige haben dort ihre ganze Kindheit und Jugend verbracht. Anfangs erbaut, um Kriegswaisen unterzubringen, avancierte die Erziehungsanstalt schnell zum Vorzeigeheim der DDR. Hier sollte ab Mitte der 60er Jahre unter der Parole: Idealheim in einem Idealstaat der ideale sozialistische Mensch herangezogen werden - das Staatskind.


Die Doku kommt bestimmt demnächst nochmal.

#47:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 04.05.2010, 21:54
    —
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/type=rezbuecher&id=14644

Der hier rezensierte Sammelband untersucht die "forcierte" Säkularität in der DDR. Sie wird daran gemessen, wie schnell, innerhalb von drei Jahrzehnten, sich ein Großteil der Bevölkerung von den Kirchen abwandte.
Das kann nicht allein auf staatlichen Druck zurückgeführt werden. Zu Recht wird in dem Band auf die wichtige Rolle der Familien hingewiesen, was ich anhand der Erfahrungen meiner Familie in drei Freidenker-Generationen bestätigen kann.

Schlimm ist dieser Soziologen-Neusprech in der Rezension, sollte er auch in dem Buch vorherrschen, dann gute Nacht: Mit den Augen rollen

Zitat:
machen so den Prozess der Generationenbildung sichtbar, der in kommunikativen Aushandlungsprozessen innerhalb der Familie über Strategien der Überblendung, Externalisierung oder Problematisierung von Unterschieden aufscheint. Die „Familie als Verweisungszusammenhang milieutypischer Selbstverständlichkeiten“ (S. 65)


Zitat:
die These von der Aneignung forcierter Säkularität als Habitus im Prozess familialer Tradierung


Zitat:
eine Theorie mittlerer und großer Transzendenzen. In den mittleren Transzendenzen, die Fragen nach Sinnhaftigkeit und Identität in einem von christlicher Semantik weitgehend entleerten Raum verhandeln,

Brrr

So was braucht man heutzutage wahrscheinlich, um sich als gebildet auszuweisen.

Wobei sich die Autoren als durchaus anschlußfähig an die im Westen vorherrschende Kultivierung christlicher Werte erweisen, die Orientierung an der Wissenschaft war dann natürlich nur der ideologischen Verblendung der SED-Funktionäre geschuldet. Mit den Augen rollen Dass man sich in der DDR auch an den Traditionen des französischen Atheismus des 18. Jh., Ludwig Feuerbachs und anderer antireligiöser Denker orientierte, wird es in dem Band erwähnt?
Jede Generation entdeckt Altes wieder neu, für manche scheint die Geschichte der Säkularisierung erst mit dem 20. Jahrhundert einzusetzen.

#48:  Autor: wuffi BeitragVerfasst am: 05.05.2010, 02:21
    —
Das sind meist solche Leute die in Medien als Experten auftreten Nahost - Terrorismus- oder DDR Experten und nur schlaue Bücher gelesen haben . Ich werd mir das mit Sicherheit nicht antun .

#49:  Autor: LandeiWohnort: Sandersdorf-Brehna BeitragVerfasst am: 03.10.2011, 17:39
    —
Ist zwar Thread-Fledderei, aber bei einem interessanten Thema...

Meine Kindheit verlief in einem interessanten Spannungsfeld: Meine Eltern waren beide atheistisch, aber mein Vater war als Richter natürlich in der Partei und bis zu einem gewissen Grade "überzeugt", und meine Mutter bot Paroli. Die materialistische Weltsicht habe ich nie in Frage gestellt - Fragen nach der Religion wurden recht ehrlich beantwortet, aber ich fand das Gedankensystem nicht besonders schlüssig. Bei der politischen Frage neigte ich eher zu meiner Mutter. Sie stammte von der thüringisch-hessischen Grenze, und ich besuchte den Ort hin und wieder mit meiner Oma, weil die Urgroßeltern noch dort lebten. An der Werra zu stehen, die Ortsnamen auf der anderen Seite genannt zu bekommen - und wer von der Verwandschaft dort wohnt - hat mich viel tiefer geprägt als alles Pionierzeugs.

In der Schule hatte ich keine Probleme, ich habe den ganzen Kram mitgemacht - schließlich wollte ich ja einen Studienplatz. Den Unterricht fand ich gut, und die Indoktrination hielt sich in Grenzen.

Honneckers Entmachtung habe ich in einem moskauer Hotel angesehen, es war die Abschlussfahrt der zehnten Klasse. Als der Rückflug gestrichen wurde und es mit der Bahn zurückging, hat ein Lehrer in Warschau "Das mir jetzt keiner [in die Botschaft] abhaut!" rausgehauen, aber darüber nachgedacht habe ich schon.

#50:  Autor: soulreaver BeitragVerfasst am: 03.10.2011, 18:01
    —
Zitat:
Das DDR-Bildungssystem war - so meine Wahrnehmung auch damals -ein straff durchorganisiertes Indoktrinationsinstrument mit stark militaristischer Ausrichtung.


Also an eine militaristische Ausrichtung der staatlichen Erziehung kann ich mich als ehemaliger DDR-Bürger nicht erinnern. Zumindest während meiner Zeit als 6-9jähriger. Die Wende kam, als ich 9 war.

#51:  Autor: Defätist BeitragVerfasst am: 03.10.2011, 20:35
    —
Ich bin wahrscheinlich so sehr indoktriniert, dass sich die Wahrnehmung und Erinnerung der durch mich selbst erlebten Wiedervereinigung so gar nicht mit dem Jubeltirlilerieuhussa der heutigen Mediendarstellung decken.
Muss also an meiner DDR-Vergangenheit liegen und weil ich indoktrinierter (wenn auch rebellierender und systemkritischer) Jugendlicher war.
Komplett von der Rolle

#52:  Autor: MisterfritzWohnort: badisch sibirien BeitragVerfasst am: 03.10.2011, 21:07
    —
Defätist hat folgendes geschrieben:
Ich bin wahrscheinlich so sehr indoktriniert, dass sich die Wahrnehmung und Erinnerung der durch mich selbst erlebten Wiedervereinigung so gar nicht mit dem Jubeltirlilerieuhussa der heutigen Mediendarstellung decken.
Muss also an meiner DDR-Vergangenheit liegen und weil ich indoktrinierter (wenn auch rebellierender und systemkritischer) Jugendlicher war.
Komplett von der Rolle

also, ich bin nicht indoktriniert worden, jedenfalls nicht wirklich deutlich. trotzdem habe ich weder gejubelt, als die mauer geöffnet wurde und schon gar nicht zu "wiedervereinigung".

#53:  Autor: Defätist BeitragVerfasst am: 04.10.2011, 08:40
    —
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
Defätist hat folgendes geschrieben:
Ich bin wahrscheinlich so sehr indoktriniert, dass sich die Wahrnehmung und Erinnerung der durch mich selbst erlebten Wiedervereinigung so gar nicht mit dem Jubeltirlilerieuhussa der heutigen Mediendarstellung decken.
Muss also an meiner DDR-Vergangenheit liegen und weil ich indoktrinierter (wenn auch rebellierender und systemkritischer) Jugendlicher war.
Komplett von der Rolle

also, ich bin nicht indoktriniert worden, jedenfalls nicht wirklich deutlich. trotzdem habe ich weder gejubelt, als die mauer geöffnet wurde und schon gar nicht zu "wiedervereinigung".

Genau. Es war eher eine nachdenkliche Grundstimmung, da es sich um eine "Reise ins Ungewisse" handelte, welche mit jeder Menge Zukunftsängsten belastet war. Die am gestrigen Tag teilweise ausgestrahlten Inszenierungen auf privaten Sendern und auch im Radio gaben das nicht einmal mehr ungenügend wieder.

#54:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 04.10.2011, 09:24
    —
Landei hat folgendes geschrieben:
Ist zwar Thread-Fledderei, aber bei einem interessanten Thema...

Meine Kindheit verlief in einem interessanten Spannungsfeld: Meine Eltern waren beide atheistisch, aber mein Vater war als Richter natürlich in der Partei und bis zu einem gewissen Grade "überzeugt", und meine Mutter bot Paroli. Die materialistische Weltsicht habe ich nie in Frage gestellt - Fragen nach der Religion wurden recht ehrlich beantwortet, aber ich fand das Gedankensystem nicht besonders schlüssig. Bei der politischen Frage neigte ich eher zu meiner Mutter. Sie stammte von der thüringisch-hessischen Grenze, und ich besuchte den Ort hin und wieder mit meiner Oma, weil die Urgroßeltern noch dort lebten. An der Werra zu stehen, die Ortsnamen auf der anderen Seite genannt zu bekommen - und wer von der Verwandschaft dort wohnt - hat mich viel tiefer geprägt als alles Pionierzeugs.

In der Schule hatte ich keine Probleme, ich habe den ganzen Kram mitgemacht - schließlich wollte ich ja einen Studienplatz. Den Unterricht fand ich gut, und die Indoktrination hielt sich in Grenzen.

Honneckers Entmachtung habe ich in einem moskauer Hotel angesehen, es war die Abschlussfahrt der zehnten Klasse. Als der Rückflug gestrichen wurde und es mit der Bahn zurückging, hat ein Lehrer in Warschau "Das mir jetzt keiner [in die Botschaft] abhaut!" rausgehauen, aber darüber nachgedacht habe ich schon.


Ich wohnte bis zum 19. Lebensjahr in Erfurt und hatte überhaupt keine Westverwandtschaft. Ob man es glauben will oder nicht: bis 1989 kannte ich niemanden aus dem Westen persönlich. Da hatte ich allerdings insgesamt schon an die anderthalb Jahre in der Sowjetunion gelebt.

In Eisenach war Schluss mit dem Zugfahren in westlicher Richtung, obwohl die Staatsgrenze noch mehr als 10 Kilometer entfernt war. Im Alter von 19 Jahren, als ich schon Student war, holte mich einmal ein Transportpolizist aus dem Zug nach Eisenach, obwohl ich eine Anzugjacke trug und keine langen Haare hatte. Er fragte, wohin ich wollte und wie viel Geld ich bei mir hätte. Meine Antwort, dass ich nur so in den Wald ginge, machte ihn erst recht mißtrauisch, als ich ihm erklärte, dass ich ermitteln wollte, ob in dem südlich von Eisenach gelegenen Wilhelmstal Vorbilder für den Garten in Goethes "Wahlverwandtschaften" anzutreffen seien (von denen er vermutlich noch nie etwas gehört hatte), machte ihn noch unwirscher. Auf der Polizeiwache entließ man mich mit dem Ratschlag, nicht allein durch die Gegend zu streifen
D. h., aus verschiedenen Erlebnissen hatte man verinnerlicht, dass selbst Leute mit Parteiabzeichen einfach angehalten und gefragt werden konnten, wohin sie wollten und was sie in der Aktentasche hätten. Es konnte einfach heißen: "Machen sie ihre Tasche auf!", nicht etwa "Können wir einen Blick in Ihre Tasche werfen?"
Da war es geraten, nicht auf irgendwelche "individuellen Freiheitsrechte" zu pochen.

Übrigens in den Wäldern von Eisenach: Der Forstmeister erklärte, dass man dort Wildschweine mit schwarzen Hausschweinen gekreuzt hätte, damit die nicht so schnell laufen können, wenn hohe Partei- und Staatsfunktionäre zur Jagd kämen. Lachen

Als Honecker zur Hasenjagd in Erfurt eintraf, bildeten die Genossen, Parteischüler und Gewerkschaftsfunktionäre Spalier. Jeder hatte ein Hasen-Abzeichen am Revers.

Als Präsident Kirchschläger in Erfurt war, wurden Funktionäre der Bezirksparteischule als katholische Geistliche verkleidet, die das abgesperrte Stadtzentrum bevölkern sollten. Sehr glücklich Der österreichische Staatsgast mochte wissen, dass es in Erfurt, Sitz eines katholischen Weihbischofs, besonders viele Geistliche beider Konfessionen gäbe.

Ich höre lieber auf. nee

#55:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 04.10.2011, 09:44
    —
Defätist hat folgendes geschrieben:
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
Defätist hat folgendes geschrieben:
Ich bin wahrscheinlich so sehr indoktriniert, dass sich die Wahrnehmung und Erinnerung der durch mich selbst erlebten Wiedervereinigung so gar nicht mit dem Jubeltirlilerieuhussa der heutigen Mediendarstellung decken.
Muss also an meiner DDR-Vergangenheit liegen und weil ich indoktrinierter (wenn auch rebellierender und systemkritischer) Jugendlicher war.
Komplett von der Rolle

also, ich bin nicht indoktriniert worden, jedenfalls nicht wirklich deutlich. trotzdem habe ich weder gejubelt, als die mauer geöffnet wurde und schon gar nicht zu "wiedervereinigung".

Genau. Es war eher eine nachdenkliche Grundstimmung, da es sich um eine "Reise ins Ungewisse" handelte, welche mit jeder Menge Zukunftsängsten belastet war. Die am gestrigen Tag teilweise ausgestrahlten Inszenierungen auf privaten Sendern und auch im Radio gaben das nicht einmal mehr ungenügend wieder.


Am 3. Oktober 1990 hatten wir bereits die Bemerkungen Älterer zur Kenntnis genommen, die das noch erlebt hatten: "Jetzt wird die Arbeitslosigkeit auf Euch zukommen! Darauf seid Ihr nicht vorbereitet, die habt Ihr nicht kennengelernt. Mal sehen, was dann Eure Abschlüsse noch wert sind!"

Dieser Tag sollte an und für sich Tag besonderer Freude sein - wir gingen in den Grunewald, Pilze sammeln, was so 1989, vor Jahresfrist nicht möglich gewesen wäre, und fanden auch viele. Es war also warm und feucht. Am Abend des 3. Oktober habe ich mich in der Wohnung über eine Flasche hergemacht, so dass meine Frau in Sorge geriet.

Nach dem Wegfall der Parteiherrschaft entstand ein Vakuum bei der Deutung der Geschichte der DDR. Unter Teilnahme von einigen Vertretern der Bürgerrechtsbewegungen wurde ein holzschnittartiges Geschichtsbild installiert, das Einzug in die Schulen und in die Lehre hielt. Dabei waren die Bürgerrechtler ursprünglich nahezu ausnahmslos für eine Verbesserung des Sozialismus und nicht für die vollständige Übernahme eines anderen Staats- und Wirtschaftssystems. Zwischen ihnen gab und gibt es große Unterschiede.
Aber es konnte sich keine Alternative durchsetzen. Den Aufruf "Für unser Land" von 1989 hatte ich nicht mehr unterzeichnet.
Es brach eine lange Phase der Neuorientierung an, die im Grunde bis heute anhält. Günstig, wenn man Lernbereitschaft mitbrachte. Der "Wanderer zwischen den Welten" vergisst nicht, dass er in einem völlig anderen System gelebt hat.

"Indoktrination", sicher die hat es gegeben, und ich sehe auch das sehr starke militärische Element im DDR-Erziehungssystem. Ein militärischer Wortgebrauch, vergleichbar Victor Klemperers "LTI" (was mir einmal 1975 schlagartig auffiel, als ich das Reclam-Büchlein in die Hand bekam) - "Ernteschlacht", nationale "Front", "Kampf um beste Ergebnisse im sozialistischen Wettbewerb", usw., nur "fanatisch" fehlte.

Nur gut, dass diese große Armee keinen Schuß bei der Machtübergabe abzugeben brauchte und sang- und klanglos aufgelöst wurde.
Aber von etlichen Dingen war man auch, je nach Herkunft, überzeugt, ohne dass größere "Indoktrination" nötig gewesen wäre. Das war z. B. die Abscheu vor jeglichem Krieg, das war der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit, das war die selbstverständliche Gleichberechtigung von Frauen. Ich sehe auch heute, ohne die SED, nicht ein, warum es Multimilliardäre und Hartz.IV-Empfänger geben muss, was eine ihren Bebel (seit 1969 bekannte ständige Ausstellung im Parteitagsgebäude in Erfurt von 1891, zu sehen auch Bebels Knotenstock) vergessen habende rosarote und eine christliche staatstragende Partei für völlig normal halten.

#56:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 07.10.2011, 09:26
    —
Nachdem am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik beschlossen und sich aus den drei westlichen Besatzungszonen ein neuer Staat konstituiert hatte, erfolgte als Antwort am 7. Oktober 1949 , heute vor 62 Jahren, die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik.

Zu Beginn waren etwa 80 Prozent der Bevölkerung kirchlich gebunden. Um 1989 waren 70 Prozent der DDR-Bürger konfessionslos.

Vor mehr als dreißig Jahren versuchten die Hofphilosophen Alfred Kosing
http://www.edition-ost.de/autoren-2/autor/721-Alfred_Kosing.html

http://www.edition-ost.de/programm-2/titel/1024-Im_Schatten_des_Kreuzes.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Buhr

und Manfred Buhr, da sämtliche Wege zur Herstellung einer deutschen Einheit versperrt schienen, die Theorie von einer eigenständigen "sozialistischen Nation in der DDR" zu begründen. Das Wort "national" bis dahin hatte noch in einigen Institutionen und einer Partei überlebt: Nationale Front (darin waren alle Parteien und Massenorganisationen vereint), Nationale Volksarmee und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, ein 1948 von der SED gegründeter Ableger, um ehemalige Wehrmachtsangehörige, Handwerker und Lehrer zu organisieren. Doch auf welchen Nation-Begriff sollte man sich stützen?
Stalin war derart zur Unperson geworden, dass in den Schulen und Einrichtungen niemand mehr zu sagen vermochte, was im einzelnen mit diesem Staatsführer verbunden war. Er hatte aber die bisher einzige Nationendefinition geliefert. Auf die stützten sich Kosing und Buhr, ohne ihren Schöpfer zu nennen. Die sozialökonomischen und politischen Faktoren der Einheit einer Nation seien vorrangig gegenüber der sprachlichen und kulturellen Einheit. Da sich nun die DDR ökonomisch und politisch grundlegend von der BRD unterschied, war die "sozialistische Nation in der DDR" geboren.

Es wurde aber noch verzwickter. Da sich nach Lenin innerhalb einer Nation eine Kultur der Herrschenden und eine Kultur der Unterdrückten entwickelten, dürfte es nach dieser Lesart schon drei Kulturen in beiden deutschen Staaten gegeben haben, Österreich blieb draußen. Um den Staatsbürgerkundelehrer zu reizen, fragte eine Schülerin ernsthaft, wie es mit der Kultur in der selbständigen politischen Einheit Berlin (West) stehe, die ja bekanntermaßen nicht zur BRD gehöre und nicht von ihr regiert werden dürfe? Heilloses Gestammel und Durcheinander folgten. Mittelalterliche Klosterschüler waren Waisenknaben gegenüber diesen Exegeten der reinen Lehre.


Dafür sah man bei den Paraden der Nationalen Volksarmee am 7. Oktober, wie ernst die Gefährdung des Weltfriedens eingeschätzt wurde. Nachdem die Fußtruppen im preußischen Stechschritt an der Tribüne vorbeimarschiert waren und ihr Grußwort gebrüllt hatten, wurden zu Beginn der 1980er Jahre auch Trägerfahrzeuge gezeigt, von denen atomare Kurz- und dann Mittelstreckenwaffen abgeschossen werden konnten. In Moskau waren das - noch eine Stufe höher - Interkontinentalraketen.

Jeden Mittwoch marschierte die NVA zur Ehrung der Opfer des Faschismus und Militarismus vor dem Schinkelbau von 1816 Unter den Linden auf, seit 1981 am Denkmal Friedrichs des Großen von Rauch vorbei. Und jeden Mittwoch protestierten die westlichen Alliierten gegen diesen illegalen Akt in der entmilitarisierten Stadt, die zur Hauptstadt der DDR erhoben wurde.

#57:  Autor: Defätist BeitragVerfasst am: 07.10.2011, 11:22
    —
Telliamed hat folgendes geschrieben:
... Am 3. Oktober 1990 hatten wir bereits die Bemerkungen Älterer zur Kenntnis genommen, die das noch erlebt hatten: "Jetzt wird die Arbeitslosigkeit auf Euch zukommen! Darauf seid Ihr nicht vorbereitet, die habt Ihr nicht kennengelernt. Mal sehen, was dann Eure Abschlüsse noch wert sind!"
....


Wie viele davon haben zu diesem Zeitpunkt nur ansatzweise verstanden, was die Altvorderen damit meinten? Mahnende Stimmen wurden doch fast durchweg als "linientreue Querulanten" und (schon damals) "lernressistente Kommunisten" abgestempelt.

Meine eigenen Befürchtungen zeigten sich zumindest berechtigt.
Mein Facharbeiterberuf und damit verbunden etliche Qualifikationen waren danach null wert. Unterbezahlung, Lohnausfall und schließlich Kündigung waren die Folge. Qualifikation und tatsächliches Wettbewerbsverständnis spielten gegenüber eingebrachtem Besitz (Land) keine Rolle mehr. Letztendlich spiegelte sich das in der Zerschlagung ganzer funktionierender und noch wettbewerbsfähiger Teilbereiche von Wirtschaftszweigen.

Nicht, dass ich mit meinem Schicksal hadere, mir geht´s jetzt besser als je zuvor. Aber: diesen Zustand hätte man auch mit besserer gegenseitiger Anpassung und Aufrechterhaltung von bewährten Eigenständigkeiten bereits früher erreichen können.

#58:  Autor: TelliamedWohnort: Wanderer zwischen den Welten BeitragVerfasst am: 10.10.2011, 09:48
    —
Defätist hat folgendes geschrieben:
Telliamed hat folgendes geschrieben:
... Am 3. Oktober 1990 hatten wir bereits die Bemerkungen Älterer zur Kenntnis genommen, die das noch erlebt hatten: "Jetzt wird die Arbeitslosigkeit auf Euch zukommen! Darauf seid Ihr nicht vorbereitet, die habt Ihr nicht kennengelernt. Mal sehen, was dann Eure Abschlüsse noch wert sind!"
....


Wie viele davon haben zu diesem Zeitpunkt nur ansatzweise verstanden, was die Altvorderen damit meinten? Mahnende Stimmen wurden doch fast durchweg als "linientreue Querulanten" und (schon damals) "lernressistente Kommunisten" abgestempelt.

Meine eigenen Befürchtungen zeigten sich zumindest berechtigt.
Mein Facharbeiterberuf und damit verbunden etliche Qualifikationen waren danach null wert. Unterbezahlung, Lohnausfall und schließlich Kündigung waren die Folge. Qualifikation und tatsächliches Wettbewerbsverständnis spielten gegenüber eingebrachtem Besitz (Land) keine Rolle mehr. Letztendlich spiegelte sich das in der Zerschlagung ganzer funktionierender und noch wettbewerbsfähiger Teilbereiche von Wirtschaftszweigen.

Nicht, dass ich mit meinem Schicksal hadere, mir geht´s jetzt besser als je zuvor. Aber: diesen Zustand hätte man auch mit besserer gegenseitiger Anpassung und Aufrechterhaltung von bewährten Eigenständigkeiten bereits früher erreichen können.


Um die Jahre 1982/83 fielen mir in der Bundesrepublik herausgegebene Bände mit Akten zur deutschen Außenpolitik der 1950er Jahre in die Hände. Darin waren Dokumente abgedruckt, in denen festgehalten wurde, was nach einem "Anschluss" oder einer "Übernahme" der DDR mit ihren Wirtschaftseinheiten zu geschehen habe. Wären diese Pläne verwirklicht worden, hätten nur wenige Jahre zwischen dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes und der von den Westmächten unterstützten Restauration in den Westzonen und einer beginnenden Restitution in der Ostzone gelegen. Doch nach Etablierung der NATO und des Warschauer Vertrages 1954/55 war klar, dass dies ohne Krieg nicht mehr möglich gewesen wäre. Es vergingen Jahrzehnte, in denen in der DDR neue Formen der Vergesellschaftung geschaffen wurden. Am Ende, nach der Beseitigung der halbstaatlichen Betriebe und der Betriebe mit staatlichen Beteiligung 1972 waren 97 Prozent der Betriebe in staatlicher Hand.
Damit war die Herausbildung ganz anderer Berufsbilder verbunden. Auch mein Berufsabschluss wurde nach 1990 nicht anerkannt, und es bedurfte langer Laufereien durch die Ämter. Auf diese neue Lage der vollständigen Verstaatlichung und der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, auf ein völlig anderes Bildungssystem und eine zu drei Vierteln entkirchlichte Bevölkerung, war man 1990 nicht vorbereitet. Und da es die "Kommunisten" waren, die solches in einem Viertel Deutschlands geschaffen hatten, musste alles völlig beseitigt werden, bis auf den idiotischen Rechtsabbiegepfeil aus Zeiten kriechender und keuchender Trabanten, der alterskranken Fußgängern wegen der Raser mit ihren Sonnenbrillen in ihren schnittigen Automobilen Angst machen muß.

#59: Israel im Schwarzen Kanal Autor: Religionskritik-WiesbadenWohnort: Wiesbaden BeitragVerfasst am: 25.01.2019, 15:55
    —
Interessante Untersuchen im 'Deutschland Archiv' der bpb:

Quelle:
http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/284384/israel-im-schwarzen-kanal

Autor:
Clemens Escher

Zitat:

Israel im Schwarzen Kanal
Anhand der Aufzeichnungen und der Sendemanuskripte zu der DDR-Fernsehsendung „Der schwarze Kanal“ beschäftigte sich Clemens Escher mit dem Israelbild, das deren Chefkommentator Karl-Eduard von Schnitzler für die DDR-Bürgerinnen und Bürger lieferte. Dabei habe es sich um eine Israelisierung des Antisemitismus gehandelt, wie sie, als Kritik getarnt, auch noch heute vorkomme.(...)

Schnitzlers Analogien zum Nationalsozialismus

Mit schier unerschütterlicher Redundanz bemühte Schnitzler in Sachen Israel NS-Vergleiche und eine Täter-Opfer-Umkehr. Immer wieder lautete die Botschaft: Israel hätte selbst einen Holocaust zu verantworten, würde selbst die Menschen in Unter- und Herrenmenschen separieren, würde selbst, „das Palästinenser-Problem auf zionistische Weise aus der Welt zu schaffen: durch eine ‚Endlösung‘.“[11] So heißt es im September 1982 im Zusammenhang mit dem Libanon-Krieg: „Arik Sharons (alias Ariel Schoenermanns) Blutspur führt vom Suezkanal […]. Araber sind für diese zionistischen Rassisten ‚Untermenschen‘ und Palästinenser gibt es für sie überhaupt nicht, wie Golda Meir einmal gesagt hat. Da ist es nur ein Schritt bis zur ‚Endlösung‘, zum Holocaust.“[12]

Ein dreiviertel Jahr später wird die angebliche Maschinerie spezifiziert: Tötung durch Gas. Quelle war die Nachrichtenagentur „Wafa“, wonach scharenweise Schulmädchen durch israelisches Gas im Westjordanland vergiftet worden seien. Zum Zeitpunkt der Ausstrahlung bereits als Fake-News entlarvt[13], gefiel Schnitzler die Pointe so gut, dass er sie in seinem Magazin brachte: Auch eine Methode des Holocaust, des Völkermords – nachdem die Mörder von Sabra und Shatila trotz Messern, Bajonetten und Massenmord – vornehmlich an palästinensischen Frauen und Kindern – unter israelischen Befehl ihr Ziel nicht erreicht haben. Schwefelhaltiges Gas, (...)



Mmh - in wie weit wohl Geschichtsverdrehung von Rechts in solch indoktrinierter Bevölkerung auf fruchtbaren Boden fällt?

#60: Re: Israel im Schwarzen Kanal Autor: WilsonWohnort: Swift Tuttle BeitragVerfasst am: 25.01.2019, 16:11
    —
Religionskritik-Wiesbaden hat folgendes geschrieben:
Interessante Untersuchen im 'Deutschland Archiv' der bpb:

Quelle:
http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/284384/israel-im-schwarzen-kanal

Autor:
Clemens Escher

Zitat:

Israel im Schwarzen Kanal
Anhand der Aufzeichnungen und der Sendemanuskripte zu der DDR-Fernsehsendung „Der schwarze Kanal“ beschäftigte sich Clemens Escher mit dem Israelbild, das deren Chefkommentator Karl-Eduard von Schnitzler für die DDR-Bürgerinnen und Bürger lieferte. Dabei habe es sich um eine Israelisierung des Antisemitismus gehandelt, wie sie, als Kritik getarnt, auch noch heute vorkomme.(...)

Schnitzlers Analogien zum Nationalsozialismus

Mit schier unerschütterlicher Redundanz bemühte Schnitzler in Sachen Israel NS-Vergleiche und eine Täter-Opfer-Umkehr. Immer wieder lautete die Botschaft: Israel hätte selbst einen Holocaust zu verantworten, würde selbst die Menschen in Unter- und Herrenmenschen separieren, würde selbst, „das Palästinenser-Problem auf zionistische Weise aus der Welt zu schaffen: durch eine ‚Endlösung‘.“[11] So heißt es im September 1982 im Zusammenhang mit dem Libanon-Krieg: „Arik Sharons (alias Ariel Schoenermanns) Blutspur führt vom Suezkanal […]. Araber sind für diese zionistischen Rassisten ‚Untermenschen‘ und Palästinenser gibt es für sie überhaupt nicht, wie Golda Meir einmal gesagt hat. Da ist es nur ein Schritt bis zur ‚Endlösung‘, zum Holocaust.“[12]

Ein dreiviertel Jahr später wird die angebliche Maschinerie spezifiziert: Tötung durch Gas. Quelle war die Nachrichtenagentur „Wafa“, wonach scharenweise Schulmädchen durch israelisches Gas im Westjordanland vergiftet worden seien. Zum Zeitpunkt der Ausstrahlung bereits als Fake-News entlarvt[13], gefiel Schnitzler die Pointe so gut, dass er sie in seinem Magazin brachte: Auch eine Methode des Holocaust, des Völkermords – nachdem die Mörder von Sabra und Shatila trotz Messern, Bajonetten und Massenmord – vornehmlich an palästinensischen Frauen und Kindern – unter israelischen Befehl ihr Ziel nicht erreicht haben. Schwefelhaltiges Gas, (...)



Mmh - in wie weit wohl Geschichtsverdrehung von Rechts in solch indoktrinierter Bevölkerung auf fruchtbaren Boden fällt?


auf meinen feuchten humus ist sie SO nicht gefallen und schlägt aus, da schlägt der antikommunismus im westen jedenfalls mehr blüten.

so einen quatsch hat man sowieso nicht geschaut, so einen schwarzen-kanal-käse. als jugendlicher sowieso nicht.

#61: Re: Israel im Schwarzen Kanal Autor: Grey BeitragVerfasst am: 25.01.2019, 17:02
    —
Wilson hat folgendes geschrieben:
so einen quatsch hat man sowieso nicht geschaut, so einen schwarzen-kanal-käse. als jugendlicher sowieso nicht.

Also ich fand den lustig.

#62: Re: Israel im Schwarzen Kanal Autor: WilsonWohnort: Swift Tuttle BeitragVerfasst am: 25.01.2019, 17:09
    —
Grey hat folgendes geschrieben:
Wilson hat folgendes geschrieben:
so einen quatsch hat man sowieso nicht geschaut, so einen schwarzen-kanal-käse. als jugendlicher sowieso nicht.

Also ich fand den lustig.


bestimmt fanden ihn manche auch erotisch.

#63: Re: Israel im Schwarzen Kanal Autor: Grey BeitragVerfasst am: 25.01.2019, 17:17
    —
Wilson hat folgendes geschrieben:
Grey hat folgendes geschrieben:
Wilson hat folgendes geschrieben:
so einen quatsch hat man sowieso nicht geschaut, so einen schwarzen-kanal-käse. als jugendlicher sowieso nicht.

Also ich fand den lustig.


bestimmt fanden ihn manche auch erotisch.

Von Schnitzler oder den Schwarzen Kanal?



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