Verschiedenes von Scott Alexander
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#1: Verschiedenes von Scott Alexander Autor: smallie BeitragVerfasst am: 09.10.2020, 19:14
    —
Scott Alexander bespricht Julian Jaynes The Origin Of Consciousness In The Breakdown Of The Bicameral Mind.

Der Titel sei irreführend, sagt er, das Buch aber trotzdem gut.


Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Julian Jaynes' Der Ursprung des Bewusstseins beim Zusammenbruch des bikameralen Geistes ist ein brilliantes Buch mit nur zwei kleinen Fehlern. Erstens, dass es vorgibt, den Ursprung des Bewusstseins zu erklären. Und zweitens, dass es den Zusammenbruch eines bikameralen Geistes postuliert. Ich denke, es ist möglich, diese Fehler zu umgehen, während die These ansonsten intakt bleibt.

https://slatestarcodex.com/2020/06/01/book-review-origin-of-consciousness-in-the-breakdown-of-the-bicameral-mind/


Jaynes behauptet in etwa:

    1) in alten Texten aus der Bronzezeit kommen mentale Vorgänge nicht vor. Geschildert werden Zustände des vegetativen Nervensystems.
    2) Menschen haben die Stimme ihres inneren Monologes als Stimme der Götter gedeutet
.

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Mein hypothetischer Jaynes 2.0 ist ein Buch über die Theorie des Geistes. Die Theory-of-Mind ist unser intuitives Modell dafür, wie der Verstand funktioniert. Es hat keinen Bezug zu intellektuellen Theorien darüber, wie der Verstand aus kognitiven Algorithmen entsteht oder auf Neuronen im Gehirn umgesetzt ist. Jedes Schulkind hat eine Theory of Mind. ... Sehr junge Kinder allerdings nicht. ...

Wann in der Geschichte der Menschheit kam die Theory-of-Mind zum ersten Mal auf? Es kann keine einzelne Erfindung gewesen sein - eher ein allmählicher Prozess der Verfeinerung. Das "Unbewusste" kam erst mit Freud wirklich in unsere Verstandstheorie. ...



Moderner Geist vs. vegetatives System

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Jaynes (der in den 1970er Jahren schrieb) war sowohl Psychologieprofessor in Princeton als auch Experte für alte Sprachen, also die perfekte Person für diesen Fall. Er rezensiert verschiedene Beispiele bronzezeitlicher Schriften aus der Zeit vor und nach dieser Periode und zeigt, dass frühe Schriften keine Hinweise auf geistige Vorgänge enthalten, spätere aber schon. ...

Jaynes verbringt die meiste Zeit damit, über die Ilias zu sprechen, ...

So könnte eine typische Übersetzung zum Beispiel einen Satz wie "Furcht erfüllte Agamemnons Geist" verwenden. Falsch! Es gibt in der Ilias kein Wort für "Geist", außer vielleicht in den allerneuesten Interpolationen. Die Wörter sind Dinge wie kardia, noos, phrenes und thumos, was Jaynes jeweils mit Herz, Sehkraft/Wahrnehmung, Bauch und sympathisches Nervensystem übersetzt. Er könnte den Satz über Agamemnon übersetzen, um so etwas wie "Zittern regte sich in Agamemnons Bauch" zu sagen. Es bedeutet immer noch dasselbe - Agamemnon hat Angst - aber so würde man darüber sprechen, wenn man keine Vorstellung von "dem Verstand" als dem Ort hätte, an dem geistige Dinge geschehen - man würde nur merken, dass der Bauch noch mehr zittert.



Stimme im Kopf?

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Im Laufe Ihres Tages hören Sie eine Stimme, die Ihnen sagt, was Sie tun sollen, die Sie für Ihre Erfolge lobt, Sie für Ihre Misserfolge kritisiert und Ihnen sagt, welche Entscheidungen Sie in schwierigen Situationen treffen müssen. Die moderne Theory-of-Mind sagt Ihnen, dass dies Ihre eigene Stimme ist, die Gedanken denkt. ...

Wenn Sie keine Theory-of-Mind haben, was machen Sie dann damit? ...

Hier ist Jaynes am brillantesten, geht alte Texte nacheinander durch, stellt das völlige Fehlen geistiger Bilder fest und hebt die vielen alltäglichen Beispiele für Gespräche mit Göttern hervor. Jede antike Kultur hat nahezu identische Vorstellungen von einem Gott, der in einem selbst sitzt und einem sagt, was man tun soll. Die Griechen haben ihre Dämonen, die Römer ihre Genien, die Ägypter ihre ka und ba und die Mesopotamier ihre iri. Je jünger die Texte sind, desto metaphorischer behandeln die Menschen diese. Je weiter man zurückgeht, desto buchstäblicher werden sie ... (Leute, die keine Jaynes sind, würden kneifen und sagen, das sei "metaphorisch"). Alle alten Text ist sich völlig darin einig, dass jeder in der Gesellschaft die Stimmen der Götter sehr oft gehört hat und sich bei seinen Entscheidungen in der Regel von ihnen leiten lässt. Jaynes ist schlicht der Einzige, der dies ernst nimmt.




The Sound of Silence

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Dann, um 1250 v. Chr., begann dieses gut geölte System zusammenzubrechen. Jaynes gibt dem Handel die Schuld. Die Händler gingen immer in andere Länder, mit anderen Göttern. Diese neuen Länder waren verwirrend, und die halluzinatorischen Stimmen der Händler wussten nicht immer alle Antworten. Und dann würden sie mit rivalisierenden Händlern verhandeln müssen! Hier wird die Theory-of-Mind zu einem enormen Vorteil - man muss in der Lage sein, zu modellieren, was der Rivale denkt, um das beste Geschäft von ihm zu bekommen. ...

Aber als die Theory-of-Mind sich verbreitete, verstummten die Stimmen der Götter. ... Die Zeit von 1000 bis 750 v. Chr. war eine Art makabres goldenes Zeitalter für die "Die Götter haben uns verlassen"-Literatur. Und manchmal scheint es seltsam, na ja, auf den Punkt gebracht:

    Mein Gott hat mich verlassen und ist verschwunden
    Meine Göttin hat mich im Stich gelassen und bleibt auf Distanz
    Der gute Engel, der neben mir wandelte, ist fortgegangen.

Jaynes sagt, dass "in der Literatur vor den Texten, die ich hier beschreibe, keinerlei Spuren solcher Bedenken zu finden sind".



Einwand - was ist mit jenen, an denen die Bronzezeit vorübergegangen ist?

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Aber es gibt noch eine andere Klasse von Problemen, die Jaynes' Theorie nicht annähernd so gut überlebt: Was ist mit den australischen Aborigines?

Ich habe keine Ahnung, wie Jaynes auf diesen Einwand reagieren würde. Der relevanteste Teil des Buches befindet sich um Seite 135. Jaynes argumentiert, dass die Zweikammersystematik (seine Bezeichnung für die halluzinatorischen Götter) mit der Landwirtschaft im Vorderen Orient der Bronzezeit begann, obwohl es schon vorher vereinzelte Halluzinationen gab. Es ist also plausibel, dass die Inuit, Ureinwohner usw. nicht zweikammrig waren. ...

Der Punkt ist, wenn sie ganz normale bewusste Menschen wie wir waren, dann liegt Jaynes mit allem falsch.



Das Buch hat sogar eine deutsche Wikipedia-Seite: https://de.wikipedia.org/wiki/Bikamerale_Psyche

#2:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 09.10.2020, 19:34
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Was ich davon halte?


- Jaynes sagt, vermehrter Handel führte um etwa 1250 v. Chr. zum Zusammenbruch des bikameralen Denkens. Ich würde gerne wissen, wie lange und wie intensiv man Handel treiben muß, damit das passiert. Damals war die Bronzezeit. Bronze ist ohne Handel kaum denkbar, denn Kupfererz und vor allem Zins gibt es nicht überall. Somit wären es mindestens tausend Jahre Handel, bevor das bikamerale Denken zusammenbricht. Hmm?


- Jaynes sagt, zwischen 1000 bis 750 v. Chr. seien die Götter verstummt. Das passt lose zu Vorstellungen anderer Autoren einer darauf folgenden Achsenzeit, in der sich abstraktere Götter etabliert haben.

Achsenzeit hat folgendes geschrieben:
Als Achsenzeit bezeichnet Karl Jaspers in seinen geschichtsphilosophischen Betrachtungen Vom Ursprung und Ziel der Geschichte (1949) die Zeitspanne von ca. 800 bis 200 v. Chr. In dieser Zeitspanne hätten die Gesellschaften von vier voneinander unabhängigen Kulturräumen gleichzeitig bedeutende philosophische und technische Fortschritte gemacht, im Sinne eines synchronen Parallelismus der Kulturen.

Das Jaspersche Deutungsschema hätte, so die Hypothese, wiederum einen prägenden Einfluss auf alle nachfolgenden Zivilisationen. Nach Jaspers erfolgte in diesem Zeitraum demnach die geistige Grundlegung der gegenwärtigen Menschheit. Sie brachte die Grundkategorien hervor, in denen der Mensch noch heute denkt, und damit den modernen Menschen überhaupt. Jaspers spricht von einer „Achse der Weltgeschichte“, die zeitgleiche Entwicklungen nicht nur in Europa, sondern in weiten Teilen der Welt umfasst.

https://de.wikipedia.org/wiki/Achsenzeit

Jaynes erzählt die Ouvertüre für diese Deutung.


- Was Jaynes zu den Übersetzungen sagt klingt für mich plausibel. Hab nicht geschaut, wie die Reaktion unter den Sprachwissenschaftlern war.

- Hier kann ich Scott Alexander nicht folgen:

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Der Punkt ist, wenn sie ganz normale bewusste Menschen wie wir waren, dann liegt Jaynes mit allem falsch.

Ganz normale Menschen? Was ist denn normal?

Eine relativ neue Erkenntnis ist, daß sich die Psychologie westlicher Menschen nicht auf den Rest der Welt übertragen läßt. Ebenso wird sich die Psychologie heutiger Menschen ist nicht auf unsere Vorfahren aus der Bronzezeit übertragen lassen. Die Psychologie von Mensch ist nicht nur individuell unterschiedlich, sie ist auch systematisch unterschiedlich.

Das ist, was ich aus der Sache mitnehme. Quasi eine "kulturell induzierte Neurodiversität,"

#3:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 13.10.2020, 21:19
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smallie hat folgendes geschrieben:
... Somit wären es mindestens tausend Jahre Handel, bevor das bikamerale Denken zusammenbricht. Hmm?
...


Doch wohl eher ziemlich viel länger. Bronzezeit wird ca. gerechnet von 2200 bis 800 vuZ
Gehandelt wurde aber wohl schon in der Steinzeit, zum Teil sogar über lange Strecken

#4:  Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 14.10.2020, 00:43
    —
Der Herr Jaynes hat ein bisschen an der Geschichte vorbei gedacht.
Vielleicht auch weil erst in jüngerer Zeit vermehrt Zeugnisse und mehr Literatur zu dieser Ära um 1250 BC zu finden sind.

https://en.wikipedia.org/wiki/Late_Bronze_Age_collapse

Die Historiker gehen davon aus, daß sich das Handelsvolumen auf einem Niveau befand der erst in der Neuzeit wieder erreicht wurde. Der gesamte Mittelmeerraum war quasi "globalisiert".

Doch gerade 1250 bis 800 sind die historischen Funde so gering, daß man von einem Dark Age spricht.
In Griechenland verlor man bspw die Fähigkeit zu schreiben.
Daher ist es hochspekulativ hier eine "psyche" zu finden...

Mein Punkt ist, daß Jaynes Fokus auf "religiöse Mythen und Erzählungen" wohl ebenso wenig der Mittelpunkt individuellen Lebens ist wie heute auch.

#5:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 14.10.2020, 23:39
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narr hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
... Somit wären es mindestens tausend Jahre Handel, bevor das bikamerale Denken zusammenbricht. Hmm?
...


Doch wohl eher ziemlich viel länger. Bronzezeit wird ca. gerechnet von 2200 bis 800 vuZ
Gehandelt wurde aber wohl schon in der Steinzeit, zum Teil sogar über lange Strecken

Bernstein aus der Ostsee findet sich als Handelsgut im Mittelmeerraum. Feuerstein aus der hiesigen Gegend wurde die Donau hinunter gehandelt. Usw. Ich kann das zeitlich nicht einordnen.

Bei Wikipedia gibt es einen Link auf das Buch in deutscher Fassung. Jaynes schreibt:

Julian Jaynes hat folgendes geschrieben:
In Sumer aufgefundene Texte aus der Zeit um 2500 v. Chr. sprechen von Tauschbeziehungen, die bis zum Industal reichen. Und erst kürzlich wurden auf halber Strecke zwischen Sumer und dem Industal, bei Tepe Yahya an der Mündung des Persischen Golfs, die Überreste einer bisher unbekannten Stadtanlage entdeckt, deren Handwerkserzeugnisse zweifelsfrei erkennen lassen, daß es sich um die Hauptlieferantin des Steatits (Seifenstein) handelt, der in Mesopotamien ein sehr verbreiteter Werkstoff war: was wiederum zuverlässig beweist, daß jene Stadt als Umschlagplatz für den Tauschhandel zwischen den beiden genannten Reichen fungierte.

Seite 285

Ein Umschlagplatz als "Scharnier" zwischen zwei Kulturen.

Das könnte (spekulativ) erklären, warum es tausend oder mehr Jahr dauert, bis sich andere Denkweisen herumsprechen. Es gab wenig direkten Kontakt.

#6:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 15.10.2020, 19:35
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Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Der Herr Jaynes hat ein bisschen an der Geschichte vorbei gedacht.
Vielleicht auch weil erst in jüngerer Zeit vermehrt Zeugnisse und mehr Literatur zu dieser Ära um 1250 BC zu finden sind.

https://en.wikipedia.org/wiki/Late_Bronze_Age_collapse

Die Historiker gehen davon aus, daß sich das Handelsvolumen auf einem Niveau befand der erst in der Neuzeit wieder erreicht wurde. Der gesamte Mittelmeerraum war quasi "globalisiert".

Doch gerade 1250 bis 800 sind die historischen Funde so gering, daß man von einem Dark Age spricht.
In Griechenland verlor man bspw die Fähigkeit zu schreiben.

Jaynes schreibt, und das war 1976:

Julian Jaynes hat folgendes geschrieben:
... was wir an Fakten zu kennen glauben, darf keineswegs als gesichert gelten. Fast jährlich werden Fakten von gestern von der jeweils jüngsten Generation von Archäologen und Altertumswissenschaftlern für ungenügend befunden und durch neue ersetzt.


Seine Darstellung des Bronze Age collapse geht so:

Julian James hat folgendes geschrieben:
Vulkanausbruch, Massenwanderung, Invasion

Der Zusammenbruch der bikameralen Psyche wurde sicherlich beschleunigt durch das Einbrechen einer großen bevölkerten Landmasse in der Ägäis, die mit einemmal unter dem Meeresspiegel versank. Darauf folgte ein Ausbruch – oder eine Serie von Ausbrüchen – des Vulkans auf der Insel Thera (Santorin), knapp hundert Kilometer nördlich von Kreta.

Manche vertreten die Ansicht, das alles habe sich um 1470 v. Chr. ereignete. Andere datieren den Untergang von Thera in die Zeit 1180-1170 v. Chr., als das gesamte Mittelmeergebiet einschließlich Zyperns, des Nildeltas und der palästinensischen Küste von einer universellen Katastrophe heimgesucht wurde, die das Zerstörungswerk von 1470 v. Chr. weit in den Schatten stellte. ...

Wann immer das Ganze stattgefunden hat und gleichgültig, ob es sich um eine einzige Eruption oder eine Folge von Eruptionen handelte: auf jeden Fall löste das Ereignis eine gewaltige Kettenreaktion von Massenwanderungsbewegungen und Invasionen aus, die das Hethiterreich und das Reich von Mykene zerschlugen und die Welt in ein finsteres Zeitalter stürzten, das den Rahmen für das Aufdämmern des Bewußtseins abgab. Lediglich Ägypten scheint sich den Hochstand seiner Zivilisation bewahrt zu haben, ...

Wandernde Menschenmassen ergießen sich über Ionien und von dort nach Süden. Von der Land- wie der Seeseite her dringen osteuropäische Völker – die Philister des Alten Testaments sind eines von ihnen – als Invasoren in die Küstenländer der Levante ein. Der Druck der Nomaden wird um 1200 v. Chr. in Anatolien so groß, daß unter ihm das mächtige Hethiterreich zusammenbricht; die Hethiter werden nach Syrien abgedrängt, wo andere Nomaden neuen Lebensraum suchen. ...

Gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts v. Chr. geht die Akropolis in Flammen auf. Am Ende des zwölften Jahrhunderts v. Chr. hat Mykene zu bestehen aufgehört.

Im Süden machten andere Nomaden, die in den Hieroglyphentexten als »Seevölker« bezeichnet werden, zu Beginn des elften Jahrhunderts v. Chr. den Versuch, über das Nildelta in Ägypten einzufallen. Ihre Vernichtung durch Ramses III. ist Gegenstand einer Reliefdarstellung an der Nordwand des Totentempels dieses Pharaos in Medinet Habu im Westteil von Theben, die dort noch heute zu besichtigen ist.

Aus den Seiten 293 bis 298

Ich kann das nicht beurteilen.



Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Daher ist es hochspekulativ hier eine "psyche" zu finden...

Spekulativ ist es. Es ist eines der Themen, die sich nie endgültig werden beantworten lassen, weil es keine bronzezeitlichen Kulturen mehr gibt und die Quellenlage dünn ist.

(Weiteres in einem eigenen Beitrag.)


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Mein Punkt ist, daß Jaynes Fokus auf "religiöse Mythen und Erzählungen" wohl ebenso wenig der Mittelpunkt individuellen Lebens ist wie heute auch.

Was auch immer die Leute damals gedacht haben - nur das wenigste wurde aufgeschrieben.

Insofern ist es gewagt, aus dem wenigen Aufgeschriebenen auf ein "typisches Bewußtsein dieser Zeit" zu schließen. Das ist, als würde man im Jahr 4020 aufgrund von Hollywood-Filmen der Gegenwart auf das "typische Bewußtsein" von Leuten wie dir und mir schließen.

#7:  Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 16.10.2020, 00:42
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Zitat:
From about 1500 BC to 1200 BC, the Mediterranean region played host to a complex cosmopolitan and globalized world-system. It may have been this very internationalism that contributed to the apocalyptic disaster that ended the Bronze Age. When the end came, the civilized and international world of the Mediterranean regions came to a dramatic halt in a vast area stretching from Greece and Italy in the west to Egypt, Canaan, and Mesopotamia in the east. Large empires and small kingdoms collapsed rapidly. With their end came the world’s first recorded Dark Ages. It was not until centuries later that a new cultural renaissance emerged in Greece and the other affected areas, setting the stage for the evolution of Western society as we know it today.

https://www.youtube.com/watch?v=bRcu-ysocX4
1177 BC: The Year Civilization Collapsed (Eric Cline, PhD) (ca. 70min)


Beispiel für den "globalen Handel" in der späten Bronzezeit
Schiff von Uluburun
https://de.wikipedia.org/wiki/Schiff_von_Uluburun


Wenn dann ists eher umgekehrt.
Nach dem Kollaps ging vieles verloren und mußte neu gelernt und erfunden werden.
Das sich dann die gefunden Erzählungen aus einer früheren "goldeneren" Zeit anders anhören, als die neuen Erzählungen die sich aus dem kollektiven Erfahrungen und Erinnerungen an ein "Dark Age" anknüpfen anders klingen ist .... klar.

Trotzdem interessanter Ansatz, leider fehlten ihm entweder noch neuere Funde,
oder (wie ich eher vermute, weil das so mMn einfach so klingt)
...bissi zu viel LSD erwischt im "Summer of Love"


Zitat:
Diesen Sternbild-Zeitaltern werden nun in astrologischer Interpretation esoterische Grundeigenschaften zugeordnet, teilweise sogar die Grundeigenschaften der gleichnamigen Tierkreiszeichen.
Als grundlegender Zug im Fischezeitalter gilt ein Hang zur Mystik und zur Trennung von Geist und Materie. Prägend waren die großen Religionsgemeinschaften Christentum, Islam und Buddhismus, die in dieser Zeit entstanden beziehungsweise sich über große Teile der Welt ausbreiteten.

Zitat:
Marilyn Ferguson veröffentlichte 1982 eine Hauptschrift der New-Age-Bewegung unter dem Titel Die sanfte Verschwörung. Persönliche und gesellschaftliche Transformation im Zeitalter des Wassermanns, mit einem Vorwort von Fritjof Capra[3], die weite Verbreitung fand.


freakteach Komplett von der Rolle


... aber ernst
ist ein schönes Rätsel warum gerade ab ca. 500 B.C. so viele "Religionen" gestiftet werden (und die philosophische Schulen der Antike).
Sprache ist vom Gefühl guter Ansatz, leider habe ich noch nichts schlüssiges gefunden.
Populationsgrößen, Demografien und interkultureller Austausch ein anderer.

Evolutionsbiologisch habe ich von zwei Veränderungen im Gehirn gehört,
eine um ca. 35.000 B.C.
allgemein "neolithische Revolution" - ist bekannter.
Die andere unbekanntere vor ca. 6000 Jahren...
leider habe ich vergessen wo meine Bookmarks dazu sind.
...passen aber beide auch nicht in die These von der Bikameralen Psyche.

Obwohl...
gerade solchartige Veränderungen des Gehirns würden sich vielleicht wohl auch in Sprache und Zeichensystemen widerspiegeln.

Kennt jemand da den aktuellen Wissensstand?

#8:  Autor: Babyface BeitragVerfasst am: 16.10.2020, 10:03
    —
Die Kernidee ist, dass das Bewusstsein keine primär evolutionsbiologische „Errungenschaft“ ist, sondern eher eine kulturelle. Also eine Softwareeigenschaft.

#9:  Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 16.10.2020, 10:35
    —
@Babyface
Spot in Ausrufezeichen

Mir wäre es lieber, fände sich hier doch ein Zusammenhang mit der Hirnentwicklung.
Bspw.: Thesis
eine genetische Veränderung -> Menschen fangen an Tote zu begraben.
Leider habe ich keinen Plan wie sich eine Idee (Totenkult) in alle Stammesgruppen verbreitet.
In Anlehnung an Lineage (anthropology).

Hoffe nur, das macht Mal einer.


Schulterzucken

#10:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 17.10.2020, 16:23
    —
Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Zitat:
When the end came, the civilized and international world of the Mediterranean regions came to a dramatic halt ... It was not until centuries later that a new cultural renaissance emerged

https://www.youtube.com/watch?v=bRcu-ysocX4
1177 BC: The Year Civilization Collapsed (Eric Cline, PhD) (ca. 70min)

Das habe ich vor einer Weile auch gesehen. Fand ich gut, kann mich aber nicht mehr erinnern, ob Santorin darin vorkam. Ich werd's mir nochmal anschauen.

Vorläufig erscheint es mir nahe genug an der über vierzig Jahre älteren Version von Jaynes.


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Beispiel für den "globalen Handel" in der späten Bronzezeit
Schiff von Uluburun
https://de.wikipedia.org/wiki/Schiff_von_Uluburun

Errm, ja.

Ich weiß grad' nicht, worauf du hinauswillst. Falls es bei mir mit den Jahreszahlen zu wild durcheinander gegangen ist, hier noch einmal, ganz grob:

    Ab 3000 v. Chr. - Bronzezeit. Vermehrter Handel. Kontakt mit Menschen anderer Denkweise.
    Um 1250 v. Chr. - allmählicher Zusammenbruch des mediteranen Handelssysems
    Ab 1000 v. Chr. - "vegetative Ausdrucksweise" verschwindet aus den Schriften. Beginn abstrakter innerer Vorstellungen.

Da kann man jetzt streiten, ob der Wandel in der Ausdrucksweise von jahrhundertelangem Kontakt mit andersdenken kommt oder ob er durch den Zusammenbruch kommt.

(Falls es den Wandel wirklich gab und er nicht nur ein Artefakt der Quellenlage ist. Was ich nicht glaube.)


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Wenn dann ists eher umgekehrt.
Nach dem Kollaps ging vieles verloren und mußte neu gelernt und erfunden werden.
Das sich dann die gefunden Erzählungen aus einer früheren "goldeneren" Zeit anders anhören, als die neuen Erzählungen die sich aus dem kollektiven Erfahrungen und Erinnerungen an ein "Dark Age" anknüpfen anders klingen ist .... klar.

Nur sind die neuen Erzählungen geblieben. Denken in mentalen Kategorien erscheint uns deshalb selbstverständlich.



Nachtrag zum letzten Beitrag:

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Daher ist es hochspekulativ hier eine "psyche" zu finden...


Julian Jaynes hat folgendes geschrieben:
Vergleich zwischen dem Buch Amos und dem Prediger Salomo

Das älteste der unverfälschten Bücher ist das Buch Amos (8. Jahrhundert v. Chr.), das jüngste der Prediger Salomo (2. Jahrhundert v. Chr.). Beide sind nicht sonderlich umfangreich, und es wäre zu hoffen, daß der Leser, bevor er in meinem Text fortfährt, sich jetzt zuerst diese zwei biblischen Bücher vornimmt, um sich aus eigener Anschauung einen Eindruck von dem Unterschied zwischen einem noch nahezu bikameralen Menschen und einem Menschen mit subjektivem Bewußtsein zu verschaffen.

Denn der Augenschein deckt sich verblüffend genau mit unserer Hypothese. Das Buch Amos ist fast noch unverfälschte bikamerale Rede, von einem analphabetischen Wüstenhirten vernommen und einem Schreiber zur Niederschrift diktiert. Beim Prediger Salomo dagegen ist höchst selten von Gott die Rede, ganz zu schweigen davon, daß der gebildete Autor jemals Gottes höchsteigene Stimme vernähme. ...

Wörter wie »Seele«, »denken«, »glauben«, »verstehen« oder auch nur im entferntesten mit diesen verwandte Wörter gibt es im Buch Amos nicht. Amos erwägt niemals etwas in seinem Herzen: Dazu ist er nicht in der Lage, mehr noch: Er wußte einfach nicht zu sagen, was das überhaupt ist.

Auch hier könntest du sagen: "Ist doch klar, daß ein Wüstenhirte anders denkt als Salomo." In der Rückschau mag das klar sein. Wenn Jaynes Sichtung der Literatur stimmt, war das ein Wandel.


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
ist ein schönes Rätsel warum gerade ab ca. 500 B.C. so viele "Religionen" gestiftet werden (und die philosophische Schulen der Antike).
Sprache ist vom Gefühl guter Ansatz, leider habe ich noch nichts schlüssiges gefunden.
Populationsgrößen, Demografien und interkultureller Austausch ein anderer.

Robert N. Bellah hat darüber ein dickes Buch geschrieben. Religion in Human Evolution - From the Paleolithic to the Axial Age Mir war es zu dick und zu weitschweifig.

Seine These: die alten Religionen waren ein Versuch, die aus dem Ruder gelaufene Macht der damaligen absoluten Herrscher zu beschneiden.


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Evolutionsbiologisch habe ich von zwei Veränderungen im Gehirn gehört,
eine um ca. 35.000 B.C.
allgemein "neolithische Revolution" - ist bekannter.

Neolithikum war eher 12 000 oder 10 000 BC. Und hat Spuren im Genom hinterlassen. Laktosetoleranz bei den Tierhaltern, Amylase-Enzym bei den Getreidebauern. Hier ist die kulturelle Änderung Ursache für eine genetische Änderung.

Du scheinst nach einer genetischen Änderung zu suchen, die die Tür öffnet für kulturelle Änderungen. Ich denke, eine andere Lebensweise öffnet die Tür für genetische Änderungen.


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Die andere unbekanntere vor ca. 6000 Jahren...

Sagt mir nichts. Wäre dann auch eine lokale Änderung gewesen, die sich nicht über die Kontinente hätte verbreiten können.


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
...passen aber beide auch nicht in die These von der Bikameralen Psyche.

Solange Scott Alexanders Einwand der Vergleichbarkeit der Steinzeitpsyche nicht ganz ausgeräumt ist, kann man schon über solche Zeiträume nachdenken.

#11:  Autor: uwebus BeitragVerfasst am: 18.10.2020, 13:29
    —
Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
@Babyface
Spot in Ausrufezeichen

Mir wäre es lieber, fände sich hier doch ein Zusammenhang mit der Hirnentwicklung.
Bspw.: Thesis
eine genetische Veränderung -> Menschen fangen an Tote zu begraben.
Leider habe ich keinen Plan wie sich eine Idee (Totenkult) in alle Stammesgruppen verbreitet.

In Anlehnung an Lineage (anthropology).

Hoffe nur, das macht Mal einer.


Schulterzucken


Vielleicht hat das ja etwas mit dem Geruch zu tut? Die ersten Menschen waren wohl Höhlenbewohner und haben ja auch nicht in, sondern vor die Höhle gekackt.

#12: Re: Scott Alexander über Julian Jaynes "Der Ursprung des Bewußtseins" Autor: smallie BeitragVerfasst am: 22.10.2020, 18:29
    —
Einige Anmerkungen zu kulturellem Wandel und zu kulturellem Erbe.

smallie hat folgendes geschrieben:
Einwand - was ist mit jenen, an denen die Bronzezeit vorübergegangen ist?

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Aber es gibt noch eine andere Klasse von Problemen, die Jaynes' Theorie nicht annähernd so gut überlebt: Was ist mit den australischen Aborigines? ...

Der Punkt ist, wenn sie ganz normale bewusste Menschen wie wir waren, dann liegt Jaynes mit allem falsch.


Was machen wir immer noch so wie Stein- oder Bronzezeitmenschen, was machen wir anders?


1) Initiationsriten

Das drastischste Beispiel, das mir zu steinzeitlich andersartiger Kultur eingefallen ist. (Natürlich sagt ein drastisches Beispiel alleine nichts aus.)

smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Die in den tropische Wäldern von Neu-Guinea beheimateten Etoro glauben, daß ein Junge, der erwachsen werden will, den Samen Älterer aufnehmen muß. Das geschieht durch ein Initiationsritual, in dem der Junge bei einen Erwachsenen Fellatio ausübt. (Herdt 1984, Kelley 1980). Im Gegensatz dazu wird es beim Nachbarstamm der Kaluli als notwendig erachtet, daß der Samen über den Anus des Initiierten aufgenommen wird, nicht über den Mund. Die Etoro verachten diese Praxis und finden sie abstoßend. [...]

Initiationsriten gibt es heute noch. Taufe, Kommunion, Firmung, Konfirmation, Jugendweihe, ... Ein kulturelles Erbe aus der Steinzeit?


2) Sakralbauten in der Ortsmitte

Jaynes sagt, seit der "bikameralen" Zeit steht im Zentrum einer jeden größeren Siedlung ein Zikkurat, ein Tempel, eine Kirche. Das sei im Orient so, in Europa und in Mittelamerika. Sehr gut beobachtet. (Ob Jaynes was zu Asien sagt, ist mir entgangen.)

Ganz stimmt das nicht, denn in den bayerischen Städten, die die Wittelsbacher um 1300 gründeten, steht das Rathaus im Zentrum des Marktplatzes und die Kirche am Rand. Andererseits hatten steinzeitliche Kulturen keine Sakralgebäude, soweit ich weiß. Daß Gebäude mit Symbolcharakter gebaut werden, war eine kulturelle Zäsur.


3) 12er-System

Falls es zu abstrus erscheint, daß Traditionen aus der Bronzezeit überlebt haben: Noch heute teilen wir den Tag in 12 Stunden und den Kreis in 360 Grade. Das ist so, weil die Sumerer und die Babylonier vor 4000 Jahren im 12er-System gezählt haben. Manche sagen, bereits der Knochen von Ishango zeige ein 12er-System - der ist 20 000 Jahre alt.

(Wie ist das in Indien, China oder Mittelamerika? Hatten die einen 12-Stunden-Tag - bevor die Engländer bzw. die Spanier dort waren?)

#13:  Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 27.10.2020, 12:50
    —
zum einen habe ich so viel dem Jayne entgegenzusetzen, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll.
zum anderen hat der Scott das meiste eh ganz gut eingedampft.
Ich bin aber trotzdem anderer Meinung als Scott, der ja zumindest Jaynes These "retten" will, mit seiner "Theorie of Mind" (Jayne 2.0)

vor ab noch bissi Hirnfutter (hab derzeit kaum Ruhe selber was zu verfassen):
Ist Gott nur eine Funktion unseres Gehirns?
https://www.welt.de/wissenschaft/article2275668/Ist-Gott-nur-eine-Funktion-unseres-Gehirns.html

Kultur als Innovation?
https://de.wikipedia.org/wiki/Innovation_(Evolution)#Kultur_als_Innovation
.
.
.

Und der Herr warf Hirn

Zitat:
Wurde die Menschheit erst vor Jahrtausenden durch Mutation schlau? Solch ein Befund wäre ziemlich heikel - denn nicht alle der heute lebenden Menschen besitzen die entsprechende Genvariante.
(...)
Die zuerst entstandene Genvariante ändert einen Baustein in einem Gen mit dem Namen „Microcephalin“. Lahn glaubt fest daran, der Zufall habe das Microcephalin-Protein verbessert - am wahrscheinlichsten vor rund 37.000 Jahren, just zu einer Zeit, als der moderne Mensch seinen Kunstsinn entdeckte und beispielsweise Skulpturen wie den Löwenmenschen von der Schwäbischen Alb schuf.
(...)
Die zweite evolutionäre Innovation,... Vor ungefähr 5800 Jahren soll im sogenannten ASPM-Gen eine verbesserte Variante aufgetaucht sein.
(...)


.
.
.
---
und Bonus eine grauenhaft zu lesende Rezension über
Karl Eibl: Animal poeta. Bausteine der biologischen Kultur- und Literaturtheorie.


Zitat:
(...)Im Gegensatz zu ›geschlossenen Programmen‹, die über den Genotyp vollständig festgelegt sind, bleiben diese nach Mayr elastisch und können neue Informationen durch Erfahrung (Lernen, Konditionierung usw.) flexibel aufnehmen.
(...)
Evolution und Sprache (...)
Ausweitung der Verwandtschaft zur Gesellschaft, der Umstellung des Lernens auf Simulation hypothetischer Situationen, beim Klatsch als Mittel sozialer Kontrolle, der Wertfixierung beim Handel
(...)
Wesentliche Voraussetzung für kaskadierende Kultur sei dabei das Speichern von Wissen in Institutionen. Weil diese auch Nichtgültiges und nur unter gewissen Bedingungen Wahres bereithalte, (...)
die Gültigkeitsgrenzen abstecke und jene Bedingungen definiere, unter denen Informationen für Handlungen und Schlüsse verwendet werden. Damit Information in Texten dauerhaft auch jenseits eines konkreten Situationsbezugs verfügbar sei, müsse sie überkohärent strukturiert werden. Als geeignete Mittel nennt Eibl u.a. Vers, Reim und vor allem das Erzählen, das er allgemein als Repräsentation einer nicht-zufälligen Ereignisfolge versteht.
(...)
Aus dieser Sicht entstehen Kulturen – im Sinne abgrenzbarer Kommunikationskreise, die ihren Mitgliedern Identität verleihen – auf der Basis von Erzählungen.


Ist auf umständliche ausufernde Weise ziemlich der Punkt den ich einbrächte gegen Jaynes These.
- glaubt er wirklich das eine Schrift, ein Zeichensystem, die sprachliche Face to Face Interaktion 100% abbildet?
- zudem er wohl meist auf sakrale Texte zurückgreift, die meiner Meinung nach noch nicht mal in der (vor?) bikamerolen Periode entstanden sind.
Zumal dieses "Zwei-Kammern-Bewußtsein" - nach meiner Interpretation etwas umständlich für die in die Jahre gekommenen Lokalisationsthese von den logisch-linken und emotional-rechten Hirnhälften

...Pause...

#14:  Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 10.11.2020, 17:16
    —
Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
(...)
Und der Herr warf Hirn


Zitat:
Die zweite evolutionäre Innovation,... Vor ungefähr 5800 Jahren soll im sogenannten ASPM-Gen eine verbesserte Variante aufgetaucht sein.
(...)


Zusatz:
https://en.wikipedia.org/wiki/ASPM
Zitat:
(...)Testing the IQ of those with and without new ASPM allele has shown no difference in average IQ, providing no evidence to support the notion that the gene increases intelligence. However statistical analysis has shown that the older forms of the gene are found more heavily in populations that speak tonal languages like Chinese or many Sub-Saharan African languages (...)


Dumme Mäuse schaffen sich ab
Zusammenhang zwischen Hirngröße und Fruchtbarkeit entdeckt
https://www.mpg.de/607097/pressemitteilung20100907


Lachen
Bye Bye Haplotyp D....
fortschreitende Volksverdummung und sinkende Geburtenraten -
ergibt ein ganz neues Geschmäckle im oft heraufbeschworenem "Untergang des Abendlandes"

quote-Tag ergänzt. vrolijke

#15:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 11.11.2020, 00:05
    —
Sorry. Hab' deinen vorletzten Beitrag glatt übersehen. Umpff. Verlegen


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
zum einen habe ich so viel dem Jayne entgegenzusetzen, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll.

Die Terminologie von Jaynes ist angreifbar, gar keine Frage. Was Jaynes versucht ist eine Art Anthropologie durch literarisches Quellenstudium. Das eine interessante Methode auch wenn Jaynes daneben liegen sollte.

Am Ende läuft's darauf hinaus, ob man Jaynes Alternativ-Übersetzung

    "Furcht erfüllte Agamemnons Geist"
    "Zittern regte sich in Agamemnons Bauch"

für treffend hält. Stimmt es, daß "psychische" Begriffe vor eine bestimmten Zeit in der Literatur nicht existierten?


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
zum anderen hat der Scott das meiste eh ganz gut eingedampft.

Hat er.

Sein Fazit ging so:

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Auch wenn ich den ganzen Kram über die halluzinatorische Athene, die den Trojanischen Krieg choreographiert hat, nicht akzeptiere, so ist doch das Wichtigste, was ich von "Ursprung des Bewusstseins" mitnehme, dass die Theorie des Geistes ein Artefakt ist, keine Selbstverständlichkeit, und sie ist nicht unbedingt überall gleich.

Ein großer Teil der Art und Weise, wie wir uns zu unserem Geist verhalten, ist kulturell bedingt, und mit einer ausreichend unterschiedlichen kulturellen Umgebung kann man einige seltsame Verstandeskonstruktionen auf eine Weise erhalten, die sich tatsächlich auf das Verhalten auswirkt. Die "Theory-of-Mind"-Space ist größer, als wir uns vorstellen, ob wir nun an die alten Sumerer oder an unsere normal erscheinenden Nachbarn denken.

https://slatestarcodex.com/2020/06/01/book-review-origin-of-consciousness-in-the-breakdown-of-the-bicameral-mind/



Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Ich bin aber trotzdem anderer Meinung als Scott, der ja zumindest Jaynes These "retten" will, mit seiner "Theorie of Mind" (Jayne 2.0)

Scott Alexanders Wortwahl "Theory of Mind" halte ich für unglücklich, weil sogar Tiere eine rudimentäre Theory of Mind haben. Der Gedanken dahinter, so wie im Fazit dargestellt, erscheint mir plausibel. Gerne auch in dieser Formulierung:

Babyface hat folgendes geschrieben:
Die Kernidee ist, dass das Bewusstsein keine primär evolutionsbiologische „Errungenschaft“ ist, sondern eher eine kulturelle. Also eine Softwareeigenschaft.





Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Kultur als Innovation?
https://de.wikipedia.org/wiki/Innovation_(Evolution)#Kultur_als_Innovation

Daraus:

wikipedia hat folgendes geschrieben:
Die Kulturfähigkeit des Menschen wird als Alleinstellungsmerkmal unserer Spezies gesehen. Sowohl Sprache als auch Kultur selbst gelten als evolutionäre Innovationen. Richerson und Boyd beschreiben, wie Kultur evolutionär adaptiv entstehen kann. Es geht ihnen dabei nicht darum zu erklären, wie sich kulturelle Leistungen und Produkte entwickelt haben, wie etwa das Auto, das Internet oder gotische Kathedralen. Das wäre Evolution in der Kultur. Die Autoren meinen aber Evolution der Kultur. Auf den Unterschied hat Karl Eibl hingewiesen.

Von Boyd und Richerson hab ich einiges gelesen. Mir fällt mír aber nichts wirklich stichhaltiges ein, was aus deren Arbeiten beim Thema Jaynes weiterhelfen würde.


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Und der Herr warf Hirn

Zitat:
Wurde die Menschheit erst vor Jahrtausenden durch Mutation schlau? Solch ein Befund wäre ziemlich heikel - denn nicht alle der heute lebenden Menschen besitzen die entsprechende Genvariante.

... Microcephalin-Protein ... vor rund 37.000 Jahren, just zu einer Zeit, als der moderne Mensch seinen Kunstsinn entdeckte und beispielsweise Skulpturen wie den Löwenmenschen von der Schwäbischen Alb schuf. ... Vor ungefähr 5800 Jahren ... ASPM-Gen

Grundsätzlich bin ich bei Mutationen auf einem Locus immer ein bisschen vorsichtig, aber zweifellos kommt auch das vor.

Jedenfalls haben Bruce Lahn und Co. recht, wenn sie sagen, daß die Evolution beim Menschen weitergeht. Diese Einsicht ist für viele "heikel".


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
- glaubt er wirklich das eine Schrift, ein Zeichensystem, die sprachliche Face to Face Interaktion 100% abbildet?

Ahmm, es soll Leute geben, von denen heißt es, äh, sie könnten praktisch Dings, also, äh, druckreif sprechen. zwinkern

Und natürlich muß man bei Schriftsprache zwischen den Zeilen lesen, um zu wissen, ob der Autor gerade grinst oder wütend ist.


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
- zudem er wohl meist auf sakrale Texte zurückgreift, die meiner Meinung nach noch nicht mal in der (vor?) bikamerolen Periode entstanden sind.

Jaynes stellt das so dar:

Julian Jaynes hat folgendes geschrieben:
Um 3000 v. Chr. kommt in der Geschichte der Menschheit eine seltsame und höchst folgenreiche Praxis auf. Sie besteht in der Umwandlung gesprochener Laute in kleine Markierungen auf Stein oder Ton oder Papyrus (neuerdings Papier) ...

Von keiner dieser Schriftarten läßt sich behaupten, sie sei restlos entziffert. Wo sie von konkreten Dingen handeln, machen sie nur wenig Schwierigkeiten. Sobald man es jedoch mit ausgefallenen Symbolen zu tun hat, deren Sinn sich nicht aus dem Kontext erschließt, ist man in solchem Maß aufs Rätselraten angewiesen ...

Das erste Schriftwerk der Menschheitsgeschichte, dessen Sprache wir mit hinreichender Gewißheit meistern, um es im Zusammenhang mit meiner Hypothese in Betracht ziehen zu können, ist die »Ilias«. Den Erkenntnissen der neueren Forschung zufolge gewann diese Rachegeschichte ... ihre Form in der mündlichen Überlieferung von fahrenden Sängern, den aoidoi, und zwar in dem Zeitraum von etwa 1230 v. Chr.

https://gedankenfrei.files.wordpress.com/2009/02/julian_jaynes_zdsgfzuweqwer.pdf




Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Zumal dieses "Zwei-Kammern-Bewußtsein" - nach meiner Interpretation etwas umständlich für die in die Jahre gekommenen Lokalisationsthese von den logisch-linken und emotional-rechten Hirnhälften

Linke vs. rechte Hemisphäre wird inzwischen kritisch gesehen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Das klassische Beispiel war ein Schlaganfallpatient, der nicht mehr sprechen aber immer noch (mit Text) singen kann. Ist das neuerdings falsch?


Jaynes meint das jedoch anders.

Julian Jaynes hat folgendes geschrieben:
Um die Geistesverfassung der Mykener von unserem eigenen, subjektiven Geist zu unterscheiden, werden wir sie als Zwei-Kammer-Psyche oder ... als bikamerale Psyche bezeichnen.

Wollen, Planung und Handlungsanstoß kommen ohne irgendwelches Bewußtsein zustande und werden sodann dem Individuum fix und fertig in seiner vertrauten Sprache »mitgeteilt«, manchmal mit einer Gesichtsaura in Gestalt eines vertrauten Menschen oder einer Autoritätsfigur als Begleiterscheinung, manchmal allein in einem Stimmphänomen. Das Individuum gehorcht diesen Stimmen, weil es nicht »sieht«, was es von sich aus tun könnte.

Ob es unbedingt sprachliche Mitteilungen oder Stimmen sind, sei dahingestellt. Jaynsens Begriffe sind ungelenk.

Als zeitgenössisches Äquivalent eher so: stell dir vor du bist Klaus Kinski und kriegst einen Anfall. Was hat dich dazu gebracht? Stimmen, Jähzorn, der Zorn der Gerechten?

#16:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 09.08.2021, 19:44
    —
Scott Alexander über Gruppendenken und Toleranz.

Das als Ergänzung zu dem, was gerade im Rassismus-Thread besprochen wird. Einen relevanten Punkt werde ich dort aufgreifen, damit die Diskussion nicht auf zwei Threads ausfranst.



Zitat:
I can tolerate anything except the outgroup
2014-09-30

https://slatestarcodex.com/2014/09/30/i-can-tolerate-anything-except-the-outgroup/


Ein buddhistische Analogie in Sachen Toleranz:

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
I.

Der Kaiser ruft Bodhidharma zu sich und fragt ihn: "Meister, ich war tolerant gegenüber unzähligen Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Asexuellen, Schwarzen, Hispanoamerikanern, Asiaten, Transsexuellen und Juden. Wie viele Tugendpunkte habe ich für meine verdienstvollen Taten verdient?"

Bodhidharma antwortet: "Überhaupt keine".

Der Kaiser ist etwas verblüfft und will wissen, warum.

Bodhidharma fragt: "Nun, was hältst du von schwulen Menschen?"

Der Kaiser antwortet: "Hältst du mich für eine Art homophoben Fanatiker? Natürlich habe ich nichts gegen homosexuelle Menschen!"

Und Bodhidharma antwortet: "So erwirbst du nicht den Verdienst, sie zu tolerieren!"



In-Group und Out-Group, Nachbarschaft und der Wandel der Zugehörigkeit

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
II.

Ich möchte eine sehr einfache Falle vermeiden, nämlich zu sagen, dass es bei Outgroups darum geht, wie anders man ist, oder wie feindselig man ist. Ich glaube nicht, dass das ganz richtig ist.

Vergleichen Sie die Nazis mit den deutschen Juden und mit den Japanern. Die Nazis waren den deutschen Juden sehr ähnlich: Sie sahen gleich aus, sprachen die gleiche Sprache, kamen aus einer ähnlichen Kultur. Die Nazis unterschieden sich völlig von den Japanern: andere Rasse, andere Sprache, große kulturelle Unterschiede. ...

Und dies ist keine seltsame Ausnahme. Freud sprach vom Narzissmus der kleinen Unterschiede und sagte, dass "gerade Gemeinschaften mit angrenzenden Territorien, die auch in anderer Hinsicht miteinander verwandt sind, in ständige Fehden verwickelt sind und sich gegenseitig lächerlich machen". Nazis und deutsche Juden. Nordirische Protestanten und nordirische Katholiken. Hutus und Tutsis. Südafrikanische Weiße und südafrikanische Schwarze. Israelische Juden und israelische Araber. Jeder im ehemaligen Jugoslawien und jeder andere im ehemaligen Jugoslawien. ...

In einem kürzlich erschienenen Artikel von War Nerd wird darauf hingewiesen, dass die Briten, nachdem sie jahrhundertelang die Iren und Sikhs unterjocht und verachtet hatten, plötzlich irische und Sikh-Soldaten für den Ersten bzw. Zweiten Weltkrieg brauchten. Aus "Zermalmt sie unter unseren Stiefeln" wurden schnell schwülstige Lieder darüber, dass "es nie einen Feigling gab, wo das Kleeblatt wächst" [there never was a coward where the shamrock grows] und endlose Lobgesänge auf die militärischen Fähigkeiten der Sikhs. ...

Mit anderen Worten: Outgroups können die Menschen sein, die genau so aussehen wie man selbst [Iren], und furchteinflößende Ausländer [Sikhs] können im Handumdrehen zur In-Group werden, wenn es gerade günstig erscheint.



Die unwahrscheinliche Wahrscheinlichkeit sozialer Blasen.

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
III.

Laut Gallup-Umfragen sind etwa 46 % der Amerikaner Kreationisten. Und zwar nicht nur in dem Sinne, dass sie glauben, Gott habe die Evolution gelenkt. Ich meine, sie glauben, dass die Evolution eine abscheuliche atheistische Lüge ist und dass Gott die Menschen genau so geschaffen hat, wie sie jetzt existieren. Das ist die Hälfte des Landes.

Und ich habe nicht einen einzigen dieser Menschen in meinem Umfeld. Das liegt nicht daran, dass ich ihnen absichtlich aus dem Weg gehe; ich bin für leben-und-leben-lassen und würde niemanden nur wegen seiner seltsamen Überzeugungen ausgrenzen. Und dennoch, obwohl ich wahrscheinlich hundertfünfzig Leute kenne, bin ich ziemlich sicher, dass nicht einer von ihnen Kreationist ist. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies zufällig geschieht? 1/2^150 = 1/10^45 = ungefähr die Chance, ein bestimmtes Atom auszuwählen, wenn man zufällig unter allen Atomen der Erde wählt.

... Die Leute reden gerne von sozialen Blasen, aber das deckt nicht einmal ansatzweise hundert Quintillionen ab.



Rot ist in Amerika die Farbe der Konservativen, blau die der Demokraten. Hier als Stämme dargestellt.

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
IV.

Der Red Tribe ist klassischerweise gekennzeichnet durch konservative politische Überzeugungen, starke evangelikale religiöse Überzeugungen, Kreationismus, Ablehnung der Homo-Ehe, Waffenbesitz, Steak essen, Coca-Cola trinken, SUVs fahren, viel fernsehen, American Football genießen, sich auffällig über Terroristen und Kommunisten aufregen, früh heiraten, früh scheiden lassen, "USA IS NUMBER ONE!!!" schreien und Country-Musik hören.

Der blaue Stamm ist klassischerweise durch liberale politische Überzeugungen, vagen Agnostizismus, die Unterstützung der Rechte von Homosexuellen, die Ansicht, dass Waffen barbarisch sind, den Verzehr von Rucola, das Trinken von schickem Wasser in Flaschen, das Fahren von Priuse, das Lesen vieler Bücher, einen hohen Bildungsgrad und Spott über American Football gekennzeichnet, das vage Gefühl haben, dass sie Fußball mögen sollten, sich aber nie wirklich dafür begeistern können, sich auffällig über Sexisten und Fanatiker aufregen, später heiraten, ständig darauf hinweisen, wie viel zivilisierter die europäischen Länder sind als Amerika, und "alles außer Country" hören.

(Es gibt einen Versuch, einen Grey Tribe abzuspalten, der sich durch libertäre politische Überzeugungen, Atheismus im Stile von Dawkins, vage Verärgerung darüber, dass die Frage der Rechte von Homosexuellen überhaupt aufkommt, Paleo-Essen, Trinken von Soylent, Anrufen bei Uber, Lesen vieler Blogs auszeichnet, American Football "Sportsball" zu nennen, sich auffällig über den Krieg gegen Drogen und die NSA aufzuregen und Filk [sollte Folk gemeint sein ?]zu hören - aber für unsere aktuellen Zwecke ist das eine Ablenkung und sie können die meiste Zeit sicher als Teil des Blue Tribe betrachtet werden)

Basieren diese Stämme auf geografischen Kriterien? Basieren sie auf Rasse, ethnischer Herkunft, Religion, IQ oder darauf, welche Fernsehkanäle man als Kind gesehen hat? Ich weiß es nicht.

Einiges davon ist sicherlich genetisch bedingt - Schätzungen des genetischen Beitrags zur politischen Assoziation reichen von 0,4 bis 0,6. Die Vererbbarkeit der Einstellung zu den Rechten von Homosexuellen liegt zwischen 0,3 und 0,5, was lustigerweise ein wenig mehr ist als die Homosexualität selbst.



Reaktionen auf Bin Laden und Thatcher

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
V.

Die schlimmste Reaktion, die ich je auf einen Blogbeitrag bekommen habe, war, als ich über den Tod von Osama bin Laden schrieb. Ich habe schon alles Mögliche über Rasse, Geschlecht, Politik und so weiter geschrieben, aber das war das Schlimmste.

Ich habe nicht gesagt, dass ich froh bin, dass er tot ist. Aber einige Leute haben das so interpretiert, und es folgten eine Reihe von Kommentaren, E-Mails und Facebook-Nachrichten, in denen es darum ging, wie ich mich über den Tod eines anderen Menschen freuen könne, selbst wenn er ein schlechter Mensch sei. Jeder Mensch, auch Osama, ist ein Mensch, und wir sollten uns niemals über den Tod eines Mitmenschen freuen...

Ich machte schnell einen Rückzieher und sagte, ich sei nicht glücklich, sondern nur überrascht und erleichtert, dass das alles endlich hinter uns liegt.

Dann, einige Jahre später, starb Margaret Thatcher. Und auf meiner Facebook-Pinnwand - die aus denselben "intelligenten, vernünftigen und nachdenklichen" Menschen besteht - bestand die häufigste Reaktion darin, einen Teil des Liedes "Ding Dong, The Witch Is Dead" zu zitieren. Eine weitere beliebte Reaktion war die Verlinkung von Videos britischer Menschen, die spontan Partys auf der Straße feiern, mit Kommentaren wie "Ich wünschte, ich wäre dabei, damit ich mitmachen könnte". Von genau dieser Gruppe von Menschen gab es keine einzige Äußerung des Abscheus oder ein "Kommt schon, Leute, wir sind doch alle Menschen".

Und das war der Moment, in dem es bei mir Klick machte.

Und meine Hypothese lautet schlicht und einfach: Wenn du zum Blue Tribe gehörst, dann ist deine Outgroup nicht al-Qaida, oder Muslime, oder Schwarze, oder Schwule, oder Transmenschen, oder Juden, oder Atheisten - es ist der Red Tribe.



Rassismus vs. politisches Partisanentum im Test

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
VI.

Dass Rassismus ein riesiger, allumfassender sozialer Faktor ist, wissen wir unter anderem durch den Impliziten Assoziationstest. ... Wenn die Versuchspersonen mehr Schwierigkeiten haben (gemessen an der Latenzzeit), weiße Menschen mit negativen Dingen in Verbindung zu bringen als weiße Menschen mit positiven Dingen, dann haben sie wahrscheinlich unbewusst positive Assoziationen mit weißen Menschen.

Vor drei Monaten hatte endlich jemand die glänzende Idee, einen Impliziten Assoziationstest mit politischen Parteien durchzuführen, und sie fanden heraus, dass die unbewussten parteipolitischen Vorurteile der Menschen anderthalb mal so stark sind wie ihre unbewussten rassistischen Vorurteile ...

Okay, gut, aber wir wissen, dass Rasse in der realen Welt Konsequenzen hat. Es gab z. B. mehrere Studien, in denen Leute einen Haufen identischer Lebensläufe verschickt haben, nur manchmal mit dem Foto einer schwarzen Person und manchmal mit dem Foto einer weißen Person, und es wurde festgestellt, dass die Arbeitgeber viel eher die fiktiven weißen Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch einluden. Die Ergebnisse eines dummen Impliziten Assoziationstests sind damit nicht zu vergleichen, oder?

Iyengar und Westwood beschlossen auch, den Lebenslauftest für Parteien durchzuführen. Sie baten die Versuchspersonen zu entscheiden, welcher von mehreren Bewerbern ein Stipendium erhalten sollte ... Einige Lebensläufe enthielten Fotos von schwarzen Menschen, andere von weißen Menschen. Und einige Studenten gaben ihre Erfahrungen bei den Young Democrats of America an, andere bei den Young Republicans of America.

Auch hier war die Diskriminierung aufgrund der Partei viel stärker als die Diskriminierung aufgrund der Rasse. Die Größe des Rasseneffekts für Weiße war nur 56-44 (und in der umgekehrten Richtung wie erwartet); die Größe des Parteieffekts war etwa 80-20 für Demokraten und 69-31 für Republikaner.



Fox News schlimmer als IS.

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
IX.

... die Geschichte, auf die ich mich eigentlich beziehe, ist die des liberalen Talkshow-Moderators/Komikers Russell Brand, der dieselbe Tirade gegen Fox News wegen der Unterstützung des Krieges gegen den Islamischen Staat machte und am Ende hinzufügte, dass "Fox schlimmer ist als ISIS".

... Fox ist die Outgroup, ISIS ist nur ein paar Leute in der Wüste. Man hasst die Outgroup, man hasst nicht irgendwelche Wüstenmenschen.

... Im Sudan werden Christen wegen ihres Glaubens hingerichtet, also lasst uns die Leute angreifen, die nebenan eine Moschee bauen wollen. ... Wenn man die Menschen mit Bildern eines fernen Landes bombardiert, das sie ohnehin schon hassen, und ihnen sagt, dass sie es noch mehr hassen sollen, dann führt das dazu, dass die Intoleranz gegenüber ein paar benommenen und ausgegrenzten Vertretern dieser Kultur, die auf der eigenen Seite der Kluft gelandet sind, noch zunimmt. Wenn die Industrie, die Kultur oder die Gemeinschaft blau genug wird, werden die Mitglieder des Red Tribe schikaniert, entlassen (Brendan Eich ist das offensichtliche Beispiel) oder anderweitig vor die Tür gesetzt.

Stellen Sie sich Brendan Eich als Mitglied einer winzigen religiösen Minderheit vor, umgeben von Menschen, die diese Minderheit hassen. Plötzlich erscheint es nicht mehr sehr edel, ihn zu entlassen.

Brendan Eich war Mitgründer von Mozilla und wurde gefeuert, weil er sich gegen die Homo-Ehe ausgesprochen hat.

Übersetzt mit DeepL.com/Translator. Einige Fehlübersetzungen korrigiert.

#17:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 09.08.2021, 20:08
    —
"Stellen Sie sich Brendan Eich als Mitglied einer Minderheit vor, umgeben von Menschen, die diese Minderheit hassen - statt als Mensch, der ohne Grund eine Minderheit hasst. In meinem Hirn ist das irgendwie das selbe, in Ihrem etwa nicht!" Mit den Augen rollen

...warte mal, warum postest du das in Wissenschaft und Technik? Am Kopf kratzen

#18:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 09.08.2021, 21:19
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
... Vor drei Monaten hatte endlich jemand die glänzende Idee, einen Impliziten Assoziationstest mit politischen Parteien durchzuführen, und sie fanden heraus, dass die unbewussten parteipolitischen Vorurteile der Menschen anderthalb mal so stark sind wie ihre unbewussten rassistischen Vorurteile ...

Ich bin hier etwas unsicher über die Methodik, aber ist das Operieren mit dem Begriff "unbewußt" und "Vorurteil" hier noch korrekt? Die Probandin weiß ja über einen Parteigänger mehr (z.B. Werte und Grundeinstellungen) als über eine x-beliebige POC. Vielleicht korreliert hier mehr Wissen mit den "Vorurteilen" als z.B. bei der reinen Hautfarbe. Oder ist der Test so implizit gemacht, daß das ausgeschlossen wird? Etwa indem nur nach Kategorien gefragt wird, die nicht mit den Werten der Partei korrelieren?

#19:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 09.08.2021, 21:49
    —
Threadtitel geändert in "Verschiedenes von Scott Alexander"

#20:  Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 11.08.2021, 00:12
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
...
Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
...
Basieren diese Stämme auf geografischen Kriterien? Basieren sie auf Rasse, ethnischer Herkunft, Religion, IQ oder darauf, welche Fernsehkanäle man als Kind gesehen hat? Ich weiß es nicht.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:

...warte mal, warum postest du das in Wissenschaft und Technik? Am Kopf kratzen


dem kann geholfen werden Smilie

Der vielleicht bessere Ansatz sich dem Rassismus zu nähern, ist die Betrachtungsebene dahin zu schieben wo bereits gute sozialwissenschaftliche Arbeiten zu finden sind.
in der GEWALTFORSCHUNG

Zitat:
...Gewalt als soziales Phänomen. Entsprechend sind die Artikel gruppiert nach sozialstrukturellen Verhältnissen und Gewalt, Sozialisation und Lernen von Gewalt, Gewalterfahrungen und Gewalttätigkeiten etc. Ge-waltopfer werden ebenso thematisiert wie die Gewalt in gesellschaftlichen Institutionen, im öffentlichen Raum, durch politische Gruppen oder in bezie-hungsweise durch staatliche Institutionen. Thematisiert werden auch die jeweiligen Gewaltdiskurse, Rechtfertigungen und Verarbeitungen, mithin die ganze Prozessdynamik. Die 62 Artikel von Autorinnen und Autoren aus zehn Ländern liefern aber auch Analysen mit sozialpsychologischen, kulturwis-senschaftlichen, rechtswissenschaftlichen, politikwissenschaftlichen und historischen Hintergründen sowie soziobiologischer und psychologischer Herkunft. Auf diese Weise entsteht ein komplexes, mehrperspektivisches Bild eines schwierigen Forschungsfeldes zwischen Ordnung, Zerstörung und Macht.

Internationales Handbuch der Gewaltforschung (ca 1500 Seiten)
Herausgeber: Heitmeyer, Wilhelm, Hagan, John (Hrsg.)

Verlegen das sprengt jetzt ein bisschen die Reichweite, die Forumsdiskussionen haben.

daher, falls Interesse
zwei PDFs je 24 Seiten
Gewalt und Gewaltforschung
von Felix Schnell
https://docupedia.de/images/0/08/Gewalt_und_Gewaltforschung.pdf

Wolfgang Knöbl
Perspektiven der Gewaltforschung*
https://zeithistorische-forschungen.de/sites/default/files/medien/material/Knoebl_2017.pdf

#21:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 11.08.2021, 18:07
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
"Stellen Sie sich Brendan Eich als Mitglied einer Minderheit vor, umgeben von Menschen, die diese Minderheit hassen - statt als Mensch, der ohne Grund eine Minderheit hasst. In meinem Hirn ist das irgendwie das selbe, in Ihrem etwa nicht!" Mit den Augen rollen

Toleranz ist, wenn man etwas toleriert, was man nicht ausstehen kann. Das ist der Artikel in einem Satz zusammengefasst.

Wo ist meine Toleranzgrenze? Wenn jemand Schwule entläßt, nur weil sie schwul sind. Was das selbe ist, wie Leute zu entlassen, die gegen Homo-Ehe sind. Oder Zeugen Jehovas oder Atheisten usw.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
...warte mal, warum postest du das in Wissenschaft und Technik? Am Kopf kratzen

Die Klammer war für mich Scott Alexander, deshalb habe ich hier weitergemacht. Ich hätte einen neuen Thread aufmachen können, "Scott Alexander über ...". Alles einem Thread zu haben, erschien mir naheliegender.


Kurz zu Scott Alexander Siskind. Er blogt seit 2013 auf Slate Star Codex und ist einer der prominentesten Vertreter der Rationalisten-Bewegung. Die NYT wollte ihn interviewen und dabei seinen vollen Namen nennen. Siskind war dagegen, weil er als Psychiater arbeitet und zuviel Bekanntheit sein Verhältnis zu seinen Patienten beschädigen könne. Er hat dann sein Blog off-line genommen, sich einen neuen Job gesucht und behandelt jetzt in einer eigenen Praxis Bedürftige für wenig Geld. Von Substack hat er ein sechsstelliges Angebot erhalten, dort schreibt er unter seinem vollen Namen.

Nicht alles, was er schreibt interessiert mich. Immer aber ist es sehr gehaltvoll und gut durchdacht. Eins der besten, wenn nicht das beste Blog, das ich kenne.

Für's Archiv: Who is Scott Alexander and what is he about?

#22:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 11.08.2021, 18:32
    —
step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
... Vor drei Monaten hatte endlich jemand die glänzende Idee, einen Impliziten Assoziationstest mit politischen Parteien durchzuführen, und sie fanden heraus, dass die unbewussten parteipolitischen Vorurteile der Menschen anderthalb mal so stark sind wie ihre unbewussten rassistischen Vorurteile ...

Ich bin hier etwas unsicher über die Methodik, aber ist das Operieren mit dem Begriff "unbewußt" und "Vorurteil" hier noch korrekt? Die Probandin weiß ja über einen Parteigänger mehr (z.B. Werte und Grundeinstellungen) als über eine x-beliebige POC. Vielleicht korreliert hier mehr Wissen mit den "Vorurteilen" als z.B. bei der reinen Hautfarbe.

Ja, das ist wahrscheinlich. Etwas ähnliches ist Teil einer noch ausstehenden Antwort.


step hat folgendes geschrieben:
Oder ist der Test so implizit gemacht, daß das ausgeschlossen wird? Etwa indem nur nach Kategorien gefragt wird, die nicht mit den Werten der Partei korrelieren?

Ich bin sehr skeptisch, was IAT betrifft. Bevor ich das glaube, möchte ich erst sehen wie Resultate bei IAT mit tatsächlichem Verhalten zusammenhängen.

IAT beseite. Es gab noch diesen Satz:

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Iyengar und Westwood beschlossen auch, den Lebenslauftest für Parteien durchzuführen. Sie baten die Versuchspersonen zu entscheiden, welcher von mehreren Bewerbern ein Stipendium erhalten sollte ...

Bei der Vergabe von Stipendien sollte die politische Ausrichtung eines Kandidaten keine Rolle spielen.

#23:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 11.08.2021, 18:33
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Threadtitel geändert in "Verschiedenes von Scott Alexander"

Danke fürs Ändern.

#24:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 11.08.2021, 19:17
    —
Der Outgroup-Beitrag war als Zitate-Grab gedacht, um dann im Rassismus-Thread weiterzumachen. Hab's mir anders überlegt.

Ich möchte das Thema auf eine persönliche Ebene bringen. Erstens, weil gesellschaftliches Verhalten aus individuellem Verhalten besteht. Zweitens, weil Menschen zu unterschiedlichen Urteilen neigen, wenn das selbe Problem abstrakt oder emotional präsentiert wird. Hier: die Outgroup als "Heiratshindernis".


Aus dem Rassismus-Thread herübergeholt:
step hat folgendes geschrieben:
Ich denke, das liegt auf der Hand: Fremdenangst, Gruppenegoismus, instinktive Ablehnung von Andersartigkeit usw., sind Effekte, die relativ unabhängig von Klassenzugehörigkeit, politischem System und Ethnie auftreten.


Dazu zwei Geschichten und eine hypothetische Frage.

1) Einer meiner Kollegen hat sich mit seiner Tochter überworfen, weil sie mit einem schwarzen GI ging. Die Amis hätten sein Land bombardiert, sagte er und fragte mich, was ich machen würde, wenn meine Tochter mit so jemandem ginge. Mir war nicht klar, was genau er mit "so jemand" meinte, den Ami, den Soldaten oder den Schwarzen? Hab nicht nachgefragt, weil das für meine Antwort keine Rolle spielte: "Willst du dich wegen sowas mit deiner Tochter überwerfen?"


2) Es ist vielleicht 70 Jahre her, da war es ein Unding, daß Katholiken und Protestanten heiraten. Nicht nur bei uns. Gerade diese Woche gefunden, ein Kommentar auf Statistical Modeling, das war in Detroit:

Martha (Smith) hat folgendes geschrieben:
Für protestantische Mütter war es zum Beispiel undenkbar, dass ihre Kinder mit Katholiken ausgingen, da die Katholiken versuchen würden, die Protestanten zu konvertieren, und, was noch schlimmer war, ihre Enkelkinder katholisch erzogen werden könnten! Im Gegensatz dazu waren protestantische/jüdische Verabredungen keine so große Sache - denn man ging davon aus, dass diejenige Mutter, die zuerst davon erfuhr, sich mit der anderen Mutter in Verbindung setzen würde, und sie würden sich freundschaftlich darauf einigen, dass jede mit ihrem Kind sprechen würde, um es davon zu überzeugen, dass es nur innerhalb seiner eigenen Religion ausgehen sollte.

https://statmodeling.stat.columbia.edu/2019/06/28/racism-is-a-framework-not-a-theory/



3) Gretchenfrage: Wie würde es euch gefallen, wenn eure Kinder mit jemandem vom falschen politischen Spektrum gehen? Mit einem Skinhead oder aus der anderen Warte, einem linksversifften oder - für Skeptiker: einem Banker? Oder für step: einem Ferrarifahrer? zwinkern Oder für Tarvoc: würdest du mit deinem Kind brechen, wenn sein Partner die Homo-Ehe ablehnt?


PS:

Alle drei Fälle laufen parallel: Rasse, Glaube oder politische/kulturelle Einstellungen als Heiratshindernis. Trotzdem fühlt sich 3) für mich anders an. Billie-Eilish-Fans und Landser-Hörer gehen nicht zusammen.

#25:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 11.08.2021, 20:16
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Wo ist meine Toleranzgrenze? Wenn jemand Schwule entläßt, nur weil sie schwul sind. Was das selbe ist, wie Leute zu entlassen, die gegen Homo-Ehe sind.

Diese Gleichsetzung hätte ich gern begründet.

#26:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 11.08.2021, 20:24
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
3) Gretchenfrage: Wie würde es euch gefallen, wenn eure Kinder mit jemandem vom falschen politischen Spektrum gehen? Mit einem Skinhead oder aus der anderen Warte, einem linksversifften oder - für Skeptiker: einem Banker? Oder für step: einem Ferrarifahrer? zwinkern Oder für Tarvoc: würdest du mit deinem Kind brechen, wenn sein Partner die Homo-Ehe ablehnt?

Das gleiche haben mich meine Kinder auch schon mal gefragt. Also was müßten sie tun, damit ich wirklich sauer wäre? Ich denke tatsächlich, daß ich da recht hart im Nehmen bin, und zudem eine aus Prinzip starke Abneigung gegen das Einmischen habe, speziell bei "Kindern". Andere Ethnie wäre gar kein Problem. Ferrari oder Grillmeister auch nicht. Religion nur, wenns ein/e Fundi wäre. Und auch im politischen Spektrum müßte es schon ein waschechter Nazi oder sowas sein, damit ich mein Kind umzustimmen versuchen würde. Ich würde vermutlich eingreifen, wenn ich denke, daß mein Kind da ich echte Gefahr kommt, z.B. Sekte, Terrorgruppe, Freiheitsentzug ...

Allerdings denke ich, daß die Ferrarifahrer, Grillmeister, Kuschelevangelen und Lindner-Fans mich evtl. nicht sooo gern besuchen würden. Und meine Kinder sind sehr gut im Argumentieren und Erziehen, hehe Smilie

Übrigens:

step hat folgendes geschrieben:
Ich denke, das liegt auf der Hand: Fremdenangst, Gruppenegoismus, instinktive Ablehnung von Andersartigkeit usw., sind Effekte, die relativ unabhängig von Klassenzugehörigkeit, politischem System und Ethnie auftreten.

Hier meinte ich nicht etwa, daß Ablehnung unabhängig davon eintritt, ob es gegen eine andere Ethnie, Klasse oder Religion geht, sondern daß rassistische Vorurteile relativ unabhängig davon existieren, zu welcher Ethnie, Klasse, Religion ... ihr Träger gehört. Das war evtl. mißverständlich formuliert.

#27:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 11.08.2021, 20:48
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Oder für Tarvoc: würdest du mit deinem Kind brechen, wenn sein Partner die Homo-Ehe ablehnt?

Nein, ich hab' selbst Leute mit solchen Ansichten in meinem Freundeskreis. Aber erzähl mir nicht, das sei das selbe wie schwul zu sein, oder gleich zu bewerten. Ist es einfach nicht. Das eine ist einfach nur eine persönliche Neigung. Das andere ist eine Forderung danach, andere in ihren Rechten und Freiheiten zu beschränken, und ich kann jeden verstehen, der mit solchen Forderungen bzw. ihren Vertretern nichts zu tun haben will.

#28:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 12.08.2021, 20:44
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
3) Gretchenfrage: Wie würde es euch gefallen, wenn eure Kinder mit jemandem vom falschen politischen Spektrum gehen? Mit einem Skinhead oder aus der anderen Warte, einem linksversifften oder - für Skeptiker: einem Banker?


Wenn ein Kind während seiner Entwicklung umfassende und intensive Erfahrungen von Mitmenschlichkeit und Solidarität macht, dann wird es dadurch quasi geimpft sein gegen Kontakte zu Neonazis und anderen Vertretern unmenschlicher Prinzipien.

Umgekehrt gilt dies aber auch.

Jene "Erfahrungen" gehen über die Familie und auch über die Erziehung im engeren Sinne hinaus und umfassen die Gesamtsozialisation.

Unter'm Strich ist unsere Gesellschaft inhuman und unsozial genug, um den Nachwuchs von Neofaschisten zu garantieren.

Linke und normalmenschliche Eltern können aber meistens gegensteuern, insbesondere auch was den Umgang des Filus und der Fileuse betrifft.

Übrigens gibt es auch linke Banker. Marx selber war mit einem - formal gesehen - bürgerlichen Kaufmann befreundet. zwinkern

#29:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 13.08.2021, 16:02
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wo ist meine Toleranzgrenze? Wenn jemand Schwule entläßt, nur weil sie schwul sind. Was das selbe ist, wie Leute zu entlassen, die gegen Homo-Ehe sind.

Diese Gleichsetzung hätte ich gern begründet.

Ungeduldiges Händetrommeln...

#30:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 13.08.2021, 18:11
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ungeduldiges Händetrommeln...

Gemach. Nicht, daß ich aus lauter Eile noch Blödsinn schreibe. Zustimmung


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wo ist meine Toleranzgrenze? Wenn jemand Schwule entläßt, nur weil sie schwul sind. Was das selbe ist, wie Leute zu entlassen, die gegen Homo-Ehe sind. Oder Zeugen Jehovas oder Atheisten usw.

Diese Gleichsetzung hätte ich gern begründet.

Zeugen Jehavas sind vermutlich durchwegs gegen die Homo-Ehe. Die müßte man alle entlassen. Ist das deine Forderug? Es mag für dich ein rotes Tuch sein, wenn jemand gegen Homo-Ehe ist. Bedenke, daß es für die Gegenseite ein rotes Tuch ist, wenn du zum Beispiel für Abtreibung bist. Oder Atheist.

Möchtest du, daß das eskaliert? Der blaue Stamm wirft alle Zeugen Jehovas raus und der rote Stamm alle Atheisten?


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Oder für Tarvoc: würdest du mit deinem Kind brechen, wenn sein Partner die Homo-Ehe ablehnt?

Nein, ich hab' selbst Leute mit solchen Ansichten in meinem Freundeskreis. Aber erzähl mir nicht, das sei das selbe wie schwul zu sein, oder gleich zu bewerten. Ist es einfach nicht. Das eine ist einfach nur eine persönliche Neigung. Das andere ist eine Forderung danach, andere in ihren Rechten und Freiheiten zu beschränken, ...

Alle Zeugen Jehovas zu entlassen, ist eine Beschränkung deren Rechte.

Möchtest du gefeuert werden, sollte dein Arbeitgeber je lesen und Anstoß daran nehmen, was du hier geschrieben hast? Ich möchte das nicht, also muß ich anderen ebenso zugestehen, daß sie Meinungen haben, an denen ich Anstoß nehme.


Zuletzt bearbeitet von smallie am 13.08.2021, 18:28, insgesamt einmal bearbeitet

#31:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 13.08.2021, 18:17
    —
Jetzt ist mir nach Blödsinn. zwinkern

step hat folgendes geschrieben:
Allerdings denke ich, daß die Ferrarifahrer, Grillmeister, Kuschelevangelen und Lindner-Fans mich evtl. nicht sooo gern besuchen würden.

Komm tillich, ich hole dich mit meinem FDP-gelben Ferrari ab, dann überfallen wir step, räumen den Kühlschrank aus und grillen auf dem noch heißen Motorblock. step wird sich freuen. Mr. Green

#32:  Autor: astarte BeitragVerfasst am: 13.08.2021, 19:18
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ungeduldiges Händetrommeln...

Gemach. Nicht, daß ich aus lauter Eile noch Blödsinn schreibe. Zustimmung


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wo ist meine Toleranzgrenze? Wenn jemand Schwule entläßt, nur weil sie schwul sind. Was das selbe ist, wie Leute zu entlassen, die gegen Homo-Ehe sind. Oder Zeugen Jehovas oder Atheisten usw.

Diese Gleichsetzung hätte ich gern begründet.

Zeugen Jehavas sind vermutlich durchwegs gegen die Homo-Ehe. Die müßte man alle entlassen. Ist das deine Forderug? Es mag für dich ein rotes Tuch sein, wenn jemand gegen Homo-Ehe ist. Bedenke, daß es für die Gegenseite ein rotes Tuch ist, wenn du zum Beispiel für Abtreibung bist. Oder Atheist.

Schwulsein ist also eine Meinung, ein Glaube, eine Einstellung, oder sowas für dich?

#33:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 13.08.2021, 21:14
    —
astarte hat folgendes geschrieben:
Schwulsein ist also eine Meinung, ein Glaube, eine Einstellung, oder sowas für dich?

Nein, gar nicht.

Fasse ich deinen Einwand so richtig zusammen?
    - Schwulsein ist etwas das man sich nicht aussucht und das man nicht ändern kann.
    - Gegen Homo-Ehe zu sein, das sucht man sich aus und das kann man ändern. Deshalb ist das verwerflicher als Schwulsein.

Das Problem stellt sich aus meiner Warte nicht, weil ich für die Bewertung einer Handlung, einer Einstellung, eines Glaubens oder einer Eigenschaft nicht wissen muß, ob man sie sich ausgesucht hat, ob sie kulturell oder genetisch oder sonst wie determiniert ist. Extrembeispiel: Was wir von Serienkillerei halten, ist unabhängig davon, ob Killergene im Spiel waren, eine versaute Kindheit oder die Absicht, die Welt zu retten. Es gibt Dinge, die sind nicht in Ordnung, egal aus welchem Grund sie geschehen.


Diese ethische Agnostik gegenüber Ursachen muß sein, sonst könnten sich Homophobe darauf berufen, hey, bei mir ist das angeboren.

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Die Vererbbarkeit der Einstellung zu den Rechten von Homosexuellen liegt zwischen 0,3 und 0,5, was lustigerweise ein wenig mehr ist als die Homosexualität selbst.

#34:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 13.08.2021, 22:07
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Zeugen Jehavas sind vermutlich durchwegs gegen die Homo-Ehe. Die müßte man alle entlassen. Ist das deine Forderug?

Ich habe überhaupt keine Entlassungen gefordert, finde es aber interessant, dass du zu solchen Strohmännern greifen musst, um auch nur anzufangen, deine eigene Position bzw. deine Antwort auf meine Frage begründend zu formulieren. Lies doch meine Beiträge einfach mal aufmerksam und setz' mit deiner Antwort neu an. Bei Unklarheiten darfst du gerne nachfragen.

smallie hat folgendes geschrieben:
Es mag für dich ein rotes Tuch sein, wenn jemand gegen Homo-Ehe ist. 

"Rotes Tuch"? Aus welchem Teil meines Beitrages hast du das denn jetzt schon wieder herausgelesen? Aus der Stelle, wo ich schrieb, ich selbst habe Leute mit solchen Ansichten in meinem Freundeskreis? Oder welcher? Mit den Augen rollen

smallie hat folgendes geschrieben:
Bedenke, daß es für die Gegenseite ein rotes Tuch ist, wenn du zum Beispiel für Abtreibung bist. Oder Atheist. 

Jaa, so ist das wohl. Und erfahrungsgemäß ist "die Gegenseite" auch ungleich weniger zimperlich mit der Applikation jeder nur denkbaren Form von Diskriminierung, wo immer sie damit durchkommt. Dass sie das zunehmend weniger vermag, ist ja nun eine recht junge Entwicklung - und wie man immer wieder feststellen muss, liegt das keineswegs daran, dass ihrerseits der Wille fehlt.

smallie hat folgendes geschrieben:
Möchtest du, daß das eskaliert? 

Zu einer Deeskalation gehören bekanntlich zwei - für eine Eskalation reicht hingegen einer. Interessanterweise sehe ich die Forderung nach Deeskalation immer nur in die eine Richtung gestellt. In die andere Richtung macht sich niemand auch nur die Mühe, das zu fordern, weil jeder genau weiß, dass man dafür nur höhnisches Gelächter bekäme. Das heißt, wir können darüber reden, wenn ich von der anderen Seite mal Ansätze von sowas wie guten Willen sehe - und in den Fällen, wo ich seitens Leuten mit stark von meinen eigenen abweichenden Meinungen einen solchen sehe, kommt es normalerweise auch nicht zur Eskalation. Ich bin nämlich in der Regel nicht der Initiator solcher Konflikte. Aber es ist grundsätzlich unmöglich, eine Situation zu deeskalieren, wenn die andere Seite aktiv auf Eskalation zielt - und man ist meiner Erfahrung nach generell schlecht damit beraten, sich auf Drohungen oder Erpressungsversuche einzulassen.

smallie hat folgendes geschrieben:
Alle Zeugen Jehovas zu entlassen, ist eine Beschränkung deren Rechte. 

Was hast du immer mit deinen Zeugen Jehovas? Niemand hier fordert die Entlassung von Zeugen Jehovas, noch die aller Leute, die gegen Homo-Ehe sind. Der einzige, der hier überhaupt aus welchen Gründen auch immer ständig davon fantasiert, bist du selbst. Das einzige, was ich gesagt habe, ist, dass Homosexualität und Homosexuellenfeindlichkeit nicht moralisch gleich zu bewerten sind - auch dann nicht, wenn Letztere zufällig von Zeugen Jehovas ausgeht. Alles andere hast du dazu gedichtet.

Übrigens sind die Zeugen Jehovas ohnehin nicht diejenigen, die heutzutage in erster Linie durch öffentliche Stimmungsmache gegen die Homo-Ehe auffallen, weil für die Zeugen Jehovas die profane Öffentlichkeit und die Institutionen der weltlichen Staatsgewalt sowieso alle vom Satan beherrscht und unrettbar der Verdammnis anheim gefallen sind und sie selbst sich deshalb nur selten überhaupt um profane politische Belange bekümmern, solange diese nicht direkt ihr eigenes Leben betreffen. Und im Gegensatz zu z. B. vielen amerikanischen evangelikalen Gruppierungen sind die Zeugen mit dieser Einstellung ja auch tatsächlich weitestgehend konsequent.

smallie hat folgendes geschrieben:
Möchtest du gefeuert werden, sollte dein Arbeitgeber je lesen und Anstoß daran nehmen, was du hier geschrieben hast?

Lachen Ich bin offener Marxist, du Scherzkeks. Damit, dass mir das passieren kann (und zwar hierzulande unter Umständen sogar im öffentlichen Dienst, wenn ich nicht genau aufpasse, was ich sage), habe ich mich seit Langem abgefunden. Und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich in einen solchen Fall von der politischen "Seite", die du hier verteidigst, besonders viel Hilfe zu erwarten hätte.


Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 15.08.2021, 01:37, insgesamt einmal bearbeitet

#35:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 14.08.2021, 11:36
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
3) Gretchenfrage: Wie würde es euch gefallen, wenn eure Kinder mit jemandem vom falschen politischen Spektrum gehen? Mit einem Skinhead oder aus der anderen Warte, einem linksversifften oder - für Skeptiker: einem Banker? Oder für step: einem Ferrarifahrer? ;) Oder für Tarvoc: würdest du mit deinem Kind brechen, wenn sein Partner die Homo-Ehe ablehnt?


Nein. Brechen ist hart. Und wichtiger, was soll der Bruch bewirken? Eine symbolische Handlung?

#36:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 14.08.2021, 13:18
    —
Sowieso merkwürdige Frage. Wegen sowas Tivialem wie einem Partner mit etwas merkwürdigen Ansichten über die Homo-Ehe bricht man doch nicht mit dem eigenen Kind. Am Kopf kratzen

Die Frage wäre mit ziemlicher Sicherheit allenfalls eher umgekehrt: Kann der Partner oder die Partnerin meines Kindes mich als Bisexuellen so weit tolerieren, dass er oder sie nicht mit mir bricht und mein Kind vor die selbe Entscheidung stellt? Das ist aber dann eben überhaupt nicht meine Entscheidung.

#37:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 16.08.2021, 23:41
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Zeugen Jehavas sind vermutlich durchwegs gegen die Homo-Ehe. Die müßte man alle entlassen. Ist das deine Forderug?

Ich habe überhaupt keine Entlassungen gefordert, finde es aber interessant, dass du zu solchen Strohmännern greifen musst, ...

Also nochmal von vorne:

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
... Im Sudan werden Christen wegen ihres Glaubens hingerichtet, also lasst uns die Leute angreifen, die nebenan eine Moschee bauen wollen. ... Wenn ... die Gemeinschaft blau genug wird, werden die Mitglieder des Red Tribe schikaniert, entlassen (Brendan Eich ist das offensichtliche Beispiel) oder anderweitig vor die Tür gesetzt. Stellen Sie sich Brendan Eich als Mitglied einer winzigen religiösen Minderheit vor, umgeben von Menschen, die diese Minderheit hassen. Plötzlich erscheint es nicht mehr sehr edel, ihn zu entlassen.


Darauf du:

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
"Stellen Sie sich Brendan Eich als Mitglied einer Minderheit vor, umgeben von Menschen, die diese Minderheit hassen - statt als Mensch, der ohne Grund eine Minderheit hasst. In meinem Hirn ist das irgendwie das selbe, in Ihrem etwa nicht!" Mit den Augen rollen

Im Kontext des Artikels ist es das selbe. Es ging um Gruppendenken. Deine Hinweise a la "Diese Gruppe ist aber besonders blöd" sind berechtigt, gehen aber völlig am Thema des Artikels vorbei.

Brendan Eich wird entlassen, weil er gegen die Homo-Ehe ist, aber Angela Merkel bleibt Kanzlerin, obwohl sie gegen die Homo-Ehe gestimmt hat? Das ist aus meiner Sicht nicht gerecht.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wo ist meine Toleranzgrenze? Wenn jemand Schwule entläßt, nur weil sie schwul sind. Was das selbe ist, wie Leute zu entlassen, die gegen Homo-Ehe sind. Oder Zeugen Jehovas oder Atheisten usw.

Diese Gleichsetzung hätte ich gern begründet.

Meine Schlussfolgerung daraus: du warst mit dem markierten Teil der Aussage nicht einverstanden. Also bist du dafür, daß Leute wie Brendan Eich oder ZJ entlassen werden. Das mag zwischen den Zeilen gelesen sein, aber der Eindruck drängt sich mir auf.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Möchtest du gefeuert werden, sollte dein Arbeitgeber je lesen und Anstoß daran nehmen, was du hier geschrieben hast?

Lachen Ich bin offener Marxist, du Scherzkeks. ... Und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich in einen solchen Fall von der politischen "Seite", die du hier verteidigst, besonders viel Hilfe zu erwarten hätte.

Welche politische Seite verteidige ich denn?

#38:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 17.08.2021, 00:59
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Im Kontext des Artikels ist es das selbe.

Mit den Augen rollen Na du bist mir ja ein Scherzkeks. Als ob nicht die ganze Stoßrichtung meiner Beiträge bis jetzt darauf hinausliefe, dass der Artikel sich einen völlig irreführenden Pseudokontext zusammenkonstruiert, der in der dargestellten Form überhaupt nicht existiert.

Dein Argument reduziert sich letztlich auf "Der Artikel hat Recht, weil der Artikel das sagt!!" Lachen

smallie hat folgendes geschrieben:
Brendan Eich wird entlassen, weil er gegen die Homo-Ehe ist, aber Angela Merkel bleibt Kanzlerin, obwohl sie gegen die Homo-Ehe gestimmt hat? Das ist aus meiner Sicht nicht gerecht.

Ja, dieser Vergleich ist auf jeden Fall sehr viel richtiger als der zwischen Brendan Eich und Homosexuellen. Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, bin ich über Merkel als Kanzlerin ebenfalls alles andere als glücklich. Und in ihrem Falle habe ich auch tatsächlich mehrfach an der Wahlurne meinem Wunsch nach ihrer "Entlassung" Ausdruck gegeben. Zählt das schon als "Forderung nach Entlassung" im Sinne dieser Diskussion? Am Kopf kratzen

smallie hat folgendes geschrieben:
Meine Schlussfolgerung daraus: du warst mit dem markierten Teil der Aussage nicht einverstanden. Also bist du dafür, daß Leute wie Brendan Eich [...] entlassen werden. Das mag zwischen den Zeilen gelesen sein, aber der Eindruck drängt sich mir auf.

Ich bin nicht dafür in dem mir von dir unterstellten Sinne, dass ich es gefordert hätte. Brendan Eichs Entlassung ist mir einfach herzlich egal.

((Warum der Fall bei deinem hypothetischen Szenario einer Entlassung sämtlicher Zeugen Jehovas ein wenig anders läge, habe ich dir übrigens schon ausführlich erklärt - mal ganz abgesehen davon, dass es einen Unterschied macht, ob man ein Einzelindividuum aufgrund konkreter öffentlicher Äußerungen beurteilt oder eine ganze Gruppe von Menschen inklusive solcher, die sich überhaupt nicht öffentlich äußern, aufgrund ihnen - ob nun zu Recht oder nicht - als Kollektiv unterstellter Ansichten. Insofern ist auch dieser Vergleich eigentlich ein Non-Starter.))

smallie hat folgendes geschrieben:
Welche politische Seite verteidige ich denn?

Stell dich nicht absichtlich dumm. Wieviele linke Gegner der Homo-Ehe kennst du denn so? ...Wobei die Frage eigentlich fast beside the point ist. Viel entscheidender ist: Wer schon meine Rechte als Bisexueller nicht anerkennt, von dem kann ich auch nicht erwarten, dass er im Zweifelsfalle meine Rechte als Marxist verteidigt. Warum sollte ich bitte jemanden verteidigen, von dem ich genau weiß, dass er oder sie in umgekehrter Situation das glatte Gegenteil tun würde, wenn er könnte? Es ist sogar geradezu ein Gebot der Klugheit, das nicht zu tun.

#39:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 17.08.2021, 22:20
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Im Kontext des Artikels ist es das selbe.

Mit den Augen rollen Na du bist mir ja ein Scherzkeks.

Ich kann fürchterlich albern sein, ich weiß. Pfeifen


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Als ob nicht die ganze Stoßrichtung meiner Beiträge bis jetzt darauf hinausliefe, dass der Artikel sich einen völlig irreführenden Pseudokontext zusammenkonstruiert, der in der dargestellten Form überhaupt nicht existiert.

Unabhängig, was man vom Artikel als Ganzem hält, Reaktionen auf Bin Laden und Thatcher und Rassismus vs. politisches Partisanentum im Test fand ich sehr interessant. Du nicht?

Oder sowas:

Scott Alexander hat folgendes geschrieben:
Auch hier war die Diskriminierung aufgrund der Partei viel stärker als die Diskriminierung aufgrund der Rasse. Die Größe des Rasseneffekts für Weiße war nur 56-44 (und in der umgekehrten Richtung wie erwartet); die Größe des Parteieffekts war etwa 80-20 für Demokraten und 69-31 für Republikaner.

Wenn ich das richtig lese - und wenn die zugrundeliegende Arbeit stimmt - dann sind Republikaner etwas toleranter als Demokraten. Wollen die Demokraten das auf sich sitzen lassen?


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Welche politische Seite verteidige ich denn?

Stell dich nicht absichtlich dumm.

Meine Dummheit reicht so weit, daß ich auch Marxisten verteidigen würde.

Dabei verteidige ich nicht die Ansichten der Marxisten oder Brendan Eichs, ich sage nur, daß es blöd ist, Leute zu entlassen, weil einem deren Ansichten nicht passen.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Wer schon meine Rechte als Bisexueller nicht anerkennt, von dem kann ich auch nicht erwarten, dass er im Zweifelsfalle meine Rechte als Marxist verteidigt. Warum sollte ich bitte jemanden verteidigen, von dem ich genau weiß, dass er oder sie in umgekehrter Situation das glatte Gegenteil tun würde, wenn er könnte?

Weil man Prinzipien hat, die nicht zwischen "Freund und Feind", zwischen In-Group und Out-Group unterscheiden, Weil ich nicht so sein möchte, wie "die andere Fraktion".

Dazu als Extrembeispiel ein Zitat von Daryl Davis. zelig hat mich vor Jahren auf den Mann aufmerksam gemacht, ein Schwarzer, der mit KKK-Leuten spricht. Einer seiner Auftritte mußte verlegt werden, weil die Antifa angedroht hatte, den Veranstaltungsort abzufakeln.

Daryl Davis hat folgendes geschrieben:
Sie [Anitfa] sind Antirassisten, also verprügeln sie Leute, die rassistisch sind - aber das ist genau dasselbe, was die Rassisten tun.

They’re anti-racist, so they’re gonna go beat up people who are racist – but this is the exact same thing the racists do.

https://wbckfm.com/can-a-black-man-be-a-white-supremacist-democrats-apparently-believe-so/ (Leider kein Datum im Link.)



Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Es ist sogar geradezu ein Gebot der Klugheit, das nicht zu tun.

Wehrhaft zu sein und sich nicht alles gefallen zu lassen - das ist nicht verkehrt.

Aber es gibt einen Unterschied zwischen:

    1) Ich bin gegen Homo-Ehe.
    2) Ich bin gegen Homo-Ehe und verbanne diese Leute aus meinem Freundeskreis.
    3) Ich bin gegen Homo-Ehe und in einer gesellschaftlichen Machtposition, in der ich diese Leute entlassen kann.

1) und 2) muß man tolerieren. 3) nicht.
Umgekehrt fände ich es unpassend, wenn 1) und 2) zu einem Entlassungsgrund würden.

#40:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 18.08.2021, 09:15
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Weil man Prinzipien hat, die nicht zwischen "Freund und Feind", zwischen In-Group und Out-Group unterscheiden, Weil ich nicht so sein möchte wie die "andere Fraktion".

Also dass du persönlich keine Feinde hast, die deine Rechte einschränken oder sogar abschaffen wollen und das manchmal auch können, ohne dass du ihnen was getan hättest und ohne dass du etwas daran ändern könntest, ist natürlich ein großes Glück für dich, für das du dankbar sein darfst. Andere Menschen haben dieses Privileg nicht. Die haben Feinde, ob sie wollen oder nicht. Ihnen zu empfehlen, ihre tatsächliche Lebenswirklichkeit zu leugnen, weil sie sonst genauso schlimm wären wie ihre Verfolger, ist extrem kaltschnäuzig und setzt diese Leute effektiv noch mehr der Gefahr aus. Um es nochmal ganz deutlich zu sagen: Nein, LGBT-Leute, die sich gegen Diskriminierung wehren, sind nicht genau so schlimm wie aktive Homophobe und Transphobe, die ihnen allein aufgrund dessen, was sie sind, ihre Rechte entziehen wollen. Das habe ich hier auch schon erklärt.

Was Daryl Davis angeht: Ich habe durchaus einen gewissen Respekt für das, was er tut. Das heißt aber nicht, dass ich mit allem, was er sagt, einverstanden sein muss. Gerade dieses spezifische Zitat muss man im Kontext lesen. Über die Antifaschisten, die seine (antifaschistischen!) Vorträge und Veranstaltungen stören, kann man sowas sagen. Aber nicht unterschiedslos und ohne Ansehung des Kontexts für jeden, der sich mit Gewalt gegen Faschisten und Rassisten zur Wehr setzt. Von den Alliierten im 2. Weltkrieg sagt hier ja hoffentlich auch niemand, sie seien genauso schlimm gewesen wie die Nazis.

smallie hat folgendes geschrieben:
Aber es gibt einen Unterschied zwischen:

    1) Ich bin gegen Homo-Ehe.
    2) Ich bin gegen Homo-Ehe und verbanne diese Leute aus meinem Freundeskreis.
    3) Ich bin gegen Homo-Ehe und in einer gesellschaftlichen Machtposition, in der ich diese Leute entlassen kann.

1) und 2) muß man tolerieren. 3) nicht.
Umgekehrt fände ich es unpassend, wenn 1) und 2) zu einem Entlassungsgrund würden.

Also man darf auf einen Beziehungsabbruch nicht mit einem Beziehungsabbruch antworten? Am Kopf kratzen

Meine Antwort darauf wäre, dass es im Kapitalismus sowieso kein allgemeines moralisches Recht auf einen Arbeitsplatz geben kann. Im Rahmen bestehender Gesetze hat ein Arbeitgeber das Recht, zu heuern und zu feuern, wie es ihm passt (zumal es ja nun nicht so ist, als könne sich offene, öffentliche Homophobie seitens eines Angestellten nicht geschäftsschädigend auswirken). Wenn dir das nicht gefällt, müsstest du dich wirklich für eine andere Wirtschaftsweise bzw. eine andere Form der Organisation gesellschaftlicher Arbeit einsetzen. Da wäre ich übrigens wieder bei dir. zwinkern

#41:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 27.08.2021, 21:23
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Weil man Prinzipien hat, die nicht zwischen "Freund und Feind", zwischen In-Group und Out-Group unterscheiden, Weil ich nicht so sein möchte wie die "andere Fraktion".

Also dass du persönlich keine Feinde hast, die deine Rechte einschränken oder sogar abschaffen wollen und das manchmal auch können, ohne dass du ihnen was getan hättest und ohne dass du etwas daran ändern könntest, ist natürlich ein großes Glück für dich, für das du dankbar sein darfst. Andere Menschen haben dieses Privileg nicht.

Was du alles über mich weißt. Oder meinst, zu wissen.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die haben Feinde, ob sie wollen oder nicht. Ihnen zu empfehlen, ihre tatsächliche Lebenswirklichkeit zu leugnen, weil sie sonst genauso schlimm wären wie ihre Verfolger, ist extrem kaltschnäuzig ...

Das ist nicht, worum es mir ging oder worum es im Artikel geht.

#42:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 28.08.2021, 09:59
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Weil man Prinzipien hat, die nicht zwischen "Freund und Feind", zwischen In-Group und Out-Group unterscheiden, Weil ich nicht so sein möchte wie die "andere Fraktion".

Also dass du persönlich keine Feinde hast, die deine Rechte einschränken oder sogar abschaffen wollen und das manchmal auch können, ohne dass du ihnen was getan hättest und ohne dass du etwas daran ändern könntest, ist natürlich ein großes Glück für dich, für das du dankbar sein darfst. Andere Menschen haben dieses Privileg nicht.

Was du alles über mich weißt.

Du überschätzt deine Relevanz.

#43:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 28.08.2021, 12:17
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Weil man Prinzipien hat, die nicht zwischen "Freund und Feind", zwischen In-Group und Out-Group unterscheiden, Weil ich nicht so sein möchte wie die "andere Fraktion".

Also dass du persönlich keine Feinde hast, die deine Rechte einschränken oder sogar abschaffen wollen und das manchmal auch können, ohne dass du ihnen was getan hättest und ohne dass du etwas daran ändern könntest, ist natürlich ein großes Glück für dich, für das du dankbar sein darfst. Andere Menschen haben dieses Privileg nicht.

Was du alles über mich weißt.

Du überschätzt deine Relevanz.


Smallie ist nicht weniger relevant als du.

#44:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 28.08.2021, 13:07
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Smallie ist nicht weniger relevant als du.

Um mich geht es hier sogar so wenig, dass von mir hier an der entsprechenden Stelle gar nicht die Rede war. Keine Ahnung, warum du es hier plötzlich für nötig befindest, mich oder meine Relevanz zum Thema zu machen. Schulterzucken Mit den Augen rollen In dieser Diskussion gibt's doch eigentlich genug Aspekte, zu denen du was Interessantes beitragen können müsstest. Sag doch zum Beispiel mal was zum Radikalenerlass. Oder generell zum Thema Antikommunismus.

#45:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 29.08.2021, 12:49
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Also dass du persönlich keine Feinde hast, die deine Rechte einschränken oder sogar abschaffen wollen und das manchmal auch können, ohne dass du ihnen was getan hättest und ohne dass du etwas daran ändern könntest, ist natürlich ein großes Glück für dich, für das du dankbar sein darfst. Andere Menschen haben dieses Privileg nicht.

Was du alles über mich weißt.

Du überschätzt deine Relevanz.

Warum hast du mich, meine angebliche Normalität und meine Kaltschnäuzigkeit dann überhaupt erwähnt?

#46:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 30.08.2021, 09:22
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Warum hast du mich, meine angebliche Normalität und meine Kaltschnäuzigkeit dann überhaupt erwähnt?

Zur rhetorischen Einleitung eines längeren Arguments. Gegenfrage: Warum zitierst und addressierst du nur den ersten Satz und lässt den ganzen Rest weg?

Aber ich gebe zu, jetzt hast du mich neugierig gemacht. Wer genau will dir denn ans Leder und weswegen?

#47:  Autor: tillich (epigonal) BeitragVerfasst am: 30.08.2021, 18:09
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
astarte hat folgendes geschrieben:
Schwulsein ist also eine Meinung, ein Glaube, eine Einstellung, oder sowas für dich?

Nein, gar nicht.

Fasse ich deinen Einwand so richtig zusammen?
    - Schwulsein ist etwas das man sich nicht aussucht und das man nicht ändern kann.
    - Gegen Homo-Ehe zu sein, das sucht man sich aus und das kann man ändern. Deshalb ist das verwerflicher als Schwulsein.

Das Problem stellt sich aus meiner Warte nicht, weil ich für die Bewertung einer Handlung, einer Einstellung, eines Glaubens oder einer Eigenschaft nicht wissen muß, ob man sie sich ausgesucht hat, ob sie kulturell oder genetisch oder sonst wie determiniert ist. Extrembeispiel: Was wir von Serienkillerei halten, ist unabhängig davon, ob Killergene im Spiel waren, eine versaute Kindheit oder die Absicht, die Welt zu retten. Es gibt Dinge, die sind nicht in Ordnung, egal aus welchem Grund sie geschehen.

Richtig, die Ursache ist tatsächlich eher nachrangig. Die Homoehe wäre auch dann richtig, wenn Schwule sich tatsächlich jederzeit entscheiden könnten, einfach nicht mehr schwul zu sein; und Schwule zu beleidigen wäre auch dann nicht OK, wenn jemand "nichts dafür kann", sondern durch irgendetwas (wie eine psychische Störung) dazu gezwungen ist (man sollte freilich in diesem Fall anders reagieren).

Relevant ist aber, ob man die Rechte anderer einschränkt. Schwul zu sein und einen Mann heiraten zu wollen, schränkt niemand anderen in seinen Rechten ein. Gegen die Homo-Ehe zu sein, schränkt aber sehr wohl Schwule in ihren Rechten ein.

Und deshalb:
smallie hat folgendes geschrieben:
3) Gretchenfrage: Wie würde es euch gefallen, wenn eure Kinder mit jemandem vom falschen politischen Spektrum gehen? Mit einem Skinhead oder aus der anderen Warte, einem linksversifften oder - für Skeptiker: einem Banker? Oder für step: einem Ferrarifahrer? zwinkern Oder für Tarvoc: würdest du mit deinem Kind brechen, wenn sein Partner die Homo-Ehe ablehnt?

Nein, brechen nicht.
Sollte aber zu einem Familienfest o.Ä. sowohl ein schwules Paar als auch jener homosexuellenehenfeindliche Partner de Kindes eingeladen sein, müsste letzterer seine diesbezüglichen Ansichten zumindest insoweit zu Hause lassen, dass die gute Stimmung nicht getrübt wird.
Ob diese Ansichten alleine zu Hause bleiben können oder ohne den Rest seiner Person nicht auskommen können, ist dann sein Problem.

Und fürs Arbeitsleben gilt mutatis mutandis das gleiche: Ansichten alleine sollten nicht zu einer
Kündigung führen können. Eine Störung des Betriebsfriedens schon.

#48:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 30.08.2021, 18:29
    —
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Und deshalb:
smallie hat folgendes geschrieben:
3) Gretchenfrage: Wie würde es euch gefallen, wenn eure Kinder mit jemandem vom falschen politischen Spektrum gehen? Mit einem Skinhead oder aus der anderen Warte, einem linksversifften oder - für Skeptiker: einem Banker? Oder für step: einem Ferrarifahrer? zwinkern Oder für Tarvoc: würdest du mit deinem Kind brechen, wenn sein Partner die Homo-Ehe ablehnt?

Nein, brechen nicht.
Sollte aber zu einem Familienfest o.Ä. sowohl ein schwules Paar als auch jener homosexuellenehenfeindliche Partner de Kindes eingeladen sein, müsste letzterer seine diesbezüglichen Ansichten zumindest insoweit zu Hause lassen, dass die gute Stimmung nicht getrübt wird.
Ob diese Ansichten alleine zu Hause bleiben können oder ohne den Rest seiner Person nicht auskommen können, ist dann sein Problem.

Und fürs Arbeitsleben gilt mutatis mutandis das gleiche: Ansichten alleine sollten nicht zu einer
Kündigung führen können. Eine Störung des Betriebsfriedens schon.


Gut zusammengefasst. Daumen hoch!

#49:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 31.08.2021, 19:53
    —
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Das Problem stellt sich aus meiner Warte nicht, weil ich für die Bewertung einer Handlung, einer Einstellung, eines Glaubens oder einer Eigenschaft nicht wissen muß, ob man sie sich ausgesucht hat, ob sie kulturell oder genetisch oder sonst wie determiniert ist. ...

Richtig, die Ursache ist tatsächlich eher nachrangig. Die Homoehe wäre auch dann richtig, wenn Schwule sich tatsächlich jederzeit entscheiden könnten, einfach nicht mehr schwul zu sein; ...

Jo. Der Fall hat bei mir gefehlt, danke für's Nachliefern.


tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Relevant ist aber, ob man die Rechte anderer einschränkt. Schwul zu sein und einen Mann heiraten zu wollen, schränkt niemand anderen in seinen Rechten ein. Gegen die Homo-Ehe zu sein, schränkt aber sehr wohl Schwule in ihren Rechten ein.

Das würde ich gern aufdröseln.

Ole von Beust wurde 2001 Bürgermeister von Hamburg. Ein (älterer) Kollege meinte damals: "Daß solche Leute bei uns etwas zu sagen haben." Mit "solchen" waren Schwule gemeint. Wenn ein Hinterwäldler despektierlich über Herrn Beust spricht, dann heißt das nicht, daß dessen Rechte - zum Beispiel Berufswahl und Amtsausübung - eingeschränkt sind. Weiter denke ich, daß Herr Beust souverän genug ist, so daß es ihn nicht juckt, was ein Hinterwäldler von ihm hält.

Die Meinung, Schwule seien pervers, muß man nicht mögen, aber man muß sie aushalten. Interessant wird es, wenn aus der passiven Meinung eine Handlung wird.

1) 2001 und Gegenwart: Wie soll der Hinterwäldler es schaffen, die Rechte Herrn Beusts einzuschränken? CSU wählt er vermutlich schon, aber die sind in der Union, die Herrn Beust aufgestellt hat. Es gab schon damals keine Partei, die Homos Amtsausübung verwehrt hätte. Oder auf die Gegenwart bezogen: Gibt es noch eine Partei, die die Homo-Ehe wieder abschaffen will?

2) 1950: Damals waren die Hinterwäldler-Meinungen über Schwule die Norm. von Beust wäre nicht Bürgermeister geworden. Keine Partei, kein oberstes Gericht hätte daran gerüttelt. Das ist dann ein Fall von Relevant ist aber, ob man die Rechte anderer einschränkt, wie du sagtest. Was ist zwischen 1950 und 2001 passiert, so daß sich die Norm gedreht hat?


Hm. Wenn ich das zu Ende denke, was ich gerade geschrieben habe, dann steht da: sobald Homophobe eine kleine Minderheit sind, will ich mich nicht mehr groß über sie aufregen.


tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Und deshalb:
smallie hat folgendes geschrieben:
3) Gretchenfrage: Wie würde es euch gefallen, wenn eure Kinder mit jemandem vom falschen politischen Spektrum gehen? Mit einem Skinhead oder aus der anderen Warte, einem linksversifften oder - für Skeptiker: einem Banker? Oder für step: einem Ferrarifahrer? zwinkern Oder für Tarvoc: würdest du mit deinem Kind brechen, wenn sein Partner die Homo-Ehe ablehnt?

Nein, brechen nicht.
Sollte aber zu einem Familienfest o.Ä. sowohl ein schwules Paar als auch jener homosexuellenehenfeindliche Partner de Kindes eingeladen sein, müsste letzterer seine diesbezüglichen Ansichten zumindest insoweit zu Hause lassen, dass die gute Stimmung nicht getrübt wird.
Ob diese Ansichten alleine zu Hause bleiben können oder ohne den Rest seiner Person nicht auskommen können, ist dann sein Problem.

Fast. Mir fehlt noch eine Abgrenzung zu diesem Fall:

Ich möchte es mir nicht verkneifen, auf einer Familienfeier aus der Rolle zu fallen und Dinge zu sagen, die bei manchen nicht gut ankommen. Gute Stimmung, ja, aber manche Konflikte gehören ausgetragen. Mit Konflikt meine ich Handlungen, die mir nicht gefallen. Meinungsverschiedenheiten kann ich aushalten.

Meine Antwort an einen Homophoben auf einem Familienfest wäre: "Geht dich nix an." Oder vielleicht würde ich mich mit denen sogar unterhalten, weil es mich interessiert, wie Menschen zu den Meinungen kommen, die sie vertreten.


PS: kann mir nicht vorstellen, im Familien- oder Bekanntenkreis Homophobe zu haben.


tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Und fürs Arbeitsleben gilt mutatis mutandis das gleiche: Ansichten alleine sollten nicht zu einer Kündigung führen können. Eine Störung des Betriebsfriedens schon.

Passt.

#50: Re: Verschiedenes von Scott Alexander Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 17.09.2021, 22:22
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Scott Alexander bespricht Julian Jaynes The Origin Of Consciousness In The Breakdown Of The Bicameral Mind.

Der Titel sei irreführend, sagt er, das Buch aber trotzdem gut.

(...)

Jaynes behauptet in etwa:

    1) in alten Texten aus der Bronzezeit kommen mentale Vorgänge nicht vor. Geschildert werden Zustände des vegetativen Nervensystems.
    2) Menschen haben die Stimme ihres inneren Monologes als Stimme der Götter gedeutet
.

(...)
Jaynes verbringt die meiste Zeit damit, über die Ilias zu sprechen, ...

So könnte eine typische Übersetzung zum Beispiel einen Satz wie "Furcht erfüllte Agamemnons Geist" verwenden. Falsch! Es gibt in der Ilias kein Wort für "Geist", außer vielleicht in den allerneuesten Interpolationen. Die Wörter sind Dinge wie kardia, noos, phrenes und thumos, was Jaynes jeweils mit Herz, Sehkraft/Wahrnehmung, Bauch und sympathisches Nervensystem übersetzt. Er könnte den Satz über Agamemnon übersetzen, um so etwas wie "Zittern regte sich in Agamemnons Bauch" zu sagen. Es bedeutet immer noch dasselbe - Agamemnon hat Angst - aber so würde man darüber sprechen, wenn man keine Vorstellung von "dem Verstand" als dem Ort hätte, an dem geistige Dinge geschehen - man würde nur merken, dass der Bauch noch mehr zittert.
(...)


Ich greif nochmal den Anfang an … äh, auf.

Bin über etwas mMn sehr spannendes gestossen:

ALLE ANTIKEN KULTUREN HABEN KEINE IDEE VON BLAU
Vgl
Ancient Cultures Didn't See Blue (3.50 min)
https://www.youtube.com/watch?v=3H98jOP9p5g

Why The Ancient Greeks Couldn't See Blue (6.50 min)
https://www.youtube.com/watch?v=D1-WuBbVe2E


Interessant wirds wenn man sich überlegt, man kann sich nur in den Wörtern ausdrücken, die man kennt, erst ein neues Wort hilft beim Differenzieren, wird zu einer Feedbackschleife im Gehirn, das WORT wird überall dazwischen gequetscht.

Daher zurück zu Jaynes Bewußtsein …
stimmt schon, und dann wieder eben doch nicht, weil ähnlich zu den Beschreibungen der Umwelt ohne den Begriff BLAU, finden sich komplizierte Ausdrucksweisen das Gemeinte zu transportieren.
Erweitert sich der persönliche Wortschatz, erklärt man das Gemeinte kürzer.
...
Am Kopf kratzen

Oh, so wie ich das wiedergebe, klingst wie ein Allgemeinplatz, …
unsere kleine machen das, nennt sich Großwerden.
Mit den Augen rollen

#51:  Autor: jdfWohnort: Nekropole E|B BeitragVerfasst am: 17.09.2021, 22:48
    —
Wau.

#52: Re: Verschiedenes von Scott Alexander Autor: smallie BeitragVerfasst am: 12.10.2021, 20:34
    —
Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Bin über etwas mMn sehr spannendes gestossen:

ALLE ANTIKEN KULTUREN HABEN KEINE IDEE VON BLAU
Vgl
Ancient Cultures Didn't See Blue (3.50 min)
https://www.youtube.com/watch?v=3H98jOP9p5g

Why The Ancient Greeks Couldn't See Blue (6.50 min)
https://www.youtube.com/watch?v=D1-WuBbVe2E

Spannend, in der Tat.

Primitive Kulturen unterscheiden nicht immer zwischen Grün und Blau. Ernsthaft. Pfeifen In Bayern zum Beispiel gibt es diesen Liedtext:

    Drunt in der greana [grünen] Au steht a Birnbaum so blau, juhe.

Beim Schafkopfen nennt man die Gras-Sau, die grün ist, die "Blaue". Ist das Zufall oder ist es ein Überbleibsel archaischen Farbverständnisses? zwinkern


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Interessant wirds wenn man sich überlegt, man kann sich nur in den Wörtern ausdrücken, die man kennt, erst ein neues Wort hilft beim Differenzieren, wird zu einer Feedbackschleife im Gehirn, das WORT wird überall dazwischen gequetscht.

Antike griechische Statuen waren farbig, spätestens ab 500 v. Chr. Homer war gute 200 Jahre früher, ob die Statuen zu seinen Zeiten auch schon farbig waren, weiß ich nicht.



Hier mehr: True Colors - Archaeologist Vinzenz Brinkmann insists his eye-popping reproductions of ancient Greek sculptures are right on target Da gibt es einiges blau zu sehen.

Was haben die Maler damals gesagt, wenn sie sagen wollten: "Hey, mach das blau!"?


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Daher zurück zu Jaynes Bewußtsein …
stimmt schon, und dann wieder eben doch nicht, weil ähnlich zu den Beschreibungen der Umwelt ohne den Begriff BLAU, finden sich komplizierte Ausdrucksweisen das Gemeinte zu transportieren.
Erweitert sich der persönliche Wortschatz, erklärt man das Gemeinte kürzer.

Ein guter Einwand.

Einige Sprachen haben Wörter, die es in anderen nicht gibt. Zum Beispiel gibt es in meiner Muttersprache keinen Unterschied zwischen schmecken und riechen. Was aber nicht heißt, daß man nicht merkt, wenn's stinkt. Andererseits kenne ich zwar das Wort umami, habe aber keine Vorstellung, wie umami schmeckt. (Ich sollte mir eine Packung Glutamat kaufen, um meine Bildungslücke zu schließen.)

Behauptung: für alles, womit man oft zu tun hat, entwickeln sich differenzierende Wörter. Wenn man auf einem Segelschiff ist, dann ist "Mach mal einen Knoten in das Seil" eine unterkomplexe Anweisung angesichts der vielen Arten von Knoten, die es gibt. Sollte Homer nur von "Knoten" geschrieben haben, heißt das nicht, die antiken Seeleute hätten keine verzwickten Knoten gekannt. Wenn Homer blau nicht erwähnt, heißt das nicht, die antiken Maler hätten kein Wort für (ungefähr) blau gehabt.


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
... stimmt schon, und dann wieder eben doch nicht

Der Satz gefällt mir. Er läßt sich auf vieles in vielen Situationen anwenden. Ich würde ihn gern öfter hören.

#53: Re: Verschiedenes von Scott Alexander Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 20.10.2021, 22:00
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
(...)
Antike griechische Statuen waren farbig, spätestens ab 500 v. Chr. Homer war gute 200 Jahre früher, ob die Statuen zu seinen Zeiten auch schon farbig waren, weiß ich nicht.


wird wohl Homer weniger gejuckt haben, der soll ja blind gewesen sein.
...bzw im Context hier, vielleicht wegen seiner "falsch-farben" Prosasprache hielt man ihn für einen Blinden, der bspw. das Meer mit dunklem Wein verglich.

smallie hat folgendes geschrieben:

Was haben die Maler damals gesagt, wenn sie sagen wollten: "Hey, mach das blau!"?

Die haben wohl einen Phönizier gerufen. Die hatten zumindest Purpur, also nah dran an Blau.
Das Farbspektrum damals war wohl eher (Purpur)Violettöne zu Rottönen mit bissi Dipp Into Blue.
Heutzutage werden Violettöne eher über die Grundfarben Blau und Rot erstellt.


smallie hat folgendes geschrieben:

Einige Sprachen haben Wörter, die es in anderen nicht gibt. Zum Beispiel gibt es in meiner Muttersprache keinen Unterschied zwischen schmecken und riechen. Was aber nicht heißt, daß man nicht merkt, wenn's stinkt. Andererseits kenne ich zwar das Wort umami, habe aber keine Vorstellung, wie umami schmeckt. (Ich sollte mir eine Packung Glutamat kaufen, um meine Bildungslücke zu schließen.)

Da empfehle ich Sojasauce, am besten Teriyaku ... klingt besser als Glutamat oder Umami, schmeckt aber alles gleich, aber ich liebe es, geht immer noch ein tropfen mehr bis es auf der Zunge beißt, aber wasabi denn da.

smallie hat folgendes geschrieben:
Behauptung: für alles, womit man oft zu tun hat, entwickeln sich differenzierende Wörter. Wenn man auf einem Segelschiff ist, dann ist "Mach mal einen Knoten in das Seil" eine unterkomplexe Anweisung angesichts der vielen Arten von Knoten, die es gibt. Sollte Homer nur von "Knoten" geschrieben haben, heißt das nicht, die antiken Seeleute hätten keine verzwickten Knoten gekannt. Wenn Homer blau nicht erwähnt, heißt das nicht, die antiken Maler hätten kein Wort für (ungefähr) blau gehabt.

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
... stimmt schon, und dann wieder eben doch nicht

Der Satz gefällt mir. Er läßt sich auf vieles in vielen Situationen anwenden. Ich würde ihn gern öfter hören.


dazu sag ich mal ORANGE
gabs vor der Frucht so eine Farbe? bzw wie nannte man die?

dann sag ich noch NEON, das wiederum tritt erst mit der Erfindung von Leuchtstoffröhren in Erscheinung

und vieles geht nunmal im Lauf der Zeit verloren,
wer weiß schon was ein Leichenfänger ist, um bei Seemansgarn zu bleiben.

#54:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 23.10.2021, 15:05
    —
Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
(...)
Antike griechische Statuen waren farbig, spätestens ab 500 v. Chr. Homer war gute 200 Jahre früher, ob die Statuen zu seinen Zeiten auch schon farbig waren, weiß ich nicht.


wird wohl Homer weniger gejuckt haben, der soll ja blind gewesen sein.
...bzw im Context hier, vielleicht wegen seiner "falsch-farben" Prosasprache hielt man ihn für einen Blinden, der bspw. das Meer mit dunklem Wein verglich.

Vielleicht in einem Sturm?


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Was haben die Maler damals gesagt, wenn sie sagen wollten: "Hey, mach das blau!"?

Die haben wohl einen Phönizier gerufen. Die hatten zumindest Purpur, also nah dran an Blau.
Das Farbspektrum damals war wohl eher (Purpur)Violettöne zu Rottönen mit bissi Dipp Into Blue.


Mir ist ein Beispiel für früheres Blau eingefallen. Dieses prächtige, tiefe Blau im Grab von Ramses IV (Bild von hier: Ägyptische Fresken)

Oder das hier, auch wenn es für mich so aussieht, als wäre einiges an Farbsättigung reingedreht worden: Ancient Egyptian Women


Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Heutzutage werden Violettöne eher über die Grundfarben Blau und Rot erstellt.

Apropos Violett-Töne. Oben habe ich noch über die Bayern mit ihrem blauen Birnbaum gespöttelt. Aber werden wir uns alle einig über den Unterschied zwischen Violett, Purpur und Lila? Meine Tochter hat im Englisch-Unterricht gelernt, daß Lila auf englisch purple heißt. Bin dagegen - die Milka-Kuh ist Lila, Purpur ist, was Prince in Purple Rain trägt. Sagt mein Farb- und Sprachgefühl. Aber:

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Farbtöne im Violettbereich: Differenzierungsprobleme

Trotz des sehr unterschiedlichen Eindrucks der violetten Farbtöne ist die Anwendung der Wörter für diesen Farbbereich im Alltag uneinheitlich und teilweise noch kontrovers. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass Wörterbuchdefinitionen und offizielle Sprachmuster nicht immer im Einklang stehen mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, und dass beispielsweise Violett und Lila in der Praxis oft als Synonyme verwendet werden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Violett

Die Verwirrung ist international:
Wikipedia hat folgendes geschrieben:
The terms violet and purple both have different meanings in different languages and countries. Even among modern native speakers of English there is confusion about the terms purple and violet. In the United Kingdom, many native speakers of English refer to the blue-dominated spectral color beyond blue as violet, but this color is called purple by many speakers in the United States. In some texts the term violet refers to any color between red and blue. However, there are also authoritative texts from the United Kingdom in which this same range of colors is referred to by the term purple. When including languages other than English, and epochs other than the modern period, the uncertainty about the meanings of the color terms violet and purple is even larger. Since this Wikipedia page contains contributions from authors from different countries and different native languages, it is likely to be not consistent in the use of the color terms violet and purple.

https://en.wikipedia.org/wiki/Violet_(color)

(Übersetzung fehlt, weil DeepL purple inkonsistent mal mit Lila und mal mit Purpur übersetzt. Oder ist es mein Sprach- und Farbempfinden, das inkonsistent ist?)

Beim Übersetzen von Texten, die über 2500 Jahre alt sind, werden sich ähnliche Probleme ergeben. Nur kann man die Autoren nicht mehr fragen, wie sie etwas gemeint haben.



Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Andererseits kenne ich zwar das Wort umami, habe aber keine Vorstellung, wie umami schmeckt. (Ich sollte mir eine Packung Glutamat kaufen, um meine Bildungslücke zu schließen.)

Da empfehle ich Sojasauce, am besten Teriyaku ... klingt besser als Glutamat oder Umami, schmeckt aber alles gleich, aber ich liebe es, geht immer noch ein tropfen mehr bis es auf der Zunge beißt, aber wasabi denn da.

Sojasoße könnte ich verstehen. Tekka, (dunkles) Miso, Hefeextrakt, Marmite, Veggie-Mite auch. Aber wenn's auf Wikipedia heißt, getrocknete Tomaten, Käse, Shiitake-Pilze, Selleriesalat und Fleisch schmeckten ebenfalls umami, dann komm ich nicht mehr mit. Gerade Fleisch schmeckt doch nach fast gar nichts, wenn es nicht gewürzt oder mariniert ist!?


PS: Hast mich auf ein Rezept gebracht. Plan für eine Umami-Bombe: Miso-Suppe mit Tempeh-Würfeln, die in Sojasouce angebraten wurden, mit Shiitake, getrockneten Tomaten und streicholz-geschnippeltem Sellerie. (Wakame natürlich auch.) Damit's nicht zu erdig wird, zum Schluß fein geschnittene Frühlingszwiebeln zugeben, die halb-roh bleiben sollen. Eine Spur Zitronengras könnte ebenfalls passen.



Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
und vieles geht nunmal im Lauf der Zeit verloren,
wer weiß schon was ein Leichenfänger ist, um bei Seemansgarn zu bleiben.

Nicht gewußt, aber im Kontext "Schiff" noch zu erraten. Ohne den Kontext hätte ich auf Zombie-Apokalypse tippen müssen.

Mein Großvater hatte ein schönes Wort für Sauerteig, den Urer. Also den Ur-Teig. Das Wort ist ausgestorben, als man auf den Bauernhöfen aufgehört hat, selbst Brot zu backen.

#55:  Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 30.10.2021, 09:01
    —
@smallie
mal freestyle, ohne meine trügerischen Halbwahrheiten zu ergoogeln.

@Ägypterblau
Die Zählen nicht, denn die hatten einen Namen für blau, die Hieroglyphen dazu konnte aber Jahrtausende keiner mehr lesen.

Das "Ishtar" Tor im Berliner Museum ist da auch erwähnenswert, wie die Babylonier die Farbe nannten k.A.

Die Phönizier haben Ihren Namen von den Griechen, der Wortstamm ist griechisch dunkelrot ... ??? was verwundert, weil die doch wegen der Purpurschnecke - also nach dem "blauton" ihren Namen erhalten haben.

Mal näher geschaut.
Die Franzosen rufen doch "Alé les bleau" - ist aber ein deutsches Lehnwort, obwohl die eigentlich eine lateinische Sprache haben.
UND... in der Kathedrale von "Reims", oder wars "Rouen" gibt es wunderschöne blaue Fenster.
Wie nennen die die?

Die Etno..? Ethymo...? ... die Völkerkundler haben nur die Beobachtung gemacht, das alle Kulturen und in allen Sprachentwicklungen, die Farbnamengebung nach dem gleichen Schema läuft.
man findet in alten Schriften (Übersetzungen) zuerst Weiß, Schwarz, Rot ... in späteren Werken Grün, Gelb, Braun ... und erst zuletzt Blau.


Das Blau wie wir es kennen - äh nennen! ist tatsächlich etwas englisch/deutsches das in andere Sprachen "ausgewandert" ist.

Ich glaube es geht auch weniger darum, das es keine Bezeichnung für Blau gibt, sondern es geht darum das das Pigment BLAU erst spät erfunden wurde.
Davor musste man den Farbton aus anderen Pigmenten herstellen.
Die Venetier sind auch reich geworden mit dem Verkauf von "blauem" Glaswaren -
Hatten wohl aber auch keinen Grundton Blau, der Blau macht.
Wohl ebenso wie die babylonischen Ziegeln, die wohl erst durchs brennen diese Färbung bekommen.

...
@Umami laß dir schmecken, klingt voll lecker du Hobbykoch ... ich mach mir ´ne Tütensuppe auf.


das hat jetzt leider nichts mit dem Scott zutun,
dafür bin ich beim Streamen , - danke selektive Wahrnehmung - nun doch öfter über Jayne gestolpert.
So letztens bei einem Dialog zwischen Jordan Petterson und Stephen Fry, die haben zweimal referiert - eher am Rande, so als sei das ein Standardwerk - bzw eher etwas über den Unterschied von Sprache und Schrift. - ich hielt den eher für einen Nischenautor.



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