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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#115555) Verfasst am: 14.04.2004, 08:44 Titel: |
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Critic hat folgendes geschrieben: | Kann man eine Ethik nur oktroyieren, oder kann auch der Schwache eine Ethik definieren?
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Nein, kann er nicht, und wenn er es doch versucht, dann kann er nicht sicher sein, ob das, was er da definiert, auch wirklich Ethik ist. Dazu brauchen wir einen studierten Ethikberater
Zitat: |
Ich bin der Meinung, daß solche Dinge nicht "von oben" kommen sollten, sondern "von unten", nicht durch Befehlen also, sondern durch Nachdenken, nämlich dadurch, daß es viele Schwache gibt, die ebenso denken.
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Wo kommen wir denn hin, wenn Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher selbstständig denken dürfen und nach eigenem Maximen handeln...
Die Bildungselite wird das zumindest kritisch beäugen und bewerten (abwerten)
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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Ralf Rudolfy Auf eigenen Wunsch deaktiviert.
Anmeldungsdatum: 11.12.2003 Beiträge: 26674
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(#115564) Verfasst am: 14.04.2004, 09:37 Titel: |
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Critic hat folgendes geschrieben: | Zunächst einmal ist der Mensch egoistisch, sei es aus Selbsterhaltungstrieb, oder sei es -- viel mehr noch -- aus Besitzstreben. Jeder ist so, auch ich. Ich hätte gerne viele Sachen, die ich mir jetzt nicht leisten kann. Geht vielen so. |
Möchte ich mal vorsichtig bezweifeln. Besitzstreben über das Sichern der Grundbedürfnisse hinaus kommt m.E., weil die Gesellschaft den Besitz positiv bewertet und dem Besitzenden ein gewisser Status daraus erwächst. Warum will einer einen Porsche haben? Weil er damit angeben will und es genug Leute gibt, die sich durch den Besitz eines Porsches beeindrucken lassen.
_________________ Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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Mecky registrierter User
Anmeldungsdatum: 11.04.2004 Beiträge: 145
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(#115571) Verfasst am: 14.04.2004, 10:07 Titel: |
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Ich würde sogar die Reihenfolge anzweifeln. Ob der Mensch wirklich zunächst egoistisch oder eher zunächst sozial ist, scheint mir ineinander verwoben zu sein. Ein Egoismus ohne Befriedigung der sozialen Bedürfnisse scheint mir eben so hoffnungslos zu sein, wie ein soziales Helfersyndrom, das doch wieder egoistisch ist.
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Mecky registrierter User
Anmeldungsdatum: 11.04.2004 Beiträge: 145
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(#115572) Verfasst am: 14.04.2004, 10:11 Titel: |
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Ethik oktroyieren führt nicht zu Ethik, sondern zu Marionettendasein. Ethik kann auch nicht rein argumentativ überzeugen.
Grundlage halte ich hier: Werte. Das heißt: Ein Mensch, der nichts Wertvolles entdeckt hat, was sich durch Ethik schützen lässt, dem wird Ethik grade schnurz egal sein.
Die eigentliche Vorgehensweise der Ethikprägung muss deshalb immer mit der Aufrichtung von Werten beginnen (auch wenn sie dabei nicht stehen bleiben darf).
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#115591) Verfasst am: 14.04.2004, 11:05 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Was soll ich Dir 'verraten'? Mehr als die Tatsache, dass die Männer nicht heiraten konnten, bevor sie einen Menschen getötet hatten, sollte reichen. |
Zum Beispiel wer getötet werden musste. Waren das Menschen aus dem eigenen, oder aus einem anderen Volk?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Und, ehrlich gesagt, mich ein wenig darüber gewundert, dass die Tatsache, dass es Kannibalismus gibt, immer noch abgelehnt wird. Es gibt Arbeiten aus neueren Zeiten, die anhand von Spuren an Knochen etc. nachweisen konnten, dass die Menschen zerlegt und verspeist wurden. |
Zwecks Nahrungsbeschaffung, außerhalb von Hungersnöten? Hast du einen Link dazu?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wieviel Prozent aller Gene sind innherhalb der Menschheit ident? |
Jedenfalls zu wenig um uns zu einer globalen Familie zu machen. Zumindest nicht bis zur Zeit vor dem Kolonialismus. Und die Zeit seit damals reicht bei weitem nicht, ein Allel zu fixieren. |
Was ist mit der Zeit bevor der moderne Mensch nach Afrika auswanderte? Außerdem ist das weder nötig, noch relevant. Dazu später mehr...
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Sehe jedenfalls nicht ein, warum die die Grenze bei Familie, oder Freunden ziehst und Sippe, Nation oder Spezies nicht mehr gelten lässt. |
Weil ich Biologe bin. Du hast _biologisch_ argumentiert, und ich wollte darauf hinaus, dass das nicht geht. |
Deine strenge Grenzziehung ergibt aber keinen Sinn. Es gibt im Tierreich viele Verhaltensweisen, die zu einem Sozialverhalten gegenüber der ganzen Spezies führen. (Kindchenschema, Beißhemmung, Unterwürfigkeit, Zeichen zur Vermittlung von Aggression bzw. Gemütszustand sind wohl die Offensichtlichsten)
Wie und warum diese Verhaltensweisen entstanden sind, ist eher zweitrangig. Mir ist schon klar, dass der Hungertod eines afrikanischen Kindes mir keinen Selektionsnachteil verschafft. Kin selection sorgt aber zumindestens dafür, dass wir uns um die Kinder aus unserer Umgebung kümmern, auch weil die Kinder in unserer Umgebung wahrscheinlich mit uns eng verwandt sind.
Feststellen können wir ja nicht, wer wirklich verwandt ist. Selbst Mutter und Kind wissen nur über ihre Erinnerung, dass sie verwandt sind. 10% aller Kinder sind Kuckuckskinder, schreibt jedenfalls die Populärpresse. Trotzdem kümmern sich die unwissenden Väter liebevoll um ihre Kinder. Manche Tierarten können Verwandtschaft über Geruch feststellen. Wir können das nicht. (Ausnahme ist möglicherweise die Partnerwahl, aber das ist unbewusst)
Die Kriterien, nach denen wir Mitgefühl usw. ausrichten, sind also nicht abhängig von unmittelbarer genetischer Verwandtschaft, sondern z.B. von Mimik. Deshalb bedrückt es uns genauso, wenn wir ein Bild eines hungernden Kindes auf der anderen Seite des Planeten sehen. Und deshalb müssen Kriegstreiber es tunlichst vermeiden, dass keine solchen Bilder auf heimischen Bildschirmen landen.
Du betrachtest alles aus dem Blickwinkel des Evolutionsbiologen, noch dazu eines unorthodoxen Evolutionsbiologen. Ich habe nirgends behauptet, dass ethisches Verhalten in Bezug auf die gesamte Spezies erwiesenermaßen selektionsrelevant wären. Wir legen aber trotzdem angeborene Verhaltensweisen an den Tag, die sich auf die ganze Spezies erstrecken.
Ich habe gelesen, dass jüngste Versuche zeigten, dass Haushunde - im Gegensatz zu Menschenaffen - menschliche Mimik deuten können. Was hältst du davon?
Zuletzt bearbeitet von Sokrateer am 14.04.2004, 13:39, insgesamt einmal bearbeitet |
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#115615) Verfasst am: 14.04.2004, 12:57 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | ich gehe, wie schon betont, davon aus, dass die Evolution des Menschen anders verläuft als die des Rests der Organismen: tradigenetisch und nicht darwinistisch. |
Hi Thomas. Kannst du noch mal ganz genau erklären, was du mit tradigenetischer Evolution meinst und welche zugrundeliegenden Mechanismen du dir dafür vorstellst. Den Begriff kenne ich noch überhaupt nicht. (Hast du ihn vielleicht selbst geprägt?) Ist tradigenetische Evolution eine Außenseitertheorie oder ein durchaus ernsthaft diskutierter Standpunkt? Was wären empfehlenswerte Autoren, die auch für den Laien verständlich schreiben?
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#115657) Verfasst am: 14.04.2004, 15:24 Titel: |
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Hi Sokrateer,
vielleicht eins vorweg: letztendlich geht es mir nur darum, dass man eine rationale Ethik nicht auf Biologie stützen kann. Ich habe auch eine Fakultas für Ethik, Du kannst davon ausgehen, dass ich so in etwa weiß, wie man im Lauf der Geschichte Ethiken begründete. Ich hatte den Eindruck, dass Du etwas zu viel Wert auf biologische Gesetzmäßigkeiten legst, und dagegen wollte ich anmeckern.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Was soll ich Dir 'verraten'? Mehr als die Tatsache, dass die Männer nicht heiraten konnten, bevor sie einen Menschen getötet hatten, sollte reichen. |
Zum Beispiel wer getötet werden musste. Waren das Menschen aus dem eigenen, oder aus einem anderen Volk? |
Selbstverständlich aus anderen Gruppen (vermutlich desselben 'Volkes').
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Und, ehrlich gesagt, mich ein wenig darüber gewundert, dass die Tatsache, dass es Kannibalismus gibt, immer noch abgelehnt wird. Es gibt Arbeiten aus neueren Zeiten, die anhand von Spuren an Knochen etc. nachweisen konnten, dass die Menschen zerlegt und verspeist wurden. |
Zwecks Nahrungsbeschaffung, außerhalb von Hungersnöten? Hast du einen Link dazu? |
Leider nein, habe gerade auch im Keller gesucht, ich finde die Quelle nicht so schnell. Ich habe mich mit der Frage nach Kannibalismus etwas ausführlicher befasst, als Beispiel dafür, wie soziologische Motive die Untersuchungen von Anthropologen beeinflussen. Ob es Kannibalismus gibt, ist eine Faktenfrage, die anders geklärt werden muss als durch abstrakte Überlegungen oder die Frage nach Motiven (natürlich haben im Lauf der Geschichte viele Völker die 'bösen Nachbarn' des Kannibalismus beschuldigt, um irgendwelche Kriegsgründe zu haben, aber auch hier gilt die Weisheit: 'selbst wenn Du paranoid bist, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht hinter Dir her sind'). Die Arbeit, auf die ich mich beziehe (IIRC mittelamerikanische Indianer) war damals der erste fundierte Nachweis, dass Menschen zumindest zerlegt und gekocht wurden.
Ein anderes Beispiel ist Kuru (so in etwa das, was via BSE als Jacob Creutzfeld-Krankheit oder auch Scrapie bekannt wurde). Der Mensch, der diese Krankheit aufklärte, erhielt den Nobelpreis. Vorher hatte man weiß der Herr was für 'intelligente' Erbgänge entworfen, bis man herausfand, dass die Frauen bei den Totenritualen 'sehr engen Kontakt mit menschlichen Gehirnen' hatten (Du kannst auch 'Verspeisen' dazu sagen). Nahrungsbeschaffung scheint mir eher ein Nebenaspekt zu sein (nicht mal in 'schlechten Zeiten' wurden Hingerichtete gegessen), aber im Rahmen kultischer Handlungen scheint mir Kannibalismus gar nicht so abwegig zu sein.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wieviel Prozent aller Gene sind innherhalb der Menschheit ident? |
Jedenfalls zu wenig um uns zu einer globalen Familie zu machen. Zumindest nicht bis zur Zeit vor dem Kolonialismus. Und die Zeit seit damals reicht bei weitem nicht, ein Allel zu fixieren. |
Was ist mit der Zeit bevor der moderne Mensch nach Afrika auswanderte? Außerdem ist das weder nötig, noch relevant. Dazu später mehr... |
Ich vermute auch damals, nachdem Gruppen durch die Lande zogen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Sehe jedenfalls nicht ein, warum die die Grenze bei Familie, oder Freunden ziehst und Sippe, Nation oder Spezies nicht mehr gelten lässt. |
Weil ich Biologe bin. Du hast _biologisch_ argumentiert, und ich wollte darauf hinaus, dass das nicht geht. |
Deine strenge Grenzziehung ergibt aber keinen Sinn. Es gibt im Tierreich viele Verhaltensweisen, die zu einem Sozialverhalten gegenüber der ganzen Spezies führen. |
Das möchte ich bezweifeln. Die wenigsten Tiere kommen so weit herum, dass sie 'mit der ganzen Spezies' auch nur prinzipiell in Kontakt geraten könnten.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | (Kindchenschema, Beißhemmung, Unterwürfigkeit, Zeichen zur Vermittlung von Aggression bzw. Gemütszustand sind wohl die Offensichtlichsten) |
Das sind Verhaltensweisen von Organismen, die in sozialen Verbänden leben (und damit eher die Ausnahme).
Aber auch gerade hier siehst Du deutlich, dass 'kin' wirklich 'Verwandtschaft' bedeutet. Schaller hat herausgefunden, dass Löwenmännchen alle Jungtiere töten, wenn sie ein Rudel übernehmen. Aufgrund der Sozialstruktur sind sie mit denen nicht verwandt. Ich kann Dir noch eine ganze Latte ähnlicher Beispiele nennen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wie und warum diese Verhaltensweisen entstanden sind, ist eher zweitrangig. Mir ist schon klar, dass der Hungertod eines afrikanischen Kindes mir keinen Selektionsnachteil verschafft. Kin selection sorgt aber zumindestens dafür, dass wir uns um die Kinder aus unserer Umgebung kümmern, auch weil die Kinder in unserer Umgebung wahrscheinlich mit uns eng verwandt sind.
Feststellen können wir ja nicht, wer wirklich verwandt ist. Selbst Mutter und Kind wissen nur über ihre Erinnerung, dass sie verwandt sind. 10% aller Kinder sind Kuckuckskinder, schreibt jedenfalls die Populärpresse. |
Vergiss nicht, wie diese Wesen _in_freier_Wildbahn_ leben. Die Rudelstruktur sichert, dass bestimmte Wesen miteinander verwandt sind. Ich kann Dir gerne Details nennen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Trotzdem kümmern sich die unwissenden Väter liebevoll um ihre Kinder. |
Weil sie nicht _merken_, dass sie gehörnt wurden. Schau Dir Statistiken über Stief-Kinder an. Kann sein, dass sich das Verhalten ändert, wenn man _weiß_, dass man nicht Elternteil ist.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Manche Tierarten können Verwandtschaft über Geruch feststellen. Wir können das nicht. (Ausnahme ist möglicherweise die Partnerwahl, aber das ist unbewusst) |
Wie gesagt, die 'Feststellung' ist üblicherweise gar nicht nötig, weil alle die Viecher, die um Dich herumlaufen, mit Dir verwandt sind.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Die Kriterien, nach denen wir Mitgefühl usw. ausrichten, sind also nicht abhängig von unmittelbarer genetischer Verwandtschaft, sondern z.B. von Mimik. Deshalb bedrückt es uns genauso, wenn wir ein Bild eines hungernden Kindes auf der anderen Seite des Planeten sehen. Und deshalb müssen Kriegstreiber es tunlichst vermeiden, dass keine solchen Bilder auf heimischen Bildschirmen landet. |
Ich sehe Dein Argument. Aber derartige auf Biologie gestützte Überlegungen haben zwei Probleme: auf der einen Seite schrammen sie immer am naturalistischen Fehlschluss (oder, noch schlimmer, an der Naturrechtslehre der RKK) vorbei, auf der anderen Seite ist so viel Schlimmes 'natürlich', dass ich wirklich keine Ethik darauf gründen möchte.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Du betrachtest alles aus dem Blickwinkel des Evolutionsbiologen, noch dazu eines unorthodoxen Evolutionsbiologen. Ich habe nirgends behauptet, dass ethisches Verhalten in Bezug auf die gesamte Spezies erwiesenermaßen selektionsrelevant wären. Wir legen aber trotzdem angeborene Verhaltensweisen an den Tag, die sich auf die ganze Spezies erstrecken. |
Sagen wir mal so: alle Argumente, die ich bisher gebracht habe, waren aus der Ecke der Ultra-Darwinisten und Standard-Soziobiologie. Mit dem, was an meiner Auffassung 'heterodox' ist, hat das nichts zu tun. Es liegt eher daran, dass ich bezüglich Ethik davon ausgehe, dass unsere Natur die Kultur ist und dass wir die Regeln unseres Zusammenlebens selber finden und nicht von irgendwelchen Viechern oder Uralt-Vorfahren abzukupfern brauchen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Ich habe gelesen, dass jüngste Versuche zeigten, dass Haushunde - im Gegensatz zu Menschenaffen - menschliche Mimik deuten können. Was hältst du davon? |
Viel. Haushunde gibt es seit IIRC 20.000 Jahren, und, wie der Name schon sagt, immer in Gemeinschaft mit Menschen. Mensch und Menschenaffe haben sich vor sehr viel längerer Zeit (ich habe die Daten nicht im Kopf, kann aber nachschlagen, falls es Dich interessiert, ich würde als 'Hausnummer' mindestens 1 Mio a schätzen) getrennt. Welchen Sinn würde es für einen Menschenaffen machen, menschliche Mimik zu verstehen?
Grüßle
Thomas
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#115680) Verfasst am: 14.04.2004, 17:44 Titel: |
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Hi Wygotsky,
Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | ich gehe, wie schon betont, davon aus, dass die Evolution des Menschen anders verläuft als die des Rests der Organismen: tradigenetisch und nicht darwinistisch. |
Kannst du noch mal ganz genau erklären, was du mit tradigenetischer Evolution meinst und welche zugrundeliegenden Mechanismen du dir dafür vorstellst. |
die Evolution in der Natur verläuft, so weit wir wissen, vor allem darwinistisch. Falls Dich Details interessieren:
http://www.waschke.de/darwinismus.htm
Vielleicht im Grundsatz: in den Keimzellen finden Mutationen statt, die in der nächsten Generation der Selektion unterliegen. Was besser angepasst ist, wird mehr Nachkommen haben. Dieses Verfahren ist langsam (das neue Merkmal haben immer nur die Organismen, die die Mutation in sich tragen, es dauert viele Generationen, bis sich so ein neues Allel in der Population durchgesetzt hat), zufallsbestimmt (wenn die 'richtige' Mutation nicht auftritt, hat die Population ein Problem) und es gibt keine Möglichkeit, die Eigenschaften, die ein Organismus erworben hat, weiter zu geben.
Wir Menschen hingegen können Informationen direkt weitergeben. Das heißt, eine Neuheit kann sich unmittelbar in der gesamten Population verbreiten, in einer Zeit, die mit der Generationsdauer nichts zu tun hat. Durch Sprache und vor allem Schrift können die Informationen beliebig lange gespeichert und bei Bedarf abgerufen werden. Weil eben erworbene Eigenschaften weitergegeben werden ('Tradition') haben irgendwelche Menschen das 'tradigenetisch' genannt. Im Prinzip ist das Lamarckismus (sensu strictu). Eine Evolution, die sich so abspielt, hat mit einer darwinistischen wenig zu tun. In Ansätzen können das natürlich auch Viecher, aber da die nicht sprechen oder gar schreiben können, hält sich das in engen Grenzen (beispielsweise Gesänge bei Vögeln).
Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Den Begriff kenne ich noch überhaupt nicht. (Hast du ihn vielleicht selbst geprägt?) |
Nein. Er ist durchaus verbreitet, auch wenn Du ihn beim googeln nur in ein paar Texten findest. Der von Tembrock ist vielleicht für Dich interessant (ich habe ihn nur punktuell angeschaut).
Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Ist tradigenetische Evolution eine Außenseitertheorie oder ein durchaus ernsthaft diskutierter Standpunkt? |
Ich gehe davon aus, dass das der Standard ist. Kann sein, dass es andere Namen ('kulturelle Evolution') gibt, die verbreiteter sind.
Wygotsky hat folgendes geschrieben: | Was wären empfehlenswerte Autoren, die auch für den Laien verständlich schreiben? |
Ist leider nicht mein Fach. Ich denke aber, dass Du in jedem besseren Lehrbuch der Evolutionslehre fündig wirst, weil die alle aus unerfindlichen Gründen ein Extra-Kapitel zur Evolution des Menschen beinhalten (Ich würde das weglassen, eben weil das etwas anderes ist als die Evolution des Rests der Organismen, und lese die meist gar nicht. Die paar Fossilien, die man von Menschen hat, sind IMAO viel zu wenig, um irgendwas Sinnvolles daraus zu basteln.).
Grüßle
Thomas
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#115684) Verfasst am: 14.04.2004, 17:56 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Hi Sokrateer,
vielleicht eins vorweg: letztendlich geht es mir nur darum, dass man eine rationale Ethik nicht auf Biologie stützen kann. Ich habe auch eine Fakultas für Ethik, Du kannst davon ausgehen, dass ich so in etwa weiß, wie man im Lauf der Geschichte Ethiken begründete. Ich hatte den Eindruck, dass Du etwas zu viel Wert auf biologische Gesetzmäßigkeiten legst, und dagegen wollte ich anmeckern. |
Jede Ethik, die man erst großartig und langmächtig rational begründen und ausformulieren muss, ist automatisch unbrauchbar. Wie willst du einem Kindergartenkind, oder jemanden, der nicht belesen und intellektuell ist, erklären, was gutes Verhalten ist?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Nahrungsbeschaffung scheint mir eher ein Nebenaspekt zu sein (nicht mal in 'schlechten Zeiten' wurden Hingerichtete gegessen), |
Während massiver Hungersnöte gab es immer wieder vereinzelte Fälle. Beispiel wäre Maos "Großer Sprung nach Vorne".
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | aber im Rahmen kultischer Handlungen scheint mir Kannibalismus gar nicht so abwegig zu sein. |
Das ist wiederum ein anderes Paar Schuhe. Das zweifle ich auch nicht an. Wenn der Durchschnittsbürger aber das Wort Kannibalismus hört, dann assoziiert er damit Menschenfresser, die Menschen zwecks Nahrungsbeschaffung jagten.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Aber auch gerade hier siehst Du deutlich, dass 'kin' wirklich 'Verwandtschaft' bedeutet. Schaller hat herausgefunden, dass Löwenmännchen alle Jungtiere töten, wenn sie ein Rudel übernehmen. Aufgrund der Sozialstruktur sind sie mit denen nicht verwandt. Ich kann Dir noch eine ganze Latte ähnlicher Beispiele nennen. |
Ich kenne das Beispiel. Es ist sehr praktisch beim Debattieren von Theisten, wenn es um freien Willen und göttliche Vorbestimmung gibt. Weitere Beispiele würden mich interessieren! Nur her damit!
Nochmal, mir ist vollkomen klar, dass die Evolution wahrscheinlich nur auf die nähere Verwandtschaft abzielt. Ausschliessen will ich aber nichts, denn schließlich sind wir auch mit den Affen verwandt.
Es herrschte früher eine Korrelation zwischen Verwandtschaftsgrad und Angehörigkeit zum gleichen Rudel/Sippe. Nur weil kin selection gewisse Verhaltensweisen in Hinblick auf die nähere Verwandtschaft propagieren würde, heißt das nicht, dass diese Verhaltensweisen nur in Bezug auf die nähere Verwandtschaft und nicht auf den Rest der Spezies funktionieren.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Trotzdem kümmern sich die unwissenden Väter liebevoll um ihre Kinder. |
Weil sie nicht _merken_, dass sie gehörnt wurden. Schau Dir Statistiken über Stief-Kinder an. Kann sein, dass sich das Verhalten ändert, wenn man _weiß_, dass man nicht Elternteil ist. |
Das wiederum ist wohl eher gesellschaftlich bedingt, nämlich durch das Patriarchat.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Es liegt eher daran, dass ich bezüglich Ethik davon ausgehe, dass unsere Natur die Kultur ist und dass wir die Regeln unseres Zusammenlebens selber finden und nicht von irgendwelchen Viechern oder Uralt-Vorfahren abzukupfern brauchen. |
Mit natürlichem Sittengesetz habe ich auch nichts am Hut. Von natürlichen Verhaltensweisen will ich nichts abkupfern. Im Gegenteil, ich lehne es ab spezifische Verhaltensweisen von Tieren, mit der Begründung diese seien natürlich, zu übernehmen. In den Ami-Foren wird damit unter anderem die Prügelstrafe für Kinder legitimiert. O-ton: "Delphine tun es doch auch". Darauf ist der Kannibalismus von Löwenvätern übrigens auch ein effektiver Einwand.
Hier wurde nach einer möglichen Ausgangsbasis gefragt, auf der man eine Ethik begründen könnte. Ich finde wir brauchen keine Ausgangsbasis, weder Gott, noch eine bücherfüllende Theorie. Wir Menschen sind die Ausgangsbasis. Ich habe nicht behauptet, dass die Evolution die Ausgangsbasis wäre.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Viel. Haushunde gibt es seit IIRC 20.000 Jahren, und, wie der Name schon sagt, immer in Gemeinschaft mit Menschen. |
Aber auch nur jeweils mit einer kleinen Gruppe von Menschen. Und trotzdem verstehen sie sie Mimik und Gestik aller Menschen (minus kultureller Differenzen). Genau das ist mein Punkt.
Hunde sind dem Menschen wohlgesonnene und kooperierende Tiere, jedenfalls, wenn man sie mit Löwen und anderen Spezies vergleicht, für die wir im glücklichsten Fall irrelevant sind. Was auf Hunde zutrifft, trifft umsomehr auf uns Menschen selbst zu.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#115685) Verfasst am: 14.04.2004, 17:58 Titel: |
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Hi Mecky,
Mecky hat folgendes geschrieben: | Ethik oktroyieren führt nicht zu Ethik, sondern zu Marionettendasein. Ethik kann auch nicht rein argumentativ überzeugen. |
Ethik kann man nicht oktroyieren. Ethik ist die wissenschaftliche Begründung von Verhaltensnormen. Die 'normalen Menschen' kommen erst mit deren Umsetzung in Form von Verhaltenscodices, Gesetzen etc. in Kontakt.
Mecky hat folgendes geschrieben: | Grundlage halte ich hier: Werte. Das heißt: Ein Mensch, der nichts Wertvolles entdeckt hat, was sich durch Ethik schützen lässt, dem wird Ethik grade schnurz egal sein. |
Das sehe ich auch so. Aber das ist nicht das Feld der Ethik.
Mecky hat folgendes geschrieben: | Die eigentliche Vorgehensweise der Ethikprägung muss deshalb immer mit der Aufrichtung von Werten beginnen (auch wenn sie dabei nicht stehen bleiben darf). |
Ethik ist noch eine Stufe vorher (oder auch nachher): sie untersucht, welche Werte es überhaupt gibt, wie sie zusammenhängen, wie man sie begründen kann und so weiter.
Letztendlich ist Ethik immer 'theoretisch'. Was davon gelebt wird, ist ein vollkommen anderer Thread. Eine vollkommen andere Frage ist zudem, was man mit den Menschen macht, die keine oder auch nur andere Werte haben. Auch das komplexeste und sinnvollste ethische Regelwerk hilft Dir nichts, wenn Du an einen Psychopathen kommst, der sagt, dass ihn das gar nicht juckt. Sehr interessant dargestellt findest Du das in
Schleichert, H. (2001) 'Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren. Anleitung zum subversiven Denken 2. Auflage' München:, Beck
Grüßle
Thomas
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Mecky registrierter User
Anmeldungsdatum: 11.04.2004 Beiträge: 145
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(#115693) Verfasst am: 14.04.2004, 18:19 Titel: |
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Dieses Buch steht auch schon auf meinem Speisezettel. Aber das wird noch ein wenig dauern, wenn ich hier so viel poste.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#115703) Verfasst am: 14.04.2004, 19:04 Titel: |
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Hi Sokrateer,
Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Jede Ethik, die man erst großartig und langmächtig rational begründen und ausformulieren muss, ist automatisch unbrauchbar. |
jede Ethik, die man nicht langmächtig rational begründen kann, ist keine.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wie willst du einem Kindergartenkind, oder jemanden, der nicht belesen und intellektuell ist, erklären, was gutes Verhalten ist? |
Gar nicht. Warum sollte ich? Erzähle ich dem Kind was von Konvektion, wenn ich nur will, dass es den Tee umrührt? Was 'gutes Verhalten' ist, kann Dir niemand sagen. Du kannst nur versuchen, in dem, was Dir wichtig ist, Vorbild zu sein. Wenn Du aber den Anspruch hast, das 'Ethik' (und nicht beispielsweise 'Ethos') nennen zu wollen, hast Du Arbeit vor Dir, weil Du das dann begründet ausformulieren solltest..
[ ... ]
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Aber auch gerade hier siehst Du deutlich, dass 'kin' wirklich 'Verwandtschaft' bedeutet. Schaller hat herausgefunden, dass Löwenmännchen alle Jungtiere töten, wenn sie ein Rudel übernehmen. Aufgrund der Sozialstruktur sind sie mit denen nicht verwandt. Ich kann Dir noch eine ganze Latte ähnlicher Beispiele nennen. |
:lol: Ich kenne das Beispiel. Es ist sehr praktisch beim Debattieren von Theisten, wenn es um freien Willen und göttliche Vorbestimmung gibt. Weitere Beispiele würden mich interessieren! Nur her damit! :D |
Ups, da müsste ich in den Keller, weil das nicht zu den Gebieten gehört, die mich interessieren und die ich in meine Datenbank füttere. IIRC gibt es so was bei Mäusen und bestimmten Affen auch.
Nochmal, mir ist vollkomen klar, dass die Evolution wahrscheinlich nur auf die nähere Verwandtschaft abzielt. Ausschliessen will ich aber nichts, denn schließlich sind wir auch mit den Affen verwandt.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Es herrschte früher eine Korrelation zwischen Verwandtschaftsgrad und Angehörigkeit zum gleichen Rudel/Sippe. Nur weil kin selection gewisse Verhaltensweisen in Hinblick auf die nähere Verwandtschaft propagieren würde, heißt das nicht, dass diese Verhaltensweisen nur in Bezug auf die nähere Verwandtschaft und nicht auf den Rest der Spezies funktionieren. |
Natürlich nicht. Das Problem ist nur, dass Du dann eine Verhaltensweise, die in einem bestimmten Kontext entstand, auf einen anderen anwenden musst. Klar, das _kann_ funktionieren. Aber die _Begründung_ dafür muss anders als via Biologie laufen. Denn meist ist mit dem freundschaftlichen Umgang innerhalb der Gruppe sehr hässliches Verhalten gegenüber Menschen, die nicht zur Gruppe gehören, verbunden. Man kann eventuell sogar einen Zusammenhang sehen. Die Frage ist, ob es gelingt, _alle_ Menschen als zu der Gruppe gehörig zu betrachten. Dafür scheint mir aber von der Biologie her nichts zu sprechen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Trotzdem kümmern sich die unwissenden Väter liebevoll um ihre Kinder. |
Weil sie nicht _merken_, dass sie gehörnt wurden. Schau Dir Statistiken über Stief-Kinder an. Kann sein, dass sich das Verhalten ändert, wenn man _weiß_, dass man nicht Elternteil ist. |
Das wiederum ist wohl eher gesellschaftlich bedingt, nämlich durch das Patriarchat. |
Nicht unbedingt. Ich müsste jetzt die Stelle herauskramen (war IIRC in 'Das Rätsel Ödipus' von Bischof). Darin wurde geschildert, wie schlechte Chancen früher nicht eigene Kinder hatten, und zwar unabhängig davon, ob der 'fremde' Vater oder Mutter war.
[ ... ]
Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Hier wurde nach einer möglichen Ausgangsbasis gefragt, auf der man eine Ethik begründen könnte. Ich finde wir brauchen keine Ausgangsbasis, weder Gott, noch eine bücherfüllende Theorie. Wir Menschen sind die Ausgangsbasis. Ich habe nicht behauptet, dass die Evolution die Ausgangsbasis wäre. |
Okay, dann habe ich das in den falschen Hals gekriegt. Sorry.
Natürlich sehe ich das auch so. Ich würde aber als Basis das Zusammenleben hier und heute und nicht irgendwelche angeblichen Konstanten des menschlichen Verhaltens, die es gar nicht gibt (schau einfach in Bücher, in denen es um vergleichende Anthropologie geht). Das geht am besten über Vernunft. Okay, dann gibt es auch noch Menschen, die brauchen Sanktionen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Viel. Haushunde gibt es seit IIRC 20.000 Jahren, und, wie der Name schon sagt, immer in Gemeinschaft mit Menschen. |
Aber auch nur jeweils mit einer kleinen Gruppe von Menschen. Und trotzdem verstehen sie sie Mimik und Gestik aller Menschen (minus kultureller Differenzen). Genau das ist mein Punkt. |
Nun, bestimmte Ausdrucksbewegungen sind universal, aber nicht alle. Es soll auch Völker geben, die den Kopf schütteln, falls sie 'ja' meinen. Wäre interessant, wie ein in Deutschland sozialisierter Hund damit umgeht.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Hunde sind dem Menschen wohlgesonnene und kooperierende Tiere, jedenfalls, wenn man sie mit Löwen und anderen Spezies vergleicht, für die wir im glücklichsten Fall irrelevant sind. Was auf Hunde zutrifft, trifft umsomehr auf uns Menschen selbst zu. |
Ich denke eher, dass Hunde ein Sozialverhalten haben, das sie hervorragend für Haustiere eignet. Hunde wissen, dass es einen Obermotz gibt, und fordern den nicht ständig heraus. Das heißt, wenn Du 'wohlgesonnen' und 'kooperierend' sagst, ist das eine naturidyllische Verklärung. Du bist als Mensch für die nur das Alpha-Tier und sie verhalten sich dementsprechend. Daraus etwas in puncto Kooperation etc. abzuleiten finde ich extrem problematisch.
Grüßle
Thomas
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#115718) Verfasst am: 14.04.2004, 19:43 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Jede Ethik, die man erst großartig und langmächtig rational begründen und ausformulieren muss, ist automatisch unbrauchbar. Wie willst du einem Kindergartenkind, oder jemanden, der nicht belesen und intellektuell ist, erklären, was gutes Verhalten ist? |
Das Denken von Kindergartenkindern unterscheidet sich vom Denken Erwachsener. Ich glaube nicht, dass du eine Ethik konzipieren kannst, die für Kindergartenkinder fasslich und für Erwachsene noch akzeptabel ist.
Zur moralischen Entwicklung von Kindern:
Link
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#115719) Verfasst am: 14.04.2004, 19:45 Titel: |
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@Thomas Waschke
OK, dann wusste ich was tradigenetische Evolution ist und kannte nur den Begriff noch nicht. Kulturelle Evolution war mir z.B. geläufig.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#115720) Verfasst am: 14.04.2004, 19:51 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
jede Ethik, die man nicht langmächtig rational begründen kann, ist keine. |
... für die sich weltfremde Intellektuelle interessieren, die sich am liebsten selber reden hören.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wie willst du einem Kindergartenkind, oder jemanden, der nicht belesen und intellektuell ist, erklären, was gutes Verhalten ist? |
Gar nicht. Warum sollte ich? Erzähle ich dem Kind was von Konvektion, wenn ich nur will, dass es den Tee umrührt? Was 'gutes Verhalten' ist, kann Dir niemand sagen. |
Dein Vergleich mit Konvektion hinkt gewaltig. Die goldene Regel zum Beispiel erkennen viele Kinder von selber bzw. wird Kindern schon relativ früh beigebracht. Und zu viel mehr als der goldenen Regel hat es die Ethik bisher auch nicht gebracht.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Denn meist ist mit dem freundschaftlichen Umgang innerhalb der Gruppe sehr hässliches Verhalten gegenüber Menschen, die nicht zur Gruppe gehören, verbunden. Man kann eventuell sogar einen Zusammenhang sehen. Die Frage ist, ob es gelingt, _alle_ Menschen als zu der Gruppe gehörig zu betrachten. |
Genau das kann funktionieren und ist immer mehr der Fall. Vergleiche mal den Irakkrieg mit dem, was das britische Imperium früher durchführte, oder gar mit Vietnam. Was früher zum normalen imperialistischen Geschäft und gar nicht als Krieg zählte, nämlich das Ausrotten ganzer Völker, ist heute nicht mehr möglich. Nur unter dem Versprechen, die Iraker nur zu befreien und nur für ganz wenig Kollateralschaden zu sorgen, konnte der Krieg überhaupt verkauft werden.
Wir erkennen heute viel mehr als früher, dass die Menschen im Nachbarland- oder Kontinent, diejenigen mit anderer Hautfarbe usw., eben auch Menschen wie wir sind. Das entsteht durch die Medien, den internationalen Austausch, Migration und Durchmischung der Völker, Reisen usw.
Angenommen es wäre nicht möglich das umzusetzen. Warum würde dann irgendjemand eine Ethik (oder davon abgeleitete Moral) annehmen, wenn diese sich auch um das Wohl anderer kümmert? Willst du mühselig eine komplizierte Ethik postulieren, nach der sich ohnehin niemand richten würde?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Darin wurde geschildert, wie schlechte Chancen früher nicht eigene Kinder hatten, und zwar unabhängig davon, ob der 'fremde' Vater oder Mutter war. |
Das meinte ich nicht mit Patriarchat. Im Matriarchat gibt es gar keine Väter und für Mütter stellt sich die Frage nicht, da ihnen kein Kind heimlich untergeschoben werden kann.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Das geht am besten über Vernunft. Okay, dann gibt es auch noch Menschen, die brauchen Sanktionen. |
Die Frage nach Sanktionen müssen Teil der Ethik sein. Denn wann es richtig ist jemanden einzusperren, ist ebenfalls eine Frage, die diese Ethik beantworten muss. Vernunft ist weiters ein Mittel zum Zweck. Die Frage ist doch eher, was der Zweck ist. Serienmörder handeln oft extrem kalkuliert und vernünftig.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Das heißt, wenn Du 'wohlgesonnen' und 'kooperierend' sagst, ist das eine naturidyllische Verklärung. |
Nein, denn ich habe das als Vergleich mit anderen Spezies relativiert.
Mit Gestik habe ich eigentlich weniger abstrakte Dinge, wie den Kopf schütteln gemeint. Denn die sind wirklich gesellschaftlich geprägt. In Sizilien war das schon ganz anders, weiß aber nicht mehr wie. Wippen stand für "Ja" glaub ich.
Aber Hunde können z.B. einen Fingerzeig interpretieren. Eine Katze schaut nur auf den Finger. Ein Hund weiß weiters, wo man gerade hinschaut und was das bedeutet.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#115752) Verfasst am: 14.04.2004, 20:42 Titel: |
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Hi Sokrateer,
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
jede Ethik, die man nicht langmächtig rational begründen kann, ist keine. |
... für die sich weltfremde Intellektuelle interessieren, die sich am liebsten selber reden hören. |
sagen wir so: es gibt eine wissenschaftliche Ethik, und die kann man nur auf einem bestimmten Niveau betreiben. Man kann das natürlich auch mit dem 'gesunden Menschenverstand' treiben. Ist oft possierlich, was dabei herauskommt.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wie willst du einem Kindergartenkind, oder jemanden, der nicht belesen und intellektuell ist, erklären, was gutes Verhalten ist? |
Gar nicht. Warum sollte ich? Erzähle ich dem Kind was von Konvektion, wenn ich nur will, dass es den Tee umrührt? Was 'gutes Verhalten' ist, kann Dir niemand sagen. |
Dein Vergleich mit Konvektion hinkt gewaltig. Die goldene Regel zum Beispiel erkennen viele Kinder von selber bzw. wird Kindern schon relativ früh beigebracht. Und zu viel mehr als der goldenen Regel hat es die Ethik bisher auch nicht gebracht. |
Man kann durchaus eine Entwicklung in der Ethik, von der 'Goldenen Regel' ausgehend, beobachten. Auf der einen Seite die Radikalisierung durch die Botschaft der Evangelien, auf der anderen Seite die Transzendentalpragmatik, die auf Kants Erweiterung der 'Goldenen Regel' basiert.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Denn meist ist mit dem freundschaftlichen Umgang innerhalb der Gruppe sehr hässliches Verhalten gegenüber Menschen, die nicht zur Gruppe gehören, verbunden. Man kann eventuell sogar einen Zusammenhang sehen. Die Frage ist, ob es gelingt, _alle_ Menschen als zu der Gruppe gehörig zu betrachten. |
Genau das kann funktionieren und ist immer mehr der Fall. Vergleiche mal den Irakkrieg mit dem, was das britische Imperium früher durchführte, oder gar mit Vietnam. Was früher zum normalen imperialistischen Geschäft und gar nicht als Krieg zählte, nämlich das Ausrotten ganzer Völker, ist heute nicht mehr möglich. Nur unter dem Versprechen, die Iraker nur zu befreien und nur für ganz wenig Kollateralschaden zu sorgen, konnte der Krieg überhaupt verkauft werden. |
Genau. Aber das ist eben nicht mehr via Biologie zu leisten. Und nur das war mein Punkt.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Wir erkennen heute viel mehr als früher, dass die Menschen im Nachbarland- oder Kontinent, diejenigen mit anderer Hautfarbe usw., eben auch Menschen wie wir sind. Das entsteht durch die Medien, den internationalen Austausch, Migration und Durchmischung der Völker, Reisen usw. |
Nun ja, im Kosovo sah das etwas anders aus. Und in Kambodscha auch. Daran siehst Du, dass das eben nichts ist, das uns in die Wiege gelegt wurde, sondern andere Ursachen hat. IMAO vor allem eine solide sozioökonomische Basis.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Angenommen es wäre nicht möglich das umzusetzen. Warum würde dann irgendjemand eine Ethik (oder davon abgeleitete Moral) annehmen, wenn diese sich auch um das Wohl anderer kümmert? Willst du mühselig eine komplizierte Ethik postulieren, nach der sich ohnehin niemand richten würde? |
Nein. Welchen Grund könnte es haben, dass ich 'Ethos' und 'Ethik' differenzierte?
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Darin wurde geschildert, wie schlechte Chancen früher nicht eigene Kinder hatten, und zwar unabhängig davon, ob der 'fremde' Vater oder Mutter war. |
Das meinte ich nicht mit Patriarchat. Im Matriarchat gibt es gar keine Väter und für Mütter stellt sich die Frage nicht, da ihnen kein Kind heimlich untergeschoben werden kann. |
Dreimal darfst Du raten, warum es in der ganzen Welt nirgends ein Matriarchat gibt, falls es jemals eins gegeben hat (pace Bachofen).
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Das geht am besten über Vernunft. Okay, dann gibt es auch noch Menschen, die brauchen Sanktionen. |
Die Frage nach Sanktionen müssen Teil der Ethik sein. Denn wann es richtig ist jemanden einzusperren, ist ebenfalls eine Frage, die diese Ethik beantworten muss. Vernunft ist weiters ein Mittel zum Zweck. Die Frage ist doch eher, was der Zweck ist. Serienmörder handeln oft extrem kalkuliert und vernünftig. |
Langsam kommen wir uns näher. Merkst Du, dass Du allein mit der 'Goldenen Regel' nicht mehr weiter kommst?
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Das heißt, wenn Du 'wohlgesonnen' und 'kooperierend' sagst, ist das eine naturidyllische Verklärung. |
Nein, denn ich habe das als Vergleich mit anderen Spezies relativiert. |
Deine Adjektive bezüglich des Hunds waren naturidyllische Verklärungen.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Mit Gestik habe ich eigentlich weniger abstrakte Dinge, wie den Kopf schütteln gemeint. Denn die sind wirklich gesellschaftlich geprägt. In Sizilien war das schon ganz anders, weiß aber nicht mehr wie. Wippen stand für "Ja" glaub ich.
Aber Hunde können z.B. einen Fingerzeig interpretieren. Eine Katze schaut nur auf den Finger. Ein Hund weiß weiters, wo man gerade hinschaut und was das bedeutet. |
Das ist nun aber schon wieder ein vollkommen anderer Thread. Katzen sind Einzelgänger, denen zeigt keiner was. Kann sein, dass Hunde als Rudeltiere darauf getrimmt sind, Gesten als 'Hinweis' zu interpretieren und generalisieren können (keine Ahnung, wilde Spekulation, Verhaltensforschung ist nicht mein Kompetenzbereich).
Ich wollte Dir nur andeuten, dass man in der Verhaltensforschung mit Anthropozentrismen nicht weit kommt. Auch wenn ein Kamel noch so 'hochnäsig' kuckt und ein Adler noch so 'kühn' aussieht, sagt das noch gar nichts über die Viecher. Und wenn ein Hund der 'beste Freund des Menschen' ist, weil er nun die Programme abspult, die ihm die Evolution für den Umgang mit dem Alpha-Tier ins Gehirn verdrahtet hat, würde ich daraus nichts hinsichtlich einer Ethik für Menschen schließen wollen.
Grüßle
Thomas
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#115828) Verfasst am: 15.04.2004, 00:00 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
... für die sich weltfremde Intellektuelle interessieren, die sich am liebsten selber reden hören. |
sagen wir so: es gibt eine wissenschaftliche Ethik, und die kann man nur auf einem bestimmten Niveau betreiben. |
Du verwechselst Wissenschaftlichkeit mit Komplexität. Ich meine gerade, dass ethische Prinzipien einfach sein müssen, da wir sie sonst niemals in konkreten Fällen anwenden können.
Ich glaube du machst einen für intellektuelle und intelligente Menschen typischen Fehler, nämlich eine Abwandlung von Ockhams Messer. Von allen gleichwertigen Theorien nimm die komplizierteste, die du selbst gerade noch verstehst.
Das Wort "Niveau" impliziert auch nicht Wissenschaftlichkeit, sondern eher Abgehobenheit. Manu Chao hat hierzulande höheres Niveau als der Anton aus Tirol, weil ersterer fremdsprachig singt. Das ist aber auch schon der einzige Unterschied .....
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Nun ja, im Kosovo sah das etwas anders aus. |
Meinst du den NATO-Einsatz? Der Entstand durch subjektive und selektive Wahrnehmung, Fehlschlüsse und Herdentrieb. Da glaubten alle in gutem Gewissen zu handeln und gutes zu tun. Wären alle Beteiligten besser informiert gewesen, dann hätten sie anderes gehandelt.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Dreimal darfst Du raten, warum es in der ganzen Welt nirgends ein Matriarchat gibt, falls es jemals eins gegeben hat (pace Bachofen). |
Das Matriarchat wurde abgesetzt, weil die Männer erkannten, dass sie auch was zum Kind beitragen. Um genau zu sein, ist laut Bibel und Koran das Kind vollständig schon im Samen vorhanden und wird von der Mutter nur ausgebrütet. Das änderte natürlich einiges und Männer wollten sicherstellen, dass ihre Frau nicht ein fremdes Kind ausbrütet. Das sind aber alles nicht angeborene Verhaltensweisen und wir erkennen momentan wieder eine Gegenbewegung. Der Teil, den die Mutter bis zur Geburt am Kind beiträgt, wird wieder als wesentlich größer erachtet. Das erkennt man auch an der Abtreibungsfrage und der Kritk an den Abtreibungsgegnern, nämlich dass diese sowieso haupsächlich nur Männer sind, die niemals Schwanger werden können. Weiters bleibt das Kind nach der Scheidung meistens bei der Mutter usw.
Wenn du meinst das Matriarchat hätte es nicht gegeben, dann bin ich auf deine Quellen gespannt. Oder willst du mich wieder mit deinem allwissenden Keller verweisen?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Die Frage nach Sanktionen müssen Teil der Ethik sein. Denn wann es richtig ist jemanden einzusperren, ist ebenfalls eine Frage, die diese Ethik beantworten muss. Vernunft ist weiters ein Mittel zum Zweck. Die Frage ist doch eher, was der Zweck ist. Serienmörder handeln oft extrem kalkuliert und vernünftig. |
Langsam kommen wir uns näher. Merkst Du, dass Du allein mit der 'Goldenen Regel' nicht mehr weiter kommst? |
Wo liegt das Problem? Ich unterstütze die Verfolgung und Einbuchtung von Serienmördern. Auch ich würde verfolgt und eingesperrt, so ich Serienmorde beginge. Das akzeptiere ich.
Dein Einwand kratzt die goldene Regel ja nicht einmal an. Consider me not impressed!
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Deine Adjektive bezüglich des Hunds waren naturidyllische Verklärungen. |
Ich zitiere mich selbst: "Hunde sind dem Menschen wohlgesonnene und kooperierende Tiere, jedenfalls, wenn man sie mit Löwen und anderen Spezies vergleicht, für die wir im glücklichsten Fall irrelevant sind. Was auf Hunde zutrifft, trifft umsomehr auf uns Menschen selbst zu."
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#115832) Verfasst am: 15.04.2004, 00:37 Titel: |
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Hi Sokrateer,
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
sagen wir so: es gibt eine wissenschaftliche Ethik, und die kann man nur auf einem bestimmten Niveau betreiben. |
Du verwechselst Wissenschaftlichkeit mit Komplexität. Ich meine gerade, dass ethische Prinzipien einfach sein müssen, da wir sie sonst niemals in konkreten Fällen anwenden können. |
tja, dann sind wir bei der alten Seemanns-Heuristik auf Kriegsschiffen: alles was sich bewegt, wird gegrüßt, der Rest wird angestrichen. Bei Viechern nennt man das Schlüsselreize. Und ich dachte, das Privileg des Menschen sei, dass er nicht so leben muss.
[ ... ]
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Nun ja, im Kosovo sah das etwas anders aus. |
Meinst du den NATO-Einsatz? Der Entstand durch subjektive und selektive Wahrnehmung, Fehlschlüsse und Herdentrieb. Da glaubten alle in gutem Gewissen zu handeln und gutes zu tun. Wären alle Beteiligten besser informiert gewesen, dann hätten sie anderes gehandelt. |
Ich dachte eher an 'die Serben', die sich durchaus gegenüber den Albanern (und vorher auch den Muslimen) gegenüber nicht besonders human benahmen.
Weißt Du, ich habe mir an den Kopf gefasst und überlegt, wie so was heute in Europa passieren kann. Aber dann dachte ich daran, was mir Mutti erzählt hat, wie man 'früher' bei uns in der Gegend miteinander umgegangen ist. Wenn heute Bayern und Preußen so einigermaßen nebeneinander herleben können, liegt das vermutlich daran, dass keiner meint, dass es ihm zu schlecht geht, weil es dem anderen zu gut geht. Das meinte ich mit 'sozioökonomische Gründe'. Vermutlich muss eine gewisse materielle Grundversorgung da sein, bevor man sich über Humanität die ganz großen Gedanken macht.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Dreimal darfst Du raten, warum es in der ganzen Welt nirgends ein Matriarchat gibt, falls es jemals eins gegeben hat (pace Bachofen). |
Das Matriarchat wurde abgesetzt, weil die Männer erkannten, dass sie auch was zum Kind beitragen. Um genau zu sein, ist laut Bibel und Koran das Kind vollständig schon im Samen vorhanden und wird von der Mutter nur ausgebrütet. |
Diese Vorstellung ist älter als Koran und Bibel und ist auch in ganz anderen Kulturkreisen verbreitet.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Das änderte natürlich einiges und Männer wollten sicherstellen, dass ihre Frau nicht ein fremdes Kind ausbrütet. Das sind aber alles nicht angeborene Verhaltensweisen und wir erkennen momentan wieder eine Gegenbewegung. Der Teil, den die Mutter bis zur Geburt am Kind beiträgt, wird wieder als wesentlich größer erachtet. Das erkennt man auch an der Abtreibungsfrage und der Kritk an den Abtreibungsgegnern, nämlich dass diese sowieso haupsächlich nur Männer sind, die niemals Schwanger werden können. Weiters bleibt das Kind nach der Scheidung meistens bei der Mutter usw.
Wenn du meinst das Matriarchat hätte es nicht gegeben, dann bin ich auf deine Quellen gespannt. Oder willst du mich wieder mit deinem allwissenden Keller verweisen? ;-) 8) |
Ups. Warum sollte _ich_ beweisen, dass es kein Matriarchat gegeben hat? Schau mal bei Wikipedia nach, so in etwa ist auch mein Kenntnisstand: es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, dass es überhaupt Matriarchate, und wenn, dann nur sehr kurzfristig gab. Was Du oben geschildert hast, sind hübsche Spekulationen. Mehr nicht. Ich denke eher, dass _Du_ beweispflichtig bist. Welche Quellen hast Du _für_ Matriarchate? Genauer: was verstehst Du eigentlich unter 'Matriarchat'? Das was Bachofen darunter verstand?
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Die Frage nach Sanktionen müssen Teil der Ethik sein. Denn wann es richtig ist jemanden einzusperren, ist ebenfalls eine Frage, die diese Ethik beantworten muss. Vernunft ist weiters ein Mittel zum Zweck. Die Frage ist doch eher, was der Zweck ist. Serienmörder handeln oft extrem kalkuliert und vernünftig. |
Langsam kommen wir uns näher. Merkst Du, dass Du allein mit der 'Goldenen Regel' nicht mehr weiter kommst? |
Wo liegt das Problem? Ich unterstütze die Verfolgung und Einbuchtung von Serienmördern. Auch ich würde verfolgt und eingesperrt, so ich Serienmorde beginge. Das akzeptiere ich. |
Sagen wir so: Du fingst an mit der 'Goldenen Regel'. Und ich sagte Dir, dass schon minimale Probleme (wie: was mache ich, wenn sich jemand nicht an die 'Goldene Regel' hält?) die ach so schöne Einfachheit crashen. Es ist doch uninteressant, was _Du_ akzeptierst, wenn das den anderen nicht juckt.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Dein Einwand kratzt die goldene Regel ja nicht einmal an. Consider me not impressed! 8) |
Natürlich nicht, weil das der Trick mit den einfachen Dingen ist: man drückt die Komplexität einfach weg.
Vielleicht ein Beispiel für eine solche Situation:
Ein Mensch flüchtet in ein Haus. Ein anderer kommt daher, der den umbringen will und fragt Dich, ob Du den ersteren gesehen hast.
Auch wenn Du nur die 'Goldene Regel' verwenden möchtest, musst Du eine Werte-Hierarchie einführen: Du möchtest sicher weder angelogen noch umgebracht werden. Du kannst noch einen Schritt weiter gehen und Sokrates' Daimonion einführen, der Dir immer ins Ohr flüstert, was wohl die richtige Lösung ist. Oder akzeptieren, dass Ethik doch einen Tick komplexer ist, als es auf den ersten Blick aussieht. Vergleiche einfach die 'Goldene Regel' mit der Transzendentalpragmatik.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Deine Adjektive bezüglich des Hunds waren naturidyllische Verklärungen. |
Ich zitiere mich selbst: "Hunde sind dem Menschen wohlgesonnene und kooperierende Tiere, jedenfalls, wenn man sie mit Löwen und anderen Spezies vergleicht, für die wir im glücklichsten Fall irrelevant sind. Was auf Hunde zutrifft, trifft umsomehr auf uns Menschen selbst zu." |
Mein Punkt war: Adjektive wie 'wohlgesonnen' und 'kooperierend' auf Hunde anzuwenden ist Anthropozentrismus pur. Und für dann auch noch einen Vergleich zwischen Hund und Mensch zu ziehen fallen mir keine nicht-pejorativen Adjektive ein.
Grüßle
Thomas
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Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16361
Wohnort: Arena of Air
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(#115834) Verfasst am: 15.04.2004, 01:49 Titel: |
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(1) Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Ich glaube du machst einen für intellektuelle und intelligente Menschen typischen Fehler, nämlich eine Abwandlung von Ockhams Messer. Von allen gleichwertigen Theorien nimm die komplizierteste, die du selbst gerade noch verstehst.
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Laut Baubacher, "Wissenschaftstheorie", ist es gar usus, etwas als Anschein eigener Genialität zu verkaufen, was man selbst nicht durchdrungen hat (in der Hoffnung, daß die Zuhörer davon so erschlagen sind, daß sie nicht durch Nachfragen den Referenten auflaufen lassen, bevor er die Durchdringung nachholen konnte.)
(2) Zitat: | Ups. Warum sollte _ich_ beweisen, dass es kein Matriarchat gegeben hat? Schau mal bei Wikipedia nach, so in etwa ist auch mein Kenntnisstand: es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, dass es überhaupt Matriarchate, und wenn, dann nur sehr kurzfristig gab. Was Du oben geschildert hast, sind hübsche Spekulationen. Mehr nicht. Ich denke eher, dass _Du_ beweispflichtig bist. Welche Quellen hast Du _für_ Matriarchate? Genauer: was verstehst Du eigentlich unter 'Matriarchat'? Das was Bachofen darunter verstand? |
Es gibt heute immer noch Gesellschaft, in denen der Ton von den Frauen angegeben wird, in denen es eben Polyandrie statt Polygamie gibt, die Entscheidungen von der ältesten Frau getroffen werden, sich die Mädchen ihre Ehemänner aussuchen u.ä.. In der Evolution gibt es das auch: bei den Elefanten etwa, besteht ein Matriarchat. Die Herde folgt der Erfahrung der ältesten Kuh. Hat vielleicht damit zu tun, daß es ein evolutionärer Vorteil ist: die Lebenserwartung von Männern in fast allen Gesellschaften ist geringer. Frauen verfügen also um einen größeren Erfahrungsschatz. Weibchen sind außerdem auf lange Sicht kontrollierter als Männchen, neigen weniger zu Gewalt bei der Durchsetzung ihrer Konzepte.
(Allerdings würde ich mich hüten, das zu generalisieren. Eine "Diktatur der Weiber" ist ebenso möglich, weil es durchaus "radikale Elemente" gibt, die den Mann auf das Maß reduzieren wollen, das zuvor die Frauen hatten. Das nennt sich dann nicht "Gleichberechtigung" [Macht sollte der Struktur der Bevölkerung entsprechen], sondern "Diktatur der Frauen". [Wobei Männer im Durchschnitt bereitwilliger mit der Chefin schlafen würden als Frauen mit dem Chef.])
(3) Zitat: | Ein Mensch flüchtet in ein Haus. Ein anderer kommt daher, der den umbringen will und fragt Dich, ob Du den ersteren gesehen hast. |
Das Problem besteht darin, daß man jetzt eine Abwägung treffen muß, wessen denn das höherwertige Interesse ist. Wenn der Erstere ein Dieb ist, der dem Letzteren einen Gegenstand gestohlen hat, und der Letztere den jetzt "erlegen" will, dann würde ich lügen. Nicht, weil ich Diebstahl gutheißen würde, sondern weil mir das Interesse des Diebes, am Leben zu bleiben, höher erscheint als das Interesse dessen, der den Dieb umbringen und sich den Gegenstand zurückholen will. Will der Letztere den Dieb nicht umbringen, sondern nur den Gegenstand zurück, wäre die Sachlage eine andere. So aber gebe ich dem Bestohlenen die Möglichkeit, sich während seiner erfolglosen Suche erstmal abzuregen.
Man kann auch Beispiele konstruieren, in denen man immer schwieriger entscheiden kann, sogar bis dahin, daß man in einem unlösbaren Dilemma ist.
Beispiel: Du mußt entscheiden, ob Du einen Menschen rettest, der
Dir nahesteht, oder einen anderen, der für Dich namen- und gesichtslos ist (und wenn Du nicht entscheidest, sterben beide). Rettest Du den nahestehenden Menschen, dann wirst Du Dich vielleicht dennoch um den anderen Menschen sorgen, weil Du Dich fragst, wer dieser Mensch denn nun war, den Du in den Tod geschickt hast. Dann ist er nicht mehr gesichtslos, und seine Existenz geht Dir genauso nahe wie die des anderen Menschen.
Wenn Du das zu einem Zeitpunkt denkst, da Du noch entscheiden kannst, könnte das Deine Entscheidung dahingehend beeinflussen, daß Du das Leben des anderen sogar für wertvoller hältst als das Leben des Freundes, weil Du dem anderen Leben ein größeres Potential (Schrödingers Katze läßt grüßen) als dem Dir bekannten Leben. Dann hättest Du Dich aber wieder falsch entschieden, schon aus eigenem Interesse, weil wenn Du Deinen Freund opferst, der gemeinsame Freundeskreis Dir Vorwürfe machen würde, während wenn Du den Dir Unbekannten opferst, die Trauer der anderen Dir egal sein könnte. Du hättest Dich aber auch falsch entschieden, wenn Du den Anderen opfertest, weil Du dann aus Eigennutz zynisch über das Leben eines Menschen entschieden hast... Und so weiter.
_________________ "Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"
Dann bin ich halt bekloppt.
"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#115856) Verfasst am: 15.04.2004, 09:52 Titel: |
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Hi Critic,
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Critic hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | (2) Ups. Warum sollte _ich_ beweisen, dass es kein Matriarchat gegeben hat? Schau mal bei Wikipedia nach, so in etwa ist auch mein Kenntnisstand: es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, dass es überhaupt Matriarchate, und wenn, dann nur sehr kurzfristig gab. Was Du oben geschildert hast, sind hübsche Spekulationen. Mehr nicht. Ich denke eher, dass _Du_ beweispflichtig bist. Welche Quellen hast Du _für_ Matriarchate? Genauer: was verstehst Du eigentlich unter 'Matriarchat'? Das was Bachofen darunter verstand? |
Es gibt heute immer noch Gesellschaft, |
gut, dass Du den Singular verwendest. Mir ist nur ein Stamm aus dem Himalaya bekannt.
Critic hat folgendes geschrieben: | in denen der Ton von den Frauen angegeben wird, in denen es eben Polyandrie statt Polygamie gibt, die Entscheidungen von der ältesten Frau getroffen werden, sich die Mädchen ihre Ehemänner aussuchen u.ä.. In der Evolution gibt es das auch: bei den Elefanten etwa, besteht ein Matriarchat. Die Herde folgt der Erfahrung der ältesten Kuh. Hat vielleicht damit zu tun, daß es ein evolutionärer Vorteil ist: die Lebenserwartung von Männern in fast allen Gesellschaften ist geringer. Frauen verfügen also um einen größeren Erfahrungsschatz. Weibchen sind außerdem auf lange Sicht kontrollierter als Männchen, neigen weniger zu Gewalt bei der Durchsetzung ihrer Konzepte. |
Wenn Du einen interkulturellen Vergleich machst, findest Du ein gewaltiges Spektrum an Methoden, wie eine Gesellschaft funktionieren kann. Wenn Du dann noch dazuschreibst, wieviele Prozent der Menschheit in den jeweiligen Gesellschaftsformen leben, sollte Dir etwas auffallen.
Critic hat folgendes geschrieben: | (Allerdings würde ich mich hüten, das zu generalisieren. Eine "Diktatur der Weiber" ist ebenso möglich, weil es durchaus "radikale Elemente" gibt, die den Mann auf das Maß reduzieren wollen, das zuvor die Frauen hatten. Das nennt sich dann nicht "Gleichberechtigung" [Macht sollte der Struktur der Bevölkerung entsprechen], sondern "Diktatur der Frauen". [Wobei Männer im Durchschnitt bereitwilliger mit der Chefin schlafen würden als Frauen mit dem Chef.]) |
Ich denke, dass die Grundfrage noch nicht geklärt ist: gibt es überhaupt ein Matriarchat, und wenn, war das eine Entwicklungsstufe der Menschheit oder eben ein weiteres Beispiel für 'ach schau mal, was es doch alles gibt'. Ich tendiere zum letzteren.
Critic hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
(3)Ein Mensch flüchtet in ein Haus. Ein anderer kommt daher, der den umbringen will und fragt Dich, ob Du den ersteren gesehen hast. |
[ ... ] |
Danke, dass Du mich bestätigt hast. Mein Thema war, dass die 'Goldene Regel' in ihrer hübschen Einfachheit versagt, weil Du, wenn Du auch nur ein wenig realistisch denkst, hierarchische Strukturen brauchst. Und das war mein Argument dagegen, immer nur einfache Lösungen zu suchen.
Grüßle
Thomas
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#115879) Verfasst am: 15.04.2004, 11:46 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
tja, dann sind wir bei der alten Seemanns-Heuristik auf Kriegsschiffen: alles was sich bewegt, wird gegrüßt, der Rest wird angestrichen. Bei Viechern nennt man das Schlüsselreize. Und ich dachte, das Privileg des Menschen sei, dass er nicht so leben muss. |
Ich habe nicht verlangt idiotische Heuristiken zu übernehmen. Dass wir aber Heuristiken brauchen, das hat uns zumindest die Komplexitätstheorie gezeigt.
Nimm alleine die Frage her, ob ein Mensch Kokain konsumieren darf, oder nicht. Da spielen soviel Faktoren und gegenseitige Einflüsse mit (Kriminalität, Abhängigkeit, Anziehungskraft des Verbotenen, persönliche Freiheit), dass es nicht mehr möglich ist streng formal herauszufinden, was richtig ist. Letztendlich hilft es da nur mehrere Varianten auszuprobieren und dann die beste zu verwenden.
Ein noch besseres Beispiel wäre Prostitution. Die Schweden haben sie vor kurzem verboten in der Hoffnung sie endgültig zu beseitigen.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Diese Vorstellung ist älter als Koran und Bibel und ist auch in ganz anderen Kulturkreisen verbreitet. |
Das AT (Tenach) enthält aber trotzdem noch Hinweise auf Matriliniearität, denn laut Orthodoxie ist Jude, wessen Mutter Jude war. Die Abstammung wird immer über die Mutter gerechnet.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Ups. Warum sollte _ich_ beweisen, dass es kein Matriarchat gegeben hat? Schau mal bei Wikipedia nach,
<snip>
Genauer: was verstehst Du eigentlich unter 'Matriarchat'? Das was Bachofen darunter verstand? |
Das feministische Friede-Freude-Eierkuchen-Matriarchat halte ich für unplausibel. Ich hätte gar nicht gedacht, dass sich Wissenschaftler überhaupt damit auseinandersetzen.
Ich hätte eher von Matrilinearität schreiben sollen. Wir wollten ja urpsrünglich die Stiefkindfrage diskutieren. Matriarchalisch ist diesbezüglich für mich alles, was sich aus der Matrilinearität an Konsequenzen für die Gesellschaft ergibt. Eine Verschiebung zu mehr Matrilinearität können wir hier und heute selbst beobachten und wir erkennen auch die sich daraus ergebenden Effekte.
Von Kind und Kegel spricht heute keiner mehr. Die stiefmütterliche Behandlung von Stiefkindern geht zurück. Die Schlechterstellung von Stiefkindern ist sicher nicht angeboren, sondern eine gesellschaftliche Frage. Sieh dir auch die Behandlung von behinderten Kindern an. Früher wurden selbst blinde Kinder als Strafe Gottes und große Schande angesehen. Sie wurden deshalb heimlich im Haus gehalten und oft auch getötet. Heute ist das anders.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Sagen wir so: Du fingst an mit der 'Goldenen Regel'. Und ich sagte Dir, dass schon minimale Probleme (wie: was mache ich, wenn sich jemand nicht an die 'Goldene Regel' hält?) die ach so schöne Einfachheit crashen. |
Ich weiß nicht, was du mit crashender Einfachheit verstehst. Ich glaube die meisten Kritiker der goldenen Regel trauen sich nicht für die Variable X etwas anderes als ein einfaches Verb einzusetzen. Also: "Ich will nicht bestohlen(X) werden, also stehle(X) ich nicht."
Dein Problem mit dem Mörder, der um Auskunft fragt, könnte man ja genauso mit einem neuen Verb darstellen. Etwas, was in einer Sprache mit einem Wort dargestellt werden kann, braucht in einer anderen Sprache oft einen ganzen Satz.
Also nennen wir den dargestellten Sachverhalt mal "Verratmeuchelei". Die Teilnehmer (Mörder und Auskunftgebender) sind "Verratmeuchler". Also : "Ich will nicht verratmeuchelt werden, also verratmeuchle ich niemanden anderen."
Die Frage nach dem "Verratmeucheln" ist nicht notwendigerweise komplexer als die Frage nach dem Stehlen. Ob es für einen Vorgang ein einfaches Verb gibt sagt uns wenig über die Komplexität des Vorgangs aus. Versuch mal "Stehlen" so zu definieren, sodass ein Computer versteht, was es bedeutet. Ach ja, und schick mir bei der Gelegenheit auch gleich eine Ansichtskarte von Oslo, wenn du dort dafür den Nobelpreis bekommst!
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Es ist doch uninteressant, was _Du_ akzeptierst, wenn das den anderen nicht juckt. |
Wenn du von einer Ethik verlangt, dass sie alle akzeptieren und alle jede Situation gleich bewerten, dann brauchst du erst gar keine Ethik zu entwickeln. Das erinnert mich an die kugelförmige Kuh.
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Wasserhund Anfänger
Anmeldungsdatum: 10.02.2012 Beiträge: 9
Wohnort: Chemnitz
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(#1729639) Verfasst am: 19.02.2012, 02:49 Titel: Ethik vs. Moral |
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Mich interessiert was ihr dazu denkt.
Worin unterscheiden sich Ethik und Moral?
Meine bisherige Meinung: Moral ist die Lehre des "richtigen" denkens, Ethik ist die Lehre des "richtigen" handelns.
Also ohne Moral keine Ethik. Mein Bauch sagt mir, daß es kein richtiges Denken gibt, also auch kein richtiges Handeln.
Trotzdem folge ich ich gewissen Prinzipien.
Also, wonach soll ich mein handeln richten? Soll ich Interessen berücksichtigen oder soll ich Verantwortung für mich tragen?
Beispiel: Kann ich jemanden von einer Brücke springen lassen? Oder soll ich das Haus vom Mörder löschen?
Verwirrende Fragen, wie seht ihr das? Wie unterscheidet ihr zwischen Moral und Ethik? Ist Moral schlecht und Ethik gut?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44685
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(#1729647) Verfasst am: 19.02.2012, 05:34 Titel: Re: Ethik vs. Moral |
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Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Meine bisherige Meinung: Moral ist die Lehre des "richtigen" denkens, Ethik ist die Lehre des "richtigen" handelns. |
In der Philosophie wird das tendentiell eher umgekehrt verwendet. Das verwischt aber ziemlich stark und ist auch nicht so eindeutig zu umreißen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1729677) Verfasst am: 19.02.2012, 11:08 Titel: Re: Ethik vs. Moral |
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Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Mich interessiert was ihr dazu denkt. |
... Und vermutlich stehst Du nicht so auf die Suchfunktion ...
Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Worin unterscheiden sich Ethik und Moral? |
Moral = was als gut und böse gilt, der Agent der Allgemeinheit in mir, Gewissen, Zwang, Sitte, Anstand
Ethik = ein reflektiertes Wertesystem, eine Begründung für Moral
Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Ist Moral schlecht und Ethik gut? |
Moral ist unreflektiert und daher manchmal dumm, schädlich, gefährlich. Ihr Vorteil liegt darin, daß sie durch Anerziehung intrinsisch implementiert ist, also meist automatisch, zwanghaft, funktioniert. Das stabilisert die Gesellschaft tendenziell.
Ethik hat den Vorteil der Reflektion, ist rationaler und systematischer, man kann moralische Altlasten verwerfen, die keine sinnvolle Begründung mehr haben (z.B. daß Masturbation böse sei). Nachteil von Ethik ist, daß sie wenig geeignet ist, das aktuelle Handeln der Massen zu steuern. Dazukommt, daß Ethik letztlich von Annahmen über gesellschaftliche Primärziele oder Grundwerte ausgeht, die natürlich auch infragegestellt werden können.
Im Rahmen zunehmneder Aufklärung und Bildung werden sich die Menschen hoffentlich der ethischen Begründungen ihrer Moral immer bewußter.
Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Also, wonach soll ich mein handeln richten? Soll ich Interessen berücksichtigen oder soll ich Verantwortung für mich tragen? |
Mein ethischer Ansatz in Kürze:
Wenn die Gemeinschaft merkt, daß Du ihre Interessen nicht berücksichtigst (z.B. ein Betrüger bist) oder die Verantwortung, die sie Dir aufgrund ihrer Einschätzung Deiner Fähigkeiten zuweist (z.B. Fahren ohne Alkohol) nicht erfüllst, dann wird sie versuchen, Dir entsprechend das Handwerk zu legen bzw. Dir weniger Verantwortung zuweisen, um sich zu schützen.
Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Kann ich jemanden von einer Brücke springen lassen? |
Das kann ich nicht allgemeingültig beantworten. Ich kann mir Ja und Nein-Fälle vorstellen.
Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Oder soll ich das Haus vom Mörder löschen? |
Ich nehme an mit dem Mörder drin. Ich würde sagen Ja, denn der Mörder ist ein personales Wesen mit Interessen. Ich sehe zudem keinerlei Nutzen für die Allgemeinheit, wenn jemand, der einen Mord begangen hat, verbrannt wird.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
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(#1729686) Verfasst am: 19.02.2012, 11:32 Titel: |
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Thread kurz zwecks Verschmelzung geschlossen.
edit: Hier angehängt. Es kann weiter diskutiert werden
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
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pera auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.07.2009 Beiträge: 4256
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(#1729706) Verfasst am: 19.02.2012, 13:25 Titel: Re: Ethik vs. Moral |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Meine bisherige Meinung: Moral ist die Lehre des "richtigen" denkens, Ethik ist die Lehre des "richtigen" handelns. |
In der Philosophie wird das tendentiell eher umgekehrt verwendet. Das verwischt aber ziemlich stark und ist auch nicht so eindeutig zu umreißen. |
So habe ich das auch verstanden. Ethik als der theoretische Überbau und Moral deren Verwirklichung in konkreten Handlungen. Ist aber schon einiges dazu geschrieben worden hier.
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1730106) Verfasst am: 20.02.2012, 10:39 Titel: |
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Moral ist ein objektives Wertesystem.
Ethik ist ein "Verfahrensrecht".
Der wichtigeste Unterschied liegt darin, dass ein Mensch alleine nie unethisch handeln kann. Ethik betrifft (nur) das Zusammenleben von Menschen. Sie ist dafür da, einen gerechten Ausgleich zwischen widerstreitenden Interessen zu finden.
Beispiel: Masturbation. Sie kann nach der geltenden Moral als schlecht gelten. Ethisch ist Masturbation irrelevant, weil sie keine Auswirkungen auf andere Menschen hat (unterstellt man tut es alleine). Ethik ist also relativ. Es kommt immer auf die konkrete Situation und die beteiligten Personen an.
Moral ist nach meinem Verständnis nicht nur völlig überflüssig, sondern sogar schädlich. Mit einer guten Ethik alleine sind wir viel besser dran.
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Defätist auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 09.06.2010 Beiträge: 8557
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(#1730534) Verfasst am: 21.02.2012, 09:25 Titel: |
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pera hat folgendes geschrieben: | .... Ethik als der theoretische Überbau und Moral deren Verwirklichung in konkreten Handlungen. ... |
Fake hat folgendes geschrieben: | ...
Moral ist nach meinem Verständnis nicht nur völlig überflüssig, sondern sogar schädlich. Mit einer guten Ethik alleine sind wir viel besser dran. |
Theorie find ich jutt. Praxis brauch ma nich.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1730567) Verfasst am: 21.02.2012, 11:38 Titel: |
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Defätist hat folgendes geschrieben: |
Fake hat folgendes geschrieben: | ...
Moral ist nach meinem Verständnis nicht nur völlig überflüssig, sondern sogar schädlich. Mit einer guten Ethik alleine sind wir viel besser dran. |
Theorie find ich jutt. Praxis brauch ma nich. |
So hat Fake die Begriffe nicht verwendet. Du kannst entweder seine Definition der beiden Begriffe kritisieren oder von seiner Definition ausgehend seine jeweilige Wertung in Frage stellen. Du kannst auch beides tun. Du kannst aber nicht auf Basis einer anderen Definition seine Wertung kritisieren.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Defätist auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 09.06.2010 Beiträge: 8557
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(#1730580) Verfasst am: 21.02.2012, 12:00 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: |
So hat Fake die Begriffe nicht verwendet. Du kannst entweder seine Definition der beiden Begriffe kritisieren oder von seiner Definition ausgehend seine jeweilige Wertung in Frage stellen. Du kannst auch beides tun. Du kannst aber nicht auf Basis einer anderen Definition seine Wertung kritisieren. |
Das stimmt. Danke.
Sorry @ evil.
Dann so:
Fake hat folgendes geschrieben: | Moral ist ein objektives Wertesystem.
Ethik ist ein "Verfahrensrecht".
...........................
Moral ist nach meinem Verständnis nicht nur völlig überflüssig, sondern sogar schädlich. Mit einer guten Ethik alleine sind wir viel besser dran. |
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