Assarhaddon registrierter User
Anmeldungsdatum: 02.09.2008 Beiträge: 362
Wohnort: Tübingen
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(#1389392) Verfasst am: 09.11.2009, 11:52 Titel: |
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jaybeeone hat folgendes geschrieben: | Zu wessen Grab pilgern die?
Soll das nicht dieser seltsame Apostel sein:
Spanisch: Santiago Matamoros
übersetzt auf
Deutsch: Jakob der Mohrentöter oder
English: Jacob the Niggakillah? |
Jepp, genau der. Ich bin den Jakobsweg auch mal gewandert. Da gibt es sogar eine recht große Kirche, ich glaube in Santo Domingo de la Calzada, wo selbiger Mohrentöter auch auf einem schönen Relief dargestellt ist, mit Schwert hoch zu Ross, wie er hilflose Schwarze niedermetzelt. Das ganze beruht auf einer Legende zu irgendeiner Schlacht während der Reconquista, wo es für die Christen schlecht aussah und sie deshalb angefangen haben zu beten. Prompt stieg der Apostel aus seinem Grab, erschien auf seinem Pferd auf dem Schlachtfeld und brachte die Mauren um. Toll, ne?
Was allerdings wenige wissen: Der Pilgerweg ist viel älter als das Christentum und ging ursprünglich nicht bis Santiago, sondern ein paar Tagesetappen weiter ans Kap Finisterre, das man in der Antike für das westliche Ende der Welt hielt (finis terrae). Von jeher pilgerten Leute dorthin, um die untergehende Sonne anzubeten. Die Christen haben die Pilgerei dann für sich vereinnahmt, so wie Weihnachten und Ostern auch. Daher auch die völlig bescheuerte Legende, der Apostel Jakob, der nachweislich Palästina nie verlassen hat, sei in Spanien begraben.
Auf jeden Fall ist der Weg jedem zu empfehlen, der gerne wandert. Die Ausschilderung ist perfekt, sich zu verirren unmöglich. Herbergen gibt es alle 5 - 10 km, man kann sich seine Etappen also frei einteilen. Man kann wunderbar mit leichtem Gepäck gehen, weil man garantiert kein Zelt, Gaskocher und anderen schweren Krempel braucht. Fast überall kann man Wäsche waschen, so dass zwei Satz Klamotten wunderbar ausreichen. Die Übernachtungen kosteten in 2005 zwischen 2€ und 6€, meist waren es 3€. In den staatlichen Herbergen in Galizien ist die Übernachtung kostenlos, man darf gerne spenden. Und zudem ist Nordspanien im Frühling wunderschön.
Was die Gesellschaft betrifft: Ich bin kurz vor den Pyrenäen losgelaufen und habe mich da mit einer Gruppe von Anfängern zusammengefunden. Von uns neun war eine katholisch, ansonsten gab es Atheisten, einen australischen Juden, einen schottischen Protestanten und eine Indianerin aus Kanada. Sehr nette Gesellschaft. Ein ziemlich esoterisch versponnener Belgier ist nach vier Tagen umgedreht, weil ihm die Mondphasen nicht zusagten. Später habe ich mich vier älteren Franzosen angeschlossen, mit denen ich mich sehr gut verstanden habe und die schneller laufen konnten als manches Jungvolk. Der Katholikenanteil nimmt zu, je näher man an Santiago kommt, weil Katholiken für das Pilgern einen offiziellen Ablass bekommen. Dafür müssen sie aber nur die letzten 100 km (ab Sarria) laufen, etwa drei Tagesetappen. Wem es nur um den Ablass geht, der fängt natürlich hier an und versucht es evtl. an einem verlängerten Wochenende durchzuziehen. Ab da sind die Herbergen sehr voll (auch im Frühling schon, richtig schlimm ist es angeblich im Sommer) und viele bekommen keinen Platz und müssen in Hotels. Wenn man allerdings schon 700 km Training auf dem Buckel hat, macht das nichts, denn man kann mehr als eine Stunde nach dem Frischfleisch aufstehen und ist abends trotzdem zuerst an der nächsten Herberge.
Alles in allem war es eine wunderbare Erfahrung. Ich habe von St. Jean nach Santiago genau 28 Tage gebraucht, und ich würde das gerne nochmal machen, wenn ich je wieder die Zeit dafür bekomme. Was mich wirklich beeindruckt hat, war die Freundlichkeit der Anwohner. Andauernd bekommt man etwas geschenkt, frisches Obst oder Schokolade, oder man wird auf eine Limonade eingeladen. Wenn man es im Baskenland mit ein paar Brocken Baskisch versucht, bekommt man eh praktisch alles geschenkt.
Dieses komische Canitante ist mir übrigens nicht untergekommen, jedenfalls nicht dass ich wüsste. Der Name klingt auch eher italienisch als spanisch. Wird wohl ein Hoax gewesen sein.
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Murphy MacManus
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