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Ilmor auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 13.12.2008 Beiträge: 7151
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(#1553527) Verfasst am: 10.10.2010, 23:53 Titel: Re: Gruppendynamik in kritischen Strömungen |
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Norm hat folgendes geschrieben: |
In der Männerforschung gibt es durchaus Menschen, die dich kritisch mit der gesellschaftlichen Rolle der Männer befassen aber sich nicht gleichzeitig gegen den Feminismus wenden. In solchen Kontexten gibt es dann durchaus Zusammenarbeit zwischen Männerrechtlern und Feminstinnen, ich meine sogar wo mal gelesen zu heben, dass es in den 80er Jahren Männergruppen die nicht gegen sondern mit Feminstinnen arbeiteten gab. |
Wikipedia hat folgendes geschrieben: | Jeff Hearn entwickelte 1987 im Magazin der englischen Männerbewegung "Achilles Heel" fünf Prinzipien, die für eine zukünftige kritische Männerforschung Anwendung finden sollten:
1. Männer sollten die Autonomie der Frauenforschung respektieren, was nicht heißen soll, umgekehrt eine Autonomie der Männerforschung einzufordern.
2. Männerforschung soll Frauen und Männern offen stehen.
3. Das vorrangige Ziel der Männerforschung ist die Entwicklung einer Kritik an männlicher Praxis, zumindest teilweise aus feministischer Sichtweise.
4. Männerforschung ist interdisziplinär anzulegen.
5. Männer, die Männerforschung betreiben, müssen ihre Praxis des Forschens, Lernens, Lehrens und Theoretisierens hinterfragen, um nicht die patriarchale Form eines desinteressierten Positivismus zu reproduzieren. Ziel sei eine Bewusstseinserweiterung der Männer.
1990 ergänzte Jeff Hearn zusammen mit David Morgan in „The critique of men“ diese Prinzipien noch um die Punkte, dass (heterosexuelle) Männer sich nicht um Forschungsgelder und Universitätsposten bewerben sollen, die für Geschlechterforschung ausgeschrieben wurden, und dass feministische Wissenschaft und Frauenforschung in der eigenen Forschung und in den Institutionen zu unterstützen sei. |
Diese Leute sind halt Feministen.
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#1553624) Verfasst am: 11.10.2010, 10:25 Titel: |
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Den ersten und letzten fettgedruckten Punkt sehe ich auch kritisch.
Sich selbst hinterfragen (5.) gehört zum wissenschaftlichen Arbeiten sowieso dazu. Und 3. ist auch wieder zwingend: wenn man an der Relität des Mannseins was ändern will, muss männliche Praxis kritisch hinterfragt werden.
Das geht schon in der Erziehung mit Jungenarbeit los und sollte nicht erst an der Universität mit der Erforschung männlicher Sozialisation enden.
Dass dabei sowohl Ergebnisse feministischer Forschung als auch Befindlichkeiten von Frauen berücksichtigt werden sollen, ist auch klar. Mir gefällt allerdings die Formulierung nicht, denn sie verneint die Ergebnisoffenheit.
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Dr. Evil auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.09.2010 Beiträge: 1504
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(#1553638) Verfasst am: 11.10.2010, 10:56 Titel: Re: Gruppendynamik in kritischen Strömungen |
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Dissonanz hat folgendes geschrieben: | Mir wäre eine stärkere Ausrichtung auf Ziele statt auf Gruppen sehr lieb. |
Das dürfte schwer zu trennen sein, da sich die Gruppen ja gerade durch ihre Ziele voneinander abgrenzen. Interesant finde ich, dass sich Gruppen oft stärker bekämpfen, je näher sie inhaltlich beeinander zu sein scheinen. Abweichler "aus den eigenen Reihen" werden als größere Bedrohung empfunden als die Mitglieder einer völlig anderen Strömung.
Ich vermute, das hat mit dem Sendungsbewustsein zu tun. Viele Menschen, die glauben eine ganz tolle oder wichtige Sache zu wissen oder verstanden zu haben, verspühren das Bedürfnis, andere damit zu beglücken. Aus evolutionärer Sicht sicher eine nützliche Verhaltensweise. So werden nützliche Meme erhalten und sogar verbreitet. Leider kann dieser Mechanismus nicht unterscheiden, ob die Idee wirklich (= objektiv) gut ist. Menschen neigen dazu, dass was sie selber für subjektiv richtig halten, auch für objektiv richtig zu halten. Daraus folgt die Legitimation: "ich bin ja im Recht. Ich darf, ja muss den anderen zu seinem eigenen Nutzen überzeugen." Es liegt aber in der Natur der Sache, dass viele eben nicht im Recht sind.
Warum reagieren wir nun ärgerlicher auf geringe Abweichungen? Weil derjenige, der viel mit mir gemeinsam hat, es (meine Weisheit) doch eigentlich eher verstehen müsste. Er hat doch schon 98% verstanden, warum die letzten 2% nicht? Das ist weniger einzusehen als bei jemandem, der eine völlig andere Grundüberzeugung hat. Dass ich den nicht überzeugen kann, wundert mich nicht, deswegen ärgert es mich auch nicht. Hinzu kommt, dass mir derjenige, der mit mir zu 98% übereinstimmt, viel sympatischer ist als derjenige, bei dem es nur 43% sind. Und weil er mir sympatischer ist, ist er mir wichtiger. Je näher er mir ist, desto wichtiger wird es, ihn ganz zu überzeugen. So verkehrt sich eine an sich gut gemeinte Absicht (= an sich biologisch nützliche Verhaltensweise) in ihr Gegenteil. Denn der jeweils andere steht vor exakt der selben Situation.
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astarte Foren-Admin

Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46545
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(#1553642) Verfasst am: 11.10.2010, 11:01 Titel: Re: Gruppendynamik in kritischen Strömungen |
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Dr. Evil hat folgendes geschrieben: | Dissonanz hat folgendes geschrieben: | Mir wäre eine stärkere Ausrichtung auf Ziele statt auf Gruppen sehr lieb. |
Das dürfte schwer zu trennen sein, da sich die Gruppen ja gerade durch ihre Ziele voneinander abgrenzen. Interesant finde ich, dass sich Gruppen oft stärker bekämpfen, je näher sie inhaltlich beeinander zu sein scheinen. Abweichler "aus den eigenen Reihen" werden als größere Bedrohung empfunden als die Mitglieder einer völlig anderen Strömung.
Ich vermute, das hat mit dem Sendungsbewustsein zu tun. Viele Menschen, die glauben eine ganz tolle oder wichtige Sache zu wissen oder verstanden zu haben, verspühren das Bedürfnis, andere damit zu beglücken. Aus evolutionärer Sicht sicher eine nützliche Verhaltensweise. So werden nützliche Meme erhalten und sogar verbreitet. Leider kann dieser Mechanismus nicht unterscheiden, ob die Idee wirklich (= objektiv) gut ist. Menschen neigen dazu, dass was sie selber für subjektiv richtig halten, auch für objektiv richtig zu halten. Daraus folgt die Legitimation: "ich bin ja im Recht. Ich darf, ja muss den anderen zu seinem eigenen Nutzen überzeugen." Es liegt aber in der Natur der Sache, dass viele eben nicht im Recht sind.
Warum reagieren wir nun ärgerlicher auf geringe Abweichungen? Weil derjenige, der viel mit mir gemeinsam hat, es (meine Weisheit) doch eigentlich eher verstehen müsste. Er hat doch schon 98% verstanden, warum die letzten 2% nicht? Das ist weniger einzusehen als bei jemandem, der eine völlig andere Grundüberzeugung hat. Dass ich den nicht überzeugen kann, wundert mich nicht, deswegen ärgert es mich auch nicht. Hinzu kommt, dass mir derjenige, der mit mir zu 98% übereinstimmt, viel sympatischer ist als derjenige, bei dem es nur 43% sind. Und weil er mir sympatischer ist, ist er mir wichtiger. Je näher er mir ist, desto wichtiger wird es, ihn ganz zu überzeugen. So verkehrt sich eine an sich gut gemeinte Absicht (= an sich biologisch nützliche Verhaltensweise) in ihr Gegenteil. Denn der jeweils andere steht vor exakt der selben Situation. |
Wow. Nicht schlecht.
_________________ Tja
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Dissonanz Zeuge ANOVAs
Anmeldungsdatum: 24.03.2008 Beiträge: 3541
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(#1553662) Verfasst am: 11.10.2010, 11:27 Titel: Re: Gruppendynamik in kritischen Strömungen |
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Dr. Evil hat folgendes geschrieben: | Dissonanz hat folgendes geschrieben: | Mir wäre eine stärkere Ausrichtung auf Ziele statt auf Gruppen sehr lieb. |
Das dürfte schwer zu trennen sein, da sich die Gruppen ja gerade durch ihre Ziele voneinander abgrenzen. Interesant finde ich, dass sich Gruppen oft stärker bekämpfen, je näher sie inhaltlich beeinander zu sein scheinen. Abweichler "aus den eigenen Reihen" werden als größere Bedrohung empfunden als die Mitglieder einer völlig anderen Strömung.
Ich vermute, das hat mit dem Sendungsbewustsein zu tun. Viele Menschen, die glauben eine ganz tolle oder wichtige Sache zu wissen oder verstanden zu haben, verspühren das Bedürfnis, andere damit zu beglücken. Aus evolutionärer Sicht sicher eine nützliche Verhaltensweise. So werden nützliche Meme erhalten und sogar verbreitet. Leider kann dieser Mechanismus nicht unterscheiden, ob die Idee wirklich (= objektiv) gut ist. Menschen neigen dazu, dass was sie selber für subjektiv richtig halten, auch für objektiv richtig zu halten. Daraus folgt die Legitimation: "ich bin ja im Recht. Ich darf, ja muss den anderen zu seinem eigenen Nutzen überzeugen." Es liegt aber in der Natur der Sache, dass viele eben nicht im Recht sind.
Warum reagieren wir nun ärgerlicher auf geringe Abweichungen? Weil derjenige, der viel mit mir gemeinsam hat, es (meine Weisheit) doch eigentlich eher verstehen müsste. Er hat doch schon 98% verstanden, warum die letzten 2% nicht? Das ist weniger einzusehen als bei jemandem, der eine völlig andere Grundüberzeugung hat. Dass ich den nicht überzeugen kann, wundert mich nicht, deswegen ärgert es mich auch nicht. Hinzu kommt, dass mir derjenige, der mit mir zu 98% übereinstimmt, viel sympatischer ist als derjenige, bei dem es nur 43% sind. Und weil er mir sympatischer ist, ist er mir wichtiger. Je näher er mir ist, desto wichtiger wird es, ihn ganz zu überzeugen. So verkehrt sich eine an sich gut gemeinte Absicht (= an sich biologisch nützliche Verhaltensweise) in ihr Gegenteil. Denn der jeweils andere steht vor exakt der selben Situation. |
Klingt nach 'ner guten Perspektive.
Vielleicht dazu noch dieses: Wer ähnlich, fast gleich ist und dann abweicht wird als Verräter gesehen. Wer weeeiiit entfernt ist wird einfach als außerhalb der eigenen Gruppe gesehen. Beides sind Gegner, aber der eine bekommt nochmal ordentlich moralische Verurteilung ab, da er eben ein Verräter zum Gegner, statt nur ein Gegner ist.
_________________ -Brother Broadsword of Warm Humanitarianism
"In other words, the cultures have been subjected to as careless handling as if in the hands of a somewhat below par student assistant, but they have survived."
-H. W. Chalkley in Science, Vol. LXXI, No. 1843
You can't spell Discord without Disco.
-frypoddie
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Nowhere registrierter User
Anmeldungsdatum: 19.05.2007 Beiträge: 349
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(#1553991) Verfasst am: 11.10.2010, 22:47 Titel: Re: Gruppendynamik in kritischen Strömungen |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | Dissonanz hat folgendes geschrieben: | Angeregt durch diverse Frustrationen würden mich andere Ansichten über Gruppenprozesse in kritischen Strömungen interessieren. Ich denke dabei an gesellschaftliche Strömungen wie den Säkularismus, Sexismuskritik (Antisexismus?) oder ähnliches. Speziell geht es mir um Phänomene wie "Spaltertum". Kleine Unterströmungen, die sich gegenseitig beharken.
Ich denke, dass zu partikuläre Identitätsbildung hinderlich ist. Menschen differenzieren eher zwischen In- und Outgroup als zwischen verschieden starken Unterschieden. Wenn die, die sich selbst Atheisten nennen und die, die sich Agnostiker nennen wollen, sich kloppen und jeweils behaupten, dass die anderen irgendwie doof sind geht dabei das Ziel, eine weniger religiös diskriminierende Gesellschaft zu schaffen verloren. Ähnlich bei Antisexismus. Historisch ging's mit den Frauenrechten los, heutzutage kann man tendenziell weiter sein und schädliche Diskriminierung für beide Geschlechter beobachten. Statt dass man sich drauf einigt, dass Sexismus Scheiße ist wird daraus eine Geschlechterkampfsache gemacht und auf einmal sind Feminismus und Maskulinismus verfeindet, statt aufgeklärte Menschen mit Sexismus, welcher Form auch immer. (Es gibt bestimmt irgendwo Maskisten, die aufgeklärt sind und so weiter. Das nehm ich jetzt einfach mal an.)
Ich bin mir nicht sicher, ob das Problem Feindbilder, an sich oder die Falschen, eine zu starke Gruppenkohäsion mit und durch Outgroupverachtung oder nochmal was anderes ist. Oder alles. Ich denke aber auf jeden Fall, dass das Ressourcen bindet und die Herstellung von sinnvollen Netzwerken unterbindet. Mögliche Vorteile dieser Gruppenbildungen wären eventuell eine erleichterte Kommunikation, aber leider neigen Menschen dazu, diesen Gruppenmist viel zu ernst zu nehmen. Ich merk's auch an mir, manchmal, und ärgere mich über mein Primatenhirn. Mir wäre eine stärkere Ausrichtung auf Ziele statt auf Gruppen sehr lieb. Andererseits kriegt man damit nur schwer irgendwelche Bewegungen hin. Vielleicht wär's eine stärkere Verbindung von Zielen und Gruppen, so dass man sich nicht mehr als Mitglied irgendner Sekte von irgendner Subkultur irgendeiner Bewegung sieht sondern als Teil der Gruppe, die X erreichen will.
Was denkt ihr zu dem Thema? |
Dies spiegelt in etwa das was ich letztens sagen wollte mit meinem "Tolleranz-Thread".
Ich kann mich manchmal schlecht ausdrücken.
Es gibt zeiten, wo man in jeden Menschen ein "Mitmensch" sieht, und es gibt Zeiten, wo man in jede kleine Abweichung der eigener Gruppe, ein Feindbild sieht.
Im Moment sehe ich die Zeit der Intoleranz auf den Vormarsch.
Letztendlich wird das zu eine zunehmende Stärkung der Fundamentalisten sämtlich Couleurs sein.
Das kann zu einem totalen <s>krieg</s> desaster führen.
Irgendwann kippt die Situation wieder, und alle wundern sich, was mit ihnen passiert war.
Und keine ist es wirklich gewesen. |
Hi vrolijke,
Ich glaube auch, dass es zyklische Phasen gibt. Allerdings eher bezogen auf bestimmte gesellschafts(entwicklerische) Strömungen, als auf die Gesellschaft ‘im allgemeinen’ (was immer das auch sein mag!). Was du beschreibst, empfinde ich eher als einen Welleneffekt, d.h., die Auswirkung einer gesellschaftlichen Strömung auf eine andere, und außerdem, wie die für uns persönliche Wichtigkeit der Entwicklung einer oder mehrere bestimmten Strömung/en unseren Gesamteindruck beeinfllusst.
Zu dem Zeitpunkt, an dem eine solche Strömung einen (relativen) Ausgleich schafft - und zu dem wahrscheinlich die höchste Chance auf Miteinander und Kompromissbereitschaft besteht, könnten sich Gruppierungen bilden, um den Status Quo zu erhalten und noch zu vertiefen. Doch zu diesem Zeitpunkt ist die Strömung nicht wirklich ‘kritisch’und es interessiert sich keiner besonders dafür – warum auch, wenn doch ein (relativer) Ausgleich besteht und somit ‘alles in Ordnung’ ist.
Erst wenn diese Bewegung akzeptiertes Dogma geworden ist und sich so weiterentwickelt, dass sie über ihr Ziel hinausschießt und die ‘Wippe’ auf der anderen Seite zu kippen beginnt (oder schon gekippt ist) und spürbare Nachteile enstehen, formieren sich solche Gruppierungen im Protest, als ‘Gegen’- Bewegung. Zu dem Zeitpunkt kochen die Emotionen aber schon und die Kompromissbereitschaft ist gesunken.
Solche Gruppierungen existieren auch nicht im Vakuum – im Gegenteil. Also müssen sie sich neben ihrer rein internen Konflikte (Struktur/Hierarchie, ab/einwandernde ‘Mitglieder’ etc) mit externen Entwicklungen, zum Beispiel den Formierungen von ‘Konkurrenz’-Gruppierungen und den Auswirkungen dieser Einflüsse auf die Gruppe herumschlagen. Je größer eine Gruppierung, desto wahrscheinlicher dass sie sich aufgrund der entstehenden Differenzen splittert, minimal wie diese auch sein mögen (oder gerade dann). Man muss ja keine Kompromisse machen, wenn sich doch bereits eine Gruppe von ‘Abtrünnigen’ formiert hat, die einem in dem Konfliktpunkt(en) viel näher steht. Außerdem ist die Frustration über ‘kleine’ Differenzen wesentlich größer (siehe Dr Evils Beitrag – ich kenne dieses Gefühl bei mir selbst nur allzu gut, aus meinem täglichen Berufs- und Alltagsleben).
Irgendwann erreicht die ‘Gegenbewegung’ vielleicht wieder einen Ausgleich, und der Zyklus wiederholt sich. Die Folge davon ist das Abwechseln von Toleranz-Ausgleich/Aufklärung-Intoleranz.
Ein Beispiel dafür ist Orwellian ‘Doublespeak’ – einerseits das (ursprünglich wohlintentionierte) Newspeak der Political Correctness, welche über ihr Ziel hinausschießt und schon fast zur Zensur wird, gegen das, andererseits, folgende 'befreiende' Gutmenschen-Newspeak. Beide operieren nach einem ähnlichen Schema...und merken es nicht einmal.
Es ist so ähnlich wie mit der Mode…alles kommt wieder, nur auf einer anderen Entwicklungsstufe.
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1554001) Verfasst am: 11.10.2010, 22:58 Titel: Re: Gruppendynamik in kritischen Strömungen |
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Dissonanz hat folgendes geschrieben: | Dr. Evil hat folgendes geschrieben: | Dissonanz hat folgendes geschrieben: | Mir wäre eine stärkere Ausrichtung auf Ziele statt auf Gruppen sehr lieb. |
Das dürfte schwer zu trennen sein, da sich die Gruppen ja gerade durch ihre Ziele voneinander abgrenzen. Interesant finde ich, dass sich Gruppen oft stärker bekämpfen, je näher sie inhaltlich beeinander zu sein scheinen. Abweichler "aus den eigenen Reihen" werden als größere Bedrohung empfunden als die Mitglieder einer völlig anderen Strömung.
Ich vermute, das hat mit dem Sendungsbewustsein zu tun. Viele Menschen, die glauben eine ganz tolle oder wichtige Sache zu wissen oder verstanden zu haben, verspühren das Bedürfnis, andere damit zu beglücken. Aus evolutionärer Sicht sicher eine nützliche Verhaltensweise. So werden nützliche Meme erhalten und sogar verbreitet. Leider kann dieser Mechanismus nicht unterscheiden, ob die Idee wirklich (= objektiv) gut ist. Menschen neigen dazu, dass was sie selber für subjektiv richtig halten, auch für objektiv richtig zu halten. Daraus folgt die Legitimation: "ich bin ja im Recht. Ich darf, ja muss den anderen zu seinem eigenen Nutzen überzeugen." Es liegt aber in der Natur der Sache, dass viele eben nicht im Recht sind.
Warum reagieren wir nun ärgerlicher auf geringe Abweichungen? Weil derjenige, der viel mit mir gemeinsam hat, es (meine Weisheit) doch eigentlich eher verstehen müsste. Er hat doch schon 98% verstanden, warum die letzten 2% nicht? Das ist weniger einzusehen als bei jemandem, der eine völlig andere Grundüberzeugung hat. Dass ich den nicht überzeugen kann, wundert mich nicht, deswegen ärgert es mich auch nicht. Hinzu kommt, dass mir derjenige, der mit mir zu 98% übereinstimmt, viel sympatischer ist als derjenige, bei dem es nur 43% sind. Und weil er mir sympatischer ist, ist er mir wichtiger. Je näher er mir ist, desto wichtiger wird es, ihn ganz zu überzeugen. So verkehrt sich eine an sich gut gemeinte Absicht (= an sich biologisch nützliche Verhaltensweise) in ihr Gegenteil. Denn der jeweils andere steht vor exakt der selben Situation. |
Klingt nach 'ner guten Perspektive.
Vielleicht dazu noch dieses: Wer ähnlich, fast gleich ist und dann abweicht wird als Verräter gesehen. Wer weeeiiit entfernt ist wird einfach als außerhalb der eigenen Gruppe gesehen. Beides sind Gegner, aber der eine bekommt nochmal ordentlich moralische Verurteilung ab, da er eben ein Verräter zum Gegner, statt nur ein Gegner ist. |
Ich meine auch, daß dies das Geheimnis gute Ehen ist.
Wenn man von vornherein davon ausgeht, daß das andere Wesen nun mal ganz anders ist, erträgt man das ohne Problemen.
Ehen, die darauf aufbauen, das man sich "ja sowas von ähnlich ist", scheitern daran, wenn da doch das eine oder andere vorhanden ist, wo man sich nicht einigen kann.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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