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Beschleunigt Corona die Kirchenkrise?
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#2213821) Verfasst am: 31.05.2020, 14:48    Titel: Beschleunigt Corona die Kirchenkrise? Antworten mit Zitat

Beschleunigt die Corona-Krise auch die Kirchenkrise?
Zitat:
... Das befürchtet der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Die Pandemie könnte "krisenhafte Phänomene" in der Kirche beschleunigen, "die Gottesdienste könnten noch leerer werden, die Plausibilität des christlichen Welt- und Menschenbildes könnte noch heftiger einbrechen ... die Gottesfrage könnte in der Öffentlichkeit noch mehr verstummen ..."
(Quelle: ARD Text 31.05.2020 10:26)

Warum meint er, eine Pandemie mache das christliche Weltbild (noch) unplausibler? Früher haben Menschen ja in Krisensituationen eher stärker zu unplausiblen Weltbildern tendiert. Oder meint er, daß die Menschen jetzt sogar noch unplausiblere Weltbilder plausibler finden und zu Aluhüten oder evangelikalen Superspreadern werden?

Zudem sorgt sich der Bischof natürlich auch um die Systemrelevanz der Kirchen (hab ich hier nicht zitiert). Da bekanntermaßen ihre Einnahmen zurückgehen, werde ich irgendwie den Verdacht nicht los, er will die Öffentlichkeit auf eine Geldspritze vorbereiten, so als eine Art "spirituelle Lufthansa" ... aber sicher ist das nur meine Kirchenparanoia.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2213823) Verfasst am: 31.05.2020, 14:58    Titel: Re: Beschleunigt Corona die Kirchenkrise? Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Beschleunigt die Corona-Krise auch die Kirchenkrise?
Zitat:
... Das befürchtet der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Die Pandemie könnte "krisenhafte Phänomene" in der Kirche beschleunigen, "die Gottesdienste könnten noch leerer werden, die Plausibilität des christlichen Welt- und Menschenbildes könnte noch heftiger einbrechen ... die Gottesfrage könnte in der Öffentlichkeit noch mehr verstummen ..."
(Quelle: ARD Text 31.05.2020 10:26)

Warum meint er, eine Pandemie mache das christliche Weltbild (noch) unplausibler?.


Wenn irgendetwas in den letzten Wochen sichtbar geworden ist, dann daß die Kirchen nichts zu bieten haben. Sie können ja nicht einmal sich selbst helfen. Menschen können Hilfe nur von sich selbst und anderen Menschen erwarten, nicht von irgendwelchen überirdischen Vater- oder Mutterfiguren. Damit ist auch deren Bodenpersonal entbehrlich. 

Da haben sie Jahrhundertelang einen allmächtigen Gott gepredigt, der seine Plagen schickt, wenn ihm danach ist, und auf einmal empfielt sein Bodenpersonal, einfach mal den Gottesdienst sein zu lassen und zuhause zu bleiben, bis sich der Alte wieder beruhigt hat. So etwas braucht keiner. zwinkern
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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astarte
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Anmeldungsdatum: 13.11.2006
Beiträge: 46483

Beitrag(#2213832) Verfasst am: 31.05.2020, 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

Tja es ist schon lange nicht mehr plausibel - seit der Wissenstand des Normalbürgers die Schöpfergeschichten überholt haben.

Und die beiden Ausbrüche in Frankfurt und Bremerhaven fördern auch nicht die Mär vom Schutz durch Gottvertrauen, das sich ausdrückt durch viel beten, feste glauben und laut Singen.

Kommt wohl doch nicht darauf an, sondern doch mehr auf Lüftung, Abstand, Mund-Nasen-Schutz und Klappe halten. Mr. Green
_________________
Tja
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2213838) Verfasst am: 31.05.2020, 17:45    Titel: Antworten mit Zitat

astarte hat folgendes geschrieben:
Tja es ist schon lange nicht mehr plausibel - seit der Wissenstand des Normalbürgers die Schöpfergeschichten überholt haben.

Und die beiden Ausbrüche in Frankfurt und Bremerhaven fördern auch nicht die Mär vom Schutz durch Gottvertrauen, das sich ausdrückt durch viel beten, feste glauben und laut Singen.

Kommt wohl doch nicht darauf an, sondern doch mehr auf Lüftung, Abstand, Mund-Nasen-Schutz und Klappe halten. Mr. Green

Das ist genau der Punkt!
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Zumsel
registrierter User



Anmeldungsdatum: 08.03.2005
Beiträge: 4667

Beitrag(#2213841) Verfasst am: 31.05.2020, 18:22    Titel: Antworten mit Zitat

astarte hat folgendes geschrieben:
Tja es ist schon lange nicht mehr plausibel - seit der Wissenstand des Normalbürgers die Schöpfergeschichten überholt haben.

Und die beiden Ausbrüche in Frankfurt und Bremerhaven fördern auch nicht die Mär vom Schutz durch Gottvertrauen, das sich ausdrückt durch viel beten, feste glauben und laut Singen.

Kommt wohl doch nicht darauf an, sondern doch mehr auf Lüftung, Abstand, Mund-Nasen-Schutz und Klappe halten. Mr. Green


Aber wie step ja richtig festgestellt hat, war das Theodizeeproblem historisch betrachtet nie ein wirkliches Hemmnis für den Glauben. Denn dass beten gegen Seuchen wenig hilft, konnten man auch und sogar noch viel stärker sehen als bspw. der Schwarze Tod durch Europa zog. Eher war es immer so, dass Menschen gerade in Zeiten großer Not sich selbst trotz evidenter Wirkungslosigkeit dem Glauben zuwendeten. Überhaupt haben Gläubige nicht die Angewohnheit, ihrem Gott das offensichtliche Nicherhören ihrer Gebete lange übel zu nehmen. Und das liegt vermutlich daran, dass der Aspekt der Trostsuche für die Religion wesentlicher ist als selbst die bloß innere Konsistenz des vermittelten Weltbildes. Woher die Angst des Bischofs i.d.Z. rührt, ist also eine durchaus berechtigte Frage.

Btw: Ich wusste gar nicht, dass es noch Videotext gibt. Lachen
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2213842) Verfasst am: 31.05.2020, 18:36    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
[Woher die Angst des Bischofs i.d.Z. rührt, ist also eine durchaus berechtigte Frage.

Weil bei vielen Menschen ein Perspektivwechsel stattgefunden hat. Die Bedeutung des Lebens ist größer, und damit die des „Jenseits“ kleiner geworden. Für das „Jenseits“ konnten die Kirchen alles mögliche versprechen, für das Diesseits nicht.

Je mehr die Menschen sich auf das Leben vor dem Tode konzentrieren, umso weniger brauchen sie die Kirchen als „Anstalten zur Verwaltung von Heilsgewißheiten“, wie Max Weber das so treffend nannte. Diesen Funktionsverlust spürt der Bischof, und davor hat er Angst.
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Zumsel
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Anmeldungsdatum: 08.03.2005
Beiträge: 4667

Beitrag(#2213843) Verfasst am: 31.05.2020, 18:52    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
[Woher die Angst des Bischofs i.d.Z. rührt, ist also eine durchaus berechtigte Frage.

Weil bei vielen Menschen ein Perspektivwechsel stattgefunden hat. Die Bedeutung des Lebens ist größer, und damit die des „Jenseits“ kleiner geworden. Für das „Jenseits“ konnten die Kirchen alles mögliche versprechen, für das Diesseits nicht.

Je mehr die Menschen sich auf das Leben vor dem Tode konzentrieren, umso weniger brauchen sie die Kirchen als „Anstalten zur Verwaltung von Heilsgewißheiten“, wie Max Weber das so treffend nannte. Diesen Funktionsverlust spürt der Bischof, und davor hat er Angst.


Kirche ist aber nicht dasselbe wie Glauben. Dass Gläubige sich von der Kirche als Institution abwandten und ihr Heil in Mystizismus o.ä. suchten, hat es immer schon gegeben, nur war das selten eine Abwendung von Gott sondern eben bloß von der Institution Kirche. Der Bischof spricht aber explizit davon, dass die Krise den Glauben an Gott erschüttern könnte. Daher ja vermutlich auch steps Mutmaßung, der neue Mystizismus könnte sich in Verschwörungstheorien und ähnlichem Unsinn zeigen. Und nun war die eigentliche Threadfrage wohl, so habe ich es wenigstens verstanden, ob es da noch andere Interpretationen gibt.

Diese Sache mit der Säkularisierung und der geringeren Kraft von Jenseitsversprechungen ist als allgemeiner Trend natürlich vorhanden, aber es ist ja eben nur das: ein allgemeiner Trend und hat mit der gegenwärtigen Krise und der Frage, wohin sich die in solchen Krisen üblicherweise freiwerdenden irrationalen Kräfte kanalisieren (wenn nicht ins Religiöse) wenig zu tun.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2213845) Verfasst am: 31.05.2020, 19:00    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:

Kirche ist aber nicht dasselbe wie Glauben.

Für einen Bischof vermutlich schon. Für ihn dürfte Glaubensverlust und Bedeutungsverlust seiner Kirche ins eins gehen.

Daß Religionsverlust nicht unbedingt ein Gewinn an Vernunft ist, steht auf einem anderen Blatt. Manche ersetzen einfach nur einen religiösen Glauben durch einen nichtreligiösen.

Wie überhaupt Vernunft und Rationalität längst zu Kampfbegriffen geworden sind (wenn sie je etwas anderes waren), die man sich selbst zuschreibt, und den anderen aberkennt.
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Zumsel
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Anmeldungsdatum: 08.03.2005
Beiträge: 4667

Beitrag(#2213846) Verfasst am: 31.05.2020, 19:35    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wie überhaupt Vernunft und Rationalität längst zu Kampfbegriffen geworden sind (wenn sie je etwas anderes waren), die man sich selbst zuschreibt, und den anderen aberkennt.


Nun ja, wenn man den gesamten philosophischen und wissenschaftstheoretischen Rationalismusdiskurs seit spätestens Descartes vollständig ausklammert, könnte man womöglich in Betracht ziehen, dass das zumindest keine evident absurde Meinung ist...
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2213850) Verfasst am: 31.05.2020, 20:00    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wie überhaupt Vernunft und Rationalität längst zu Kampfbegriffen geworden sind (wenn sie je etwas anderes waren), die man sich selbst zuschreibt, und den anderen aberkennt.


Nun ja, wenn man den gesamten philosophischen und wissenschaftstheoretischen Rationalismusdiskurs seit spätestens Descartes vollständig ausklammert, könnte man womöglich in Betracht ziehen, dass das zumindest keine evident absurde Meinung ist...

Descartes suchte nach dem Archimedischen Punkt der Erkenntnis, und fand ihn in seinem eigenen Denken. Der typische Irrtum eines Philosophen, der vielleicht vieles skeptisch betrachtet, aber nicht die eigene Rationalität. Wobei, Descartes selbst tut man vielleicht Unrecht. Er fand Sicherheit am Ende im Glauben daran, daß die Existenz Gottes die Zuverlässigkeit empirischer Beobachtungen garantiere. Gott sei schließlich kein Betrüger. Schon ein bißchen mehr als „cogito ergo sum“, aber eben auch sehr irrtumsanfällig. zwinkern
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Zumsel
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Anmeldungsdatum: 08.03.2005
Beiträge: 4667

Beitrag(#2213865) Verfasst am: 31.05.2020, 21:44    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wie überhaupt Vernunft und Rationalität längst zu Kampfbegriffen geworden sind (wenn sie je etwas anderes waren), die man sich selbst zuschreibt, und den anderen aberkennt.


Nun ja, wenn man den gesamten philosophischen und wissenschaftstheoretischen Rationalismusdiskurs seit spätestens Descartes vollständig ausklammert, könnte man womöglich in Betracht ziehen, dass das zumindest keine evident absurde Meinung ist...

Descartes suchte nach dem Archimedischen Punkt der Erkenntnis, und fand ihn in seinem eigenen Denken. Der typische Irrtum eines Philosophen, der vielleicht vieles skeptisch betrachtet, aber nicht die eigene Rationalität. Wobei, Descartes selbst tut man vielleicht Unrecht. Er fand Sicherheit am Ende im Glauben daran, daß die Existenz Gottes die Zuverlässigkeit empirischer Beobachtungen garantiere. Gott sei schließlich kein Betrüger. Schon ein bißchen mehr als „cogito ergo sum“, aber eben auch sehr irrtumsanfällig. zwinkern


Und das macht den cartesischen Rationalismus zu einem "Kampfbegriff"?
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rosbud
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Anmeldungsdatum: 08.12.2019
Beiträge: 189

Beitrag(#2213867) Verfasst am: 31.05.2020, 22:07    Titel: Re: Beschleunigt Corona die Kirchenkrise? Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Beschleunigt die Corona-Krise auch die Kirchenkrise?
Zitat:
... Das befürchtet der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Die Pandemie könnte "krisenhafte Phänomene" in der Kirche beschleunigen, "die Gottesdienste könnten noch leerer werden, die Plausibilität des christlichen Welt- und Menschenbildes könnte noch heftiger einbrechen ... die Gottesfrage könnte in der Öffentlichkeit noch mehr verstummen ..."
(Quelle: ARD Text 31.05.2020 10:26)

Warum meint er, eine Pandemie mache das christliche Weltbild (noch) unplausibler?.


Wenn irgendetwas in den letzten Wochen sichtbar geworden ist, dann daß die Kirchen nichts zu bieten haben. Sie können ja nicht einmal sich selbst helfen. Menschen können Hilfe nur von sich selbst und anderen Menschen erwarten, nicht von irgendwelchen überirdischen Vater- oder Mutterfiguren. Damit ist auch deren Bodenpersonal entbehrlich. 

Da haben sie Jahrhundertelang einen allmächtigen Gott gepredigt, der seine Plagen schickt, wenn ihm danach ist, und auf einmal empfielt sein Bodenpersonal, einfach mal den Gottesdienst sein zu lassen und zuhause zu bleiben, bis sich der Alte wieder beruhigt hat. So etwas braucht keiner. zwinkern


So hat selbst eine Pandemie was gutes. Sehr glücklich
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2213871) Verfasst am: 31.05.2020, 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Und das macht den cartesischen Rationalismus zu einem "Kampfbegriff"?

Nein, nur sein praktischer Gebrauch in der politischen Auseinandersetzung, in der jeder, der anderer Ansicht ist als man selbst, als irrational verschrien wird.
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schtonk
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 17.12.2013
Beiträge: 12078

Beitrag(#2213878) Verfasst am: 31.05.2020, 23:32    Titel: Re: Beschleunigt Corona die Kirchenkrise? Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Beschleunigt die Corona-Krise auch die Kirchenkrise?
Zitat:
... Das befürchtet der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Die Pandemie könnte "krisenhafte Phänomene" in der Kirche beschleunigen, "die Gottesdienste könnten noch leerer werden, die Plausibilität des christlichen Welt- und Menschenbildes könnte noch heftiger einbrechen ... die Gottesfrage könnte in der Öffentlichkeit noch mehr verstummen ..."
(Quelle: ARD Text 31.05.2020 10:26)(...)


Er hat ja nicht unrecht. Gott sei Dank Cool werden in diesen Zeiten meistens der Wissenschaft die relevanten Fragen gestellt, nicht irgendwelchen antiquierten Schamanen.

Bätzing stellt auch die Regeln einer vernünftigen Gesundheitsvorsorge in Frage zugunsten verdummender Religiosität:

Zitat:
Mit Enttäuschung nehme ich allerdings zur Kenntnis, dass das Verbot von öffentlichen Gottesdiensten aller Religionsgemeinschaften derzeit erhalten bleiben soll.


Zu allem Überfluss stellt er sich und die anderen kirchlichen Oberen noch als gerneröse Opfer in Szene:

Zitat:
Wir haben das Verbot von Versammlungen zur Religionsausübung bisher hingenommen, weil wir dieses Verbot vorübergehend für angemessen hielten und damit unseren möglichen Beitrag zur Eindämmung der Corona-Virus-Pandemie leisten wollten.


Beide Zitate aus https://www.dbk.de/nc/presse/aktuelles/meldung/bischof-dr-georg-baetzing-zu-den-corona-massnahmen-der-bundesregierung/detail/detail/detail/detail/
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Petrus
registrierter User



Anmeldungsdatum: 21.07.2003
Beiträge: 194
Wohnort: Franke im bayerischen Ausland

Beitrag(#2215348) Verfasst am: 15.06.2020, 20:32    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:

Kirche ist aber nicht dasselbe wie Glauben.

Für einen Bischof vermutlich schon. Für ihn dürfte Glaubensverlust und Bedeutungsverlust seiner Kirche ins eins gehen.


nun, Marcellinus,

der Bischof kann sich ausruhen. er kriegt sein "Gehalt".

sicher jeden Monat, pünktlich.
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VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 2951

Beitrag(#2215442) Verfasst am: 17.06.2020, 06:54    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Für einen Bischof vermutlich schon. Für ihn dürfte Glaubensverlust und Bedeutungsverlust seiner Kirche ins eins gehen.

zumindest könnte es seinem Interesse entsprechen beides nach außen als eins darzustellen.
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Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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kereng
Privateer



Anmeldungsdatum: 12.12.2006
Beiträge: 3016
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#2215486) Verfasst am: 17.06.2020, 16:29    Titel: Antworten mit Zitat

Abendzeitung München - Interview mit Pfarrer Rainer Maria Schießler über die Tatsache, dass im vergangenen Jahr so viele Münchnerinnen und Münchner wie nie zuvor aus einer der großen Glaubensgemeinschaften ausgetreten sind.

Zitat:
Bedrängender kommt jetzt die Erfahrung aus der Corona-Pandemie hinzu, die uns als Kirche für Wochen weggefegt und überflüssig gemacht zu haben scheint. Jetzt fragen sich noch mehr Leute: Wozu brauche ich die noch?
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2215500) Verfasst am: 17.06.2020, 18:36    Titel: Antworten mit Zitat

kereng hat folgendes geschrieben:
Abendzeitung München - Interview mit Pfarrer Rainer Maria Schießler über die Tatsache, dass im vergangenen Jahr so viele Münchnerinnen und Münchner wie nie zuvor aus einer der großen Glaubensgemeinschaften ausgetreten sind.

Zitat:
Bedrängender kommt jetzt die Erfahrung aus der Corona-Pandemie hinzu, die uns als Kirche für Wochen weggefegt und überflüssig gemacht zu haben scheint. Jetzt fragen sich noch mehr Leute: Wozu brauche ich die noch?

Der hat das Problem nicht verstanden. Einerseits träumt er sich zurück in eine Zeit von Jesus (mag es ihn gegeben haben oder nicht), als es noch gar keine Kirche gab, und die Anhänger mit ein paar Händen zu zählen waren. Soviele bekäme man auch heute locker hin. Andererseits míßt er den Mißerfolg seines Glaubensvereins an Zahlen einer Volkskirche, die es damals noch nicht, und heute nicht mehr gibt.

Bis die Kirche unter Theodosius zur Zwangsveranstaltung wurde, hatte sie zwischen 5 und 15% der damaligen Bevölkerung erreicht, was sehr viel wäre. Heute haben die Kirchen noch ca. 50% der Bevölkerung. Sie haben also nicht zu wenige, sondern zu viele Mitglieder, und die meisten aus Traditionsgründen, oder Zwangstaufen oder weil sie sich sonstige Nachteile befürchten. Eigentlich sollte er eher darauf sehen, daß nur die in der Kirche verbleiben, die das aus freien Stücken tun, als zu jammern, daß es weniger sind als früher, wo der soziale Druck die Kirchen füllte.
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Chinasky
dirty ol' man



Anmeldungsdatum: 27.03.2006
Beiträge: 1257
Wohnort: Hoher Norden

Beitrag(#2220513) Verfasst am: 17.08.2020, 11:37    Titel: Antworten mit Zitat

Ein paar unzusammenhängende Gedankenschnipsel zum Thema:
1. Die im praktischen Alltag merkbaren Folgen der Corona-Pandemie sind anders gewichtet, als es die Folgen früherer Pandemien (hier wurde die Pest als Beispiel genannt) waren, während deren Grassieren die Menschen "Zuflucht" im religiösen Glauben suchten: die Todesopferzahl ist in Relation zu den wirtschaftlichen Folgen beinahe irrelevant. Wem heute "Corona" in den Sinn kommt, dem kommt nicht so sehr als nächste in der Assoziationekette die eigene Sterblichkeit, die Frage nach dem Jenseits in den Sinn - sondern (sinngemäß) die Frage, ob es sich lohnt, für's kommende Geschäftsquartal Ware vorzubestellen. Auf die tatsächlich sich in der Corona-Krise stellenden wichtigen Fragen gibt die Religion keine Antworten. Die Ängste, die sich an dieser Pandemie festmachen, werden von den Kirchen nicht wirklich adressiert.

2. Alle jammmern in dieser Krise: Fluglinienbetreiber, Landwirte, Zulieferer für SUV-Fabriken, Bordellbetreiber, Girlgroup-Agenten, Berufsschulenmensa-Caterer, Kreuzschifffahrtsmatrosen, Konfettihersteller und Rosenmontagsumzugswagendesigner. Wer nicht jammert, riskiert, als "auch betroffenes Opfer" übersehen zu werden. Ein Unternehmen, dass nichts Handfestes produziert und somit immer auf Zuwendungen/Zuteilungen angewiesen ist, würde (im Sinne seiner Shareholder) ganz besonders unverantwortlich handeln, verzichtete es in der Krise auf's Jammern. #Metoo hat sich als aufmerksamkeitsökonomisch sinnvolle Handlungsstrategie erwiesen: "Auch mir ist Schlimmes widerfahren und ich will nicht länger verschämt über das Unbill schweigen!" Ob pockennarbig-dicker Weinstein oder kugelig-hinterhältiges Virus: die Täter mögen variieren, Solidarität kann nur abgreifen, wer als Opfer anerkannt wird.
Wer nicht jammert, wird bei der Konzeptierung der nächsten billionenschweren Rettungspakete und "Schutzmaßnahmenerleichterungsvorhaben" nicht auf den Listen stehen und unberücksichtigt bleiben. Der kluge Kirchenmanager hat dem vorzubeugen.

3.Religion ist zu 1% Lehrinhalt, zu 99% soziale Praxis. Das wissen wir schon seit Langem: nicht per Überzeugtsein von der Stimmigkeit des theologischen Anwortangebots* auf sich dringend stellende "letzte Fragen" gerät der nach Orientierung Suchende in die Kirchesteuerzahlerstatistik, sondern per Sozialisation. Der Mehrwert am Christsein für den Kirchenkunden liegt nicht in der epistemologischen Hilfestellung durch den Herrn Pastor. Sondern im Gemeinschaftsgefühl, das durch Gottesdienste, Bibelkreise, kirchliche Jugendfreizeiten, christliche Bläsergruppen und Worship-Festivals gepampert wird.
Social Distanzing ist für all das Gift. Wozu noch sich Sonntagvormittag aufraffen, wenn in der Kirche nicht mehr gemeinsam gesungen werden darf? Kirchenleben ist Eventorganisation: man frage mal die Pastorin, den Pfarrer seines Vertrauens, wann sie die meisten positiven "Rückmeldungen" kriegen: Nach einer schönen Taufe, Konfirmationsfeier, Hochzeit oder Beerdigung. Kurz: wenn die Theatervorführung irgendwie ergreifend war. In der Coronakrise trifft es - die Kulturseiten sind voll davon - die Theaterszene ganz besonders heftig: das Kerngeschäft der Kirchen besteht nun mal in der Theaterinszenierung. Selbst wenn also die Todesopferzahlen durch Corona höher wären - die Kirchen hätten diesmal wenig davon, denn "schöne Beerdigungen" könnten sie dennoch nicht in's Saisonprogramm nehmen.

4. Aus anti-religiöser Perspektive sollte man Krisenmeldungen aus dem organisierten Religionsbetrieb ähnlich vorsichtig zur Kenntnis nehmen wie Wahlprognosen, die Trump schon auf verlorenem Posten hinsichtlich der kommenden Wahlen verorten: es hört sich womöglich zu schön an, um am Ende auch wahr zu sein. Wenn ein Karstadt-CEO über sinkende Umsätze klagt, womöglich nur, um die Mietkosten für Liegenschaften in der Innenstadt zu drücken, ist damit noch wenig über das Ende der Konsumismus-Ära ausgesagt.



*irgendein Schlauer hat es einst - angesichts der vielfachen Erfahrung, wie wenig Fromme sich per logischer Argumentation erreichen lassen - so formuliert: "Leute, die nicht per Vernunftgründen zum Glauben gekommen sind, werden sich auch nicht aus Vernunftgründen von ihm abewenden."
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vrolijke
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Beiträge: 46311
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Beitrag(#2220515) Verfasst am: 17.08.2020, 12:05    Titel: Antworten mit Zitat

Kurz gefasst. Kirche ist heutzutage keine Glaubensgemeinschaft, sondern Folklore- oder Traditionsverein.
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Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm

Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2220516) Verfasst am: 17.08.2020, 13:02    Titel: Antworten mit Zitat

@Chinasky
Schön beobachtet, schön geschrieben! Smilie
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Friedrich Nietzsche
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#2220518) Verfasst am: 17.08.2020, 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

Chinasky hat folgendes geschrieben:
4. Aus anti-religiöser Perspektive sollte man Krisenmeldungen aus dem organisierten Religionsbetrieb ähnlich vorsichtig zur Kenntnis nehmen wie Wahlprognosen, die Trump schon auf verlorenem Posten hinsichtlich der kommenden Wahlen verorten: es hört sich womöglich zu schön an, um am Ende auch wahr zu sein.

Die Kirchen sind doch eh schon durch Grosskonzerne abgelöst worden, die geben jetzt an was "geglaubt" werden soll, die geben Richtung vor, das sind die heutigen Kirchen.
Heutige Kirchen erkennt man wie früher an Kathedralen, heute können das zB Glastürme sein.

Bei alten Kirchen kann man Rituale kaufen, für die Geburt, Erwachsenwerden, Hochzeit, Tod. Das werden viele nicht aufgeben wollen, und damit auch die Institution hinter dem Ritual nicht. Es sei denn eine attraktive Alternative wird von Nicht-Kirche angeboten.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25404

Beitrag(#2220519) Verfasst am: 17.08.2020, 13:21    Titel: Antworten mit Zitat

Chinasky hat folgendes geschrieben:
*irgendein Schlauer hat es einst - angesichts der vielfachen Erfahrung, wie wenig Fromme sich per logischer Argumentation erreichen lassen - so formuliert: "Leute, die nicht per Vernunftgründen zum Glauben gekommen sind, werden sich auch nicht aus Vernunftgründen von ihm abewenden."


Sind es nicht so gut wie alle, die nicht aus Vernunft zum Glauben kommen, aber aus Vernunftsgründen sich von ihm abwenden?

übrigens schön dich mal wieder zu lesen
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vrolijke
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Anmeldungsdatum: 15.03.2007
Beiträge: 46311
Wohnort: Stuttgart

Beitrag(#2220520) Verfasst am: 17.08.2020, 13:27    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Chinasky hat folgendes geschrieben:
*irgendein Schlauer hat es einst - angesichts der vielfachen Erfahrung, wie wenig Fromme sich per logischer Argumentation erreichen lassen - so formuliert: "Leute, die nicht per Vernunftgründen zum Glauben gekommen sind, werden sich auch nicht aus Vernunftgründen von ihm abewenden."


Sind es nicht so gut wie alle, die nicht aus Vernunft zum Glauben kommen, aber aus Vernunftsgründen sich von ihm abwenden?

übrigens schön dich mal wieder zu lesen


Es soll sogar welche geben, die bewusst wegen Glauben in eine Kirche eintreten. Aber ich denke, dass das tatsächlich eine sehr sehr kleine Minderheit ist. Die überwiegende "Gläubigen" sind durch Geburt Mitglied, oder treten ein, weil der Partner drinn ist.
Aus Vernunftsgründe, kann man eigentlich nur austreten.
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Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm

Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2220521) Verfasst am: 17.08.2020, 13:44    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Chinasky hat folgendes geschrieben:
*irgendein Schlauer hat es einst - angesichts der vielfachen Erfahrung, wie wenig Fromme sich per logischer Argumentation erreichen lassen - so formuliert: "Leute, die nicht per Vernunftgründen zum Glauben gekommen sind, werden sich auch nicht aus Vernunftgründen von ihm abewenden."


Sind es nicht so gut wie alle, die nicht aus Vernunft zum Glauben kommen, aber aus Vernunftsgründen sich von ihm abwenden?

Ich denke, da hast du den Spruch mißverstanden. Die meisten sind nicht aus Vernunftgründen zur Religion gekommen, ich würde sogar noch weiter gehen, und sagen, niemand kommt heute noch aus Vernunftsgründen zur Religion. Die meisten sind per Tradition zur Religion gekommen, oder besser: zu ihrem jeweiligem Glaubensverein. Und die meisten wenden sich von dem auch aus dem gleichen Grund wieder ab: wegen Traditionsabbruch, sei es daß sie nicht mehr dazu erzogen wurden, ihre Gemeinde geschlossen wurde oder sie weggezogen sind, die Kinder aus der Schule, oder die Erbtante aus dem Leben - in den meisten Fällen sind es keine „Vernunftsgründe“. Man hat nicht darüber nachgedacht, als man noch drin war, und auch nicht, als man gegangen ist.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25404

Beitrag(#2220523) Verfasst am: 17.08.2020, 13:51    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Chinasky hat folgendes geschrieben:
*irgendein Schlauer hat es einst - angesichts der vielfachen Erfahrung, wie wenig Fromme sich per logischer Argumentation erreichen lassen - so formuliert: "Leute, die nicht per Vernunftgründen zum Glauben gekommen sind, werden sich auch nicht aus Vernunftgründen von ihm abewenden."


Sind es nicht so gut wie alle, die nicht aus Vernunft zum Glauben kommen, aber aus Vernunftsgründen sich von ihm abwenden?

Ich denke, da hast du den Spruch mißverstanden. Die meisten sind nicht aus Vernunftgründen zur Religion gekommen, ich würde sogar noch weiter gehen, und sagen, niemand kommt heute noch aus Vernunftsgründen zur Religion. Die meisten sind per Tradition zur Religion gekommen, oder besser: zu ihrem jeweiligem Glaubensverein. Und die meisten wenden sich von dem auch aus dem gleichen Grund wieder ab: wegen Traditionsabbruch, sei es daß sie nicht mehr dazu erzogen wurden, ihre Gemeinde geschlossen wurde oder sie weggezogen sind, die Kinder aus der Schule, oder die Erbtante aus dem Leben - in den meisten Fällen sind es keine „Vernunftsgründe“. Man hat nicht darüber nachgedacht, als man noch drin war, und auch nicht, als man gegangen ist.


Interessant. Zweierlei Verständnisse sind möglich. Um ehrlich zu sein, ich habe nicht den ganzen Text gelesen, sondern nur den letzten Absatz.
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Chinasky
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Anmeldungsdatum: 27.03.2006
Beiträge: 1257
Wohnort: Hoher Norden

Beitrag(#2220526) Verfasst am: 17.08.2020, 15:14    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Chinasky hat folgendes geschrieben:
*irgendein Schlauer hat es einst - angesichts der vielfachen Erfahrung, wie wenig Fromme sich per logischer Argumentation erreichen lassen - so formuliert: "Leute, die nicht per Vernunftgründen zum Glauben gekommen sind, werden sich auch nicht aus Vernunftgründen von ihm abewenden."


Sind es nicht so gut wie alle, die nicht aus Vernunft zum Glauben kommen, aber aus Vernunftsgründen sich von ihm abwenden?



Ich verstehe diese Frage nicht so richtig. Worauf bezieht sich "es"?
Ich denke, dass so gut wie niemand sich aus seiner Religionsgemeinschaft wegen "Vernunftgründen" verabschiedet. Also entsprechend dem Ideal-Mechanismus, nach welchem das bessere Argument "sticht": dass gestern die jeweilige theologische Lehre als richtig verstanden/geglaubt wurde, dann ein kritisches Gegenargument kommt, welches einen logischen Widerspruch darin aufweist, und hernach dann eben das theologische Konzept, aufgrund der erkannten logischen Inkonsistenz, verworfen wird.

Anders herum formuliert: Die Leute verbleiben nicht in ihrer Religionsgemeinschaft, weil sie die Lehre, das basale ideologische Konzept, als so überzeugend und stimmig betrachten.

Was sie vielmehr darin hält - so meine Überzeugung - sind bei der kompakten Majorität emotionale und/oder soziale Bindungen, die von die Stimmigkeit der Lehre betreffenden kritischen Einwänden überhaupt nicht adressiert werden. Wer sich in seiner Gemeinde wohl fühlt, den tangiert die ganze Zirkellogik der jeweiligen Heils-Metaphysik (Gott läßt, um eine Beziehung mit den in die Sünde gefallenen Menschen aufbauen zu können, sich selbst in Menschenform totfoltern, weil er den Menschen anders ihr So-Sein nicht vergeben könnte) nicht die Bohne.
Wie überhaupt theologische Fragen für die in ihre Religion hineinsozialisierten Menschen äußerst nachrangig sind. Ich kenne mehrere Christen, die ganz offen zugeben, auf das Theodizee-Problem keine Lösung zu haben. Sie "lassen die Frage einfach offen" oder freuen sich, darauf angesprochen, angeblich darauf, die Angelegenheit später, im Paradies, von Jesus/Gott erklärt zu bekommen. Kurz: Es interessiert sie effektiv gar nicht, ob's stimmig oder widersinnig ist.


zelig hat folgendes geschrieben:
übrigens schön dich mal wieder zu lesen

Danke! Smilie
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Chinasky
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Anmeldungsdatum: 27.03.2006
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Beitrag(#2220528) Verfasst am: 17.08.2020, 15:41    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Kurz gefasst. Kirche ist heutzutage keine Glaubensgemeinschaft, sondern Folklore- oder Traditionsverein.

Das ist seeehr kurz gefaßt! Sehr glücklich

Ich habe ein paar Musiker im Freundeskreis, darunter auch ein reiner Jazzmusiker. Für den ist bis auf Weiteres Schicht im Schacht. Genau das, was sein berufliches Zentrum war, der Live-Auftritt in (zumeist) eher kleinen Locations, die dann aber, damit sich's rechnet, wenigstens gut voll sein müssen beim Konzert, ist nun vorbei. Das Publikum, für das er üblicherweise spielte, wollte genau dies: nettes, gemütliches, eng aneinandersitzendes Beisammensein, am besten so nah an der Bühne, dass man den Luftschwall aus dem Saxophon in den (zunehmend schütteren) Haaren spüren kann. Dafür zahlte es, für diese Art Event. Nicht für den schieren Kunstgenuß, den kann man daheim haben, wo ja ohnehin noch nicht alle CDs, die sich so im Sammlerregal aneinanderreihen, schon komplett durchgehört wurden.
Wie die Jazzliebhaber in die Szenekneipe, so pilgern die Gläubigen in die Kirche: um bei einer bestimmten, liebgewonnenen Art von Vorführung dabei sein zu können.

Und wenn diese Vorführung nun ausfällt - dann fällt das Wesentliche weg.

Kirche ist weniger Folklore- und Traditionsverein (denen geht es immer auch irgendwie um einen kulturellen Inhalt) als vielmehr Eventorganisator (die bieten ihrer Kundschaft Entertainment). Falls meine Einschätzung richtig sein sollte.
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sehr gut
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#2220529) Verfasst am: 17.08.2020, 15:59    Titel: Antworten mit Zitat

Chinasky hat folgendes geschrieben:
Und wenn diese Vorführung nun ausfällt - dann fällt das Wesentliche weg.

Kirche ist weniger Folklore- und Traditionsverein (denen geht es immer auch irgendwie um einen kulturellen Inhalt) als vielmehr Eventorganisator (die bieten ihrer Kundschaft Entertainment). Falls meine Einschätzung richtig sein sollte.

Bei "Christ" geht es eigentlich um inneren Antrieb, keine äussere Animation/Animateure. Wo es um äussere Animation geht da geht es auch nicht um "Christentum", das wär irgendwas anders.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2220530) Verfasst am: 17.08.2020, 16:03    Titel: Antworten mit Zitat

sehr gut hat folgendes geschrieben:

Bei "Christ" geht es eigentlich um inneren Antrieb, keine äussere Animation/Animateure.

Von den wenigen, bei denen das so ist, kann aber keine Kirche leben. OK, vielleicht die eine oder andere Freikirche. zwinkern
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Friedrich Nietzsche
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