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AfD
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25404

Beitrag(#2220707) Verfasst am: 19.08.2020, 13:54    Titel: Antworten mit Zitat

Das sind echte Männerfreundschaften, wo man sich mit einem zünftigen Milzriss begrüßt.
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vrolijke
Bekennender Pantheist
Moderator



Anmeldungsdatum: 15.03.2007
Beiträge: 46311
Wohnort: Stuttgart

Beitrag(#2220708) Verfasst am: 19.08.2020, 14:02    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Das sind echte Männerfreundschaften, wo man sich mit einem zünftigen Milzriss begrüßt.


Lachen
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Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm

Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Alchemist
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Anmeldungsdatum: 03.08.2004
Beiträge: 27888
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#2220713) Verfasst am: 19.08.2020, 15:03    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Das sind echte Männerfreundschaften, wo man sich mit einem zünftigen Milzriss begrüßt.


Lachen


Gröhl...

oder auch:

https://www.der-postillon.com/2020/08/kalbitz-sagt-tschuess.html
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beachbernie
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Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#2220740) Verfasst am: 19.08.2020, 18:50    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
"Die Arbeiter" sind klarerweise der entscheidende Faktor bei der Gegenfinanzierung rechts"populistischer" Organisationen, Parteistrukturen und Propagandamittel. noc


Wobei stets die Legende gepflegt wird, die AfD habe ihre Massenbasis vorwiegend bei *den Arbeitern*.

Was eben nicht stimmt:

https://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=2125764#2125764


Finanzieren tut die Arbeiterklasse die AfD vielleicht nicht, aber z.B. bei der letzten Europawahl wählten mehr Arbeiter die AfD als die SPD und die Linke zusammen:

https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2019-05-26-EP-DE/umfrage-job.shtml


Man sollte insbesondere bei denen, die sich gerne selbst als "natürliche Interessenvertretung der Arbeiterklasse" sehen, mal kurz innehalten ob man sich da nicht selbst was vormacht und mal nüchtern darueber reflektieren was aus der einstmals so starken und interessenbewussten Proletarierklasse mittlerweile geworden ist. Ich sehe da heute zum grossen Teil einen degenerierten Haufen Populistenfutter, dem die Verteidigung des eigenen Status Quo gegenueber allem, was von unten nachdrängt, ueber alles geht, ueber die einstmals vielgerühmte "Arbeitersolidarität" sowieso .

Dies ist uebrigens ein internationaler Trend, der bisher in den USA seinen verheerendsten Niederschlag gefunden hat, aber auch in Deutschland spürbar ist.
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2221840) Verfasst am: 26.08.2020, 18:29    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
"Die Arbeiter" sind klarerweise der entscheidende Faktor bei der Gegenfinanzierung rechts"populistischer" Organisationen, Parteistrukturen und Propagandamittel. noc


Wobei stets die Legende gepflegt wird, die AfD habe ihre Massenbasis vorwiegend bei *den Arbeitern*.

Was eben nicht stimmt:

https://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=2125764#2125764


Finanzieren tut die Arbeiterklasse die AfD vielleicht nicht, aber z.B. bei der letzten Europawahl wählten mehr Arbeiter die AfD als die SPD und die Linke zusammen:

https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2019-05-26-EP-DE/umfrage-job.shtml

Man sollte insbesondere bei denen, die sich gerne selbst als "natürliche Interessenvertretung der Arbeiterklasse" sehen, mal kurz innehalten ob man sich da nicht selbst was vormacht und mal nüchtern darueber reflektieren was aus der einstmals so starken und interessenbewussten Proletarierklasse mittlerweile geworden ist. Ich sehe da heute zum grossen Teil einen degenerierten Haufen Populistenfutter, dem die Verteidigung des eigenen Status Quo gegenueber allem, was von unten nachdrängt, ueber alles geht, ueber die einstmals vielgerühmte "Arbeitersolidarität" sowieso .

Dies ist uebrigens ein internationaler Trend, der bisher in den USA seinen verheerendsten Niederschlag gefunden hat, aber auch in Deutschland spürbar ist.


Auch der durchschnittliche Wähler der AfD ist ähnlich wie der von Trump keineswegs ein schlecht gestellter Arbeiter, sondern ein Angehöriger der immerhin durchschnittlich gebildeten und gut verdienenden Mittelschicht:

Zitat:
Die Wählerschaft der Partei ist heterogen. Die meisten AfD-Wähler sind männlich, älter als 30 Jahre, durchschnittlich gebildet, und verdienen gut. Auch die Daten von YouGov bestätigen: Die AfD-Wähler sind nicht das, was man gemeinhin "die kleinen Leute" nennt.

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-08/afd-waehler-terrorbekaempfung-integration


Dennoch gebe ich dir Recht, dass die Anteil der AfD bei Arbeitern entschieden zu hoch ist, dafür dass diese Partei im Geiste von Hayek und den Chicago Boys eine eiskalte neoliberale Politik vertritt, die mit den objektiven Interessen der Beschäftigten so gut wie nichts zu tun hat.
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2221844) Verfasst am: 26.08.2020, 18:32    Titel: Antworten mit Zitat

Doch so traurig das Wahlverhalten vieler Lohnarbeiter in bezug auf die AfD zuweilen ist, so sehr sind ihre spießbürgerlichen Follower teilweise auch ein Grund zum Schmunzeln:

Kalkofes Mattscheibe | Merkel ich finde dich! | Gruß aus dem Irrenhaus

Gute Satire in schlechten politischen Zeiten von Olli Kalkofe! Daumen hoch!
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beachbernie
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Beiträge: 45792
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Beitrag(#2221909) Verfasst am: 26.08.2020, 23:05    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
"Die Arbeiter" sind klarerweise der entscheidende Faktor bei der Gegenfinanzierung rechts"populistischer" Organisationen, Parteistrukturen und Propagandamittel. noc


Wobei stets die Legende gepflegt wird, die AfD habe ihre Massenbasis vorwiegend bei *den Arbeitern*.

Was eben nicht stimmt:

https://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=2125764#2125764


Finanzieren tut die Arbeiterklasse die AfD vielleicht nicht, aber z.B. bei der letzten Europawahl wählten mehr Arbeiter die AfD als die SPD und die Linke zusammen:

https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2019-05-26-EP-DE/umfrage-job.shtml

Man sollte insbesondere bei denen, die sich gerne selbst als "natürliche Interessenvertretung der Arbeiterklasse" sehen, mal kurz innehalten ob man sich da nicht selbst was vormacht und mal nüchtern darueber reflektieren was aus der einstmals so starken und interessenbewussten Proletarierklasse mittlerweile geworden ist. Ich sehe da heute zum grossen Teil einen degenerierten Haufen Populistenfutter, dem die Verteidigung des eigenen Status Quo gegenueber allem, was von unten nachdrängt, ueber alles geht, ueber die einstmals vielgerühmte "Arbeitersolidarität" sowieso .

Dies ist uebrigens ein internationaler Trend, der bisher in den USA seinen verheerendsten Niederschlag gefunden hat, aber auch in Deutschland spürbar ist.


Auch der durchschnittliche Wähler der AfD ist ähnlich wie der von Trump keineswegs ein schlecht gestellter Arbeiter, sondern ein Angehöriger der immerhin durchschnittlich gebildeten und gut verdienenden Mittelschicht:

Zitat:
Die Wählerschaft der Partei ist heterogen. Die meisten AfD-Wähler sind männlich, älter als 30 Jahre, durchschnittlich gebildet, und verdienen gut. Auch die Daten von YouGov bestätigen: Die AfD-Wähler sind nicht das, was man gemeinhin "die kleinen Leute" nennt.

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-08/afd-waehler-terrorbekaempfung-integration


Dennoch gebe ich dir Recht, dass die Anteil der AfD bei Arbeitern entschieden zu hoch ist, dafür dass diese Partei im Geiste von Hayek und den Chicago Boys eine eiskalte neoliberale Politik vertritt, die mit den objektiven Interessen der Beschäftigten so gut wie nichts zu tun hat.



Dein Verständnisproblem scheint mir zu sein, dass Du nicht begreifen kannst, dass die klassischen Industriearbeiter nicht wie zu Marxens Zeiten "schlecht gestellt" sind, sondern heute zur Mittelschicht gehören und an denen die klassische marxistische Propaganda dementsprechend wirkungslos abprallt bzw. denen eher Angst um ihre Besitzstände macht als zu revolutionären Abenteuern aufzustacheln.


Hier nochmal zur Verdeutlichung, was Industriearbeiter sogar im Turbokapitalismusland USA so verdienen:

https://datausa.io/profile/naics/manufacturing

https://www.indeed.com/career/miner/salaries


Das sind längst keine verelendeten Massen mehr und in Deutschland sind die eher noch besser gestellt.


Wirklich schlecht gestellt ist demgegenueber die "Klasse" der Prekären, die wiederum ein Sammelsurium aus grundverschiedenen Gruppen mit grundverschiedenen und oft sogar gegensätzlichen Interessen darstellt, weshalb die nur sehr schlecht bis gar nicht organisierbarr sind im Gegensatz zur früheren klassischen Arbeiterklasse.
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TheStone
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Beiträge: 761

Beitrag(#2221910) Verfasst am: 26.08.2020, 23:15    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:


Wirklich schlecht gestellt ist demgegenueber die "Klasse" der Prekären, die wiederum ein Sammelsurium aus grundverschiedenen Gruppen mit grundverschiedenen und oft sogar gegensätzlichen Interessen darstellt, weshalb die nur sehr schlecht bis gar nicht organisierbarr sind im Gegensatz zur früheren klassischen Arbeiterklasse.


Der prekäre Fließbandarbeiter bei der Zeitarbeitsfirma ist also kein Industriearbeiter?

Erst die, denen's am schlechtesten geht rausrechnen und dann zu erzählen wie toll es Arbeitern geht könnte fast ne Idee von Friedrich Merz sein...
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2221917) Verfasst am: 27.08.2020, 07:14    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Auch der durchschnittliche Wähler der AfD ist ähnlich wie der von Trump keineswegs ein schlecht gestellter Arbeiter, sondern ein Angehöriger der immerhin durchschnittlich gebildeten und gut verdienenden Mittelschicht:

Zitat:
Die Wählerschaft der Partei ist heterogen. Die meisten AfD-Wähler sind männlich, älter als 30 Jahre, durchschnittlich gebildet, und verdienen gut. Auch die Daten von YouGov bestätigen: Die AfD-Wähler sind nicht das, was man gemeinhin "die kleinen Leute" nennt.

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-08/afd-waehler-terrorbekaempfung-integration


Dennoch gebe ich dir Recht, dass die Anteil der AfD bei Arbeitern entschieden zu hoch ist, dafür dass diese Partei im Geiste von Hayek und den Chicago Boys eine eiskalte neoliberale Politik vertritt, die mit den objektiven Interessen der Beschäftigten so gut wie nichts zu tun hat.


Dein Verständnisproblem scheint mir zu sein, dass Du nicht begreifen kannst, dass die klassischen Industriearbeiter nicht wie zu Marxens Zeiten "schlecht gestellt" sind, sondern heute zur Mittelschicht gehören und an denen die klassische marxistische Propaganda dementsprechend wirkungslos abprallt bzw. denen eher Angst um ihre Besitzstände macht als zu revolutionären Abenteuern aufzustacheln.


Hier nochmal zur Verdeutlichung, was Industriearbeiter sogar im Turbokapitalismusland USA so verdienen:

https://datausa.io/profile/naics/manufacturing

https://www.indeed.com/career/miner/salaries


Das sind längst keine verelendeten Massen mehr und in Deutschland sind die eher noch besser gestellt.


Wirklich schlecht gestellt ist demgegenueber die "Klasse" der Prekären, die wiederum ein Sammelsurium aus grundverschiedenen Gruppen mit grundverschiedenen und oft sogar gegensätzlichen Interessen darstellt, weshalb die nur sehr schlecht bis gar nicht organisierbarr sind im Gegensatz zur früheren klassischen Arbeiterklasse.


Man muss sich die Dynamik der Einkommensentwicklung ansehen, sowohl in USA als auch BRD.

Wir beobachten in westlichen Kernländern ein Schrumpfen der Mittelschicht - oder anders ausgedrückt eine Stagnation der Einkommen und Vermögen mittlerer Einkomenssegmente.

Siehe dazu z.B.:

https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.533036.de/16-18.pdf

Zitat:
Eine gesunde Mittelschicht, die den eigenen Aufstieg selbst in der Hand hatte, machte die USA nach dem Zweiten Weltkrieg zur wirtschaftlich unangefochtenen Supermacht. Doch ihre Rolle schwindet. Laut einer Pew-Studie lebten 2016 nur noch 52 Prozent der amerikanischen Bevölkerung in einem Mittelschichtshaushalt. Ihr Einkommen stieg in den vergangenen Jahren kaum noch an - ein Unterschied zur kleineren, aber sehr erfolgreichen Oberschicht.

Das hat Folgen. Ein durchschnittliches Einkommen reicht heute in den USA vielerorts nicht mehr, um einen entsprechenden Lebensstandard aufrecht zu erhalten. So errechnete der Think Tank Third Way, dass 62 Prozent der Mittelschichtsjobs in den USA heute nicht mehr ausreichen, um mit steigenden Lebenserhaltungskosten Schritt zu halten. Viele kommen gerade so über die Runden, ohne große Sprünge zu machen. Nur 40 Prozent der Amerikaner sind einer Studie des Unternehmens Bankrate zufolge in der Lage, eine unvorhergesehene Rechnung in Höhe von 1000 Dollar aus ihrem Ersparten zu stemmen.


https://www.wiwo.de/politik/ausland/geschroepfte-leistungstraeger-us-mittelschicht-tuechtig-aber-ziemlich-mittellos-/25113182.html


Die Angst der Mittelschicht vor dem Abstieg hat also eine reale Grundlage.

Die herrschenden Klassen haben in der Vergangenheit durch allerlei Spaltungsstrategien versucht, Teile der Mittelschicht und auch Arbeiterklasse an sich zu binden oder zumindest politisch zu neutralisieren. Die Gedanken waren in etwa so:

- Wenn die Armen durch Sozialsysteme aufgefangen werden, dann hören sie auf, zu revoltieren. Das steckte hinter den Bismarck'schen Sozialreformen aber auch in den USA gab es ja den "New Deal". Davon ist der Westen mittlerweile völlig abgekommen seit Thatcher den Startschuß des entfesselten Neoliberalismus gab.

- Beamte sind ein staatstragender Kern, weshalb die CDU sich bis heute sträubt, das Beamtentum abzuschaffen. Gefordert wurde es schon häufiger.

- Die Mittelschicht mit ihrem Geld-Auto-Haus-Denken ist der eigentliche Kern des CDU-Staates in Deutschland sowie des 2-Parteien-Staates in den USA mit zwei im Grunde identischen Zwillingsparteien.

Andererseits liegt es in der Dynamik des Kapitals immer wieder Profit auf Kosten der Lohnabhängigen zu machen, also den Grund der extensiven und intensiven Ausbeutung der Arbeitskraft zu erhöhen. Das geht zum einen durch Externalisierung von Niedriglohn in die *Shithole-Countries*, also der Peripherie der Weltökonomie. Aber das geht natürlich auch durch Reimport von Niedriglohnsektoren in die *Heimat*. Außerdem ist es möglich, einen interchange durchzuführen zwischen Ausbeutung von Arbeit und Ausbeutung der Natur. Teure Arbeit lässt sich eine Zeit lang kompensieren durch billige Rohstoffe. Wenn das nicht mehr so leicht geht (durch Erschöpfung der Ressourcen, durch Umweltbewegungen, die Widerstand leisten), dann muss wieder die Arbeitskraft verbilligt werden.

Fazit ist also: Statisch gesehen geht es der Kernarbeiterklasse in USA und BRD gut. Dynamisch betrachtet ist das zukünftig nicht gesichert. Und das schlägt sich nieder in politischer Unsicherheit und politischen Irrationalismen.

Thomas Piketty und Gabriel Zucman haben hier u.a. neuere empirische Grundlagen geliefert, wobei ich bei Piketty anmerken muss, dass dieser den Klassenkampf ablehnt und auch den Sozialismus. Das macht nichts. Seine Bedeutung ist allein die wissenschaftliche Sorgfalt und Vollständigkeit, die er an den Tag legt. (Ich sehe das ein bischen so wie bei wolle, dessen Theorie nicht besonders elaboriert ist, der aber empirische Grundlagen liefert für weiterführende Diskussionen.)

Erst kommt die Wissenschaft, dann folgen die Diskussionen. Diese brauchen eine solide Grundlage.

Die Klassengesellschaft funktioniert durch "Teile und Herrsche" und nicht durch sinnvolle solidarische und demokratische Politik.

Wir sehen, dass auch gutverdienende Arbeiter Trump und AfD wählen, das heißt, sie driften in Irrationalismus ab. Das selbe irrationalistische Phänomen sehen wir bei bürgerlichen d.h. unkritischen Wissenschaftlern, die auch gerne mal nach rechts abdriften. Die AfD galt ja anfangs gar als "Professorenpartei" (nicht nur wegen Lucke).

Jedenfalls ist es arg verkürzt, wenn man die Grundlage von (Neo)Faschismus in Armut und geringer Bildung verortet.

Eine Politik, die dem "Teile und Herrsche" entgegen wirkt, vor allem auf internationaler Ebene, ist die beste Grundlage für das Zurückdrängen von AfD und CDU, dessen politische Paradigmen man ja mittlerweile auch in der SPD findet.

Nur einfach gegen rechts sein - das reicht nicht.
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Shadaik
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Beitrag(#2221968) Verfasst am: 27.08.2020, 11:46    Titel: Antworten mit Zitat

TheStone hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:


Wirklich schlecht gestellt ist demgegenueber die "Klasse" der Prekären, die wiederum ein Sammelsurium aus grundverschiedenen Gruppen mit grundverschiedenen und oft sogar gegensätzlichen Interessen darstellt, weshalb die nur sehr schlecht bis gar nicht organisierbarr sind im Gegensatz zur früheren klassischen Arbeiterklasse.


Der prekäre Fließbandarbeiter bei der Zeitarbeitsfirma ist also kein Industriearbeiter?

Erst die, denen's am schlechtesten geht rausrechnen und dann zu erzählen wie toll es Arbeitern geht könnte fast ne Idee von Friedrich Merz sein...
Du hast den Kern des Problems erkannt.

Was Bernie für den "klassischen Fabrikarbeiter" hält, ist gar nicht der klassische Fabrikabeiter. Denn dessen Aufgaben sind schon längst weiter prekarisiert worden und liegen nunmehr bei einer Gruppe, die zweifellos in Armut lebt.
Das Märchen, die Mittelschichtler seien die klassischen Arbeiter, verstärkt die Isolierung der tatsächlichen Arbeiter und erzeugt eine falsche Idee, die Arbeiter wären aufgestiegen. Tatsächlich haben sie nur Karriere gemacht und sind der Arbeiterkaste entwachsen, halten sich aber weiterhin für solche, weil sie das Wort mitgenommen haben.

Und weil der Großteil der tatsächlichen Arbeit schon längst in ferne Länder ausgelagert wurde, wo Ausbeutung an der Tagesordnung ist und niemanden zu interessieren scheint (jedenfalls nicht ernsthaft), ist es einfach, die Augen zu verschließen und sich einzureden, die Bedingungen hätten sich für alle verbessert, wen sie dies nur für das eigene Umfeld getan haben.
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Tarvoc
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Beitrag(#2221970) Verfasst am: 27.08.2020, 12:06    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Was Bernie für den "klassischen Fabrikarbeiter" hält, ist gar nicht der klassische Fabrikabeiter. Denn dessen Aufgaben sind schon längst weiter prekarisiert worden und liegen nunmehr bei einer Gruppe, die zweifellos in Armut lebt.

Also quasi genauso wie auch schon zu Marx' und Engels' Zeiten. Gebrochen ist lediglich die genealogische Kontinuität, nicht die ökonomische.
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Shadaik
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Beitrag(#2221978) Verfasst am: 27.08.2020, 12:38    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Was Bernie für den "klassischen Fabrikarbeiter" hält, ist gar nicht der klassische Fabrikabeiter. Denn dessen Aufgaben sind schon längst weiter prekarisiert worden und liegen nunmehr bei einer Gruppe, die zweifellos in Armut lebt.

Also quasi genauso wie auch schon zu Marx' und Engels' Zeiten. Gebrochen ist lediglich die genealogische Kontinuität, nicht die ökonomische.
Es gibt allerdings einen wichtigen Unterschied: Die damalige Arbeiterschaft war noch sichtbar, weil sie in den Straßen der großen Städte zu finden war.
Die heutige sitzt - abgesehen von den noch unvermeidlichen Versandmitarbeitern bei Amazon, Zalando etc. - irgendwo weit weg in China oder Bangladesh.

Es ist also nicht nur die Genealogie gebrochen, sondern auch die Geografie. Und damit die Alltagspräsenz sowie die Wirkmacht einer etwaigen Gegenwehr auf die Verhältnisse.
Das halte ich für wichtig, weil es Marx' Revolutionslogik bricht. Eine Situation, in der jede realistisch erwartbare Revolution unfähig ist, die Verhältnisse bedeutsam zu verändern, beendet diese.
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Beitrag(#2221981) Verfasst am: 27.08.2020, 13:12    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Das halte ich für wichtig, weil es Marx' Revolutionslogik bricht. Eine Situation, in der jede realistisch erwartbare Revolution unfähig ist, die Verhältnisse bedeutsam zu verändern, beendet diese.

Du meinst aber schon wieder: Jede realistisch erwartbare Revolution hier.
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Shadaik
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Wohnort: MG

Beitrag(#2221994) Verfasst am: 27.08.2020, 15:43    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Das halte ich für wichtig, weil es Marx' Revolutionslogik bricht. Eine Situation, in der jede realistisch erwartbare Revolution unfähig ist, die Verhältnisse bedeutsam zu verändern, beendet diese.

Du meinst aber schon wieder: Jede realistisch erwartbare Revolution hier.

Ganz im Gegenteil: Jede Umwälzung an den Orten der Produktion bleibt unfähig, die Unterdrücker zu erreichen, da diese zum einen geografisch weit entfernt, zum anderen die ihnen gegenüber erbrachten Leistungen zu leicht ersetzbar sind.
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#2221995) Verfasst am: 27.08.2020, 16:31    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Das halte ich für wichtig, weil es Marx' Revolutionslogik bricht. Eine Situation, in der jede realistisch erwartbare Revolution unfähig ist, die Verhältnisse bedeutsam zu verändern, beendet diese.

Du meinst aber schon wieder: Jede realistisch erwartbare Revolution hier.

Ganz im Gegenteil: Jede Umwälzung an den Orten der Produktion bleibt unfähig, die Unterdrücker zu erreichen, da diese zum einen geografisch weit entfernt, zum anderen die ihnen gegenüber erbrachten Leistungen zu leicht ersetzbar sind.

Das ist aber reichlich kurz gedacht. Was meinst du überhaupt mit "erreichen"?

Das mit der Ersetzbarkeit kommt auch sehr auf die Umstände an.
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Pan narrans
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Anmeldungsdatum: 24.08.2020
Beiträge: 146

Beitrag(#2222098) Verfasst am: 28.08.2020, 10:16    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Jedenfalls ist es arg verkürzt, wenn man die Grundlage von (Neo)Faschismus in Armut und geringer Bildung verortet.


Arg verkürzt, in der Tat. Letztlich ist das ein ganzer Cocktail an Zutaten, wobei die ökonomische Dimension (Armut+geringe Bildung, aber auch Abstiegsängste und viel zweifelhafte Bildung, dazu Leistungsideologie, also starke Kopplung des individuellen Selbstwertes an der Stellung im Sozialstatus-Wettbewerb usw.) sicher der Hauptbestandteil ist.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Eine Politik, die dem "Teile und Herrsche" entgegen wirkt, vor allem auf internationaler Ebene, ist die beste Grundlage für das Zurückdrängen von AfD und CDU, dessen politische Paradigmen man ja mittlerweile auch in der SPD findet.

Ja. allerdings muss man sich dafür auch genau anschauen, wie heute geteilt wird. Dazu kommt, dass „Teile und Herrsche“ ja weniger der bewusst ausgeführte Plan von der herrschenden Elite in ihren Hinterzimmern ist, sondern eher die Prozesse beschreibt, wie soziale Strukturen und Dynamiken zusammen wirken (freilich inklusive bewusste Akteure, die sicher auch strategisch in die Richtung agieren bzw. mit Verbreitung der neoliberalen Ideologie sogar auch ungewollt genau das befeuert).

Das Teilen geschieht vornehmlich zwar in bewährter Form durch ein Umdeuten von Klassenkonflikte als Kulturkonflikte, allerdings gibt es hier m.E. zwei Punkte, die man dabei im Auge behalten muss.

Zum einen: Es gibt auch Kulturkonflikte losgelöst von Klassenkonflikten. Dabei spielt die graduelle Ausprägung der tribalistischen, patriarchalischen und vor-aufklärerischen Sozialisation eine ganz entscheidende Rolle – je größer hier die Unterschiede, desto mehr Konfliktpotential gibt es und zwar selbst unter den besten ökonomischen Bedingungen. Je schlechter die Lebensumstände und Zukunftsperspektiven sind, desto mehr freilich verschärft sich das noch, aber diese Konflikte bestehen auch einfach für sich daneben, obgleich sie natürlich auch instrumentalisiert werden und zum Teil auch erst durch Profitinteressen geschaffen werden. Dennoch gibt es sie und man sollte ihre Rolle bei dem Erstarken der Rechten nicht unterschätzen. Sie lassen sich nicht völlig auf die ökonomische Dimension reduzieren und ich glaube, dieser Punkt wird und wurde enorm unterschätzt. Obgleich sie freilich in der Regel von allen Seiten ethnologisiert werden, verläuft die Konfliktlinie bei den „Kulturkonflikten“ im Kern aber wirklich zwischen kulturellen Praktiken oder Vorstellungen, weshalb auch etwa verschiedene Vorstellungen über Geschlechterrollen bei „Einheimischen“ dazu zählen.

Zum anderen: Weite Teile der Linken (speziell freilich der Linksliberalen) befeuern diese Umdeutung bzw. die Instrumentalisierung von Kulturkonflikten durch Realitätsverweigerung, dem Tabuisieren oder Kleinreden von diesen Problemen und letztlich auch durch Identitätspolitik. Damit werden viele Menschen in die Arme der Rechten getrieben, da Probleme nun einmal nicht verschwinden, wenn man sich die Augen zu hält, weil sie nicht in das eigene Wunschkonzert passen.

Das geschieht m.E. zu einem großen Teil auch deswegen, weil die ökonomische Dimension zu betrachten auch hieße, sich ins eigene Fleisch zu schneiden, da beständig verfügbarer Massenkonsum in der derzeitigen Form nun einmal Billigarbeiter braucht. Man profitiert eben doch zuviel von ausbeuterischen Verhältnissen, die zumeist eh weit weg sind und bekommt dazu permanent medial die ganzen Euphemismen um die Ohren gehauen, die man nur allzu leicht gerne glauben kann. Mit etwas Restgewissen verlagert sich der Kampf gegen Ungerechtigkeit, dem man emotional durchaus anhängt, auf die kulturelle Ebene und wird hier dann, in Form der aktuellen Ausprägung der Identitätspolitik entsprechend harsch geführt.

Aber das ist nur meine kleine, leicht psychologisierende Theorie darüber, wie das kommen mag, das mag auch Unsinn sein. Dass es eine Form von Realitätsverweigerung bei gewissen "heiklen" Themen gibt und dass speziell die Identitätspolitik, wie sie faktisch betrieben wird (und nicht einem früheren, vielleicht noch sinnvollem Ansatz nach) wesentlich mehr schadet als nutzt, die Gräben nur vertieft, letztlich Spaltung ist und den Rechten massiv in die Hände spielt – dieses Urteil scheint mir ziemlich wasserdicht zu sein. Zumal die ökonomischen Probleme – Armut und auch die berechtigte Abstiegsangst – ja auch nicht angegangen werden. Ganz im Gegenteil.

Leider ist das nach wie vor eher eine Minderheitenmeinung im linken Lager. Ich halte das jedoch für absolut zentral, wenn es darum geht, die rechten und reaktionären Tendenzen aufhalten zu wollen. Natürlich hängt das alles zusammen und der wichtigste Schritt wäre eine wirklich soziale Wirtschaftspolitik, mindestens eine rasche Rücknahme des neoliberalen Wahnsinns. Aber dafür braucht es eben auch eine gewisse Einigkeit unter Linken, zumal es Merhheiten braucht, also sprich: Alles, was irgendwie links/progressiv angehaucht ist, muss an einem Strang ziehen, anstatt sich untereinander zu zerfleischen.
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Heute ist es zwar schlechter als gestern, dafür aber besser als morgen!

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Blitzstrahl
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Anmeldungsdatum: 22.08.2020
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Beitrag(#2222119) Verfasst am: 28.08.2020, 11:36    Titel: Antworten mit Zitat

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Jedenfalls ist es arg verkürzt, wenn man die Grundlage von (Neo)Faschismus in Armut und geringer Bildung verortet.


Arg verkürzt, in der Tat. Letztlich ist das ein ganzer Cocktail an Zutaten, wobei die ökonomische Dimension (Armut+geringe Bildung, aber auch Abstiegsängste und viel zweifelhafte Bildung, dazu Leistungsideologie, also starke Kopplung des individuellen Selbstwertes an der Stellung im Sozialstatus-Wettbewerb usw.) sicher der Hauptbestandteil ist.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Eine Politik, die dem "Teile und Herrsche" entgegen wirkt, vor allem auf internationaler Ebene, ist die beste Grundlage für das Zurückdrängen von AfD und CDU, dessen politische Paradigmen man ja mittlerweile auch in der SPD findet.

Ja. allerdings muss man sich dafür auch genau anschauen, wie heute geteilt wird. Dazu kommt, dass „Teile und Herrsche“ ja weniger der bewusst ausgeführte Plan von der herrschenden Elite in ihren Hinterzimmern ist, sondern eher die Prozesse beschreibt, wie soziale Strukturen und Dynamiken zusammen wirken (freilich inklusive bewusste Akteure, die sicher auch strategisch in die Richtung agieren bzw. mit Verbreitung der neoliberalen Ideologie sogar auch ungewollt genau das befeuert).

Das Teilen geschieht vornehmlich zwar in bewährter Form durch ein Umdeuten von Klassenkonflikte als Kulturkonflikte, allerdings gibt es hier m.E. zwei Punkte, die man dabei im Auge behalten muss.

Zum einen: Es gibt auch Kulturkonflikte losgelöst von Klassenkonflikten. Dabei spielt die graduelle Ausprägung der tribalistischen, patriarchalischen und vor-aufklärerischen Sozialisation eine ganz entscheidende Rolle – je größer hier die Unterschiede, desto mehr Konfliktpotential gibt es und zwar selbst unter den besten ökonomischen Bedingungen. Je schlechter die Lebensumstände und Zukunftsperspektiven sind, desto mehr freilich verschärft sich das noch, aber diese Konflikte bestehen auch einfach für sich daneben, obgleich sie natürlich auch instrumentalisiert werden und zum Teil auch erst durch Profitinteressen geschaffen werden. Dennoch gibt es sie und man sollte ihre Rolle bei dem Erstarken der Rechten nicht unterschätzen. Sie lassen sich nicht völlig auf die ökonomische Dimension reduzieren und ich glaube, dieser Punkt wird und wurde enorm unterschätzt. Obgleich sie freilich in der Regel von allen Seiten ethnologisiert werden, verläuft die Konfliktlinie bei den „Kulturkonflikten“ im Kern aber wirklich zwischen kulturellen Praktiken oder Vorstellungen, weshalb auch etwa verschiedene Vorstellungen über Geschlechterrollen bei „Einheimischen“ dazu zählen.

Zum anderen: Weite Teile der Linken (speziell freilich der Linksliberalen) befeuern diese Umdeutung bzw. die Instrumentalisierung von Kulturkonflikten durch Realitätsverweigerung, dem Tabuisieren oder Kleinreden von diesen Problemen und letztlich auch durch Identitätspolitik. Damit werden viele Menschen in die Arme der Rechten getrieben, da Probleme nun einmal nicht verschwinden, wenn man sich die Augen zu hält, weil sie nicht in das eigene Wunschkonzert passen.

Das geschieht m.E. zu einem großen Teil auch deswegen, weil die ökonomische Dimension zu betrachten auch hieße, sich ins eigene Fleisch zu schneiden, da beständig verfügbarer Massenkonsum in der derzeitigen Form nun einmal Billigarbeiter braucht. Man profitiert eben doch zuviel von ausbeuterischen Verhältnissen, die zumeist eh weit weg sind und bekommt dazu permanent medial die ganzen Euphemismen um die Ohren gehauen, die man nur allzu leicht gerne glauben kann. Mit etwas Restgewissen verlagert sich der Kampf gegen Ungerechtigkeit, dem man emotional durchaus anhängt, auf die kulturelle Ebene und wird hier dann, in Form der aktuellen Ausprägung der Identitätspolitik entsprechend harsch geführt.

Aber das ist nur meine kleine, leicht psychologisierende Theorie darüber, wie das kommen mag, das mag auch Unsinn sein. Dass es eine Form von Realitätsverweigerung bei gewissen "heiklen" Themen gibt und dass speziell die Identitätspolitik, wie sie faktisch betrieben wird (und nicht einem früheren, vielleicht noch sinnvollem Ansatz nach) wesentlich mehr schadet als nutzt, die Gräben nur vertieft, letztlich Spaltung ist und den Rechten massiv in die Hände spielt – dieses Urteil scheint mir ziemlich wasserdicht zu sein. Zumal die ökonomischen Probleme – Armut und auch die berechtigte Abstiegsangst – ja auch nicht angegangen werden. Ganz im Gegenteil.

Leider ist das nach wie vor eher eine Minderheitenmeinung im linken Lager. Ich halte das jedoch für absolut zentral, wenn es darum geht, die rechten und reaktionären Tendenzen aufhalten zu wollen. Natürlich hängt das alles zusammen und der wichtigste Schritt wäre eine wirklich soziale Wirtschaftspolitik, mindestens eine rasche Rücknahme des neoliberalen Wahnsinns. Aber dafür braucht es eben auch eine gewisse Einigkeit unter Linken, zumal es Merhheiten braucht, also sprich: Alles, was irgendwie links/progressiv angehaucht ist, muss an einem Strang ziehen, anstatt sich untereinander zu zerfleischen.


Runde doch deinen Beitrag noch dadurch ab, in dem du konkrete Beispiele lieferst, wo denn bei angelinkten Leuten und Organisationen eine Realitätsverweigerung vorliegt. Das würde mich schon mal interessieren.
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Skeptiker
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Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2222227) Verfasst am: 28.08.2020, 20:21    Titel: Antworten mit Zitat

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Jedenfalls ist es arg verkürzt, wenn man die Grundlage von (Neo)Faschismus in Armut und geringer Bildung verortet.


Arg verkürzt, in der Tat.


Genau genommen sogar falsch. Wie gesehen gehören die Unterstützer des Faschismus, sofern sie seine Massenbasis darstellen, dem mittleren Bürgertum an und sind im Durchschnitt weder arm noch ungebildet. Das galt für die Hitler-Faschisten ebenso wie heute für die Anhänger der AfD oder Trumps.

Das strukturkonservative Mittelbürgertum steht zwischen dem Kapital und der Arbeiter- und Angestelltenklasse, neigt aber politisch der Kapitalklasse zu und bekämpft Seite an Seite mit ihr jeglichen *Ungehórsam* gegen die herrschende Kapitalordnung, jegliches *Chaos* in den Straßen und freut sich einen Wolf, wenn Polizei und Militär *dem Pöbel* brutal *die Grenzen aufzeigen* und ihn hinmetzeln.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Letztlich ist das ein ganzer Cocktail an Zutaten, wobei die ökonomische Dimension (Armut+geringe Bildung, aber auch Abstiegsängste und viel zweifelhafte Bildung, dazu Leistungsideologie, also starke Kopplung des individuellen Selbstwertes an der Stellung im Sozialstatus-Wettbewerb usw.) sicher der Hauptbestandteil ist.


Standesdünkel, Sozialdarwinismus, das Bestreben, in der Hackordnung noch wen unter sich zu haben - das gehört für den Verteidiger des Bestehenden halt dazu.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Eine Politik, die dem "Teile und Herrsche" entgegen wirkt, vor allem auf internationaler Ebene, ist die beste Grundlage für das Zurückdrängen von AfD und CDU, dessen politische Paradigmen man ja mittlerweile auch in der SPD findet.


Ja. allerdings muss man sich dafür auch genau anschauen, wie heute geteilt wird. Dazu kommt, dass „Teile und Herrsche“ ja weniger der bewusst ausgeführte Plan von der herrschenden Elite in ihren Hinterzimmern ist, sondern eher die Prozesse beschreibt, wie soziale Strukturen und Dynamiken zusammen wirken (freilich inklusive bewusste Akteure, die sicher auch strategisch in die Richtung agieren bzw. mit Verbreitung der neoliberalen Ideologie sogar auch ungewollt genau das befeuert).


Das ist richtig. Die materiellen Verhältnisse, insbesondere die besondere Form der Kapitalökonomie fördert die dazu passenden Ideologien, welche gleichzeitig die Realität als eine andere Realität erzählen. Es sitzt aber niemand da und zieht die Strippen. Aber es sitzen bestimmte Kreise da und freuen sich 'nen Ast, dass es so ist. Und sie befeuern es dann allerdings nach Kräften. So ungefähr läuft es mit der Produktion von Ideologie.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Das Teilen geschieht vornehmlich zwar in bewährter Form durch ein Umdeuten von Klassenkonflikte als Kulturkonflikte, allerdings gibt es hier m.E. zwei Punkte, die man dabei im Auge behalten muss.

Zum einen: Es gibt auch Kulturkonflikte losgelöst von Klassenkonflikten. Dabei spielt die graduelle Ausprägung der tribalistischen, patriarchalischen und vor-aufklärerischen Sozialisation eine ganz entscheidende Rolle – je größer hier die Unterschiede, desto mehr Konfliktpotential gibt es und zwar selbst unter den besten ökonomischen Bedingungen. Je schlechter die Lebensumstände und Zukunftsperspektiven sind, desto mehr freilich verschärft sich das noch, aber diese Konflikte bestehen auch einfach für sich daneben, obgleich sie natürlich auch instrumentalisiert werden und zum Teil auch erst durch Profitinteressen geschaffen werden. Dennoch gibt es sie und man sollte ihre Rolle bei dem Erstarken der Rechten nicht unterschätzen. Sie lassen sich nicht völlig auf die ökonomische Dimension reduzieren und ich glaube, dieser Punkt wird und wurde enorm unterschätzt. Obgleich sie freilich in der Regel von allen Seiten ethnologisiert werden, verläuft die Konfliktlinie bei den „Kulturkonflikten“ im Kern aber wirklich zwischen kulturellen Praktiken oder Vorstellungen, weshalb auch etwa verschiedene Vorstellungen über Geschlechterrollen bei „Einheimischen“ dazu zählen.


Kulturelle Konflikte jenseits der Ökonomie - ja, als verbliebene Reste regionaler Abschottungen gibt es das. Aber Freihandel, internationale Sportwettbewerbe, Reisen, gemeinsames Arbeiten usw. können kulturellen Dünkel nachhaltig auflösen.

Von einem "Clash of Civilizations" zu sprechen, wie es militaristische Kräfte gerne tun, ist der Versuch, auf der Grundlage kultureller Unterschiede neue/alte Kriegsideologie zu schmieden anstatt die zivile Zusammenarbeit der Menschheit zu forcieren.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Zum anderen: Weite Teile der Linken (speziell freilich der Linksliberalen) befeuern diese Umdeutung bzw. die Instrumentalisierung von Kulturkonflikten durch Realitätsverweigerung, dem Tabuisieren oder Kleinreden von diesen Problemen und letztlich auch durch Identitätspolitik. Damit werden viele Menschen in die Arme der Rechten getrieben, da Probleme nun einmal nicht verschwinden, wenn man sich die Augen zu hält, weil sie nicht in das eigene Wunschkonzert passen.


Da schreibt ja der User Blitzstrahl:

Blitzstrahl hat folgendes geschrieben:
Runde doch deinen Beitrag noch dadurch ab, in dem du konkrete Beispiele lieferst, wo denn bei angelinkten Leuten und Organisationen eine Realitätsverweigerung vorliegt. Das würde mich schon mal interessieren.


Das kannst du ja mal erläutern, obwohl du ja bereits von den Linksliberalen sprichst.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Das geschieht m.E. zu einem großen Teil auch deswegen, weil die ökonomische Dimension zu betrachten auch hieße, sich ins eigene Fleisch zu schneiden, da beständig verfügbarer Massenkonsum in der derzeitigen Form nun einmal Billigarbeiter braucht. Man profitiert eben doch zuviel von ausbeuterischen Verhältnissen, die zumeist eh weit weg sind und bekommt dazu permanent medial die ganzen Euphemismen um die Ohren gehauen, die man nur allzu leicht gerne glauben kann. Mit etwas Restgewissen verlagert sich der Kampf gegen Ungerechtigkeit, dem man emotional durchaus anhängt, auf die kulturelle Ebene und wird hier dann, in Form der aktuellen Ausprägung der Identitätspolitik entsprechend harsch geführt.


Es ändert nichts an der gesellschaftlichen Spaltung, wenn Mitglieder des Staates, der Polizei und Armee, der Geheimdienste und der Justiz *bunter* werden. Ausbeutung und Repression werden dadurch nicht beseitigt.

Die amerikanische Partei der so genannten "Demokraten" spielt seit einigen Jahren die Karte der Identitätspolitik, weil diese nichts kostet - im Gegensatz zu sozialen Reformen, zu ökologischen Reformen, im Gegensatz auch zu einer friedlichen Außenpolitik, welche auf Krieg um billige Rohstoffe verzichtet. Auch Demokratie und die Mitgestaltung der Bevölkerung würde auf Kosten der Maximalprofite gehen.

Also alles in allem sind solche Reformen aus Sicht der Millionärs- und Milliardärsklasse teuer, während die multiethnische und multisexuelle Besetzung der Staats- und Konzernetagen nichts kostet.

Außerdem lenkt sie die Energien bürgerlicher Linker von sozialen Kämpfen ab.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Aber das ist nur meine kleine, leicht psychologisierende Theorie darüber, wie das kommen mag, das mag auch Unsinn sein. Dass es eine Form von Realitätsverweigerung bei gewissen "heiklen" Themen gibt und dass speziell die Identitätspolitik, wie sie faktisch betrieben wird (und nicht einem früheren, vielleicht noch sinnvollem Ansatz nach) wesentlich mehr schadet als nutzt, die Gräben nur vertieft, letztlich Spaltung ist und den Rechten massiv in die Hände spielt – dieses Urteil scheint mir ziemlich wasserdicht zu sein. Zumal die ökonomischen Probleme – Armut und auch die berechtigte Abstiegsangst – ja auch nicht angegangen werden. Ganz im Gegenteil.


Während Obamas Regierungszeit hat die relative Armut unter der schwarzen Bevölkerung weiter zugenommen.

Zitat:
Auch wenn Präsident Obama nach wie vor breite Unterstützung unter Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern genießt, hat auch er sich den „post-rassistischen“ Diskurs zu eigen gemacht. Etliche schwarze Aktivisten und Intellektuelle wie etwa Cornel West lasten Obama an, die Vermeidung des Themas Rassismus stillschweigend akzeptiert und keine Führungsstärke bei der Bekämpfung der anhaltenden Ungleichheit zwischen Weißen und Schwarzen bewiesen zu haben.

Obama zeichne sich heute vor allem dadurch aus, dass er sich zu möglichen Strategien gegen die anhaltend schlechteren Lebensbedingungen der Afroamerikaner in den Bereichen Armut, Wohnen, Gesundheit und Arbeit nicht äußere. Für Peniel Joseph, Historiker und Autor mehrerer Bücher zur Black-Power-Bewegung, lautet Obamas Prinzip in Sachen Rassismus schlicht: „Einfach nicht darüber reden“. (...)

Tatsächlich hat Obama der Benachteiligung der Schwarzen bisher nahezu keine Beachtung geschenkt. Und mehr noch: Obama gibt im Umgang mit dem Thema Rassismus eindeutig neoliberale Antworten.[7] Er setzt auf weitere unternehmensfreundliche internationale Handelsabkommen, ungebremste Mobilität des Kapitals, Sozialabbau, die Vorherrschaft der Wall-Street-Konzerne und den Abbau der Staatsverschuldung – anstelle von Investitionen in Programme, die mehr und bessere Arbeitsplätze für Niedriglöhner schaffen würden. (...)

Der jährliche Bericht „State of the Dream“, der Organisation United for a Fair Economy zeigt nicht nur, wie sehr Schwarze und Latinos in Bezug auf Arbeitslosigkeit, Bildung, Gesundheit, Wohnen, Inhaftierungsraten und rassistische Diskriminierung durch die Polizei noch immer benachteiligt werden, sondern auch, dass diese Benachteiligung zunimmt.[8]

So ist Armut in den Vereinigten Staaten für Schwarze und Latinos ein viel wahrscheinlicheres Schicksal als für andere Bevölkerungsgruppen. Von ihnen waren 2011 27,6 bzw. 25,3 Prozent arm, wohingegen lediglich 9,8 Prozent der Weißen von Armut betroffen waren. Schwarze sind insofern etwa drei Mal so oft von Armut betroffen wie Weiße. Diese Zahlen haben sich seit Jahrzehnten kaum verändert.

Auch die Arbeitslosenrate der Schwarzen ist doppelt so hoch wie die der Weißen – ein Umstand, der sich ebenfalls unter Obama nicht geändert hat. Während der jüngsten Wirtschaftskrise stieg die Arbeitslosenrate der Afroamerikaner sogar etwa doppelt so schnell wie die der Weißen. Als die Wirtschaft sich wieder erholte, sank die Arbeitslosenrate der Weißen, während die der Schwarzen weiter anstieg.[9]

Wie schon Clinton und Bush, so ist offenbar auch Obama der Auffassung, Arme und sozial Schwache seien selbst schuld an ihrer Misere. Armut, Arbeitslosigkeit und gesundheitliche Probleme von Afroamerikanern, und zu einem geringeren Grad auch von anderen People of Color, seien eher dem Fehlverhalten dieser Gruppen geschuldet als ihrer rassistischen Benachteiligung. So hat Obama bei seinen Reden vor schwarzem Publikum wiederholt nahelegt, Armut rühre daher, dass schwarze Männer einfach keine Verantwortung für ihre Familien übernehmen wollten. Die Aufforderung, Schwarze müssten sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, ...


https://www.blaetter.de/ausgabe/2014/juni/barack-obama-und-der-mythos-vom-post-rassistischen-amerika


Auch die Tatsache, dass mit Angela Merkel in der BRD seit vielen Jahren eine Frau Kanzlerin ist, hat die Lage der Masse der Lohnarbeiterinnen nicht verbessert und zum Teil weiter verschlechtert.

Zitat:
Waren 2006 noch 5,4 Millionen Frauen in Deutschland armutsgefährdet, waren es zehn Jahre später 7,3 Millionen. Die Armutsgefährdung von Männern liegt mit 15,2 Prozent (2016) deutlich unter der von Frauen. Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen ist hierzulande so groß wie in fast keinem anderen EU-Staat. Das sogenannte unbereinigte Verdienstgefälle lag in der Bundesrepublik 2016 bei 21,5 Prozent, wie Eurostat in Luxemburg mitteilte.

Der Frauentag wurde auf Anregung der deutschen Sozialdemokratin Clara Zetkin erstmals am 19. März 1911 in Deutschland und in Nachbarländern organisiert. Seit 1921 wird er jährlich am 8. März gefeiert.


https://www.wz.de/panorama/bilanz-zum-weltfrauentag-gleichberechtigung-als-noch-nicht-erreichtes-ideal_aid-25245139


Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Leider ist das nach wie vor eher eine Minderheitenmeinung im linken Lager. Ich halte das jedoch für absolut zentral, wenn es darum geht, die rechten und reaktionären Tendenzen aufhalten zu wollen. Natürlich hängt das alles zusammen und der wichtigste Schritt wäre eine wirklich soziale Wirtschaftspolitik, mindestens eine rasche Rücknahme des neoliberalen Wahnsinns. Aber dafür braucht es eben auch eine gewisse Einigkeit unter Linken, zumal es Merhheiten braucht, also sprich: Alles, was irgendwie links/progressiv angehaucht ist, muss an einem Strang ziehen, anstatt sich untereinander zu zerfleischen.


Ich würde sagen, hier liegen die wirklichen kulturellen Konflikte.

Die kleinbürgerlichen Linken werden partout nicht vom Klassenkonflikt reden oder nur am Rande. Die marxistisch denkenden Linken werden wiederum an einer kleinbürgerlichen Identitätspolitik Kritik üben. Dann gibt es reformlinke und anarchistische Positionen usw.

Um zum Antifaschismus zurück zu kommen: Ich schrieb ja, es reiche nicht, nur gegen rechte Politik zu kämpfen. Ich füge hinzu: Ohne ein positives soziales Ziel, welches auch die Masse der Nicht-Kapitalisten anspricht, wird jener bloß negative Kampf gegen Faschismus keine Chance haben.

Die Stärke der Linken liegt in erster Linie in ihren positiven sozialen Konzepten. So etwas haben die Rechten - und leider auch einige linke Fraktionen - nicht.
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Pan narrans
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Anmeldungsdatum: 24.08.2020
Beiträge: 146

Beitrag(#2222332) Verfasst am: 29.08.2020, 13:35    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Genau genommen sogar falsch. Wie gesehen gehören die Unterstützer des Faschismus, sofern sie seine Massenbasis darstellen, dem mittleren Bürgertum an und sind im Durchschnitt weder arm noch ungebildet. Das galt für die Hitler-Faschisten ebenso wie heute für die Anhänger der AfD oder Trumps.

Naja, es gab/gibt aber auch genug „Arbeiter“ dafür. Die Inszenierung als Arbeiterpartei gab es ja nicht umsonst bzw. auch nicht ganz vergeblich. Aber okay, das war/ist natürlich auch nur ein Teil und es wäre verfälschend verkürzt, Arme und Ungebildete als große Massenbasis zu sehen – ja.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Das strukturkonservative Mittelbürgertum steht zwischen dem Kapital und der Arbeiter- und Angestelltenklasse, neigt aber politisch der Kapitalklasse zu und bekämpft Seite an Seite mit ihr jeglichen *Ungehórsam* gegen die herrschende Kapitalordnung, jegliches *Chaos* in den Straßen und freut sich einen Wolf, wenn Polizei und Militär *dem Pöbel* brutal *die Grenzen aufzeigen* und ihn hinmetzeln.

Ich würde das zwar etwas vorsichtiger formulieren, aber ja. Tendenziell ist das wohl so.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Standesdünkel, Sozialdarwinismus, das Bestreben, in der Hackordnung noch wen unter sich zu haben - das gehört für den Verteidiger des Bestehenden halt dazu.

Naja, das gehört eher zur Mitte der Gesellschaft,, als das medial permanent versprühte Gift dazu, also zumindest die Hackordnung samt Standesdünkel in der „harmlosen“ Form vom „Mein Haus-Mein-Auto-Mein-Pool-Mein-Grab-Denken.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Das ist richtig. Die materiellen Verhältnisse, insbesondere die besondere Form der Kapitalökonomie fördert die dazu passenden Ideologien, welche gleichzeitig die Realität als eine andere Realität erzählen. Es sitzt aber niemand da und zieht die Strippen. Aber es sitzen bestimmte Kreise da und freuen sich 'nen Ast, dass es so ist. Und sie befeuern es dann allerdings nach Kräften. So ungefähr läuft es mit der Produktion von Ideologie.

Ja, da kann ich ungefähr mitgehen. Sehr glücklich

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Kulturelle Konflikte jenseits der Ökonomie - ja, als verbliebene Reste regionaler Abschottungen gibt es das. Aber Freihandel, internationale Sportwettbewerbe, Reisen, gemeinsames Arbeiten usw. können kulturellen Dünkel nachhaltig auflösen.

Das sehe ich anders, es geht nicht um kulturelle Dünkel, sondern um einander kontradiktorisch gegenüberstehende Wertvorstellungen bzw. Kulturpraktiken, die letzten Endes auf unterschiedlichen Zivilisationsgraden beruhen (die Rolle des Kollektivs, von Tradition und Religion, von kritischem Denken, Gleichberechtigung der Geschlechter, die Rolle von Gewalt …).

Mir ist natürlich klar, von wem solch eine Einschätzung vornehmlich kommt und wer da seinen Popanz drauf aufbaut, aber das ändert auch nichts daran, dass dieses Urteil m.E. rational und nüchtern-sachlich korrekt ist. Und normativer Kulturrelativismus gehört zu den Religionen in die Abfalltonne des menschlichen Geistesmüll – freilich ebenso wie Nationalismus oder Kulturalismus.

Aber Aufklärung, Humanismus, Pluralismus, kurz: Emanzipation als wünschenswerter und richtiger zu verstehen bzw. als Prozess zu verstehen, bei dem es aber doch verschiedene, hierarchisch klar bewertbare Unterschiede gibt, das ist kein Kulturalismus.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Von einem "Clash of Civilizations" zu sprechen, wie es militaristische Kräfte gerne tun, ist der Versuch, auf der Grundlage kultureller Unterschiede neue/alte Kriegsideologie zu schmieden anstatt die zivile Zusammenarbeit der Menschheit zu forcieren.

Das ist der Punkt, den ich anders beurteile. Ja, natürlich wird hier von militaristischen Kräften bzw. von rechter Seite generell ein gewaltiger Popanz aufgebaut und natürlich wird das instrumentalisiert ohne Ende – aber dem liegen m.E. eben schon reale Tendenzen zugrunde, die nicht ausgedacht sind. Das lässt sich nicht einfach damit abtun, dass die Rechten darauf ihre Schlösser bauen.
Allerdings ändert das nichts daran, dass es gilt, die zivile Zusammenarbeit der Menschheit zu forcieren – kulturübergreifend.

Ich denke, dass Emanzipation der zentrale Punkt ist (also generell, die Emanzipation des Menschen auf allen Gebieten, wo es seinem Guten Leben zuträglich ist, von sich selbst und von repressiven Strukturen, die er geschaffen hat, also letztlich das bewusste, kritisch-vernünftige Streben nach dem Guten Leben). Das ist nicht leicht, m.E. sogar wesentlich schwieriger, als sehr viele aus dem linken Lager oftmals glauben. Andererseits ist es aber erwiesenermaßen grundsätzlich möglich, sodass ein Pessimismus hierbei (den ich Realismus nennen würde) theoretisch keineswegs in die Resignation bzw. in Affirmation mündet, wie sie von rechter Seite charakteristisch ist.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Da schreibt ja der User Blitzstrahl:
Blitzstrahl hat folgendes geschrieben:
Runde doch deinen Beitrag noch dadurch ab, in dem du konkrete Beispiele lieferst, wo denn bei angelinkten Leuten und Organisationen eine Realitätsverweigerung vorliegt. Das würde mich schon mal interessieren.


Das kannst du ja mal erläutern, obwohl du ja bereits von den Linksliberalen sprichst.


Mach’ ich am Ende des Posts, da es da gut rein passt. Obwohl die Thematik ja schon angeschnitten wurde.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Es ändert nichts an der gesellschaftlichen Spaltung, wenn Mitglieder des Staates, der Polizei und Armee, der Geheimdienste und der Justiz *bunter* werden. Ausbeutung und Repression werden dadurch nicht beseitigt.

Exakt.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Die amerikanische Partei der so genannten "Demokraten" spielt seit einigen Jahren die Karte der Identitätspolitik, weil diese nichts kostet - im Gegensatz zu sozialen Reformen, zu ökologischen Reformen, im Gegensatz auch zu einer friedlichen Außenpolitik, welche auf Krieg um billige Rohstoffe verzichtet. Auch Demokratie und die Mitgestaltung der Bevölkerung würde auf Kosten der Maximalprofite gehen.
Also alles in allem sind solche Reformen aus Sicht der Millionärs- und Milliardärsklasse teuer, während die multiethnische und multisexuelle Besetzung der Staats- und Konzernetagen nichts kostet.

Das sehe ich auch so.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Außerdem lenkt sie die Energien bürgerlicher Linker von sozialen Kämpfen ab.

Und das ist der schlimmste Part dabei. Aber ganz ehrlich, über die Amerikaner zu reden ist wirklich müßig. Ich sehe da kaum noch Sonne. Wenn die Krankenversicherung als Kommunismus gilt, dann ist denen echt nicht mehr zu helfen. Von anderem Wahnsinn mal ganz abgesehen.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Während Obamas Regierungszeit hat die relative Armut unter der schwarzen Bevölkerung weiter zugenommen.

Und warum denn auch nicht? Was hat Obama mit irgendwelchen armen Schwarzen zu tun? Ach ja, den Grad der Hautpigmentierung … es ist halt völlig verdrehter Unfug, aus der Hautfarbe sozioökonomische Kategorien zu basteln, letztlich verschleiert das auch den Blick auf die eigentlichen ökonomischen Vorgänge.
Und: Ein Präsident ist auch nur ein Rädchen in einer gewaltigen Maschinerie, die zudem von ganz anderen Kräften und Dynamiken beherrscht wird. Ich fand den positiven Wirbel um Obama ähnlich verklärend, wie den negativen damals um Bush. Es geht doch um Strukturen oder zumindest noch um Institutionen als Akteure – und nicht um Einzelpersonen, seien sie auch „der mächtigste Mann der Welt“.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Tatsächlich hat Obama der Benachteiligung der Schwarzen bisher nahezu keine Beachtung geschenkt. Und mehr noch: Obama gibt im Umgang mit dem Thema Rassismus eindeutig neoliberale Antworten.[7] Er setzt auf weitere unternehmensfreundliche internationale Handelsabkommen, ungebremste Mobilität des Kapitals, Sozialabbau, die Vorherrschaft der Wall-Street-Konzerne und den Abbau der Staatsverschuldung – anstelle von Investitionen in Programme, die mehr und bessere Arbeitsplätze für Niedriglöhner schaffen würden. (…)

Ja, was soll denn jemand, der Präsident werden konnte, auch schon groß anderes vertreten? Als Keynesianer wäre er nie in die Position gekommen, überhaupt gewählt werden zu können (zumal das für viele Amerikaner vermutlich auch noch schlimmster Sozialismus wäre).
Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Wie schon Clinton und Bush, so ist offenbar auch Obama der Auffassung, Arme und sozial Schwache seien selbst schuld an ihrer Misere. Armut, Arbeitslosigkeit und gesundheitliche Probleme von Afroamerikanern, und zu einem geringeren Grad auch von anderen People of Color, seien eher dem Fehlverhalten dieser Gruppen geschuldet als ihrer rassistischen Benachteiligung. So hat Obama bei seinen Reden vor schwarzem Publikum wiederholt nahelegt, Armut rühre daher, dass schwarze Männer einfach keine Verantwortung für ihre Familien übernehmen wollten. Die Aufforderung, Schwarze müssten sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, …


Das hat aber alles viel weniger mit Rassismus zu tun denn mit Klassismus. Obama ist da eigentlich der beste Indikator für. Das entscheidende Kriterium für Repression ist nicht primär die Hautfarbe, sondern das Einkommen/der Besitz. Das gilt übrigens auch für die Polizeigewalt. Wie der weise Ice-T einst sang: When it comes to the poor – no lives matters!

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Auch die Tatsache, dass mit Angela Merkel in der BRD seit vielen Jahren eine Frau Kanzlerin ist, hat die Lage der Masse der Lohnarbeiterinnen nicht verbessert und zum Teil weiter verschlechtert.

Angela ist vor allem ein gutes Beispiel dafür, wie hoch das Personifizieren von eigentlich strukturellen Problemen im Kurs ist.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Die kleinbürgerlichen Linken werden partout nicht vom Klassenkonflikt reden oder nur am Rande. Die marxistisch denkenden Linken werden wiederum an einer kleinbürgerlichen Identitätspolitik Kritik üben. Dann gibt es reformlinke und anarchistische Positionen usw.

Jo. Wobei man tausendmal mehr die große, eigentliche Gemeinsamkeit betonen sollte, anstatt einander ob der Methoden oder verschiedenen Beurteilungen die Augen auszuhacken. Wäre jedenfalls ein Anfang.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Um zum Antifaschismus zurück zu kommen: Ich schrieb ja, es reiche nicht, nur gegen rechte Politik zu kämpfen. Ich füge hinzu: Ohne ein positives soziales Ziel, welches auch die Masse der Nicht-Kapitalisten anspricht, wird jener bloß negative Kampf gegen Faschismus keine Chance haben.

Ja, das halte ich auch für richtig und vor allem für wichtig, denn das scheint bei so manchem noch nicht angekommen zu sein.
Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Die Stärke der Linken liegt in erster Linie in ihren positiven sozialen Konzepten. So etwas haben die Rechten - und leider auch einige linke Fraktionen - nicht.

Ja, diese positiven Konzepte muss man ausarbeiten und vermitteln. Und vermitteln meint eben, ganz wie du sagst, der Masse der Nicht-Kapitalisten vermitteln – und nicht etwa nur der Masse im originär linken Lager. Nein, es geht um die Mehrheit der Bevölkerung, die derzeit immer noch gegen ihre Interessen wählt.

Und an genau diesem Punkt komme ich nun darauf zurück:

Blitzstrahl hat folgendes geschrieben:
Runde doch deinen Beitrag noch dadurch ab, in dem du konkrete Beispiele lieferst, wo denn bei angelinkten Leuten und Organisationen eine Realitätsverweigerung vorliegt. Das würde mich schon mal interessieren.


Das bezog sich ja auf die sogenannten „Kulturkonflikte“ und wie ihr euch vielleicht ja bereits denken könnt, geht es mir dabei tatsächlich um genau das „heikle“ Themenfeld Migration, Flüchtlingspolitik, Islam und Integration.

Diesbezüglich sehe ich Tendenzen der Verdrängung, Schönfärberei und Relativierung bis eben hin zur Realitätsverweigerung vor allem hinsichtlich der Rolle, die eine tribalistische, patriarchalische und vor-aufklärerische religiöse Sozialisierung spielt, von der nun einmal sehr viele Migranten „betroffen“ sind. Bzw. eigentlich sogar, dass Menschen überhaupt anders sozialisiert sind, als wohlstandsewöhnte Westler, die Muße für wenigstens ein bisschen Emanzipation und Aufklärung haben und dass sie diese Sozialisation nicht einfach über Bord werfen (können).

Bezüglich der Flüchtlingspolitik ist es ein Augen verschließen vor den Tatsachen, dass die (vermeintlich?) humanistische Politik auch eine neoliberale Billig-Arbeiterbeschaffungsmaßnahme war bzw. zumindest derartig genutzt wurde. Die Konkurrenz bei ohnehin schon prekären Beschäftigungen wurde größer, die Arbeitsstandards gesenkt, Löhne gedumpt. Dazu kommt, dass aus eher opportunistischen Berufspoliitkergründen, aber wohl auch Ressentiments, die Integration in den letzten Zig-Jahren massig verpennt worden ist und sich längst Parallelgesellschaften gebildet haben, in denen auch Neuankömmlinge eintauchen können. Diese Tendenzen sind real und gefährlich, weil sie sehr stark zur Spaltung der Gesellschaft beitragen (können) und letztlich sogar zur Destabilisierung des Staats als solchen. Das ist natürlich nicht die Schuld der Migranten, sondern das Versagen des Staates auf diesem Feld aus Kurzsichtigkeit, Dummheit, Ressentiments und Ignoranz. Aber das ändert nichts daran, dass diese Probleme bestehen und dass man mit ihnen umgehen muss. Zumal das Nicht-Umgehen damit einer der größten Motoren für die Rechten ist.

Aus einem der dazu besten Beiträge von Ahmad Mansour „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“:

„Traditionelles Islamverständnis befördert sexuelle Tabus und sexuelle Gewalt. Es hat enormen Einfluss auf das Verhalten der Geschlechter zueinander. Was in der Kölner Silvesternacht passiert ist, hat sein Vorbild auf dem Kairoer Tahrirpatz und anderswo. Von der „religiösen Tradition“ zur sexuellen Abstinenz gezwungene junge Männer, greifen auf Frauen in der Öffentlichkeit zu. Das festzustellen ist nicht rassistisch, sondern ein Fakt. Wir, die Muslime, haben das Problem – die kritischen unter uns benennen es und brauchen die Solidarität der Demokraten im Land. Von der AfD, von Pegida wollen wir sie nicht, denn sie ist keine.“

+

„Solange die muslimischen Verbände – ebenso wie die Grünen und Linken – leugnen, dass ein traditionell patriarchalisches Verständnis des Islam den fundamentalistischen Muslimen in die Hände spielt, solange haben bei diesem Thema AfD und Pegida das Sagen. Die Neue Rechte pachtet das Benennen der Probleme für sich – und sie tut es auch tatsächlich: hetzend und rassistisch, statt politisch aufklärend, soziologisch klar und religionsanalytisch.“

https://taz.de/Essay-Linke-und-Muslime/!5317219/


Das ist es auf diesen Punkt bezogen, quasi in a nutshell, speziell das von mir fett Markierte.

Das sind Probleme, die von sehr vielen Linken nach wie vor nur sehr schwierig und verhalten überhaupt thematisiert werden. Die Rassismus-Keule ist hierbei so rasch geschwungen, dass man sich nicht wundern braucht, wenn sie irgendwann so stumpf geworden ist, dass man damit nicht mal die wirklichen Rassisen mehr schlagen kann. Wobei hier vermutlich auch eine Rolle spielt, dass die ökonomische Dimension oft vernachlässigt/ignoriert wird, sodass einem als Gerechtigkeitskrieger kaum etwas anderes bleibt, als ordentlich mit besagter Keule um sich zu schlagen und eines Don Quichottes gleich die Lanze ständig zum Stoß bereitzuhalten.

Dennoch: Die notwendige Mehrheit für die Einführung der notwendigen sozialen Konzepte erreicht man nicht durch das Werfen von Torten in die Gesichter der klügeren Köpfe aus den eigenen Reihen. Und das hat nichts, absolut gar nichts mit einem Rechtsschwenk zu tun, um fort Wähler zu angeln, sondern mit Aufklärung, die den Namen verdient.

Abschließend vielleicht noch ein Wort, obgleich das eigentlich hier in diesem Kontext schon wieder Relativismus (oder neudeutsch "whataboutism" ) wäre, aber da ich hier im Forum ja noch nicht so viel geschrieben habe: Es gibt natürlich auch eine ordentliche Portion Realitätsverweigerung in der "Mitte" bzw. bei Konservativen, was das Thema Rechtsradikalismus oder besser gesagt wirklich schwarz auf weiß Nationalsozialismus angeht. Der Staat hat auf dem rechten Auge erhebliche Sehprobleme – das ist nach wie vor so und ein ganz erhebliches Problem, nur eben ein anderes. Darum ging es hier nur eben gerade nicht, obgleich das natürlich in diesem ganzen Kontext auch hoch relevant ist. Dennoch lässt ein Problem das andere nicht verschwinden und auch die Instrumentalisierung inklusive dem Aufbauschen von Problemen, lässt diese Probleme als solche nicht einfach verschwinden. Und ich glaube eben, dass diese Probleme doch größer und relevanter sind, als du es meinst (so weit ich das denn beurteilen kann, was du dazu meinst zwinkern ).
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Beitrag(#2222363) Verfasst am: 29.08.2020, 17:39    Titel: Antworten mit Zitat

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Diesbezüglich sehe ich Tendenzen der Verdrängung, Schönfärberei und Relativierung bis eben hin zur Realitätsverweigerung vor allem hinsichtlich der Rolle, die eine tribalistische, patriarchalische und vor-aufklärerische religiöse Sozialisierung spielt, von der nun einmal sehr viele Migranten „betroffen“ sind. Bzw. eigentlich sogar, dass Menschen überhaupt anders sozialisiert sind, als wohlstandsewöhnte Westler, die Muße für wenigstens ein bisschen Emanzipation und Aufklärung haben und dass sie diese Sozialisation nicht einfach über Bord werfen (können).

Das halte ich größtenteils für einen Strohmann. Wenn das Problem so differenziert formuliert wird (und vergleichbare Probleme unter Nichtmigrant*innen nicht verdrängt werden), kann man mE auch unter Linken sehr gut darüber diskutieren. Das Problem ist aber, dass das in der Öffentlichkeit zugeschüttet wird von einem "wir" gegen "die", "Deutsche" gegen "Ausländer", wahlweise "die Aufgeklärten" gegen "den Islam" - kurz, einem rassistischen Diskurs. Gegen den muss man sich dann wenden und gleichzeitig die Probleme, die es unter Migrant*innen gibt, nicht unter den Teppich kehren.
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Shadaik
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Beitrag(#2222401) Verfasst am: 29.08.2020, 21:51    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Das halte ich für wichtig, weil es Marx' Revolutionslogik bricht. Eine Situation, in der jede realistisch erwartbare Revolution unfähig ist, die Verhältnisse bedeutsam zu verändern, beendet diese.

Du meinst aber schon wieder: Jede realistisch erwartbare Revolution hier.

Ganz im Gegenteil: Jede Umwälzung an den Orten der Produktion bleibt unfähig, die Unterdrücker zu erreichen, da diese zum einen geografisch weit entfernt, zum anderen die ihnen gegenüber erbrachten Leistungen zu leicht ersetzbar sind.

Das ist aber reichlich kurz gedacht. Was meinst du überhaupt mit "erreichen"?

Dass ein Aufstand ausreichend stark wirkt, um die reichen Nationen dazu zu bewegen, mehr als nur symbolische oder temporäre Änderungen des Gesamtsystems zu akzeptieren.

Zitat:
Das mit der Ersetzbarkeit kommt auch sehr auf die Umstände an.
Nenne mir einen Fall, bei dem das nicht so ist.
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Tarvoc
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Beitrag(#2222406) Verfasst am: 29.08.2020, 22:10    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Das mit der Ersetzbarkeit kommt auch sehr auf die Umstände an.

Nenne mir einen Fall, bei dem das nicht so ist.

Ich könnte dir jetzt ja China und seine zunehmenden Unersetzbarkeit für das Weltsystem nennen, aber ich bin mir immer noch nicht sicher, wonach genau du überhaupt fragst.
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Shadaik
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Beitrag(#2222417) Verfasst am: 29.08.2020, 23:00    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Das mit der Ersetzbarkeit kommt auch sehr auf die Umstände an.

Nenne mir einen Fall, bei dem das nicht so ist.

Ich könnte dir jetzt ja China und seine zunehmenden Unersetzbarkeit für das Weltsystem nennen, aber ich bin mir immer noch nicht sicher, wonach genau du überhaupt fragst.
China ist ein Land, keine Produktionskette.

Wenn die chinesischen Näherinnen einen Aufstand machen, geht man halt zu den indischen. Oder bengalischen, Oder thailändischen. Oder südsudanesischen.

Lässt sich alles sehr einfach ersetzen, wenn es denn nötig wird.
Schlimmstenfalls sind dann halt ein-zwei Wochen lang die T-Shirts ein bisschen teurer.
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Beitrag(#2222421) Verfasst am: 29.08.2020, 23:44    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Das mit der Ersetzbarkeit kommt auch sehr auf die Umstände an.

Nenne mir einen Fall, bei dem das nicht so ist.

Ich könnte dir jetzt ja China und seine zunehmenden Unersetzbarkeit für das Weltsystem nennen, aber ich bin mir immer noch nicht sicher, wonach genau du überhaupt fragst.
China ist ein Land, keine Produktionskette.

Wenn die chinesischen Näherinnen einen Aufstand machen, geht man halt zu den indischen. Oder bengalischen, Oder thailändischen. Oder südsudanesischen.

Lässt sich alles sehr einfach ersetzen, wenn es denn nötig wird.
Schlimmstenfalls sind dann halt ein-zwei Wochen lang die T-Shirts ein bisschen teurer.



Frueher oder spaeter werden die Billigarbeiter immer ersetzt. Ganz ohne "Aufstand". Das Muster ist dabei immer das Gleiche. Zunaechst ist ein Niedriglohnland sehr attraktiv fuer Produzenten von Massenprodukten, die keinen Übermäßig grossen Kapitaleinsatz erfordern und technisch relativ anspruchslos zu produzieren sind. Trotz der Niedriglöhne fuehrt das in den Regionen, die zeitweilig als "verlängerte Werkbank" der Industrienationen fungieren, zu einem allmählichen Ansteigen des Wohlstands. Durch Verbesserungen bei der Ausbildung sowie durch die allmähliche Kapitalbildung werden dann auch immer anspruchsvollere Produktionsabläufe moeglich und das Lohnniveau steigt an. Dadurch werden diese Regionen zunehmend unattraktiv fuer die Produktion der Billigprodukte, die dann nach woanders verlagert wird.

Es scheint also so zu sein, dass die "verlängerte Werkbank" nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zu einer entwickelten Industrienation ist. Laender, die frueher synonym fuer Billigprodukte waren, z.B. Hongkong oder Südkorea sind längst zu voltentwickelten industrielaenderm geworden, die mehr Hightechprodukte herstellen als "Hemden naehen". Als "verlängerte Werkbank" wurden die längst von Laendern wie z.B. China abgelöst und jetzt wird auch China zu teuer um dort Billigprodukte herzustellen. Andere Laender, wie z.B. Vietnam, sind jetzt attraktiver, weshalb die entsprechenden Produktionen jetzt nach dort verlagert werden.

In einer globalisierten Marktwirtschaft suchen sich die Produzenten immer die fuer sie günstigsten Bedingungen. Wenn ein Land zu teuer wird fuer den einfachen Billigkram, dann zieht die Karawane weiter zum naechsten. Und was, wenn es irgendwann keine richtigen Billiglohnländer mehr gibt? Nun, dann wird entweder das dann noch billigste Land diese Dinge produzieren und die Produkte werden entsprechend teuerer oder die Produktion wird gleich vollmaschinell erledigt. Was immer sich am Besten rechnet. Deshalb bricht nicht gleich das ganze System zusammen.


Wieso sollen also die "chinesischen Näherinnen einen Aufstand machen"? Sie nähen am wachsenden Wohlstand und dafuer, dass es ihre Kinder besser haben.

Der Nachteil dabei ist, dass diese Prozesse langwierig sind und oft erst Kinder und Enkel die Wohlstandsfrüchte sehen und ausserdem, dass der Wohlstand in den so aufsteigenden Gesellschaften ungleich verteilt wird. Aber prinzipiell stimmt die Richtung schon. Was man tun koennte um diese "Wohlstandsspirale" zu beschleunigen? Ganz einfach. Fair getradete Produkte bevorzugen, weil so viel mehr beim Produzenten ankommt und die Kapitalbildung und Wohlstandsentwicklung entsprechend schneller laeuft und beim Investieren vor Ort beheimatete Unternehmen gegenueber den westlichen Unternehmen, die direkt in Billiglohnländern produzieren lassen, bevorzugen. Das sorgt fuer mehr Produktionskapital und die Bildung einer stärkeren Mittelschicht vor Ort. Darüberhinaus sollte man darauf achten, dass die Unternehmen, in die investiert wird, eine gute "sozial governance" aufweisen, damit der Wohlstand nicht gar so ungleich verteilt wird.
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Tarvoc
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Beitrag(#2222426) Verfasst am: 30.08.2020, 07:44    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Das mit der Ersetzbarkeit kommt auch sehr auf die Umstände an.

Nenne mir einen Fall, bei dem das nicht so ist.

Ich könnte dir jetzt ja China und seine zunehmenden Unersetzbarkeit für das Weltsystem nennen, aber ich bin mir immer noch nicht sicher, wonach genau du überhaupt fragst.
China ist ein Land, keine Produktionskette.

Wenn die chinesischen Näherinnen einen Aufstand machen, geht man halt zu den indischen. Oder bengalischen, Oder thailändischen. Oder südsudanesischen.

Lässt sich alles sehr einfach ersetzen, wenn es denn nötig wird.
Schlimmstenfalls sind dann halt ein-zwei Wochen lang die T-Shirts ein bisschen teurer.

Wie bitte?? Und das ist deine Widerlegung von Marx' "Revolutionslogik"?? Sag mir doch mal bitte, wo Marx oder seine Nachfolger einen Aufstand einer einzelnen Produktionskette gefordert hätten. Mit den Augen rollen
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Skeptiker
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Beitrag(#2222456) Verfasst am: 30.08.2020, 11:43    Titel: Antworten mit Zitat

@Pan narrans: Danke für deinen ausführlichen Beitrag. Ich gehe vor allem auf den inhaltlichen Dissenz ein:

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Genau genommen sogar falsch. Wie gesehen gehören die Unterstützer des Faschismus, sofern sie seine Massenbasis darstellen, dem mittleren Bürgertum an und sind im Durchschnitt weder arm noch ungebildet. Das galt für die Hitler-Faschisten ebenso wie heute für die Anhänger der AfD oder Trumps.


Naja, es gab/gibt aber auch genug „Arbeiter“ dafür. Die Inszenierung als Arbeiterpartei gab es ja nicht umsonst bzw. auch nicht ganz vergeblich.


Hitler benannte ja die Partei "DAP", welcher er beigetreten ist, in "NSDAP" um, also mit dem Zusatz "Nationalsozialistisch", so als wenn die Partei für "Sozialismus" eintreten würde. Es ging einfach darum, der KPD möglichst viele Arbeiter abzujagen, was nicht in dem Umfang gelang, aber immerhin stellenweise.

Der Betrug von solchen Parteien wie NPD und AfD, sich der sozialen Frage anzunehmen, sollte ebenfalls als das durchschaut werden, was es ist: Heuchelei. Faschismus ist prinzipiell die Verteidigung der bürgerlichen Eigentumsordnung mit terroristischen Mitteln und somit das Gegenteil von sozialistischer Eigentumsordnung.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Kulturelle Konflikte jenseits der Ökonomie - ja, als verbliebene Reste regionaler Abschottungen gibt es das. Aber Freihandel, internationale Sportwettbewerbe, Reisen, gemeinsames Arbeiten usw. können kulturellen Dünkel nachhaltig auflösen.


Das sehe ich anders, es geht nicht um kulturelle Dünkel, sondern um einander kontradiktorisch gegenüberstehende Wertvorstellungen bzw. Kulturpraktiken, die letzten Endes auf unterschiedlichen Zivilisationsgraden beruhen (die Rolle des Kollektivs, von Tradition und Religion, von kritischem Denken, Gleichberechtigung der Geschlechter, die Rolle von Gewalt …).

Mir ist natürlich klar, von wem solch eine Einschätzung vornehmlich kommt und wer da seinen Popanz drauf aufbaut, aber das ändert auch nichts daran, dass dieses Urteil m.E. rational und nüchtern-sachlich korrekt ist. Und normativer Kulturrelativismus gehört zu den Religionen in die Abfalltonne des menschlichen Geistesmüll – freilich ebenso wie Nationalismus oder Kulturalismus.

Aber Aufklärung, Humanismus, Pluralismus, kurz: Emanzipation als wünschenswerter und richtiger zu verstehen bzw. als Prozess zu verstehen, bei dem es aber doch verschiedene, hierarchisch klar bewertbare Unterschiede gibt, das ist kein Kulturalismus.


Nun, von seiten der AfD kommt ja eine Menge an "Islamkritik". Ich unterscheide prinzipiell zwischen Kritik (inhaltlich, ad rem, analytisch) und Hetze (formal, ad personam, Erscheinungsebene).

Die AfD besteht nicht nur aus Vertretern neoliberaler Interessen, sondern zu einem großen Teil auch aus Vertretern eines christlichen Fundamentalismus und anderer irrationaler Ideologien. Die Feindschaft der Rechten gegen den Islam gründet sich weder aus einem Eintreten für Aufklärung oder Religionskritik, sondern vor allem aus einer Konkurrenz zur "fremden", "andersartigen" Religion. Dennoch sind reaktionäre Moslems und reaktionäre Christen politisch auf einer Linie, auch wenn sie quasi unterschiedliche *Götter* anbeten, unterschiedliche *Regeln* befolgen.

Während in der westlichen Kultur eine Abspaltung des Faschismus aus dem Christentum stattfand, sind faschistische Elemente in Form des Islamismus immer noch Bestandteil des Islamischen Religion, bzw. werden unter deren Schild geäußert. Es ist meiner Anicht nach abzusehen, dass sich auch hier womöglich ein eigenständiger Faschismus aus dem Islam abspalten wird.

Doch auch eine verbliebene islamische Religion wird weiterhin Grund zur Kritik sein, so wie auch das heute vorgeblich geläuterte und zivilisierte Christentum.

Aus linker Perspektive muss man allerdings aufpassen. Anfang des 20. Jahrhunderts ging in der SPD das Motto herum: "Wir dürfen die nationale Frage nicht den Konservativen überlassen!"

Und so überließ die SPD die nationale Frage nicht den Konservativen, sondern stimmte für die Kriegskredite, was den Startschuss für die Entfesselung des ersten Weltkriegs durch das deutsche Reich bedeutete.

Heute hört man vielfach die Aussage: "Die Linke dürfen die Islamkritik nicht allein den Rechten überlassen!"

Der Begriffswandel fand hier klammheimlich insofern statt, als dass nun von "Kritik" die Rede ist und nicht mehr von einer "Frage", so als wenn Faschisten Kritik leisten würden. Tun sie nicht, haben sie nie getan; sie haben immer schon Hetze geleistet. Eine Kritik haben sie gar nicht.

Deswegen sage ich: Linke überlasse den Rechten keine Kritik, weil Rechte sowieso keine Kritik leisten. Aber Linke können das und sollten das auch in Bezug auf den Islam tun.

Die Kritik im Islam muss dann sowohl eine allgemeine Seite haben als Kritik von Religion in Bezug auf ihre gesellschaftlich reaktionäre Rolle. Und zweitens muss die Kritik am Islam eine besondere Seite haben als spezielle Kritik islamischer Besonderheiten.

Inwieweit man sich dabei mit solchen Leuten wie Hamed Abdel-Samad oder Ahmad Mansour gemein machen sollte, ist eine Frage, die immer im Einzelfall zu klären wäre. Pauschal eine Gemeinschaft mit islamischen Kritikern des Islams einzugehen, ist selbst ein unkritisches Verhalten, da diese Kritiker zum Teil selber alles andere als fortschrittlich sind. Zum Beispiel arbeitet Abdel-Samad mit Henryk Broder zusammen, und der ist als politischer Bündnispartner kaum zu gebrauchen, um es mal freundlich auszudrücken.

Was die westlichen Maßstäbe betrifft, an denen der Islam sich messen sollte: Einerseits ja, einerseits nein, würde ich sagen.

Ja, weil es sich um universelle und eben nicht westliche Maßstäbe handelt.

Nein, sofern die reale gesellschaftliche Praxis fälschlicherweise als Verwirklichung universeller menschenrechtlicher Maßstäbe hingestellt wird.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Von einem "Clash of Civilizations" zu sprechen, wie es militaristische Kräfte gerne tun, ist der Versuch, auf der Grundlage kultureller Unterschiede neue/alte Kriegsideologie zu schmieden anstatt die zivile Zusammenarbeit der Menschheit zu forcieren.


Das ist der Punkt, den ich anders beurteile. Ja, natürlich wird hier von militaristischen Kräften bzw. von rechter Seite generell ein gewaltiger Popanz aufgebaut und natürlich wird das instrumentalisiert ohne Ende – aber dem liegen m.E. eben schon reale Tendenzen zugrunde, die nicht ausgedacht sind. Das lässt sich nicht einfach damit abtun, dass die Rechten darauf ihre Schlösser bauen.
Allerdings ändert das nichts daran, dass es gilt, die zivile Zusammenarbeit der Menschheit zu forcieren – kulturübergreifend.

Ich denke, dass Emanzipation der zentrale Punkt ist (also generell, die Emanzipation des Menschen auf allen Gebieten, wo es seinem Guten Leben zuträglich ist, von sich selbst und von repressiven Strukturen, die er geschaffen hat, also letztlich das bewusste, kritisch-vernünftige Streben nach dem Guten Leben). Das ist nicht leicht, m.E. sogar wesentlich schwieriger, als sehr viele aus dem linken Lager oftmals glauben. Andererseits ist es aber erwiesenermaßen grundsätzlich möglich, sodass ein Pessimismus hierbei (den ich Realismus nennen würde) theoretisch keineswegs in die Resignation bzw. in Affirmation mündet, wie sie von rechter Seite charakteristisch ist.


Es ist doch so, dass das Paradigma des "Clash of Civilizations" aufkam, als das alte Feindbild des Realsozialismus (fast) verschwunden war. Der Westen brauchte eine neue Rechtfertigung für seinen Rüstungswahnsinn und seine Kriege um Beherrschung des ganzen Planeten.

Heute in Zeiten von Corona sehen wir, dass von einer zivilen Zusammenarbeit der Menschheit bei der Erforschung eines Impfstoffes und neuer Medikamente nicht die Rede sein kann.

Der nahe Osten wird durch einen Dauerkrieg verwüstet, die Rohstoffe werden abgezogen und das Massensterben durch Krankheiten, Seuchen, Hunger und ökologische Zerstörungen ist den Kriegsherren keine Silbe wert, außer wenn sie sich mal wieder darüber freuen, dass sie dem einen oder anderen Herrscher böser Länder den Hals durchgeschnitten haben. (Siehe z.B. Hillarys Freudenschreie über die Ermordung Gaddafis.)

Und es kann ja nicht sein, dass einerseits *Kritik* am rückstandigen Islam geübt wird und andererseits Saudi Arabien zu den besten Freunden des Westens gehört.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die kleinbürgerlichen Linken werden partout nicht vom Klassenkonflikt reden oder nur am Rande. Die marxistisch denkenden Linken werden wiederum an einer kleinbürgerlichen Identitätspolitik Kritik üben. Dann gibt es reformlinke und anarchistische Positionen usw.


Jo. Wobei man tausendmal mehr die große, eigentliche Gemeinsamkeit betonen sollte, anstatt einander ob der Methoden oder verschiedenen Beurteilungen die Augen auszuhacken. Wäre jedenfalls ein Anfang.


Die Dialektik besteht hier darin, dass Widersprüche, sofern sie nicht antagonistisch sein, nur scheinbar, auf den ersten Blick durch den guten Willen aller Beteiligten überwunden werden können. Wenn man damit anfängt, Synthesen der Widersprüche zu schaffen, brechen diese unterirdisch immer wieder auf.

Deshalb muss man die bestehenden Widersprüche analysieren, auseinander nehmen in ihre Bestandteile und im einzelnen klären, wie sie eventuell zu lösen wären - oder auch nicht. Erst dann, nachdem hier eine Auseinandersetzung stattgefunden hat, ist in bestimmten Punkten eine Synthese möglich.

Ich gebe dir Recht, dass die Herstellung von Gemeinsamkeiten das Ziel sein sollte und nicht das Führen von Grabenkämpfen und Spaltungen als Selbstzweck.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Und an genau diesem Punkt komme ich nun darauf zurück:

Blitzstrahl hat folgendes geschrieben:
Runde doch deinen Beitrag noch dadurch ab, in dem du konkrete Beispiele lieferst, wo denn bei angelinkten Leuten und Organisationen eine Realitätsverweigerung vorliegt. Das würde mich schon mal interessieren.


Das bezog sich ja auf die sogenannten „Kulturkonflikte“ und wie ihr euch vielleicht ja bereits denken könnt, geht es mir dabei tatsächlich um genau das „heikle“ Themenfeld Migration, Flüchtlingspolitik, Islam und Integration.

Diesbezüglich sehe ich Tendenzen der Verdrängung, Schönfärberei und Relativierung bis eben hin zur Realitätsverweigerung vor allem hinsichtlich der Rolle, die eine tribalistische, patriarchalische und vor-aufklärerische religiöse Sozialisierung spielt, von der nun einmal sehr viele Migranten „betroffen“ sind. Bzw. eigentlich sogar, dass Menschen überhaupt anders sozialisiert sind, als wohlstandsewöhnte Westler, die Muße für wenigstens ein bisschen Emanzipation und Aufklärung haben und dass sie diese Sozialisation nicht einfach über Bord werfen (können).

Bezüglich der Flüchtlingspolitik ist es ein Augen verschließen vor den Tatsachen, dass die (vermeintlich?) humanistische Politik auch eine neoliberale Billig-Arbeiterbeschaffungsmaßnahme war bzw. zumindest derartig genutzt wurde. Die Konkurrenz bei ohnehin schon prekären Beschäftigungen wurde größer, die Arbeitsstandards gesenkt, Löhne gedumpt. Dazu kommt, dass aus eher opportunistischen Berufspoliitkergründen, aber wohl auch Ressentiments, die Integration in den letzten Zig-Jahren massig verpennt worden ist und sich längst Parallelgesellschaften gebildet haben, in denen auch Neuankömmlinge eintauchen können. Diese Tendenzen sind real und gefährlich, weil sie sehr stark zur Spaltung der Gesellschaft beitragen (können) und letztlich sogar zur Destabilisierung des Staats als solchen. Das ist natürlich nicht die Schuld der Migranten, sondern das Versagen des Staates auf diesem Feld aus Kurzsichtigkeit, Dummheit, Ressentiments und Ignoranz. Aber das ändert nichts daran, dass diese Probleme bestehen und dass man mit ihnen umgehen muss. Zumal das Nicht-Umgehen damit einer der größten Motoren für die Rechten ist.

Aus einem der dazu besten Beiträge von Ahmad Mansour „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“:

„Traditionelles Islamverständnis befördert sexuelle Tabus und sexuelle Gewalt. Es hat enormen Einfluss auf das Verhalten der Geschlechter zueinander. Was in der Kölner Silvesternacht passiert ist, hat sein Vorbild auf dem Kairoer Tahrirpatz und anderswo. Von der „religiösen Tradition“ zur sexuellen Abstinenz gezwungene junge Männer, greifen auf Frauen in der Öffentlichkeit zu. Das festzustellen ist nicht rassistisch, sondern ein Fakt. Wir, die Muslime, haben das Problem – die kritischen unter uns benennen es und brauchen die Solidarität der Demokraten im Land. Von der AfD, von Pegida wollen wir sie nicht, denn sie ist keine.“

+

„Solange die muslimischen Verbände – ebenso wie die Grünen und Linken – leugnen, dass ein traditionell patriarchalisches Verständnis des Islam den fundamentalistischen Muslimen in die Hände spielt, solange haben bei diesem Thema AfD und Pegida das Sagen. Die Neue Rechte pachtet das Benennen der Probleme für sich – und sie tut es auch tatsächlich: hetzend und rassistisch, statt politisch aufklärend, soziologisch klar und religionsanalytisch.“

https://taz.de/Essay-Linke-und-Muslime/%215317219/


Das ist es auf diesen Punkt bezogen, quasi in a nutshell, speziell das von mir fett Markierte.

Das sind Probleme, die von sehr vielen Linken nach wie vor nur sehr schwierig und verhalten überhaupt thematisiert werden. Die Rassismus-Keule ist hierbei so rasch geschwungen, dass man sich nicht wundern braucht, wenn sie irgendwann so stumpf geworden ist, dass man damit nicht mal die wirklichen Rassisen mehr schlagen kann. Wobei hier vermutlich auch eine Rolle spielt, dass die ökonomische Dimension oft vernachlässigt/ignoriert wird, sodass einem als Gerechtigkeitskrieger kaum etwas anderes bleibt, als ordentlich mit besagter Keule um sich zu schlagen und eines Don Quichottes gleich die Lanze ständig zum Stoß bereitzuhalten.

Dennoch: Die notwendige Mehrheit für die Einführung der notwendigen sozialen Konzepte erreicht man nicht durch das Werfen von Torten in die Gesichter der klügeren Köpfe aus den eigenen Reihen. Und das hat nichts, absolut gar nichts mit einem Rechtsschwenk zu tun, um fort Wähler zu angeln, sondern mit Aufklärung, die den Namen verdient.


Ich habe den taz-Artikel gelesen. Der Autor plädiert für eine Kultur- und Islamkritik, die "aufklärend, soziologisch klar und religionsanalytisch" sein solle und bezieht sich aber auf die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht.

Dazu sage ich, dass diese Ereignisse erst mal geklärt werden sollte, bevor man hier mit einer linken Kulturkritik antwortet. Vielfach wurden die Vorgänge falsch dargestellt.

Für die AfD, Pegida und Konsorten war sowas die Kölner Silvesternacht und überhaupt das Islam-und Migranten-Bashing ja das große Thema vor Corona. Derzeit hört man nur noch Corona von den Rechten, die angeblich die Demokratie verteidigen, während sie zuvor das Abendland vor den *migrantischen Horden* retten wollten.

Linke sollten sich von den Rechten nicht die Themen und Stichworte vorgeben lassen. Die Rechten agieren meist tagesaktuell an Einzelereignissen orientiert. Linke Gesellschafts- und auch Kulturkritik sollte grundsätzlicher ablaufen.

Die eigentliche Krise dieser Welt besteht nicht einfach darin, dass hier Silvesterexzesse stattfinden, dort Waldbrände und zudem die globale Ausbreitung einer neuen Seuche. Warum finden denn keine weltweit koordinierten Hilfsmaßnahmen statt, die Gewalt, Umweltzerstörung und Krankheit systematisch bekämpft? Wieso ist die Tatsache, dass Rechte immer nur Fehlverhalten (von Migranten, von Regierungen) sehen und niemals Fehlverhältnisse für Linke ein Anlasss, den Verlautbarungen der Rechten hinterherzuhecheln und für jeden oberflächlichen Schmarrn jeweils eine Gegendarstellung zu produzieren?

Besser ist es, die Zusammenhänge zwischen all diesen Einzelproblemen aufzuzeigen in der Hoffnung, dass wissenschaftliche Welterklärungen on the long run attraktiver für das geneigte Publikum sind als kurzatmige BILD-Schlagzeilen mit versoffenem Unterton.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Abschließend vielleicht noch ein Wort, obgleich das eigentlich hier in diesem Kontext schon wieder Relativismus (oder neudeutsch "whataboutism" ) wäre, aber da ich hier im Forum ja noch nicht so viel geschrieben habe: Es gibt natürlich auch eine ordentliche Portion Realitätsverweigerung in der "Mitte" bzw. bei Konservativen, was das Thema Rechtsradikalismus oder besser gesagt wirklich schwarz auf weiß Nationalsozialismus angeht. Der Staat hat auf dem rechten Auge erhebliche Sehprobleme – das ist nach wie vor so und ein ganz erhebliches Problem, nur eben ein anderes. Darum ging es hier nur eben gerade nicht, obgleich das natürlich in diesem ganzen Kontext auch hoch relevant ist. Dennoch lässt ein Problem das andere nicht verschwinden und auch die Instrumentalisierung inklusive dem Aufbauschen von Problemen, lässt diese Probleme als solche nicht einfach verschwinden. Und ich glaube eben, dass diese Probleme doch größer und relevanter sind, als du es meinst (so weit ich das denn beurteilen kann, was du dazu meinst zwinkern ).


Da hast du Recht, man sollte nicht in einen Ökonomismus verfallen und auch Probleme der Kultur, der Religion, der fehlenden Emanzipation usw. in den Blick nehmen. Aber ich bin eben der Ansicht, dass es nicht geht, diese Phänomene unabhängig von der Ökonomie in den Blick zu nehmen. zwinkern
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Pan narrans
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Anmeldungsdatum: 24.08.2020
Beiträge: 146

Beitrag(#2222733) Verfasst am: 01.09.2020, 10:34    Titel: Antworten mit Zitat

@tillich (epigonal)

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Das halte ich größtenteils für einen Strohmann. Wenn das Problem so differenziert formuliert wird (und vergleichbare Probleme unter Nichtmigrant*innen nicht verdrängt werden), kann man mE auch unter Linken sehr gut darüber diskutieren.


Da habe ich sowohl andere Erfahrungen als auch Beobachtungen zu gemacht, aber gut. Wenn es denn auch anders geht, umso besser.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Das Problem ist aber, dass das in der Öffentlichkeit zugeschüttet wird von einem "wir" gegen "die", "Deutsche" gegen "Ausländer", wahlweise "die Aufgeklärten" gegen "den Islam" - kurz, einem rassistischen Diskurs. Gegen den muss man sich dann wenden und gleichzeitig die Probleme, die es unter Migrant*innen gibt, nicht unter den Teppich kehren.


Ja. Mir scheint es nur so, dass sehr häufig der halbe bis ganze Diskurs in Abgrenzungen zu einem rassistischen Diskurs geschieht, mit jeder Menge Unterstellungen und raschen Verdachten, bei dem das eigentliche Thema dann rasch vorbei ist. Aber okay, das hängt sicher auch sehr stark von dem Grad der Differenzierung und generell dem Diskursniveau ab.




@Skeptiker


Skeptiker hat folgendes geschrieben:


Hitler benannte ja die Partei "DAP", welcher er beigetreten ist, in "NSDAP" um, also mit dem Zusatz "Nationalsozialistisch", so als wenn die Partei für "Sozialismus" eintreten würde. Es ging einfach darum, der KPD möglichst viele Arbeiter abzujagen, was nicht in dem Umfang gelang, aber immerhin stellenweise.


Ja, eben, immerhin stellenweise. Das ist heute nicht anders.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:


Der Betrug von solchen Parteien wie NPD und AfD, sich der sozialen Frage anzunehmen, sollte ebenfalls als das durchschaut werden, was es ist: Heuchelei. Faschismus ist prinzipiell die Verteidigung der bürgerlichen Eigentumsordnung mit terroristischen Mitteln und somit das Gegenteil von sozialistischer Eigentumsordnung.


Jo. Wobei bislang diese Heuchelei bei der AfD zum Glück weniger verbreitet war, als Dummheit. Ich möchte mir nämlich nicht ausmalen, was passiert, wenn sie, statt offen einen noch neoliberaleren Kurs als die FDP zu fahren, das Potential einer pseudo-sozialdemokratischen Sozialpolitik entdecken.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Nun, von seiten der AfD kommt ja eine Menge an "Islamkritik". Ich unterscheide prinzipiell zwischen Kritik (inhaltlich, ad rem, analytisch) und Hetze (formal, ad personam, Erscheinungsebene).


Jap. Das ergibt sich eigentlich schon selbst aus dem Kritikbegriff.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Die AfD besteht nicht nur aus Vertretern neoliberaler Interessen, sondern zu einem großen Teil auch aus Vertretern eines christlichen Fundamentalismus und anderer irrationaler Ideologien. Die Feindschaft der Rechten gegen den Islam gründet sich weder aus einem Eintreten für Aufklärung oder Religionskritik, sondern vor allem aus einer Konkurrenz zur "fremden", "andersartigen" Religion.


Ja.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Dennoch sind reaktionäre Moslems und reaktionäre Christen politisch auf einer Linie, auch wenn sie quasi unterschiedliche *Götter* anbeten, unterschiedliche *Regeln* befolgen.


Jo, speziell bei den Atheisten sind sich zumeist alle einig. Etwas Schlimmeres kann es aus der monotheistischen Logik heraus auch gar nicht geben.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Während in der westlichen Kultur eine Abspaltung des Faschismus aus dem Christentum stattfand, sind faschistische Elemente in Form des Islamismus immer noch Bestandteil des Islamischen Religion, bzw. werden unter deren Schild geäußert. Es ist meiner Anicht nach abzusehen, dass sich auch hier womöglich ein eigenständiger Faschismus aus dem Islam abspalten wird.


Du meinst, ein durch Aufklärung und Humanismus gezähmter Islam ist (etwa in Europa?) absehbar?

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Doch auch eine verbliebene islamische Religion wird weiterhin Grund zur Kritik sein, so wie auch das heute vorgeblich geläuterte und zivilisierte Christentum.


Die Läuterung und Zivilisation des Christentums besteht ja primär darin, dass die Machtmittel für Anderes fehlen. Naja ok, fairerweise auch darin, dass der allgemeine Bewusstseinswandel auch bei Christen stattfand. Schon gut. Lachen

Skeptiker hat folgendes geschrieben:


Der Begriffswandel fand hier klammheimlich insofern statt, als dass nun von "Kritik" die Rede ist und nicht mehr von einer "Frage", so als wenn Faschisten Kritik leisten würden. Tun sie nicht, haben sie nie getan; sie haben immer schon Hetze geleistet. Eine Kritik haben sie gar nicht.


Hier vermischst du dann aber m.E. doch verschiedene Dinge mit dem Vergleich. Es geht ja auch gar nicht darum, dass Faschisten Kritik üben würden, sondern nur, dass sie gewisse Probleme überhaupt als Probleme begreifen. Dass sie die dann aufbauschen und instrumentalisieren, sie also keineswegs kritisch thematisieren, ändert daran nichts. Dabei wäre es so einfach, ihnen hier das Wasser abzugraben, eben durch ein kritisches und ehrliches Thematisieren. Sie können ja nur aufgrund der euphemistischen Kleinrederei das überhaupt instrumentalisieren.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Deswegen sage ich: Linke überlasse den Rechten keine Kritik, weil Rechte sowieso keine Kritik leisten. Aber Linke können das und sollten das auch in Bezug auf den Islam tun.


Ganz genau!
Mein Punkt war eben nur nie, dass man den Rechten das Kritisieren überlassen würde, sondern lediglich das Ansprechen von diversen Problemen. Dieses Ansprechen geschieht, wie Mansour sagt, „hetzend und rassistisch, statt politisch aufklärend“. Man müsste also sagen, man überlässt den Rechten das Hetzen. Aber genau das tut man damit auch, man lässt ihnen die Deutungshoheit.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Die Kritik im Islam muss dann sowohl eine allgemeine Seite haben als Kritik von Religion in Bezug auf ihre gesellschaftlich reaktionäre Rolle. Und zweitens muss die Kritik am Islam eine besondere Seite haben als spezielle Kritik islamischer Besonderheiten.



Ja, meinetwegen. Wobei ich ohnehin keine wirklich spezifischen islamischen Besonderheiten als problematisch sehe, sondern eher die vor ein paar Jahrhunderten noch genauso fürs Christentum geltenden allgemeinen Punkte. Ein durch Aufklärung und Humanismus gezähmter Islam brächte m.E. auch keine größeren Schwierigkeiten mehr, als es das Christentum hierzulande tut. Eher sogar weniger, wenn man die Machtposition der Kirchen bedenkt, die ein Stück weit ja immer noch vorhanden ist.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Inwieweit man sich dabei mit solchen Leuten wie Hamed Abdel-Samad oder Ahmad Mansour gemein machen sollte, ist eine Frage, die immer im Einzelfall zu klären wäre. Pauschal eine Gemeinschaft mit islamischen Kritikern des Islams einzugehen, ist selbst ein unkritisches Verhalten, da diese Kritiker zum Teil selber alles andere als fortschrittlich sind. Zum Beispiel arbeitet Abdel-Samad mit Henryk Broder zusammen, und der ist als politischer Bündnispartner kaum zu gebrauchen, um es mal freundlich auszudrücken.


Naja, das ergibt sich ja eigentlich von selbst. Wobei ich Kontaktschuld für kein sonderlich gutes Konzept halte, letztlich interessiert es mich nicht, mit wem jemand mal zusammenarbeitet, sondern, was er inhaltlich sagt (wobei, gut, es gäbe schon Leute, bei denen ich da ein wenig arg aufhorchen würde). Ich verstehe Abdel-Samad eigentlich als geradezu einen klassischen Aufklärer, einen Atheisten, der sich dafür stark macht in einem Umfeld, wo ihm das noch das Leben kosten kann. Das ist auch noch mal eine andere Nummer, finde ich und da wäre ich dann auch vorsichtig, mit Urteilen darüber, so untauglich ein Broder als Bündnispartner auch sein mag.

Allerdings braucht man ihn auch nicht wirklich, da die Probleme im Grunde die Probleme des Monotheismus sind bzw. einer vor-aufklärerischen Religiosität, wie man sie einst mit dem Christentum auch hatte. Und vielleicht wären Brückenbauer für einen liberalen Islam auch viel sinnvoller, als gleich gen Atheismus zu tendieren. Brücken bauen tut Abdel-Samad vermutlich weniger. Wobei die Reaktion auf ihn auch sehr entlarvend ist.

(Allerdings sind wir an einem Punkt, an dem auch Brückenbauer Polizeischutz brauchen.)

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Was die westlichen Maßstäbe betrifft, an denen der Islam sich messen sollte: Einerseits ja, einerseits nein, würde ich sagen.

Ja, weil es sich um universelle und eben nicht westliche Maßstäbe handelt.

Nein, sofern die reale gesellschaftliche Praxis fälschlicherweise als Verwirklichung universeller menschenrechtlicher Maßstäbe hingestellt wird.


Ja gut, da käme es eben drauf an, was die zu messenden westlichen Maßstäbe denn genau sind. Die Ideale von den Menschenrechte, die aber in der Praxis geradezu obligatorisch verhökert werden? Ja, da muss man schon aufpassen.

Das Problem mit der Aufklärung ist ja, dass sie ihr ganzes Potential nicht entfalten kann, solange die polit-ökonomische Dimension fast komplett außen vor bleibt. Diesbezüglich herrscht ja fast schon Mittelalter. Längst falsifizierter Aberglaube á la Trickle-Down-Unsinn ist weit verbreitet, wird gar nach wie vor gelehrt, von der Wirtschchafts“wissenschaft“, die sich damit bestenfalls eher in die Richtung der Pseudowissenschaft, wenn nicht gar Esoterik, begibt.
Aber ok, wem sag’ ich das. Lachen


Skeptiker hat folgendes geschrieben:


Es ist doch so, dass das Paradigma des "Clash of Civilizations" aufkam, als das alte Feindbild des Realsozialismus (fast) verschwunden war. Der Westen brauchte eine neue Rechtfertigung für seinen Rüstungswahnsinn und seine Kriege um Beherrschung des ganzen Planeten.


Das ist sicher eine Komponente dabei. Aber Kulturkonflikte dieser Art sind dennoch da.

Zumal Unterschiede im "Aufklärungs- & Humanismusgrad" (um nicht von Zivilisationsgrad sprechen zu müssen) zu großen Schwierigkeiten führen. Die graduelle Ausprägung an Chauvinismus in vielerlei Hinsicht (bezogen auf Geschlecht, der eigenen ethnischen oder kulturellen Gruppe, Macht und Besitz, der Verachtung von Schwäche und auch von Toleranz etc.) ist auch stark kulturell bedingt. Es besteht also nicht der Unterschied zwischen den rückständigen Barbaren und den aufgeklärten Europäern, zumal in diesen absoluten Kategorien. Aufklärung ist ein Prozess und kein erreichter, fester Dauerzustand. Dennoch gibt es graduelle Unterschiede bei verschiedenen Kulturkreisen. Wenn man das nicht sehen will, dann ist das m.E. Realitätsverleugnung und wenn aus Angst, das Feindbild-Narrativ damit zu kolportieren, das tabuisiert wird, dann ist das Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Denn auf diese Weise werden Probleme nicht gelöst, sondern können stattdessen nur umso besser ausgeschlachtet werden. Ich fürchte, hier spielen viele aus Naivität ungewollt und in besserem Glauben den Rechten in die Hände. ich vermute mal, das dürfte der strittigste Punkt, der größte Dissenz zwischen uns sein oder?

Allerdings sollte zu einer kritischen Thematisierung natürlich auch gehören, dieses Feindbild als Rechtfertigung zu durchleuchten, inklusive der geostrategischen Interessen dabei. Es ist ja so: Das eine schließt das andere nicht aus. Und hier trennt sich dann eben auch die parikularinteressengeleitete Spreu vom kritikorientierten Weizen – auch, da erstere gar kein Interesse an einer Lösung von Konflikten hat, im Gegenteil.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Und es kann ja nicht sein, dass einerseits *Kritik* am rückstandigen Islam geübt wird und andererseits Saudi Arabien zu den besten Freunden des Westens gehört.


Tja, wenn sie aber doch nun einmal so viel Öl und Geld haben und gerne so viel von uns kaufen?

Diese Heuchelei ist dabei aber nicht einmal das größte Problem, sondern, dass man diese Mächte nicht verärgern will und auch hier gewähren lässt. Das hatte ja auch für die Entwicklung des Islams eine fatale Wirkung, der Einfluss von den „guten Geschäftspartnern“ am Golf, aber auch am Bosporus, hat ja massiv zu dem Backlash in der islamischen Welt beigetragen, inklusive in den Gemeinschaften in Europa. Statt liberale Muslime zu unterstützen, unterstützt man die fundamentalistischen Versionen, geschürt durch den Interessenvertretern besagter bester Freunde. Das hat dann freilich wieder primär mit Profitinteressen zu tun, obgleich die Saudis schon auch ein ideologisches Interesse an der Verbreitung ihrer sehr rückständigen Form des Islams haben.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:


Die Dialektik besteht hier darin, dass Widersprüche, sofern sie nicht antagonistisch sein, nur scheinbar, auf den ersten Blick durch den guten Willen aller Beteiligten überwunden werden können. Wenn man damit anfängt, Synthesen der Widersprüche zu schaffen, brechen diese unterirdisch immer wieder auf.

Deshalb muss man die bestehenden Widersprüche analysieren, auseinander nehmen in ihre Bestandteile und im einzelnen klären, wie sie eventuell zu lösen wären - oder auch nicht. Erst dann, nachdem hier eine Auseinandersetzung stattgefunden hat, ist in bestimmten Punkten eine Synthese möglich.


Dabei könnte man allerdings feststellen, dass hierzulande sehr viele Menschen schon ein Interesse an der Beibehaltung des status quo haben, vielleicht mit ein paar mehr Kuchenstücken noch und ein paar Pillen zur Gewissensberuhigung. Aber was z. B. das eigene Konsumverhalten angeht, dürften da schon so einige Interessenkonflikte zutage kommen, fürchte ich.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Ich gebe dir Recht, dass die Herstellung von Gemeinsamkeiten das Ziel sein sollte und nicht das Führen von Grabenkämpfen und Spaltungen als Selbstzweck.


Genau. Und speziell als Marxist oder marxistisch angehauchter Linker muss man hier m.E. pragmatisch bleiben, so sehr das auch nach Korrumpierung aussieht. Natürlich nicht in dem Sinne, dass man nun alles fahren lässt, aber man muss realistisch bei der Beurteilung bleiben, was die Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit angeht. Die kapitalistische Ideologie ist viel, viel stärker und bis in die Triebe hinein verinnerlicht, wie Marcuse schon schrieb. Man muss also gewisserweise nachsichtig und kompromissbereit sein, ansonsten versackt man (wieder einmal) in Grabenkämpfen, die potentielle Sympathisanten vollends abschrecken, während die Rechten relativ geeint marschieren.



Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Für die AfD, Pegida und Konsorten war sowas die Kölner Silvesternacht und überhaupt das Islam-und Migranten-Bashing ja das große Thema vor Corona. Derzeit hört man nur noch Corona von den Rechten, die angeblich die Demokratie verteidigen, während sie zuvor das Abendland vor den *migrantischen Horden* retten wollten.


Für besagte Konsorten ist sowas das gefundene Festmahl, klar. Ein Grund mehr, da lösungsorientiert anstatt mit Scheuklappen heranzugehen!

Es gab mal den Fall einer linken Politikerin, die ihre Vergewaltigung durch Asylanten nicht anzeigen wollte, aus Angst vor der Instrumentalisierung durch besagte Konsorten. Und das ist, als extreme Spitze des Eisberges, absurderweise genau das Narrativ, das die Rechten gern nutzen, wenn sie auf Stimmenfang gehen. Mit solch einer Strategie des vermeintlichen „Nicht-Fütterns“, erfüllt man absurderweise genau das, was die Rechten einem vorwerfen. Das ist hochgradig kontraproduktiv, geschieht aber auf sehr vielen, auch viel harmloseren Ebenen. Euphemistische Schönfärbereien sind hier einfach kontraproduktiv, sie spielen den Rechten nur in die Hände. Und das gilt jetzt natürlich nicht nur explizit für Linke, sondern auch allgemein für im Grunde die ganze Berichtserstattung, speziell auch von den großen Mainstream-Medien.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Linke sollten sich von den Rechten nicht die Themen und Stichworte vorgeben lassen. Die Rechten agieren meist tagesaktuell an Einzelereignissen orientiert. Linke Gesellschafts- und auch Kulturkritik sollte grundsätzlicher ablaufen.


Ich finde halt, dass man sich auch in dieser negativen Form die Themen und Stichworte vorgeben lassen kann. Entscheidend ist doch, wie man Themen angeht – bzw., dass man sie grundsätzlicher angeht. Wozu natürlich auch die Rolle von diversen Macht- und Profitinteressen berücksichtigt werden muss.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Die eigentliche Krise dieser Welt besteht nicht einfach darin, dass hier Silvesterexzesse stattfinden, dort Waldbrände und zudem die globale Ausbreitung einer neuen Seuche. Warum finden denn keine weltweit koordinierten Hilfsmaßnahmen statt, die Gewalt, Umweltzerstörung und Krankheit systematisch bekämpft? Wieso ist die Tatsache, dass Rechte immer nur Fehlverhalten (von Migranten, von Regierungen) sehen und niemals Fehlverhältnisse für Linke ein Anlasss, den Verlautbarungen der Rechten hinterherzuhecheln und für jeden oberflächlichen Schmarrn jeweils eine Gegendarstellung zu produzieren?


Ich denke, die Antwort gibst du dir, mit Erwähnung desjenigen Mediums, mit denen sich lange Zeit ein großer Teil der Menschen „informiert“ hat (und noch tut?), selbst:

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Besser ist es, die Zusammenhänge zwischen all diesen Einzelproblemen aufzuzeigen in der Hoffnung, dass wissenschaftliche Welterklärungen on the long run attraktiver für das geneigte Publikum sind als kurzatmige BILD-Schlagzeilen mit versoffenem Unterton.


zwinkern


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Da hast du Recht, man sollte nicht in einen Ökonomismus verfallen und auch Probleme der Kultur, der Religion, der fehlenden Emanzipation usw. in den Blick nehmen. Aber ich bin eben der Ansicht, dass es nicht geht, diese Phänomene unabhängig von der Ökonomie in den Blick zu nehmen. zwinkern


Unabhängig von der Ökonomie ist sowieso nichts.
Ohnehin – die verschiedenen Betrachtungsebenen oder perspektivistischen Gegenstandsbereiche sind ja nur Beschreibungen und nicht das Beschriebene selbst. Letztere fallen empirisch natürlich nicht so fein säuberlich analytisch auseinander. Und davon abgesehen ist die ökonomische Basis natürlich immer von besonderer Relevanz bzw. eine Hauptursache für viele weitere Entwicklungen, keine Frage. So viel Marx mach’ ich schon noch mit. zwinkern
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Beitrag(#2223529) Verfasst am: 06.09.2020, 10:49    Titel: Antworten mit Zitat

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Der Betrug von solchen Parteien wie NPD und AfD, sich der sozialen Frage anzunehmen, sollte ebenfalls als das durchschaut werden, was es ist: Heuchelei. Faschismus ist prinzipiell die Verteidigung der bürgerlichen Eigentumsordnung mit terroristischen Mitteln und somit das Gegenteil von sozialistischer Eigentumsordnung.


Jo. Wobei bislang diese Heuchelei bei der AfD zum Glück weniger verbreitet war, als Dummheit. Ich möchte mir nämlich nicht ausmalen, was passiert, wenn sie, statt offen einen noch neoliberaleren Kurs als die FDP zu fahren, das Potential einer pseudo-sozialdemokratischen Sozialpolitik entdecken.


Es ist denkbar, dass die AfD eine soziale Reformpolitik in Worten "entdecken" wird. Es werden aber dann nur genau solche Phrasen sein wie ehemals bei der NSDAP (oder heute bei der NPD).

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Während in der westlichen Kultur eine Abspaltung des Faschismus aus dem Christentum stattfand, sind faschistische Elemente in Form des Islamismus immer noch Bestandteil des Islamischen Religion, bzw. werden unter deren Schild geäußert. Es ist meiner Anicht nach abzusehen, dass sich auch hier womöglich ein eigenständiger Faschismus aus dem Islam abspalten wird.


Du meinst, ein durch Aufklärung und Humanismus gezähmter Islam ist (etwa in Europa?) absehbar?


Nein, die Abspaltung einer säkularen Herrschaftsbewegung aus einer religiösen Herrschaftsideologie, welche das Christentum nach wie vor ist. Aufklärung und Religion ist eine contradictio in adjecto und Humanismus im Christentum findet man nur in ein paar ausgewählten Passagen. Es ist hier einfach nur einiges mehr in den Hintergrund geschoben worden, so wie wenn man das Gerümpel in den Keller bringt, wenn wichtiger Besuch erwartet wird.

Dagegen sind die christlichen Wurzeln des Faschismus einschlägig. Der klassenmäßige Hintergrund dieser Transformation in ein kapitalkonformes politisches Christentum namens Faschismus ist meiner Ansicht nach deshalb erfolgt, weil die altersklapprige Religion alleine die sozialen und sozialistischen Massenbewegungen massenideologisch nicht hätte zurück schlagen können. Mithilfe der Amalgamierung von altem Inquisitionschristentum und *modernen* Herrschafts-Klassenideologien wie dem Sozialdarwinismus ist dies in Italien, Deutschland und anderen Ländern in Zeiten von Kapitalverwertungskrisen ("Wirtschaftskrisen") gelungen.

Dieser Faden wird von der AfD heute wieder aufgenommen.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Doch auch eine verbliebene islamische Religion wird weiterhin Grund zur Kritik sein, so wie auch das heute vorgeblich geläuterte und zivilisierte Christentum.


Die Läuterung und Zivilisation des Christentums besteht ja primär darin, dass die Machtmittel für Anderes fehlen. Naja ok, fairerweise auch darin, dass der allgemeine Bewusstseinswandel auch bei Christen stattfand. Schon gut. Lachen


Das *geläuterte* christliche Herrschaftsmodell steht weiterhin Seite an Seite mit der Ausbeutung von Mensch & Natur. Seine Stimme ist nur vorübergehend in eine sanfte Tonlage gewechselt, mehr nicht.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Der Begriffswandel fand hier klammheimlich insofern statt, als dass nun von "Kritik" die Rede ist und nicht mehr von einer "Frage", so als wenn Faschisten Kritik leisten würden. Tun sie nicht, haben sie nie getan; sie haben immer schon Hetze geleistet. Eine Kritik haben sie gar nicht.


Hier vermischst du dann aber m.E. doch verschiedene Dinge mit dem Vergleich. Es geht ja auch gar nicht darum, dass Faschisten Kritik üben würden, sondern nur, dass sie gewisse Probleme überhaupt als Probleme begreifen. Dass sie die dann aufbauschen und instrumentalisieren, sie also keineswegs kritisch thematisieren, ändert daran nichts. Dabei wäre es so einfach, ihnen hier das Wasser abzugraben, eben durch ein kritisches und ehrliches Thematisieren. Sie können ja nur aufgrund der euphemistischen Kleinrederei das überhaupt instrumentalisieren. (...)

Mein Punkt war eben nur nie, dass man den Rechten das Kritisieren überlassen würde, sondern lediglich das Ansprechen von diversen Problemen. Dieses Ansprechen geschieht, wie Mansour sagt, „hetzend und rassistisch, statt politisch aufklärend“. Man müsste also sagen, man überlässt den Rechten das Hetzen. Aber genau das tut man damit auch, man lässt ihnen die Deutungshoheit.


Bezüglich der rechten *Islamkritik* reicht es zunächst, zu zeigen, dass diese keinerlei menschenrechtlichen Standpunkt vertritt, sondern grundsätzlich einen menschenfeindlichen und gleichzeitig kapital- und staatsfreundlichen Standpunkt. Wenn man das einmal klar hat, fällt es leicht, gegenüber der kritischen Öffentlichkeit den Stellenwert der sogenannten *rechten Kritik* deutlich zu machen. Das ist das Eine.

Aber damit fällt auch die Tatsache zusammen, dass die Neofaschisten und anderen Rechten bei *den Moslems* Probleme benennen, die keine sind. Aus gesellschaftskritischer Sicht liegen die Probleme der islamischen Religion woanders.

Zahlreiche Bestandteile des Islam unterstützen und rechtfertigen allgemein verschiedene Zustände von Herrschaft und Ausbeutung, die in der Welt nun mal etabliert sind. Damit sind sowohl das Christentum als die islamischen Strömungen herrschaftskonform und herrschaftlegitimierend.

Dies aufzuzeigen, auch an konkreten Inhalten und Formen - darin sollte linke Islamkritik bestehen, die aber immer von der Grundlage einer allgemeinen Kritik von Herrschaftsideologien aus agieren muss. Und eine solche linke Religions- und Islamkritik gibt es ja. Sie müsste halt nur noch ein wenig verbreiteter werden. Das war sie früher ja mal.

Aber zu behaupten, dass Linke sich scheuen würde, Islamkritik zu formulieren, während Rechte dies ungeniert tun würden, das ist einfach mehrfach falsch, jedenfalls wenn es um die nicht bloß in erster Linie kulturell orientierten Linken geht. - Dies betrifft aber wiederum auch die Frage der Einheit *der Linken*, die wir oben schon besprochen hatten. Diese Einheit ist u.a. aus eben diesen Gründen nicht so einfach.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Inwieweit man sich dabei mit solchen Leuten wie Hamed Abdel-Samad oder Ahmad Mansour gemein machen sollte, ist eine Frage, die immer im Einzelfall zu klären wäre. Pauschal eine Gemeinschaft mit islamischen Kritikern des Islams einzugehen, ist selbst ein unkritisches Verhalten, da diese Kritiker zum Teil selber alles andere als fortschrittlich sind. Zum Beispiel arbeitet Abdel-Samad mit Henryk Broder zusammen, und der ist als politischer Bündnispartner kaum zu gebrauchen, um es mal freundlich auszudrücken.


Naja, das ergibt sich ja eigentlich von selbst. Wobei ich Kontaktschuld für kein sonderlich gutes Konzept halte, letztlich interessiert es mich nicht, mit wem jemand mal zusammenarbeitet, sondern, was er inhaltlich sagt (wobei, gut, es gäbe schon Leute, bei denen ich da ein wenig arg aufhorchen würde). Ich verstehe Abdel-Samad eigentlich als geradezu einen klassischen Aufklärer, einen Atheisten, der sich dafür stark macht in einem Umfeld, wo ihm das noch das Leben kosten kann. Das ist auch noch mal eine andere Nummer, finde ich und da wäre ich dann auch vorsichtig, mit Urteilen darüber, so untauglich ein Broder als Bündnispartner auch sein mag.


Abdel-Samad behauptet ja, dass der Islam insgesamt faschistisch sei. Das ist jedoch absurd und führt zu einer realitätsfernen Dämonisierung des Islams als solchem und auch zu einer Defensive eines Großteils der gläubigen Moslems, die sich quasi in Verdacht gestellt sehen. Abdel-Samad ist ein Beispiel dafür, wie eine Islamkritik nicht gehen kann. Seine Kritik geht leider in Richtung Hetze. Dass er mit Broder zusammenarbeitet, ist eine Folge seiner fehlenden Aufgeklärtheit.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Es ist doch so, dass das Paradigma des "Clash of Civilizations" aufkam, als das alte Feindbild des Realsozialismus (fast) verschwunden war. Der Westen brauchte eine neue Rechtfertigung für seinen Rüstungswahnsinn und seine Kriege um Beherrschung des ganzen Planeten.


Das ist sicher eine Komponente dabei. Aber Kulturkonflikte dieser Art sind dennoch da.

Zumal Unterschiede im "Aufklärungs- & Humanismusgrad" (um nicht von Zivilisationsgrad sprechen zu müssen) zu großen Schwierigkeiten führen. Die graduelle Ausprägung an Chauvinismus in vielerlei Hinsicht (bezogen auf Geschlecht, der eigenen ethnischen oder kulturellen Gruppe, Macht und Besitz, der Verachtung von Schwäche und auch von Toleranz etc.) ist auch stark kulturell bedingt. Es besteht also nicht der Unterschied zwischen den rückständigen Barbaren und den aufgeklärten Europäern, zumal in diesen absoluten Kategorien. Aufklärung ist ein Prozess und kein erreichter, fester Dauerzustand. Dennoch gibt es graduelle Unterschiede bei verschiedenen Kulturkreisen. Wenn man das nicht sehen will, dann ist das m.E. Realitätsverleugnung und wenn aus Angst, das Feindbild-Narrativ damit zu kolportieren, das tabuisiert wird, dann ist das Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Denn auf diese Weise werden Probleme nicht gelöst, sondern können stattdessen nur umso besser ausgeschlachtet werden. Ich fürchte, hier spielen viele aus Naivität ungewollt und in besserem Glauben den Rechten in die Hände. ich vermute mal, das dürfte der strittigste Punkt, der größte Dissenz zwischen uns sein oder?


Kulturelle Barbarei hat es gegeben und es gibt sie auch heute, in Form von Volksverdummung und tabuisierten kulturell verankerten inhumanen Vorschriften. Der Westen betrachtet aber die reaktionärsten islamistischen Kräfte als Verbündete, Beispiel Taliban, IS, Saudi Arabien u.a.

Deshalb allein schon sehe ich keinen Gegensatz zwischen westlicher Zivilisiertheit und islamischer Barbarei im politischen Sinne. Sondern islamische Barbarei wie auch Faschismus, rechte Esoterik und reaktionäres Christentum werden benutzt als ideologische Reserve für die Aufrechterhaltung des Bestehenden.

Diese Gemengelage macht es schwierig, die kulturellen Aspekte isoliert zu betrachten.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und es kann ja nicht sein, dass einerseits *Kritik* am rückstandigen Islam geübt wird und andererseits Saudi Arabien zu den besten Freunden des Westens gehört.


Tja, wenn sie aber doch nun einmal so viel Öl und Geld haben und gerne so viel von uns kaufen?

Diese Heuchelei ist dabei aber nicht einmal das größte Problem, sondern, dass man diese Mächte nicht verärgern will und auch hier gewähren lässt. Das hatte ja auch für die Entwicklung des Islams eine fatale Wirkung, der Einfluss von den „guten Geschäftspartnern“ am Golf, aber auch am Bosporus, hat ja massiv zu dem Backlash in der islamischen Welt beigetragen, inklusive in den Gemeinschaften in Europa. Statt liberale Muslime zu unterstützen, unterstützt man die fundamentalistischen Versionen, geschürt durch den Interessenvertretern besagter bester Freunde. Das hat dann freilich wieder primär mit Profitinteressen zu tun, obgleich die Saudis schon auch ein ideologisches Interesse an der Verbreitung ihrer sehr rückständigen Form des Islams haben.


Ja, so ist es. Schulterzucken

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ich gebe dir Recht, dass die Herstellung von Gemeinsamkeiten das Ziel sein sollte und nicht das Führen von Grabenkämpfen und Spaltungen als Selbstzweck.


Genau. Und speziell als Marxist oder marxistisch angehauchter Linker muss man hier m.E. pragmatisch bleiben, so sehr das auch nach Korrumpierung aussieht. Natürlich nicht in dem Sinne, dass man nun alles fahren lässt, aber man muss realistisch bei der Beurteilung bleiben, was die Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit angeht. Die kapitalistische Ideologie ist viel, viel stärker und bis in die Triebe hinein verinnerlicht, wie Marcuse schon schrieb. Man muss also gewisserweise nachsichtig und kompromissbereit sein, ansonsten versackt man (wieder einmal) in Grabenkämpfen, die potentielle Sympathisanten vollends abschrecken, während die Rechten relativ geeint marschieren.


Die Linken können sich vereinen, wenn sie gemeinsam von den sozialen, ökologischen und demokratischen Problemen sprechen und gemeinsam Lösungskonzepte propagieren, während die Rechten von diesen Themen schweigen und statt dessen nur von *den Fremden*, *fremden (minderwertigen) Kulturen* oder *Volksaufstand gegen die da oben* (bloß nicht konkreter werden) reden.

Linke Bewegungen sollten konkret und faßbar sein in ihrer Kritik. Und das können sie und damit haben sie das Potenzial, sich wieder Mehrheiten zu erkämpfen, während die rechten *Wutbürger* und so nur ihre verwaschenen und nebulösen Parolen feilbieten können.

Pan narrans hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Da hast du Recht, man sollte nicht in einen Ökonomismus verfallen und auch Probleme der Kultur, der Religion, der fehlenden Emanzipation usw. in den Blick nehmen. Aber ich bin eben der Ansicht, dass es nicht geht, diese Phänomene unabhängig von der Ökonomie in den Blick zu nehmen. zwinkern


Unabhängig von der Ökonomie ist sowieso nichts.
Ohnehin – die verschiedenen Betrachtungsebenen oder perspektivistischen Gegenstandsbereiche sind ja nur Beschreibungen und nicht das Beschriebene selbst. Letztere fallen empirisch natürlich nicht so fein säuberlich analytisch auseinander. Und davon abgesehen ist die ökonomische Basis natürlich immer von besonderer Relevanz bzw. eine Hauptursache für viele weitere Entwicklungen, keine Frage. So viel Marx mach’ ich schon noch mit. zwinkern


Sollte man auch zumindest, wenn man materialistisch und nicht idealistisch an die Sache herangehen möchte. zwinkern
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Beitrag(#2224381) Verfasst am: 11.09.2020, 15:17    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Abstimmungsverhalten der AfD im Bundestag

Ein Blick auf den parlamentarischen Alltag entzaubert die Selbstinszenierung als «Alternative»


Die vorliegende Studie zum Abstimmungsverhalten der AfD im Bundestag zeigt anhand ausgewählter Politikfelder, dass die AfD keine grundsätzlichen Alternativen zum Bestehenden vertritt, ja, dass sie sogar recht häufig mit den Regierungsfraktionen stimmt und damit implizit eine Stütze des von ihr so gehassten «Systems Merkel» ist. In der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik hingegen, wo sich die AfD nach außen gern als «Partei der kleinen Leute» darstellt, stimmt sie häufig mit den Marktradikalen der FDP. So entzaubert der Blick auf den parlamentarischen Alltag schnell die Selbstinszenierung der AfD als einzige Alternative zum bestehenden «Parteienkartell».


https://www.rosalux.de/publikation/id/42924/abstimmungs-verhalten-der-afd-im-bundestag


Die sogenannte *Alternative* ist Kapitals Liebling. Auf den Arm nehmen
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Beitrag(#2224891) Verfasst am: 14.09.2020, 11:06    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Es ist denkbar, dass die AfD eine soziale Reformpolitik in Worten "entdecken" wird. Es werden aber dann nur genau solche Phrasen sein wie ehemals bei der NSDAP (oder heute bei der NPD).


Ja, aber diese Phrasen hatten schon einmal Erfolg und ich fürchte, das Potential haben sie immer noch und das diabolischerweise umso mehr, je zugespitzter die Ungleichheiten werden, auch durch Digitalisierung und Klimawandel. Wenn es so weiter geht mit der Zuspitzung – jetzt haben wir die 20er, da will ich mir wirklich nicht ausmalen, wie es dann 2033 aussehen könnte.



Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Aufklärung und Religion ist eine contradictio in adjecto und Humanismus im Christentum findet man nur in ein paar ausgewählten Passagen. Es ist hier einfach nur einiges mehr in den Hintergrund geschoben worden, so wie wenn man das Gerümpel in den Keller bringt, wenn wichtiger Besuch erwartet wird.


Jaein. Also grundsätzlich stimme ich dir zu, die aufgeklärte Religion ist ein Oxymoron. Allerdings neige ich mittlerweile ein wenig mehr zu Pragmatismus bzw. zu einem etwas versöhnlichen Tonfall.

Theoretisch ist es inkonsistent und damit unplausibel, Aufklärung zu vertreten und zugleich das Glaubensprinzip hochzuhalten, dazu ist es intellektuell unredlich – auch speziell, sich etwa aus Opportunismus als gläubiger Christ zu bezeichnen, Gott aber als metaphysisches Prinzip zu verstehen (und natürlich nicht an einen personalen Schöpfer zu glauben, das wäre ja albern …) und mehr spiritueller Pantheist zu sein als sonst was. Und überhaupt: Natürlich ist Religion, speziell wenn es um weltliche Handlungsanweisungen und damit verbundene Repression geht, zum Schreien absurd und tragisch. Dennoch würde ich heute sagen, es ist vergeudetes Pulver, darauf zu schießen. Wenn jemand meint, es sei seine christliche Pflicht, für eine echte Sozialpolitik einzutreten, meinetwegen. Hauptsache echte Sozialpolitik.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Dagegen sind die christlichen Wurzeln des Faschismus einschlägig. Der klassenmäßige Hintergrund dieser Transformation in ein kapitalkonformes politisches Christentum namens Faschismus ist meiner Ansicht nach deshalb erfolgt, weil die altersklapprige Religion alleine die sozialen und sozialistischen Massenbewegungen massenideologisch nicht hätte zurück schlagen können. Mithilfe der Amalgamierung von altem Inquisitionschristentum und *modernen* Herrschafts-Klassenideologien wie dem Sozialdarwinismus ist dies in Italien, Deutschland und anderen Ländern in Zeiten von Kapitalverwertungskrisen ("Wirtschaftskrisen") gelungen.


Kurz: Ja. Zumal Faschismus die Reaktion der herrschenden Klasse auf das Schreckgespenst der polit-ökonomischen Emanzipation war/ist und das Christentum in Form von reichen, fetten Kircheninstitutionen mit massiver Deutungshoheit ja im Grunde zur herrschenden Klasse zählt(e) und damit auch selbst bedroht war.



Skeptiker hat folgendes geschrieben:


Das *geläuterte* christliche Herrschaftsmodell steht weiterhin Seite an Seite mit der Ausbeutung von Mensch & Natur. Seine Stimme ist nur vorübergehend in eine sanfte Tonlage gewechselt, mehr nicht.


Es verbrennt immerhin keine Ketzer und Hexen mehr. Für eine monotheistische Offenbarungsreligion ist das schon was!


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Bezüglich der rechten *Islamkritik* reicht es zunächst, zu zeigen, dass diese keinerlei menschenrechtlichen Standpunkt vertritt, sondern grundsätzlich einen menschenfeindlichen und gleichzeitig kapital- und staatsfreundlichen Standpunkt. Wenn man das einmal klar hat, fällt es leicht, gegenüber der kritischen Öffentlichkeit den Stellenwert der sogenannten *rechten Kritik* deutlich zu machen. Das ist das Eine.


Wie gesagt: Man überlässt den Rechten nicht das Kritisieren, sondern das Hetzen. (Und ich find’s jetzt auch nicht so schwierig, Kritik und Hetze zu unterscheiden, auch wenn viele da ihre Probleme mit zu haben scheinen).

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Aber damit fällt auch die Tatsache zusammen, dass die Neofaschisten und anderen Rechten bei *den Moslems* Probleme benennen, die keine sind. Aus gesellschaftskritischer Sicht liegen die Probleme der islamischen Religion woanders.


Klar, besagtes Klientel hat kein Problem mit repressiven, anti-aufklärerischen, anti-humansitischen und anti-emanzipatorischen Strukturen und Tendenzen als solche, sondern nur dann, wenn sie nicht von ihnen selbst ausgehen.



Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Zahlreiche Bestandteile des Islam unterstützen und rechtfertigen allgemein verschiedene Zustände von Herrschaft und Ausbeutung, die in der Welt nun mal etabliert sind. Damit sind sowohl das Christentum als die islamischen Strömungen herrschaftskonform und herrschaftlegitimierend.
Dies aufzuzeigen, auch an konkreten Inhalten und Formen - darin sollte linke Islamkritik bestehen, die aber immer von der Grundlage einer allgemeinen Kritik von Herrschaftsideologien aus agieren muss. Und eine solche linke Religions- und Islamkritik gibt es ja. Sie müsste halt nur noch ein wenig verbreiteter werden. Das war sie früher ja mal.


Ja und heute ist es eben schon nicht ganz so einfach, das kritisch zu thematisieren, allein schon, weil man sich dabei quasi permanent nach rechts abgrenzen muss. Also der ganze Themenkomplex, die Religion ist da m.E. noch der irrelevanteste Punkt. Wobei man ihren Einfluss, auch speziell ihren anti-emanzipatorischen und herrschaftslegitimierenden Einfluss nicht unterschätzen sollte, obgleich man das regelmäßig tut.




Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Aber zu behaupten, dass Linke sich scheuen würde, Islamkritik zu formulieren, während Rechte dies ungeniert tun würden, das ist einfach mehrfach falsch, jedenfalls wenn es um die nicht bloß in erster Linie kulturell orientierten Linken geht.


Jo – wenn man die größte bzw. lauteste/dominanteste Gruppe ausblendet, passt es. zwinkern

Aber es stimmt schon, die vernünftigsten Analysen bezüglich dieses ganzen Thermenkomplexes (also auch der Migration/Flüchtlingspolitk) kenne ich, oh Wunder, von eher marxistischen Linken. Da ist dann aber auch keine Rede mehr von einer humanistischen Flüchtlingspolitik, sondern eher von der im Kapitalismus üblichen Profitmaximierung durch Kostensenkung – mittels Prekarisierung und Lohndumping.

Dazu kommt der Punkt der Problematisierung des demographischen Wandels, der aufgrund der hohen Produktivität, des technologischen Stands sowie der ökologischen Situation eigentlich viel weniger dramatisch wäre, als seit eh und je durch sämtliche Medien kolportiert wird und der weitgehend durch Umverteilungen und Umstrukturierungen, die ökologisch ohnehin notwendig wären, kein größeres Problem darstellen sollte. Stattdessen aber wurde Migration als kapitalkonforme Lösung gefunden (sodass die hohe Produktivität auch weiterhin und sogar noch mehr vor allem einer kleinen Minderheit zugute kommt). Reichlich perfide wurde dann Asyl und Migration miteinander vermischt und letztlich das Menschenrecht Asyl der ökonomischen Verwertung zugänglich gemacht. Aber versuche das mal sachlich zu diskutieren … da bekommt man sehr rasch die Fremdenfeindlichkeits-Torte ins Gesicht. Zumeist von Leuten, die weder theoretisch verstehen, wovon man eigentlich redet, noch praktisch irgendeinen Bezug zu prekärer Arbeit haben und im Grunde in keinster Weise wissen, wovon sie überhaupt reden.




Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Dies betrifft aber wiederum auch die Frage der Einheit *der Linken*, die wir oben schon besprochen hatten. Diese Einheit ist u.a. aus eben diesen Gründen nicht so einfach.


Und doch ist sie notwendig – zumindest in einem gewissen Grad, der das Agieren erlaubt.

Aber ja, da ist man in der Tat noch weit von entfernt und vor allem aber entfernt man sich auch nur weiter voneinander. Und ja, ich meine, Identitätspolitik, wie sie inzwischen betrieben wird, ist ein ganz, ganz großer Spaltungsfaktor der auch zu genau gar nichts anderem als Spaltung und dem Schüren von Konflikten führen kann und wird.
Eigentlich wird auch zunehmend klar, was es denn im Kern ist: Opportunistischer Tribalismus auf der einen Seite, aktionistischer Religionsersatz für wohlstandsverwahrloste Klein-Blockwarte auf der anderen Seite.

Zumindest, was die absurden Spitzen angeht – und ein bisschen Polemik darf man sich ruhig gestatten. Sehr glücklich




Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Abdel-Samad behauptet ja, dass der Islam insgesamt faschistisch sei.


Tut er das so absolut und pauschal? Wenn ja, dann ist das natürlich übers Ziel hinausgeschossen und schlicht falsch, keine Frage. Ich denke bei ihm aber vor allem an die Doku von 2016 „Europas Muslime: Auf Reisen mit Nazan Gökdemir und Hamed Abdel Samad“ und da war er zumindest noch differenziert genug, um als Kritiker durchzugehen. Ich kenne sein Faschismus-Attest nicht als geschlossenes Gesamturteil, sondern bezogen auf die faschistoide Züge, die eine monotheistische Offenbarungsreligion mit Absolutheitsanspruch eben notwendigerweise hat, wobei man hier eben auch keine strenge Faschismusdefinition anwendet. Das Christentum war da nicht anders und der einzige diesbezüglich relevante Unterschied besteht in der durch Aufklärung gezähmten Religiosität.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Das ist jedoch absurd und führt zu einer realitätsfernen Dämonisierung des Islams als solchem und auch zu einer Defensive eines Großteils der gläubigen Moslems, die sich quasi in Verdacht gestellt sehen. Abdel-Samad ist ein Beispiel dafür, wie eine Islamkritik nicht gehen kann. Seine Kritik geht leider in Richtung Hetze. Dass er mit Broder zusammenarbeitet, ist eine Folge seiner fehlenden Aufgeklärtheit.


Ich halte Faschismusvergleiche generell für wenig mehr als Polemik, zumindest bei gebildeteren Leuten. Umgangssprachlich wird Faschismus ja oft einfach nur im Sinne von „totalitär und repressiv“ verwendet und in dem Sinne passt es unterm Strich für einen Großteil leider durchaus. Aber in dem speziellen Fall hier halte ich den Faschismusvergleich auch für verfehlt, unnötig und, ja, auch wenig helfend. Aber reißerische Titel verkaufen sich eben besser, zumal in diesem Kontext, zumal, wenn man vielleicht angesichts etlicher Todesdrohungen auch ein bisschen aus der differenzierten Contenance gebracht wird.

Und es kann ja sein, dass er sich da inzwischen völlig in undifferenzierter Polemik verloren hat, so genau weiß ich das nicht. Wenn ja, dann ist er eben in Richtung Hetze unterwegs – da hätte ich keine Probleme mit, das festzustellen. Es geht ja nicht um Personenkulte.




Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Kulturelle Barbarei hat es gegeben und es gibt sie auch heute, in Form von Volksverdummung und tabuisierten kulturell verankerten inhumanen Vorschriften. Der Westen betrachtet aber die reaktionärsten islamistischen Kräfte als Verbündete, Beispiel Taliban, IS, Saudi Arabien u.a.


Ja, aber das eine löst das andere nicht auf und legitimiert es auch nicht. Ein Problem wird nicht weniger problematisch, weil es noch andere gibt … das wird leider sehr rasch zur Relativierung.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Deshalb allein schon sehe ich keinen Gegensatz zwischen westlicher Zivilisiertheit und islamischer Barbarei im politischen Sinne. Sondern islamische Barbarei wie auch Faschismus, rechte Esoterik und reaktionäres Christentum werden benutzt als ideologische Reserve für die Aufrechterhaltung des Bestehenden.


Dieser Gegensatz ist so formuliert ja auch schon eine rein polemische Zuspitzung. Das ist keine Rede wert – kann aber auch nicht das Totschlagargument sein dafür, dass man kulturelle Unterschiede, die man historisch und mit Aufklärung als Maßstab (!) ziemlich klar hierarchisch bewerten kann, einfach ignoriert. Dabei geht es auch um die sozial akzeptierte Rolle von Gewalt als Konfliktlösung, um den grundsätzlichen Stellenwert von Emanzipation und Kritik sowie von Autoritäten. Die Unterschiede bestehen natürlich in einem Kontinuum, sie sind graduell und unterliegen dem Wandel. Es geht immer nur um Tendenzen, die, schon alleine da gesellschaftlicher Natur, niemals absolut sind, Dennoch aber sind sie als Tendenzen da.



Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Diese Gemengelage macht es schwierig, die kulturellen Aspekte isoliert zu betrachten.


Nicht wirklich. Schwierig ist es, weil kulturelle Sozialisation natürlich nicht von der ökonomischen Basis getrennt verstanden werden kann. Und vielleicht auch, weil letztlich Profitmaximierung und Ungleichheit dazu führen, dass überhaupt einander teils wirklich kontradiktorisch gegenüberstehende Kulturformen geographisch so nahe beieinander sind. Allerdings tut das m.E wenig zur Sache, denn es löst die Probleme nicht.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Die Linken können sich vereinen, wenn sie gemeinsam von den sozialen, ökologischen und demokratischen Problemen sprechen und gemeinsam Lösungskonzepte propagieren, während die Rechten von diesen Themen schweigen und statt dessen nur von *den Fremden*, *fremden (minderwertigen) Kulturen* oder *Volksaufstand gegen die da oben* (bloß nicht konkreter werden) reden.


Deinen Optimismus möcht’ ich haben!
Allerdings will ich den schon lange haben und ich glaube nicht, dass das noch was wird. Deshalb hoffe ich einfach, ein unverbesserlicher Schwarzseher zu sein. Ich fürchte nämlich, im Land der Bild-Leser gibt es eine Menge Potential für die Nicht-Lösungen, die aber freilich immer kapitalfreundliche Lösungen sind. Insbesondere, da der Bild-Geist schon lange keine Grenzen mehr kennt.

Aber okay. Schwarzseher halt. Schulterzucken


Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Linke Bewegungen sollten konkret und faßbar sein in ihrer Kritik. Und das können sie und damit haben sie das Potenzial, sich wieder Mehrheiten zu erkämpfen, während die rechten *Wutbürger* und so nur ihre verwaschenen und nebulösen Parolen feilbieten können.


Ganz genau. Dazu bedarf es aber noch einer ganzen Menge Selbstkritik, auch um nicht selbst verwaschene und nebulöse Parolen feilzubieten. Letzteres richtet sich aber wohl vornehmlich gegen Kultur-Linke und (doch recht bürgerlich-mittige, teils arg neoliberale) Linksliberale (wenn man ewiggestrige Alt-Marxisten, die die DDR bejubeln und Gesellschaftswissenschaften mit Naturwissenschaften verwechseln mal kurz ausblendet).

Man muss m.E. wirklich verstehen, dass man einander braucht und nur gemeinsam fähig ist zu agieren und auch, dass das „man“ sehr weit gefasst werden muss, weit bis in die bürgerliche Mitte hinein. Dazu muss man auch verstehen, wie tief die Gräben im eigenen Lager und zur Mitte hin bei bestimmten Themen sind und dass diese Gräben das Zusammenkommen bei zentralen sozialen Themen zunichte machen – und damit den Rechten so massiv in die Hände spielt wie kaum etwas anderes.


Deswegen rege ich mich auch am meisten über andere Linke auf und deswegen ist das weitgehend eigene Lager auch mein Brennpunkt bzw. Kultur-Linke und Identitätspolitik gewisserweise mein Steckenpferd zum Aufregen.

Denn was soll man sich denn über die Afd aufregen oder über einen Trump echauffieren? Warum sollte man sich über den offenkundig asozialen Affen im Zoo aufregen, der mit Kot herumwirft? Stattdessen sollte man sich lieber damit beschäftigen, dass die Glaswand dicht genug ist, sodass der Kot keine Zoobesucher trifft. Wenn man aber stattdessen in identitätspolitischer Manier mit einem Vorschlaghammer die Scheibe kaputt schlägt und jeden Zoobesucher, der fragt, was das denn solle, in den Affenkäfig schubst, dann hilft das wenig. Dann ist bald nur alles voll mit (brauner) Scheiße.

(Ok, etwas schräge Analogie, aber ich schätze, der Sinn ist klar. Und etwaige unpassende Aspekte sind geschenkt. Cool )



Skeptiker hat folgendes geschrieben:


Sollte man auch zumindest, wenn man materialistisch und nicht idealistisch an die Sache herangehen möchte. zwinkern


In der Tat. Was allerdings nur die Allerwenigsten zu tun scheinen.
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