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"Man wird wohl noch..." Grauzone Antisemitismus
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closeman
Leistungsträger



Anmeldungsdatum: 27.11.2007
Beiträge: 1452

Beitrag(#2254613) Verfasst am: 26.06.2021, 17:58    Titel: Antworten mit Zitat

jdf hat folgendes geschrieben:
Ich habe mit DonMartin und mit dir "geredet". Keine Ahnung, mit wem außer mir du noch redest. Schulterzucken

Kürzlich z.B. mit meinen Nachbarn. Es kam die "wird man ja nochmal sagen dürfen" Diskussion auf. Und nach ein, zwei Nachfragen merkte ich schon, wieviel Druck da auf dem Kessel ist und hab' minutenlang nur zugehört. Einfach mal kommen lassen... Und "es" kam: Sämtliche Worthülsen die man/frau so täglich auf's Handy bekommt, und noch mehr.
Um es kurz zu machen: Der Untergang des sprachkulturellen Abendlandes steht direkt bevor, weil man Leute nicht mehr beleidigen darf. Der Mainstream und die p.c. würden einen freien Meinungsaustausch verunmöglichen.

Immerhin: Als ich erwähnte, dass ich mich seit Mitte der 2000er Jahre genau deshalb aus fast allen Foren verabschiedet habe bekam ich Zustimmung. Denn; immer wenn ich geschrieben habe was ich denke, gab es einen shitstorm. Aus einem überregionalen Forum (das nichts mit Politik zu tun hatte) wurde ich gesperrt und der Admin. schickte mir eine mail mit dem Inhalt "Hast Du ein Problem, Du Stück Sch....?!" Mein Name und meine Adresse wurden verbreitet, Leute mit denen Du nichts zu tun haben möchtest fühlten sich berufen mir ihre Meinung mitzuteilen, etc.

Reaktion. "ja, genau!" "So isset" Sch... Mainstream. Seh' ich genau so. Nur weil ich geschrieben habe, dass ich für die Aufnahme von Flüchtlingen bin, das Asylrecht für maßgeblich halte und generell an der Seenotrettung festhalte, werde ich multimedial gestalkt? Versteh' ich nicht. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!?
Reaktion aus der Runde (1:1 ich habe nichts dazu gedichtet), "Von der Seite hab' ich das noch gar nicht gesehen." Immerhin einen zum Nachdenken gebracht. Cool
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jdf
MIM-104C Nikopol
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Anmeldungsdatum: 30.05.2007
Beiträge: 25579
Wohnort: Nekropole E|B

Beitrag(#2254636) Verfasst am: 26.06.2021, 20:33    Titel: Antworten mit Zitat

Sachen gibts...

Aber wie sind den die Sperrgepflogenheiten in anderen Foren im Vergleich zu diesem?
_________________

RuZZen, die: Der Teil der russischen Bevölkerung, der den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine billigt bzw unterstützt bzw durchführt.

Ceterum censeo Iulianem esse liberatum.
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closeman
Leistungsträger



Anmeldungsdatum: 27.11.2007
Beiträge: 1452

Beitrag(#2254910) Verfasst am: 29.06.2021, 18:50    Titel: Antworten mit Zitat

jdf hat folgendes geschrieben:
Sachen gibts...

Aber wie sind den die Sperrgepflogenheiten in anderen Foren im Vergleich zu diesem?

Keine Ahnung. Gibt's noch andere Foren?
Hier vor Ort gibt es analoge Diskussionen. Man nannte das mal Stammtisch oder Zusammensitting. Man, crazy shit, Alter. So mit in die Augen sehen und trotz gegenteiliger Meinungen ein Bier zusammen trinken.
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jdf
MIM-104C Nikopol
Foren-Admin



Anmeldungsdatum: 30.05.2007
Beiträge: 25579
Wohnort: Nekropole E|B

Beitrag(#2254937) Verfasst am: 29.06.2021, 21:05    Titel: Antworten mit Zitat

closeman hat folgendes geschrieben:
Hier vor Ort gibt es analoge Diskussionen. Man nannte das mal Stammtisch oder Zusammensitting. Man, crazy shit, Alter. So mit in die Augen sehen und trotz gegenteiliger Meinungen ein Bier zusammen trinken.

Es gibt Menschen, die sowas furchtbar finden. ; )
_________________

RuZZen, die: Der Teil der russischen Bevölkerung, der den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine billigt bzw unterstützt bzw durchführt.

Ceterum censeo Iulianem esse liberatum.
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astarte
Foren-Admin
Foren-Admin



Anmeldungsdatum: 13.11.2006
Beiträge: 46483

Beitrag(#2254940) Verfasst am: 29.06.2021, 21:11    Titel: Antworten mit Zitat

closeman hat folgendes geschrieben:
jdf hat folgendes geschrieben:
Sachen gibts...

Aber wie sind den die Sperrgepflogenheiten in anderen Foren im Vergleich zu diesem?

Keine Ahnung. Gibt's noch andere Foren?
..

Gibt es die, von denen du dich abgemeldet hast, und wo du gesperrt wurdest, nicht mehr?
_________________
Tja
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closeman
Leistungsträger



Anmeldungsdatum: 27.11.2007
Beiträge: 1452

Beitrag(#2254945) Verfasst am: 30.06.2021, 05:43    Titel: Antworten mit Zitat

astarte hat folgendes geschrieben:
closeman hat folgendes geschrieben:
jdf hat folgendes geschrieben:
Sachen gibts...

Aber wie sind den die Sperrgepflogenheiten in anderen Foren im Vergleich zu diesem?

Keine Ahnung. Gibt's noch andere Foren?
..

Gibt es die, von denen du dich abgemeldet hast, und wo du gesperrt wurdest, nicht mehr?

Dieses Forum hat mich mal abgemahnt weil ich "Das Merkel" aus der Titanic zitiert habe. Du erinnerst dich vielleicht?
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25404

Beitrag(#2268147) Verfasst am: 29.12.2021, 17:02    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Michael Blume kämpft als Antisemitismusbeauftragter in Baden-Württemberg gegen Judenfeindlichkeit. Nun steht er auf der jüngsten „Antisemiten-Liste“ des Simon-Wiesenthal-Zentrums. Kritik an den Vorwürfen kommt nicht nur von der Landesregierung.
[...]
Entsetzt ist nicht nur die Landesregierung in Stuttgart. Auch die Israelitischen Religionsgemeinschaften (IRG) im Land zeigen sich fassungslos. „Einen Brückenbauer zwischen Baden-Württemberg und Israel auf eine gemeinsame Liste mit Feinden Israels zu setzen ist ungeheuerlich“, erklärten sie.

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/antisemitismusbeauftragter-michael-blume-auf-antisemiten-liste-17706974.htm

Absurder Vorwurf. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Vorwurf Substanz hat.
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 21760

Beitrag(#2268156) Verfasst am: 29.12.2021, 19:32    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Absurder Vorwurf. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Vorwurf Substanz hat.

Ach was! Die Facebook-Posts, die er gepostet hat, nachdem er seinen Account abgeschaltet hat, beinhalten bestimmt gar fürchterlichen Antisemitismus. Das glaube ich sofort, auch wenn das SWC uns diese nicht zeigt. Die jüdischen Gemeinden in Baden-Württemberg haben einfach keine Ahnung.

... oder diese "Antisemitenliste"ist einfach völlig willkürlicher Bullshit.
_________________
"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Bravopunk
Sugoi Dekai :D



Anmeldungsdatum: 08.03.2008
Beiträge: 31679
Wohnort: Woanders

Beitrag(#2285084) Verfasst am: 07.08.2022, 09:22    Titel: Antworten mit Zitat

Ich dachte eigentlich, wir hätten einen eigenen Thread über Holocaustleugner oder den Holocaust selbst, wo ich vor relativ kurzer Zeit was schrieb, ich finde ihn aber gerade nicht. skeptisch Deshalb schreibe ich den Gedanken, der mir eben kam mal hier nieder. Passt ja auch halbwegs:

Ich las eben, dass der Holocaustüberlebende Felix Kolmer gestorben ist. Daraufhin bemerkte ich, dass diese auf natürlichem Weg in den nächsten paar Jahrzehnten, wenn nicht gar schon Jahren, vollständig verschwunden sein werden und somit auch die direkte Erinnerung an den Massenmord an Juden und anderen Minderheiten durch bzw. unter den Nationalsozialisten.

Nun ist es ja nicht so, dass die Berichte der Augenzeugen Holocaustleugner je von ihrer Idiotie abgehalten haben und die Anzahl derer, welche dadurch überzeugt werden konnten dürfte auch recht dürftig ausfallen. Dennoch frug ich mich eben, ob die Leugnung des Holocaust und anderer Verbrechen der Nazis demnächst deshalb neuen Aufschwung erhalten könnte. Mir scheint es nicht unwahrscheinlich, dass durch das fehlen auf die Berufung auf Augenzeugenberichte in Zukunft die Verbreitung der Wahrheit einen schwierigen Stand haben wird. Es scheint mir auch so, dass in der Geschichte ausreichend Beispiele zu finden sind, in der die Wahrheit mit der Zeit nur noch mehr verfälscht wurde, je weniger Menschen lebten, die sie bezeugen konnten. Davon, dass es stets genügend Menschen gibt und gab, die sie auch schon zu deren Lebzeiten, aufgrund diverser Motive, von denen aktiver Antisemitismus nur eins von vielen darstellt, verschwiegen und verleugnet haben, mal ganz abgesehen.

Jetzt stellt sich für mich die Frage, wie man dagegen angehen kann. Denn ehrlich gesagt empfinde ich die deutsche Erinnerungskultur als gescheitert. Mir persönlich hat sie zumindest beim Begreifen der Geschehnisse und besonders derer Dimensionen, nicht geholfen. Sie machte auf mich stattdessen lediglich den Eindruck von billigem Pathos. Den ich darüber hinaus auch als so eine Art typisch deutsche Krankheit empfinde. Alles wird immer so pathetisch aufgeblasen und dann mit einfachen, seelenlosen Symbolen und Ritualen abgekanzelt. Wie eine leidige Pflicht, der sonntägliche Kirchgang, den man nunmal zu machen hat, weil was würden sonst die Nachbarn sagen.

Nach meiner Wahrnehmung dessen, wie Ausländer die deutsche Vergangenheitsbewältigung betrachten, sehen diese sie verglichen mit ihrer eigenen zwar oft als vorbildlich an, aber aus der Innenperspektive scheint mir doch alles recht hohl und dem Ausmaß unangemessen. (Meine Abneigung gegenüber der Wertesignalisierung spielt bei dieser Bewertung sicherlich eine große Rolle, doch dem Vergessen, Verdrängen und Umdichten der Vergangenheit ist sie definitiv nicht als Gegenmittel gewachsen, ganz gleich, wie man sie bewertet.) Es braucht halt mehr als nur den Kanzler/die Kanzleuse, der/die gelegentlich mal einen Strauss/eine Sträussin Blumen ablegt und für eine Minute die Schnauze hält. ... Um zum Ende noch etwas Polemik einzustreuen. Sonst sind die Millionen Opfer der Tyrannei und des Terrors allzu schnell vergessen und die hehren Ideale, die man seither gewonnen meint zu haben, keinen Pfifferling wert.
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AlexJ
Supermarktoverlord



Anmeldungsdatum: 11.04.2008
Beiträge: 2344
Wohnort: Köln

Beitrag(#2285108) Verfasst am: 07.08.2022, 17:00    Titel: Antworten mit Zitat

Bravopunk hat folgendes geschrieben:

Jetzt stellt sich für mich die Frage, wie man dagegen angehen kann. Denn ehrlich gesagt empfinde ich die deutsche Erinnerungskultur als gescheitert. Mir persönlich hat sie zumindest beim Begreifen der Geschehnisse und besonders derer Dimensionen, nicht geholfen. Sie machte auf mich stattdessen lediglich den Eindruck von billigem Pathos. Den ich darüber hinaus auch als so eine Art typisch deutsche Krankheit empfinde. Alles wird immer so pathetisch aufgeblasen und dann mit einfachen, seelenlosen Symbolen und Ritualen abgekanzelt. Wie eine leidige Pflicht, der sonntägliche Kirchgang, den man nunmal zu machen hat, weil was würden sonst die Nachbarn sagen.

Nach meiner Wahrnehmung dessen, wie Ausländer die deutsche Vergangenheitsbewältigung betrachten, sehen diese sie verglichen mit ihrer eigenen zwar oft als vorbildlich an, aber aus der Innenperspektive scheint mir doch alles recht hohl und dem Ausmaß unangemessen. (Meine Abneigung gegenüber der Wertesignalisierung spielt bei dieser Bewertung sicherlich eine große Rolle, doch dem Vergessen, Verdrängen und Umdichten der Vergangenheit ist sie definitiv nicht als Gegenmittel gewachsen, ganz gleich, wie man sie bewertet.) Es braucht halt mehr als nur den Kanzler/die Kanzleuse, der/die gelegentlich mal einen Strauss/eine Sträussin Blumen ablegt und für eine Minute die Schnauze hält. ... Um zum Ende noch etwas Polemik einzustreuen. Sonst sind die Millionen Opfer der Tyrannei und des Terrors allzu schnell vergessen und die hehren Ideale, die man seither gewonnen meint zu haben, keinen Pfifferling wert.


Als jemand der sowohl in der USA als auch Deutschland groß geworden ist und die Erinnerungskultur beider kennengelernt hat, würde ich dir sowohl recht als auch unrecht geben. Ich hab frühe die Hohlheit der deutschen Erinnerungskultur kritisiert, sage aber heute das dein Anspruch nicht falsch aber dennoch unrealistisch ist.
Fakt ist, dass unsere Erinnerungskultur vorbildlich ist, auch wenn sie zum aller größten Teil rituell und hohl ist. Es ist nun mal extrem schwer organisierte Erinnerungskultur insbesondere in dem Maße wie sie bei uns stattfindet nicht rituell und hohl werden zu lassen. Es ist eben nicht möglich, jeden bei jeder kulturellen Handlung zur Erinnerung persönlich anzusprechen und mitzunehmen. Dennoch wird es bei vielen dieser Events/Kulturhandlungen Personen geben, die persönlich mitgenommen werden. Auch wenn die meisten anderen gerade dieses Event/Kulturhandlung für sich persönlich als hohles Ritual empfinden.


Zuletzt bearbeitet von AlexJ am 07.08.2022, 20:15, insgesamt einmal bearbeitet
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AdvocatusDiaboli
Öffentlicher Mobber



Anmeldungsdatum: 12.08.2003
Beiträge: 26367
Wohnort: München

Beitrag(#2285110) Verfasst am: 07.08.2022, 18:28    Titel: Antworten mit Zitat

Bravopunk hat folgendes geschrieben:
Ich dachte eigentlich, wir hätten einen eigenen Thread über Holocaustleugner oder den Holocaust selbst, wo ich vor relativ kurzer Zeit was schrieb, ich finde ihn aber gerade nicht. skeptisch Deshalb schreibe ich den Gedanken, der mir eben kam mal hier nieder. Passt ja auch halbwegs:

Ich las eben, dass der Holocaustüberlebende Felix Kolmer gestorben ist. Daraufhin bemerkte ich, dass diese auf natürlichem Weg in den nächsten paar Jahrzehnten, wenn nicht gar schon Jahren, vollständig verschwunden sein werden und somit auch die direkte Erinnerung an den Massenmord an Juden und anderen Minderheiten durch bzw. unter den Nationalsozialisten.

Nun ist es ja nicht so, dass die Berichte der Augenzeugen Holocaustleugner je von ihrer Idiotie abgehalten haben und die Anzahl derer, welche dadurch überzeugt werden konnten dürfte auch recht dürftig ausfallen. Dennoch frug ich mich eben, ob die Leugnung des Holocaust und anderer Verbrechen der Nazis demnächst deshalb neuen Aufschwung erhalten könnte. Mir scheint es nicht unwahrscheinlich, dass durch das fehlen auf die Berufung auf Augenzeugenberichte in Zukunft die Verbreitung der Wahrheit einen schwierigen Stand haben wird. Es scheint mir auch so, dass in der Geschichte ausreichend Beispiele zu finden sind, in der die Wahrheit mit der Zeit nur noch mehr verfälscht wurde, je weniger Menschen lebten, die sie bezeugen konnten. Davon, dass es stets genügend Menschen gibt und gab, die sie auch schon zu deren Lebzeiten, aufgrund diverser Motive, von denen aktiver Antisemitismus nur eins von vielen darstellt, verschwiegen und verleugnet haben, mal ganz abgesehen.

Jetzt stellt sich für mich die Frage, wie man dagegen angehen kann. Denn ehrlich gesagt empfinde ich die deutsche Erinnerungskultur als gescheitert. Mir persönlich hat sie zumindest beim Begreifen der Geschehnisse und besonders derer Dimensionen, nicht geholfen. Sie machte auf mich stattdessen lediglich den Eindruck von billigem Pathos. Den ich darüber hinaus auch als so eine Art typisch deutsche Krankheit empfinde. Alles wird immer so pathetisch aufgeblasen und dann mit einfachen, seelenlosen Symbolen und Ritualen abgekanzelt. Wie eine leidige Pflicht, der sonntägliche Kirchgang, den man nunmal zu machen hat, weil was würden sonst die Nachbarn sagen.

Nach meiner Wahrnehmung dessen, wie Ausländer die deutsche Vergangenheitsbewältigung betrachten, sehen diese sie verglichen mit ihrer eigenen zwar oft als vorbildlich an, aber aus der Innenperspektive scheint mir doch alles recht hohl und dem Ausmaß unangemessen. (Meine Abneigung gegenüber der Wertesignalisierung spielt bei dieser Bewertung sicherlich eine große Rolle, doch dem Vergessen, Verdrängen und Umdichten der Vergangenheit ist sie definitiv nicht als Gegenmittel gewachsen, ganz gleich, wie man sie bewertet.) Es braucht halt mehr als nur den Kanzler/die Kanzleuse, der/die gelegentlich mal einen Strauss/eine Sträussin Blumen ablegt und für eine Minute die Schnauze hält. ... Um zum Ende noch etwas Polemik einzustreuen. Sonst sind die Millionen Opfer der Tyrannei und des Terrors allzu schnell vergessen und die hehren Ideale, die man seither gewonnen meint zu haben, keinen Pfifferling wert.


Was ist deine geschriebene Abneigung gegen „Wertesignalisierung“ anderes als „Wertesignalisierung“? Ist ja schön, dass du den konservativen-rechten Kampfbegriff des „Virtue Signalling“ aufgeschnappt und für dich eingedeutscht hast. Nur hast du die Komplexität nicht verstanden. Mit dem Herausposaunen, dass Du allen anderen so moralisch überlegen bist, weil du nichts von scheinbar nutzlos-billiger „Wertesignalisierung“ hältst, betreibst du genau diese. Schulterzucken

Was tust du denn persönlich mehr für die „Millionen Opfer der Tyrannei“, was über letztlich unbedeutendes billiges Pathos hinausgeht? Dein Beitrag gibt da nicht mehr her, als hohles Dissen von Erinnerungskultur.
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Triggerwarnung: Der toxische Addi hat gepostet. Oh, zu spät, Sie haben das schon gelesen.
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AdvocatusDiaboli
Öffentlicher Mobber



Anmeldungsdatum: 12.08.2003
Beiträge: 26367
Wohnort: München

Beitrag(#2285111) Verfasst am: 07.08.2022, 19:00    Titel: Antworten mit Zitat

AlexJ hat folgendes geschrieben:
Bravopunk hat folgendes geschrieben:

Jetzt stellt sich für mich die Frage, wie man dagegen angehen kann. Denn ehrlich gesagt empfinde ich die deutsche Erinnerungskultur als gescheitert. Mir persönlich hat sie zumindest beim Begreifen der Geschehnisse und besonders derer Dimensionen, nicht geholfen. Sie machte auf mich stattdessen lediglich den Eindruck von billigem Pathos. Den ich darüber hinaus auch als so eine Art typisch deutsche Krankheit empfinde. Alles wird immer so pathetisch aufgeblasen und dann mit einfachen, seelenlosen Symbolen und Ritualen abgekanzelt. Wie eine leidige Pflicht, der sonntägliche Kirchgang, den man nunmal zu machen hat, weil was würden sonst die Nachbarn sagen.

Nach meiner Wahrnehmung dessen, wie Ausländer die deutsche Vergangenheitsbewältigung betrachten, sehen diese sie verglichen mit ihrer eigenen zwar oft als vorbildlich an, aber aus der Innenperspektive scheint mir doch alles recht hohl und dem Ausmaß unangemessen. (Meine Abneigung gegenüber der Wertesignalisierung spielt bei dieser Bewertung sicherlich eine große Rolle, doch dem Vergessen, Verdrängen und Umdichten der Vergangenheit ist sie definitiv nicht als Gegenmittel gewachsen, ganz gleich, wie man sie bewertet.) Es braucht halt mehr als nur den Kanzler/die Kanzleuse, der/die gelegentlich mal einen Strauss/eine Sträussin Blumen ablegt und für eine Minute die Schnauze hält. ... Um zum Ende noch etwas Polemik einzustreuen. Sonst sind die Millionen Opfer der Tyrannei und des Terrors allzu schnell vergessen und die hehren Ideale, die man seither gewonnen meint zu haben, keinen Pfifferling wert.


Als jemand der sowohl in der USA als auch Deutschland groß geworden ist und die Erinnerungskultur beider kennengelernt hat, würde ich dir sowohl recht als auch unrecht geben. Ich hab frühe die Hohlheit der deutschen Erinnerungskultur kritisiert, sage aber heute das dein Anspruch nicht falsch aber dennoch unrealistisch ist.
Fakt ist, dass unsere Erinnerungskultur vorbildlich ist, auch wenn sie zum aller größten Teil rituell und hohl ist. Es ist nun mal extrem schwer organisierte Erinnerungskultur insbesondere in dem Maße wie sie bei uns stattfindet nicht rituell und hohl werden zu lassen. Es ist eben nicht möglich, jeden bei jeder kulturellen Handlung zur Erinnerung persönlich anzusprechen und mitzunehmen. Dennoch wird es bei vielen dieser Events/Kulturhandlungen Personen geben, die einen persönlich mitgenommen werden. Auch wenn die meisten anderen gerade dieses Event/Kulturhandlung für sich persönlich als hohles Ritual empfinden.


Gut gesagt.

Die Frage ist doch, wie man als Einzelperson im Kampf gegen Antisemitismus mehr als rituelle oder kulturelle Handlungen ausführen oder sich daran beteiligen kann? Nicht jeder von uns ist ein Staatsanwalt, der Antisemiten anklagen und verknasten kann oder ein Polizist, der im Streifenwagen vor dem jüdischen Zentrum Wache sitzt. Auch die Georg Elsers unter uns, die Nazis in die Luft sprengen, sind selten gesät. Eine rituelle Handlung wie Blumen niederlegen für Opfer von Terrorismus, wie es jeden 26. September für das Oktoberfest-Attentat geschieht oder die Erinnerung in München zur 50-jährigen Wiedrkehr des Olympia-Attentats sind rituelle Handlungen, die nichts Konkretes gegen Antisemitismus oder Faschismus tun. Damit eine Erinnerung an Geschehnisse nicht verblasst, sind nun einmal „hohle“ Rituale nötig, darum feiern die Christen auch jedes Jahr Ostern und Weihnachten. zwinkern Manche motiviert das wieder zu christlichem Verhalten, auch wenn das im Laufe des Jahres vöftrr mal vergessen wird.
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Triggerwarnung: Der toxische Addi hat gepostet. Oh, zu spät, Sie haben das schon gelesen.
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Bravopunk
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Anmeldungsdatum: 08.03.2008
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Beitrag(#2285112) Verfasst am: 07.08.2022, 19:06    Titel: Antworten mit Zitat

AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben:
Bravopunk hat folgendes geschrieben:
Ich dachte eigentlich, wir hätten einen eigenen Thread über Holocaustleugner oder den Holocaust selbst, wo ich vor relativ kurzer Zeit was schrieb, ich finde ihn aber gerade nicht. skeptisch Deshalb schreibe ich den Gedanken, der mir eben kam mal hier nieder. Passt ja auch halbwegs:

Ich las eben, dass der Holocaustüberlebende Felix Kolmer gestorben ist. Daraufhin bemerkte ich, dass diese auf natürlichem Weg in den nächsten paar Jahrzehnten, wenn nicht gar schon Jahren, vollständig verschwunden sein werden und somit auch die direkte Erinnerung an den Massenmord an Juden und anderen Minderheiten durch bzw. unter den Nationalsozialisten.

Nun ist es ja nicht so, dass die Berichte der Augenzeugen Holocaustleugner je von ihrer Idiotie abgehalten haben und die Anzahl derer, welche dadurch überzeugt werden konnten dürfte auch recht dürftig ausfallen. Dennoch frug ich mich eben, ob die Leugnung des Holocaust und anderer Verbrechen der Nazis demnächst deshalb neuen Aufschwung erhalten könnte. Mir scheint es nicht unwahrscheinlich, dass durch das fehlen auf die Berufung auf Augenzeugenberichte in Zukunft die Verbreitung der Wahrheit einen schwierigen Stand haben wird. Es scheint mir auch so, dass in der Geschichte ausreichend Beispiele zu finden sind, in der die Wahrheit mit der Zeit nur noch mehr verfälscht wurde, je weniger Menschen lebten, die sie bezeugen konnten. Davon, dass es stets genügend Menschen gibt und gab, die sie auch schon zu deren Lebzeiten, aufgrund diverser Motive, von denen aktiver Antisemitismus nur eins von vielen darstellt, verschwiegen und verleugnet haben, mal ganz abgesehen.

Jetzt stellt sich für mich die Frage, wie man dagegen angehen kann. Denn ehrlich gesagt empfinde ich die deutsche Erinnerungskultur als gescheitert. Mir persönlich hat sie zumindest beim Begreifen der Geschehnisse und besonders derer Dimensionen, nicht geholfen. Sie machte auf mich stattdessen lediglich den Eindruck von billigem Pathos. Den ich darüber hinaus auch als so eine Art typisch deutsche Krankheit empfinde. Alles wird immer so pathetisch aufgeblasen und dann mit einfachen, seelenlosen Symbolen und Ritualen abgekanzelt. Wie eine leidige Pflicht, der sonntägliche Kirchgang, den man nunmal zu machen hat, weil was würden sonst die Nachbarn sagen.

Nach meiner Wahrnehmung dessen, wie Ausländer die deutsche Vergangenheitsbewältigung betrachten, sehen diese sie verglichen mit ihrer eigenen zwar oft als vorbildlich an, aber aus der Innenperspektive scheint mir doch alles recht hohl und dem Ausmaß unangemessen. (Meine Abneigung gegenüber der Wertesignalisierung spielt bei dieser Bewertung sicherlich eine große Rolle, doch dem Vergessen, Verdrängen und Umdichten der Vergangenheit ist sie definitiv nicht als Gegenmittel gewachsen, ganz gleich, wie man sie bewertet.) Es braucht halt mehr als nur den Kanzler/die Kanzleuse, der/die gelegentlich mal einen Strauss/eine Sträussin Blumen ablegt und für eine Minute die Schnauze hält. ... Um zum Ende noch etwas Polemik einzustreuen. Sonst sind die Millionen Opfer der Tyrannei und des Terrors allzu schnell vergessen und die hehren Ideale, die man seither gewonnen meint zu haben, keinen Pfifferling wert.


Was ist deine geschriebene Abneigung gegen „Wertesignalisierung“ anderes als „Wertesignalisierung“? Ist ja schön, dass du den konservativen-rechten Kampfbegriff des „Virtue Signalling“ aufgeschnappt und für dich eingedeutscht hast. Nur hast du die Komplexität nicht verstanden. Mit dem Herausposaunen, dass Du allen anderen so moralisch überlegen bist, weil du nichts von scheinbar nutzlos-billiger „Wertesignalisierung“ hältst, betreibst du genau diese. Schulterzucken

Was tust du denn persönlich mehr für die „Millionen Opfer der Tyrannei“, was über letztlich unbedeutendes billiges Pathos hinausgeht? Dein Beitrag gibt da nicht mehr her, als hohles Dissen von Erinnerungskultur.


Ich wüsste zu gerne, warum du dich ausgerechnet an der Aussage meines Beitrags festbeißt, in der ich meine eigene Vorbelastung, meinen "bias" herausstelle. Wenn dabei aber wieder solches OT-Gebrabbel bei herauskommt, kannst du von einer Befriedigung meiner Neugier gerne absehen. Mit den Augen rollen

Desweiteren sehe ich auf Basis dessen deine Einwände als nichtig an.
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Kaguya-hime

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Beitrag(#2285115) Verfasst am: 07.08.2022, 20:22    Titel: Antworten mit Zitat

AlexJ hat folgendes geschrieben:
Bravopunk hat folgendes geschrieben:

Jetzt stellt sich für mich die Frage, wie man dagegen angehen kann. Denn ehrlich gesagt empfinde ich die deutsche Erinnerungskultur als gescheitert. Mir persönlich hat sie zumindest beim Begreifen der Geschehnisse und besonders derer Dimensionen, nicht geholfen. Sie machte auf mich stattdessen lediglich den Eindruck von billigem Pathos. Den ich darüber hinaus auch als so eine Art typisch deutsche Krankheit empfinde. Alles wird immer so pathetisch aufgeblasen und dann mit einfachen, seelenlosen Symbolen und Ritualen abgekanzelt. Wie eine leidige Pflicht, der sonntägliche Kirchgang, den man nunmal zu machen hat, weil was würden sonst die Nachbarn sagen.

Nach meiner Wahrnehmung dessen, wie Ausländer die deutsche Vergangenheitsbewältigung betrachten, sehen diese sie verglichen mit ihrer eigenen zwar oft als vorbildlich an, aber aus der Innenperspektive scheint mir doch alles recht hohl und dem Ausmaß unangemessen. (Meine Abneigung gegenüber der Wertesignalisierung spielt bei dieser Bewertung sicherlich eine große Rolle, doch dem Vergessen, Verdrängen und Umdichten der Vergangenheit ist sie definitiv nicht als Gegenmittel gewachsen, ganz gleich, wie man sie bewertet.) Es braucht halt mehr als nur den Kanzler/die Kanzleuse, der/die gelegentlich mal einen Strauss/eine Sträussin Blumen ablegt und für eine Minute die Schnauze hält. ... Um zum Ende noch etwas Polemik einzustreuen. Sonst sind die Millionen Opfer der Tyrannei und des Terrors allzu schnell vergessen und die hehren Ideale, die man seither gewonnen meint zu haben, keinen Pfifferling wert.


Als jemand der sowohl in der USA als auch Deutschland groß geworden ist und die Erinnerungskultur beider kennengelernt hat, würde ich dir sowohl recht als auch unrecht geben. Ich hab frühe die Hohlheit der deutschen Erinnerungskultur kritisiert, sage aber heute das dein Anspruch nicht falsch aber dennoch unrealistisch ist.
Fakt ist, dass unsere Erinnerungskultur vorbildlich ist, auch wenn sie zum aller größten Teil rituell und hohl ist. Es ist nun mal extrem schwer organisierte Erinnerungskultur insbesondere in dem Maße wie sie bei uns stattfindet nicht rituell und hohl werden zu lassen. Es ist eben nicht möglich, jeden bei jeder kulturellen Handlung zur Erinnerung persönlich anzusprechen und mitzunehmen. Dennoch wird es bei vielen dieser Events/Kulturhandlungen Personen geben, die einen persönlich mitgenommen werden. Auch wenn die meisten anderen gerade dieses Event/Kulturhandlung für sich persönlich als hohles Ritual empfinden.


Aber es wirkt so gezwungen, so "Dienst nach Vorschrift". Ich vermag in solchen Ritualen keine echte Emotion zu erkennen. Das Mitgefühl mit den Opfern und Überlebenden ist darin halt nicht zu spüren. Gerade das geht uns aber bald komplett abhanden, wenn Letztere verstorben sind. Es war schon immer rar gesät, weil die Nazis nicht viele haben überleben lassen. Ich selbst hatte auch nie das Glück einen von ihnen kennenzulernen. Alles was bald von ihnen bleibt sind Bild- und Tonaufnahmen. Und die waren noch nie genug um die Realität des Mitgefühls adäquat zu transportieren.

Für mich hat dieses Ritualgehabe, wie gesagt, nie funktioniert. Vielleicht bin ich da auch ein Sonderfall. Jedenfalls finde ich solche Veranstaltungen immer recht Lachhaft. Nahezu ungewollt komisch. Eine gute Aufarbeitung und Vermittlung des Geschehenen kann imho eh nur im Intimen der Selbsterkenntnis solcher Dinge und was sie emotional mit einem machen stattfinden. Soll heißen: Jeder muss selbst zu seiner Trauer finden. Staatlich verordnet oder possenhaft vorgespielt, ist es nicht in angemessener Weise zu vermitteln.

Ich halte eine solche Bewusstseinskultur jedoch für durchaus machbar.

Edit: Die Autokorrektur wollte mich verarschen. -.-
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Beitrag(#2285209) Verfasst am: 09.08.2022, 06:27    Titel: Antworten mit Zitat

Vielleicht hilft das folgende Beispiel zu verstehen, welche Probleme ich mit der derzeit zelebrierten Erinnerungskultur habe:

Brandts Kniefall von Warschau. Das war eine viel emotionalere und eindrucksvollere Geste als alles andere, was in diesem Bereich sonst getan wurde (und wird) zusammengenommen. Es ist auch nicht zu toppen und schon gar nicht zu reproduzieren. Würde seither jedes Jahr oder auch nur jeder Kanzler einmal an geeigneter Stelle auf die Knie fallen, wäre es ein billiger, bedeutungsloser Abklatsch ohne jeden Wert und Inhalt, außer dem eben rituell und demonstrativ als repräsentative Figur eine Geste zu vollziehen, um so zu zeigen, dass man ein Vertreter einer spezifischen, von einem erwarteten und beliebten, verbreiteten Meinung ist.

Als einzelnes Ereignis, als Tat der Person Brandt und sonst niemandes, berührt mich dieses Bild bis heute tief und macht immer wieder, dass ich über mich und mein Verhältnis zum Holocaust nachdenke. Hätte ich an seiner Stelle den Mumm und die Courage gehabt ein solches Maß an Demut zu zeigen, während die Augen aller Welt auf mir ruhten? Oder brauchte es dafür eine ganz andere Persönlichkeit, ein völlig anderes Format, wie Brandt es war? Hätte überhaupt irgendjemand anderes es tun können? Was steckt in diesem Bild alles drin, wie sehr oder wie wenig repräsentierte die Geste die Deutschen und ihre Gefühle und Meinungen zu dem Thema derzeit, heute und dazwischen?

Jedenfalls war diese Form der Trauer und der Bekundung von Reue etwas ganz besonderes und großes. So groß und besonders, dass die Presse im Osten es für nötig hielten Brandt ab den Knien abwärts aus dem Bild zu schneiden.

Edit: Übrigens mein Lieblingsmotiv auf der 2-€-Münze. Ich liebe es... Gefolgt von Helmut Schmidt, trotz dass ihm die Zichte fehlt.
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AlexJ
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Beitrag(#2285227) Verfasst am: 09.08.2022, 12:28    Titel: Antworten mit Zitat

Bravopunk hat folgendes geschrieben:

Aber es wirkt so gezwungen, so "Dienst nach Vorschrift". Ich vermag in solchen Ritualen keine echte Emotion zu erkennen. Das Mitgefühl mit den Opfern und Überlebenden ist darin halt nicht zu spüren. Gerade das geht uns aber bald komplett abhanden, wenn Letztere verstorben sind. Es war schon immer rar gesät, weil die Nazis nicht viele haben überleben lassen. Ich selbst hatte auch nie das Glück einen von ihnen kennenzulernen. Alles was bald von ihnen bleibt sind Bild- und Tonaufnahmen. Und die waren noch nie genug um die Realität des Mitgefühls adäquat zu transportieren.

Für mich hat dieses Ritualgehabe, wie gesagt, nie funktioniert. Vielleicht bin ich da auch ein Sonderfall. Jedenfalls finde ich solche Veranstaltungen immer recht Lachhaft. Nahezu ungewollt komisch. Eine gute Aufarbeitung und Vermittlung des Geschehenen kann imho eh nur im Intimen der Selbsterkenntnis solcher Dinge und was sie emotional mit einem machen stattfinden. Soll heißen: Jeder muss selbst zu seiner Trauer finden. Staatlich verordnet oder possenhaft vorgespielt, ist es nicht in angemessener Weise zu vermitteln.

Ich halte eine solche Bewusstseinskultur jedoch für durchaus machbar.

Edit: Die Autokorrektur wollte mich verarschen. -.-


Wie ich versucht habe zu sagen, ich habe früher eben genauso über das übliche Ritualgehabe gedacht und für mich persönlich hat dieses übliche Ritualgehabe, wie gesagt, nie funktioniert und tut es immer noch nicht. Da brauchte es schon etwas wie der Kniefall Brandts. Dieser war aber ebenfalls Teil eines Rituals, nur dass vom üblichem Skript abgewichen wurde.
Ich weiß aber heute, dass es Menschen gibt, für die eben andere Teile funktionieren, die sich vom Dienst nach Vorschrift Ritual eben doch persönlich angesprochen werden. Andere werden vom gezwungenem Besuch im KZ, Museum oder andere Gedenkstätte angesprochen, aber viele auch nicht. Für viele ist gerade ein erzwungener Besuch hinderlich.
Das Problem ist, dass zumindest Stand der Technik es nicht wirklich ökonomisch möglich ist einen persönlichen Erinnerungskulturplan für jeden zu machen. Beziehungsweise, das kann zwar jeder für sich machen, und zwar jetzt schon, wenn aber die jetzige organisierte und zum Teil verpflichtete (schulischen) Aktivitäten wegfallen, dann ist das ein Verlust.
Die Erinnerungskultur nach den Prinzipien der Gießkanne, "viel hilft viel" und per Vorschrift aktiv zu halten führt mit Sicherheit dazu, dass viele, welche die spezifischen Aktivitäten und den üblichen hohlen Ritualen nichts abgewinnen können, abgestoßen werden.
Für mich persönlich ist das ab- und durchsitzen eines solchen Rituals ein Opfer, das ich notfalls bereit bin zu machen. Auch wenn ich dadurch zutiefst angeekelt und/oder gelangweilt werde. Einfach in der Hoffnung das es für jemand anderen was bringt.
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Bravopunk
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Beitrag(#2285229) Verfasst am: 09.08.2022, 15:10    Titel: Antworten mit Zitat

AlexJ hat folgendes geschrieben:
Bravopunk hat folgendes geschrieben:

Aber es wirkt so gezwungen, so "Dienst nach Vorschrift". Ich vermag in solchen Ritualen keine echte Emotion zu erkennen. Das Mitgefühl mit den Opfern und Überlebenden ist darin halt nicht zu spüren. Gerade das geht uns aber bald komplett abhanden, wenn Letztere verstorben sind. Es war schon immer rar gesät, weil die Nazis nicht viele haben überleben lassen. Ich selbst hatte auch nie das Glück einen von ihnen kennenzulernen. Alles was bald von ihnen bleibt sind Bild- und Tonaufnahmen. Und die waren noch nie genug um die Realität des Mitgefühls adäquat zu transportieren.

Für mich hat dieses Ritualgehabe, wie gesagt, nie funktioniert. Vielleicht bin ich da auch ein Sonderfall. Jedenfalls finde ich solche Veranstaltungen immer recht Lachhaft. Nahezu ungewollt komisch. Eine gute Aufarbeitung und Vermittlung des Geschehenen kann imho eh nur im Intimen der Selbsterkenntnis solcher Dinge und was sie emotional mit einem machen stattfinden. Soll heißen: Jeder muss selbst zu seiner Trauer finden. Staatlich verordnet oder possenhaft vorgespielt, ist es nicht in angemessener Weise zu vermitteln.

Ich halte eine solche Bewusstseinskultur jedoch für durchaus machbar.

Edit: Die Autokorrektur wollte mich verarschen. -.-


Wie ich versucht habe zu sagen, ich habe früher eben genauso über das übliche Ritualgehabe gedacht und für mich persönlich hat dieses übliche Ritualgehabe, wie gesagt, nie funktioniert und tut es immer noch nicht. Da brauchte es schon etwas wie der Kniefall Brandts. Dieser war aber ebenfalls Teil eines Rituals, nur dass vom üblichem Skript abgewichen wurde.
Ich weiß aber heute, dass es Menschen gibt, für die eben andere Teile funktionieren, die sich vom Dienst nach Vorschrift Ritual eben doch persönlich angesprochen werden. Andere werden vom gezwungenem Besuch im KZ, Museum oder andere Gedenkstätte angesprochen, aber viele auch nicht. Für viele ist gerade ein erzwungener Besuch hinderlich.
Das Problem ist, dass zumindest Stand der Technik es nicht wirklich ökonomisch möglich ist einen persönlichen Erinnerungskulturplan für jeden zu machen. Beziehungsweise, das kann zwar jeder für sich machen, und zwar jetzt schon, wenn aber die jetzige organisierte und zum Teil verpflichtete (schulischen) Aktivitäten wegfallen, dann ist das ein Verlust.
Die Erinnerungskultur nach den Prinzipien der Gießkanne, "viel hilft viel" und per Vorschrift aktiv zu halten führt mit Sicherheit dazu, dass viele, welche die spezifischen Aktivitäten und den üblichen hohlen Ritualen nichts abgewinnen können, abgestoßen werden.
Für mich persönlich ist das ab- und durchsitzen eines solchen Rituals ein Opfer, das ich notfalls bereit bin zu machen. Auch wenn ich dadurch zutiefst angeekelt und/oder gelangweilt werde. Einfach in der Hoffnung das es für jemand anderen was bringt.


Mein Gegenentwurf dazu wäre ein Schulunterricht und eine öffentliche Darstellung des Holocaust, der den Zwang im Giftschrank lässt, auf Trauerkitsch und U-Boot-Betroffenheit verzichtet und stattdessen versucht die Neugier und das Interesse an der Materie zu wecken. Als ehemalig teilnahmeverweigerndes Schulkind, bei dem erst spät das Interesse am Unterrichtsstoff geweckt wurde, weil stattdessen nur gebetsmühlenartige Sermone und der Nürnberger Trichter modus operandi vor allem einer der Lehrerinnen war, die sich keine Zeit dafür nahm die Begeisterung für den Stoff in jedem einzelnen zu wecken, weiß ich zu berichten, dass nichts wertvoller für den Lerndrang und das Interesse an jedweder Materie ist, als der schlichte Ansatz den Subjekten einen Winkel zu zeigen, der sie für die Sache in seinen Bann zieht.

Oder kurz: Ich halte festgefahrene Rituale mit hohler Gestik in jedem Fall und für alle für schädlich. Für manche mehr, für andere weniger. Was hingegen immer hilft ist die Leute anzuleiten ein Thema selbst erschürfen zu wollen. Freiwilligkeit ist dafür unabdingbar. Und freiwillig zu sein bedarf lediglich des Gefühls nicht gezwungen zu werden.

Deine Idee dich selbst zu den Ritualen zu zwingen, die dir nichts geben, und andere zu KZ-Besuchen zu zwingen, gerade unter dem Mantra "viel hilft viel" ist das Gegenteil davon.

Außerdem denke ich nicht, dass es vieler Technik oder Gelder bedarf um mein Gegenkonzept zu verwirklichen. Alles was es dafür braucht ist die Leute und besonders Schulkinder zu fragen, was sie für Interessenten haben und dann zu finden, was im Holocaust diesen entspricht. Wenn sie das sehen, werden sie sich von selbst in die Recherche stürzen und Informationen suchen.

So zumindest meine These. Das ist weder teuer, noch aufwendig. Es ist aber anders als das Kopfneigen zur geschlagenen Stunde.
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Beitrag(#2285231) Verfasst am: 09.08.2022, 19:46    Titel: Antworten mit Zitat

Bravopunk hat folgendes geschrieben:


Mein Gegenentwurf dazu wäre ein Schulunterricht und eine öffentliche Darstellung des Holocaust, der den Zwang im Giftschrank lässt, auf Trauerkitsch und U-Boot-Betroffenheit verzichtet und stattdessen versucht die Neugier und das Interesse an der Materie zu wecken. Als ehemalig teilnahmeverweigerndes Schulkind, bei dem erst spät das Interesse am Unterrichtsstoff geweckt wurde, weil stattdessen nur gebetsmühlenartige Sermone und der Nürnberger Trichter modus operandi vor allem einer der Lehrerinnen war, die sich keine Zeit dafür nahm die Begeisterung für den Stoff in jedem einzelnen zu wecken, weiß ich zu berichten, dass nichts wertvoller für den Lerndrang und das Interesse an jedweder Materie ist, als der schlichte Ansatz den Subjekten einen Winkel zu zeigen, der sie für die Sache in seinen Bann zieht.

Oder kurz: Ich halte festgefahrene Rituale mit hohler Gestik in jedem Fall und für alle für schädlich. Für manche mehr, für andere weniger. Was hingegen immer hilft ist die Leute anzuleiten ein Thema selbst erschürfen zu wollen. Freiwilligkeit ist dafür unabdingbar. Und freiwillig zu sein bedarf lediglich des Gefühls nicht gezwungen zu werden.

Deine Idee dich selbst zu den Ritualen zu zwingen, die dir nichts geben, und andere zu KZ-Besuchen zu zwingen, gerade unter dem Mantra "viel hilft viel" ist das Gegenteil davon.

Außerdem denke ich nicht, dass es vieler Technik oder Gelder bedarf um mein Gegenkonzept zu verwirklichen. Alles was es dafür braucht ist die Leute und besonders Schulkinder zu fragen, was sie für Interessenten haben und dann zu finden, was im Holocaust diesen entspricht. Wenn sie das sehen, werden sie sich von selbst in die Recherche stürzen und Informationen suchen.

So zumindest meine These. Das ist weder teuer, noch aufwendig. Es ist aber anders als das Kopfneigen zur geschlagenen Stunde.


Und hier steht Erfahrung gegen Erfahrung, ich habe in meiner Schulzeit und als Sozialarbeiter viele engagierte Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter kennengelernt, die genau das versucht haben, was du beschreibst, aber damit zum Teil keinen oder nur begrenzten Erfolg hatten. Das heißt, das was du vorschlägst, passiert schon, aber sie haben eben nicht jeden erreicht. Insbesondere mein Klassenlehrer 5-10 Klasse war, was den Holocaust anging, sehr engagiert, ich bin mir dennoch sicher, dass es viele gab, die er nicht erreicht hat.
Wichtig ist hierbei für mich aber speziell, dass dieses Engagement Teil der üblich deutschen Erinnerungskultur war und ist. Was du vorschlägst, ist nämlich keinesfalls neu und gilt in Erziehungskreisen als ideal Fall, wenn es denn klappt. In der Vorstellung derjenigen, welche die Kulturhandlungen planen, ist jedenfalls nicht Ziel einfach hohle Rituale aufzuzwingen.
Der Grund für die Gießkanne und viel hilft viel, ist gerade, weil es mit nur einem Versuch, mit nur einem bevorzugten Mittel eben nicht getan ist.
Ich weiß aus den Berichten von anderen, dass Sie die Rituale berühren, die ich als hohl und leer empfunden habe und empfinde. Ich glaube das zumindest ein Teil von denen die Wahrheit sagen.
Da ich denen glaube, halte ich für das beste möglichst alle Wege abzudecken.
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Beitrag(#2285238) Verfasst am: 10.08.2022, 03:49    Titel: Antworten mit Zitat

AlexJ hat folgendes geschrieben:
Bravopunk hat folgendes geschrieben:


Mein Gegenentwurf dazu wäre ein Schulunterricht und eine öffentliche Darstellung des Holocaust, der den Zwang im Giftschrank lässt, auf Trauerkitsch und U-Boot-Betroffenheit verzichtet und stattdessen versucht die Neugier und das Interesse an der Materie zu wecken. Als ehemalig teilnahmeverweigerndes Schulkind, bei dem erst spät das Interesse am Unterrichtsstoff geweckt wurde, weil stattdessen nur gebetsmühlenartige Sermone und der Nürnberger Trichter modus operandi vor allem einer der Lehrerinnen war, die sich keine Zeit dafür nahm die Begeisterung für den Stoff in jedem einzelnen zu wecken, weiß ich zu berichten, dass nichts wertvoller für den Lerndrang und das Interesse an jedweder Materie ist, als der schlichte Ansatz den Subjekten einen Winkel zu zeigen, der sie für die Sache in seinen Bann zieht.

Oder kurz: Ich halte festgefahrene Rituale mit hohler Gestik in jedem Fall und für alle für schädlich. Für manche mehr, für andere weniger. Was hingegen immer hilft ist die Leute anzuleiten ein Thema selbst erschürfen zu wollen. Freiwilligkeit ist dafür unabdingbar. Und freiwillig zu sein bedarf lediglich des Gefühls nicht gezwungen zu werden.

Deine Idee dich selbst zu den Ritualen zu zwingen, die dir nichts geben, und andere zu KZ-Besuchen zu zwingen, gerade unter dem Mantra "viel hilft viel" ist das Gegenteil davon.

Außerdem denke ich nicht, dass es vieler Technik oder Gelder bedarf um mein Gegenkonzept zu verwirklichen. Alles was es dafür braucht ist die Leute und besonders Schulkinder zu fragen, was sie für Interessenten haben und dann zu finden, was im Holocaust diesen entspricht. Wenn sie das sehen, werden sie sich von selbst in die Recherche stürzen und Informationen suchen.

So zumindest meine These. Das ist weder teuer, noch aufwendig. Es ist aber anders als das Kopfneigen zur geschlagenen Stunde.


Und hier steht Erfahrung gegen Erfahrung, ich habe in meiner Schulzeit und als Sozialarbeiter viele engagierte Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter kennengelernt, die genau das versucht haben, was du beschreibst, aber damit zum Teil keinen oder nur begrenzten Erfolg hatten. Das heißt, das was du vorschlägst, passiert schon, aber sie haben eben nicht jeden erreicht. Insbesondere mein Klassenlehrer 5-10 Klasse war, was den Holocaust anging, sehr engagiert, ich bin mir dennoch sicher, dass es viele gab, die er nicht erreicht hat.
Wichtig ist hierbei für mich aber speziell, dass dieses Engagement Teil der üblich deutschen Erinnerungskultur war und ist. Was du vorschlägst, ist nämlich keinesfalls neu und gilt in Erziehungskreisen als ideal Fall, wenn es denn klappt. In der Vorstellung derjenigen, welche die Kulturhandlungen planen, ist jedenfalls nicht Ziel einfach hohle Rituale aufzuzwingen.
Der Grund für die Gießkanne und viel hilft viel, ist gerade, weil es mit nur einem Versuch, mit nur einem bevorzugten Mittel eben nicht getan ist.
Ich weiß aus den Berichten von anderen, dass Sie die Rituale berühren, die ich als hohl und leer empfunden habe und empfinde. Ich glaube das zumindest ein Teil von denen die Wahrheit sagen.
Da ich denen glaube, halte ich für das beste möglichst alle Wege abzudecken.


Okay. Das klingt legitim. Als Liberaler lehne ich jeden Zwang zwar trotzdem ab und bin beim lernen für Freiwilligkeit, - außerdem fällt es mir schwer zu glauben, dass die Mäeutik irgendwen nicht erreichen kann, wenn sie mich erreichen konnte -, aber ich kann nachvollziehen, warum man das anders sieht und mit der derzeitigen Version und auch dem Titel der Erinnerungskultur fortfahren will.

Jedoch, wie ich Eingangs erwähnte, diejenigen die sich tatsächlich noch erinnern und nicht nur aus Erzählungen über den Holocaust gelernt haben, wie der Rest von uns, sterben langsam weg. Erinnern können wiro uns daran ja eh nicht. Wir können nur darüber lernen und daran gedenken. Also zu unserer eigenen Trauer und Erschütterung über diese Taten finden und sie in uns tragen und hegen, um daraus Lehren zu ziehen und die Opfer nicht vergessen werden lassen. Gerade den Holocaustleugnern ist dann schon der Name "Erinnerungskultur" Wasser auf die Mühlen, wenn Erinnerung im eigentlichen Sinn gar nicht mehr stattfindet. Ein Umdenken in Richtung Erkenntnis- und Bewusstseinskultur empfinde ich da als eine geeignete Gegenmaßnahme. Vor allem dann, wenn es eben ohne jeden Zwang und Pathos auskommt. Man darf eben nicht vergessen, dass die Leugner, VTler und Antisemiten nur zu gerne damit argumentieren dass das offizielle Bild von oben diktiert ist und so aufgezwungen wirkt. Würde man stattdessen jeden dazu anleiten selbst die Wahrheit zu erkennen, hätte man ihren Feinden ein wichtiges Heft aus der Hand genommen.
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Beitrag(#2285271) Verfasst am: 11.08.2022, 01:11    Titel: Antworten mit Zitat

AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist doch, wie man als Einzelperson im Kampf gegen Antisemitismus mehr als rituelle oder kulturelle Handlungen ausführen oder sich daran beteiligen kann? Nicht jeder von uns ist ein Staatsanwalt, der Antisemiten anklagen und verknasten kann oder ein Polizist, der im Streifenwagen vor dem jüdischen Zentrum Wache sitzt. Auch die Georg Elsers unter uns, die Nazis in die Luft sprengen, sind selten gesät. Eine rituelle Handlung wie Blumen niederlegen für Opfer von Terrorismus, wie es jeden 26. September für das Oktoberfest-Attentat geschieht oder die Erinnerung in München zur 50-jährigen Wiedrkehr des Olympia-Attentats sind rituelle Handlungen, die nichts Konkretes gegen Antisemitismus oder Faschismus tun. Damit eine Erinnerung an Geschehnisse nicht verblasst, sind nun einmal „hohle“ Rituale nötig, darum feiern die Christen auch jedes Jahr Ostern und Weihnachten. zwinkern Manche motiviert das wieder zu christlichem Verhalten, auch wenn das im Laufe des Jahres vöftrr mal vergessen wird.


Wobei natürlich auf der Ebene des "Kulturchristentums" - sprich "man macht das halt so" - auch das Wissen, warum man dort hingeht und christliche Feste bedenkt, auch nicht immer so groß ist. Etwas distanziert habe ich das auch empfunden, als es z.B. mal zur Schulveranstaltung erklärt wurde, daß alle Schüler zum Marktplatz der Stadt laufen sollten, um dort gegen irgendwas (weiß nicht mal mehr, wogegen eigentlich: Jugoslawienkrieg, Kosovokrieg, Fremdenfeindlichkeit, ...?) zu demonstrieren.

Ähnlich, wie das halt mal war, daß man die Reihen für ein Fußballspiel zwischen einer deutschen und einer israelischen U21-Mannschaft halt mit den Schülern der Stadt füllte, die dorthin kommen *mußten*. Da wurde dann irgendwann von den Lehrern die Anwesenheit erfaßt, danach haben sich dann peu-a-peu lange vor Ende der Demonstration die Leute auch verzupft bzw. waren (jedenfalls mir ging es beim langweiligen Fußball so) recht froh, daß es dann auch vorbei war.

Man hat vielleicht selbst den Gedanken gehabt, daß zivilgesellschaftliches Engagement schon "irgendwie wichtig" ist, aber da jetzt gezwungen zu werden fühlt sich auch irgendwie seltsam an. Und im Einzelfall kann man ja auch keine Meinung vorschreiben - selbst wenn jetzt z.B. jemand für Bushs Krieg war, mag man das besch.eiden finden, aber man konnte denjenigen ja auch nicht unbedingt dazu zwingen, dann gegen ihn zu demonstrieren.


[tl;dr]Zeitzeugen helfen, die Dinge einzuordnen.[/tl;dr]

Die Begegnung mit Zeitzeugen ist da aber noch eine etwas andere Kategorie: Wer würde sich getrauen, das z.B. zu bringen, den Zeitzeugen mit giftigen Kommentaren oder bösen Fragen z.B. als Lügner zu bezeichnen? Wenn ich mich erinnere, erschienen natürlich selbst die Erzählungen der Verwandten und Bekannten, die die Zeit noch miterlebt hatten, noch irgendwie irreal: Bombenangriffe, die ganze Städte zerstören - leider gibt es das auch heute noch, aber für die meisten in Deutschland sind das halt nur irgendwelche grauen Archivbilder. Aber auch, wenn die eigenen Zeitzeugen z.B. erzählt haben, wie viel - oder eben wenig - man mitunter von der Diktatur oder vom Ghetto vor Ort mitbekommen habe. Halt zu solchen Fragen: Wieviel haben die Leute gewußt, bzw. wissen wollen?

Persönlich kann ich mich nur an eine Begegnung mit jemandem erinnern, die ich in dem Moment als NS-Opfer wahrgenommen habe. Die Dinge kriegen durch Orte, aber insbesondere durch Zeitzeugen schon eine andere Realität.

Insofern ist die Notwendigkeit der Zeitzeugenschaft natürlich nicht von der Hand zu weisen - es werden ja nicht mehr viele Schülergenerationen kommen, die noch Leuten begegnen können, die aus erster Hand von der NS-Zeit berichten können. Und wenn diejenigen irgendwann nicht mehr da sein werden, wird es womöglich einfacher werden, Dinge plötzlich wieder als "umstritten" darzustellen. Wie ja Dinge, die bedeutend weniger kontrovers - aber eben auch bedeutend weniger gut belegt - sind, im Laufe der Jahrzehnte auch immer wieder neu bewertet werden: Auch bei Sachverhalten gelingt es Einigen ja, Dinge dann wieder in Abrede zu stellen oder als "kontrovers" darzustellen, wo man dachte, eigentlich sei es so langsam belegt. (Wenn man z.B. bedenkt, daß in den USA heute immer noch oder wieder Kämpfe um Evolution, Abtreibung oder Homosexualität ausgefochten werden müssen.)

Zeitzeugen sind natürlich nicht "objektiv" in dem Sinne, daß der Zeitzeuge jetzt genau die chemische Zusammensetzung des Giftgases oder die Dienstgrade der SA-Leute erklären könnte, die die örtliche Synagoge angezündet hatten. Aber darum geht es bei dieser Quellenart wohl auch nicht - sie können eben bestätigen, daß es das gab, daß das geschehen ist, sie können die Lagerbaracke auf dem Foto als solche identifizieren: Denn es gibt ja z.B. eine lange Praxis der Fälschung von z.B. Fotos - was hindert die Verschwörungstheoretiker also daran zu behaupten, auch dieses oder jenes Bild sei eine Fotomontage - als eben Quellen, die bestätigen, daß das Bild authentisch ist.

Ohne sie wird es also womöglich irgendwann Geschichtsfälschungen und Verschwörungstheorien geben, daß das alles ja nur erfunden worden sei, um Volk XY zu demütigen oder so etwas. Oder es wird jemand versuchen, ein Narrativ umzufälschen, um daraus dann wieder "nationale Kraft" zu ziehen, wie z.B. in Rußland ja wohl die Stalin-Verehrung auch wieder sehr ausgeprägt zu sein scheint, und man auch die Verantwortung für Katyn (hier mal ein stalinistischer Massenmord) dann wieder den Nazis zuschreibt etc..
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Beitrag(#2285273) Verfasst am: 11.08.2022, 06:44    Titel: Antworten mit Zitat

Danke, Critic. Smilie

Genau darum ging es mir eingangs. Auch wenn das dann etwas entgleiste. skeptisch
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Beitrag(#2300713) Verfasst am: 12.10.2023, 20:19    Titel: Antworten mit Zitat

Dieser Faden war viel zu lange in der Versenkung. Man glaubt immer "Jetzt haben wir den Antisemitismus aber endgültig hinter uns gelassen." Und dann tauchen sie doch wieder auf, die jugendlichen oder auch erwachsenen Pimmelzwerge, in diesem Fall hauptsächlich muslimischer Herkunft, und reißen Israelfahnen von Rathäusern oder skandieren lautstark den Wunsch alle Juden zu vergasen.

Dieser Thread wird wahrscheinlich leider nie zur Ruhe gebetet werden können, solange es das FGH gibt. Traurig
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Beitrag(#2300721) Verfasst am: 13.10.2023, 07:04    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke, über kurz oder lang wird der Menschheit nichts anderes übrig bleiben als hasserfüllte Ideologien wie den Antisemitismus aus der Stammesgemeinschaft zu verbannen. Es ist letztlich ein evolutionärer Malus, der nur sehr schwer auszugleichen ist und andernfalls zum sicheren Ende des Menschen führen wird.

Ceterum censeo Hamas esse delendam. Aber die Israelis kümmern sich ja gerade darum.
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Beitrag(#2300748) Verfasst am: 14.10.2023, 09:49    Titel: Antworten mit Zitat

Tja, ist so die Frage, was schneller ablaufen wird, die moralische Entwicklung oder die biologische. Seit es Schilderungen und Bilder gibt, sind die Darstellungen von Konflikten und Kriegsopfern ja ziemlich ähnlich geblieben. Es gab mal Zeiten, wo mal "versucht" wurde, "dem Krieg Regeln zu geben", zumindest zivile Opfer verhindern zu wollen, aber es gab a. zum Teil bewußte Rückschritte, aber b. eben auch Unweigerlichkeiten, wenn man etwa im städtischen Umfeld agiert. Zum Teil lockt man auch Gegner in den Häuserkampf, eben weil man weiß, daß das für den Angreifer ebenso schrecklich wird und eben auch moralisch schrecklich wird. (Und auch in anderen Belangen regrediert die Menschheit ja gerade, es gibt mehr Druck auf Freiheitsrechte, mehr soziale Angst, mehr Angst vor "denen da draußen", die Sache mit dem Klima wird die Menschheit womöglich auch versaubeuteln etc. ..)

Aber ab von der Philosophie: Ist ein bißchen schwierig, das zu verbalisieren, weil die Meldungen und die Bilder, die man so zu sehen bekommt, mal wieder über das zivilisatorische Begriffsvermögen hinausgehen. Vielleicht so:

Es gab in den letzten Tagen mancherorts (meistens kurzlebige) Kundgebungen von Aktivisten, wo es so eine Spannweite gibt: Gegen den israelischen Angriff, Solidarität auch mit Palästinensern, die jetzt aufgrund der Hamas-Angriffe auch Leid erleben(*), aber eben auch bishin zu Unterstützung für die Hamas.


(*) Also:

(Und ich hoffe auch, daß ich überall in etwa dasselbe sage, ob jetzt Israel und die Hamas sich bekriegen oder es um die Ukraine geht oder um Syrien oder Jemen oder ... Wie gesagt, Begriffsvermögen und "Zivilisation": Es sieht doch überall ähnlich aus, und demjenigen, der da jeweils dazwischen sitzt, ist ja im Endeffekt relativ egal, welchem Stamm der oder die Anderen gehören. Mensch bleibt Mensch, und das trifft mich unabhängig, ob das jetzt Bachmut, Aschkelon, Gaza oder Aleppo betrifft.)

Deswegen halt nochmal wiederholt der Versuch der Synthese:

Man kann gegen Terror und für Frieden sein (und das werden auch die meisten sein). Dem steht ja auch nicht entgegen, daß Terroristen und Mörder in den Knast gehören.

Der Punkt, den so eine (sie aber sprach halt teilweise bißchen übers Ziel hinaus) Aktivistin hatte: Man kann Leid ja nicht aufrechnen. Wenn die Einen 1000 von den Anderen töten und die Anderen dann wieder 1000, dann ist man ja nicht "pari", ist das Leid ja nicht weg, sondern dann haben 2000 gelitten und leiden ihre Angehörigen. Es ist moralisch nicht ganz dasselbe, die Israelis haben die Bewohner vorgewarnt, und werden auch sicherlich Kindern nicht die Köpfe abhacken. Und die Hamas-Leute hätten ja immerhin auch die Wahl, abzuhauen oder ggf. noch, in den Knast zu gehen anstelle sich töten zu lassen. Es werden aber unweigerlich auch Unbeteiligte getroffen werden: Leute, die aus irgendwelchen Gründen ausharren, entweder weil sie nicht mehr wegkommen oder von der Hamas sogar als menschliche Schutzschilde gebraucht werden.

Auch dort: Ich würde denken, die werden nicht bewußt ins Ziel genommen - auch weil die Israelis wissen, daß die Hamas versuchen wird, jedes unbeteiligte Opfer propagandistisch auszuschlachten, damit auch für die nächsten 30 Jahre kein Frieden sein soll. Aber es wird erwartbar dazu kommen.


Mag auch sein, daß die hiesigen Aktivisten zum Teil auch eine ganz andere Emotion ins Zentrum rücken als die Akteure selbst. Sie thematisieren ja den Begriff der Verzweiflung: Leben in Gaza scheint ja für die Masse der Leute auch nicht das Gelbe vom Ei zu sein, es wird z.B. von bis zu 80% Armut gesprochen, jetzt fehlen aufgrund der Blockade Lebensmittel, sie sprechen dann sogar von der Wahrnehmung eines "Freiluftgefängnisses". Das muß aber nicht die Wahrnehmung sein, die die Hamas treibt. (Das muß ja auch der Hamas klar sein, daß man mit dieser eliminatorischen Gewalt sicherlich keine Verbesserung der Lage von Gaza erreichen wird.)

Es muß aber dann auch Roß und Reiter benannt werden: Ja, es gibt in Israel eine ganze Menge Hardliner, die den Konflikt genauso manichäisch sehen (also nicht mehr als Konflikt um eine Landteilung, sondern Israel in den Grenzen der Legende von vor 2500 Jahren sehen). Aber wenn es nur nette Leute unter den Palästinensern gäbe und jahrelang nix passierte, könnten die ihr Vorgehen auch nicht mehr rechtfertigen. So ist natürlich hier jetzt auch die Hamas für den Militäreinsatz gegen Gaza verantwortlich.

Das darf letztlich nicht als Rache an dem ganzen Volk, aus dem die Angreifer stammen, gesehen werden: Die Hamas wird natürlich ihre Propaganda pflegen, aber die darf eben auch nicht so stehen bleiben, es muß auch eine Gegenerzählung geben. Deswegen sollte man eben dort, wo man die Leute aufgefordert hat hinzugehen, dann auch humanitäre Hilfe reinlassen.
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Beitrag(#2300750) Verfasst am: 14.10.2023, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
Das muß aber nicht die Wahrnehmung sein, die die Hamas treibt. (Das muß ja auch der Hamas klar sein, daß man mit dieser eliminatorischen Gewalt sicherlich keine Verbesserung der Lage von Gaza erreichen wird.)

Exakt. So, wie die Hamas handelt, muss man annehmen, dass ihr die Lage der Palästinenser im Gazastreifen nicht nur egal ist, sondern sie aktiv auf eine bleibend schlechte Lage hinarbeitet.

Es war ja von vornherein völlig klar, dass diese Terroraktionen für die Palästinenser rein gar nichts bringen können, sondern militärische Gegenangriffe herausfordern, bei denen auch viele Zivilisten sterben (was bei der israelischen Armee, im Gegensatz zur Hamas, nicht das Ziel ist) und Häuser und Infrastruktur zerstört werden sowie es weitere Gegenmaßnahmen geben wird, die Leid verursachen, wie eine Verstärkung der Blockade, ein Ende von Arbeitsmöglichkeiten in Israel usw.

Das einzige, was die Hamas erreicht, sind a) viele tote Juden, b) eine schlechte Lage für die Palästinenser, die eine zivilere Entwicklung im Gazastreifen (inkl. ziviler Machtgruppen) verhindert, und c) eine Verhinderung friedlicherer Beziehungen zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten. Und da das von vorneherein klar war, ist auch klar, dass das genau die Dinge sind, die die Hamas will.
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Beitrag(#2300753) Verfasst am: 14.10.2023, 13:09    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Das muß aber nicht die Wahrnehmung sein, die die Hamas treibt. (Das muß ja auch der Hamas klar sein, daß man mit dieser eliminatorischen Gewalt sicherlich keine Verbesserung der Lage von Gaza erreichen wird.)

Exakt. So, wie die Hamas handelt, muss man annehmen, dass ihr die Lage der Palästinenser im Gazastreifen nicht nur egal ist, sondern sie aktiv auf eine bleibend schlechte Lage hinarbeitet.

Es war ja von vornherein völlig klar, dass diese Terroraktionen für die Palästinenser rein gar nichts bringen können, sondern militärische Gegenangriffe herausfordern, bei denen auch viele Zivilisten sterben (was bei der israelischen Armee, im Gegensatz zur Hamas, nicht das Ziel ist) und Häuser und Infrastruktur zerstört werden sowie es weitere Gegenmaßnahmen geben wird, die Leid verursachen, wie eine Verstärkung der Blockade, ein Ende von Arbeitsmöglichkeiten in Israel usw.

Das einzige, was die Hamas erreicht, sind a) viele tote Juden, b) eine schlechte Lage für die Palästinenser, die eine zivilere Entwicklung im Gazastreifen (inkl. ziviler Machtgruppen) verhindert, und c) eine Verhinderung friedlicherer Beziehungen zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten. Und da das von vorneherein klar war, ist auch klar, dass das genau die Dinge sind, die die Hamas will.


Absolut korrekt.

Auch, möchte ich hinzufügen, kann man z. B. gerne und zurecht die Aufforderung der Israelis, den nördlichen Gazastreifen binnen 24 Stunden zu verlassen, als inhuman und verantwortungslos bezeichnen, weil ein plötzlicher, fluchtartiger Strom von über einer Million Menschen nur Leid mit sich bringen kann, die Gegenbestrebungen der Hamas die Zivilisten an der Flucht zu hindern ist aber nicht minder zynisch, wenn nicht viel mehr, da es ihnen offensichtlich nur darum geht ihre menschlichen Schilde nicht zu verlieren, deren Tod sie u. a. brauchen, um weltweit Linke, Moslems und Araber zu radikalisieren.

Die Ausbrüche offenen Antisemitismuses, die die letzte Woche über hochgekocht sind waren so erschreckend wie letztlich vorhersehbar, aufgrund der Gegenschläge.
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Beitrag(#2300786) Verfasst am: 15.10.2023, 21:24    Titel: Antworten mit Zitat

Man möchte natürlich eigentlich immer was erreichen, das zumindest niemandem schadet, idealerweise die Lage verbessert.

Und dann sind wir hier mal wieder in einer Situation, wo man verzweifelt nach einer Lösung sucht, die zumindest am wenigsten sch. ist...
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Beitrag(#2300809) Verfasst am: 16.10.2023, 22:49    Titel: Antworten mit Zitat

Wer Prechts antisemitischen Aussetzer bei Lanz mitbekommen hat:

https://www.der-postillon.com/2023/10/precht-entschuldigung.html

Lachen Gröhl...

Zitat:
Precht entschuldigt sich bei Juden: "Es tut mir leid! Bitte vergiften Sie nicht meinen Brunnen!"

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Beitrag(#2301612) Verfasst am: 30.11.2023, 23:06    Titel: Antworten mit Zitat

(Ich hatte das abends geschrieben, und morgens dann noch die Links zu der Meldung ergänzt:
Aber letztlich bleibt das so oder so ein unvollständiger Aufschrieb, weil das ja oder so ein gordischer Knoten bleibt. Wenn ich das Mittel wüßte, wie ein Deal aussehen würde, den alle akzeptieren würden, hätte ich wohl den Friedensnobelpreis und noch die Turing-Medaille [es gibt ja nicht nur in der Politik, sondern auch in der Informatik "unlösbare Probleme"] oder so an der Wand hängen.)


Der Gazakrieg hat in der Wahrnehmung Vieler Manches relativiert, man sieht auch schon, daß beide Seiten nicht "moralisch gleichwertig" agieren.

Beispielsweise existiert in Social Media eine ganze Masse an gegen Israel gerichteter islamistischer Propaganda, mit dem Gazakrieg ist eine ganze Menge dazugekommen. Ich kann ja auch nicht verstehen, daß es auf der Welt auch Leute gibt, die das gutheißen, was die Hamas-Terroristen da getan haben, oder nur kaltschnäuzge Kommentare übrighaben. Das gibt es aber anscheinend auch. Die Israelis nehmen z.B. Nachteile in Social Media in Kauf, weil sich daran zu beteiligen einfach unmenschlich gegenüber den Opfern des Hamas-Terrors wäre. Man hört Berichte über das, was geschehen ist, und wird doch bei Manchem schon fast halb verrückt.

Aber zum Beispiel eine Nachrichtenmeldung dieser Tage hat mich da etwas erstaunt: Bei der Aktion "Geiseln gegen Gefangene" wurden dann auch so ca. 20jährige Frauen aus israelischen Gefängnissen entlassen.

Ich habe natürlich irgendwo ein Problem, wenn ich mich frage (mag es sein, Sentimentalität, vielleicht auch sogar Beschützerinstinkte. Obwohl wer schonmal Liebeskummer o.ä. hatte, ja auch weiß, daß auch Personen mit hübschen Gesichtern unglaublich grausam sein können; (SCNR)):

Jedenfalls habe ich mich gefragt, was kann z.B. so jemand schon getan haben, um im Knast zu landen. Gut ja, sie hat dann vor den Kameras ein Statement abgegeben, daß wohl dann Frieden sein könnte, wenn alle politischen Gefangenen befreit seien.

Es ist natürlich schwierig, Informationen über Personen zu bekommen, die nicht potentiell gefärbt ist. Es gab dann meiner Erinnerung nach halt erstmal nur eine englischsprachige Seite, die wohl aus Palästina stammt:

Code:
https://www.addameer.org/news/4416
https://www.addameer.org/prisoner/4527


Da ich auch Arabisch oder Hebräisch nicht kann, kann ich auch möglicherweise erstmal nicht tiefer graben. Aber wenn das stimmte, wäre das natürlich hart: Demnach sollen diese drei Studentinnen einen Flohmarkt nebst Kuchenbasar organisiert haben - wobei indessen mal wieder Märtyrerplakate gehängt worden seien. Der Erlös landete zunächst bei ihrer Studentengruppe, wurde dann aber einer Organisation überwiesen, die von Israel als potentiell militant eingestuft wird. Was natürlich die Angeschuldigten und die genanmten Seiten abstreiten und die Grundlage dessen in Zweifel ziehen.

Das Problem, das ich damit habe: Hin oder her, ob man damit einverstanden ist, (man mag ja diskutieren, wie man denn Handlungen bestrafen sollte etc.) man kann aber i.a. nur Handlungen belangen, halt keine Meinungen. Aber auch der Knast ist sicher kein lustiger Ort und man sitzt auch nicht nur mit netten Leuten zusammen - also besteht die Gefahr, daß sich Leute dann erst so richtig radikalisieren.

(Ein Nutzer eckte hier mal an, weil er meinte, mit seiner Sozialisation und seinem Beruf wäre er möglicherweise vor Jahrzehnten in der Partei der Diktatur gewesen. Man kann es nicht 100%ig wissen. Insofern können wir auch nicht ganz wissen, wie wir denken würden, wären wir "palästinensisch sozialisiert": Ich winde mich da gerade, weil ich ja auch nicht glauben möchte, daß Leute mit 20 die "Super-Verbrecher" sind, die irgendwie "mental schon fertig" sind und wo es kein Zurück gibt, die nicht mehr umdenken könnten und Ähnliches. Man kann die Welt ja auch nicht dualistisch in gut und böse zertrennen, es gibt viele Graubereiche. Es mag ja z.B. noch angehen, wer z.B. Familien von Terroristen helfen würde, die ja aufgrund der Taten ihrer Angehörigen und der entsprechenden stehenden Politik auch ihre Häuser verlieren können etc. - auch durchaus egal, wie sie selbst über deren Taten denken.)

Es wird ja von Organisationen wie Amnesty International, HRW etc. schon kritisiert, daß die Israelis in Palästina auch sehr hart vorgehen, wenn sie Extremismus wähnen, auch gegen Jugendliche, und diese Gerichtsverfahren auch nicht unbedingt nach denselben Standards ablaufen, wie sie einem israelischen Staatsbürger zugestanden würden. Viele Betroffene hätten auch erwähnt, sie seien z.B. gedemütigt worden. Es gibt auch die sog. "Administrativhaft", die unter sehr viel einfacheren Bedingungen verhängt werden kann als ein reguläres Gerichtsurteil, z.T. auch ohne daß die Angeschuldigten wüßten, was ihnen vorgeworfen werde etc.. Und diese Organisatonen setzen den Schwerpunkt auf der Frage Sicherheit vs. Rechte dann wieder anders als das israelische Militär.

(Ein Problem ist dabei auch, daß sich die Beurteilung des Anderen einerseits aus (teils auch religiös motivierten oder durch Propaganda transportierten) Vorurteilen speist, andererseits auch Erfahrungen. Wenn ein Araber im allgemeinen korrekt behandelt wird, wird er da ja vielleicht eine andere Position einnehmen als wenn er z.B. der stehenden Auffassung begegnet, daß man vermeintlich extremistische Aktivitäten besonders hart anfassen müsse. Es kommt sogar zu Situationen, in denen israelische Soldaten Araber gegen militante jüdische Siedler verteidigen müssen.)


TL;DR: Was ich damit meine:
Man sollte das natürlich auch nicht außer Acht lassen, wenn auch seit Anfang Oktober ziemlich klar ist, wer da gezielt Kinder umgebracht hat. Die Israelis wollen sich ja auch dezidiert nach westlichen Standards messen lassen.

Und es ist natürlich auch wichtig, gerade die Generation zu beeinflussen, die in 20-40 Jahren am Ruder sein wird, ob die es dann vielleicht schaffen, Frieden zu schaffen oder nicht. Das tut die Hamas im negativen Sinne, indem sie die palästinensische Jugend radikalisiert und gezielt auch die israelische Jugend angegriffen hat. Und das sind beileibe nicht nur die "Dummen", "wenig Gebildeten", die empfänglich sind. Was ich so in den letzten Wochen an Lebensnotizen gelesen habe, haben sich z.T. auch durchaus intelligente und reflektierte Leute radikalisiert, die sich auch einbringen wollten, wo man eigentlich gesagt hätte, solche Leute braucht eine Gesellschaft eigentlich. Aber die haben dann auch "irgendwelche Gründen" (manche klarer, manche weniger klar) gehabt, sich zu radikalisieren oder teilweise auch letztendlich zum Terrorismus zu entschließen.

Könnte man die Leute jetzt nicht auch positiv beeinflussen, gerade diejenigen, die noch empfänglich sind? Es ist halt schwierig, jemanden in den Knast zu packen und dann zu sagen, man will aber hier nicht der Böse im Spiel sein, derjenige wird das nicht unbedingt so empfinden.

Man kann das auch "von der anderen Seite aus begrifflich fassen": Die Leute, die eben so radikalisiert und so nicht mehr erreichbar sind, von der Bevölkerung zu isolieren, daß die halt sehen, was Hamas-Terror anrichtet und daß es den Palästinensern schadet. (Eigentlich offensichtlich.) Ist eigentlich eher ein pädagogischer Akt als ein "Knast-Akt".
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Beitrag(#2301631) Verfasst am: 02.12.2023, 00:01    Titel: Antworten mit Zitat

Noch eine Anmerkung zu meinem eigenen Geschreibsel:

Critic hat folgendes geschrieben:
Es mag ja z.B. noch angehen, wer z.B. Familien von Terroristen helfen würde, die ja aufgrund der Taten ihrer Angehörigen und der entsprechenden stehenden Politik auch ihre Häuser verlieren können etc. - auch durchaus egal, wie sie selbst über deren Taten denken.


Dazu noch ein Gedanke zu der "gesellschaftlichen Isolation der Hamas-Terroristen": Einerseits sehen viele Leute das "Märtyrertum" dieser "Aktivisten" denn auch zu positiv.

Was aber z.B. Angehörige betrifft: Andererseits gibt es aber auch "Gruppendruck-Phänomene" bzw. sind die "Aktivisten" ja überall ziemlich präsent: In solchen biographischen Notizen las ich denn auch von Fällen, in denen Angehörige zunächst geäußert hatten, sie könnten nicht verstehen oder teilweise auch, sie würden das verurteilen, was ihre Angehörigen da getan hätten. Und beim nächsten Kontakt hätten sich die Angehörigen dann teilweise "gedreht", hätten u.U. sogar "Stolz" o.ä. darüber geäußert. Wie gesagt, Psychologie (etwa diese Idee: wenn man schon jemanden verliert, dann darf das nicht sinnlos gewesen, soll es wenigstens "die Sache wert" sein), "Gruppendruck", weil im Umfeld dann doch Viele sowas erwarten/"Druck vonseiten der 'Aktivisten'"/derartige Äußerungen als Gegenleistung für finanzielle Unterstützung, ... ?)
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