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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26363
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2309997) Verfasst am: 03.04.2025, 15:48 Titel: |
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Um die Anzahl meiner Wiederholungen nicht noch weiter nach oben zu treiben:
Critic hat folgendes geschrieben: | ....
Aber auch schon gesagt: Die Anderen müssen jetzt für dieses Appeasement bluten und sollen das jetzt auch so schlucken... |
Um es mit Frau Stein zu sagen:
Die Gegenwart ist die Gegenwart ist die Gegenwart.
Wir werden alle nicht darum herumkommen, uns am Auslöffeln dieser Suppe zu beteiligen, egal wieviel wir beim Kochen geholfen haben.
Critic hat folgendes geschrieben: |
fwo hat folgendes geschrieben: | Zusammengefasst: Wir brauchen eine kriegsfähige Bundeswehr, um eine Demokratie im Frieden bleiben zu können. |
Und das kann man nur durch die Wehrpflicht erreichen? .... |
Ich habe bereits ausgeführt, warum ich eine allgemeine Wehrpflicht bei uns für dümmlich halte.
Eine Dienstpflicht, wie die Schweden sie eingeführt haben, ist in vielerlei Hinsicht zielführender.
Das würde übrigens auch die Stimmung in der Bevölkerung ganz gut treffen, die bei der Frage des
Zivil- und Wehrdienstes zu 22% für ein weiteres Aussetzen gestimmt hat, zu 27% für eine
Wiedereinführung und zu 45% für eine Wiedereinführung auch für Frauen.
Quelle Infratest Dimap
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Bravopunk Sugoi Dekai :D
Anmeldungsdatum: 08.03.2008 Beiträge: 32401
Wohnort: Woanders
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44599
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(#2310149) Verfasst am: 20.04.2025, 05:30 Titel: |
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Zitat: | Also ja, es ist eine Ungleichbehandlung. Aber es ist so: Im Grundgesetz stehen jetzt zwei Regelungen, die einander widersprechen. Einmal, dass niemand wegen seines Geschlechts unterschiedlich behandelt werden darf. Und einmal, dass es die Wehrpflicht eben nur für Männer gibt. Weil diese beiden Normen aber auf ein und derselben Rechtsebene stehen, nämlich in der Verfassung, kann die eine die andere nicht verletzen. |
Juristen sind bekanntlich besonders logisch denkende Menschen. Das hat jedenfalls Samson83 hier im Forum vor Jahren mal behauptet.
Wie es möglich ist, dass zwei "Regelungen" einander widersprechen, ohne einander zu verletzen, muss die Frau mir erstmal plausibel machen.
Zitat: | Die Wehrpflicht für Männer ist eben eine Ausnahme zum Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter. |
So geht man vielleicht als Jurist an die Frage heran. Als Logiker müsste man sagen: Die beiden Grundsätze der Gleichberechtigung und des Verbotes, Frauen zum Dienst an der Waffe zu zwingen, stehen beide im Grundgesetz. Diese beiden Grundsätze sind logisch vereinbar - nämlich indem man Männer auch nicht zum Dienst an der Waffe zwingt. Die Verfassungswidrigkeit einer Wehrpflicht für Männer folgt also logisch aus der Kombination der beiden Grundsätze. Ein Widerspruch ergibt sich nur, wenn man auf einer Wehrpflicht für Männer besteht. Das ist aber kein Widerspruch im Grundgesetz, sondern zwischen dem Grundgesetz und der eigenen politischen Agenda - ob diese nun pragmatisch zu rechtfertigen ist oder nicht.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22177
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(#2310151) Verfasst am: 20.04.2025, 09:35 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Also ja, es ist eine Ungleichbehandlung. Aber es ist so: Im Grundgesetz stehen jetzt zwei Regelungen, die einander widersprechen. Einmal, dass niemand wegen seines Geschlechts unterschiedlich behandelt werden darf. Und einmal, dass es die Wehrpflicht eben nur für Männer gibt. Weil diese beiden Normen aber auf ein und derselben Rechtsebene stehen, nämlich in der Verfassung, kann die eine die andere nicht verletzen. |
Juristen sind bekanntlich besonders logisch denkende Menschen. Das hat jedenfalls Samson83 hier im Forum vor Jahren mal behauptet.
Wie es möglich ist, dass zwei "Regelungen" einander widersprechen, ohne einander zu verletzen, muss die Frau mir erstmal plausibel machen.
Zitat: | Die Wehrpflicht für Männer ist eben eine Ausnahme zum Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter. |
So geht man vielleicht als Jurist an die Frage heran. Als Logiker müsste man sagen: Die beiden Grundsätze der Gleichberechtigung und des Verbotes, Frauen zum Dienst an der Waffe zu zwingen, stehen beide im Grundgesetz. Diese beiden Grundsätze sind logisch vereinbar - nämlich indem man Männer auch nicht zum Dienst an der Waffe zwingt. Die Verfassungswidrigkeit einer Wehrpflicht für Männer folgt also logisch aus der Kombination der beiden Grundsätze. Ein Widerspruch ergibt sich nur, wenn man auf einer Wehrpflicht für Männer besteht. Das ist aber kein Widerspruch im Grundgesetz, sondern zwischen dem Grundgesetz und der eigenen politischen Agenda - ob diese nun pragmatisch zu rechtfertigen ist oder nicht. |
Da haben Logiker und Juristen halt einen verschiedenen Sprachgebrauch. Das ist legitim.
Zum ersten: "Verletzen" würde eine Sache ein Gesetz, wenn das Gesetz diese Sache verbietet. Wenn das Gesetz nun aber diese Sache an anderer Stelle explizit erlaubt, "verletzt" die Sache das Gesetz nicht, sondern ist eben eine Ausnahme. (Anderes Beispiel: Das Verbot verfassungsfeindlicher Parteien "verletzt" auch nicht das Recht aus Meinungsfreiheit nach dem GG, denn beides steht explizit im GG.)
Zum zweiten: Zwei solche Sätze, die sich zunächst inhaltlich widersprechen, zu "vereinbaren", indem man den einen von beiden einfach inhaltlich streicht (niemanden zum Wehrdienst verpflichtet, obwohl die Wehrpflicht als Möglichkeit im GG steht), mag streng logisch korrekt sein, aber es widerspicht völlig dem normalen Sprachgebrauch. Wenn man etwas in einen solchen Text schreibt, dann tut man das, weil das auch gelten soll, und nicht mit dem Gedanken, das es aufgrund eines anderen Satzes eh nicht gilt. Das normale Verständnis ist also genau das, den zweiten Satz als gewollte Ausnahme zu behandeln.
Wenn man die Position inhaltlich nicht teilt, sollte man sie inhaltlich kritisieren, und nicht mit sprachlicher Korinthenkackerei.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Bravopunk Sugoi Dekai :D
Anmeldungsdatum: 08.03.2008 Beiträge: 32401
Wohnort: Woanders
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(#2310152) Verfasst am: 20.04.2025, 10:42 Titel: |
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Bravopunk hat folgendes geschrieben: | Expertin für Militärrecht: "Frauen sollten aus der Wehrpflicht rausgehalten werden."
Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, wenn ihr das lest, aber ich fand es zum Kotzen.
Man liest ja immer wieder mal völligen Schwachsinn, aber das hier ist auch welcher. Frauen die Hand vor den Arsch haltender, unbegründeter, rückschrittlicher und ewiggestriger Schwachsinn. Fehlt nur noch "Frauen an den Herd!" Dann wäre sie gänzlich in der Adenauerzeit angekommen. |
Ich nehme mir mal die Zeit quälend lang an meinem Handy etwas ausführlicher zu schreiben, was mich daran stört. (Gestern konnte ich da einfach nicht ins labern kommen.)
Zuallererst stört mich dieser typisch feministische Schutzreflex, dass Frauen vor derselben Unbill, der man Männer ohne weiteres aussetzt, unbedingt und ohne Argumente ("So sehe ich das nicht.", *Das ist nicht meine Sicht auf das GG.") geschirmt werden müssen, als wären sie unmündige, kleine Kinder.
Dann stört mich die sagenhafte Ungerechtigkeit und Unfähigkeit sich in Bezug auf diese in das andere Geschlecht reinzufühlen, dass eine - zumindest ausschließlich als Belastung und etwas Negatives dargestellte - Verpflichtung, die bisher nur ein Geschlecht betraf, auf keinen Fall auf das andere ausgeweitet werden darf, wegen des Verschlechterungsverbots. Für Frauen darf also alles immer nur besser, besser und nochmals besser werden, für Männer darf alles so scheiße bleiben, wie es ist, weil "steht so im GG"... als ob man das nicht ändern könnte. Das ist eben eine Regelung und ein Geschlechterbild aus der Adenauerzeit. Überholt und veraltet.
Dann dieser dümmliche Satz des Interviewers mit der "ausgleichenden Gerechtigkeit". Ausgleich wofür? Im Ernstfall bedeutet die Wehrpflicht den Kopf hinhalten zu müssen. Zu sterben. Wofür ist das ein gerechter Ausgleich? Von wegen kinderkriegen: Im Idealfall übernehmen die Lasten beim kriegen und großziehen von Kindern beide Partner zu gleichen Teilen. Das eigentliche austragen können die Männer den Frauen nicht abnehmen, klar. Aber ich kenne keinen Mann in meiner Familie, der seine Frau nicht mit aller Kraft dabei unterstützt hat. Gibt inzwischen nicht zuletzt ja auch Elternzeit für Männer. Eine Entwicklung, die Frau Professor wohl verpennt hat.
Dann noch "Einkommensbiographie". Das dümmste Wort, das ich seit langem gelesen habe. Was soll das heißen? Zunächst mal bin ich der Meinung, dass ein Jahr (zuletzt waren es sogar nur neun Monate) in keine Biographie ein so großes Loch reißt, dass man später nicht wieder stopfen könnte. Zweitens habe ich ja auch schon die Auffassung vertreten, dass man in einer Dienstpflicht auch Erfahrungen für's Leben sammeln kann, die mit den paar Kröten, die man dafür ggf liegen lässt, überhaupt nicht aufzuwiegen sind und vielleicht sogar schneller zu besser bezahlten Posten in der Arbeitswelt führen können. Die Zeit als Zivi oder Lanzer ist ja nicht völlig leer und verloren, sondern man er- und durchlebt dort ja auch Dinge, die einen weiterbringen können. In vielerlei Hinsicht.
Außerdem finde ich mit soetwa vagen wie "gender gaps" sollte man besser gar nicht argumentieren, weil die unterschiedliche Ursachen haben und sich nicht durch sowas wie eine Wehrpflicht für Männer wieder ausgleichen lassen. Durch die von ihr erwähnten Quoten schon gleich gar nicht. Denn nicht jeder Beruf ist für beide Geschlechter gleich reizvoll.
Mich macht die Frau regelrecht wütend in ihrer Unfähigkeit Ungerechtigkeit zu sehen, wenn sie nicht ihr eigenes Geschlecht betrifft. Wie hoch kann ein Tellerrand sein!?
Zu guter Letzt bin ich der Auffassung, wenn es um die Wehrpflicht geht, muss das GG grundsätzlich reformiert werden. So wie ich es auf der vorigen Seite beschrieb vielleicht. Ganz abschaffen, dafür aber eine allgemeine Dienstpflicht für alle einführen, die eben nicht nur die Verteidigung im Auge hat. (Nebenbei bemerkt sagt die "Expertin" da ja auch noch, dass für die Verteidigungsfähigkeit die Frauen nicht gebraucht werden. Gleichzeitig sagt sie aber, dass die BW unattraktiv für Frauen ist und attraktiver für sie werden muss... Aber für die Männer nicht oder wat!? Ich habe doch neulich erst gelesen, dass sich zu wenige freiwillig melden. Da kann das ja schon mal gar nicht stimmen, was sie da behauptet. In einer allgemeinen Dienstpflicht könnte man vielleicht, falls sich zu wenige für den Bund melden wollen, einige mit gewissen Boni umstimmen. Das wäre dann vielleicht eine Lösung für das Attraktivitätsproblem.) Das wäre dann auch nicht gegen das Verschlechterungsverbot, weil eben etwas völlig neues eingeführt würde und nicht einfach eine alte Ungerechtigkeit auf das andere Geschlecht übertragen.
Ich kann nur abschließend sagen, dass ich hoffe, dass nicht alle Frauen so pflichtfeindlich sind, wie Frau Groh. Sonst sind wir wirklich alle am Arsch. Denn das würde ja heißen, dass mindestens die Hälfte der Gesamtbevölkerung nichts von Solidarität und Zusammenhalt hält.
_________________ Das Begräbnis der Freiheit
Kaguya-hime
Kanashikute Yarikirenai
Ceterum censeo Russiam delendam esse!
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22177
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(#2310153) Verfasst am: 20.04.2025, 11:44 Titel: |
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Bravopunk hat folgendes geschrieben: | Außerdem finde ich mit soetwa vagen wie "gender gaps" sollte man besser gar nicht argumentieren, weil die unterschiedliche Ursachen haben und sich nicht durch sowas wie eine Wehrpflicht für Männer wieder ausgleichen lassen. |
Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt in deiner Argumentation, bei der ich halb zustimme und halb widerspreche.
Einerseits hast du recht damit, dass Gender Gaps (in Bezug auf Lohn, aber auch auf Car-Arbeit u.a.) ein ganz anderes Thema snd als Dienstpflichten und sich deshalb das eine nicht durch das andere sinnvoll ausgleichen lässt.
Andererseits gibt es natürlich Gender Gaps. Typische Frauenberufe sind - bei ähnlichem Profil in Bezug auf Ausbildung, Schwere der Arbeit u.ä. - oft immer noch schlechter bezahlt als typische Männerberufe. Frauen machen öfter Teilzeit, nehmen öfter Elternurlaub usw. als Männer. Dadurch machen Frauen in vielen Bereichen dann auch wieder schlechter Karriere. Durch all diese Dinge verdienen Frauen im Schnitt weniger und haben vor allem am Ende eine schlechtere Rente.
Diese Unterschiede in der Einkommensbiografie (ohne Anführungszeichen) zu benennen und etwas dagegen tun zu wollen, ist in gar keiner Weise dumm. (Erfreulicherweise ändern sich diese Dinge ja auch, wenn auch laaaaangsam.) Nur ist eine angebliche "ausgleichende Gerechtigkeit" auf einem völlig anderen Gebiet eben kein geeignetes Mittel.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Bravopunk Sugoi Dekai :D
Anmeldungsdatum: 08.03.2008 Beiträge: 32401
Wohnort: Woanders
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(#2310154) Verfasst am: 20.04.2025, 12:50 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Bravopunk hat folgendes geschrieben: | Außerdem finde ich mit soetwa vagen wie "gender gaps" sollte man besser gar nicht argumentieren, weil die unterschiedliche Ursachen haben und sich nicht durch sowas wie eine Wehrpflicht für Männer wieder ausgleichen lassen. |
Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt in deiner Argumentation, bei der ich halb zustimme und halb widerspreche.
Einerseits hast du recht damit, dass Gender Gaps (in Bezug auf Lohn, aber auch auf Car-Arbeit u.a.) ein ganz anderes Thema snd als Dienstpflichten und sich deshalb das eine nicht durch das andere sinnvoll ausgleichen lässt.
Andererseits gibt es natürlich Gender Gaps. Typische Frauenberufe sind - bei ähnlichem Profil in Bezug auf Ausbildung, Schwere der Arbeit u.ä. - oft immer noch schlechter bezahlt als typische Männerberufe. Frauen machen öfter Teilzeit, nehmen öfter Elternurlaub usw. als Männer. Dadurch machen Frauen in vielen Bereichen dann auch wieder schlechter Karriere. Durch all diese Dinge verdienen Frauen im Schnitt weniger und haben vor allem am Ende eine schlechtere Rente.
Diese Unterschiede in der Einkommensbiografie (ohne Anführungszeichen) zu benennen und etwas dagegen tun zu wollen, ist in gar keiner Weise dumm. (Erfreulicherweise ändern sich diese Dinge ja auch, wenn auch laaaaangsam.) Nur ist eine angebliche "ausgleichende Gerechtigkeit" auf einem völlig anderen Gebiet eben kein geeignetes Mittel. |
Ja, aber die Geschichte mit der Einkommensbiographie ist hier doch eine absolute Milchmädchenrechnung, besonders dann wenn man davon ausgeht, dass z. B. Frauen, die später in schlecht bezahlten Pflegeberufen arbeiten, bei einer allgemeinen Dienstpflicht eh den Dienst im zivilen Bereich wählen und dann, zumindest vermutlich und vorraussichtlich, in ihren Berufsalltag schon mit Vorqualifikationen und höherem Einstiegsgehalt starten können.
Man hat doch ein viel besseres Pfund in der Hand um zu argumentieren, dass man besser bezahlt werden soll, wenn man den Scheiß vorher schon als Pflichtdienst gemacht hat.
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Kaguya-hime
Kanashikute Yarikirenai
Ceterum censeo Russiam delendam esse!
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22177
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(#2310156) Verfasst am: 20.04.2025, 17:42 Titel: |
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Bravopunk hat folgendes geschrieben: | Ja, aber die Geschichte mit der Einkommensbiographie ist hier doch eine absolute Milchmädchenrechnung, besonders dann wenn man davon ausgeht, dass z. B. Frauen, die später in schlecht bezahlten Pflegeberufen arbeiten, bei einer allgemeinen Dienstpflicht eh den Dienst im zivilen Bereich wählen und dann, zumindest vermutlich und vorraussichtlich, in ihren Berufsalltag schon mit Vorqualifikationen und höherem Einstiegsgehalt starten können.
Man hat doch ein viel besseres Pfund in der Hand um zu argumentieren, dass man besser bezahlt werden soll, wenn man den Scheiß vorher schon als Pflichtdienst gemacht hat. |
Nein, es ist eigentlich keine Milchmädchenrechnung.
Denn erstens existiert die Gender Gap in der Einkommensbiographie nun mal (natürlich nur durchschnittlich gesehen, nicht bei jedem Individuum).
Zweitens wäre der von dir beschriebene Effekt, dass man uU beruflich förderliche Erfahrungen sammeln kann, ja weder auf geschlechtsstereotyp weibliche Berufe noch auf den zivilen Bereich beschränkt. Wer bei der Bundeswehr in einer Instandsetzungs- oder Fernmeldekompanie ist, könnte durch seine Erfahrungen später in entsprechenden Berufen ebensolche Vorteile haben.
Und drittens würde ein solcher Effekt ja bestenfalls die beruflichen Nachteile durch das aufgewendete Jahr abmildern bis maximal ausgleichen, aber keinen Vorteil bieten gegenüber denen, die keinen Dienst leisten. Die könnten einfach sofort in ihrem gewünschten Beruf ihre Ausbildung anfangen - und ein zusätzliches Jahr im Beruf selbst dürfte Erfahrungen in irgendwelchen Diensten allemal schlagen, jedenfalls wenn man es durch die enge Brille unmittelbar beruflich nützlicher Erfahrung betrachtet.
Aber jetzt wieder dazu, wo ich dir zustimme: Das ist eben alles immer noch kein Argument für den geschlechterspezifischen Dienst im Sinne "ausgleichender Gerechtigkeit". Denn man kann eben kein Unrecht durch ein anderes wieder gut machen, also auch keine geschlechtsspezifische Benachteiligung in einem Bereich durch eine Bevorzugung in einem ganz anderen kann. Das kann man nur durch die Nachteile ausgleichende Fördermaßnahmen im gleichen Bereich, d.h. in der Erwerbsbiografie - von Quoten bei Unterrepräsemtation über Nicht-Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten bei Beförderungen sowie Anreizen für Beteiligungen von Männern bei Care-Arbeit bis zur Anrechnung von Care-Arbeit bei Rente u.Ä.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44599
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(#2310157) Verfasst am: 20.04.2025, 18:37 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Da haben Logiker und Juristen halt einen verschiedenen Sprachgebrauch. Das ist legitim. |
Nein. Das ist kein "anderer Sprachgebrauch", sondern eine Verletzung der Grundsätze logischen Schließen. Lies meinen Beitrag nochmal aufmerksam. Du wirst feststellen, dass das von mir Geschriebene im Grunde die Form eines Syllogismus hat. Eine Zurückweisung dessen ist eine Zurückweisung logischen Denkens überhaupt. Ich bin entgegen deiner Vermutung über meine persönlichen Motive keineswegs grundsätzlich gegen eine Wehrpflicht - von mir aus auch nur für Männer. Aber die Verfassung beim Wort zu nehmen ist keine Wortklauberei. Es stimmt, dass eine Ausnahme etwas anderes ist als ein Widerspruch, aber das verschiebt das Problem nur, weil sich diese beiden Dinge eben auch nicht ausschließen - im Gegenteil, Ausnahmregelungen führt man in einem ideal rechtsstaatlichen System letztendlich überhaupt nur zum Zweck der Vermeidung von bzw. des praktischen Umgangs mit Widersprüchen ein. (Sie wissen nicht, dass sie es tun, aber sie tun es.)
Mindestens ist m. E. zu fordern, dass Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung explizit als solche gekennzeichnet werden, und zwar u. A. auch deshalb, weil das Erklären einer rechtlichen Ausnahme auch eine autoritäre und rechtsstaatlichen Grundsätze aushöhlende Herrschaftstechnik sein kann (s. z. B. Agamben 2004 - gerade bei Ausnahmen von Gleichheitsgrundsätzen ist das m. E. sogar recht offensichtlich, siehe z. B. Trumps vorgeschlagene Ausnahme vom Birthright Citizenship für die Kinder illegal im Land sich aufhaltender Personen) und daher in einer Demokratie vorgesehene Ausnahmen möglichst explizit und transparent zu machen sind. Besser wäre es allerdings, Ausnahmen nach Möglichkeit wo es geht ganz zu vermeiden, indem man Anlässe für sie vermeidet. Hier mal ein Vorschlag, der tatsächlich auch meiner persönlichen Meinung nach ideal wäre: Artikel 12a wäre am besten so umzugestalten, dass er einen verpflichtenden Sozialdienst einführt (bzw. seine Einführung erlaubt), der auf Wunsch unter anderem auch an der Waffe abgeleitet werden kann. Für Letzteres darf der Staat gerne Werbung machen und Anreize schaffen, in Krisenzeiten gerne auch aggressiv. (Sich für den Dienst an der Waffe zu entscheiden könnte z. B. Karriere- und Studienoptionen eröffnen oder schlicht besser entlohnt werden.) Auf diese Weise bekommt man die verschiedenen Verfassungsgrundsätze zusammen, man hat effektiv einen Wehrdienst für Männer ohne Zwang zur Waffe für Frauen (oder sonstwen), und vermeidet dabei sowohl den Widerspruch als auch die Ausnahme. Artikel 12a (2) leistet zwar in der Praxis bereits etwas Ähnliches, aber schon rein von der Logik her wäre es besser, die Sache umzudrehen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22177
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(#2310158) Verfasst am: 20.04.2025, 21:00 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nein. Das ist kein "anderer Sprachgebrauch", sondern eine Verletzung der Grundsätze logischen Schließen. |
Genau das, dass man sich um die Grundsätze logischen Schließens nicht immer kümmert, sondern grundsätzliche Regel und Ausnahme im spezifischen Fall ohne weiteres nebeneinander gestellt werden können, auch ohne dass man eine Formel der Art "Als Ausnahme von ... gilt, dass" einfügen muss, ist der andere Sprachgebrauch.
Dass es sich um einen bei Jurist:innen geläufigen und keineswegs unverständlichen Sprachgebrauch handelt, sieht man daran, dass meiner Vermutung nach noch keine:r Jurist:in diesem Syllogismus folgend den Schluss gezogen hat, dass Art. 12a einfach nicht gelten würde. Ohne dass ich Ahnung von juristischer Systematik hätte, würde ich annehmen, dass solche logischen Schlussfolgerungen in der Juristerei benutzt werden können, um Lücken im gleichrangigen Recht zu schließen oder niederrangigeres Recht zu beurteilen, nicht aber, um gleichrangiges, vom Gesetzgeber ja bewusst beschlossenes Recht einfach aufzuheben.
In der Alltagssprache ist das ja genauso. Wenn eine Kneipe schreibt: "An jedem Montag veranstaltet Klaus um 20 Uhr sein beliebtes Kneipenquiz. An jedem 2. Montag im Monat gibt es ab 19:30 Uhr Livemusik", wäre der logische Syllogismus, dass die Livemusik entweder nur eine halbe Stunde dauert oder Live-Musik und Quiz ab 20 Uhr gleichzeitig stattfinden. Ich würde aber wetten, dass das Publikum diesen Syllogismus nicht zieht, sondern ohne weiteres versteht, dass es das Kneipenquiz an den Tagen mit Live-Musik eben nicht stattfindet, und auch nichts daran auszusetzen hat, dass der explizite Hinweis auf diese Ausnahme fehlt.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
Zuletzt bearbeitet von tillich (epigonal) am 20.04.2025, 22:17, insgesamt einmal bearbeitet |
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Bravopunk Sugoi Dekai :D
Anmeldungsdatum: 08.03.2008 Beiträge: 32401
Wohnort: Woanders
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(#2310159) Verfasst am: 20.04.2025, 21:38 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Bravopunk hat folgendes geschrieben: | Ja, aber die Geschichte mit der Einkommensbiographie ist hier doch eine absolute Milchmädchenrechnung, besonders dann wenn man davon ausgeht, dass z. B. Frauen, die später in schlecht bezahlten Pflegeberufen arbeiten, bei einer allgemeinen Dienstpflicht eh den Dienst im zivilen Bereich wählen und dann, zumindest vermutlich und vorraussichtlich, in ihren Berufsalltag schon mit Vorqualifikationen und höherem Einstiegsgehalt starten können.
Man hat doch ein viel besseres Pfund in der Hand um zu argumentieren, dass man besser bezahlt werden soll, wenn man den Scheiß vorher schon als Pflichtdienst gemacht hat. |
Nein, es ist eigentlich keine Milchmädchenrechnung.
Denn erstens existiert die Gender Gap in der Einkommensbiographie nun mal (natürlich nur durchschnittlich gesehen, nicht bei jedem Individuum). |
Dass traditionell weibliche Berufe schlechter bezahlt werden ist natürlich ein gewisses Problem. Besonders dann, wenn sie nicht weniger, sondern sogar mehr Aufwand erfordern oder anstrengend sind. Dummerweise werden Berufe ja auch bei Männern nicht nach Anstrengung bezahlt, sonst würde so manch leitender Angestellter weniger verdienen als ein normaler Bauarbeiter. Aber da spielt halt das Problem mit rein, dass die Bezahlung sich meist danach richtet, wer mehr in der Wirtschaft erwirtschaftet oder halt in der Hierarchie weiter oben sitzt und die Gehälter bestimmen kann. Da sind insbesondere die klassischen Frauenberufe wie die in der Pflege nicht weit oben auf dem Marterpfahl.
Lösen könnte man das u. U. mit einer Sozial- oder Pflegereform, die generell solche in der Gesellschaft ja nicht minder wichtige Berufe stärker fördert und auch höhere Gehälter ermöglicht.
Was den Mehraufwand der Mütter angeht könnte man das Kindergeld erhöhen und als rentenrelevantes Einkommen anrechnen. Dann müssen aber wohl die Rentenbeiträge erhöht werden, wegen des demografischen Wandels usw.. Das mit der Dienstpflicht für alle jede Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern beseitigt wäre, hat aber auch eh niemand behauptet. Es wäre nur eine von vielen nötigen Maßnahmen, die aber auf jeden Fall die Solidarität zwischen den Menschen eines Staates erhöhen könnte, so dass auch solche anderen Maßnahmen weit weniger Widerstand hervorriefen.
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Zweitens wäre der von dir beschriebene Effekt, dass man uU beruflich förderliche Erfahrungen sammeln kann, ja weder auf geschlechtsstereotyp weibliche Berufe noch auf den zivilen Bereich beschränkt. Wer bei der Bundeswehr in einer Instandsetzungs- oder Fernmeldekompanie ist, könnte durch seine Erfahrungen später in entsprechenden Berufen ebensolche Vorteile haben. |
Ja. Das ist ja sogar schon längst der Fall und ein guter Beleg dafür, dass solche Effekte existieren und eben auch dienstpflichtige Frauen davon profitieren könnten.
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Und drittens würde ein solcher Effekt ja bestenfalls die beruflichen Nachteile durch das aufgewendete Jahr abmildern bis maximal ausgleichen, aber keinen Vorteil bieten gegenüber denen, die keinen Dienst leisten. Die könnten einfach sofort in ihrem gewünschten Beruf ihre Ausbildung anfangen - und ein zusätzliches Jahr im Beruf selbst dürfte Erfahrungen in irgendwelchen Diensten allemal schlagen, jedenfalls wenn man es durch die enge Brille unmittelbar beruflich nützlicher Erfahrung betrachtet. |
(fett von mir)
Wenn alle dienstpflichtig sind gäbe es das gar nicht mehr. Und wenn doch könnte man auch dann die Pflichtzeit auf die Rente anrechnen oder gar einen Sonderbetrag festsetzen, den nur Dienstleistende bekommen. Das wäre dann auch ein kleines Schmankerl für jene, die sich noch überlegen, ob sie Drückeberger werden wollen oder nicht, den Dienst doch zu leisten.
_________________ Das Begräbnis der Freiheit
Kaguya-hime
Kanashikute Yarikirenai
Ceterum censeo Russiam delendam esse!
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44599
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(#2310160) Verfasst am: 21.04.2025, 00:48 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Dass es sich um einen bei Jurist:innen geläufigen und keineswegs unverständlichen Sprachgebrauch handelt, sieht man daran, dass meiner Vermutung nach noch keine:r Jurist:in diesem Syllogismus folgend den Schluss gezogen hat, dass Art. 12a einfach nicht gelten würde. |
Mit Verlaub: Quatsch mit Soße. Du hast missverstanden, warum man an dieser Stelle überhaupt die Logik bemüht. Nochmal zur Erinnerung: Die Behauptung, dass es sich bei den beiden Regelungen im Grundgesetz (dem Gleichheitsgrundsatz einerseits und den unterschiedlichen Bestimmungen zur Wehrpflicht andererseits) um einen Widerspruch handle, stammt initial gar nicht von mir, sondern von Katrin Groh selbst. Und damit war von ihr auch klar erkennbar der logische Begriff von Widersprüchlichkeit gemeint und nicht der Rechtsbegriff von Widerspruch (der nämlich etwas wirklich völlig anderes bedeutet). Schon deshalb kannst du dich hier nicht auf den von dir vermuteten Sprachgebrauch der Rechtswissenschaften berufen: weil Frau Groh selbst in ihrer Aussage erkennbar gar nicht den Sprachgebrauch der Rechtswissenschaften, sondern den der Logik verwendet hat. Ich muss im Kontext dieser Diskussion eigentlich noch nicht mal zeigen, dass tatsächlich ein Widerspruch vorliegt, sondern kann diese Behauptung einfach von Frau Groh übernehmen. Natürlich geht es in meinen Beiträgen nicht darum, zu zeigen, dass Artikel 12a nicht rechtsgültig sein könne. Überhaupt geht es in meinem initialen Beitrag viel weniger um die Geltung des Rechts als um das, was Katrin Groh über das Recht und insbesondere über seine Widersprüchlichkeit sagt. (Wobei ich zugebe, dass das vielleicht sehr leicht misszuverstehen war.)
Bezeichnend finde ich, dass du auf den Rest meines Beitrags gar nicht erst eingehst. Zum Beispiel hierauf:
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Es stimmt, dass eine Ausnahme etwas anderes ist als ein Widerspruch, aber das verschiebt das Problem nur, weil sich diese beiden Dinge eben auch nicht ausschließen - im Gegenteil, Ausnahmregelungen führt man in einem ideal rechtsstaatlichen System letztendlich überhaupt nur zum Zweck der Vermeidung von bzw. des praktischen Umgangs mit Widersprüchen ein. |
Ich kann mir das nicht anders erklären, als dass du schlicht nicht verstehst, worauf ich damit und mit dem ganzen Rest meines Beitrags hinauswill. Nur heißt das eben, dass du die Pointe meines ersten Satzes auch nicht verstehst.
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | In der Alltagssprache ist das ja genauso. Wenn eine Kneipe schreibt: "An jedem Montag veranstaltet Klaus um 20 Uhr sein beliebtes Kneipenquiz. An jedem 2. Montag im Monat gibt es ab 19:30 Uhr Livemusik", wäre der logische Syllogismus, dass die Livemusik entweder nur eine halbe Stunde dauert oder Live-Musik und Quiz ab 20 Uhr gleichzeitig stattfinden. Ich würde aber wetten, dass das Publikum diesen Syllogismus nicht zieht, sondern ohne weiteres versteht, dass es das Kneipenquiz an den Tagen mit Live-Musik eben nicht stattfindet, und auch nichts daran auszusetzen hat, dass der explizite Hinweis auf diese Ausnahme fehlt. |
Was für ein wahrhaft aus dem Leben gegriffenes und überhaupt nicht konstruiert wirkendes Beispiel! Da hättest du mir erstmal zu zeigen, dass es "in der Alltagssprache" überhaupt eine Kneipe gibt, die das derart verquast und missverständlich formuliert. Also gut, spiele ich bei dieser Albernheit erstmal mit. Möglicherweise war das anfangs ein Versehen und die Stammgäste haben sich eben mit der Zeit daran gewöhnt, weil sie die tatsächliche Praxis kennen. Der erste Unterschied zum Recht wäre dann, dass das Kneipenschild diese Praxis nur darstellen, das Recht seine Anwendungspraxis hingegen normativ festlegen soll. Davon abgesehen bekommt aber natürlich auch mit dem Kneipenanschlag jeder ein Verständnisproblem, der die Praxis nicht bereits kennt. Du selbst bietest ja drei verschiedene Lesarten an, von denen ich übrigens die beiden von dir zurückgewiesen bei dieser Formulierung für die intuitiveren halte, und zwar keineswegs nur aus logischer, sondern auch aus sprachpragmatischer Hinsicht. Gerade eine solche Vieldeutigkeit darf aber das Recht in einem Rechtsstaat eben nicht erzeugen, u. A. weil das autoritärer Willkür Tür und Tor öffnet (beziehungsweise überhaupt weil das Recht seine Anwendungspraxis nicht nur darstellen, sondern normativ festlegen soll). Und schließlich belegt dein Beispiel gerade meinen Punkt und widerlegt ihn nicht. Denn die Ausnahme führst du hier ja gerade deshalb in die Situation ein (bzw. das ganze Beispiel funktioniert nur dadurch), weil es sich bei den beiden Angaben in der von dir favorisierten Lesart um einen Widerspruch handelt (bzw. die eine Angabe schlicht sachlich inkorrekt ist) und du genau weißt, dass das so ist.
Und schließlich kann ein Kneipenwirt sein kleines Privatunternehmen in unserer Gesellschaft natürlich (jedenfalls im Rahmen der Gesetze) so autoritär führen wie er will, aber ich hoffe doch sehr, dass du nicht zu denen gehörst, die den Staat wie ein Unternehmen geführt sehen wollen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22177
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(#2310171) Verfasst am: 21.04.2025, 14:43 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Du hast missverstanden, warum man an dieser Stelle überhaupt die Logik bemüht. Nochmal zur Erinnerung: Die Behauptung, dass es sich bei den beiden Regelungen im Grundgesetz (dem Gleichheitsgrundsatz einerseits und den unterschiedlichen Bestimmungen zur Wehrpflicht andererseits) um einen Widerspruch handle, stammt initial gar nicht von mir, sondern von Katrin Groh selbst. Und damit war von ihr auch klar erkennbar der logische Begriff von Widersprüchlichkeit gemeint und nicht der Rechtsbegriff von Widerspruch (der nämlich etwas wirklich völlig anderes bedeutet). Schon deshalb kannst du dich hier nicht auf den von dir vermuteten Sprachgebrauch der Rechtswissenschaften berufen: weil Frau Groh selbst in ihrer Aussage erkennbar gar nicht den Sprachgebrauch der Rechtswissenschaften, sondern den der Logik verwendet hat. |
Naja. Sie hat den Sprachgebrauch der Logik zwar selbst hier eingeführt (mutmaßlich, weil mit diesem Argument oft ein Gegenargument zu ihrer Position gebracht wird) - aber nur, um ihn sofort zurückzuweisen, weil juristisch eben zuerst der explizite Gesetzestext kommt (sofern gleichrangig) und erst danach die logische Schlussfolgerung. Sie führt die Logik also gerade nicht als gültiges Argument ein: Ja, logisch ist das ein Widerspruch, ist aber egal, weil steht halt beides im Grundgesetz.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Natürlich geht es in meinen Beiträgen nicht darum, zu zeigen, dass Artikel 12a nicht rechtsgültig sein könne. Überhaupt geht es in meinem initialen Beitrag viel weniger um die Geltung des Rechts als um das, was Katrin Groh über das Recht und insbesondere über seine Widersprüchlichkeit sagt.
(Wobei ich zugebe, dass das vielleicht sehr leicht misszuverstehen war.) |
Äh ... wenn es nicht darum gehen, "zu zeigen, dass Artikel 12a nicht rechtsgültig sein könne", ist diese Aussage in der Tat sehr missverständlich:
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Als Logiker müsste man sagen: Die beiden Grundsätze der Gleichberechtigung und des Verbotes, Frauen zum Dienst an der Waffe zu zwingen, stehen beide im Grundgesetz. Diese beiden Grundsätze sind logisch vereinbar - nämlich indem man Männer auch nicht zum Dienst an der Waffe zwingt. Die Verfassungswidrigkeit einer Wehrpflicht für Männer folgt also logisch aus der Kombination der beiden Grundsätze. |
Unter der Voraussetzung, dass Logik bei der Interpretation des Gesetzestextes gelten soll, zeigt sie nämlich genau das. Sofern man unter "rechtsgültig" nicht nur versteht "darf da stehen", sondern auch "darf angewendet werden".
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Ein Widerspruch ergibt sich nur, wenn man auf einer Wehrpflicht für Männer besteht. Das ist aber kein Widerspruch im Grundgesetz, sondern zwischen dem Grundgesetz und der eigenen politischen Agenda - ob diese nun pragmatisch zu rechtfertigen ist oder nicht. |
Die Wehrpflicht für Männer steht aber nun mal (als Möglihckeit) im GG - also wie kann das kein Widerspruch im GG sein? Es sei denn, man würde zwischen einer Möglichkeit der Wehrpflicht für Männer und der Realisierung dieser Möglichkeit unterscheiden, und nur letzteres stehe im Widerspruch zum Gebot der Gleichbehandlung, ersteres aber nicht. Das erschiene mir aber vollkommen unsinnig.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Ich kann mir das nicht anders erklären, als dass du schlicht nicht verstehst, worauf ich damit und mit dem ganzen Rest meines Beitrags hinauswill. Nur heißt das eben, dass du die Pointe meines ersten Satzes auch nicht verstehst. |
Das ist tatsächlich so. Ich verstehe wirklich nicht, worauf du hinauswillst.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Der erste Unterschied zum Recht wäre dann, dass das Kneipenschild diese Praxis nur darstellen, das Recht seine Anwendungspraxis hingegen normativ festlegen soll. |
Ja, klar. Ich habe ja explizit gesagt, dass ich von der juristischen Sprache in die Alltagssprache gewechselt bin, um zu zeigen, dass Logik nicht nur in der juristischen Sprache schon mal zurückstehen muss, sondern auch in anderen Bereichen. Dass die Funktion von Sprache sich mit diesem Wechsel verändert, ist klar.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Davon abgesehen bekommt aber natürlich auch mit dem Kneipenanschlag jeder ein Verständnisproblem, der die Praxis nicht bereits kennt. Du selbst bietest ja drei verschiedene Lesarten an, von denen ich übrigens die beiden von dir zurückgewiesen bei dieser Formulierung für die intuitiveren halte, und zwar keineswegs nur aus logischer, sondern auch aus sprachpragmatischer Hinsicht. |
Nun, ich glaube nicht, dass es dieses Verständnisproblem gäbe. Ich halte nämlich auch einfach das Verständnis in der Alltagssprache für intuitiver, das praktisch sinnvoll funktioniert. Kneipenquiz und Livemusik gleichzeitig oder eine nur halbstündige Livemusik sind praktisch nicht sinnvoll. Behaupte ich einfach mal so.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Gerade eine solche Vieldeutigkeit darf aber das Recht in einem Rechtsstaat eben nicht erzeugen, u. A. weil das autoritärer Willkür Tür und Tor öffnet (beziehungsweise überhaupt weil das Recht seine Anwendungspraxis nicht nur darstellen, sondern normativ festlegen soll). |
Diese Vieldeutigkeit erzeugt das Recht aber doch ganz offenkundig auch gar nicht tatsächlich. Es hat doch offenbar niemand ein Verständnisproblem damit, dass allgemein Gleichbehandlung gilt, bei der Wehrpflicht aber nicht.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Und schließlich belegt dein Beispiel gerade meinen Punkt und widerlegt ihn nicht. Denn die Ausnahme führst du hier ja gerade deshalb in die Situation ein (bzw. das ganze Beispiel funktioniert nur dadurch), weil es sich bei den beiden Angaben in der von dir favorisierten Lesart um einen Widerspruch handelt (bzw. die eine Angabe schlicht sachlich inkorrekt ist) und du genau weißt, dass das so ist. |
Ja natürlich handelt es sich um einen logischen Widerspruch. Genauso wie zwischen Gleichbehandlung und Wehrpflicht nur für Männer. Mein Punkt ist, dass dieser logische Widerspruch für das Verständnis und seine Gültigkeit egal ist, weil es mit den jeweiligen Regelungen trotzdem kein Verständnisproblem gibt.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Und schließlich kann ein Kneipenwirt sein kleines Privatunternehmen in unserer Gesellschaft natürlich (jedenfalls im Rahmen der Gesetze) so autoritär führen wie er will, aber ich hoffe doch sehr, dass du nicht zu denen gehörst, die den Staat wie ein Unternehmen geführt sehen wollen. |
Natürlich sind staatliche Regelungen autoritär im Sinne von: "Hat der Staat so festgelegt, muss man sich dran halten." Sie sollen aber natürlich gleichzeitig nicht autoritär sein in dem Sinne, dass sich die Gesellschaft in Form des demokratischen Staates diese Regeln selbst gegeben hat. Letzteres wünsche ich mir eigentlich auch für Unternehmen: Ich hätte es gern, dass Unternehmen wie ein demokratischer Staat geführt werden. Außerdem sollen die Punkte natürlich übergeordneten Grundsätzen nicht widersprechen, statt einfach zu sagen "ist halt so".
Möglicherweise hört sich meine (Darstellung der) Argumentation (Grohs) sehr nach einem solchen "ist halt so" an. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir Grohs Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bei der Wehrpflicht bisher vernachlässigt haben. Das macht sie ja, indem sie diese als "ausgleichende Gerechtigkeit" gegenüber bestehenden Nachteilen von Frauen darstellt im Sinne einer "Beseitigung bestehender Nachteile". Dass ich das nicht für plausibel halte, weil "Beseitigung bestehender Nachteile" (wie es im GG steht) und "ausgleichende Gerechtigkeit für bestehende Nachteile" (wie Groh argumentiert) m.E. nicht dasselbe sind, habe ich ja in meinen Antworten an Bravopunk schon dargestellt. Aber zumindest beruft sich Groh auch auf einen übergeordneten Grundsatz und nicht einfach auf "ist halt so".
Wenn du jetzt in ähnlichem Sinne Groh widersprechen würdest und deswegen sagen würdest, dass Art. 12a(1) abgeschafft oder geschlechtsneutral formuliert werden sollte, weil er einem richtigen Verständnis von Art. 3(2) widerspreche, könnte ich das nachvollziehen. Aber merkwürdigerweise sagst du ja, dass es diesen Widerspruch im GG nicht gebe.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44599
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(#2310173) Verfasst am: 21.04.2025, 16:47 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Wenn du jetzt in ähnlichem Sinne Groh widersprechen würdest und deswegen sagen würdest, dass Art. 12a(1) abgeschafft oder geschlechtsneutral formuliert werden sollte, weil er einem richtigen Verständnis von Art. 3(2) widerspreche, könnte ich das nachvollziehen. Aber merkwürdigerweise sagst du ja, dass es diesen Widerspruch im GG nicht gebe. |
Na ja, nicht ganz. Eigentlich hatte ich den Widerspruch nur anders verortet als sie, nämlich zwischen 3 (2) und 12a (1) statt zwischen 3 (2) und 12a (4). Tatsächlich handelt es sich aber wohl um so eine Art "Tripel": Erst die drei zusammengenommen ergeben den Widerspruch.
Ich versteh jetzt aber glaube ich, wo dein Problem mit meinen Beiträgen liegt. Ich hoffe, das Wesentliche ist damit geklärt.
Zum Problem der Ausnahme mache ich glaube ich beizeiten mal eigenen Thread auf. Aber nicht vor Ende meines Urlaubs.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22177
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(#2310176) Verfasst am: 21.04.2025, 20:47 Titel: |
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Ah, ich hatte immer den wesentlichen Widerspruch zur Gleichbehandlung bei 12(1) gesehen.
Der Widerspruch zu 12(4) existierte nur bis 2000 - bis dahin stand dort nämlich noch, dass Frauen überhaupt keinen Dienst mit der Waffe leisten dürfen, auch nicht freiwillig (und darauf bezog sich Groh mE).
Ja, ich denke, das Missverständnis ist geklärt.
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44599
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(#2310180) Verfasst am: 21.04.2025, 22:36 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ja, ich denke, das Missverständnis ist geklärt. |
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