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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#288007) Verfasst am: 22.04.2005, 11:42 Titel: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hallo zusammen,
ich habe mal eine Frage speziell an die Bio-Wissenschaftler im FGH (Lamarck et al.), weil folgendes Argument so oder so ähnlich immer wieder als Einwand gegen Evolution vorgebracht wird:
Konvergenz der Gehörknöchelchen der Säugetiere
Reinhard Junker hat folgendes geschrieben: | Ein neuer Fossilfund eines Kloakentiers (Untergruppe der Säugetiere) zeigt deutliche Hinweise darauf, dass die säugertypischen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel bei diesem Säuger nicht ausgebildet waren. Daraus muss gefolgert werden, dass diese Konfiguration, die als eines der wichtigsten Schlüsselmerkmale der Säugetiere betrachtet wird, mindestens zweimal unabhängig (konvergent) entstanden ist [...]
Bisher war man der Auffassung, dass die Auswanderung der Gehörknöchelchen aus dem Kiefergelenk vor der Aufspaltung der Kloaken-, Beutel- und Säugetiere erfolgte. Die Mittelohrknochen Hammer, Amboss und Steigbügel verlieren damit nach Rich et al. (2005) ihre Bedeutung als charakteristisches Kennzeichen der Säugetiere. Konvergenz eines Schlüsselmerkmals: das ist ein Vorgang, den Biologen bisher höchstwahrscheinlich ausgeschlossen hätten. Ist eine solche Situation evolutionstheoretisch noch plausibel deutbar?
Die Konvergenz der Gehörknöchelchen demonstriert beispielhaft die Problematik des evolutionären Homologie-Arguments. Wenn selbst einzigartige Schlüsselmerkmale mehrfach unabhängig entstehen können, ist das Homologie-Argument am Ende. Denn offenbar kann aufgrund von Bauplanähnlichkeiten nicht auf gemeinsame Abstammung geschlossen werden. Daher gibt es auch keinen Homologiebeweis der Evolution (vgl.Ähnlichkeiten in der Morphologie und Anatomie; für eine ausführliche Diskussion dieses Sachverhalts siehe Junker 2002, 28-45). Ein verschachteltes, hierachisches System von Schlüsselmerkmalen (das enkaptische System) wurde häufig als einer der stärksten Belege für Makroevolution genannt. Dieser Beleg wird mit zunehmender Kenntnis der Formenvielfalt in Frage gestellt. |
Nun ist es natürlich so, daß der Homologie-Beleg (wie überhaupt alle Belege in den Naturwissenschaften) immer erst im Lichte der Theorie resultieren, d.h. es gibt generell keine "theorieunabhängigen Beweise", so daß Junkers Einwand prinzipiell an der wissenschaftstheoretischen Realität vorbeigeht.
Aber was ist von dem Argument eigentlich aus Sicht der Biologie zu halten? Ist Junkers Schlußfolgerung, wonach der neue Fosslien-Fund eine grundsätzliche Neuorientierung in der Kladistik verlangt, eigentlich schlüssig oder gar zwingend? Ist es tatsächlich so, daß angesichts eines solchen Befundes die Gehörknöchelchen nicht mehr als Homologien, sondern als Konvergenzen angesehen werden müssen, und wie "plausibel" wäre die konvergente Entstehung bei einem derart komplexen Merkmal überhaupt? Hat Junker recht, wenn er meint, daß das Ähnlichkeitsargument damit prinzipiell am Ende sei?
Klar, das ist natürlich übertrieben. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß die enkaptische Hierarchie der Organismen-Gruppen durch zahlreiche "Inkongruenzen" (Konvergenzen) gestört wird. Läßt sich in diesem "Rauschen" überhaupt noch ein klares "phylogenetisches Signal" entdecken? Und wird das "Rauschen" geringer oder größer, wenn man die Anzahl der Merkmale zur kladistischen Betrachtung erhöht?...
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#288162) Verfasst am: 22.04.2005, 19:18 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hi Martin,
ich hatte den News-Letter von genesisnet.info auch schon gelesen.
Neben den eigentlichen Artikel
Rich, T. H.; Hopson, J. A.; Musser, A. M.; Flannery, T. F. & Vickers-Rich P. (2005): Independent Origins of Middle Ear Bones in Monotremes and Therians. Science 307: 910-914.
beruft sich Reinhard Junker noch auf diesen Kommentar in der gleichen Zeitschrift, wenngleich wohl mit einer ganz leicht abweichenden Intention. Und wie im Artikel zu sehen ist: Thomas Martin ist übrigens Senckenberger - Frankfurt rulez! Aber schau Dir den frei zugänglichen Artikel selbst an - hier ist der Link:
Martin, T. & Luo Z.-X. (2005): Homoplasy in the Mammalian Ear. Science 307: 861-862.
Sehr interessant!
Und zu den Ansichten von Junker: Die Annahme von spezifischen "einzigartigen Schlüsselmerkmalen" ist eben eine (spezifische) Theorie, die eben als solche falsifizierbar ist. Die Kladistik selbst ist hierzu autonom, sie kann - wie Thomas so schön gesagt hat - gegebenenfalls dazu benutzt werden, auch Nägel und Schrauben zu ordnen. Nur aus diesem Grund ist mit Kladistik auch was anzufangen. Junker spricht aber von der "Problematik des evolutionären Homologie-Arguments" - auch das ist nicht gerade neu. Und Junker hat hier gewiß noch lange nichts herausgefunden, was nicht schon Gutmann wesentlich besser dargelegt hat. Aber um es mal auf eine einfache Formel zu bringen: im Einzelfall sind Homologien nicht so besonders aussagekräftig - die große Masse machts! Und was haben denn Rich et al. anderes benutzt, als eben das Homologie-Argument?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
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(#288225) Verfasst am: 22.04.2005, 23:04 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Leider benötigt man dort einen Usernamen und ein Passwort.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#288307) Verfasst am: 23.04.2005, 11:28 Titel: |
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Hi,
ups! Aber so geht's: Zunächst auf Martins Literaturliste der Instituts-Homepage surfen:
http://www.senckenberg.de/root/index.php?page_id=1883
Dann unter dem Index #39 'Full Text' anklicken - fertig!
Cheers,
Lamarck
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#288388) Verfasst am: 23.04.2005, 17:19 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Rich, T. H.; Hopson, J. A.; Musser, A. M.; Flannery, T. F. & Vickers-Rich P. (2005): Independent Origins of Middle Ear Bones in Monotremes and Therians. Science 307: 910-914.
beruft sich Reinhard Junker noch auf diesen Kommentar in der gleichen Zeitschrift, wenngleich wohl mit einer ganz leicht abweichenden Intention. Und wie im Artikel zu sehen ist: Thomas Martin ist übrigens Senckenberger - Frankfurt rulez! |
Nanana! Wenn's nach denen ginge, gäbe es gar keine Homologien!
Wenn ich das richtig sehe, ist deren Fundamentalkritik gerade der Grund, weshalb Junker und Scherer schwerpunktmäßig "Gutmannianer" zitieren. Offenbar merken letztere gar nicht, daß sie sich nur selbst alle Evolutionsbelege aus der Hand schlagen...
Danke für den Hinweise - muß den Artikel gleich mal durchlesen...
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und zu den Ansichten von Junker: Die Annahme von spezifischen "einzigartigen Schlüsselmerkmalen" ist eben eine (spezifische) Theorie, die eben als solche falsifizierbar ist. Die Kladistik selbst ist hierzu autonom, sie kann - wie Thomas so schön gesagt hat - gegebenenfalls dazu benutzt werden, auch Nägel und Schrauben zu ordnen. |
Nicht unbedingt. Das würde doch nur dann funktionieren, wenn sich die Schrauben und Nägel in ineinandergeschachtelte Äquivalenzklassen einteilen ließen. Mit anderen Worten, wenn die zu klassifizierenden Dinge eine abgestufte Ähnlichkeit aufweisen würden. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: in der Kladistik wird die enkaptische Hierarchie durch zahlreiche Inkongruenzen gestört!
Meine Frage war daher, welches Ausmaß die Konvergenzen tatsächlich annehmen bzw. inwieweit das "phylogenetische Signal" wirklich im "Rauschen" der Konvergenzen untergeht. Was ist hier Deine Einschätzung? Hilft es, wenn man im kritischen Fall einfach die Anzahl der Merkmale erhöht, um das Problem abzumildern?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Nur aus diesem Grund ist mit Kladistik auch was anzufangen. Junker spricht aber von der "Problematik des evolutionären Homologie-Arguments" - auch das ist nicht gerade neu. |
Stimmt. IIRC wird vor allen Dingen der Vorwurf des Zirkelschlusses und das Hand-in-Hand-Gehen von Theorie und Kladistik immer wieder von den "pattern cladists" hervorgehoben. Damit scheinen sie die philosophischen Grundlagen der Wissenschaft nicht so ganz verstanden zu haben. Hier übrigens eine interessanter Beitrag zu dem Thema:
http://members.dodo.com.au/~wilkinsjandp/papers/nullhyp.html
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#288433) Verfasst am: 23.04.2005, 20:00 Titel: |
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BTW, wie wahrscheinlich ist es eigentlich, daß die betreffenden Merkmale bei dem Säugerfossil einfach nur reduziert worden sind??? Dann bräuchte man die Gehörknöchelchen nicht als homologes Schlüsselmerkmal der Säugetiere zu streichen!
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pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
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(#288536) Verfasst am: 24.04.2005, 08:24 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Aber so geht's |
Hat geklappt! Vielen Dank!
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Kunigunde Seltsam
Anmeldungsdatum: 10.08.2003 Beiträge: 655
Wohnort: zu Hause
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(#289114) Verfasst am: 25.04.2005, 19:28 Titel: |
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Sorry, auch wenn ihr mich als blöd bezeichnet, einige Fragen:
Wie eindeutig war das Fossil den Säugern zuzuordnen trotz des Fehlens der Gehörknöchelchen?
Welche anderen Merkmale wies es auf? Aus welcher Zeit stammt es? War das Skelett vollständig oder wurde nur ein Schädel gefunden? ...
Weil:
Es könnte die Möglichkeit bestehen, dass das Tier ein Nachfahre säugerähnlicher "Reptilien" war und eine Reihe Konvergenzen aufwies, die man dan Säugern zuschrieb?
Reptilen habe ich deswegen in "" geschrieben, weil diese Bezeichnung vielleicht nicht zutreffen könnte. Man muss je auch mit bedenken, daß es Tiergruppen gab, von denen wir bislang nichts wissen, mangels Fossilnachweise.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#289569) Verfasst am: 27.04.2005, 01:14 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Rich, T. H.; Hopson, J. A.; Musser, A. M.; Flannery, T. F. & Vickers-Rich P. (2005): Independent Origins of Middle Ear Bones in Monotremes and Therians. Science 307: 910-914.
beruft sich Reinhard Junker noch auf diesen Kommentar in der gleichen Zeitschrift, wenngleich wohl mit einer ganz leicht abweichenden Intention. Und wie im Artikel zu sehen ist: Thomas Martin ist übrigens Senckenberger - Frankfurt rulez! |
Nanana! Wenn's nach denen ginge, gäbe es gar keine Homologien!
Wenn ich das richtig sehe, ist deren Fundamentalkritik gerade der Grund, weshalb Junker und Scherer schwerpunktmäßig "Gutmannianer" zitieren. Offenbar merken letztere gar nicht, daß sie sich nur selbst alle Evolutionsbelege aus der Hand schlagen... |
Zunächst zur Klarstellung: Ich kenne Thomas Martin zwar nicht näher, aber ich denke, er ist nicht unbedingt "Gutmannianer". Und richtig: Gutmann hat Homologien als untaugliches Konzept betrachtet - aber er hatte Ersatz. Und schließlich rede ich selbst ja auch von Homologien - auch wenn dies genau betrachtet ein schwieriges Feld ist. Und wenn Junker, Scherer und Co. Gutmann erwähnen, dann doch nur in missbräuchlicher Weise (Kritik an herrschenden Ansichten zur ET werden umgemünzt als Indiz für Generalkritik (Und wenn Gutmann für Junker/Scherer mehr übrig gehabt hätte als Mitleid, hätte er sie locker an die Wand genagelt)). Schließlich ist der "Gutmannianer" als solcher alles andere als ein Antievolutionist. Und warum sollte berechtigte Kritik zugunsten dilettierender Meinungen zurückstehen?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und zu den Ansichten von Junker: Die Annahme von spezifischen "einzigartigen Schlüsselmerkmalen" ist eben eine (spezifische) Theorie, die eben als solche falsifizierbar ist. Die Kladistik selbst ist hierzu autonom, sie kann - wie Thomas so schön gesagt hat - gegebenenfalls dazu benutzt werden, auch Nägel und Schrauben zu ordnen. |
Nicht unbedingt. Das würde doch nur dann funktionieren, wenn sich die Schrauben und Nägel in ineinandergeschachtelte Äquivalenzklassen einteilen ließen. Mit anderen Worten, wenn die zu klassifizierenden Dinge eine abgestufte Ähnlichkeit aufweisen würden. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: in der Kladistik wird die enkaptische Hierarchie durch zahlreiche Inkongruenzen gestört!
Meine Frage war daher, welches Ausmaß die Konvergenzen tatsächlich annehmen bzw. inwieweit das "phylogenetische Signal" wirklich im "Rauschen" der Konvergenzen untergeht. Was ist hier Deine Einschätzung? Hilft es, wenn man im kritischen Fall einfach die Anzahl der Merkmale erhöht, um das Problem abzumildern? |
Schrauben und Nägel lassen sich doch (an)ordnen - schau halt mal in einem Baumarkt, welche Strategie hier Anwendung findet, um ein sich Zurechtfinden zu ermöglichen. Und mit dem Homologiekonzept ist es wie in der Mathematik - Du musst schon wissen, was Du tust (Ich denke hier insbesondere an gewisse Rechenkünstler der Wahrscheinlichkeiten ).
Der Begriff der Äquivalenzklassen gefällt mir hier nicht und auch Ähnlichkeiten gehen im Prinzip stufenlos ineinander über (Du erinnerst Dich noch an unseren Homologie- & Kladistik-Diskussionen an diversen Stellen?).
Und allgemein: Je mehr Daten Du hast, desto aussagekräftiger Deine Ergebnisse. Aber die Schwierigkeiten wachsen mit der Zunahme der Daten hier exponentiell!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Nur aus diesem Grund ist mit Kladistik auch was anzufangen. Junker spricht aber von der "Problematik des evolutionären Homologie-Arguments" - auch das ist nicht gerade neu. |
Stimmt. IIRC wird vor allen Dingen der Vorwurf des Zirkelschlusses und das Hand-in-Hand-Gehen von Theorie und Kladistik immer wieder von den "pattern cladists" hervorgehoben. Damit scheinen sie die philosophischen Grundlagen der Wissenschaft nicht so ganz verstanden zu haben. Hier übrigens eine interessanter Beitrag zu dem Thema:
http://members.dodo.com.au/~wilkinsjandp/papers/nullhyp.html |
Ich will hier mal nicht ganz so genau sein - Also: Yep!
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#289609) Verfasst am: 27.04.2005, 12:37 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Rich, T. H.; Hopson, J. A.; Musser, A. M.; Flannery, T. F. & Vickers-Rich P. (2005): Independent Origins of Middle Ear Bones in Monotremes and Therians. Science 307: 910-914.
beruft sich Reinhard Junker noch auf diesen Kommentar in der gleichen Zeitschrift, wenngleich wohl mit einer ganz leicht abweichenden Intention. Und wie im Artikel zu sehen ist: Thomas Martin ist übrigens Senckenberger - Frankfurt rulez! |
Nanana! Wenn's nach denen ginge, gäbe es gar keine Homologien!
Wenn ich das richtig sehe, ist deren Fundamentalkritik gerade der Grund, weshalb Junker und Scherer schwerpunktmäßig "Gutmannianer" zitieren. Offenbar merken letztere gar nicht, daß sie sich nur selbst alle Evolutionsbelege aus der Hand schlagen... |
Zunächst zur Klarstellung: Ich kenne Thomas Martin zwar nicht näher, aber ich denke, er ist nicht unbedingt "Gutmannianer". Und richtig: Gutmann hat Homologien als untaugliches Konzept betrachtet - aber er hatte Ersatz. Und schließlich rede ich selbst ja auch von Homologien - auch wenn dies genau betrachtet ein schwieriges Feld ist. Und wenn Junker, Scherer und Co. Gutmann erwähnen, dann doch nur in missbräuchlicher Weise (Kritik an herrschenden Ansichten zur ET werden umgemünzt als Indiz für Generalkritik (Und wenn Gutmann für Junker/Scherer mehr übrig gehabt hätte als Mitleid, hätte er sie locker an die Wand genagelt)). |
Au weia, da hab' ich jemanden tödlich beleidigt! Mir ist schon klar, daß Gutmann et al. hier mißbräuchlich zitiert werden, weil sie eben eine besonders "kritische" Evolutionstheorie vertreten. Mir ist auch klar, daß viele Menschen aus der "Gutmann-Ecke" das, was Gutmann vertrat, weniger apodiktisch sehen. Daher meine Anwürfe bitte nicht gleich persönlich nehmen - war nur eine polemische Provokation, um Dich aus der Reserve zu locken...
Aber wie in jedem Spaß, so schwingt auch hier ein Körnchen Wahrheit mit. Ich denke z.B. an das, was Mahner hierzu geschrieben hat:
Mahner hat folgendes geschrieben: | ((5)) Mit der Zurückweisung von Morphologie, Systematik und so gut wie allem, was die Evolutionsbiologie seither an Wissen hervorgebracht hat, stellt sich ferner die Frage, weshalb die Frankfurter Theorie überhaupt von einem Evolutionsgeschehen ausgeht. Alle herkömmlichen biologischen Evidenzen für Evolution sind ja offenbar inkommensurabel mit der Frankfurter Theorie. Selbst Fossilien können nicht genannt werden, da sie abgesehen von ihrer zeitlichen Abfolge nicht in eine morphologische Abfolge gebracht werden können, die einer evolutionären Erklärung bedürftig ist, denn dies würde ja die geschmähte traditionelle, d.h. angeblich subjektive, Beschreibung und Klassifikation von Organismen voraussetzen. Weshalb wird also überhaupt davon ausgegangen, daß eine Evolution durch Transformation und Aufspaltung "hydraulischer Energiewandler" stattfindet bzw. stattgefunden hat? Warum wird dieses Stück traditionelles biologisches Wissen nicht auch gleich in Frage gestellt? Die bloße "Darstellung konstruktiv möglicher Abwandlungsfolgen" sagt nichts darüber aus, warum diesen Konstrukten reale Abwandlungen entsprechen sollten. Schließlich kann man rein theoretisch und wahrscheinlich auch hydraulischgesetzmäßig jederzeit einen Frosch in einen Prinzen verwandeln (oder umgekehrt). |
Mahner, M. (1995): Hydraulischer Dies irae in Frankfurt. Ethik und Sozialwissenschaften 6, S. 336-339
Ich glaube auch, daß Gutmann hier eine völlig inkonsistente Position bezogen hat, denn er hat (ohne es zu wissen und zu wollen) den Ast abgesägt, auf dem er sitzt. Insofern gebe ich die Frage gerne zurück, wer hier aus welchen Gründen eigentlich dilettiert hat...
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und zu den Ansichten von Junker: Die Annahme von spezifischen "einzigartigen Schlüsselmerkmalen" ist eben eine (spezifische) Theorie, die eben als solche falsifizierbar ist. Die Kladistik selbst ist hierzu autonom, sie kann - wie Thomas so schön gesagt hat - gegebenenfalls dazu benutzt werden, auch Nägel und Schrauben zu ordnen. |
Nicht unbedingt. Das würde doch nur dann funktionieren, wenn sich die Schrauben und Nägel in ineinandergeschachtelte Äquivalenzklassen einteilen ließen. Mit anderen Worten, wenn die zu klassifizierenden Dinge eine abgestufte Ähnlichkeit aufweisen würden. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: in der Kladistik wird die enkaptische Hierarchie durch zahlreiche Inkongruenzen gestört!
Meine Frage war daher, welches Ausmaß die Konvergenzen tatsächlich annehmen bzw. inwieweit das "phylogenetische Signal" wirklich im "Rauschen" der Konvergenzen untergeht. Was ist hier Deine Einschätzung? Hilft es, wenn man im kritischen Fall einfach die Anzahl der Merkmale erhöht, um das Problem abzumildern? |
Schrauben und Nägel lassen sich doch (an)ordnen - schau halt mal in einem Baumarkt, welche Strategie hier Anwendung findet, um ein sich Zurechtfinden zu ermöglichen. |
Natürlich. Aber muß das denn zwingend funktionieren? Es könnte doch jemand auf die Idee kommen, die Merkmale derart unsystematisch zu verteilen, daß sich keine ungestörten enkaptischen Systeme herstellen lassen. Denk' an das "Rauschen" im "phylogenetischen Signal". Im Extremfall sieht man vor lauter Inkongruenzen das Signal nicht mehr. AFAIK hat Junker in einem seiner Bücher einige Beispiele hierzu genannt.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und mit dem Homologiekonzept ist es wie in der Mathematik - Du musst schon wissen, was Du tust (Ich denke hier insbesondere an gewisse Rechenkünstler der Wahrscheinlichkeiten ). |
Unbestritten...
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Begriff der Äquivalenzklassen gefällt mir hier nicht und auch Ähnlichkeiten gehen im Prinzip stufenlos ineinander über (Du erinnerst Dich noch an unseren Homologie- & Kladistik-Diskussionen an diversen Stellen?). |
Hmmm... was heißt "stufenlos"? Kann eine evolutive Neuheit "stufenlos" entstehen? Kann Evolution beliebig graduell verlaufen? Ist nicht vielmehr jede Neuerung in gewisser Weise ein Sprung?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und allgemein: Je mehr Daten Du hast, desto aussagekräftiger Deine Ergebnisse. Aber die Schwierigkeiten wachsen mit der Zunahme der Daten hier exponentiell! |
Ups, warum? Ich erinnere mich dunkel, daß mir Mahner mal geschrieben hat, daß es umso leichter ist, die Stammbaumfrage zu entscheiden, je mehr Merkmale in die kladistische Analyse einbezogen werden.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Nur aus diesem Grund ist mit Kladistik auch was anzufangen. Junker spricht aber von der "Problematik des evolutionären Homologie-Arguments" - auch das ist nicht gerade neu. |
Stimmt. IIRC wird vor allen Dingen der Vorwurf des Zirkelschlusses und das Hand-in-Hand-Gehen von Theorie und Kladistik immer wieder von den "pattern cladists" hervorgehoben. Damit scheinen sie die philosophischen Grundlagen der Wissenschaft nicht so ganz verstanden zu haben. Hier übrigens eine interessanter Beitrag zu dem Thema:
http://members.dodo.com.au/~wilkinsjandp/papers/nullhyp.html |
Ich will hier mal nicht ganz so genau sein - Also: Yep!  |
Na, was denn nu? Yep oder genau genommen doch nicht yep?
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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Tso Wang Vergiß es
Anmeldungsdatum: 21.09.2003 Beiträge: 1433
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(#289764) Verfasst am: 27.04.2005, 20:43 Titel: |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | BTW, wie wahrscheinlich ist es eigentlich, daß die betreffenden Merkmale bei dem Säugerfossil einfach nur reduziert worden sind??? Dann bräuchte man die Gehörknöchelchen nicht als homologes Schlüsselmerkmal der Säugetiere zu streichen! |
Läßt sich kaum beantworten; ebensowenig wie meine Vermutung, daß phänotypische Merkmale (Hammer, Amboss und Steigbügel) durch nicht mehr nachvollziehbare Umgebungsfaktoren während der Embryogenese möglicherweise gar nicht ausgeprägt wurden (trotz dafür vorhandener Gene).
Aufschluß könnte hier nur ein Direktvergleich der Gensequenzen (Genotyp) der verschiedenen Säuger geben. Aber das ist wohl reine Utopie.
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_________________ Geh' weiter
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Kunigunde Seltsam
Anmeldungsdatum: 10.08.2003 Beiträge: 655
Wohnort: zu Hause
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(#289769) Verfasst am: 27.04.2005, 20:50 Titel: |
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Tso Wang hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | BTW, wie wahrscheinlich ist es eigentlich, daß die betreffenden Merkmale bei dem Säugerfossil einfach nur reduziert worden sind??? Dann bräuchte man die Gehörknöchelchen nicht als homologes Schlüsselmerkmal der Säugetiere zu streichen! |
Läßt sich kaum beantworten; ebensowenig wie meine Vermutung, daß phänotypische Merkmale (Hammer, Amboss und Steigbügel) durch nicht mehr nachvollziehbare Umgebungsfaktoren während der Embryogenese möglicherweise gar nicht ausgeprägt wurden (trotz dafür vorhandener Gene).
Aufschluß könnte hier nur ein Direktvergleich der Gensequenzen (Genotyp) der verschiedenen Säuger geben. Aber das ist wohl reine Utopie.
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... und daß die Gehörknöchelchen sich nicht von heute auf morgen aus Kieferknochen entwickelt haben.
Also muss es Zwischenglieder und auch Seitenzweige (somit auch Sackgassen eventuell ohne bzw. mit zurückgebildeten Gehörknöchelchen) dieser Entwicklung geben.
Theorien müssen halt immer dem jeweiligen Erkenntnisstand angepasst werden.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#289790) Verfasst am: 27.04.2005, 22:41 Titel: |
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Hi!
Die ältesten bekannten Fossilien von Säugetieren wurden in China gefunden; sie entstammen dem frühen Jura und sind damit etwa 200 Millionen Jahre alt. Der gegenwärtige Rekordhalter ist Hadrocodium wui; die Trennung des Mittelohrknochens vom Unterkiefer ist hier bereits vollzogen:
Neben den Gehörknöchelchen lassen sich die Säuger am einfachsten anhand der Zähne unterscheiden (Säuger verfügen im Gegensatz zu Reptilien über differenzierte Zähne, so lassen sich auch Zahnformeln aufstellen - bei den Ursäugern lautet diese etwa 3143). Ein interessantes Kladogramm zur Säuger-Thematik, welches aus
Hu, Y.; Wang, Y; Luo Z.-X.; Li, C. (1997): A new symmetrodont mammal from China and its implications for mammalian evolution. Nature 390: 137-142.
stammt, findet sich bei Wort und Wissen:
Überraschenderweise wurde vor nicht allzu langer Zeit schon einmal eine konvergente Diversifikation bei den Säugern diskutiert - nämlich die Entstehung von tribosphenischen Backenzähnen. Diese Zähne sind sowohl zum Schneiden als auch zum Mahlen geeignet und finden sich bei Beutel- und Plazentatieren, aber nicht bei den Kloakentieren - so dachte man jedenfalls, bis Steropodon galmani, ein Kloakentier aus der frühen Kreidezeit (also etwa 100 Millionen Jahre alt), gefunden wurde: Dieser verfügte nun über Zähne, die sehr tribosphenisch aussehen (Dieser Artikel findet sich auch in der Literaturliste von Martin & Luo (s. o.)):
Luo, Z.-X.; Cifelli, R.; Kielan-Jaworowska, Z. (2001): Dual origin of tribosphenic mammals. Nature 409: 53-57.
Und dann erfolgte mit Ausktribosphenos nyktos noch eine Fund, mit einem Alter von vor 115 Millionen Jahren datiert, der aber von den Autoren nicht zu den Kloakentieren gerechnet wurde - womit diese aber vermutlich falsch gelegen haben:
Rich, T. H.; Vickers-Rich, P.; Constantine, A.; Flannery, T. F.; Kool, L.; van Klaveren, N. (1997): A Tribosphenic Mammal from the Mesozoic of Australia. Science 278: 1438-1442.
Zu guter Letzt finden sich mit Ambondro mahabo noch eindeutig tribosphenische Zähne eines Kloakentiers schon im mittleren Jura (etwa vor 165 Millionen Jahren) - gefunden in Madagaskar! Also auch hier wieder:
Stokstad, E. (2001): Evolution: Tooth theory revises history of mammals. Science 291: 26.
Vor diesem Hintergrund ist es also alles andere als einfach, das auf 115 Millionen Jahre datierte Fossil des Kloakentiers Teinolophus trusleri mit seinem außergewöhnlichen (?) Mangel evolutionär einzuschätzen. Mein erster Gedanke war hier: Teinolophus muss zu seinen Lebzeiten ein lebendes Fossil gewesen sein. Hier also meine Ad-hoc-Hypothese, um eine entsprechende evolutionäre Entwicklung zu rekonstruieren:
An basaler Position des Säuger-Stammbaums finden sich eierlegende Monotrematen mit noch nicht säugertypisch differenzierten Gehörknöchelchen. Die allmähliche Entwicklung der Mahlzähne ermöglichte einem Teil der frühen Säugerlinie eine explosionsartige Entwicklung: Im Gegensatz etwa zu den Reptilien waren diese nunmehr nicht mehr darauf angewiesen, ihre Nahrung zu verschlingen oder zunächst zu zerreißen; dies wiederum ermöglichte die Existenz zunehmend effektiver und sehr kleinen homoiothermen Insektivoren mit einem entsprechend relativ hohen Metabolismus (wozu Reptilien konstruktiv nicht in der Lage sind). Diese Umstellung hat nun einen gewissen Effekt bezüglich der nötigen Progression der Kaumuskulatur. Mit der Modifikationen des Unterkiefers einher geht ein Funktionswechsel in Richtung Gehörknöchelchen (entsprechende Kieferstrukturen sind ja per se resonanzempfindlich).
Demnach wäre die Ausdifferenzierung der Gehörknöchelchen innerhalb der Monotremata erfolgt, kurz vor diesem Ereignis wäre also eine Linie hin zu Teinolophus in Betracht zu ziehen. Natürlich lassen sich hierzu auch unproblematisch die rezenten Monotremata einpassen; etwa sind bei den Schnabeltieren Zähne noch in embryonalen Resten auszumachen. Nachdem die Kloakentiere tribosphenische Zähne sowie die letztlich komplexen Strukturen der Gehörknöchelchen entwickelt haben, evolvierte hieraus der Rest der Säuger. Passt übrigens auch recht gut zu einigen molekularbiologischen Analysen.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
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(#289837) Verfasst am: 28.04.2005, 00:27 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Zunächst zur Klarstellung: Ich kenne Thomas Martin zwar nicht näher, aber ich denke, er ist nicht unbedingt "Gutmannianer". Und richtig: Gutmann hat Homologien als untaugliches Konzept betrachtet - aber er hatte Ersatz. Und schließlich rede ich selbst ja auch von Homologien - auch wenn dies genau betrachtet ein schwieriges Feld ist. Und wenn Junker, Scherer und Co. Gutmann erwähnen, dann doch nur in missbräuchlicher Weise (Kritik an herrschenden Ansichten zur ET werden umgemünzt als Indiz für Generalkritik (Und wenn Gutmann für Junker/Scherer mehr übrig gehabt hätte als Mitleid, hätte er sie locker an die Wand genagelt)). |
Au weia, da hab' ich jemanden tödlich beleidigt! Mir ist schon klar, daß Gutmann et al. hier mißbräuchlich zitiert werden, weil sie eben eine besonders "kritische" Evolutionstheorie vertreten. Mir ist auch klar, daß viele Menschen aus der "Gutmann-Ecke" das, was Gutmann vertrat, weniger apodiktisch sehen. Daher meine Anwürfe bitte nicht gleich persönlich nehmen - war nur eine polemische Provokation, um Dich aus der Reserve zu locken... |
Sovereign of the Seas:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Aber wie in jedem Spaß, so schwingt auch hier ein Körnchen Wahrheit mit. Ich denke z.B. an das, was Mahner hierzu geschrieben hat:
Mahner hat folgendes geschrieben: | ((5)) Mit der Zurückweisung von Morphologie, Systematik und so gut wie allem, was die Evolutionsbiologie seither an Wissen hervorgebracht hat, stellt sich ferner die Frage, weshalb die Frankfurter Theorie überhaupt von einem Evolutionsgeschehen ausgeht. Alle herkömmlichen biologischen Evidenzen für Evolution sind ja offenbar inkommensurabel mit der Frankfurter Theorie. Selbst Fossilien können nicht genannt werden, da sie abgesehen von ihrer zeitlichen Abfolge nicht in eine morphologische Abfolge gebracht werden können, die einer evolutionären Erklärung bedürftig ist, denn dies würde ja die geschmähte traditionelle, d.h. angeblich subjektive, Beschreibung und Klassifikation von Organismen voraussetzen. Weshalb wird also überhaupt davon ausgegangen, daß eine Evolution durch Transformation und Aufspaltung "hydraulischer Energiewandler" stattfindet bzw. stattgefunden hat? Warum wird dieses Stück traditionelles biologisches Wissen nicht auch gleich in Frage gestellt? Die bloße "Darstellung konstruktiv möglicher Abwandlungsfolgen" sagt nichts darüber aus, warum diesen Konstrukten reale Abwandlungen entsprechen sollten. Schließlich kann man rein theoretisch und wahrscheinlich auch hydraulischgesetzmäßig jederzeit einen Frosch in einen Prinzen verwandeln (oder umgekehrt). |
Mahner, M. (1995): Hydraulischer Dies irae in Frankfurt. Ethik und Sozialwissenschaften 6, S. 336-339
Ich glaube auch, daß Gutmann hier eine völlig inkonsistente Position bezogen hat, denn er hat (ohne es zu wissen und zu wollen) den Ast abgesägt, auf dem er sitzt. Insofern gebe ich die Frage gerne zurück, wer hier aus welchen Gründen eigentlich dilettiert hat... |
Der Titel war gut, beim Rest hatte Mahner allerdings nur geübt ... .
Bei der Verwandlung eines Frosches in einen Prinzen hätte Gutmann konstruktionsmechanisch doch wesentliches beitragen können. Zunächst hätte er hier die sekundäre Bedeutung von Berufen und ökologischen Nischen (hier: Prinz) nachgewiesen. Sodann hätte er ein auf biomechanischen Konzepten beruhendes theoretisches Konstrukt postuliert, welches im Übergang stringent erforderlich gewesen sein muss und hätte dieses nun als Reptilienformen interpretiert und abschließend gegebenenfalls mit entsprechend charakterisierten Fossilfunden korreliert ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und zu den Ansichten von Junker: Die Annahme von spezifischen "einzigartigen Schlüsselmerkmalen" ist eben eine (spezifische) Theorie, die eben als solche falsifizierbar ist. Die Kladistik selbst ist hierzu autonom, sie kann - wie Thomas so schön gesagt hat - gegebenenfalls dazu benutzt werden, auch Nägel und Schrauben zu ordnen. |
Nicht unbedingt. Das würde doch nur dann funktionieren, wenn sich die Schrauben und Nägel in ineinandergeschachtelte Äquivalenzklassen einteilen ließen. Mit anderen Worten, wenn die zu klassifizierenden Dinge eine abgestufte Ähnlichkeit aufweisen würden. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: in der Kladistik wird die enkaptische Hierarchie durch zahlreiche Inkongruenzen gestört!
Meine Frage war daher, welches Ausmaß die Konvergenzen tatsächlich annehmen bzw. inwieweit das "phylogenetische Signal" wirklich im "Rauschen" der Konvergenzen untergeht. Was ist hier Deine Einschätzung? Hilft es, wenn man im kritischen Fall einfach die Anzahl der Merkmale erhöht, um das Problem abzumildern? |
Schrauben und Nägel lassen sich doch (an)ordnen - schau halt mal in einem Baumarkt, welche Strategie hier Anwendung findet, um ein sich Zurechtfinden zu ermöglichen. |
Natürlich. Aber muß das denn zwingend funktionieren? Es könnte doch jemand auf die Idee kommen, die Merkmale derart unsystematisch zu verteilen, daß sich keine ungestörten enkaptischen Systeme herstellen lassen. Denk' an das "Rauschen" im "phylogenetischen Signal". Im Extremfall sieht man vor lauter Inkongruenzen das Signal nicht mehr. AFAIK hat Junker in einem seiner Bücher einige Beispiele hierzu genannt. |
Ungestörte enkaptische Systeme!? Unsystematisch!? Ein System ist kein Unsystem. Da musst Du die Elemente schon tragfähig verknüpfen. Zwingend. Selbstverständlich ist es möglich, dass Deine gegebenen Mittel nicht ausreichen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Begriff der Äquivalenzklassen gefällt mir hier nicht und auch Ähnlichkeiten gehen im Prinzip stufenlos ineinander über (Du erinnerst Dich noch an unseren Homologie- & Kladistik-Diskussionen an diversen Stellen?). |
Hmmm... was heißt "stufenlos"? Kann eine evolutive Neuheit "stufenlos" entstehen? Kann Evolution beliebig graduell verlaufen? Ist nicht vielmehr jede Neuerung in gewisser Weise ein Sprung? |
Je nach Auflösung in der Betrachtungsweise. Aus genetischer Perspektive liegt hier natürlich ein diskreter Vorgang vor, im einfachsten Fall eine Punktmutation. Aus anatomischer Sicht gehst du von einer gewissen konstruktiven Plastizität aus, dies ist also ein gradueller Vorgang. Die Flügel oder die Federn der Vögel sind nicht übergangslos entstanden - obgleich am sparsamsten der Besitz von Federn einen Vogel charakterisiert.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und allgemein: Je mehr Daten Du hast, desto aussagekräftiger Deine Ergebnisse. Aber die Schwierigkeiten wachsen mit der Zunahme der Daten hier exponentiell! |
Ups, warum? Ich erinnere mich dunkel, daß mir Mahner mal geschrieben hat, daß es umso leichter ist, die Stammbaumfrage zu entscheiden, je mehr Merkmale in die kladistische Analyse einbezogen werden. |
Dann entscheide doch beispielsweise mal hier:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Nur aus diesem Grund ist mit Kladistik auch was anzufangen. Junker spricht aber von der "Problematik des evolutionären Homologie-Arguments" - auch das ist nicht gerade neu. |
Stimmt. IIRC wird vor allen Dingen der Vorwurf des Zirkelschlusses und das Hand-in-Hand-Gehen von Theorie und Kladistik immer wieder von den "pattern cladists" hervorgehoben. Damit scheinen sie die philosophischen Grundlagen der Wissenschaft nicht so ganz verstanden zu haben. Hier übrigens eine interessanter Beitrag zu dem Thema:
http://members.dodo.com.au/~wilkinsjandp/papers/nullhyp.html |
Ich will hier mal nicht ganz so genau sein - Also: Yep!  |
Na, was denn nu? Yep oder genau genommen doch nicht yep? |
Nicht ganz so genau genommen: yep - genau genommen: doch nicht yep!
Cheers,
Lamarck
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
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(#289970) Verfasst am: 28.04.2005, 13:20 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Zunächst zur Klarstellung: Ich kenne Thomas Martin zwar nicht näher, aber ich denke, er ist nicht unbedingt "Gutmannianer". Und richtig: Gutmann hat Homologien als untaugliches Konzept betrachtet - aber er hatte Ersatz. Und schließlich rede ich selbst ja auch von Homologien - auch wenn dies genau betrachtet ein schwieriges Feld ist. Und wenn Junker, Scherer und Co. Gutmann erwähnen, dann doch nur in missbräuchlicher Weise (Kritik an herrschenden Ansichten zur ET werden umgemünzt als Indiz für Generalkritik (Und wenn Gutmann für Junker/Scherer mehr übrig gehabt hätte als Mitleid, hätte er sie locker an die Wand genagelt)). |
Au weia, da hab' ich jemanden tödlich beleidigt! Mir ist schon klar, daß Gutmann et al. hier mißbräuchlich zitiert werden, weil sie eben eine besonders "kritische" Evolutionstheorie vertreten. Mir ist auch klar, daß viele Menschen aus der "Gutmann-Ecke" das, was Gutmann vertrat, weniger apodiktisch sehen. Daher meine Anwürfe bitte nicht gleich persönlich nehmen - war nur eine polemische Provokation, um Dich aus der Reserve zu locken... |
Sovereign of the Seas:
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Ich gehe davon aus, Du bist der Kapitän
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Aber wie in jedem Spaß, so schwingt auch hier ein Körnchen Wahrheit mit. Ich denke z.B. an das, was Mahner hierzu geschrieben hat:
Mahner hat folgendes geschrieben: | ((5)) Mit der Zurückweisung von Morphologie, Systematik und so gut wie allem, was die Evolutionsbiologie seither an Wissen hervorgebracht hat, stellt sich ferner die Frage, weshalb die Frankfurter Theorie überhaupt von einem Evolutionsgeschehen ausgeht. Alle herkömmlichen biologischen Evidenzen für Evolution sind ja offenbar inkommensurabel mit der Frankfurter Theorie. Selbst Fossilien können nicht genannt werden, da sie abgesehen von ihrer zeitlichen Abfolge nicht in eine morphologische Abfolge gebracht werden können, die einer evolutionären Erklärung bedürftig ist, denn dies würde ja die geschmähte traditionelle, d.h. angeblich subjektive, Beschreibung und Klassifikation von Organismen voraussetzen. Weshalb wird also überhaupt davon ausgegangen, daß eine Evolution durch Transformation und Aufspaltung "hydraulischer Energiewandler" stattfindet bzw. stattgefunden hat? Warum wird dieses Stück traditionelles biologisches Wissen nicht auch gleich in Frage gestellt? Die bloße "Darstellung konstruktiv möglicher Abwandlungsfolgen" sagt nichts darüber aus, warum diesen Konstrukten reale Abwandlungen entsprechen sollten. Schließlich kann man rein theoretisch und wahrscheinlich auch hydraulischgesetzmäßig jederzeit einen Frosch in einen Prinzen verwandeln (oder umgekehrt). |
Mahner, M. (1995): Hydraulischer Dies irae in Frankfurt. Ethik und Sozialwissenschaften 6, S. 336-339
Ich glaube auch, daß Gutmann hier eine völlig inkonsistente Position bezogen hat, denn er hat (ohne es zu wissen und zu wollen) den Ast abgesägt, auf dem er sitzt. Insofern gebe ich die Frage gerne zurück, wer hier aus welchen Gründen eigentlich dilettiert hat... |
Der Titel war gut, beim Rest hatte Mahner allerdings nur geübt ... .
Bei der Verwandlung eines Frosches in einen Prinzen hätte Gutmann konstruktionsmechanisch doch wesentliches beitragen können. |
Stimmt. Ich vermute, daß ihm auch in der Evolution vom Prinzen zum Frosch eine nette Geschichte einfallen wäre
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Zunächst hätte er hier die sekundäre Bedeutung von Berufen und ökologischen Nischen (hier: Prinz) nachgewiesen. Sodann hätte er ein auf biomechanischen Konzepten beruhendes theoretisches Konstrukt postuliert, welches im Übergang stringent erforderlich gewesen sein muss und hätte dieses nun als Reptilienformen interpretiert und abschließend gegebenenfalls mit entsprechend charakterisierten Fossilfunden korreliert ... . |
Wie denn? Gutmann hat doch die Ermittlung der geochronologischen Abfolge von Fossilien bzw. die radiometrische Datierung zur Rekonstruktion der Stammesgeschichte grundsätzlich infragegestellt. Vielmehr hat er die Fossilienreihen ins Zwangskorsett seiner biomechanischen Hypothesen gesteckt.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und zu den Ansichten von Junker: Die Annahme von spezifischen "einzigartigen Schlüsselmerkmalen" ist eben eine (spezifische) Theorie, die eben als solche falsifizierbar ist. Die Kladistik selbst ist hierzu autonom, sie kann - wie Thomas so schön gesagt hat - gegebenenfalls dazu benutzt werden, auch Nägel und Schrauben zu ordnen. |
Nicht unbedingt. Das würde doch nur dann funktionieren, wenn sich die Schrauben und Nägel in ineinandergeschachtelte Äquivalenzklassen einteilen ließen. Mit anderen Worten, wenn die zu klassifizierenden Dinge eine abgestufte Ähnlichkeit aufweisen würden. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: in der Kladistik wird die enkaptische Hierarchie durch zahlreiche Inkongruenzen gestört!
Meine Frage war daher, welches Ausmaß die Konvergenzen tatsächlich annehmen bzw. inwieweit das "phylogenetische Signal" wirklich im "Rauschen" der Konvergenzen untergeht. Was ist hier Deine Einschätzung? Hilft es, wenn man im kritischen Fall einfach die Anzahl der Merkmale erhöht, um das Problem abzumildern? |
Schrauben und Nägel lassen sich doch (an)ordnen - schau halt mal in einem Baumarkt, welche Strategie hier Anwendung findet, um ein sich Zurechtfinden zu ermöglichen. |
Natürlich. Aber muß das denn zwingend funktionieren? Es könnte doch jemand auf die Idee kommen, die Merkmale derart unsystematisch zu verteilen, daß sich keine ungestörten enkaptischen Systeme herstellen lassen. Denk' an das "Rauschen" im "phylogenetischen Signal". Im Extremfall sieht man vor lauter Inkongruenzen das Signal nicht mehr. AFAIK hat Junker in einem seiner Bücher einige Beispiele hierzu genannt. |
Ungestörte enkaptische Systeme!? Unsystematisch!? Ein System ist kein Unsystem. Da musst Du die Elemente schon tragfähig verknüpfen. Zwingend. Selbstverständlich ist es möglich, dass Deine gegebenen Mittel nicht ausreichen. |
Eben. Man kann nicht eine abgestufte Formähnlichkeit hineinlesen, wo keine ist. Versuche doch nur einmal, mithilfe der kladistischen Methode eine Holzkugel, eine Eisenschraube, ein Stück Papier und ein Glasauge zu sortieren.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Begriff der Äquivalenzklassen gefällt mir hier nicht und auch Ähnlichkeiten gehen im Prinzip stufenlos ineinander über (Du erinnerst Dich noch an unseren Homologie- & Kladistik-Diskussionen an diversen Stellen?). |
Hmmm... was heißt "stufenlos"? Kann eine evolutive Neuheit "stufenlos" entstehen? Kann Evolution beliebig graduell verlaufen? Ist nicht vielmehr jede Neuerung in gewisser Weise ein Sprung? |
Je nach Auflösung in der Betrachtungsweise. Aus genetischer Perspektive liegt hier natürlich ein diskreter Vorgang vor, im einfachsten Fall eine Punktmutation. Aus anatomischer Sicht gehst du von einer gewissen konstruktiven Plastizität aus, dies ist also ein gradueller Vorgang. Die Flügel oder die Federn der Vögel sind nicht übergangslos entstanden - obgleich am sparsamsten der Besitz von Federn einen Vogel charakterisiert. |
Ja, aber es geht doch darum, ob es ein Formenkontinuum geben kann, wie die "idealistische Biologie" sich das einbildete. Wir wissen doch, daß so etwas aus epigenetischen Gründen nicht zu realisieren ist - vielmehr sind immer nur bestimmte, diskrete Merkmalskombinationen "erlaubt". Ansonsten gäbe es keine Mosaikevolution. Evolution verläuft eben nicht beliebig graduell, und die Entstehung einer evolutiven Neuheit ist immer ein diskreter Sprung.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und allgemein: Je mehr Daten Du hast, desto aussagekräftiger Deine Ergebnisse. Aber die Schwierigkeiten wachsen mit der Zunahme der Daten hier exponentiell! |
Ups, warum? Ich erinnere mich dunkel, daß mir Mahner mal geschrieben hat, daß es umso leichter ist, die Stammbaumfrage zu entscheiden, je mehr Merkmale in die kladistische Analyse einbezogen werden. |
Dann entscheide doch beispielsweise mal hier:
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Die Frage war doch, ob sich die Anzahl gleich sparsamer Kladogramme unter Einbeziehung einer größeren Anzahl an Merkmalen nicht eventuell von 4 auf 3, 2 oder im Idealfall gar nur auf einen einzigen reduzieren läßt. Es gibt Menschen, die das so sehen und Menschen, die das bestreiten. Mich hätte hier Deine Meinung zu dem Problem interessiert.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Nur aus diesem Grund ist mit Kladistik auch was anzufangen. Junker spricht aber von der "Problematik des evolutionären Homologie-Arguments" - auch das ist nicht gerade neu. |
Stimmt. IIRC wird vor allen Dingen der Vorwurf des Zirkelschlusses und das Hand-in-Hand-Gehen von Theorie und Kladistik immer wieder von den "pattern cladists" hervorgehoben. Damit scheinen sie die philosophischen Grundlagen der Wissenschaft nicht so ganz verstanden zu haben. Hier übrigens eine interessanter Beitrag zu dem Thema:
http://members.dodo.com.au/~wilkinsjandp/papers/nullhyp.html |
Ich will hier mal nicht ganz so genau sein - Also: Yep!  |
Na, was denn nu? Yep oder genau genommen doch nicht yep?  |
Nicht ganz so genau genommen: yep - genau genommen: doch nicht yep!  |
Einigen wir uns in guter Näherung auf Yep!
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
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(#289993) Verfasst am: 28.04.2005, 16:01 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ich gehe davon aus, Du bist der Kapitän |
Eher das souveräne Flaggschiff des Naturalismus auf dem weiten Meer des Unwissens ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Titel war gut, beim Rest hatte Mahner allerdings nur geübt ... .
Bei der Verwandlung eines Frosches in einen Prinzen hätte Gutmann konstruktionsmechanisch doch wesentliches beitragen können. | Stimmt. Ich vermute, daß ihm auch in der Evolution vom Prinzen zum Frosch eine nette Geschichte einfallen wäre. |
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wie denn? Gutmann hat doch die Ermittlung der geochronologischen Abfolge von Fossilien bzw. die radiometrische Datierung zur Rekonstruktion der Stammesgeschichte grundsätzlich infragegestellt. Vielmehr hat er die Fossilienreihen ins Zwangskorsett seiner biomechanischen Hypothesen gesteckt. |
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Eben. Man kann nicht eine abgestufte Formähnlichkeit hineinlesen, wo keine ist. Versuche doch nur einmal, mithilfe der kladistischen Methode eine Holzkugel, eine Eisenschraube, ein Stück Papier und ein Glasauge zu sortieren. |
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ja, aber es geht doch darum, ob es ein Formenkontinuum geben kann, wie die "idealistische Biologie" sich das einbildete. Wir wissen doch, daß so etwas aus epigenetischen Gründen nicht zu realisieren ist - vielmehr sind immer nur bestimmte, diskrete Merkmalskombinationen "erlaubt". Ansonsten gäbe es keine Mosaikevolution. Evolution verläuft eben nicht beliebig graduell, und die Entstehung einer evolutiven Neuheit ist immer ein diskreter Sprung. |
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Die Frage war doch, ob sich die Anzahl gleich sparsamer Kladogramme unter Einbeziehung einer größeren Anzahl an Merkmalen nicht eventuell von 4 auf 3, 2 oder im Idealfall gar nur auf einen einzigen reduzieren läßt. Es gibt Menschen, die das so sehen und Menschen, die das bestreiten. Mich hätte hier Deine Meinung zu dem Problem interessiert. |
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Zur besseren Darlegung will ich noch einmal auf das schon erwähnte Kladogramm zurückgreifen:
Hier finden sich als wesentliche Merkmalsangaben u. a. die Bezeichnungen "Gehörgangsschnecke gerade" und "Gehörgangsschnecke spiralförmig". Warum ist aber hier "Gehörgangsschnecke gerade" Teil des Frosches und "Gehörgangsschnecke spiralförmig" Teil des Prinzen und nicht etwa umgekehrt? Und wenn Du die beiden anderen hier aufgeführten Merkmale im Hinblick auf das Gesamtbild ähnlich behandelst, müsste Dir klar sein, warum Gutmann von Kladistik nichts gehalten hat. Gleichwohl hatte er doch phylogenetische Ableitungen postuliert.
Des weiteren: Hier nimmst Du Deine "abgestufte Formähnlichkeit" doch künstlich vor, um einen letztlich dynamischen Vorgang auf statischem Wege fassen zu können: Du definierst Merkmale! Mit Kladistik siehst Du deshalb keine Dynamik und das ist das wesentliche Problem hier.
Ein Formenkontinuum kann es schon aus konstruktionsmechanischen Gründen nicht geben, das heißt aber nicht, das nun keine Mosaikevolution möglich wäre. Wenn ich von organismischer Formen-Plastizität spreche, ist damit doch nicht gesagt, das die ganze Sache im Gleichschritt vonstatten gehen muss; der Verbund muss natürlich erhalten bleiben. Und das würde auch keineswegs Mendel widersprechen. Und erneut: Eine evolutive Neuheit ist fast immer kein diskreter Sprung (Ausnahme etwa Polyploidie) - du nimmst hier eine definitorische Scheidung vor.
Bei Vorliegen aller Gensequenzen und beliebig zur Verfügung stehender Rechenleistung wirst Du genau ein Phylogramm (nicht Kladogramm!) erhalten.
Cheers,
Lamarck
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#292796) Verfasst am: 08.05.2005, 17:27 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Zur besseren Darlegung will ich noch einmal auf das schon erwähnte Kladogramm zurückgreifen:
Hier finden sich als wesentliche Merkmalsangaben u. a. die Bezeichnungen "Gehörgangsschnecke gerade" und "Gehörgangsschnecke spiralförmig". Warum ist aber hier "Gehörgangsschnecke gerade" Teil des Frosches und "Gehörgangsschnecke spiralförmig" Teil des Prinzen und nicht etwa umgekehrt? Und wenn Du die beiden anderen hier aufgeführten Merkmale im Hinblick auf das Gesamtbild ähnlich behandelst, müsste Dir klar sein, warum Gutmann von Kladistik nichts gehalten hat. |
Keine Ahnung, vermutlich, weil er vor dem Lesrichtungsproblem und dem Problem der Stammbaumvielfalt kapitulierte. Trotzdem ist mir Dein Argument nicht klar. Natürlich ist die Kladistik kein "Allheilmittel" zur Rekonstruktion der stammesgeschichtlichen Wirklichkeit. Es bedarf halt immer des Wechselspiels von "Beobachten" (z.B. in Gestalt der kladistischen Merkmalsanalyse) und "Theoretisieren" (in Form plausibler Evolutionsszenarien). Hier hat Gutmann sicher einiges dazu beigetragen, um die Stammbaumvielfalt zu minimieren. Kritikwürdig ist doch nur seine extrem revisionistische Haltung; seine Theorie ist völlig inkomensurabel mit den Konzepten und Theorien, in deren Licht sich die klassischen Evolutionsbelege herauskristallisierten.
Aber um all dies ging's mir eigentlich gar nicht. Meine Frage war: Was geschieht, wenn man hier neben den Schlüsselmerkmalen "Gehörgangsschnecke", "Schlüsselbein" und "Vorderextremitätenhaltung" noch 50, 100, 200 oder meinetwegen 1000 weitere Merkmale in die Analyse einbezieht? Nimmt die Anzahl gleichsparsamer Kladogramme zu oder ab
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Des weiteren: Hier nimmst Du Deine "abgestufte Formähnlichkeit" doch künstlich vor, um einen letztlich dynamischen Vorgang auf statischem Wege fassen zu können: Du definierst Merkmale! |
Natürlich. Aber hier besteht doch keine grenzenlose Freiheit. Die Merkmale müssen ja eine (ontologische ) Entsprechung haben. Du kannst mit anderen Worten nichts definieren, was nicht in den Dingen liegt, sonst wären Stammbäume willkürliche Phantasieprodukte und kein Bild von der Stammesgeschichte.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Mit Kladistik siehst Du deshalb keine Dynamik und das ist das wesentliche Problem hier. |
Aber Kladogramme (genauer: Stammbäume) lassen sich dynamisch "lesen". Das ist ja gerade der Zweck der Übung: es geht um die Rekonstruktion der Stammesgeschichte. Daß Stammbäume natürlich immer nur zusammengestückelte Momentaufnahmen sind, darüber brauchen wir uns nicht zu streiten.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ein Formenkontinuum kann es schon aus konstruktionsmechanischen Gründen nicht geben das heißt aber nicht, das nun keine Mosaikevolution möglich wäre. Wenn ich von organismischer Formen-Plastizität spreche, ist damit doch nicht gesagt, das die ganze Sache im Gleichschritt vonstatten gehen muss; der Verbund muss natürlich erhalten bleiben. |
Genau das wollte ich doch sagen! Eben aus diesem Grund können Organismen nicht beliebig kontinuierlich evolvieren; vielmehr gibt und kann es immer nur eine Mosaikevolution geben. Das hatte übrigens auch Riedl in seinem "Modell der schrittweisen Merkmalsaddition und -bebürdung" berücksichtigt. Deshalb ist doch die Kladistik geradezu die Methode der Wahl! Denn: Ohne Mosaikformen gäbe es überhaupt keine Kladistik! Daher verstehe ich noch immer Dein Problem nicht.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und das würde auch keineswegs Mendel widersprechen. Und erneut: Eine evolutive Neuheit ist fast immer kein diskreter Sprung (Ausnahme etwa Polyploidie) - du nimmst hier eine definitorische Scheidung vor. |
Sagen wir so: Qualitative Merkmale können überhaupt nur diskret entstehen. Wenn überhaupt, dann können sich nur quantitative Veränderungen kontinuierlich-graduell vollziehen. Ein Lebewesen ist entweder tot oder lebendig, schwanger oder nicht schwanger. Natürlich ist es u.U. sehr schwierig, zu entscheiden, ab welchem Zeitpunkt man einem Gegenstand die neue Eigenschaft zuzuschreiben hat, aber das hat rein erkenntnistheoretische Gründe. Trotzdem kann ich eine Kuh mit Hörnern immer noch von einer Kuh ohne Hörner unterscheiden.
Grüße
Martin
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#293105) Verfasst am: 10.05.2005, 01:19 Titel: Re: Konvergenz vs. Homologie - ist das Ähnlichkeitsargument am Ende? |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | [..] Hier finden sich als wesentliche Merkmalsangaben u. a. die Bezeichnungen "Gehörgangsschnecke gerade" und "Gehörgangsschnecke spiralförmig". Warum ist aber hier "Gehörgangsschnecke gerade" Teil des Frosches und "Gehörgangsschnecke spiralförmig" Teil des Prinzen und nicht etwa umgekehrt? Und wenn Du die beiden anderen hier aufgeführten Merkmale im Hinblick auf das Gesamtbild ähnlich behandelst, müsste Dir klar sein, warum Gutmann von Kladistik nichts gehalten hat. |
Keine Ahnung, vermutlich, weil er vor dem Lesrichtungsproblem und dem Problem der Stammbaumvielfalt kapitulierte. Trotzdem ist mir Dein Argument nicht klar. Natürlich ist die Kladistik kein "Allheilmittel" zur Rekonstruktion der stammesgeschichtlichen Wirklichkeit. Es bedarf halt immer des Wechselspiels von "Beobachten" (z.B. in Gestalt der kladistischen Merkmalsanalyse) und "Theoretisieren" (in Form plausibler Evolutionsszenarien). Hier hat Gutmann sicher einiges dazu beigetragen, um die Stammbaumvielfalt zu minimieren. Kritikwürdig ist doch nur seine extrem revisionistische Haltung; seine Theorie ist völlig inkomensurabel mit den Konzepten und Theorien, in deren Licht sich die klassischen Evolutionsbelege herauskristallisierten. |
Lesrichtungsprobleme hast Du in gleichem Maße auch bei konventioneller Vorgehensweise. Gutmann wollte dies allein theoretisch ableiten und hatte hierfür als Lösung ein ökonomisches Prinzip postuliert. Von diesem ökonomisches Prinzip bezüglich organismischer Konstruktionen hat er sich in späteren Jahren in aller Ausführlichkeit distanziert. Das "völlig inkommensurabel" hätte ihm sicherlich gefallen, aber zum einen stimmt das nicht ganz, zum anderen hatte aber auch Gutmann seine Vorläufer. Aber kommen wir zu Verdeutlichung zu den kladistischen Problemen:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Aber um all dies ging's mir eigentlich gar nicht. Meine Frage war: Was geschieht, wenn man hier neben den Schlüsselmerkmalen "Gehörgangsschnecke", "Schlüsselbein" und "Vorderextremitätenhaltung" noch 50, 100, 200 oder meinetwegen 1000 weitere Merkmale in die Analyse einbezieht? Nimmt die Anzahl gleichsparsamer Kladogramme zu oder ab |
Das wäre genau genommen dann keine Kladistik. Du nimmst sowieso im Vorfeld alle Merkmale, die Du bekommen bzw. bewältigen kannst und wählst hieraus geschickt Deine Schlüsselmerkmale - Du benötigst also für 1000 Gabelungen Deine Auswahl von 1000 Schlüsselmerkmalen. Der Terminus "Schlüsselmerkmal" ist also eine Stufe abstrakter als der Terminus "Merkmal". Es gehört hier zum Konzept, dass das "Schlüsselmerkmal" eindeutig ist. Und mit der Zahl der Gabelungen steigt auch die Mehrdeutigkeit, d. h. die Anzahl der gleichsparsamen Kladogramme im Prinzip exponentiell an. Aber es gibt ja auch noch ein paar andere Möglichkeiten.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Des weiteren: Hier nimmst Du Deine "abgestufte Formähnlichkeit" doch künstlich vor, um einen letztlich dynamischen Vorgang auf statischem Wege fassen zu können: Du definierst Merkmale! |
Natürlich. Aber hier besteht doch keine grenzenlose Freiheit. Die Merkmale müssen ja eine (ontologische ) Entsprechung haben. Du kannst mit anderen Worten nichts definieren, was nicht in den Dingen liegt, sonst wären Stammbäume willkürliche Phantasieprodukte und kein Bild von der Stammesgeschichte. |
Wo aber liegen die Definitionen? Dein Stammbaum ist so willkürlich wie der Lösungsversuch einer (Un-) Gleichung: Du steckst etwas bestimmtes hinein und hiervon abhängig kommt nun etwas heraus. Die Freiheit besteht in der Auswahl des Hineinsteckens und der Auswahl der (Un-) Gleichung.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Mit Kladistik siehst Du deshalb keine Dynamik und das ist das wesentliche Problem hier. |
Aber Kladogramme (genauer: Stammbäume) lassen sich dynamisch "lesen". Das ist ja gerade der Zweck der Übung: es geht um die Rekonstruktion der Stammesgeschichte. Daß Stammbäume natürlich immer nur zusammengestückelte Momentaufnahmen sind, darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. |
Okay. Wenn Du allerdings Schlüsselmerkmale definierst, blendest Du so aber auch alle Übergangsstufen aus.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ein Formenkontinuum kann es schon aus konstruktionsmechanischen Gründen nicht geben - das heißt aber nicht, das nun keine Mosaikevolution möglich wäre. Wenn ich von organismischer Formen-Plastizität spreche, ist damit doch nicht gesagt, das die ganze Sache im Gleichschritt vonstatten gehen muss; der Verbund muss natürlich erhalten bleiben. |
Genau das wollte ich doch sagen! Eben aus diesem Grund können Organismen nicht beliebig kontinuierlich evolvieren; vielmehr gibt und kann es immer nur eine Mosaikevolution geben. Das hatte übrigens auch Riedl in seinem "Modell der schrittweisen Merkmalsaddition und -bebürdung" berücksichtigt. Deshalb ist doch die Kladistik geradezu die Methode der Wahl! Denn: Ohne Mosaikformen gäbe es überhaupt keine Kladistik! Daher verstehe ich noch immer Dein Problem nicht. |
Kladistik gibt es deshalb, weil eine anthropozentrische Mustererkennung dienstbar in ein bestimmtes Konzept gegossen wurde. Mir scheint hier der Begriff Mosaikform viel zu weit gefasst. So habe ich auch Riedl nicht verstanden. Und auch ohne Mosaikformen könnte es gleichwohl Kladistik geben - und sie wäre zudem wesentlich einfacher: Du benötigst doch nur Verzweigungen! Und um das Problem zu verdeutlichen am besten ein Beispiel: Welche Merkmale hat ein Schnabeltier, warum ist dies ein Merkmal und welche "Mosaike" existieren hier?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und das würde auch keineswegs Mendel widersprechen. Und erneut: Eine evolutive Neuheit ist fast immer kein diskreter Sprung (Ausnahme etwa Polyploidie) - du nimmst hier eine definitorische Scheidung vor. |
Sagen wir so: Qualitative Merkmale können überhaupt nur diskret entstehen. Wenn überhaupt, dann können sich nur quantitative Veränderungen kontinuierlich-graduell vollziehen. Ein Lebewesen ist entweder tot oder lebendig, schwanger oder nicht schwanger. Natürlich ist es u.U. sehr schwierig, zu entscheiden, ab welchem Zeitpunkt man einem Gegenstand die neue Eigenschaft zuzuschreiben hat, aber das hat rein erkenntnistheoretische Gründe. Trotzdem kann ich eine Kuh mit Hörnern immer noch von einer Kuh ohne Hörner unterscheiden. |
Alles was qualitativ ist, ist deswegen diskret und vice versa. Und wenn Du dichotome Eigenschaften entwirfst, dann kann zwangsläufig nur entweder das eine oder das andere zutreffen. Aber ich frag' mal so: Ist bei Deiner Kuh ohne Hörner das Horn als Schlüsselmerkmal zu werten?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Erime registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.01.2006 Beiträge: 207
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(#411853) Verfasst am: 01.02.2006, 20:15 Titel: Was ist Ziel der Diskussion? |
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Liebe Listen-Beteiligte,
ich bin erst neu hier und fange erst an, mich hier "einzulesen". Und da hab ich mal diesen Thread hier etwas gründlicher durchgesehen, da mich das Thema Konvergenz derzeit SEHR interessiert (denn ich lese gerade Conway Morris und Dawkins - siehe meine Einlassungen im Conway Morris-Thread).
Irgendwie hat mich dieser Thread hier aber unbefriedigt zurückgelassen, obwohl ich den sachkundigen Einlassungen von "Lamarck" gerne gefolgt bin (hab hier auch zum ersten mal etwas von Gutmann gehört).
Was ist dauernd das Ziel Eurer Diskussionen? Beweise dafür zu geben, daß die Evolution nicht in sieben Tagen abgelaufen ist und nicht von einem graubärtigen alten weisen Mann gesteuert worden war? Ist das ein seriöser Anspruch? Läßt man sich dadurch nicht von den wesentlichen Fragestellungen ablenken? Conway Morris und Dawkins stellen Konvergenz heute in ganz andere Diskussions-Zusammenhänge als das offenbar noch vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten der Fall war. In welchem Jahrhundert leben wir denn?
Wer braucht denn heute noch "Homologie-Beweise", um an die Evolution zu "glauben". Mit derartigen flachen Argumentationsmustern begibt man sich doch auf das intellektuelle Niveau von Evolutions-Leugnern herab.
Heute muß man so ungefähr so argumentieren: Ja, auch Konvergenzen weisen darauf hin, daß wir noch längst nicht alles an Gesetzmäßigkeiten, Kausalzusammenhängen im evolutiven Geschehen kennen, als daß so manche Dogmatiker des Neodarwinismus über so viele Jahrzehnte hinweg meinten, so apodiktisch und ex cathedra in die Welt hinein verkünden zu müssen.
Daß jetzt als Alternative nur Intelligent Design und "Sieben Tage" übrig blieben, würde ich einfach für einen langweiligen Diskussionsansatz halten. Da ist ja sogar der Kardinal Schönborn schon weiter. GAR so dumm sind nämlich dessen derzeit gerade zweiwöchentlich abgehaltene "Katechesen über Evolution und Schöpfung" keineswegs. Wenn mir auch viel von dem theologischen Gelaber darin auf den Senkel geht, so sind doch da auch philosophische Diskussions-Ansätze drin enthalten, die man in der bundesdeutschen (und weltweiten) Fachphilosophie-Diskussion derzeit (offenbar) (noch) lang suchen kann.
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#412360) Verfasst am: 02.02.2006, 19:56 Titel: Re: Was ist Ziel der Diskussion? |
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Erime hat folgendes geschrieben: | Heute muß man so ungefähr so argumentieren: Ja, auch Konvergenzen weisen darauf hin, daß wir noch längst nicht alles an Gesetzmäßigkeiten, Kausalzusammenhängen im evolutiven Geschehen kennen, als daß so manche Dogmatiker des Neodarwinismus über so viele Jahrzehnte hinweg meinten, so apodiktisch und ex cathedra in die Welt hinein verkünden zu müssen. |
Eigentlich kann man das Auftreten von Konvergenzen "strukturalistisch" ganz gut erklären: Aus der Entwicklungsbiologie weiß man, daß Evolution nicht über ein Formenkontinuum verlaufen kann, weil immer nur ganz bestimmte Formen tauglich sind. Das heißt, es gibt Entwicklungszwänge ("developmental constraints"), nach denen sich das Auftreten bestimmter Merkmale "verbietet". Im epigenetischen System sind mit anderen Worten latent bestimmte "Entwicklungs-Pfade" vorhanden, die genutzt werden können, während andere nicht "befahrbar" sind.
Man kann - in Anlehnung an Waddingtons Modell der "epigenetischen Landschaft" - den Weg, den die Individualentwicklung einschlagen kann, mit dem Weg einer Kugel vergleichen, die einen Abhang hinunterrollt: Je nach Struktur der Landschaft wird die Kugel in bestimmte (durch die Landschaft "vorgegebene") Kanäle buggsiert, während ihr andere Wege versperrt bleiben:
Das Ergebnis ist dann über weite Strecken eine "Kanalisierung" der Evolution: Treten bei Arten, die sich genetisch ähnlich sind, Mutationen auf, wird die Keimesentwicklung häufig in dieselben "Bahnen" gelenkt. Eine solche Erklärungsweise relativiert natürlich die Erklärung der STE, die Parallelbildungen nur auf externe Selektionsdrücke zurückführt.
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Erime registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.01.2006 Beiträge: 207
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(#412414) Verfasst am: 02.02.2006, 21:24 Titel: Re: Was ist Ziel der Diskussion? |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Erime hat folgendes geschrieben: | Heute muß man so ungefähr so argumentieren: Ja, auch Konvergenzen weisen darauf hin, daß wir noch längst nicht alles an Gesetzmäßigkeiten, Kausalzusammenhängen im evolutiven Geschehen kennen, als daß so manche Dogmatiker des Neodarwinismus über so viele Jahrzehnte hinweg meinten, so apodiktisch und ex cathedra in die Welt hinein verkünden zu müssen. |
Eigentlich kann man das Auftreten von Konvergenzen "strukturalistisch" ganz gut erklären: Aus der Entwicklungsbiologie weiß man, daß Evolution nicht über ein Formenkontinuum verlaufen kann, weil immer nur ganz bestimmte Formen tauglich sind. Das heißt, es gibt Entwicklungszwänge ("developmental constraints"), nach denen sich das Auftreten bestimmter Merkmale "verbietet". Im epigenetischen System sind mit anderen Worten latent bestimmte "Entwicklungs-Pfade" vorhanden, die genutzt werden können, während andere nicht "befahrbar" sind.
Man kann - in Anlehnung an Waddingtons Modell der "epigenetischen Landschaft" - den Weg, den die Individualentwicklung einschlagen kann, mit dem Weg einer Kugel vergleichen, die einen Abhang hinunterrollt: Je nach Struktur der Landschaft wird die Kugel in bestimmte (durch die Landschaft "vorgegebene") Kanäle buggsiert, während ihr andere Wege versperrt bleiben:
Das Ergebnis ist dann über weite Strecken eine "Kanalisierung" der Evolution: Treten bei Arten, die sich genetisch ähnlich sind, Mutationen auf, wird die Keimesentwicklung häufig in dieselben "Bahnen" gelenkt. Eine solche Erklärungsweise relativiert natürlich die Erklärung der STE, die Parallelbildungen nur auf externe Selektionsdrücke zurückführt. |
SCHÖNE Antwort, vielen Dank. Können Sie dazu noch ein paar Literatur-Angaben machen (Waddington?). Ich weiß, der Conway Morris erwähnt das auch irgendwo. Und jetzt hat er zusammen mit der John Templeton Foundation ein Forschungsprogramm aufgelegt, daß den Ursachen der Evolution von Komplexität auf den Grund gehen soll. Ich GLAUBE, daß es "so ungefähr" so gegangen sein muß.
Allerdings kommen auch Zweifel: Der Säbelzahntiger ist zwei oder mehrmals unabhängig voneinander evoluiert. Soll man glauben, daß so "extravagante" Sachen "nur" aufgrund von "developmental constraints" oder von ökologischen constraints hervorgerufen worden sind?
Ich würde da eher solche Theorien mit in das Erklärungspotential mit einbeziehen wollen wie die Handicap-Theorie, die Extravaganzen ("Handicap's") in der Evolution ja ganz anders erklärt. Also weniger durch constraints, sondern eher durch irgendein "Spiel der Möglichkeiten", ein Buch von Eckart Voland heißt: "Angeber haben mehr vom Leben". Also hatte der Säbelzahntiger vielleicht eine evolutive "Tendenz" zum Angeben (hervorgerufen etwa durch sein Testosteron etc. pp., durch sexuelle Selektion etc. pp.). Ich habe dieses Prinzip für mich selbst auch einmal das "Übermut-Prinzip der Evolution" genannt, das "Halbstarken"-Prinzip, um mir sein Wesen zu verdeutlichen: Die Gazelle macht aus lauter Übermut ein paar überflüssige Hopser, um das sie verfolgende Raubtier darauf hinzuweisen: Ich bin voll gesund, erspar dir die Verfolgung, dann spare ich mir langes Herumlaufen (so ja die Argumentation von Zahavi).
Und ich bin in meiner persönlichen Philosophie da schon noch viel weiter gegangen in diesen Schlußfolgerungen aus dem Handicap-Prinzip (müßte natürlich ausführlicher erläutert werden): Warum ist etwas und nicht vielmehr nicht nichts? Antwort (nachdem man das durchgecheckt hat, WAS alles an Merkmalen möglicherweise aufgrund dieses Prinzips evoluiert ist [Hirschgeweih, Hoden außerhalb des Körpers und SO viele Sachen, die einfach höchstgradig "unnütz" sind, wie vielleicht das ganze Leben, wie vielleicht das ganze Weltall]): Aus Übermut!
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#413604) Verfasst am: 04.02.2006, 16:52 Titel: Re: Was ist Ziel der Diskussion? |
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Erime hat folgendes geschrieben: | SCHÖNE Antwort, vielen Dank. Können Sie dazu noch ein paar Literatur-Angaben machen (Waddington?). |
Üblicherweise duzen wir uns hier...
Für den Einstieg ist ganz lesenswert:
Wuketits, F.M. (1988): Evolutionstheorien. Historische Voraussetzungen, Positionen, Kritik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt.
Wieser, W. (1994): Die Evolution der Evolutionstheorie. Von Darwin zur DNA. Heidelberg, Berlin, Oxford.
Ein paar Details zum Konzept der Kanalisierung und der "epigenetischen Landschaft" von und über Waddington findest Du in:
Waddington, C.H. (1957): The Strategy of the Genes. Geo Allen & Unwin, London.
Waddington, C.H. (1970): Der gegenwärtige Stand der Evolutionstheorie. In: Koestler, A.; Smythies, J.R. (Hrsg.): Das neue Menschenbild. Die Revolutionierung der Wissenschaften vom Leben. Wien, München, Zürich, S. 342-356.
Gibson, G.; Wagner, G. (2000): Canalization in evolutionary genetics: a stabilizing theory? BioEssays 22,372-380.
Slack, J.M.W. (2002): Conrad Hal Waddington: the last Renaissance biologist? Nat Rev Genet. 3(11), 889-95.
Erime hat folgendes geschrieben: | Allerdings kommen auch Zweifel: Der Säbelzahntiger ist zwei oder mehrmals unabhängig voneinander evoluiert. Soll man glauben, daß so "extravagante" Sachen "nur" aufgrund von "developmental constraints" oder von ökologischen constraints hervorgerufen worden sind? Ich würde da eher solche Theorien mit in das Erklärungspotential mit einbeziehen wollen wie die Handicap-Theorie, die Extravaganzen ("Handicap's") in der Evolution ja ganz anders erklärt. Also weniger durch constraints, sondern eher durch irgendein "Spiel der Möglichkeiten", ein Buch von Eckart Voland heißt: "Angeber haben mehr vom Leben". |
Was meinst Du mit "nur"? Daß die weitreichenden Parallelentwicklungen bei den frühen Landpflanzen oder die Konvergenzen beim Wolf und Beutelwolf nur durch den Druck der Umwelt entstanden sind, ist natürlich fraglich. Aber die Einbeziehung entwicklungsgbiologischer Konzepte in die STE scheint ein vielversprechender Ansatz zu sein. Dort ist nämlich das, was Du als "Spiel der Möglichkeiten" bezeichnest, explizit eingepreist. Das Buch von Voland (AFAIK ist er Soziobiologe) und die "Handicap-Theorie" kenne ich allerdings nicht, so daß ich nicht weiß, ob er unter "Spiel der Möglichkeiten" nicht etwas vollkommen anderes versteht...
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#414021) Verfasst am: 05.02.2006, 14:03 Titel: Re: Was ist Ziel der Diskussion? |
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Hi Erime!
Erime hat folgendes geschrieben: | [...] da mich das Thema Konvergenz derzeit SEHR interessiert (denn ich lese gerade Conway Morris und Dawkins - siehe meine Einlassungen im Conway Morris-Thread)].[...]
[...]Irgendwie hat mich dieser Thread hier aber unbefriedigt zurückgelassen, obwohl ich den sachkundigen Einlassungen von "Lamarck" gerne gefolgt bin (hab hier auch zum ersten mal etwas von Gutmann gehört). [...] |
Die Beteiligten schienen soweit befriedigt zu sein; bei den Unbeteiligten wird das nie so deutlich ... .
Erime hat folgendes geschrieben: | Was ist dauernd das Ziel Eurer Diskussionen? |
Dauernd? - Es gibt nicht viel, was besser ist als eine gute Diskussion ... .
Erime hat folgendes geschrieben: | Beweise dafür zu geben, daß die Evolution nicht in sieben Tagen abgelaufen ist und nicht von einem graubärtigen alten weisen Mann gesteuert worden war? Ist das ein seriöser Anspruch? |
Selbstverständlich. Aber diese Problemstellung ist nicht allzu schwer zu lösen.
Erime hat folgendes geschrieben: | Läßt man sich dadurch nicht von den wesentlichen Fragestellungen ablenken? Conway Morris und Dawkins stellen Konvergenz heute in ganz andere Diskussions-Zusammenhänge als das offenbar noch vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten der Fall war. In welchem Jahrhundert leben wir denn? |
Fragestellung ist Fragestellung; ob diese wesentlich ist, ist wiederum eine Fragestellung ... . Welche Fragestellung hältst Du denn hier für wesentlich? In welchem Jahrhundert leben Morris oder Dawkins?
Erime hat folgendes geschrieben: | Wer braucht denn heute noch "Homologie-Beweise", um an die Evolution zu "glauben". Mit derartigen flachen Argumentationsmustern begibt man sich doch auf das intellektuelle Niveau von Evolutions-Leugnern herab. |
Brauchen?! Aber lass doch mal kommen: Ist Homologie ein Beweis für Evolution? - Warum? - Warum nicht?
Erime hat folgendes geschrieben: | Heute muß man so ungefähr so argumentieren: Ja, auch Konvergenzen weisen darauf hin, daß wir noch längst nicht alles an Gesetzmäßigkeiten, Kausalzusammenhängen im evolutiven Geschehen kennen, als daß so manche Dogmatiker des Neodarwinismus über so viele Jahrzehnte hinweg meinten, so apodiktisch und ex cathedra in die Welt hinein verkünden zu müssen. |
Wer kennt schon alles von irgendetwas? Werde doch einfach mal konkreter ... .
Erime hat folgendes geschrieben: | Daß jetzt als Alternative nur Intelligent Design und "Sieben Tage" übrig blieben, würde ich einfach für einen langweiligen Diskussionsansatz halten. |
Und? - Welche Alternative hast Du denn anzubieten?
Erime hat folgendes geschrieben: | Da ist ja sogar der Kardinal Schönborn schon weiter. GAR so dumm sind nämlich dessen derzeit gerade zweiwöchentlich abgehaltene "Katechesen über Evolution und Schöpfung" keineswegs. Wenn mir auch viel von dem theologischen Gelaber darin auf den Senkel geht, so sind doch da auch philosophische Diskussions-Ansätze drin enthalten, die man in der bundesdeutschen (und weltweiten) Fachphilosophie-Diskussion derzeit (offenbar) (noch) lang suchen kann. |
Das ist doch nicht Dein Ernst! Von welchen Diskussions-Ansätzen sprichst Du? Organisiert sich Materie denn nicht selbst? Ist die Komplexität des Lebens kein Zufallsprozess?
Die genannten Katechesen sind bsw. hier zu finden: http://stephanscom.at/evolution/0
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
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„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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gavagai registrierter User
Anmeldungsdatum: 24.01.2005 Beiträge: 413
Wohnort: Wasserburg
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(#414054) Verfasst am: 05.02.2006, 14:45 Titel: Re: Was ist Ziel der Diskussion? |
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Hi Lamarck,
danke für den Link. Es kann schon schlimm sein, wenn sich Theologen zur Naturwissenschaft äussern. In der Wissenschaft ist Fanatasie und Intuition gefragt zum Aufspüren von Zusammenhängen, neuen Erklärungen etc. Aber man sollte eigene Wissenslücken nur ganz vorsichtig und unverbindlich durch eigene Fantasie und Glauben auffüllen. Und nie sollte man diese Fantasien dann als für andere als lesenswert oder gar verbindlich erklären. Genau das tut Schönborn.
_________________ Servus, tschau, bye
Herbert
http://www.gavagai.de
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Erime registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.01.2006 Beiträge: 207
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(#415688) Verfasst am: 07.02.2006, 21:41 Titel: Re: Was ist Ziel der Diskussion? |
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Hallo Lamarck,
Du wünschst, daß ich "konkreter" werde und fragst, welches Thema ich für wesentlich halte. Ich halte das Thema "Zielgerichtetheit" der Evolution für wesentlich genauso wie das Simon Conway Morris, Kardinal Schönborn und - - - Richard Dawkins tun. Richard Dawkins schreibt in "The Ancestor's Tale" im letzten Kapitel, nachdem er sich mit "Life's Solution" von Conway Morris auseinandergesetzt hatte: "The idea that all evolution was aimed at producing Homo sapiens was certainly well rejected, and nothing we have seen on our backwards journey reinstates it. Even Conway Morris claims only that something approximately" (letztes Wort kursiv) "similar to our kind" (kursiv) " of animal is one of several outcomes - others being insects, for example - that we would expect to see recurring if evolution were rerun again and again."
Also Richard Dawkins weist die These zurück, daß ALLE Evolution "nur" darauf ausgerichtet war, Homo sapiens hervorzubringen. Ich weiß nicht, wer diese These aufgestellt hat, Dawkins nennt keine Namen. Vielleicht baut er hier auch nur rhetorisch eine Strohpuppe auf, die er umstoßen kann, damit nicht so deutlich hervortritt, was er STEHEN läßt. Er läßt STEHEN (so ungefähr - als möglich): ZIEL der Evolution war, all das hervorzubringen, WAS sie hervorgebracht hat, darunter auch so etwas Ähnliches wie den Menschen. DAS sagt Richard Dawkins. Also nicht mehr der ungesteuerte, zufällige Prozeß des S.J. Gould, sondern im Grunde genommen ein ungeheuer stark "vorgebahnter", "vorgeleiteter" Prozeß. Dawkins sagt selbst, daß es ihn überrascht hat, bei Conway Morris zum Beispiel zu erfahren, daß alle Eigenschaften, die Insekten ausmachen, unabhängig voneinander mehrmals evolutiert sind, daß es also der Evolution irgendwie drauf ankam, Insekten hervorzubringen, und daß bei einem wiederholten Ablauf von Evolution "wahrscheinlich" wieder Insekten entstehen würden.
Das ist ein VÖLLIG neues Bild der Evolution. Bisher glaubte man, ob Insekten oder Vögel oder Dinosaurier, das ist alles den mehr oder weniger willkürlichen Zufällen des Klimas, der Kontintentalverschiebungen, neuerdings ja der Asteorideneinschläge und so vielen anderen Umständen geschuldet. Warum sollten "notwendigerweise" Insekten entstehen oder Säbelzahntiger? Ist das nicht absurd? Aber genau diese Dinge glauben Conway Morris und - wohlwollend distanziert - Dawkins aus der Naturgeschichte ablesen zu können.
Wenn ich von "Strohpuppe" und "Stehen Lassen" spreche, so ist doch da implizit enthalten, daß hier Themenbereiche und Argumentationsmuster neu entfaltet werden, die möglicherweise (ich maße mir da keinen Überblick an) bisher noch niemals jemand (oder wenige? - Waddington?) gründlicher zu Ende gedacht haben. Man redet leicht - wie Schönborn - von "Zielgerichtetheit". Aber was ist denn "zielgerichtet"? Nur der Mensch? Oder die Kellerassel? Warum hätte die Evolution auf die Kellerassel hinauswollen sollen? Das kann doch nur ein Zufallsprodukt sein. - Aber möglicherweise ist genau das nicht der Fall.
Es passiert uns leicht, daß uns das Staunen abhanden kommt. Aber gesetzt, der Conway Morris hat recht und es würde die Evolution auf einem anderen Planeten nicht wesentlich anders ablaufen als auf unserer Erde (da möglicherweise die "developmental constraints" ???) dieses Weltalls schon von vornherein so angelegt waren - ja???, keine Ahnung? -, daß auf irgend so'nem Planeten in diesem Weltall Kellerasseln ihr Leben fristen, müßte man dann nicht sagen, daß das Weltall, in dem wir leben, ein recht "spezielles" ist?
Und das ganz unabhängig davon, ob ich jetzt alle "developmental constraints" irgendwann zu 100 % wissen werde oder nicht, bzw. dann den Anteil von "Spiel" in all den "Notwendigkeiten" vielleicht noch etwas genauer als heute abschätzen kann.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#415694) Verfasst am: 07.02.2006, 21:45 Titel: |
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Du liest grundsätzlich nur zwischen Zeilen?
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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gavagai registrierter User
Anmeldungsdatum: 24.01.2005 Beiträge: 413
Wohnort: Wasserburg
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(#415722) Verfasst am: 07.02.2006, 22:21 Titel: Re: Was ist Ziel der Diskussion? |
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Erime hat folgendes geschrieben: | Ich halte das Thema "Zielgerichtetheit" der Evolution für wesentlich genauso wie das Simon Conway Morris, Kardinal Schönborn und - - - Richard Dawkins tun. |
Richtig. Das Thema ist wichtig. Es ist leicht abzuhandeln: es gibt keine Zielgerichtetheit in der Evolution. Wie ja auch der von dir zitierte Dawkins richtig bemerkt.
Ziele muss jemand vorgeben (setzen). Wer sollte das hier sein?
Wo sieht man ein Ziel in der Welt (im Sinne der Evolution)? Nirgends.
Wir haben diese Strohpuppe (wie du richtig bemerkst) also sofort in Grund und Boden versenkt. Diese Strohpuppe wird nur von Theisten vorgebracht. Denn wenn es ein Ziel gäbe, dann auch einen Zielsetzer (und den identifizieren jene - wohl zurecht - mit Gott). Nur leider, Pech für die Theisten: ein Ziel ist breit und weit nicht zu sehen.
_________________ Servus, tschau, bye
Herbert
http://www.gavagai.de
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Erime registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.01.2006 Beiträge: 207
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(#415729) Verfasst am: 07.02.2006, 22:29 Titel: |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | Du liest grundsätzlich nur zwischen Zeilen?  |
SCHÖNE Frage! Nächste Frage!
Ne, man muß natürlich den Gesamtzusammenhang des Kapitels gelesen haben, dann wird klar, daß ich nicht ALLZU sehr zwischen den Zeilen gelesen habe. Ich sagte ja schon, Dawkins kommt mir irgendwie "wohlwollend distanziert" vor, aber die Argumente bringt er ziemlich klar und eindeutig.
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Erime registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.01.2006 Beiträge: 207
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(#415739) Verfasst am: 07.02.2006, 22:42 Titel: Re: Was ist Ziel der Diskussion? |
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gavagai hat folgendes geschrieben: | Erime hat folgendes geschrieben: | Ich halte das Thema "Zielgerichtetheit" der Evolution für wesentlich genauso wie das Simon Conway Morris, Kardinal Schönborn und - - - Richard Dawkins tun. |
Richtig. Das Thema ist wichtig. Es ist leicht abzuhandeln: es gibt keine Zielgerichtetheit in der Evolution. Wie ja auch der von dir zitierte Dawkins richtig bemerkt.
Ziele muss jemand vorgeben (setzen). Wer sollte das hier sein?
Wo sieht man ein Ziel in der Welt (im Sinne der Evolution)? Nirgends.
Wir haben diese Strohpuppe (wie du richtig bemerkst) also sofort in Grund und Boden versenkt. Diese Strohpuppe wird nur von Theisten vorgebracht. Denn wenn es ein Ziel gäbe, dann auch einen Zielsetzer (und den identifizieren jene - wohl zurecht - mit Gott). Nur leider, Pech für die Theisten: ein Ziel ist breit und weit nicht zu sehen. |
Ich habe das Gefühl, Du hast mein Posting nicht gründlich, sondern SEHR oberflächlich gelesen. (Ist eben DOCH merkwürdig, daß man hier dauernd immer nur die 7-Tage-These zum 8.975ten male in Grund und Boden zerstören will.) Die Strohpuppe bezog sich auf "nur" Menschen, was stehen blieb, waren Menschen und Kellerasseln. - - - Im übrigen finde ich das - fast - eine lächerliche Aussage: Warum muß "jemand" ein Ziel vorgeben? Wer definiert "Zielgerichtetheit"? Dieses Weltall war und ist sehr speziell. Man kann daraus philosophisch ableiten, daß es bezweckt gewesen ist, daß es - unter anderem - das Ziel hatte, Kellerasseln hervorzubringen. Ich kann nicht sagen: "Jemand" hat diesen Zweck, dieses Ziel gesetzt - wer soll denn dieses "jemand" sein? Das krümelnde Spagettimonster? Das ist theologisches Geschwätz, nicht Philosophie.
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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#415742) Verfasst am: 07.02.2006, 22:44 Titel: |
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Wie muss ein Weltall aussehen um allgemein und nicht speziell zu sein?
_________________ Trish:(
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