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Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
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(#446643) Verfasst am: 07.04.2006, 09:35 Titel: |
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Man braucht kein bestimmtes Menschenbild. Anarchist/innen gehen weder von einem guten noch von einem schlechten Menschen aus. Gerade wenn Menschen nicht gut sind braucht man politische Strukturen, die verhindern, dass einige dieser schlechten Menschen Macht über andere bekommen.
Ich denke, dass Menschen vor allem Kulturwesen sind. Wir werden in eine Gesellschaft hinein geboren, und durch diese geprägt. Wir übernehmen Werte und Vorstellungen, und die meisten Menschen entwickeln das Bedürfnis "gut" zu sein. Einige Menschen entwickeln die Fähigkeit über das was sie kennen hinaus weiter zu denken und etwas neues zu "sehen".
Da wir soziale Wesen sind, und elementar abhängig davon in einer Gruppe zu leben sind wir auch nicht im klassischen Sinn egoitisch:
1. brauchen wir die Gruppe, was dazu führt, dass sich Menschen im Sinne der Gruppe verhalten (das wir schwierig wenn die Gruppe zu groß und unübersichtlich wird, aber in kleinen Gruppen klappt das recht gut). Altruismus stärkt Gruppen.
2. birgt Altruismus mehr Glückspotential. Menschen die sehr auf sich bezogen sind, sind oft auch unzufrieden. Wer sich für andere freuen kann, hat mehr Grund sich zu freuen.
So gesehen kann man natürlich alles zu Egoismus umdeuten, aber das ist egal, weil die Handlungen und ihre Wirkungen gleich sind, ob sie nun aus Egoismus oder Altruismus entstehen.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#446965) Verfasst am: 07.04.2006, 16:05 Titel: |
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Shevek hat folgendes geschrieben: | Man braucht kein bestimmtes Menschenbild. Anarchist/innen gehen weder von einem guten noch von einem schlechten Menschen aus. Gerade wenn Menschen nicht gut sind braucht man politische Strukturen, die verhindern, dass einige dieser schlechten Menschen Macht über andere bekommen.
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ich glaub da machst du es dir zu leicht. aber du beantwortest es ja selbst: politische strukturen die machtmissbrauch verhindern. und was ist mit machgebrauch?
Shevek hat folgendes geschrieben: |
Ich denke, dass Menschen vor allem Kulturwesen sind. Wir werden in eine Gesellschaft hinein geboren, und durch diese geprägt. Wir übernehmen Werte und Vorstellungen, und die meisten Menschen entwickeln das Bedürfnis "gut" zu sein. Einige Menschen entwickeln die Fähigkeit über das was sie kennen hinaus weiter zu denken und etwas neues zu "sehen".
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im ersteren stimme soweit zu. doch woher willst du wissen das menschen das bedürfnis entwickeln "gut" zu sein?! seit der seßhaftwerdung und dem anlegen von vorräten gibt es etwas neues: die gier! sie beinhaltet nicht nur den wunsch mehr (z.b. korn, wasser,etc.) zu haben, um in schlechten zeiten davon zehren zu können, sondern dieses mehr dem nachbardorf, dem man weniger nahesteht als dem eigenen, zu klauen. solange kein mangel an gütern besteht, kann man sich solidarität leisten. wenn nicht, wirds schwierig. hinzu kommen mmn. stellvertreterkonflikte für die güterkonflikte: sprach/kultur/religions oder ideologieunterschiede etc. die auf chauvinistisch/rassistische weise übersteigert werden und so selbst neue ursache für konflikte werden können.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Da wir soziale Wesen sind, und elementar abhängig davon in einer Gruppe zu leben sind wir auch nicht im klassischen Sinn egoitisch:
1. brauchen wir die Gruppe, was dazu führt, dass sich Menschen im Sinne der Gruppe verhalten (das wir schwierig wenn die Gruppe zu groß und unübersichtlich wird, aber in kleinen Gruppen klappt das recht gut). Altruismus stärkt Gruppen.
2. birgt Altruismus mehr Glückspotential. Menschen die sehr auf sich bezogen sind, sind oft auch unzufrieden. Wer sich für andere freuen kann, hat mehr Grund sich zu freuen.
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doch wir sind egoistisch. nur innerhalb einer familie wird der persönlich durch den familiären egoismus ersetzt, bzw. man erweitert ihn auf die familie. dies kann sich dann auch auf eine dorfgemeinschft beziehen und ist dann altruismus, wie du ja geschrieben hast.
deinen beiden punkten stimme ich zu. daher funktioniert anarchismus mmn nur in kleinen gruppen/lebensgemeinschaften. im übrigen bin ich der meinung, das viele familien, in denen es keine patriarchale oder matriarchale herrschaft gibt, anarchie herrscht, die bestens funktioniert!
bemerkenswerterweise wissen es diese familien nicht einmal und haben kein theoretisches konzept dahinter: sie leben es einfach!
ich bin der überzeugung, das ein basisdemokratisches system besser ist als ein anarchistisches, weil nicht jeder mensch das bedürfnis hat politisch aktiv zu sein, erst recht wenn alles gut läuft. es ist einfach anstrengend, immer zu allem sein "ja" oder "nein" abgeben zu müssen, und daher sind entscheidungsbefugte delegierte in meinen augen besser als simple "sprecher".
mechanismen um machtmissbrauch der delegierten zu verhindern sind natürlich notwendig.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
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(#447193) Verfasst am: 07.04.2006, 22:19 Titel: |
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L.E.N.|Propagandhi hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Man braucht kein bestimmtes Menschenbild. Anarchist/innen gehen weder von einem guten noch von einem schlechten Menschen aus. Gerade wenn Menschen nicht gut sind braucht man politische Strukturen, die verhindern, dass einige dieser schlechten Menschen Macht über andere bekommen.
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ich glaub da machst du es dir zu leicht. aber du beantwortest es ja selbst: politische strukturen die machtmissbrauch verhindern. und was ist mit machgebrauch? |
Nach Anarchistischer Lesart ist Machtgebrauch auch Machtmissbrauch.
Aber ehe wir uns missverstehen und du etwas ganz anderes meinst, als ich: Was verstehst du unter Machtgebrauch?
L.E.N.|Propagandhi hat folgendes geschrieben: | woher willst du wissen das menschen das bedürfnis entwickeln "gut" zu sein?! |
Schlichte Beobachtung meiner Umgebung.
Wie kommen denn Menschen dazu Geld für humanistische Zwecke zu spenden, anderen zu helfen, und wenn sie etwas tun, was eben hart und nicht gut ist, dies auf eine höhere Instanz zu schieben?
Interessanterweise sind Menschen dann zu den schlimmsten Untaten bereit, wenn sie der Meinung sind für "das Gute" zu kämpfen.
L.E.N.|Propagandhi hat folgendes geschrieben: | seit der seßhaftwerdung und dem anlegen von vorräten gibt es etwas neues: die gier! sie beinhaltet nicht nur den wunsch mehr (z.b. korn, wasser,etc.) zu haben, um in schlechten zeiten davon zehren zu können, sondern dieses mehr dem nachbardorf, dem man weniger nahesteht als dem eigenen, zu klauen. solange kein mangel an gütern besteht, kann man sich solidarität leisten. wenn nicht, wirds schwierig. hinzu kommen mmn. stellvertreterkonflikte für die güterkonflikte: sprach/kultur/religions oder ideologieunterschiede etc. die auf chauvinistisch/rassistische weise übersteigert werden und so selbst neue ursache für konflikte werden können. |
Diese Gier in diesem Maße findet man in anderen Kulturbereichen deutlich weniger stark, als in Europa. Das sagt ja auch nicht, dass Menschen nicht gut sein wollen.
L.E.N.|Propagandhi hat folgendes geschrieben: |
doch wir sind egoistisch. nur innerhalb einer familie wird der persönlich durch den familiären egoismus ersetzt, bzw. man erweitert ihn auf die familie. dies kann sich dann auch auf eine dorfgemeinschft beziehen und ist dann altruismus, wie du ja geschrieben hast. |
Man kann es auch auf alle Menschen beziehen. Es gibt Menschen, die altruistisch gegenüber Fremden handeln. Und solches handeln ist (mMn) wünschenswert.
L.E.N.|Propagandhi hat folgendes geschrieben: | deinen beiden punkten stimme ich zu. daher funktioniert anarchismus mmn nur in kleinen gruppen/lebensgemeinschaften. im übrigen bin ich der meinung, das viele familien, in denen es keine patriarchale oder matriarchale herrschaft gibt, anarchie herrscht, die bestens funktioniert!
bemerkenswerterweise wissen es diese familien nicht einmal und haben kein theoretisches konzept dahinter: sie leben es einfach! |
Man kann große Gruppen so organisieren, dass sie aus lauter kleinen Gruppe bestehen.
L.E.N.|Propagandhi hat folgendes geschrieben: | ich bin der überzeugung, das ein basisdemokratisches system besser ist als ein anarchistisches, weil nicht jeder mensch das bedürfnis hat politisch aktiv zu sein, erst recht wenn alles gut läuft. es ist einfach anstrengend, immer zu allem sein "ja" oder "nein" abgeben zu müssen, und daher sind entscheidungsbefugte delegierte in meinen augen besser als simple "sprecher".
mechanismen um machtmissbrauch der delegierten zu verhindern sind natürlich notwendig. |
Das anarchistische Rätesystem ist basisdemokatisch, und niemand wird gezwungen mit zu entscheiden. Es darf nur niemand davon abgehalten werden über die eigenen Belange zu entscheiden. Einen Sprecher zu wählen, der entscheidungsbefugt ist, ist doch nicht mehr Basisdemokratisch.
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Cato Der Freund der Bösen
Anmeldungsdatum: 13.08.2005 Beiträge: 970
Wohnort: Wolkenkuckucksheim
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(#448863) Verfasst am: 10.04.2006, 05:44 Titel: |
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Shevek hat folgendes geschrieben: | Es sind keine Antipoden, es sei denn du siehst Gesellschaft grundsätzlich als hierarchisches Konstrukt. Das habe ich auch schon einige Male geschrieben.
Beispiele? Das Rätesystem ist denke ich klassisch. http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A4terepublik
Dabei ist wichtig, dass die Deligierten weisungsgebunden sind. Sie können nicht frei entscheiden, sondern müssen nach dem Handeln, was ihnen von ihrer Gruppe aufgetragen wurden, die sie ja vertreten. |
Das wäre dann eine Spielart der direkten Demokratie, eigentlich eine Herrschaft der Mehrheit da die Mehrheit ja niemals das ganze Volk darstellt; du hast also immer einen Prozentsatz von Menschen, die mit der Entscheidung der Masse nicht einverstanden sind – und somit keine Anarchie, da diese Minderheit sich dem Willen der Mehrheit zu beugen hat. Außerdem sind solche Systeme nur in begrenzten Räumen möglich; in einem Stadtstaat beispielsweise aber nicht im modernen, großflächigen Territorialstaat.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Die Frage ist doch, wo die Regeln herkommen, wer hat sie gemacht? Und wer kann/wie kann man sie ändern? Regeln die von den Betroffenen aufgestellt wurden bedeuten keine instutionalisierte Herrschafft, sondern eben nur, dass Leute sich entschieden haben diese Regeln einzuhalten. |
Verwechselst du hier nicht Demokratie mit Anarchie – zumindest ich definiere Letztere als das Fehlen staatlicher Institutionen und so eine ist eben auch und gerade jede basisdemokratische Volksversammlung.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Anarchie ist eine politische Utopie, keine psychologische, folglich geht es um politische, strukturelle Zwänge. Eine Gesellschaft kann so aufgebaut sein, dass sie Herrschaft festigt, oder dass sie Herrschaft schwächt. Den zweiten Fall streben Anarchist/innen an.
Regeln und Organisationen können auch Herrschaft entgegenwirken, wenn sie z.B. dafür sorgen, dass Informationen an alle weitergeleitet werden, oder dass Machtpositionen wechseln oder möglichst nicht entstehen (Bsp.: Gesetze gegen Monopolbildungen in der Wirtschaft). |
Aber die Anarchie strebt doch die Abschaffung aller politischen Strukturen an und du sprichst hier von den Grundvoraussetzungen einer egalitären Demokratie, in der es kaum Unterschiede zwischen den einzelnen Bürgern geben sollte. "Herrschaft" ist also bei dir auf die herausragende Stellung einzelner Inhaber von Machtpositionen und materieller Ressourcen gegenüber der Masse zu verstehen, richtig?
Shevek hat folgendes geschrieben: | Kommt darauf an, wie du Gesetz und Gericht definierst. Gewisse Regeln in einem Konflickt einzuhalten ist nicht unanarchistisch, und auch ein Gericht kann nach anarchistischen Prinzipien funktionieren, wenn es sich z.B. als Schiedsgericht versteht.
Es hat auch niemand behauptet, Anarchismus sei frei von Konflickten und Alleinseeligmachend. Das ist kein politisches System. Aber würde es nicht reichen, dass es besser als das bestehende sei?
Oder willst du nun behaupten, so wie es ist, ist es perfekt? |
Das Gegenwärtige bleibt weit hinter der attischen Demokratie oder der römischen Republik zurück und ist in vielerlei Art verbesserungswürdig; allerdings warne ich dich, die Früchte einer basisdemokratischen Umgestaltung könnten gänzlich andere sein – Herodot merkt nicht zu Unrecht an, dass Athen unter der Herrschaft der Tyrannen keinem seiner Nachbarn gewachsen war, unter der Volksherrschaft aber zum führenden Staat Griechenlands aufgestiegen ist. Oder um es mit den Worten des Thukydides zu sagen:
Zitat: | (...)Habt ihr denn je bedacht, wie diese Athener sind, gegen die der Kampf gehen wird, und wie sehr, wie in allem das Gegenteil von euch? Sie sind Neuerer, leidenschaftlich, Pläne auszudenken und Beschlossenes wirklich auszuführen, ihr aber, das Bestehende zu bewahren, ja nichts neu zu erfinden und im Handeln auch das Notwendige nicht zu erfüllen. Und wiederum sind sie Draufgänger über ihre Macht, waghalsig über jede Vernunft und in Nöten hoffnungsvoll; eure Art aber ist, weniger zu tun als ihr Macht habt, der Vernunft trotz aller Sicherheit nicht zu trauen und aus Nöten keine Befreiung mehr zu erwarten. Und immer gehen sie frisch ans Werk gegenüber euch Zauderern, sind Weltfahrer gegen euch Nesthocker; die einen glauben eben, in der Ferne etwas zu gewinnen, und ihr, durch Fortgehen noch das Vorhandene zu gefährden. Siegreich, verfolgen sie ihre Feinde bis zum letzten Ende. geschlagen, fallen sie nur kaum zurück. Ihre Leiber verschwenden sie, als wären sie ihnen fremd, für ihre Stadt, aber ihren ganzen Geist nehmen sie zusammen, etwas für sie zu tun. Einen nicht durchgeführten Anschlag empfinden sie, als hätten sie vom Eigentum eingebüßt, aber jede Eroberung, als sei ihnen nur ein erster Anfang gelungen; wenn ihnen gar – selten genug – ein Versuch fehlschlägt, so schließen sie die Lücke schnell durch eine neue Hoffnung – denn bei ihnen ist es gleich, ob sie haben oder hoffen, was sie sich vorgenommen, weil sie jeden Beschluss so rasch ins Werk setzen. Und mit all dem plagen sie sich unter Mühen und Gefahren ein Leben lang und genießen kaum, was sie haben, weil sie immer nur erwerben, von keinem anderen Fest wissen, als das gerade Nötige zu tun, und gelassene Muße für kein minderes Unglück halten als die geschäftige Mühsal. Wer also mit einem Wort sagen wollte, sie seien geschaffen, selbst keine Ruhe zu haben und den anderen Menschen auch keine zu lassen, der spräche Recht. |
Nebenbei fragt sich natürlich, wie das Gerichtswesen neu organisiert werden soll? Geschworene, wie in den Vereinigten Staaten, oder durch das Los bestimmte Laienrichter, wie in Athen?
Shevek hat folgendes geschrieben: | Stimmt, anarchistische Gesellschaften sind dezentral organisiert, bzw. sollten es sein um zu funktionieren.
Interessant ist zu dem Thema Herrschaftsentwicklung: Kannibalen und Könige von Marvin Harris |
Hm, solange es nur anarchistische Staaten gibt, stellen diese keine Gefahr dar, gegen eine übermächtige Despotie allerdings wäre ein größeres, staatliches Gebilde von Nutzen, das in der Lage die Ressourcen seiner einzelnen Glieder zu bündeln...
_________________ Im Übrigen bin ich dafür, dass der Monotheismus zerstört werden muss.
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Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
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(#454333) Verfasst am: 18.04.2006, 11:13 Titel: |
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Cato hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Es sind keine Antipoden, es sei denn du siehst Gesellschaft grundsätzlich als hierarchisches Konstrukt. Das habe ich auch schon einige Male geschrieben.
Beispiele? Das Rätesystem ist denke ich klassisch. http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A4terepublik
Dabei ist wichtig, dass die Deligierten weisungsgebunden sind. Sie können nicht frei entscheiden, sondern müssen nach dem Handeln, was ihnen von ihrer Gruppe aufgetragen wurden, die sie ja vertreten. |
Das wäre dann eine Spielart der direkten Demokratie, eigentlich eine Herrschaft der Mehrheit da die Mehrheit ja niemals das ganze Volk darstellt; du hast also immer einen Prozentsatz von Menschen, die mit der Entscheidung der Masse nicht einverstanden sind – und somit keine Anarchie, da diese Minderheit sich dem Willen der Mehrheit zu beugen hat. Außerdem sind solche Systeme nur in begrenzten Räumen möglich; in einem Stadtstaat beispielsweise aber nicht im modernen, großflächigen Territorialstaat. |
Nicht unbedingt.
Wenn die Räte organisieren und nicht regieren, dann nicht.
Die Minderheit kann weiter machen was sie will, und eventuell auch eigene Räte bilden um sich nun zu organisieren. Gerade im Zeitalter des Internet ist da einiges möglich.
Anarchie ist eine Spielart der direkten Demokratie.
Cato hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Die Frage ist doch, wo die Regeln herkommen, wer hat sie gemacht? Und wer kann/wie kann man sie ändern? Regeln die von den Betroffenen aufgestellt wurden bedeuten keine instutionalisierte Herrschafft, sondern eben nur, dass Leute sich entschieden haben diese Regeln einzuhalten. |
Verwechselst du hier nicht Demokratie mit Anarchie – zumindest ich definiere Letztere als das Fehlen staatlicher Institutionen und so eine ist eben auch und gerade jede basisdemokratische Volksversammlung. |
Was ist für dich eine staatliche Institution?
Was ist für dich Staat?
Und was ist für dich Demokratie?
eine basisdemokratische Volksversammlung wäre durchaus anarchistisch.
Cato hat folgendes geschrieben: |
Aber die Anarchie strebt doch die Abschaffung aller politischen Strukturen an |
Nein: Anarchie strebt die Abschaffung aller politischen MACHTstruckturen an. Nicht jede Struktur basiert auf Hierarchie. Auch Anarchistische Gesellschaften organisieren sich.
Cato hat folgendes geschrieben: | und du sprichst hier von den Grundvoraussetzungen einer egalitären Demokratie, in der es kaum Unterschiede zwischen den einzelnen Bürgern geben sollte. |
Exakt, und das wäre eine mögliche Form der Anarchie - wenn es auf Konsens und nicht auf Mehrheitsprinzip ausgerichtet ist, und wenn die Minderheit die Möglichkeit hat ihren eigenen Kram zu machen.
Cato hat folgendes geschrieben: | "Herrschaft" ist also bei dir auf die herausragende Stellung einzelner Inhaber von Machtpositionen und materieller Ressourcen gegenüber der Masse zu verstehen, richtig? |
Nein, Herrschaft muss nicht individuell sein. Sie kann strukturell sein, und sehr verdeckt. Es kann sogar soweit gehen, dass niemand eine direkte "Machtposition" innehat, aber trotzdem alle einander beherrschen. Sie kann auch von einer Gruppe oder Klasse aufübt werden.
Materieller Reichtum, der besonders heraussticht hat erst dann etwas mit Herrschaft zu tun, wenn man dadurch andere unter den eigenen Willen zwingen kann. Das aber ist erst dann der Fall, wenn man etwas kontrolliert, an dem es sonst Mangel gibt, und was die anderen dringend benötigen. (Z.B. Wasser in Wüstengebieten: Hier bedeutet die Kontrolle über ein großes Wasserresservoir Macht, in Ländern mit viel Süßwasser ist es völlig egal.)
Cato hat folgendes geschrieben: |
Das Gegenwärtige bleibt weit hinter der attischen Demokratie oder der römischen Republik zurück und ist in vielerlei Art verbesserungswürdig; |
Du erwartest doch nicht von mir, dass ich Staaten, die Frauen das Wahlrecht vorenthielten, als Demokratien anerkenne.
Ich habe auch nie geschrieben, dass Deutschland sonderlich demokratisch ist. Ich nenne das: "Wahloligarchie". Allerdings ist der Anteil der wahlberechtigten Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung deutlich größer, als in Griechenland und Rom.
Cato hat folgendes geschrieben: | allerdings warne ich dich, die Früchte einer basisdemokratischen Umgestaltung könnten gänzlich andere sein – Herodot merkt nicht zu Unrecht an, dass Athen unter der Herrschaft der Tyrannen keinem seiner Nachbarn gewachsen war, unter der Volksherrschaft aber zum führenden Staat Griechenlands aufgestiegen ist. |
Wieso sollte das gegen eine Basisdemokratie sprechen? Oder, was willst du damit sagen?
Cato hat folgendes geschrieben: | Nebenbei fragt sich natürlich, wie das Gerichtswesen neu organisiert werden soll? Geschworene, wie in den Vereinigten Staaten, oder durch das Los bestimmte Laienrichter, wie in Athen? |
Dazu gibt es einiges an Literatur. Ich kann ja mal sehen, ob ich was im Netz finde.
Cato hat folgendes geschrieben: |
Hm, solange es nur anarchistische Staaten gibt, stellen diese keine Gefahr dar, gegen eine übermächtige Despotie allerdings wäre ein größeres, staatliches Gebilde von Nutzen, das in der Lage die Ressourcen seiner einzelnen Glieder zu bündeln... |
Dezentrale Organisation widerspricht nicht einer großen Organisation. Anarchisten sind Weltweit organisiert, aber dabei trotzdem dezentral.
Grüße
Shevek
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Xamanoth auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.04.2006 Beiträge: 7962
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(#454338) Verfasst am: 18.04.2006, 11:24 Titel: |
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'Wer sind eigentlich die großen anarchistischen Denker? STirner und Bakunin, die da am ehesten in Frage kommen, kenne ich bisher nur aus Zusammenfassungen. Kann mir jemand sagen, welches Werk da zum Einstieg geeignet wäre?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44698
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(#454346) Verfasst am: 18.04.2006, 11:39 Titel: |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Wer sind eigentlich die großen anarchistischen Denker? |
Da kann man einige nennen. Stirner und Bakunin hast du ja schon aufgezählt. Andere nennenswerte Autoren wären Kropotkin, Berkmann oder Proudhon. Auch Marx kann man durchaus zu den 'anarchistischen' Denkern zählen, obwohl er sich selbst nicht so genannt hätte. Anarchistische Ideen findet man teilweise auch bei Bertrand Russell. Moderne Ansätze findet man z.B. bei Noam Chomsky, Paul Kingsnorth oder in der Theorie der Chiapas-Revolution, die ja hier schon mehrfach genannt wurde. Auch Robert Anton Wilson, der unter den Anarchisten in den USA sehr beliebt ist, ist einen Blick wert, obwohl er nicht durchgehend anarchistische Positionen vertritt. Auch gewisse avantgardistische Bewegungen, die auf eine Ästhetisierung des Alltags zielten, könnte man als anarchistisch beeinflusst bezeichnen, z.B. die sogenannte Situationistische Internationale.
(Mein Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.)
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
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(#454368) Verfasst am: 18.04.2006, 12:37 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Wer sind eigentlich die großen anarchistischen Denker? |
(.....)
(Mein Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.) |
Darum mache ich weiter:
Murray Bookchin, als moderner Anarchist.
Zum Einstieg finde ich von Stohwasser, Freiheit pur gut. Das ist allerdings mehr eine Zusammenfassung.
Und von den Klassikern:
Erich Mühsam und Emma Goldmann.
(Auch meine Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, diese finde ich nur besonders wichtig.)
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Auch Marx kann man durchaus zu den 'anarchistischen' Denkern zählen |
Wie das?
Grüße
Shevek
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44698
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(#454369) Verfasst am: 18.04.2006, 12:39 Titel: |
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Shevek hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Auch Marx kann man durchaus zu den 'anarchistischen' Denkern zählen. |
Wie das? |
Marx' Endzustand des Kommunismus ist ein staaten- und herrschaftsloser Zustand, der durchaus mit gewissen anarchistischen Modellen zu vergleichen ist. Marx war nicht im eigentlichen Sinne ein Anarchist, allerdings haben seine Schriften viele Anarchisten, nicht zuletzt Bakunin, nachhaltig beeinflusst. Marx zu den Anarchisten zu rechnen ist vielleicht gewagt, allerdings bin ich der Ansicht, dass er mit manchen Anarchisten mehr gemeinsam hat als mit vielen nach ihm kommenden sozialistischen Denkern. Auf jeden Fall sollte man sich als Anarchist mit seinen Schriften auseinandergesetzt haben, ob man ihn selbst nun zu den anarchistischen Denkern zählt oder nicht. Ich finde, dass er in einer Aufstellung von Literatur über anarchistische Theorien durchaus seinen Platz verdient, selbst wenn man ihn nicht im eigentlichen Sinne als Anarchisten bezeichnen kann.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
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(#454372) Verfasst am: 18.04.2006, 12:52 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Auch Marx kann man durchaus zu den 'anarchistischen' Denkern zählen. |
Wie das? |
Marx' Endzustand des Kommunismus ist ein staaten- und herrschaftsloser Zustand, der durchaus mit gewissen anarchistischen Modellen zu vergleichen ist. |
Seine Idee, dass der Staat sich selbst auflöst, um dem kommunistischen Paradies Platz zu machen ist absolut unanarchistisch. Der Endzustand mag einer Anarchie gleichen, aber sie wird nicht über freihe Selbstbestimmung erreicht, sondern über eine Diktatur. Das ist absolut nicht anarchistisch!
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Marx war nicht im eigentlichen Sinne ein Anarchist, allerdings haben seine Schriften viele Anarchisten, nicht zuletzt Bakunin, nachhaltig beeinflusst. |
Stimmt, sie sahen sich als politische Gegner. Das kann man auch als "Beeinflussung" bezeichnen.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Marx zu den Anarchisten zu rechnen ist vielleicht gewagt, allerdings bin ich der Ansicht, dass er mit manchen Anarchisten mehr gemeinsam hat als mit vielen nach ihm kommenden sozialistischen Denkern. |
Das ist nicht schwer, und gilt für viele.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Auf jeden Fall sollte man sich als Anarchist mit seinen Schriften auseinandergesetzt haben, ob man ihn selbst nun zu den anarchistischen Denkern zählt oder nicht. Ich finde, dass er in einer Aufstellung von Literatur über anarchistische Theorien durchaus seinen Platz verdient, selbst wenn man ihn nicht im eigentlichen Sinne als Anarchisten bezeichnen kann. |
Nun ja, es kann nicht schaden ihn gelesen zu haben, aber ich würde ihn dann nicht als 'anarchistischen' Denker bezeichnen.
Grüße
Shevek
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44698
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(#454374) Verfasst am: 18.04.2006, 12:56 Titel: |
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Shevek hat folgendes geschrieben: | Nun ja, es kann nicht schaden ihn gelesen zu haben, aber ich würde ihn dann nicht als 'anarchistischen' Denker bezeichnen. |
Naja, vielleicht eher als jemanden, den man als Anarchist gelesen haben sollte. fnord
So ist es vielleicht besser ausgedrückt...
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Xamanoth auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.04.2006 Beiträge: 7962
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(#454423) Verfasst am: 18.04.2006, 14:25 Titel: |
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Das wurde hier wahrscheinlich schon behandelt, aber ich möchte mir nicht die aganzen acht Seiten durchlesen: Wie geht man in einer Anarchie mit Rechtsbrechern um - so es kein Recht mehr gibt, meine ich mit Mördern, Dieben usw. Und wie lässit sich eine Anarchie organisieren, wenn die Geselslchaft eine gewisse Größe überschreitet?
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Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
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(#454467) Verfasst am: 18.04.2006, 15:28 Titel: |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Das wurde hier wahrscheinlich schon behandelt, aber ich möchte mir nicht die aganzen acht Seiten durchlesen: Wie geht man in einer Anarchie mit Rechtsbrechern um - so es kein Recht mehr gibt, meine ich mit Mördern, Dieben usw. Und wie lässit sich eine Anarchie organisieren, wenn die Geselslchaft eine gewisse Größe überschreitet? |
Da frage ich doch mal zurück: Was verstehst du unter Recht und unter einem Rechtsbrecher?
Und als Organisationsform wäre z.B. das Rätesystem sinnvoll.
Grüße
Shevek
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Xamanoth auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.04.2006 Beiträge: 7962
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(#454468) Verfasst am: 18.04.2006, 15:30 Titel: |
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Recht ist Die Summe aller staatlich auferlegeten Normen - Gesetzen.
Aber meine eigentliche Frage war: Wie verfährt eine anarchische Gesellschaft mit Gewalttätern und Mördern? Wenn es kein Eigentum gibt, kann es keine Diebe mehr geben, Mörder hingegen schon. Wie Schimpansen oder Pavianstämme? Also Tottrampeln?
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Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
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(#454486) Verfasst am: 18.04.2006, 16:01 Titel: |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: | Recht ist Die Summe aller staatlich auferlegeten Normen - Gesetzen.
Aber meine eigentliche Frage war: Wie verfährt eine anarchische Gesellschaft mit Gewalttätern und Mördern? Wenn es kein Eigentum gibt, kann es keine Diebe mehr geben, Mörder hingegen schon. Wie Schimpansen oder Pavianstämme? Also Tottrampeln? |
Es mag kein staatliches Recht geben, aber es kann Regeln geben (wird es vermutlich auch) und Gemeinschaften, die ihr Leben organisieren und mit Fehlverhalten umgehen werden. Es kann auch Privatbesitz geben.
Es wir eine Gemeinschaft von Menschen sein, die gewohnt sind über sich und ihr Leben selbst zu entscheiden, und die Verantwortung für ihr Handeln zu tragen. Die werden sich wohl kaum wie eine Horde Affen benehmen.
Eine Möglichkeit ist eine Versammlung in der die Tat besprochen wird und beschlossen wird, was weiter geschieht und getan wird. Es entspricht schon eher dem anarchistischen Gedanken nicht zu strafen, sondern mehr Wert auf Wiedergutmachung und Verhinderung von Wiederholungen zu legen.
Es kann allerdings auch sein, dass eine Wiedergutmachung (z.B. bei Mord) nicht so einfach möglich ist. Dann kann es auch sein, dass eine Strafe verhängt wird, um eben die Tat nicht einfach so zu ignorieren.
Es wird aber auch nach Gründen und Ursachen für das Verhalten gesucht werden, um diese für die Zukunft zu beseitigen.
Das ist jetzt so losgelöst von allem anderen schwer zu sagen, weil der Umgang mit Straftätern zum Gesamtkonzept der Gesellschaft passen muss - und das kann sehr unterschiedlich sein.
Grüße
Shevek
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Cato Der Freund der Bösen
Anmeldungsdatum: 13.08.2005 Beiträge: 970
Wohnort: Wolkenkuckucksheim
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(#458432) Verfasst am: 23.04.2006, 20:32 Titel: |
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Shevek hat folgendes geschrieben: | Nicht unbedingt.
Wenn die Räte organisieren und nicht regieren, dann nicht.
Die Minderheit kann weiter machen was sie will, und eventuell auch eigene Räte bilden um sich nun zu organisieren. Gerade im Zeitalter des Internet ist da einiges möglich.
Anarchie ist eine Spielart der direkten Demokratie. |
Wo liegt denn bitte der Unterschied zwischen "regieren" und "organisieren"? Außerdem müsste ja dann auch die Minderheit berechtigt sein, der Mehrheit zu schaden – sogar bewusst. Und welche Ressourcen und Hierarchien dazu nötig sind, um ein globales Datennetz aufrecht zu erhalten? Oh je - ich bleibe jedenfalls dabei, direkte Demokratie und Anarchie mögen in einigen Punkten deckungsgleich wirken, sind es aber bei weitem nicht.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Was ist für dich eine staatliche Institution?
Was ist für dich Staat?
Und was ist für dich Demokratie?
eine basisdemokratische Volksversammlung wäre durchaus anarchistisch. |
Da hängt wiederum davon ab, wer berechtigt ist teilzunehmen, wie abgestimmt wird, wer den Vorsitz führt, wer berechtigt ist Anträge zu stellen, wer Rederecht hat, etc. und letztendlich ob das beschlossene für alle verbindlich ist. Dann hast du eine direkte Demokratie und eben keine Anarchie.
Ein Staat ist notwendigerweise ein soziales Gefüge, das ein bestimmtes Territorium kontrolliert und nach eigenem Gutdünken verwaltet. In wie weit abhängige und teilsouveräne Staaten hier als volle Staaten zu werten sind, ist wiederum Ansichtssache.
Eine staatliche Institution ist eine von jenem sozialen Gefüge errichtete Behörde oder Einrichtung, die einen bestimmten Zweck dienen soll oder eine ihr zugewiesene Aufgabe erfüllen soll, wie beispielsweise Streitigkeiten zu schlichten, Zölle zu erheben oder für die öffentliche Sicherheit zu garantieren.
Unter Demokratie verstehe ich eine Staatsform in der das Volk – sprich die Mehrheit der Bürgerschaft – die maßgeblichen Entscheidungen in allen Fragen des Gemeinwesens trifft. Wie diese organisiert ist, ob nun das Volk Ämter durch Wahl und Los vergibt oder selbst mit der jeweiligen Mehrheit entscheidet, spielt keine so große Rolle, da man gewöhnlich ohnehin beide Formen mischt; wie in der Welt sich nirgends ein reines und unverfälschtes Prinzip ausmachen lässt; ob man auch die mittelbare Form, durch gewählte Vertreter denen gesetzgebende und politische Befugnisse erteilt wurden, gelten lassen sollte? Schwierig, allerdings erscheinen mir gewisse, mittelbare Elemente bei der territorialen Ausdehnung und der Bevölkerungsgröße unvermeidbar...
Shevek hat folgendes geschrieben: | Nein: Anarchie strebt die Abschaffung aller politischen MACHTstruckturen an. Nicht jede Struktur basiert auf Hierarchie. Auch Anarchistische Gesellschaften organisieren sich. |
Ohne Macht und vor allem Amtsgewalt irgendetwas organisieren zu wollen, halte ich für undurchführbar. Besonders die unliebsamen und bequemen Dinge, die oftmals nötig sind um Freiheit und Existenz zu bewahren, ließen sich ohne Zwang, Befehlsgewalt und Gerichtsbarkeit wohl kaum durchsetzen.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Exakt, und das wäre eine mögliche Form der Anarchie - wenn es auf Konsens und nicht auf Mehrheitsprinzip ausgerichtet ist, und wenn die Minderheit die Möglichkeit hat ihren eigenen Kram zu machen. |
Das klingt so schön, funktioniert aber in der Krise nicht, wenn die Anstrengungen aller benötig werden und wird undurchführbar bei der Regelung allgemeiner Dinge, sofern du keine idealen Menschenwesen aufbieten kannst.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Nein, Herrschaft muss nicht individuell sein. Sie kann strukturell sein, und sehr verdeckt. Es kann sogar soweit gehen, dass niemand eine direkte "Machtposition" innehat, aber trotzdem alle einander beherrschen. Sie kann auch von einer Gruppe oder Klasse aufübt werden.
Materieller Reichtum, der besonders heraussticht hat erst dann etwas mit Herrschaft zu tun, wenn man dadurch andere unter den eigenen Willen zwingen kann. Das aber ist erst dann der Fall, wenn man etwas kontrolliert, an dem es sonst Mangel gibt, und was die anderen dringend benötigen. (Z.B. Wasser in Wüstengebieten: Hier bedeutet die Kontrolle über ein großes Wasserresservoir Macht, in Ländern mit viel Süßwasser ist es völlig egal.) |
Ein Grundübel der auf ungleicher Verteilung der Ressourcen basierenden Gesellschaft; aber selbst wenn dies nicht wäre, so bestünde doch die Gefahr, dass Einzelne in der Gruppe durch Ansehen und Gefolgschaft danach trachteten andere zu beherrschen. Der Machttrieb ist dem Menschen gegeben und man ist gut damit beraten, ihm Rechnung zu tragen und Vorkehrungen zu schaffen.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Du erwartest doch nicht von mir, dass ich Staaten, die Frauen das Wahlrecht vorenthielten, als Demokratien anerkenne. |
Wohl aber das du bemerkst, dass die attische Volksversammlung es mühelos den Frauen verleihen gekonnt hätte; ohne dass dies jemand hindern gekonnte hätte, mit einfacher Mehrheit, während in Deutschland eine 2/3 Mehrheit nötig wäre, um dem Volk wenigstens eine rudimentäre Mitsprache auf Bundesebene einzuräumen. Was bei der gegeben Parteienstruktur völlig unwahrscheinlich wirkt. Zumal du hier die Organisation der berechtigten Bürgerschaft mit dem Verhältnis dieser zu anderen, in diesem Falle Frauen und Sklaven, verwechseln scheinst – man sollte hier deutlich unterscheiden. Zwischen den politischen Prozessen und der Teilhabe daran.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Ich habe auch nie geschrieben, dass Deutschland sonderlich demokratisch ist. Ich nenne das: "Wahloligarchie". Allerdings ist der Anteil der wahlberechtigten Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung deutlich größer, als in Griechenland und Rom. |
Dafür haben die aber auch deutlich weniger (um nicht zu sagen nichts) zu entscheiden; aber der Begriff "Wahloligarchie" ist sehr treffend gewählt.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Wieso sollte das gegen eine Basisdemokratie sprechen? Oder, was willst du damit sagen? |
Nur, dass du dann damit rechnen musst, dass ehrgeizige und gelangweilte Individuen dann beantragen könnten, gegen Iran militärische Vergeltung zu üben und das Volk, verführt durch die Aussicht auf niedrigere Benzinpreise, dem Antrag stattgeben könnte.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Dazu gibt es einiges an Literatur. Ich kann ja mal sehen, ob ich was im Netz finde. |
Hier geht vor allem der Konflikt zwischen Formaljuristen und dem volkstümlichen Gerechtigkeitsempfinden; ein durch das Los bestimmtes Geschworenengericht hätte den Jüngsten Ehrenmord wohl strenger geahndet oder gar nicht, wenn die Richter die Wertvorstellungen der Täter teilten.
Shevek hat folgendes geschrieben: | Dezentrale Organisation widerspricht nicht einer großen Organisation. Anarchisten sind Weltweit organisiert, aber dabei trotzdem dezentral. |
Gut, aber dann verschweigst du uns wie du den anarchistischen Weltbrand entfachen willst, um alle Menschen zur Errichtung anarchistischer Gemeinschaften zu bringen? Bedenkt man wie zersplittert, unterschiedlich und andersartig die verschiedenen Gegenden unserer Welt sind, so erscheint mir dies nicht minder utopisch wie eine kommunistische Weltrevolution. Realistisch wäre es in einem, relativ kleinen Teil der Welt ein anarchistisches Experiment zu wagen, sofern die Menschen hier bereit sind sich auf so ein Wagnis einzulassen. In diesem Fall steht aber die Anarchie im Wettstreit mit dem sie umgebenden anderen Staatsformen und diese werden sowohl über diese Anarchie herfallen, wenn sie schwach ist; sich gegen sie verbündeten, wenn sie stark genug ist, einem oder mehreren Nachbarstaaten Paroli zu bieten, und diese sich allemal bedroht fühlen, da die freiheitliche und ungebundene Lebensführung, in dieser Anarchie, in ihren eigenen Staaten, Unfriede und Verwerfungen auslösen könnte. Sofern die Anarchie also nicht von befreundeten Staaten umgeben ist, die deren territoriale Integrität respektieren und sich nicht in deren innere Angelegenheiten einmischen, so wird sie Kämpfe mit diesen Staaten bestehen müssen. Daher meine Fragen...
_________________ Im Übrigen bin ich dafür, dass der Monotheismus zerstört werden muss.
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