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Freier Wille?
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hanjo
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Anmeldungsdatum: 15.01.2007
Beiträge: 9
Wohnort: 27389 Fintel

Beitrag(#641522) Verfasst am: 15.01.2007, 17:19    Titel: Freier Wille? Antworten mit Zitat

Unter Willensfreiheit verstehen wir hier immer Entscheidungsfreiheit, also die Freiheit, sich zwischen mehreren Alternativen zu entscheiden, um dann eine auszuwählen, wobei das Unterlassen einer geplanten Handlung ebenfalls als Alternative gilt.
Einige Neurologen (z.B. Gerhard Roth (Uni Bremen) und Wolf Singer (MPI für Hirnforschung)) meinen, den Menschen nach Kopernikus, Darwin und Freud zum viertenmal enttront zu haben, indem sie ihm den freien Willen absprechen. Sie gehen von der Feststellung aus, dass Entscheidungen anscheinend bereits im limbischen System des Gehirns getroffen werden, bevor sie uns bewusst werden.
Ausschlaggebend sind Untersuchungen von Benjamin Libet. Er hatte festgestellt, dass bei einfachen Handlungen, z.B. dem Heben der linken Hand, zwischen dem Bewusstwerden, dass ich die Hand heben will, und der Handlung selbst ca. 0,3 s vergehen. Ein Außenstehender (der Messende) stellt aber fest, dass bereits ca. 0,5 s vor dem Bewusstwerden des Handlungswillens sich ein Bereitschaftspotential im Gehirn aufbaut.
Es wäre wohl absurd zu behaupten, dass es nicht mein freier Wille war, die Hand zu heben. Wer sollte denn sonst wohl die Entscheidung getroffen haben, etwa ein vorprogrammierter Automat, der in mir abgespult wird? Es ist wohl lediglich so, dass solche Trivial-Entscheidungen, wie das Heben einer Hand, bereits unbewusst vorbereitet werden, bevor sie uns bewusst werden. Man stelle sich einmal vor, wir würden beim Autofahren alle unsere Handlungen bewusst vornehmen. Wir dürften dann wohl nicht schneller fahren als 10 km/h! Nicht-triviale Entscheidungen werden dagegen viel umfasender vorher geplant, und unterliegen damit durchaus unserem bewussten Willen.
Unsere Entscheidungen werden geprägt von unserer Vita (Erziehung und Erfahrungen), unserer Triebstruktur und unserer genetischen Veranlagung. All das wissen wir bereits nach unserer dritten Enttronung (Freud).
Wir sind nur bedingt frei, weil unser Handeln entscheidend von unserer Sozialisation geprägt ist. Wichtig ist es, davon zu wissen. Nun könnten wir mit unserem jetzigen Zustand ja durchaus zufrieden sein. Es gibt aber viele Gründe, unseren jetzigen Zustand doch ändern zu wollen, im Extremfall, wenn wir eine Gefahr für andere darstellen, oder wenn wir uns selbst schaden. Der Philosoph Peter Bieri von der FU Berlin benutzt als Titel für eines seiner Werke: "Das Handwerk der Freiheit". Wir können an der Vervollkommnung unserer Freiheit arbeiten, u.U. mit Unterstützung eines Therapeuten.
Ansatzpunkt für ein verantwortungsbewusstes Leben ist die Erziehung. Auf Triebstruktur und genetische Veranlagung haben wir keinen Einfluss. Die Erziehung endet nicht mit der Pubertät, sondern ist das ganze Leben lang möglich. Weil das Bewusstwerden des Handlungswunsches (außer bei Affekt-Handlungen) ja nicht unmittelbar zur Handlung führt, haben wir immer die Möglichkeit zu reflektieren, was wir da eigentlich vorhaben, um dann evtl. unsere Entscheidung noch zu revidieren, und deshalb sind wir in unserer Handlungsweise frei! Dabei ist es völlig gleichgültig, ob wir diese Reflexion bewusst vornehmen, oder ob sie im limbischen System geschieht. Hauptsache, wir haben diese Vorgehensweise "verinnerlicht".
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katholisch
Benedikt XVI: Respekt! Franziskus: alles Gute!



Anmeldungsdatum: 12.08.2005
Beiträge: 2351
Wohnort: Marktl

Beitrag(#641529) Verfasst am: 15.01.2007, 17:26    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo hanjo, willkommen hier im Forum, super das du auch hier bist.

Super Bildchen hast du übrigens, das Apfelbrotmengenmännchen, gefällt mir.
Hab ne schöne Zeit hier, sind alle ganz nett ,wird dir sicher gefallen.
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Grüß euch Gott - alle miteinander!


r.-k. und
gemeiner Feld-, Wald- und Wiesenchrist
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#641532) Verfasst am: 15.01.2007, 17:30    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hab' es einmal so ausgedrückt: Freiheit ist die Möglichkeit, den eigenen Willen, das eigene Handeln und die erlebte Welt miteinander in eine Übereinstimmung zu bringen.

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=542300#542300
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Geh mir aus der Sonne, Alexander!


Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 15.01.2007, 17:30, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#641533) Verfasst am: 15.01.2007, 17:30    Titel: Re: Freier Wille? Antworten mit Zitat

hanjo hat folgendes geschrieben:
Wer sollte denn sonst wohl die Entscheidung getroffen haben, ...

Immer diese Personifizierungen ... kein "wer" hat diese Entscheidung getroffen.

hanjo hat folgendes geschrieben:
...etwa ein vorprogrammierter Automat, der in mir abgespult wird?

Ein komplexes durch Evolution, Prägung und Reize determiniertes System - evtl. mit einem Schuß echtem Zufall.

hanjo hat folgendes geschrieben:
Nicht-triviale Entscheidungen werden dagegen viel umfasender vorher geplant, und unterliegen damit durchaus unserem bewussten Willen.

Nein, diese Folgerung ist falsch. Daß wir Simulationen von zukünftigen Verhaltensvarianten bewerten, bevor wir handeln, sagt nichts über einen "freien Willen" aus.

hanjo hat folgendes geschrieben:
Unsere Entscheidungen werden geprägt von unserer Vita (Erziehung und Erfahrungen), unserer Triebstruktur und unserer genetischen Veranlagung. All das wissen wir bereits nach unserer dritten Enttronung (Freud).

Das ist zum Teil richtig. Es gab aber auch nach Freud noch Leute, die an einem freien Willen festhielten, so wie Du oder Bieri. Das ist aber auch kein Argument.

PS: Vielleicht liest Du erstmal ein paar existierende threads zu diesem Thema.
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Johnnyboy
Stück Scheiße



Anmeldungsdatum: 26.06.2005
Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon

Beitrag(#641535) Verfasst am: 15.01.2007, 17:32    Titel: Antworten mit Zitat

@ hanjo

Willkommen im Forum!

P.S.: Zum Thema "Willensfreiheit" haben wir übrigens schon viele Threads hier im Forum. Auch das Werk Peter Bieris wurde hier schon angesprochen.

@ step: Ich weiss nicht ob ich mich täusche, aber Bieri hat sich mE von einer "echten" Willensfreiheit(TM) im orthodoxen Sinne distanziert.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#641543) Verfasst am: 15.01.2007, 17:35    Titel: Re: Freier Wille? Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Kein "wer" hat diese Entscheidung getroffen.

Dann eher: Es gibt keine Entscheidung. Oder so: Das Wort "Entscheidung" bezeichnet nicht irgendeinen (z.B. "inneren") Vorgang.
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kolja
der Typ im Maschinenraum
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Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
Wohnort: NRW

Beitrag(#641547) Verfasst am: 15.01.2007, 17:40    Titel: Antworten mit Zitat

Bitte die Suchfunktion benutzen, das Thema hatten wir hier schon unglaublich oft.

Daher nur ganz kurz:

Die klassische "starke" Willensfreiheit, die dem Menschen die Fähigkeit zuschreibt, selbst Ursache einer Entscheidung zu sein, ohne dass diese Entscheidung zwingende Wirkung von vorangehenden Ursachen wäre, ist gründlich widerlegt. Die vor allem in der Debatte um Schuld und Verantwortung zentrale Frage - "hätte dieser Mensch in genau dieser Situation auch anders entscheiden können?" - muss mit "Nein" beantwortet werden.

Die kompatibilistische Willensfreiheit, die Bieri und andere Kompatibilisten vertreten, beschreibt letztlich nur die gefühlte Freiheit, wenn wir ohne gefühlten Zwang oder besonders wohlüberlegt entscheiden und handeln. Ich will die Bedeutung dieses Gefühls auch nicht wegdiskutieren. Das aber ändert nichts daran, dass auch unsere wohlüberlegten und lange reflektierten Entscheidungen aufgrund unserer individuellen Vorgeschichte zwingend so ausfallen mussten, wie sie ausgefallen sind, bzw. nur dann anders ausgefallen wären, wenn vorangegangene äußere Umstände uns entsprechend anders geprägt, motiviert oder sonstwie beeinflusst hätten.
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jawajedi_0x72
dem reptilienhirn auf der spur



Anmeldungsdatum: 08.07.2006
Beiträge: 35

Beitrag(#641641) Verfasst am: 15.01.2007, 19:57    Titel: Antworten mit Zitat

Ok, ich möchte meinen Senf auch mal in den Topf geben.

Einen starken Freien Willen gibt es nicht, Entscheidungen sind eben auch durch die interne Struktur eines Systems, welches entscheidet (also u.a. Mustererkennung betreibt und Verhalten einleitet) eingeschränkt.

Zitat:
"hätte dieser Mensch in genau dieser Situation auch anders entscheiden können?" - muss mit "Nein" beantwortet werden.


Ich denke, hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, und ich tendiere zu einem "ja". Ich bin Hardcore-Materialist, aber so etwas wie Emergenz gibt es und es ist nichts mystisches. Ansammlungen von Molekülen sind z.B. schon anderen Gesetzmässigkeiten unterworfen als Ansammlungen von Atomen. Wenn man solche Systeme linear anorden wollen würde, könnte man als nächstes selbstreproduzierende Molekülverbände wählen, danach Prokaryoten, usw.

Irgendwann kommen in dieser Anordnung dann menschliche neuronale Netzwerke, deren mathematische Struktur wir noch nicht durchschaut haben. Es scheint mir aber naheliegend, dass deren Freiheitsgrad deutlich höher ist, als der von unbestimmt umherirrenden Partikeln. Ich denke, dass wir erst im Detail aufdröseln müssen, wie Entscheidungen in Gehirnen genau ablaufen, Aktionspotential für Aktionspotential zwinkern Erst dann können wir erkennen, ob es einen Unterschied gibt zwischen uns und umfallenden Dominosteinen. Ich denke, er wird gehörig überschätzt, aber es gibt ihn.

Bei solch einer Aufdröselung eines hochentwickelten Entscheidungssystems wird man natürlich viele subtile kleine Determinismen entdecken, die sich aber evtl. über grössere Zusammenhänge gegenseitig in Schach halten, so dass insgesamt etwas entstehen kann, was man als "eher freie" Entscheidung bezeichnen könnte.

Es is einfach zu sagen: "da die Naturgesetze gelten, ist alles determiniert". Hörte sich auch für mich sehr einleuchtend an, scheint mir aber inzwischen zu simpel zu sein. Wir wissen noch nicht vollständig, was mit den Naturgesetzen alles machbar ist, d.h. beispielsweise wie die Mathematik von komplexen Entscheidungsabläufen aussieht.

Witzig dabei ist ja auch, dass so ein Faktor wie "ich weiss, dass unsere Entscheidungen stark bedingt sind, und deswegen will ich genau jetzt mal möglichst frei entscheiden" sich direkt im neuronalen Netz wiederspiegeln, und dessen zukünftige Entscheidungen wirklich beeinflussen. Bestimmte Ideen, (gute) Bildung generell, Logikschulung, usw. erhöhen also die Fähigkeit eines Systems eher frei zu entscheiden.

Wenn ich jetzt eine völlig unwichtige Aufgabe stelle, z.B.: entscheide Dich entweder für "63,284323" oder für "63,283423".

Was würde bei so einer Entscheidung im Gehirn ablaufen? Jemand könnte fünf Wochen lang seine Entscheidung immer wieder verwerfen, nur um möglichst frei zu entscheiden ...

Zusammenfassung: wir brauchen ein detailliertes Modell der Signalverläufe im Gehirn, dann werden wir sehen, wieviel Freiheit unsere Gehirnarchitektur hergibt (bei gutem Training). Über die Möglichkeit emergenter Eigenregeln lässt sich evtl. eine Art schwacher freier Wille nachweisen.


(Zusätzlich ist dies auch ein Sprachproblem: bei Worten/Begriffen, die aus Zeiten stammen, in denen die Menschen keinen blassen Schimmer hatten, merken wir plötzlich dass sie nichts sinnvolles mehr eingrenzen.)

PS. die Unterscheidung von bewusst/unbewusst spielt für dieses Modell ersteinmal keine Rolle, es geht um Entscheidungen "an sich", also um Mathematik.
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Valen MacLeod
Antitheist



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Beiträge: 6172
Wohnort: Jenseits von Eden

Beitrag(#641656) Verfasst am: 15.01.2007, 20:11    Titel: Antworten mit Zitat

Ein kluger Kopf sagte: "Man kann tun, was man will. Man kann aber nicht wollen, was man will."
Soviel zum psychologischen Aspekt.

So. Meine laienhafte Erkenntnis was das Gehirn tut ist folgende:
Das Gehirn 'errechnet' aus den Informationen, die es über die Umwelt hat verschiedene Möglichkeiten wie sich diese entwickeln könnte. Dazu hat es Modelle dieser Umwelt entwickelt und gespeichert. Es hat auch ein Modell des Menschen, der sich in dieser Umwelt bewegt. Nun bestimmt es grösstenteils unter- und unbewusst, welche Handlungen des Modells (Ego/Ich) zu einer maximal höchsten Überlebenschance führen.

Natürlich ergeben sich aus einer gegebenen Situation immer mehrere Handlungsmöglichkeiten. Um Reaktionszeiten möglichst kurz zu halten ist das Gehirn seiner Realzeit immer etwas voraus. Ebenso muss sich der Körper vorher auf verschiedene Szenarien vorbereiten. Daher braucht er die im ersten Beitrag beschriebenen Handlungspotentiale. Nur die benötigten werden schliesslich aktiviert, die anderen eben wieder abgebaut.

Eigentlich simpel und genial, oder?
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V.i.S.d.P.:Laird Valen MacLeod (Pseudonym!)
"... Wenn das hier das Haus Gottes ist, Junge, warum blühen hier dann keine Blumen, warum strömt dann hier kein Wasser und warum scheint dann hier die Sonne nicht, Bürschchen?!" <i>Herman van Veen</i>
Das Schlimme an meinen Katastrophenszenarien ist... dass ich damit über kurz oder lang noch immer Recht behielt.
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Johnnyboy
Stück Scheiße



Anmeldungsdatum: 26.06.2005
Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon

Beitrag(#641671) Verfasst am: 15.01.2007, 20:19    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ein kluger Kopf sagte: "Man kann tun, was man will. Man kann aber nicht wollen, was man will."


Das war Schopenhauääääär! Mr. Green
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"Das Leben des Starken erfüllt seinen Sinn, das des Schwachen seinen Zweck".
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Schmerzlos
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Beiträge: 4554

Beitrag(#641688) Verfasst am: 15.01.2007, 20:41    Titel: Re: Freier Wille? Antworten mit Zitat

hanjo hat folgendes geschrieben:
"..."
Sie gehen von der Feststellung aus, dass Entscheidungen anscheinend bereits im limbischen System des Gehirns getroffen werden, bevor sie uns bewusst werden.
"...


- Die Diskussion um einen freien oder unfreien Willen, macht nur Sinn
sofern man an eine "statische" Identität glaubt, bzw. an ein
eigenständiges "Ich" glaubt. Da aber wohl schwerlich irgendwo ein
eigenständiges "Ich" zu finden ist, kann man gar nicht von
"frei" oder "unfrei" reden - weil schlicht der Vergleich
fehlt. Die Deterministen glauben übrigens auch
an ein "statisches" Ich.
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zelig
Kultürlich



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Beitrag(#641694) Verfasst am: 15.01.2007, 20:44    Titel: Antworten mit Zitat

Was macht der Neurobiologe, der seine Hirnströme in Echtzeit beobachtet, wenn er seinen Impuls erkennt, in wenigen Sekunden die Enter-Taste zu drücken? Er wird, ganz Wissenschaftler, versuchen, dies nicht zu tun. Was wiederum auf dem Monitor angekündigt wird. Also muss er...
Ad infinitum.
Erstarrt er?
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kolja
der Typ im Maschinenraum
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Beitrag(#641703) Verfasst am: 15.01.2007, 20:54    Titel: Re: Freier Wille? Antworten mit Zitat

Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
Die Deterministen glauben übrigens auch an ein "statisches" Ich.

Wie kommst Du auf diesen Unsinn? Bloß weil sie das Wort "Ich" benutzen? Es ist bloß ein praktisches Wort, mehr nicht, Du interpretierst da zuviel hinein.
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Johnnyboy
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Beitrag(#641718) Verfasst am: 15.01.2007, 20:59    Titel: Antworten mit Zitat

Sehe ich auch so, als Arbeitshypothese taugt das Wort "Ich" schon einiges.
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step
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Beitrag(#641721) Verfasst am: 15.01.2007, 21:02    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Was macht der Neurobiologe, der seine Hirnströme in Echtzeit beobachtet, wenn er seinen Impuls erkennt, in wenigen Sekunden die Enter-Taste zu drücken? Er wird, ganz Wissenschaftler, versuchen, dies nicht zu tun. Was wiederum auf dem Monitor angekündigt wird. Also muss er...
Ad infinitum.
Erstarrt er?

Er hat nicht mit berücksichtigt, was er in den wenigen Sekunden noch hätte messen und auswerten können.

Wenn er aber das "gegenteilge" Verhalten so stark automatisiert, daß er nichts mehr hätte berechnen können, dann nähern sich die relevanten Vorgänge in seinem Gehirn effektiv einem Zufallsereignis, und seine Hand bewegt sich überdies nicht mehr bewußt kontrolliert.
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kolja
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Beitrag(#641725) Verfasst am: 15.01.2007, 21:05    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Was macht der Neurobiologe, der seine Hirnströme in Echtzeit beobachtet, wenn er seinen Impuls erkennt, in wenigen Sekunden die Enter-Taste zu drücken? Er wird, ganz Wissenschaftler, versuchen, dies nicht zu tun. Was wiederum auf dem Monitor angekündigt wird. Also muss er... Ad infinitum. Erstarrt er?

Warum sollte er zwanghaft anders handeln wollen als angezeigt? Wie auch immer ... vermutlich wird ihn eine Übersprungshandlung oder Juckreiz aus der Erstarrung retten, oder er muss irgendwann pinkeln.
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step
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Beitrag(#641727) Verfasst am: 15.01.2007, 21:07    Titel: Re: Freier Wille? Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
Die Deterministen glauben übrigens auch an ein "statisches" Ich.

Wie kommst Du auf diesen Unsinn? Bloß weil sie das Wort "Ich" benutzen? Es ist bloß ein praktisches Wort, mehr nicht, Du interpretierst da zuviel hinein.

Ja, das ist wirklich Unsinn. Zwar macht der Ausdruck "freier Wille" eigentlich nur Sinn, wenn man an eine autonome Person glaubt, aber dieser Ausdruck wird uns ja aufgezwungen von Leuten, die behaupten, es gäbe sowas (es aber nicht definieren können). schmerzlos' Einwand erinnert mich an folgenden:

Die Atheisten glauben übrigens auch an einen Gott, denn sie sagen immer : "Es gibt keinen Gott".
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step
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Beitrag(#641766) Verfasst am: 15.01.2007, 21:36    Titel: Antworten mit Zitat

jawajedi_0x72 hat folgendes geschrieben:
Über die Möglichkeit emergenter Eigenregeln lässt sich evtl. eine Art schwacher freier Wille nachweisen.

Sicherlich prägen emergente Systeme eigene Regeln aus, die nur für sie als Ganzes gelten (Beispiel Thermodynamik).

Um jedoch Deine Behauptung aufrechtzuerhalten, müßtest Du der Meinung sein, daß eine dieser Regeln Elementarteilchen gegen die bekannte Physik verstoßen lassen kann. Denn nach herrschender Physik besteht der Zustandsraum der physikalischen Möglichkeiten des Gesamtgehirns einfach aus der quantenmechanischen Gesamtwellenfunktion aller seiner Elementarteilchen, und diese ist rein deterministisch und echt zufällig.

Es kann daher - jedenfalls ohne eine komplett neue Physik - nur emergente Phänomene geben, die eine Mischung aus determiniertem und echt zufälligem Verhalten darstellen.
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zelig
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Beiträge: 25404

Beitrag(#641857) Verfasst am: 15.01.2007, 22:31    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Was macht der Neurobiologe, der seine Hirnströme in Echtzeit beobachtet, wenn er seinen Impuls erkennt, in wenigen Sekunden die Enter-Taste zu drücken? Er wird, ganz Wissenschaftler, versuchen, dies nicht zu tun. Was wiederum auf dem Monitor angekündigt wird. Also muss er...
Ad infinitum.
Erstarrt er?

Er hat nicht mit berücksichtigt, was er in den wenigen Sekunden noch hätte messen und auswerten können.


Zitat:
"Und jetzt wird die Ratte nach links laufen", sagt György Buzsáki, als ein leise knatterndes Geräusch ertönt. Wissenschaftler aus aller Welt verfolgen den verschwommenen Fleck, der sich in abrupten Bewegungen über die Leinwand bewegt und tatsächlich nach einigen Sekunden links abbiegt.
Er repräsentiert eine Ratte, die durch ein Labyrinth rennt. Das Geknatter ertönt immer dann, wenn winzige Elektroden, die im Schädel des Nagers stecken, elektrische Aktivität in einer Gruppe von Nervenzellen registrieren.
Geknatter bedeutet: Die Ratte springt gleich aus ihrem Laufrad, läuft einen Gang entlang und biegt links ab.
Stille herrscht hingegen, wenn die Ratte durch den selben Gang laufen, aber im rechten Ausgang nach der Belohnung suchen wird. Mit Hilfe der Elektroden kann Buzsáki vorhersagen, wie sich die Ratte entscheiden wird.

http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/391/97294/
Eine Säule der neodeterministischen Strömung ist die Vorhersagbarkeit von Handlungen. Die scheint mir aber durch obiges Gedankenspiel eingestürzt, da der Proband, sobald er Kenntnis von der Voraussage hat, von dieser abweichen kann.
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Kival
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Beitrag(#641884) Verfasst am: 15.01.2007, 22:49    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
jawajedi_0x72 hat folgendes geschrieben:
Über die Möglichkeit emergenter Eigenregeln lässt sich evtl. eine Art schwacher freier Wille nachweisen.

Sicherlich prägen emergente Systeme eigene Regeln aus, die nur für sie als Ganzes gelten (Beispiel Thermodynamik).

Um jedoch Deine Behauptung aufrechtzuerhalten, müßtest Du der Meinung sein, daß eine dieser Regeln Elementarteilchen gegen die bekannte Physik verstoßen lassen kann. Denn nach herrschender Physik besteht der Zustandsraum der physikalischen Möglichkeiten des Gesamtgehirns einfach aus der quantenmechanischen Gesamtwellenfunktion aller seiner Elementarteilchen, und diese ist rein deterministisch und echt zufällig.

Es kann daher - jedenfalls ohne eine komplett neue Physik - nur emergente Phänomene geben, die eine Mischung aus determiniertem und echt zufälligem Verhalten darstellen.


Eine Frage dazu: Können emergente Eigenschaften den Grundeigenschaften der Einzelteile überhaupt widersprechen? Eigentlich doch nicht - zumindest hab ich das immer so verstanden, es ist nur nicht das gleiche wie die Summe der Einzelteilchen, sondern komplexe Systeme haben neue, erweiterte Eigenschaften. "Das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile", aber es kommt nicht in Widerspruch mit den Eigenschaften der Einzelteile.
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step
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Beitrag(#641889) Verfasst am: 15.01.2007, 22:54    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Können emergente Eigenschaften den Grundeigenschaften der Einzelteile überhaupt widersprechen? Eigentlich doch nicht - zumindest hab ich das immer so verstanden, es ist nur nicht das gleiche wie die Summe der Einzelteilchen, sondern komplexe Systeme haben neue, erweiterte Eigenschaften. "Das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile", aber es kommt nicht in Widerspruch mit den Eigenschaften der Einzelteile.

Yep.
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step
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Beitrag(#641897) Verfasst am: 15.01.2007, 22:58    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Eine Säule der neodeterministischen Strömung ist die Vorhersagbarkeit von Handlungen. Die scheint mir aber durch obiges Gedankenspiel eingestürzt, da der Proband, sobald er Kenntnis von der Voraussage hat, von dieser abweichen kann.

Für die Argumentation gegen die Willensfreiheit benötige ich keine Berechenbarkeit, sondern nur die Physikalität des Geschehens. Ich halte es für denkbar, daß man Situationen konstruieren kann (auch in der Praxis), wo es mit der tatsächlichen Berechenbarkeit schlecht aussieht, z.B. extrem nichtlineare Situationen wie die von Dir angedeutete. Ich sehe aber nicht, wie Du das zu einem Argument für die Willensfreiheit machen könnstest.
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kolja
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Beitrag(#641910) Verfasst am: 15.01.2007, 23:04    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Eine Säule der neodeterministischen Strömung ist die Vorhersagbarkeit von Handlungen. Die scheint mir aber durch obiges Gedankenspiel eingestürzt, da der Proband, sobald er Kenntnis von der Voraussage hat, von dieser abweichen kann.

Dein Gedankenspiel zeigt doch lediglich, dass die Determinierung eines Gehirns durch äußere Einflüsse verändert wird, eine triviale Erkenntnis. Wenn der Computer einem Gehirn dessen interne Zustände präsentiert, kommt ein etwas spezieller äußerer Einfluss hinzu, was natürlich zu allerlei lustigen Rückkopplungseffekten führen kann. Der Vorhersagbarkeit tut das (zumindest prinzipiell) keinen Abbruch. Allerdings ist das zu simulierende System ein Stück komplexer geworden, weil der Computer nun ein Teil davon ist, und außerdem braucht man einen weiteren (stärkeren) Computer, um das Verhalten des Gesamtsystems (Gehirn + erster Computer) zu simulieren.
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Zuletzt bearbeitet von kolja am 15.01.2007, 23:08, insgesamt 2-mal bearbeitet
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MK69
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Anmeldungsdatum: 16.10.2006
Beiträge: 777

Beitrag(#641913) Verfasst am: 15.01.2007, 23:06    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:

Die klassische "starke" Willensfreiheit, die dem Menschen die Fähigkeit zuschreibt, selbst Ursache einer Entscheidung zu sein, ohne dass diese Entscheidung zwingende Wirkung von vorangehenden Ursachen wäre, ist gründlich widerlegt. Die vor allem in der Debatte um Schuld und Verantwortung zentrale Frage - "hätte dieser Mensch in genau dieser Situation auch anders entscheiden können?" - muss mit "Nein" beantwortet werden.


Wenn eine Entscheidung nicht von vorangehenden Ursachen abhängt müsste es ja auch eher zufälliger Wille heißen .
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Und alle die ihm nachfolgen werden das gleiche tun...
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#641915) Verfasst am: 15.01.2007, 23:06    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Eine Säule der neodeterministischen Strömung ist die Vorhersagbarkeit von Handlungen. Die scheint mir aber durch obiges Gedankenspiel eingestürzt, da der Proband, sobald er Kenntnis von der Voraussage hat, von dieser abweichen kann.


Wieso müssen sie vorhersagbar sein? Es gibt viele komplexe, nichtlineare Phänomene, die wenn überhaupt schwer berechenbar sind. Wieso sind solche Einflüsse von außen, die das Verhalten verändern ein Zeichen dafür, dass Vorgänge nicht-zufällig oder determiniert verlaufen?
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"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Tapuak
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Beitrag(#641955) Verfasst am: 15.01.2007, 23:32    Titel: Antworten mit Zitat

Mal ganz platt in die Runde gefragt: Haben Tiere nach der Auffassung der Indeterministen eigentlich auch einen Art "freien Willen", oder wird dort die Determiniertheit der Entscheidungen und Handlungen zugestanden? Als Laie auf dem Gebiet kommt es mir nämlich gelegentlich so vor, als sei die Vorstellung vom freien Willen eine Art Überbleibsel überkommener philosophischer Anthropologie, die "dem Menschen" im Gegensatz zu anderen Lebewesen ganz besondere metaphysische Eigenschaften zuschreibt, ähnlich der "Seele" usw. Könnte da was dran sein?
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AgentProvocateur
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Beitrag(#641999) Verfasst am: 16.01.2007, 01:21    Titel: Antworten mit Zitat

MK69 hat folgendes geschrieben:
kolja hat folgendes geschrieben:

Die klassische "starke" Willensfreiheit, die dem Menschen die Fähigkeit zuschreibt, selbst Ursache einer Entscheidung zu sein, ohne dass diese Entscheidung zwingende Wirkung von vorangehenden Ursachen wäre, ist gründlich widerlegt. Die vor allem in der Debatte um Schuld und Verantwortung zentrale Frage - "hätte dieser Mensch in genau dieser Situation auch anders entscheiden können?" - muss mit "Nein" beantwortet werden.

Wenn eine Entscheidung nicht von vorangehenden Ursachen abhängt müsste es ja auch eher zufälliger Wille heißen .

Exakt. Die hier skizzierte "starke Willensfreiheit" (auch "unbedingte Willensfreiheit" genannt) ist logisch unmöglich, denn ein völlig "freier" (wenn das so verstanden wird, dass alle Prinzipien, die der Entscheidung zu einem bestimmten Willen zugrunde liegen, selber bestimmt werden können) Wille hätte keinerlei Grundlage mehr, müsste also völlig willkürlich sein. Selbst ein hypothetisches allmächtiges Wesen (an keinerlei Naturgesetze gebunden - aber an die Logik schon) könnte diesem Dilemma nicht entfliehen, es könnte also keine "unbedingte Willensfreiheit" haben. Mit dieser Erkenntnis ist aber mMn die Frage nach der Verantwortung des Menschen für seine Handlungen noch nicht beantwortet.

Diesen Artikel finde ich übrigens in diesem Zusammenhang sehr interessant, dort werden die verschiedenen Positionen zur "Willensfreiheit" erklärt und gegenübergestellt.
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Roter Ballon
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Beitrag(#642004) Verfasst am: 16.01.2007, 01:27    Titel: Re: Freier Wille? Antworten mit Zitat

hanjo hat folgendes geschrieben:
Unter Willensfreiheit verstehen wir hier immer Entscheidungsfreiheit, also die Freiheit, sich zwischen mehreren Alternativen zu entscheiden, um dann eine auszuwählen, wobei das Unterlassen einer geplanten Handlung ebenfalls als Alternative gilt.
Einige Neurologen (z.B. Gerhard Roth (Uni Bremen) und Wolf Singer (MPI für Hirnforschung)) meinen, den Menschen nach Kopernikus, Darwin und Freud zum viertenmal enttront zu haben, indem sie ihm den freien Willen absprechen. Sie gehen von der Feststellung aus, dass Entscheidungen anscheinend bereits im limbischen System des Gehirns getroffen werden, bevor sie uns bewusst werden.
Ausschlaggebend sind Untersuchungen von Benjamin Libet. Er hatte festgestellt, dass bei einfachen Handlungen, z.B. dem Heben der linken Hand, zwischen dem Bewusstwerden, dass ich die Hand heben will, und der Handlung selbst ca. 0,3 s vergehen. Ein Außenstehender (der Messende) stellt aber fest, dass bereits ca. 0,5 s vor dem Bewusstwerden des Handlungswillens sich ein Bereitschaftspotential im Gehirn aufbaut.
Es wäre wohl absurd zu behaupten, dass es nicht mein freier Wille war, die Hand zu heben. Wer sollte denn sonst wohl die Entscheidung getroffen haben, etwa ein vorprogrammierter Automat, der in mir abgespult wird? Es ist wohl lediglich so, dass solche Trivial-Entscheidungen, wie das Heben einer Hand, bereits unbewusst vorbereitet werden, bevor sie uns bewusst werden. Man stelle sich einmal vor, wir würden beim Autofahren alle unsere Handlungen bewusst vornehmen. Wir dürften dann wohl nicht schneller fahren als 10 km/h! Nicht-triviale Entscheidungen werden dagegen viel umfasender vorher geplant, und unterliegen damit durchaus unserem bewussten Willen.
Unsere Entscheidungen werden geprägt von unserer Vita (Erziehung und Erfahrungen), unserer Triebstruktur und unserer genetischen Veranlagung. All das wissen wir bereits nach unserer dritten Enttronung (Freud).
Wir sind nur bedingt frei, weil unser Handeln entscheidend von unserer Sozialisation geprägt ist. Wichtig ist es, davon zu wissen. Nun könnten wir mit unserem jetzigen Zustand ja durchaus zufrieden sein. Es gibt aber viele Gründe, unseren jetzigen Zustand doch ändern zu wollen, im Extremfall, wenn wir eine Gefahr für andere darstellen, oder wenn wir uns selbst schaden. Der Philosoph Peter Bieri von der FU Berlin benutzt als Titel für eines seiner Werke: "Das Handwerk der Freiheit". Wir können an der Vervollkommnung unserer Freiheit arbeiten, u.U. mit Unterstützung eines Therapeuten.
Ansatzpunkt für ein verantwortungsbewusstes Leben ist die Erziehung. Auf Triebstruktur und genetische Veranlagung haben wir keinen Einfluss. Die Erziehung endet nicht mit der Pubertät, sondern ist das ganze Leben lang möglich. Weil das Bewusstwerden des Handlungswunsches (außer bei Affekt-Handlungen) ja nicht unmittelbar zur Handlung führt, haben wir immer die Möglichkeit zu reflektieren, was wir da eigentlich vorhaben, um dann evtl. unsere Entscheidung noch zu revidieren, und deshalb sind wir in unserer Handlungsweise frei! Dabei ist es völlig gleichgültig, ob wir diese Reflexion bewusst vornehmen, oder ob sie im limbischen System geschieht. Hauptsache, wir haben diese Vorgehensweise "verinnerlicht".


öhm die wissen aber schon, dass uns unser Hirn regelmäßig bescheissen tut?
z.Bsp: Selbstversuch: Pieks dir mal ne Nadel in Finger!
Weglänge der Reizleitung Finger -> Hirn ca. 1m
Reizleitung Auge -> Wahrnehmung im Hinterkopf ca. 20cm
Unser Hirn gaukelst uns eine Zeitgleichheit dieser unterschiedlichen Sinneseindrücke vor.

Bei einer Versuchsanordnung mit optischen Hilfen (=>verzögerte Wahrnehmung) wurde dies bestätigt.
Resumee war: Bevor etwas passiert, antizipiert unser Hirn die Situation, und schafft damit kausale Ordnungen.

Will eigentlich nur anmerken, das "Wille" noch keiner Hirnregion expliziet zugeordnet werden kann.
Da sind keine Schalter die umgelegt ein Hampelmännchen aus uns machen.
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ertrage die Clowns!
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Beitrag(#642048) Verfasst am: 16.01.2007, 09:12    Titel: Re: Freier Wille? Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
Die Deterministen glauben übrigens auch an ein "statisches" Ich.

Wie kommst Du auf diesen Unsinn? Bloß weil sie das Wort "Ich" benutzen? Es ist bloß ein praktisches Wort, mehr nicht, Du interpretierst da zuviel hinein.


- Keineswegs. Deterministen glauben z.B. in diesem Sinne an ein "Ich".

"Sein", "Existenz", "Materie".
Das ist dann halt nur ein unpersönlich gedachtes "Ich".

Den Wunsch sich mit irgendwas zu identifizieren haben sie ja offensichtlich auch.
Ist auch nicht absurder als die Vorstellung alles so nicht determiniert.
Selbstbezügliche Logik. Von der Vorstellung von Sein und Nicht-Sein,
wollen diese für gewöhnlich nicht abrücken...
Übersehen alle anderen Möglichkeiten.
Cool
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Beitrag(#642050) Verfasst am: 16.01.2007, 09:13    Titel: Antworten mit Zitat

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Sehe ich auch so, als Arbeitshypothese taugt das Wort "Ich" schon einiges.


- Hinterfragt... gibt das Wort nicht viel her. Eine Worthülse.
zwinkern
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