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kereng Privateer
Anmeldungsdatum: 12.12.2006 Beiträge: 3052
Wohnort: Hamburg
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(#652772) Verfasst am: 02.02.2007, 20:03 Titel: Verdoppeln beim Roulette |
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Ich weiß, es ist eigentlich ein abgedroschenes Thema, aber trotzdem konnte ich im Internet keine zufriedenstellende Erklärung finden.
Die Strategie, den Einsatz zu verdoppeln, bis ein Gewinn kommt (Martingale), dürfte jedem bekannt sein. Meistens liest oder hört man, dass sie am Limit des Casinos oder am zur Verfügung stehenden Kapital scheitert, weil man ja sonst nach zwanzig oder hundert oder spätestens nach tausendmal auf rot setzen einmal gewonnen haben wird.
Dieser Meinung bin ich nicht, denn ich habe unten den Erwartungswert ausgerechnet, der (wenn ich mich nicht verrechnet habe) gar nicht vom Limit abhängt. Hätte man nicht eigentlich erwartet, dass mit steigendem Limit auch die Gewinnchancen steigen, weil ja längere Verlustserien ausgesessen werden können? Liegt hier nun ein dem Sankt-Petersburg-Paradoxon vergleichbarer Fall vor, in dem der Erwartungswert zu primitiv für die Beurteilung des Spiels ist, oder ist sogar ohne Limit die Verdopplungsstrategie ungünstig?
Berechnung des Erwartungswertes
Der Erwartungswert ist die Summe der mit ihren Wahrscheinlichkeiten gewichteten möglichen Gewinne. Er entscheidet, ob ein Spiel günstig oder ungünstig ist.
Strategie 1: Im Roulette auf rot setzen, den Einsatz im Verlustfall verdoppeln, bis man einmal gewonnen hat oder das Geld alle ist.
E(x) ist der (vermeintlich vom zur Verfügung stehenden Kapital abhängige) Erwartungswert
Das Kapital ist 2^x-1 (Das Dach "^" soll "hoch" bedeuten)
Die höchstmögliche Anzahl Spiele ist x
Wahrscheinlichkeit, zu verlieren = 1/(2^x) (ohne Berücksichtigung der Zero)
Der Verlustbetrag ist in diesem Fall (2^x)-1
Die Gewinnwahrscheinlichkeit ist 1-(1/(2^x))
Der Gewinn ist dann 1, denn dann hören wir ja gleich auf zu spielen.
Der Erwartungswert berechnet sich als
E(x) = Gewinnwahrscheinlichkeit*Gewinnbetrag - Verlustwahrscheinlichkeit*Verlustbetrag
= (1-(1/2^x)) * 1 - (1/2^x) * (2^x-1)
= 1 - 1/2^x - (1 - 1/2^x)
= 0
Der Erwartungswert ist also gar nicht vom Limit abhängig sondern konstant 0. Anschaulich bedeutet das, dass der sehr wahrscheinliche Gewinn von der enormen Höhe des unwahrscheinlichen Verlustes ausgeglichen wird.
Strategie 2: Immer weiter spielen
Für eine Planung, wie oft ich im Monat Roulette spielen muss, um davon meine Miete zahlen zu können, berechne ich den Erwartungswert E(n) nach n Spielen.
Alle Ergebnisse nach n Spielen kann man sich in einer (n * 2^n)-Matrix eingetragen vorstellen. Für n=3 wäre das z.B.
Code: | 0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 1 1 0 0 1 1
0 1 0 1 0 1 0 1
-7 1 0 2 -2 2 1 3 |
Als vierte Zeile habe ich den jeweiligen Kontostand nach jeder der möglichen Spielserien eingetragen.
Die Summe dieser ohne Berücksichtigung der Zero gleichwahrscheinlichen Ergebnisse ist 0. Es ist also E(3)=0. Übrigens ist auch E(1)=E(2)=0.
Man kann sich leicht klarmachen, dass man den Kontostand nach einer Spielserie berechnen kann als:
Anzahl Einsen in dieser Serie - (2^(Anzahl Nullen, auf die keine Eins mehr folgt)-1)
In einer (n * 2^n)-Tabelle ist also die Erfolgssumme über alle Spalten gleich der Anzahl aller Einsen darin. Das ist genau die Hälfte aller Einträge, also n*2^n / 2 oder n * 2^(n-1).
Die Hälfte aller Spalten endet mit mindestens einer Null (Verlust bei dieser Null=1=2^0),
ein Viertel endet mit mindestens zwei Nullen (Verlust der zweiten Null=2=2^1) usw.
Nur eine Spalte besteht vollständig aus Nullen. Der Verlust bei der hochwertigsten Null ist 2^(n-1); (im Beispiel n=3 links unten).
Alle Verluste in der Matrix sind folgende n Summanden:
2^n/2 * 2^0 + 2^n/4 * 2^1 + ... + 2^(n-1)
= 2^(n-1) + 2^(n-1) + ... + 2^(n-1)
= n * 2^(n-1)
Alle Gewinne in der Tabelle entsprechen genau allen Verlusten in der Tabelle. Das heißt: für beliebiges n ist der Erwartungswert E(n)=0. Unter Berücksichtigung der Zero werden die Erwartungswerte natürlich erheblich schlechter.
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Rasmus entartet und notorisch gottlos - Ich bin Papst
Anmeldungsdatum: 20.05.2004 Beiträge: 17559
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(#652782) Verfasst am: 02.02.2007, 20:28 Titel: Re: Verdoppeln beim Roulette |
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kereng hat folgendes geschrieben: | Unter Berücksichtigung der Zero werden die Erwartungswerte natürlich erheblich schlechter.[/color] |
Wie war also nochmal genau Deine Frage?
_________________ Brother Sword of Enlightenment of the Unitarian Jihad
If you ask the wrong questions you get answers like '42' or 'God'.
"Glaubst Du noch oder hüpfst Du schon?"
Sylvia Browne - Wahrsager oder Scharlatan?
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matthias Gefährder
Anmeldungsdatum: 10.05.2005 Beiträge: 1386
Wohnort: Rechts der Böhme
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kereng Privateer
Anmeldungsdatum: 12.12.2006 Beiträge: 3052
Wohnort: Hamburg
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(#652786) Verfasst am: 02.02.2007, 20:36 Titel: Re: Verdoppeln beim Roulette |
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Rasmus hat folgendes geschrieben: | Wie war also nochmal genau Deine Frage? |
Hätte man nicht eigentlich erwartet, dass mit steigendem Limit auch die Gewinnchancen steigen, weil ja längere Verlustserien ausgesessen werden können? Liegt hier nun ein dem Sankt-Petersburg-Paradoxon vergleichbarer Fall vor, in dem der Erwartungswert zu primitiv für die Beurteilung des Spiels ist, oder ist sogar ohne Limit die Verdopplungsstrategie ungünstig?
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letzterfreigeist dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 13.12.2006 Beiträge: 959
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(#652806) Verfasst am: 02.02.2007, 21:15 Titel: |
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matthias hat folgendes geschrieben: | http://www.mathematik.de/mde/presse/ausdenmitteilungen/artikel/mdmv14-2-089-behrends.pdf |
Cool! Interessanter Link.
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satsche registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.07.2006 Beiträge: 2091
Wohnort: Südhessen
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(#652818) Verfasst am: 02.02.2007, 21:28 Titel: |
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Je nach Höhe des Grundsatzes, wäre es fahrlässig soviel Geld in eine Spielbank mitzunehmen, da der Verlust nach 10. Verdoppelung schlicht ein kleines Vermögen kostet; UND im Gewinnfall nur der Grundsatz (zurück-)gewonnen wird.
Der 11. Satz kostet ggf. über 10.000 € um wie gesagt 10 € zu gewinnen, ein Spiel für Leute, die ihrem Vormund entkommen sind.
Zumal solche Serien keine Seltenheit sind.
Ähnlich bei Dutzend oder Kolonnen, doppelter Gewinn, hier kann man 2 abdecken und müsste im Verlustfall den gleichen, ohne Verdoppelung, Satz zweimal riskieren um nur den Verlust zurückzubekommen.
Davon ist abzuraten!!
_________________ Keiner hat das Recht zu gehorchen. Hannah A.
Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt. G. Benn
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kereng Privateer
Anmeldungsdatum: 12.12.2006 Beiträge: 3052
Wohnort: Hamburg
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(#652894) Verfasst am: 02.02.2007, 22:59 Titel: |
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Der schöne Link von matthias und auch die Antwort von satsche (trotzdem Danke) beschäftigen sich nicht mit dem Kern meines Problems: Ist die Gewinnchance vom Limit abhängig?
Wenn einem die Spielbank unendlich Kredit gewähren würde, wenn sie einem immer neue farbige Chips geben würde, deren Wert jeweils das Doppelte des vorigen wäre, dann wäre nach meiner Erwartungswert-Berechnung trotzdem vom Spiel abzuraten.
Aber wäre nicht jeder von uns sicher, dass im Laufe eines Abends auch einmal "rot" käme (notfalls am nächsten Tag, oder irgendwann)?
Kann man, wenn die Verlustwahrscheinlichkeit gegen Null geht, ignorieren, dass der Verlustbetrag ebenso schnell gegen unendlich geht?
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matthias Gefährder
Anmeldungsdatum: 10.05.2005 Beiträge: 1386
Wohnort: Rechts der Böhme
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(#652974) Verfasst am: 03.02.2007, 00:38 Titel: |
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Du hast nachgerechnet, daß durch beliebige Limitierung Deines Startkapitals (das dadurch — wie üblich — stets endlich ist) der erwartete Gewinn stets 0 ist, wenn die Verdopplungsstrategie angewendet wird, und hast damit im speziellen Fall das (von Behrends so genannte) Stoppzeitentheorem bestätigt.
Nicht das Limit der Bank ist entscheidend, sondern der mögliche Bankrott kommt ja durch Dein eigenes zustande, und einen Kredit wird Dir wohl keine Spielbank gewähren, allenfalls nur gegen Verpfändung oder dergleichen. Aber auch diese Möglichkeiten sind schließlich begrenzt.
Wenn Du eine unlimitierte Variante willst, dann redest Du von einer ganz anderen Situation. Dann hättest Du nämlich schon unendlich viel Geld und brauchtest erst gar nicht Roulette zu spielen.
Spielbanken sind trotzdem gut mit einem Limit für die Einsätze beraten, denn ein einziger hoher Verlust könnte ihren Ruin, also eine echte banca rotta bedeuten.
_________________ 2008 – Jahr der Mathematik
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schabernick it's me
Anmeldungsdatum: 06.02.2007 Beiträge: 595
Wohnort: neben der Kapp'
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(#663414) Verfasst am: 17.02.2007, 00:33 Titel: |
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Schönes Thema!
Ich selbst war auch schon dem Irrsinn verfallen, daß es schier unmöglich ist, daß 30 mal hintereinander "rot" kommt.
Da ich keine wirkliche Zockernatur bin, habe ich mir damals unter Turbo-Basic zig Progrämmchen geschrieben, die den Ablauf des Roulette-Tisches simulierten.
Habe auch, um die RND-Funktion nicht zu Wiederholungen zu verleiten, nach jeder Schleife den Timer neu abgefragt.
Das Ganze als *.exe compiliert damit es auch einigermaßen zügig ablief, und selbst ein 286er mit 12 MHz brachte innerhalb einer Sekunde etliche Durchgänge.
Ergebnis war, es konnte auch 50 mal hintereinander "rot" (impair, manque ...) vorkommen, die Treffer hatte ich fein säuberlich in einer fortlaufenden Liste verfügbar.
Und die sah dann so aus:
50 1
49 2
48 4
47 8
46 16
45 32
44 64
43 128
42 256
41 510 (da steht absichtlich nicht 512, nach unendlich langem Spielen würde aber 512 da stehen)
...
...
...
Auch alle weiteren Tricks, dieses 1/37 (die Zero) zu überlisten, indem ich willkürliche Erhöhungsschritte einbaute, schlugen fehl. Auf meinem virtuellen Konto bewegten sich teilweise Guthaben in Millionenhöhe, letztendlich gewann irgendwann die Spielbank.
Dann habe ich mich der Realität angenähert, an einem Tisch, an dem der Minimaleinsatz 1 € (damals DM) beträgt, kann ich nicht 100.000 einsetzen.
Zig Varianten habe ich eingepflegt, am Tisch stehen, warten bis x-mal rot kam, um dann auf schwarz zu setzen - Fehlanzeige, die Bank gewinnt 1/37.
Aber man kann auch mit der Spielbank gewinnen, und das mit Garantie.
Muß einer bald sterben,
und hat was zu vererben:
Gehe öfter auf die Spielbank, Dein Eintritt, aber nicht Deine Einsätze werden dokumentiert.
Und wenn nichts mehr da ist, weil vorzeitig an die Erben verschenkt, hast Du es auf der Spielbank verzockt.
Und wenn der Beschenkte auch Spielbankbesucher ist, kann er seinen sich auf wundersame Weise vermehrten Besitzstand wunderbar belegen.
Aber trotz aller virtuellen Verluste, eine Spinnerei habe ich noch nicht ganz zu Ende gekocht, aber da würde ich auf Zahlen setzen; das 1/37 reizt mich ungemein.
_________________ Halt den Globus an, ich will aussteigen
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