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Sinnlose Sinnsuche ?

 
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sturioso
registrierter User



Anmeldungsdatum: 20.03.2007
Beiträge: 128

Beitrag(#737395) Verfasst am: 03.06.2007, 12:02    Titel: Sinnlose Sinnsuche ? Antworten mit Zitat


Wer suchet, der findet !


In der Fernsehdiskussion über Schöpfung versus Evolution im Spätabendprogramm des ORF
vom 29. Mai 2007 hat der Biologe Kurt Kotrschal unter anderem sinngemäß eingeworfen,
dass Menschenhirne nicht nur eine Sinn-Sehnsucht konstruieren, sondern auch
gleich noch die Erfüllung dieser Sehnsucht dazu.

Mit anderen Worten, wir erkennen einen Sinn, weil wir einen Sinn erkennen wollen.

Dieser Einwurf wurde in der erwähnten Diskussion nicht weiter behandelt.
Wenn man aber die Sinn-Sehnsucht als treibende Kraft hinter der Religiosität begreift,
dann verdient dieser Punkt durchaus etwas mehr Aufmerksamkeit.

Die Vermutung, dass sich Menschenhirne eine Gesetzmäßigkeit auch dann zusammenfabulieren,
wenn eine solche nachweisbar nicht vorhanden ist, kann sich auf empirische Belege stützen
(Versuchspersonen zeigen eine deutliche Tendenz, auch bei rein zufälligem Zusammentreffen
mehrerer Faktoren eine Gesetzmäßigkeit zu erkennen).

Wie immer die Frage nach dem Zustandekommen einer Sinn-Sehnsucht auch beantwortet werden mag,
es kann wohl vorweg außer Streit gestellt werden, dass Menschenhirne diese Sehnsucht häufig
produzieren. Die Sinn-Sehnsucht kann demnach zurecht als eine Conditio humana gelten.

Kotrschal hat in der erwähnten Diskussion auch die Notwendigkeit einer sauberen Trennung zwischen den Domänen Wissenschaft und Religion betont.

Haben wir es hier mit einer domänenübergreifenden Fragestellung zu tun, bei der eine
tragende Säule der Religiosität mit Methoden der Wissenschaft behandelt werden kann ?

Kann hier Wissenschaft eine Begründung für Religiosität liefern ?

Wenn auch Atheisten-Hirne eine Sinn-Sehnsucht produzieren,
inwieweit sind dann Atheisten auch religiös ?

Ist Sinnsuche sinnlos ?

Wahnsinn, diese Fragerei !

Und außerdem und überhaupt, soll eine Diskussion über diese Fragen
jetzt unter der Flagge "Wissenschaft" oder unter "Religion" geführt werden ?


LG sturioso
____________________________________

Ehrerbietung im Übermaß wird Kriecherei;
Vorsicht im Übermaß wird Furchtsamkeit;
Mut im Übermaß wird Draufgängertum;
Aufrichtigkeit im Übermaß wird Grobheit und Rücksichtslosigkeit.

Kultur entwickelt sich aus einer Gesinnung, die Maßlosigkeiten verhindert
und so allen Lebensäußerungen einen verfeinerten Ausdruck verleiht,
aus dem Sinn für das, was dem menschlichen Wesen entspricht,
aus dem Gefühl für Billigkeit und Gerechtigkeit.

[ Inspiriert sowohl durch Kung Fu Dsï als auch durch Gott Sowohl_als_Auch ]


Zuletzt bearbeitet von sturioso am 03.06.2007, 14:36, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#737422) Verfasst am: 03.06.2007, 12:29    Titel: Re: Sinnlose Sinnsuche ? Antworten mit Zitat

sturioso hat folgendes geschrieben:
Wenn auch Atheisten-Hirne eine Sinn-Sehnsucht produzieren,
inwieweit sind dann Atheisten auch religiös ?

Eine conditio humana - oder besser gesagt eine conditio jeden bewußten Wesens - scheint mir zu sein, Modelle zu konstruieren, die Wahrnehmungen erklären und voraussagen können. Je nach Wissensstand und rationalem Reflektionsniveau enthalten die entstehenden Modelle Näherungen, Emergenzen und bildhafte Platzhalter. Es ist idZ also typisch menschlich, wenn z.B. in Gesellschaften auf animistisch-schamanistischer Entwicklungsstufe mangels Erklärung einem Wetterphänomen ein mächtiger verursachender Geist zugewiesen wurde. In einem wesentlich abgeschwächten Sinne verhält sich auch der heutige Mensch so, wobei ich von einem aufgeklärten Menschen erwarte, daß er sich der Grenze bewußt ist, etwa durch Anwendung der kritisch-rationalistischen, wissenschaftlichen Methode.

Wenn man aber von "Sinnsucht" spricht, so geht das einen - mE wesentlichen - Schritt weiter: Es geht um eine teleologische Fixierung, um die Vorstellung, alles müsse nicht nur eine Erklärung, eine Ursache usw. haben, sondern einen Zweck. In diesem Fall wird das gesamte Weltgeschehen in einen gewünschten, konstruierten Zweckzusammenhang, z.B. "Wille Gottes", gestellt. Meiner Ansicht nach ist diese Variante der Sinnsucht ein typisches Glaubensphänomen und keine wirkliche conditio humana. Der aufgeklärte Mensch kann akzeptieren, daß es letztlich keinen Sinn (im Sinne von Zweck) hinter dem Weltgeschehen gibt. Menschen dagegen, die sich z.B. aus psychischer Unselbständigkeit, Haltbedürfnis etc. heraus schwertun, ohne einen Zweck auszukommen, finden typischerweise in Glaubenssystemen Halt. Im verschärften Fall tendieren sie zu Glaubenssystemen, in denen sie persönlich Anliegen eines ebenfalls anthropomorph gedachten persönlichen Gottes sind.

Und dann gibt es natürlich noch die "diesseitige" Sinnsuche, also ganz profan den Wunsch (hier wiederum jedes Menschen), ein erfülltes Leben zu haben, zufrieden mit seiner Rolle zu sein u.ä.

sturioso hat folgendes geschrieben:
Kann hier Wissenschaft eine Begründung für Religiosität liefern?

Eher eine Erklärung von Religiösität, maximal ein therapeutisches Argument, schwachen Naturen ihren Aberglauben zu lassen.

sturioso hat folgendes geschrieben:
Ist Sinnsuche sinnlos?

Sinnsuche im Sinne einer Letztzwecksuche ist sinnlos, außer evtl. für therapeutische Zwecke, wenn sonst nichts hilft, z.B. Todeskandidaten in US-Gefängnissen oder Menschen, die tzodkrank oder stark traumatisiert sind. Allerdings sträubt sich alles in mir beim Gedanken an pastorales Lügen.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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sturioso
registrierter User



Anmeldungsdatum: 20.03.2007
Beiträge: 128

Beitrag(#737627) Verfasst am: 03.06.2007, 17:16    Titel: Antworten mit Zitat



@ step

Vorweg, grosso modo d'accord !
Ich unterstelle auch, dass mit "Sinnsucht" dasselbe gemeint wird,
was ich mit "Sinn-Sehnsucht" meine.

Zitat:
Wenn man aber von "Sinnsucht" spricht, so geht das einen - mE wesentlichen - Schritt weiter:
Es geht um eine teleologische Fixierung, um die Vorstellung, alles müsse nicht nur eine Erklärung, eine Ursache usw. haben, sondern einen Zweck.
In diesem Fall wird das gesamte Weltgeschehen in einen gewünschten,
konstruierten Zweckzusammenhang, z.B. "Wille Gottes", gestellt.
Meiner Ansicht nach ist diese Variante der Sinnsucht ein typisches Glaubensphänomen
und keine wirkliche conditio humana.

In diesem Sinn war "Conditio humana" von mir auch nicht gemeint.

Ich habe aber sehr wohl gemeint, dass es typisch menschlich wäre,
sich bei als sinnlos erachteten Wahrnehmungen unbehaglich zu fühlen.
Das lässt sich dann nur schwer in Einklang bringen mit:
Zitat:
Der aufgeklärte Mensch kann akzeptieren, daß es letztlich keinen Sinn
(im Sinne von Zweck) hinter dem Weltgeschehen gibt.
Menschen dagegen, die sich z.B. aus psychischer Unselbständigkeit,
Haltbedürfnis etc. heraus schwertun, ohne einen Zweck auszukommen,
finden typischerweise in Glaubenssystemen Halt.

Da besteht ein Konflikt zwischen Empfindung und Ratio, dessen Ausgang
von sehr vielen Faktoren abhängt, und deshalb höchst ungewiss ist.
Das ist nicht nur eine Frage der Aufgeklärtheit, sondern auch eine Frage
der relativen Stärke von Gefühl und Vernunft.
Ausschließliche Vernunftwesen werden nicht selten als un-menschlich bezeichnet.

Zitat:
Und dann gibt es natürlich noch die "diesseitige" Sinnsuche,
also ganz profan den Wunsch (hier wiederum jedes Menschen),
ein erfülltes Leben zu haben, zufrieden mit seiner Rolle zu sein u.ä.

Lässt sich eine diesseitige Sinnsuche denn überhaupt sauber trennen
von einer mit jenseitigen Tendenzen durchwachsenen Sinn-Sehnsucht ?
Was bedeutet "ein erfülltes Leben zu haben" konkret ?

Zitat:
Sinnsuche im Sinne einer Letztzwecksuche ist sinnlos, außer evtl. für
therapeutische Zwecke, wenn sonst nichts hilft, z.B. Todeskandidaten in US-Gefängnissen
oder Menschen, die tzodkrank oder stark traumatisiert sind.
Allerdings sträubt sich alles in mir beim Gedanken an pastorales Lügen.

Tja, da haben wir sie wieder, die problematische Lüge aus Barmherzigkeit.

Wie verwerflich ist sie denn wirklich ?

Zweifellos wäre es geradezu unmenschlich grausam, einem ohnehin schon verzweifelten
Menschen auch noch einen Tritt vors Schienbein zu versetzen.
Aber wann liegt ein therapeutischer Zweck vor,
und wo ist die Grenze zu der abgelehnten pastoralen Lüge zu ziehen ?



LG sturioso
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Mut im Übermaß wird Draufgängertum;
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Scout2001
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Anmeldungsdatum: 21.11.2005
Beiträge: 548

Beitrag(#737632) Verfasst am: 03.06.2007, 17:28    Titel: Antworten mit Zitat

sturioso hat folgendes geschrieben:

Mit anderen Worten, wir erkennen einen Sinn, weil wir einen Sinn erkennen wollen.


So und nicht anders.

sturioso hat folgendes geschrieben:
Wenn man aber die Sinn-Sehnsucht als treibende Kraft hinter der Religiosität begreift, dann verdient dieser Punkt durchaus etwas mehr Aufmerksamkeit.

Nein, eigentlich umgreift das alles. Mir fällt iM kein natürlicher generierter Sinn ein.

sturioso hat folgendes geschrieben:

Die Vermutung, dass sich Menschenhirne eine Gesetzmäßigkeit auch dann zusammenfabulieren,
wenn eine solche nachweisbar nicht vorhanden ist, kann sich auf empirische Belege stützen
(Versuchspersonen zeigen eine deutliche Tendenz, auch bei rein zufälligem Zusammentreffen
mehrerer Faktoren eine Gesetzmäßigkeit zu erkennen).

Zweifellos.

sturioso hat folgendes geschrieben:
Ist Sinnsuche sinnlos?

Ich würde es so sagen: Objektiv ja. Subjektiv haben wir es anscheinend zwingend nötig.

sturioso hat folgendes geschrieben:
Und außerdem und überhaupt, soll eine Diskussion über diese Fragen
jetzt unter der Flagge "Wissenschaft" oder unter "Religion" geführt werden ?

Ich verstehe leider nicht, warum das von dir nur spezifisch auf die Religion ausgelegt wird.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#737655) Verfasst am: 03.06.2007, 18:04    Titel: Antworten mit Zitat

sturioso hat folgendes geschrieben:
Ich habe aber sehr wohl gemeint, dass es typisch menschlich wäre, sich bei als sinnlos erachteten Wahrnehmungen unbehaglich zu fühlen. Das lässt sich dann nur schwer in Einklang bringen mit:
step hat folgendes geschrieben:
Der aufgeklärte Mensch kann akzeptieren, daß es letztlich keinen Sinn (im Sinne von Zweck) hinter dem Weltgeschehen gibt. Menschen dagegen, die sich z.B. aus psychischer Unselbständigkeit, Haltbedürfnis etc. heraus schwertun, ohne einen Zweck auszukommen, finden typischerweise in Glaubenssystemen Halt.

Da besteht ein Konflikt zwischen Empfindung und Ratio, dessen Ausgang von sehr vielen Faktoren abhängt, und deshalb höchst ungewiss ist. Das ist nicht nur eine Frage der Aufgeklärtheit, sondern auch eine Frage der relativen Stärke von Gefühl und Vernunft.

Aufklärung IST (auch) eine Frage der der relativen Stärke von Gefühl und Vernunft - insbesondere wenn es um die Erklärung der Welt geht.

sturioso hat folgendes geschrieben:
Ausschließliche Vernunftwesen werden nicht selten als un-menschlich bezeichnet.

Richtig. Wobei ich gar nicht für völlige Gefühllosigkeit oder sowas plädiere. Der aufgeklärte Mensch kann die (hyp.) Fakten akzeptieren (kein Gott, kein Zweck, kein Leben nach dem Tod, kein freier Wille usw.) und trotzdem Gefühle zeigen, etwa im zwischenmenschlichen Bereich (Liebe, Mitleid ...)

sturioso hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Und dann gibt es natürlich noch die "diesseitige" Sinnsuche, also ganz profan den Wunsch (hier wiederum jedes Menschen), ein erfülltes Leben zu haben, zufrieden mit seiner Rolle zu sein u.ä.

Lässt sich eine diesseitige Sinnsuche denn überhaupt sauber trennen von einer mit jenseitigen Tendenzen durchwachsenen Sinn-Sehnsucht ? Was bedeutet "ein erfülltes Leben zu haben" konkret ?

Ja, ich denke man kann das einigermaßen gut trennen. Schon das Wort "diesseitig" deutet das an. Ein "erfülltes Leben" zu haben bedeutet für mich, in weiten Bereichen meines Lebens hinreichend viele meiner Bedürfnisse befriedigen zu können. Natürlich ist die Abdeckung der Bedürfnispyramide von Mensch zu Mensch verschieden. Du könntest also einwenden, hinreichend dummen Menschen könne man auf diese Weise sehr leicht das Gefühl eines erfüllten Lebens geben. Und so scheint es in der Tat manchmal.

Ein weiterer Punkt idZ scheint mir, daß es viele Menschen besonders befriedigt, wenn sie gebraucht werden und/oder eine angesehene Stellung in der Gemeinschaft haben. Das ist natürlich evolutionär bedingt.

Wie auch immer, ich sehe keine Verwechslungsgefahr mit jenseitiger Sinnsuche. Die klassischen Schnittpunkte sind ja hier die Angst vor dem Tod sowie der Wunsch nach Vergeltung (pos., neg.), wenn diese im Leben nicht erreicht werden kann. Ein transzendentaler Sinn kann daher besonders dann attraktiv werden, wenn er einen Ersatz für diesseitige Befriedigungen darstellt, weil diese in der realen Situation unmöglich sind ("Opium des Volkes" etc.).

sturioso hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Sinnsuche im Sinne einer Letztzwecksuche ist sinnlos, außer evtl. für therapeutische Zwecke, wenn sonst nichts hilft, z.B. Todeskandidaten in US-Gefängnissen oder Menschen, die tzodkrank oder stark traumatisiert sind. Allerdings sträubt sich alles in mir beim Gedanken an pastorales Lügen.

Tja, da haben wir sie wieder, die problematische Lüge aus Barmherzigkeit. Wie verwerflich ist sie denn wirklich ?

Zweifellos wäre es geradezu unmenschlich grausam, einem ohnehin schon verzweifelten Menschen auch noch einen Tritt vors Schienbein zu versetzen. Aber wann liegt ein therapeutischer Zweck vor, und wo ist die Grenze zu der abgelehnten pastoralen Lüge zu ziehen ?

Ja, das Elitendilemma ... ich persönlich ziehe diese Grenze sehr eng, will heißen, keine Lüge, außer der betroffene bittet darum. Vielleicht würde ich mich der Situation entziehen, ehe ich Lüge. Ein Grund ist, daß ich meine Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen will, ein anderer, daß ich dem Mißbrauch pastoralen Lügens keinen Vorschub leisten möchte. Milliarden Menschen (Schafe) pastoral zu belügen ginge eindeutig zu weit.

Ich sehe ein, daß es sich um ein Dilemma handelt. Allerdings wäre auch ein Extremfall kein Argument für die Wahrheit des Glaubens, sondern nur für das Schweigen über seine Unwahrheit.
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Wonko der Verständige
registrierter User



Anmeldungsdatum: 03.06.2007
Beiträge: 10

Beitrag(#737801) Verfasst am: 03.06.2007, 20:57    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,


da ich neu hier bin, weiß ich nicht, inwieweit das Thema Sinn schon diskutiert wurde. Im Forums-Bereich Religion wurde ja bereits die Frage nach den Sinn im religiös- philosophischen Zusammenhang gestellt, und hier im Wissenschaftsbereich hatte sturiosus eingangs gefragt, ob die Sinnfrage oder die Frage nach der Sinnsuche überhaupt wissenschaftlich behandelt werden kann.

Also meiner Meinung nach eindeutig ja! Smilie

Michael Schmidt-Salomon sagte in dem FOCUS-Interwiev zur Humanistischen Leitkultur folgendes zum Thema Sinn: "Die Erde und die Menschen sind zeitlich begrenzte Phänomene in einem sinnleeren Universum, das irgendwann den Kältetod sterben wird. Wenn ich weiß, dass es keinen Sinn an sich gibt, bin ich dazu ermächtigt, den Sinn aus mir selbst zu schöpfen."

Damit befindet er sich wissenschaftlich gesehen direkt auf den Spuren der ursprünglich biologisch motivierten Theorie der Evolution. Alle namhaften Biologen vertreten heutztage die Auffassung, dass (nicht nur) die biologische Entwicklung kein 'höheres' oder gar ein teleologisches Ziel verfolgt.

Das schwierige Problem der Ursache-Wirkungs-Kausalkette, die zwangsweise zu einem finalen Ziel führen muß, ist spätestens seit der Quantenphysik überwunden. Moderne Physiker sprechen daher nicht mehr von Ursache und Wirkung, sondern von Wechselwirkungen.


Doch fundamental betrachtet ist die Frage nach dem Sinn meiner Meinung wissenschaftlich nach ganz eindeutig ein Problem der Strukturwissenschaften - allen voran der Mathematik und der Systemtheorie. Und mathematisch ist eine intrinsische Formulierung von Sinn meiner Meinung nach in der Tat die zweckmäßigste (so ähnlich, wie von Schmidt-Salomon formuliert). Auch erscheint mir wissenschaftlich betrachtet nur die Systemtheorie eine einigermaßen tragfähige Theoriefähigkeit zum Thema Sinn zu besitzen.

In der Mathematik finden wir die wissenschaftliche Beschäftigung mit Sinn auf dem Gebiet der Logik. Der Mathemathiker Fereyes untscheidet hierbei streng zwischen Bedeutung (statisch) und Sinn (dynamisch).

Die zweite große Mega-Theorie ist die Systemtheorie. Sie untersucht dynamische Systeme, und dabei auch den Sinn von Systemen.
Die Systemtheorie unterscheidet dabei verschiedene Arten von Sinn. Sinn kann sich z. B. aus dem Existenzgrund eines Systems ergeben. Die Schwierigkeit liegt nun u. a. darin, ohne ein bereits vorvormulierts Ziel - oder gar eines Endzieles - eine Weg- bzw. Sinnbeschreibung zu formulieren.

Eine auf soziale Systeme zugeschnittene, und recht gut ausgearbeitete Systemtheorie finden wir z. B. bei Luhmann. Sinn ist hier gerade das entscheidende zentrale Medium, ohne das kein soziales System bestehen kann. Die Sinntheorie von Luhmann besagt auch, dass Sinn sich niemals außerhalb von Systemen befinden kann, ganz gleich ob wir ein System als Atom, als Mensch, oder als Universum betrachten. Der Sinn, den ein einzelner Mensch sucht bzw. findet, existiert niemals außerhalb von ihm, genauso wenig, wie der Sinn des Universums außerhalb des Universums irgendeine Relevanz besitzt.

In dieser systemischen Sinnbeschreibung soll es daher um die Möglichkeit zur Entdeckung individueller Orientierungen an sich gehen, also um eine Wegbeschreibung ohne Ziel. Dies klingt widersprüchlich, und beschreibt doch präzise den Kern, nämlich Zielfindung ohne vorformuliertes Ziel.

Es geht in Wirklichkeit also gar nicht mehr um ein bestimmtes Lebensziel, sondern um den Prozess, um den Weg dorthin, um die Fabrizierung von alltäglich wechselndem Lebenssinn, der schlussendlich sein eigenes Ziel quasi autonom, also ‚irgendwie’ hervorbringt, als Zufallsprodukt sozusagen.


Meiner Meinung nach lässt sich mit Hilfe der Mathematik und der Systemtheorie eine ganz hervorragende 'Sinnwissenschaft' bzw. 'Sinnforschung' betreiben. Daher verneine ich die hier gestellte Frage 'Sinnlose Sinnsuche?' ganz entschieden.

Mich würde vielmehr interessieren, ob es hier noch weitere strukturwissenschaftlich Interessierte gibt, die vielleicht Lust an ein wenig wissenschaftlicher Sinnforschung haben???



Gruß,
Wonko der Verständige



P. S.: Der Titel 'Sinnlose Sinnsuche' ist recht amüsant, denn er impliziert ja geometrisch betrachtet bereits immer eine positive Antwort. Denn falls jemand bei seiner Suche tatsächlich etwas sinnloses finden würde, wäre dann automatisch das genaue Gegenteil davon wiederum der gesuchte Sinn. zwinkern
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sturioso
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Anmeldungsdatum: 20.03.2007
Beiträge: 128

Beitrag(#737807) Verfasst am: 03.06.2007, 21:05    Titel: Antworten mit Zitat

@ Scout2001

Zitat:
Ich verstehe leider nicht,
warum das von dir nur spezifisch auf die Religion ausgelegt wird.

Schlussendlich habe ich diesen Thread aber doch in der Rubrik "Wissenschaft" gestartet.

Das soll als Indiz dafür gelten, dass mich auch die Ursachen für das Zustandekommen
einer Sinn-Sehnsucht interessieren, und keineswegs nur diese eine bestimmte Wirkung
dieser Sehnsucht.

Also, nichts wie her mit den Erklärungen für das Zustandekommen der Sinn-Sehnsucht !


LG sturioso
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Scout2001
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Anmeldungsdatum: 21.11.2005
Beiträge: 548

Beitrag(#738108) Verfasst am: 04.06.2007, 02:42    Titel: Antworten mit Zitat

Wie das zustande kommt, habe ich als Küchenpsychologe über Kognitionspsychologie überhaupt keine Ahnung. Mir scheint es, als könnte es der evolutionäre Vorteil für uns Menschen sein.
Mit der Frage nach dem Sinn wollen wir im kleineren Bereich nur was verstehen lernen: Wieso fliegt die Hummel zur Blume? Wieso fliegt sie mit vollen Beuteln in die Erde rein. Was für ein Sinn steckt dahinter?
Und ergibt es einen Sinn, dass ich über so was nachdenke?

Aber auch: Hat das was ich tue überhaupt ein Sinn? Hat das ein Sinn, dass ich ein Dach über meinen Kopf baue? Ja, ich bin von Wind und Wetter gesundheitlich geschützt und habe die Möglichkeit ein behagliches Raumklima zu genießen. Solche Gedanken sind schon alleine wichtig, dass das Tun auch eine Effizienz hat.

Der Sinnsehnsucht haben wir mE vieles zu verdanken. Aber wo Licht ist, ist natürlich auch Schatten. Wir belassen es nicht nur bei essenziellen Fragen, sondern suchen nach einem Sinn auch für transzendente Fragen. So was wie: Gibt es Planenten jenseits unseres Sonnensystem mit Leben? Wie entstand das Leben/Universum? Welchen Sinn hat mein Leben? Welcher Sinn hat das Leben auf der Erde? Vor allem nach dem Tod? Und so was. Alles Fragen, die einem eigentlich scheiß egal sein müsste.
Anscheinend können wir diese Sehnsucht nicht kontrollieren. Vermutlich ist es auch gut so, da deswegen schon einiges erfunden/gefunden wurde. Siehe Heuristik.
Apropos:
http://de.wikipedia.org/wiki/Illusorische_Korrelation
Zitat:
Eine Untersuchung von Ward und Jenkins (1965) zeigt ein weiteres Beispiel für eine illusorische Korrelation. Versuchspersonen wurde erzählt, es gäbe Flugzeuge, die "Wolken säen" könnten, um es daraus regnen zu lassen. Man bot ihnen Informationen zu dreißig verschiedenen Tagen dar, die jeweils aussagten, ob es an diesem Tag geregnet hatte und ob die Flugzeuge Wolken "gesät" hätten. Obwohl die Zusammenstellung von Regentagen und Wolkensaattagen vollständig auf Zufall beruhte und es in Wahrheit keinen Zusammenhang gab, meinten die Versuchspersonen, das "Wolkensäen" der Flugzeuge sei effektiv und würde Regen verursachen.


Edit:
Kleine Ergänzung, da mir der Link zu sehr politisch motiviert erscheint. Die Illusorische Korrelation ist eigentlich der Hauptgrund für Korrelationen als Fehlschluss. Gerade der Aberglaube basiert darauf: Durch die Wachstumsrate der Krähen wird ein Wachstum der Arbeitsunfälle eine Verbindung erkannt, obwohl die Rabenvögel jeweils weitentfernt waren. Oder die berühmte Anschuldigung: „Weil du jenes gemach hast, ist mir dies passiert.“ Ab und zu stimmt die Anschuldigung, meistens aber nicht.
Hier neigen Menschen einfach dazu, einen Sinn, eine Korrelation zu sehen, wo keiner ist.


Zuletzt bearbeitet von Scout2001 am 04.06.2007, 04:00, insgesamt 4-mal bearbeitet
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Evilbert
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Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#738116) Verfasst am: 04.06.2007, 02:55    Titel: Antworten mit Zitat

Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben:

P. S.: Der Titel 'Sinnlose Sinnsuche' ist recht amüsant, denn er impliziert ja geometrisch betrachtet bereits immer eine positive Antwort. Denn falls jemand bei seiner Suche tatsächlich etwas sinnloses finden würde, wäre dann automatisch das genaue Gegenteil davon wiederum der gesuchte Sinn. zwinkern


Wieso muss das genaue Gegenteil von etwas Sinnlosem etwas sinnvolles sein?
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sturioso
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Anmeldungsdatum: 20.03.2007
Beiträge: 128

Beitrag(#738277) Verfasst am: 04.06.2007, 12:12    Titel: Antworten mit Zitat


Jetzt haben wir den Salat, mea culpa ...



@ Wonko sapiens

Die dankenswerterweise eingebrachten Überlegungen zu den verschiedenen Begriffsverständnissen
von "Sinn" haben eines deutlich gemacht:
Ich habe es verabsäumt, im Einstiegsbeitrag dieses Threads zumindest zu erwähnen,
von welchem Begriffsverständnis ich ausgehe.
Das ist ein nahezu unverzeihliches Versäumnis, mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa !

Eventuell kann für dieses Versäumnis ein wenig Nachsicht aufgebracht werden,
wenn man auch die Entstehungsgeschichte dieses Threads in Betracht zieht.

Dieser Thread ist aus der Diskussion über die Kontroverse "Evolution versus Schöpfung"
hervorgegangen.
Die im Einstiegsbeitrag erwähnte Fernsehdiskussion zwischen Vertretern von Wissenschaft
und Religion hat zwar in der Sache keine neuen Einsichten gebracht, aber so nebenbei
vor Augen geführt, dass hochkarätige Vertreter beider Bereiche auf gleicher Augenhöhe
miteinander diskutieren können.
Das steht in deutlichem Kontrast zu dem Kampflärm, den das Fußvolk bei solchen Debatten
erzeugt. Wird das Fußvolk aufeinander losgelassen, dann sinkt der Umgangston sehr schnell
ab auf das Niveau eines Pferdekutscher-Idioms, und je länger die Debatte läuft,
desto kutschera wird die Tonalität, desto häufiger wird dann den Kontrahenten das
"Recht auf Dummheit" um die Ohren gehauen.
Beim Fußvolk ist anscheinend der Morbus Kutschera (Fußpilz ?) ein weit verbreitetes Leiden.

In dieser Fernsehdiskussion wurde auch ein Hinweis darauf geliefert, auf welcher Basis
eine wechselseitige Respektierung möglich ist, nämlich durch strikte Trennung der
Warum-Fragen von Wozu-Fragen. Wissenschaft beschäftigt sich mit Fragen nach Ursachen
und Wirkungen, Religion hingegen mit Fragen nach dem Sinn und Zielvorgaben.

Damit war implizit ein bestimmtes Begriffsverständnis von "Sinn" vorgegeben,
das subjektive Empfinden einer Sinnhaftigkeit.


Mein Interesse am Zustandekommen und den Wirkungen der Sinn-Sehnsucht leitet sich aus
meinem generellen Bestreben ab, den Menschen so zu nehmen, wie er ist, mit all seiner
Verschiedenartigkeit und Vielgesichtigkeit. Dazu gehört auch, im Menschen nicht nur
ein Naturwesen zu sehen, sondern auch ein Kulturwesen, und dabei stößt man sehr bald
auf zwei ganz zentrale (eng verwandte) Bestrebungen:
Erkenntnisdrang und Sinn-Sehnsucht.

Wenn aber Sinn-Sehnsucht in weiterer Folge unter anderem auch eine Neigung zu Religiosität
nach sich zieht, dann stellt sich die Neigung zu Religiosität als eine der Nebenwirkungen
des starken Hirn-Wachstums dar, das vor etwa 800.000 Jahren begonnen hat.
Eventuell könnte diese Neigung auch als eine Nebenwirkung der kulturellen Evolution
begriffen werden, deren Beginn vor etwa 40.000 Jahren angesetzt wird.
Wenn dem so ist, dann muss wohl ein akuter Fall von Morbus Kutschera vorliegen,
um die Neigung zu Religiosität generell als ein Merkmal von Dummköpfen hinzustellen.


Um aber auch noch auf andere Begriffsverständnisse von "Sinn" zurückzukommen, da scheint
mir die systemtheoretische Deutung noch am ehesten auch auf die Verfasstheit des Menschen
anwendbar zu sein.
Bei Luhmann bin ich mir zwar nie so recht sicher, ob es jetzt doch die Menschen sind,
die durch Kommunikationsakte in eine Beziehung zueinander treten,
oder es die Kommunikation ist, die sich zu ihrer Selbstverwirklichung
des Menschen bedient. Aber Systemtheorie muss ja nicht auf Luhmann zu reduziert werden.

Ergebnisse einer systemtheoretischen Sinnforschung würden mich insoweit interessieren,
als dadurch das Verständnis des Menschen vertieft werden kann.

Das hier klingt ja recht verheißungsvoll ...
Zitat:
In dieser systemischen Sinnbeschreibung soll es daher
um die Möglichkeit zur Entdeckung individueller Orientierungen an sich gehen,
also um eine Wegbeschreibung ohne Ziel.
Dies klingt widersprüchlich, und beschreibt doch präzise den Kern,
nämlich Zielfindung ohne vorformuliertes Ziel.

Es geht in Wirklichkeit also gar nicht mehr um ein bestimmtes Lebensziel,
sondern um den Prozess, um den Weg dorthin,
um die Fabrizierung von alltäglich wechselndem Lebenssinn,
der schlussendlich sein eigenes Ziel quasi autonom,
also ‚irgendwie’ hervorbringt, als Zufallsprodukt sozusagen.



LG sturioso
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Vorsicht im Übermaß wird Furchtsamkeit;
Mut im Übermaß wird Draufgängertum;
Aufrichtigkeit im Übermaß wird Grobheit und Rücksichtslosigkeit.

Kultur entwickelt sich aus einer Gesinnung, die Maßlosigkeiten verhindert
und so allen Lebensäußerungen einen verfeinerten Ausdruck verleiht,
aus dem Sinn für das, was dem menschlichen Wesen entspricht,
aus dem Gefühl für Billigkeit und Gerechtigkeit.

[ Inspiriert sowohl durch Kung Fu Dsï als auch durch Gott Sowohl_als_Auch ]
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Beiträge: 128

Beitrag(#738455) Verfasst am: 04.06.2007, 18:11    Titel: Antworten mit Zitat


Noch einmal step by step ...


@ step

Zitat:
Aufklärung IST (auch) eine Frage der der relativen Stärke von Gefühl
und Vernunft - insbesondere wenn es um die Erklärung der Welt geht.

Damit kann wohl nur gemeint sein, dass ein Erkenntnisprozess bzw. eine Einsicht
in Zusammenhänge nicht über die Gebühr durch Gefühle behindert werden darf.
Darüberhinaus sehe ich jedoch die Gewichtung von Gefühlen unabhängig
von Aufgeklärtheit.
Viele Entscheidungen werden ohnehin bereits vorbewusst getroffen.

Zitat:
Ein "erfülltes Leben" zu haben bedeutet für mich, in weiten Bereichen meines Lebens hinreichend viele meiner Bedürfnisse befriedigen zu können.
Natürlich ist die Abdeckung der Bedürfnispyramide von Mensch zu Mensch verschieden.
Du könntest also einwenden, hinreichend dummen Menschen könne man auf diese Weise
sehr leicht das Gefühl eines erfüllten Lebens geben.
Und so scheint es in der Tat manchmal.

Ein weiterer Punkt idZ scheint mir, daß es viele Menschen besonders befriedigt,
wenn sie gebraucht werden und/oder eine angesehene Stellung in der Gemeinschaft
haben. Das ist natürlich evolutionär bedingt.

Auch wenn ich aus rein rationaler Perspektive in diesen Punkten zustimme,
entsteht dabei dennoch der Eindruck, dass die Rationalität zu stark betont
und die Emotionalität unterdrückt wird.
Warum sollten etwa in die Befriedigung der Bedürfnisse nicht auch schwer fassbare
diffuse Sehnsüchte und Strebungen einbezogen werden, wie das etwa im konfuzianischen
"harmonisch gestimmten Seelenleben, das in Einklang mit dem Weltenlauf steht"
angesprochen wird ?
Bei solchen Sehnsüchten und Strebungen ist oftmals unklar, ob sie nun als diesseitig
oder als jenseitig einzuordnen sind.

Zitat:
Wie auch immer, ich sehe keine Verwechslungsgefahr mit jenseitiger Sinnsuche.
Die klassischen Schnittpunkte sind ja hier die Angst vor dem Tod sowie der Wunsch
nach Vergeltung (pos., neg.), wenn diese im Leben nicht erreicht werden kann.

Ein transzendentaler Sinn kann daher besonders dann attraktiv werden, wenn er
einen Ersatz für diesseitige Befriedigungen darstellt, weil diese in der realen
Situation unmöglich sind ("Opium des Volkes" etc.).

Bei diesen Punkten mögen ja klare Verhältnisse vorliegen, aber wie schon vorhin erwähnt, lässt sich zwischen Himmel und Erde noch sehr viel mehr vermuten.

In Sachen pastorale Lüge nehme ich das angebotene Remis an. ;-)


LG sturioso
____________________________________

Ehrerbietung im Übermaß wird Kriecherei;
Vorsicht im Übermaß wird Furchtsamkeit;
Mut im Übermaß wird Draufgängertum;
Aufrichtigkeit im Übermaß wird Grobheit und Rücksichtslosigkeit.

Kultur entwickelt sich aus einer Gesinnung, die Maßlosigkeiten verhindert
und so allen Lebensäußerungen einen verfeinerten Ausdruck verleiht,
aus dem Sinn für das, was dem menschlichen Wesen entspricht,
aus dem Gefühl für Billigkeit und Gerechtigkeit.

[ Inspiriert sowohl durch Kung Fu Dsï als auch durch Gott Sowohl_als_Auch ]
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Wonko der Verständige
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Anmeldungsdatum: 03.06.2007
Beiträge: 10

Beitrag(#738480) Verfasst am: 04.06.2007, 18:44    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,


@ sturioso
Danke für die schnelle 'Aufklärung' über den Hintergrund dieses Threads. Ich denke in dieser Form beleuchtet er vor allem die psychologischen Aspekte des Sinnfindung des Menschen, insbesondere, warum sich Menschen überhaupt auf Sinnsuche begeben - sicherlich auch eine sehr interessante Facette der 'Sinnforschung'.

Mein strukturwissenschaftlich motivierter Ansatz geht die Sache gewissermaßen von der anderen Seite her an: vom theoretisch Allgemeinen hin zum Speziellen. Daher freut mich dein Interesse an der Behandlung systemtheoretischer Überlegungen.

"Ergebnisse einer systemtheoretischen Sinnforschung würden mich insoweit interessieren,
als dadurch das Verständnis des Menschen vertieft werden kann. "

Genau so sehe ich das auch! Idee

Um die Diskussion hier nicht zu sehr zu stören, macht es vielleicht doch Sinn Ausrufezeichen diesbzgl. einen eigenen Thread zu eröffnen. Die Ergebnisse könnten dann ja vom Abstrakten ausgehend hier wieder konkretisiert und in Richtung Psychologie angewandt werden.


@Evilbert
Hm, warum ist das Gegenteil von Unsinn Sinn? Ich hatte das eigentlich ganz schlicht gemeint. Wenn man als Modellvorstellung ein digitales Modell wählt mit einem Zahlenstrahl, der die Null in der Mitte enthält, dann liegt rechts bei +1 Sinn und Links bei -1 Unsinn. Wenn man daher das eine findet, kann man durch Spiegelung auch das andere erhalten. Natürlich lassen sich auch komplexere Sinnmodelle entwickeln, bei denen Unsinn nicht unbedingt das Gegenteil von Sinn bedeutet.



Gruß,
Wonko der Verständige
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Algol
Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia



Anmeldungsdatum: 22.06.2006
Beiträge: 4797
Wohnort: Berlin

Beitrag(#738909) Verfasst am: 05.06.2007, 08:29    Titel: Antworten mit Zitat

Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben:
P. S.: Der Titel 'Sinnlose Sinnsuche' ist recht amüsant, denn er impliziert ja geometrisch betrachtet bereits immer eine positive Antwort. Denn falls jemand bei seiner Suche tatsächlich etwas sinnloses finden würde, wäre dann automatisch das genaue Gegenteil davon wiederum der gesuchte Sinn. zwinkern

Klingt einleuchtend.
Was ist das genaue Gegenteil eines Automobils?
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Leben kann tödlich sein
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sturioso
registrierter User



Anmeldungsdatum: 20.03.2007
Beiträge: 128

Beitrag(#739060) Verfasst am: 05.06.2007, 11:50    Titel: Antworten mit Zitat



@ Scout2001
Zitat:

Wie das zustande kommt, habe ich als Küchenpsychologe über Kognitionspsychologie
überhaupt keine Ahnung.

Mir scheint es, als könnte es der evolutionäre Vorteil für uns Menschen sein.
Mit der Frage nach dem Sinn wollen wir im kleineren Bereich nur was verstehen lernen:
Wieso fliegt die Hummel zur Blume?
Wieso fliegt sie mit vollen Beuteln in die Erde rein. Was für ein Sinn steckt dahinter?
Und ergibt es einen Sinn, dass ich über so was nachdenke?
[...]

Aus welcher Mensa stammt denn dieses Menue ?
Der Geschmack der Sauce kommt mir irgendwie vertraut vor ...

Aber Scherz beiseite, meine Überlegungen zum Zustandekommen einer Sinn-Sehnsucht
bewegen sich in annähernd den gleichen Bahnen. Eine Neigung zum Fragen nach dem Warum
ist zweifellos nützlich und irgendwann in der Evolution ist sie anscheinend teilweise
seitlich weggekippt in eine Neigung zum Fragen nach dem Wozu.


Die Verwechslung von Korrelation mit Kausalität hat auch eine lange Tradition,
und das keineswegs nur bei Abergläubischen.


LG sturioso
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Konrad
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 01.06.2007
Beiträge: 1528

Beitrag(#739116) Verfasst am: 05.06.2007, 12:50    Titel: Antworten mit Zitat

Algol hat folgendes geschrieben:

...
Was ist das genaue Gegenteil eines Automobils?

Velostat Frage
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Algol
Katholik, saugverwirrte schleichende Scharia



Anmeldungsdatum: 22.06.2006
Beiträge: 4797
Wohnort: Berlin

Beitrag(#739127) Verfasst am: 05.06.2007, 13:12    Titel: Antworten mit Zitat

Konrad hat folgendes geschrieben:
Algol hat folgendes geschrieben:

...
Was ist das genaue Gegenteil eines Automobils?

Velostat Frage
Schulterzucken
Ich kann die Frage nicht beantworten.
Ich weiß, was kein Automobil ist, zB "grün" (das wird jetzt doch tiefsinniger, als geplant)
zweiter Versuch: eine Nachtigall.
Aber was ist "das genaue Gegenteil" von etwas?
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Wonko der Verständige
registrierter User



Anmeldungsdatum: 03.06.2007
Beiträge: 10

Beitrag(#739401) Verfasst am: 05.06.2007, 19:28    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,


"Was ist das Gegenteil eines Automobils?" ... oh je, da blutet mir als Auto-Fan aber das Herz, dass auf so eine Frage eine Antwort gesucht wird. zwinkern Hm, auf eine Nachtigall könnte ich zur Not aber getrost verzichten, daher versuche ich mal kurz eine Antwort zu geben:

Prinzipiell ist ja jede Definition nur im Rahmen eines kontextsensitiven Modells zu beschreiben, welches dann auch die jeweiligen Bezugsgrößen definiert. Wenn sich z. B. zwei Achzehnjährige darüber unterhalten, ob sie schon ein Auto haben, lauten die möglichen Antworten entweder "Ich habe ein Auto" oder "Ich habe kein Auto". Das Gegenteil von einem Auto wären dann kein Auto.

Der (mehr oder weniger clevere) Strukturwissenschaftler würde sagen: "Das Gegenteil von einem Auto ist ein Auto mal minus eins!" Cool

Dafür gibt es dann vom Physiker erst einmal einen (verdienten) Tritt in den Hintern, denn physikalisch gesehen ist das Gegenteil von einem Auto ein Anti-Auto. Stolz erzählt der Physiker dann, dass er es tatsächlich sogar schon geschafft hat ein Anti-Proton künstlich zu erzeugen. Er entwirft dann sogleich folgendes Katastrophen-Szenario: Ein Auto und ein Anti-Auto ergeben zusammen Null, sie zerstrahlen sich gegenseitig.

"Aha", sagt der Strukturwissenschaftler, wenn das eine das Gegenteil von anderen ist, dann sind diese Dinge dadurch gekennzeichnet, dass sie zusammen Null ergeben! Ein Beispiel wäre das total missglückte Anschieben eines Autos, bei dem beide hintern Auto stehen und der eine zieht und der andere schiebt. Wenn sich das Auto nicht bewegt, ist es beiden 'geglückt', das genaue Gegenteil voneinander zu tun.

Das Gegenteil einer Nachtigall ist dann eine Anti-Nachtigall. Wenn beide zusammentreffen ist endlich wieder Ruhe im Vorgarten! Sehr glücklich


Gruß,
Wonko der Verständige



P. S.: Jaja, die Strukturwissenschaften, ... also da könnte ich euch Geschichten drüber erzählen ... na ja, dann mache ich es wohl ganz einfach mal ... zwinkern
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hehehe
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Anmeldungsdatum: 26.07.2006
Beiträge: 674

Beitrag(#739863) Verfasst am: 06.06.2007, 09:32    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Die Vermutung, dass sich Menschenhirne eine Gesetzmäßigkeit auch dann zusammenfabulieren,
wenn eine solche nachweisbar nicht vorhanden ist, kann sich auf empirische Belege stützen
(Versuchspersonen zeigen eine deutliche Tendenz, auch bei rein zufälligem Zusammentreffen
mehrerer Faktoren eine Gesetzmäßigkeit zu erkennen).


Wie konkret sieht denn ein wissenschaftlicher Nachweis aus, dass etwas "rein zufällig" passiert?
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#739914) Verfasst am: 06.06.2007, 11:31    Titel: Antworten mit Zitat

Wonko der Verständige hat folgendes geschrieben:
Das Gegenteil einer Nachtigall ist dann eine Anti-Nachtigall.


Nicht die Lerche?
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Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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sturioso
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Anmeldungsdatum: 20.03.2007
Beiträge: 128

Beitrag(#739918) Verfasst am: 06.06.2007, 11:36    Titel: Antworten mit Zitat



@ Wonko sapiens
Zitat:

Um die Diskussion hier nicht zu sehr zu stören, macht es vielleicht doch Sinn
diesbzgl. einen eigenen Thread zu eröffnen.
Die Ergebnisse könnten dann ja vom Abstrakten ausgehend hier wieder konkretisiert
und in Richtung Psychologie angewandt werden.

Dieser Thread ist hart im Nehmen, also nur nicht schüchtern sein !

Ein systemtheoretisch fundiertes Erklärungsmodell für das Zustandekommen der Sinn-Sehnsucht
würde in diesem Thread sicher nicht stören. Ganz im Gegenteil, es könnte eine Vertiefung
und Erweiterung der von Scout2001 in groben Umrissen skizzierten Vorstellungen fördern.


LG sturioso
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"Der Klügere gibt nach !" sagt ein Sprichwort, aber ich gebe nicht nach.

Schon vor über 100 Jahren hat Marie von Ebner-Eschenbach betont,
dass ein häufiges Nachgeben der Klügeren
zu einer Vorherrschaft der Dummen führt.

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sturioso
registrierter User



Anmeldungsdatum: 20.03.2007
Beiträge: 128

Beitrag(#739965) Verfasst am: 06.06.2007, 12:15    Titel: Antworten mit Zitat



@ hehehe
Zitat:
Wie konkret sieht denn ein wissenschaftlicher Nachweis aus,
dass etwas "rein zufällig" passiert?

Siehe den Hinweis (Link und Zitat) auf illusorische Korrelationen von Scout2001.


LG sturioso
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Alchemist
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Anmeldungsdatum: 03.08.2004
Beiträge: 27897
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#739972) Verfasst am: 06.06.2007, 12:20    Titel: Re: Sinnlose Sinnsuche ? Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

sturioso hat folgendes geschrieben:
Ist Sinnsuche sinnlos?

Sinnsuche im Sinne einer Letztzwecksuche ist sinnlos, außer evtl. für therapeutische Zwecke, wenn sonst nichts hilft, z.B. Todeskandidaten in US-Gefängnissen oder Menschen, die tzodkrank oder stark traumatisiert sind. Allerdings sträubt sich alles in mir beim Gedanken an pastorales Lügen.


Sehe ich genauso.

Das Religionen die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet hätten, kann ich ebensowenig nachvollziehen.
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sturioso
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Anmeldungsdatum: 20.03.2007
Beiträge: 128

Beitrag(#741304) Verfasst am: 08.06.2007, 11:30    Titel: Antworten mit Zitat


Soooo hart im Nehmen ist dieser Thread nun auch wieder nicht ...


@ Alchemist
Zitat:
Das Religionen die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet hätten,
kann ich ebensowenig nachvollziehen.

Die Beantwortung der Frage nach dem Sinn des Lebens ist allerdings auch garnicht
Gegenstand der hiesigen Diskussion.

Hier werden mögliche Erklärungen für das Zustandekommen der Sinn-Sehnsucht diskutiert,
die ihrerseits wieder als Triebfeder hinter der Neigung zu Religiosität vermutet wird.

Es geht also um Erklärungen für die Neigung, eine bestimmte Art von Fragen zu stellen.

Eine solche Diskussion kann völlig unabhängig davon geführt werden, inwiefern Ideologien
auch zufriedenstellende Antworten auf diese bestimmte Art von Fragen liefern.

Vielleicht hätte der Titel dieses Threads lauten sollen:
"Warum stellen sich so viele Menschen so komische Fragen ?"

Aber "Sinnlose Sinnsuche ?" ist halt kürzer.


LG sturioso
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