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Ur-Krabbe stellt "kambrische Explosion" in Frage

 
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Spock
lebt noch



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Beitrag(#75818) Verfasst am: 15.01.2004, 14:47    Titel: Ur-Krabbe stellt "kambrische Explosion" in Frage Antworten mit Zitat

http://www.wissenschaft.de/wissen/news/152864.html

Laut einem Fund aus Shropshire in England soll es schon im frühen Kambrium, vor 511 Mio Jahren voll entwickelte Krustentiere gegeben haben. Forscher entdeckten dort ein außerordentlich gut erhaltenes Exemplar aus der Gruppe der Ostrakoden (das sind kleine Krebse mit 2-klappiger Schale, die mit den Wasserflöhen verwandt sind).

Allerdings kann ich keinen Widerspruch zur kambrischen Evolution finden. Das Kambrium begann - je nach Quelle - vor ca. 543/542 Mio Jahren. Der angegebene Zeitraum 511 Ma liegt schon dicke im Oberkambrium. Da gabs massig Zeit zur Entwicklung. Die ältesten Trilos tauchen ja auch bereits kurz nach dem Beginn im Unterkambrium auf...

Folgendes Bild scheint meine Aussagen zu bestätigen:



Dargestellt wird hier die Lebewelt des Kambrium. Die beiden rot/gelben Tiere ziemlich in der Mitte sehen mir doch sehr Crustaceenhaft aus.
_________________
"Wieviel dieses Märchen von Christus uns un den Unseren genützt hat, ist allbekannt!" (Papst Leo x.)
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Woici
ist vollkommen humorlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 7437
Wohnort: Em Schwobaländle

Beitrag(#75853) Verfasst am: 15.01.2004, 15:25    Titel: Antworten mit Zitat

Ist die Ur-Krabbe mit der Nordeseekrabbe verwandt?

Mr. Green
_________________
eigentlich bin ich ein ganz netter... und wenn ich freunde hätte, könnten die das auch bestätigen.
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Heike N.
wundert gar nix mehr



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 26138
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Beitrag(#75857) Verfasst am: 15.01.2004, 15:27    Titel: Antworten mit Zitat

Woici hat folgendes geschrieben:
Ist die Ur-Krabbe mit der Nordeseekrabbe verwandt?

Mr. Green


Dies war der Startschuss für eine Metadiskussion Mr. Green
_________________
God is Santa Claus for adults

Front Deutscher Äpfel (F.D.Ä.) - Nationale Initiative gegen die Überfremdung des deutschen Obstbestandes und gegen faul herumlungerndes Fallobst
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frajo
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Anmeldungsdatum: 25.08.2003
Beiträge: 11440

Beitrag(#75864) Verfasst am: 15.01.2004, 15:36    Titel: Re: Ur-Krabbe stellt "kambrische Explosion" in Fra Antworten mit Zitat

Spock hat folgendes geschrieben:
Laut einem Fund aus Shropshire in England soll es schon im frühen Kambrium, vor 511 Mio Jahren voll entwickelte Krustentiere gegeben haben. Forscher entdeckten dort ein außerordentlich gut erhaltenes Exemplar aus der Gruppe der Ostrakoden (das sind kleine Krebse mit 2-klappiger Schale, die mit den Wasserflöhen verwandt sind).

Allerdings kann ich keinen Widerspruch zur kambrischen Evolution finden. Das Kambrium begann - je nach Quelle - vor ca. 543/542 Mio Jahren. Der angegebene Zeitraum 511 Ma liegt schon dicke im Oberkambrium. Da gabs massig Zeit zur Entwicklung. Die ältesten Trilos tauchen ja auch bereits kurz nach dem Beginn im Unterkambrium auf...


auch ich sehe nichts sensationelles darin.
außerdem fehlt mir jeder hinweis auf die "kambrische katastrophe", die der "kambrischen explosion" vorausging. (es sei denn, die forschung ist mittlerweile wieder vom katastrophen-szenarium abgerückt - ich verfolge die entwicklung nicht systematisch.)

also: was soll sonderbares daran sein, daß sich bereits vor dem kambrium krustentiere gebildet hätten? wäre nicht das erste und garantiert auch nicht das letzte mal, daß ein teilstammbaum ältere wurzeln hat als zuvor angenommen.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#75901) Verfasst am: 15.01.2004, 17:00    Titel: Re: Ur-Krabbe stellt "kambrische Explosion" in Fra Antworten mit Zitat

Hi frajo,

frajo hat folgendes geschrieben:

außerdem fehlt mir jeder hinweis auf die "kambrische katastrophe", die der "kambrischen explosion" vorausging. (es sei denn, die forschung ist mittlerweile wieder vom katastrophen-szenarium abgerückt - ich verfolge die entwicklung nicht systematisch.)


den Begriff 'kambrische Katastrophe' habe ich, ehrlich gesagt, noch nicht gehört. Was ist damit gemeint?

frajo hat folgendes geschrieben:
also: was soll sonderbares daran sein, daß sich bereits vor dem kambrium krustentiere gebildet hätten? wäre nicht das erste und garantiert auch nicht das letzte mal, daß ein teilstammbaum ältere wurzeln hat als zuvor angenommen.


Das Problem ist, dass es vor dem Kambrium eine lange Zeit gab, aus der kaum Makrofossilien bekannt sind (Darwin sprach noch von 'fossilleeren Schichten'). Es ist sehr merkwürdig, wie schnell dann so gut wie alle Tierstämme, die man heute noch kennt (und noch ein paar mehr) sozusagen 'schlagartig' da waren. Das passt irgendwie nicht zum Gradualismus, den die heterodoxen Evolutionstheorien vertreten.

Ein Arthropoden-Fossil, das deutlich älter als das Kambrium ist, wäre für bestimmte Auffassungen von Evolution sehr 'hilfreich'.

BTW, falls Dich das ernsthaft interessiert:

Levinton, J. (2001) 'Genetics, Paleontology, and Macroevolution. 2nd ed.' Cambridge, Cambridge University Press

Sehr interessant ist auch, die Angaben in dieser Auflage mit der ersten (1988) zu vergleichen.

Grüßle

Thomas
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frajo
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Anmeldungsdatum: 25.08.2003
Beiträge: 11440

Beitrag(#75913) Verfasst am: 15.01.2004, 17:39    Titel: Re: Ur-Krabbe stellt "kambrische Explosion" in Fra Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
frajo hat folgendes geschrieben:

außerdem fehlt mir jeder hinweis auf die "kambrische katastrophe", die der "kambrischen explosion" vorausging. (es sei denn, die forschung ist mittlerweile wieder vom katastrophen-szenarium abgerückt - ich verfolge die entwicklung nicht systematisch.)
den Begriff 'kambrische Katastrophe' habe ich, ehrlich gesagt, noch nicht gehört. Was ist damit gemeint?

möglicherweise habe ich irgendetwas falsch in erinnerung. leider bin ich kein profi und kann daher im moment weder titel noch namen liefern. ich werde aber recherchieren. ausgedacht habe ich mir das jedenfalls nicht; ich war sogar ziemlich überascht, zu lesen, daß die durch den yucatan-meteoriten ausgelöste katastrophe weder die einzige noch die größte war, die ihre spuren in der evolution hinterlassen hat.
möglicherweise war das auch nur die theorie eines verschrobenen spinnners. ich schau mal nach, ob ich das wieder hervorkramen kann.

Zitat:
frajo hat folgendes geschrieben:
also: was soll sonderbares daran sein, daß sich bereits vor dem kambrium krustentiere gebildet hätten? wäre nicht das erste und garantiert auch nicht das letzte mal, daß ein teilstammbaum ältere wurzeln hat als zuvor angenommen.


Das Problem ist, dass es vor dem Kambrium eine lange Zeit gab, aus der kaum Makrofossilien bekannt sind (Darwin sprach noch von 'fossilleeren Schichten'). Es ist sehr merkwürdig, wie schnell dann so gut wie alle Tierstämme, die man heute noch kennt (und noch ein paar mehr) sozusagen 'schlagartig' da waren. Das passt irgendwie nicht zum Gradualismus, den die heterodoxen Evolutionstheorien vertreten.

ich habe irgendwo (Schulterzucken) von einer stufenförmig verlaufenden evolution gelesen; das kam mir sehr plausibel vor.
so als ob gewisse ereignisse (z.b. katastrophen) ganze schübe von weiterentwicklungen erst ermöglichen.

Zitat:
Ein Arthropoden-Fossil, das deutlich älter als das Kambrium ist, wäre für bestimmte Auffassungen von Evolution sehr 'hilfreich'.

das glaube ich unbesehen. zynisches Grinsen
aber, ehrlich gesagt, in erster linie interessieren mich die fakten, erst in zweiter linie die darauf fußenden schönen bilder.

Zitat:
BTW, falls Dich das ernsthaft interessiert:
Levinton, J. (2001) 'Genetics, Paleontology, and Macroevolution. 2nd ed.' Cambridge, Cambridge University Press

danke. bevor ich aber ein werk mit "macroevolution" im titel anpacke, erkundige ich mich lieber erst nach dem begriff selbst. das ist noch auf der "todo"-liste.
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Klaus-Peter
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Anmeldungsdatum: 10.01.2004
Beiträge: 1534

Beitrag(#75914) Verfasst am: 15.01.2004, 17:42    Titel: Re: Ur-Krabbe stellt "kambrische Explosion" in Fra Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Das Problem ist, dass es vor dem Kambrium eine lange Zeit gab, aus der kaum Makrofossilien bekannt sind (Darwin sprach noch von 'fossilleeren Schichten'). Es ist sehr merkwürdig, wie schnell dann so gut wie alle Tierstämme, die man heute noch kennt (und noch ein paar mehr) sozusagen 'schlagartig' da waren. Das passt irgendwie nicht zum Gradualismus, den die heterodoxen Evolutionstheorien vertreten.

Also mich wundert das überhaupt nicht, und die Kambrische Explosion ist sehr gut mit der ganz gewöhnlichen "Synthese", angereichert mit ein bisschen Adaptionismus, vereinbar. Meine "Just-so-Story": irgendwann im Prä-Kabrium hat eines der Lebewesen dort, vielleicht ein relativ strukturloser Mehrzeller, einen Superguten Trick entdeckt, irgendein Gen, das Zellverbände in die Länge wachsen lässt, und das man dynamisch (als während der Wachstumsphase des Phänotyus) ein- und ausschalten kann (Ein Kandidat wären die Hox-Gene).

Wenn so etwas erfunden ist, dann ist es plötzlich möglich, mit winzigen (steuernden) Mutationen riesige Phänotypische Effekte zu erzielen (Siehe Drosophila). Und damit ergibt sich sofort eine Vielzahl von Möglichkeiten, Vorteile der Körpergrösse für sich auszunützen. Was man erwarten würde, wäre, dass anfangs, wenn noch keine Grossen Lebewesen da sind, sich alles mögliche bilden kann. Später fängt dann ein Konkurrenzkampf an, und nur wenige werden - durch Glück mit gutem Design ausgestattet, überleben. (Durch Koevolution und gegenseitige Abhängigkeit werden das nur wenige Grundtypen sein, wie das Manfred Eigen in "das Spiel" vorgerechnet hat - eigentlich "nur" für die Entstehung des Lebens. Aber den gleichen Effekt stelle ich mir bei jeder Form von "hyperexponentiellem Wachstum" vor. Genau so, wie es in der kambrischen Explosion zu beobachten ist. Ein zu alter vorkambrischer Mehrzeller würde diese meine just-so-story allerdings wohl falsifizieren, ausser, er wäre ganz furchtbar strukturlos.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#75918) Verfasst am: 15.01.2004, 17:59    Titel: Re: Ur-Krabbe stellt "kambrische Explosion" in Fra Antworten mit Zitat

Hi frajo,

frajo hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
frajo hat folgendes geschrieben:

außerdem fehlt mir jeder hinweis auf die "kambrische katastrophe", die der "kambrischen explosion" vorausging. (es sei denn, die forschung ist mittlerweile wieder vom katastrophen-szenarium abgerückt - ich verfolge die entwicklung nicht systematisch.)
den Begriff 'kambrische Katastrophe' habe ich, ehrlich gesagt, noch nicht gehört. Was ist damit gemeint?

möglicherweise habe ich irgendetwas falsch in erinnerung. leider bin ich kein profi und kann daher im moment weder titel noch namen liefern. ich werde aber recherchieren. ausgedacht habe ich mir das jedenfalls nicht; ich war sogar ziemlich überascht, zu lesen, daß die durch den yucatan-meteoriten ausgelöste katastrophe weder die einzige noch die größte war, die ihre spuren in der evolution hinterlassen hat.

möglicherweise war das auch nur die theorie eines verschrobenen spinnners. ich schau mal nach, ob ich das wieder hervorkramen kann.


ich habe grad sicherheitshalber mal bei google geschaut, unter 'kambrischer katastrophe' fand ich nichts.

Angeblich gab es noch früher die erste globale Katastrophe, als die Blaualgen die Photosynthese entwickelten und Sauerstoff in die Luft abgaben. Das hat vermutlich über 99 Prozent der Arten getötet, aber dadurch wurde der oxidative Stoffwechsel möglich. Außerdem sorgte der dabei entstehende Ozon-Gürtel dafür, dass Leben in oberen Wasserschichten und sogar am Land möglich wurde.

Außerdem soll die Erde irgendwann mal mit einem dicken Eispanzer umgegeben gewesen sein. Das hätte natürlich auch gewaltige Konsequenzen gehabt.

Kometen sind immer wieder mal eingeschlagen. Die größten Faunenschnitte erfolgten aber durch das Zusammengehen von Kontinenten, weil dadurch die artenreichsten Lebensräume, die Flachmeere, enorm zurückgingen.

frajo hat folgendes geschrieben:
Thomas hat folgendes geschrieben:
frajo hat folgendes geschrieben:
also: was soll sonderbares daran sein, daß sich bereits vor dem kambrium krustentiere gebildet hätten? wäre nicht das erste und garantiert auch nicht das letzte mal, daß ein teilstammbaum ältere wurzeln hat als zuvor angenommen.


Das Problem ist, dass es vor dem Kambrium eine lange Zeit gab, aus der kaum Makrofossilien bekannt sind (Darwin sprach noch von 'fossilleeren Schichten'). Es ist sehr merkwürdig, wie schnell dann so gut wie alle Tierstämme, die man heute noch kennt (und noch ein paar mehr) sozusagen 'schlagartig' da waren. Das passt irgendwie nicht zum Gradualismus, den die heterodoxen Evolutionstheorien vertreten.

ich habe irgendwo (:schulter:) von einer stufenförmig verlaufenden evolution gelesen; das kam mir sehr plausibel vor.
so als ob gewisse ereignisse (z.b. katastrophen) ganze schübe von weiterentwicklungen erst ermöglichen.


Das eine widerspricht nicht dem anderen. Gradualismus kann sehr schnell gehen. Entscheidend ist, dass _zwischen_ den Formen _fließende_ Übergänge möglich sind. Das geht natürlich in langer Zeit 'einfacher'.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
frajo hat folgendes geschrieben:
Ein Arthropoden-Fossil, das deutlich älter als das Kambrium ist, wäre für bestimmte Auffassungen von Evolution sehr 'hilfreich'.

das glaube ich unbesehen. :twisted:
aber, ehrlich gesagt, in erster linie interessieren mich die fakten, erst in zweiter linie die darauf fußenden schönen bilder.


Klar. Aber eigentlich sind nur die Theorien interessant, nicht die Daten. Darwin hat das wunderschön formuliert: Du kannst in einen Steinbruch gehen und jeden Stein genau messen und wiegen. So kannst Du jede Menge Fakten sammeln. Auch Popper hat sich in die Richtung geäußert ('Kübel-' vs. 'Scheinwerfer-Theorie'). Und Einstein sagte: man weiß nicht, was man sieht, sondern man sieht, was man weiß. Jeder Anfänger im Mikroskopier-Praktikum wird Dir das bestätigen.

frajo hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
BTW, falls Dich das ernsthaft interessiert:
Levinton, J. (2001) 'Genetics, Paleontology, and Macroevolution. 2nd ed.' Cambridge, Cambridge University Press

danke. bevor ich aber ein werk mit "macroevolution" im titel anpacke, erkundige ich mich lieber erst nach dem begriff selbst. das ist noch auf der "todo"-liste.


Nur falls es Dich interessiert:

http://www.waschke.de/makroevolution.htm

Ich habe dort auf der Basis von etwa 100 Belegstellen aus der Evolutionsliteratur versucht, die Verwendung des Begriffs 'Makroevolution' zu analysieren (ich plante eine Begriffs-Geschichte, habe meinen Schwerpunkt inzwischen aber etwas verlagert). Inzwischen habe ich eine mehrfache Zahl an Belegstellen, aber die generelle Tendenz hat sich nicht geändert.

Levinton ist ein Autor, der voll im 'MainStream' schwimmt. Das Buch will eine Brücke schlagen: Genetiker wissen zu wenig von Paläontologie, Paläontologen zu wenig von Genetik, und das Buch will beide Seiten auf den selben Level bringen.

Grüßle

Thomas
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#75919) Verfasst am: 15.01.2004, 18:11    Titel: Re: Ur-Krabbe stellt "kambrische Explosion" in Fra Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Das Problem ist, dass es vor dem Kambrium eine lange Zeit gab, aus der kaum Makrofossilien bekannt sind (Darwin sprach noch von 'fossilleeren Schichten'). Es ist sehr merkwürdig, wie schnell dann so gut wie alle Tierstämme, die man heute noch kennt (und noch ein paar mehr) sozusagen 'schlagartig' da waren. Das passt irgendwie nicht zum Gradualismus, den die heterodoxen Evolutionstheorien vertreten.

Also mich wundert das überhaupt nicht, und die Kambrische Explosion ist sehr gut mit der ganz gewöhnlichen "Synthese", angereichert mit ein bisschen Adaptionismus, vereinbar. Meine "Just-so-Story": irgendwann im Prä-Kabrium hat eines der Lebewesen dort, vielleicht ein relativ strukturloser Mehrzeller, einen Superguten Trick entdeckt, irgendein Gen, das Zellverbände in die Länge wachsen lässt, und das man dynamisch (als während der Wachstumsphase des Phänotyus) ein- und ausschalten kann (Ein Kandidat wären die Hox-Gene).


so in etwa sehe ich das auch (und in EvoDevo-Büchern wird das sehr anschaulich dargestellt, ich kann Dir gerne ein paar Titel nennen). Das Problem dabei ist aber, dass das mit der Synthetischen Theorie der Evolution, zumindest in der 'klassischen' Form, nicht vereinbar ist. Nach dieser Theorie wäre das, was Du schilderst, ein _Sprung_. Der 'Trick' lässt sich nämlich _nicht_ durch eine Reihe _kleiner_, jeweils selektions_positiver_ Schritte beschreiben. Und genau das macht die klassische Auffassung aus.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: niemand weiß, das die 'Synthetische Theorie der Evolution' genau bedeutet (ich kann Dir gerne Arbeiten von Philosophen nennen, die von Anhängern der Synthetischen Theorie der Evolution beauftragt wurden, das zu untersuchen, und die fanden, dass das nicht geht). Daher ist es auch schwer, zu sagen, was denn nun noch integrierbar ist und was nicht.

Klaus Peter hat folgendes geschrieben:
Wenn so etwas erfunden ist, dann ist es plötzlich möglich, mit winzigen (steuernden) Mutationen riesige Phänotypische Effekte zu erzielen (Siehe Drosophila). Und damit ergibt sich sofort eine Vielzahl von Möglichkeiten, Vorteile der Körpergrösse für sich auszunützen. Was man erwarten würde, wäre, dass anfangs, wenn noch keine Grossen Lebewesen da sind, sich alles mögliche bilden kann. Später fängt dann ein Konkurrenzkampf an, und nur wenige werden - durch Glück mit gutem Design ausgestattet, überleben. (Durch Koevolution und gegenseitige Abhängigkeit werden das nur wenige Grundtypen sein, wie das Manfred Eigen in "das Spiel" vorgerechnet hat - eigentlich "nur" für die Entstehung des Lebens. Aber den gleichen Effekt stelle ich mir bei jeder Form von "hyperexponentiellem Wachstum" vor. Genau so, wie es in der kambrischen Explosion zu beobachten ist.


Dieses Szenario ist natürlich sehr anschaulich. Ich kann Dir Arbeiten aus den 1920er Jahren und noch früher nennen, die von den Vertretern der Synthetischen Theorie der Evolution als 'Zwei-Phasen-Lehren' verspottet wurden, die aber inhaltlich in etwa dasselbe vertraten. Nicht-darwinistisch daran ist schlicht und ergreifend, dass die _Entstehung_ der evolutionären Neuheiten _nicht_ mit den Mechanismen _erklärt_ werden kann, die für die Selektion der _bestehenden_ Organismen verantwortlich sind. Und genau das, nämlich einen _einheitlichen_ Evolutionsmechanismus vorzuschlagen, war der angebliche Geniestreich Darwins.

Klaus Peter hat folgendes geschrieben:
Ein zu alter vorkambrischer Mehrzeller würde diese meine just-so-story allerdings wohl falsifizieren, ausser, er wäre ganz furchtbar strukturlos.


Stimmt. Eins sollte man dabei noch bedenken: die Kreationisten vertreten die Idee von 'polyvalenten Stammformen'. Was Du schreibst, und auch was derzeit diskutiert wird, lässt diese Idee gar nicht so abwegig erscheinen. Denke nur an die 'Tiefenhomologie'.

Grüßle

Thomas
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Nordseekrabbe
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Beitrag(#76021) Verfasst am: 15.01.2004, 23:43    Titel: Antworten mit Zitat

Woici hat folgendes geschrieben:
Ist die Ur-Krabbe mit der Nordeseekrabbe verwandt?

Mr. Green


Möglicherweise. zwinkern Lachen
Ich weiss es nicht. zwinkern Lachen
_________________
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Nordseekrabbe
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
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Beitrag(#76023) Verfasst am: 15.01.2004, 23:45    Titel: Antworten mit Zitat

Heike N. hat folgendes geschrieben:
Woici hat folgendes geschrieben:
Ist die Ur-Krabbe mit der Nordeseekrabbe verwandt?

Mr. Green


Dies war der Startschuss für eine Metadiskussion Mr. Green


Nein, denn ich habe es mir meinerseits zum Vorsatz gemacht, keine Metadiskussionen mehr vom Stapel zu lassen. zwinkern
_________________
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max
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Beiträge: 3055

Beitrag(#76058) Verfasst am: 16.01.2004, 00:30    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Das passt irgendwie nicht zum Gradualismus, den die heterodoxen Evolutionstheorien vertreten.

Dazu empfehle ich Stephen Jay Gould und seine Theorie des "unterbrochenen Gleichgewichts" (punctuated equilibrium), die genau auf solche Explosionen von Artenvielfalt und Artsterben, während dazwischen es eine scheinbare Stabilität gibt, in der die Mehrzahl der genetischen Mutationen keine Auswirkungen haben ("neutrale Theorie der molekularen Evolution" von Kimura), eingeht.

Eine einfache (englischsprachige) Darstellung von Goulds Theorie ist hier:
Revolutions in evolution: Stephen Jay Gould in perspective


Insgesamt sind Goulds Bücher sehr zu empfehlen, z.B. Illusion Fortschritt. Hier zeigt er z.B., dass es eigentlich keinen wirklichen Trend zu Komplexität gibt. Es ist nur so, dass es in die Richtung weniger Komplexität es von Bakterien (die Mehrzahl der Individuen und Arten auf der Erde) keine grosse Tendenz möglich ist. In Richtung Komplexität gibt es dagegen keine Grenze.
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El Schwalmo
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Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9070

Beitrag(#76082) Verfasst am: 16.01.2004, 01:03    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Max,

max hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Das passt irgendwie nicht zum Gradualismus, den die heterodoxen Evolutionstheorien vertreten.

Dazu empfehle ich Stephen Jay Gould und seine Theorie des "unterbrochenen Gleichgewichts" (punctuated equilibrium), die genau auf solche Explosionen von Artenvielfalt und Artsterben, während dazwischen es eine scheinbare Stabilität gibt, in der die Mehrzahl der genetischen Mutationen keine Auswirkungen haben ("neutrale Theorie der molekularen Evolution" von Kimura), eingeht.


geh' davon aus, dass ich so gut wie alle Bücher von Gould und ein paar Dutzend seiner Artikel in Fachzeitschriften gelesen habe.

Die Durchbrochenen Gleichgewichte sind eigentlich Mayr's Idee. Er hat sie, praktisch in der Terminologie von Gould, schon in

Mayr, E. (1954) 'Change of genetic environment and evolution' in: Huxley, J.; Hardy, A.C.; Ford, E.B.; (eds.) 'Evolution as a Process' London, Allen and Unwin S. 157-180

vorgestellt. Mayr ist heute noch sauer auf Gould, weil er mit dem zusammen in Harvard Kurse gehalten hat und Gould eigentlich wissen musste, dass die Idee schon etwas älter war. Details findest Du in

http://www.netzeitung.de/wissenschaft/243542.html
http://www.netzeitung.de/wissenschaft/243544.html

Interessant ist auch die Geschichte der Durchbrochenen Gleichgewichte. Eigentlich stammen die von Eldredge:

Eldredge (1971) 'The allopatric model and phylogeny in Paleozoic invertebrates' Evolution 25:156-167

und erschien im 'Flaggschiff' der MainStream-Auffassung. Der Gründungsartikel der Durchbrochenen Gleichgewichte'

Eldredge, N.; Gould, S.J. (1972) 'Punctuated equilibria: an alternative to phyletic gradualism' in: Schopf, J.M.; Thomas, J.M.; (eds.) 'Models in Paleobiology' San Francisco, Freeman, Cooper and Co. S. 82-115

hat eine interessante Geschichte. Diese Arbeit (auch vom wissenschaftstheoretischen Standpunkt äußerst aufschlussreich, die Autoren stützen sich sehr stark auf Kuhn) hätte nie in einer Zeitschrift erscheinen können. Gould setzte den Herausgebern 'die Pistole auf die Brust' und verlangte, dass der Artikel in dem Sammelband so erschien, wie er ihn eingereicht hatte. Nur am Rande sei erwähnt, dass Eldredge, der eigentlich den fachlichen Hintergrund geliefert hatte, nur am Rande auftauchte.

Die Durchbrochenen Gleichgewichte haben ebenfalls eine Entwicklung hinter sich, weil sie vor allem von Gould im Laufe der Zeit mit immer mehr zusätzlichen Elementen (Artselektion, 'Wrightean Breaks') angereichtert wurden. Die umfänglichste Darstellung, die aber die kompetentesten Kritiker einfach ignoriert, findest Du in

Gould, S.J. (2002) 'The Structure Of Evolutionary Theory' Cambridge, Mass; London, Belknap

dem leider definitiv letzten Buch von Gould.

max hat folgendes geschrieben:
Eine einfache (englischsprachige) Darstellung von Goulds Theorie ist hier:
Revolutions in evolution: Stephen Jay Gould in perspective


Danke für den Link, muss ich mir gelegentlich anschauen.

max hat folgendes geschrieben:
Insgesamt sind Goulds Bücher sehr zu empfehlen, z.B. Illusion Fortschritt. Hier zeigt er z.B., dass es eigentlich keinen wirklichen Trend zu Komplexität gibt. Es ist nur so, dass es in die Richtung weniger Komplexität es von Bakterien (die Mehrzahl der Individuen und Arten auf der Erde) keine grosse Tendenz möglich ist. In Richtung Komplexität gibt es dagegen keine Grenze.


Klar, das ist der bekannte 'random walk' des Besoffenen, der immer in der Gosse landet, weil er nur in diese Richtung kommt, weil auf der anderen Seite eine Mauer ist.

Hilf mir bitte über die Strasse: Ist 'Illusion Fortschritt' die deutsche Übersetzung von

Gould, S.J. (1989) 'Wonderful Life. The Burgess Shale and the Nature of History' New York; London, Norton

oder

Gould, S.J. (1996) 'Life's Grandeur. The Spread of Excellence from Plato to Darwin' London, Vintage

Im zweiten Buch ist der von Dir genannte Ansatz sehr ausführlich dargestellt.

Ist natürlich eine interessante Frage, ob man, wenn man zunehmende Komplexität feststellt, diese als 'nicht wirklichen Trend' bezeichnen sollte. Was ist eigentlich der konkrete Unterschied zwischen einem wirklichen und einem nicht wirklichen Trend?

Es gibt auch andere Ansätze, beispielsweise Kauffmann's 'Order for Free'. Die Frage, ob es in der Evolution einen Vektor gibt scheint mir noch lange nicht geklärt zu sein.

Grüßle

Thomas
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max
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Anmeldungsdatum: 18.07.2003
Beiträge: 3055

Beitrag(#76103) Verfasst am: 16.01.2004, 01:27    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Hilf mir bitte über die Strasse: Ist 'Illusion Fortschritt' die deutsche Übersetzung von

Gould, S.J. (1989) 'Wonderful Life. The Burgess Shale and the Nature of History' New York; London, Norton

oder

Gould, S.J. (1996) 'Life's Grandeur. The Spread of Excellence from Plato to Darwin' London, Vintage

Letzteres. Wobei die englisch-sprachige Ausgabe in meiner deutschen als "Full House. The The Spread of Excellence from Plato to Darwin" bezeichnet wird, wobei dies dann die Ausgabe von Harmony Books/Crown Publishers, New York ist.

Ich wollte nicht behaupten, dass Gould der alleinige "Erfinder" dieser Theorie ist. Mir ging es mehr um die Theorie selbst.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Ist natürlich eine interessante Frage, ob man, wenn man zunehmende Komplexität feststellt, diese als 'nicht wirklichen Trend' bezeichnen sollte. Was ist eigentlich der konkrete Unterschied zwischen einem wirklichen und einem nicht wirklichen Trend?

Es geht hier hauptsächlich um die, die behaupten, dass das Ziel der Evolution komplexe Lebensformen und im Endeffekt dann "die Krone der Schöpfung", der Mensch sei. Dies ist eine idealistische Auffassung, die die Realität ignoriert, in der sich der Grossteil der Arten eben nicht in Richtung mehr Komplexität entwickelt hat. Es gibt natürlich wegen der einseitigen Grenze eine Tendenz/Trend (bin für solche Unterschiede zu müde zwinkern ) in Richtung Komplexität, die aber nur eine kleine Minderheit von Arten umfasst, aus der es auch wieder eine Rückentwicklung gibt (z.B. Parasiten, Muscheln).
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Beiträge: 1534

Beitrag(#76126) Verfasst am: 16.01.2004, 02:06    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Gould, S.J. (1996) 'Life's Grandeur. The Spread of Excellence from Plato to Darwin' London, Vintage

Ich hab gerade zufällig die deutsche Version vor mir liegen. Laut Klappe heisst das Original:
Gould, S.J. (1996) 'Full House. The Spread of Excellence from Plato to Darwin' New York, Harmony Books / Crown Publishers
Mich hat das Buch mehr geärgert als gefreut. Gould ist ein Angeber, Aufschneider und schlechter Philosoph der Biologie. Wie er das Beispiel mit dem Betrunkenen auswalzt, ist ärgerlich. Sein komisches Baseball-Rätsel hatte ich schon nach der Beschreinung gelöst, und den Fehlschluss, den er daraus zog, vorhergesehen. Einzig seine Darstellung der "Verbreiterung des rechten Schwanzes" einer nach links begrenzten Zufallsverteilung als (zutreffende) Erklärung der zunehmenden Komplexität des Lebens hat einen gewissen didaktischen Charme. Aber 1. nicht genug, um das zu einem ganzen Buch auszuwalzen. und 2. Nicht als Beweis, dass Fortschritt eine Illusion sei.

Wobei mich der Strohmann von Fortschrittsbegriff an sich schon geärgert hat. Noch nie habe ich den blödsinnigen Begriff von Fortschritt, von dem Gould behauptet, seine Gegner würden ihn verwenden, in einem Buch gefunden, nicht in einem Schulbuch für Klein-Fritzchen, nicht bei Ditfurth, nicht bei Mayr, nicht bei Wilson und erst recht nicht bei Dawkins oder Dennett. Seit ich mich erinnern kann, etwas über Evolution zu wissen, weiss ich, dass die Höherentwicklung der Evolution dadurch zustande kommt, dass die weniger komplexen ökologischen Nischen besetzt sind, und das Leben in die komplexeren Sphären ausweicht.

Zum Glück habe ich es nur aus der Bibliothek. Bevor ich das nächste Buch von Gould lese, lese ich erst den Blinden Uhrmacher von Dawkins auf türkisch (und das lerne ich gerade erst).

Um fair zu sein, muss ich bekennen, dass ich trotzdem froh bin, das Buch bis zu Ende gelesen zu haben. (Ich hätte es fast weggelegt): Wenn man sich im Kapitel 14, "die Macht der bakteriellen Form", erst mal bis zum Abschnitt über SLiME vorgekämpft hat (SLiME = subsurface lithoauthropic microbiql Ecosystem), wird es richtig spannend. Gould schildert dann nämlich die Ergebnisse seines Fastnamensvetters Thomas Gold, der die Hypothese aufgestellt hat, das Leben könne womöglich im inneren der Erde, als anaerobe Lebensformen, die ihre Energie nicht aus der Sonne, sondern aus dem Erdinneren ziehen, entstanden sein. Das hiesse: man hätte bessere Chancen, auf dem Mars Leben zu finden, als erwartet. Allerdings unter der Oberfläche - zu schade, dass die Beagle verloren gegangen ist, die hätte ein bisschen gegraben.

Zitat:
Ist natürlich eine interessante Frage, ob man, wenn man zunehmende Komplexität feststellt, diese als 'nicht wirklichen Trend' bezeichnen sollte. Was ist eigentlich der konkrete Unterschied zwischen einem wirklichen und einem nicht wirklichen Trend?

Interessant, dass Dir das gleich wie mir aufgestossen ist.
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El Schwalmo
Atheistischer Agnostiker



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Beitrag(#76176) Verfasst am: 16.01.2004, 07:22    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Max,

max hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Hilf mir bitte über die Strasse: Ist 'Illusion Fortschritt' die deutsche Übersetzung von

Gould, S.J. (1989) 'Wonderful Life. The Burgess Shale and the Nature of History' New York; London, Norton

oder

Gould, S.J. (1996) 'Life's Grandeur. The Spread of Excellence from Plato to Darwin' London, Vintage

Letzteres. Wobei die englisch-sprachige Ausgabe in meiner deutschen als "Full House. The The Spread of Excellence from Plato to Darwin" bezeichnet wird, wobei dies dann die Ausgabe von Harmony Books/Crown Publishers, New York ist.


Gould hat das Buch in zwei Versionen geschrieben: eine für Amerikaner und eine für Europäer. In letzterer ist genauer erklärt, was Baseball ist. Ansonsten sind sie mehr oder weniger identisch.

Alex hat folgendes geschrieben:
Ich wollte nicht behaupten, dass Gould der alleinige "Erfinder" dieser Theorie ist. Mir ging es mehr um die Theorie selbst.


Das ist eine wesentlich schwierigere Frage. Zunächst war die Theorie nichts anderes als die konsequente Anwendung der allopatrischen bzw. peripatrischen Speziation auf den Fossilbefund, die letztlich voll im Rahmen der Standard-Theorie liegt. Das ist dann eine interessante Frage, die Paläontologen klären können, wenn die 'Auflösung' des Fossilbefunds hoch genug ist (es gibt gute Anzeichen dafür, dass das nicht der Fall ist, vielleicht kann Spock was dazu sagen). Gould ging aber weiter. Die Frage ist dann, ob die Entstehung von Neuheiten in der Evolution an Speziation gekoppelt ist. Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Zeitweilig hat Gould auch mit Saltationen im Sinne Goldschmidts (zu dessen Neuausgabe von 'Material Basis of Evolution' er ein Vorwort schrieb, interessant ist auch, sein Vorwort zur Übersetzung von Schindewolfs 'Grundfragen der Paläontologie' mit dem Nachwort von Reif zu vergleichen). Wenn man nun auch noch Artselektion dazu packt, wird es noch ein wenig komplexer.

In der Fachwelt sind die Durchbrochenen Gleichgewichte durchaus umstritten. Fast amüsant ist es, die Darstellung Dawkins' im 'Blind Watchmaker' zu lesen.

Max hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Ist natürlich eine interessante Frage, ob man, wenn man zunehmende Komplexität feststellt, diese als 'nicht wirklichen Trend' bezeichnen sollte. Was ist eigentlich der konkrete Unterschied zwischen einem wirklichen und einem nicht wirklichen Trend?

Es geht hier hauptsächlich um die, die behaupten, dass das Ziel der Evolution komplexe Lebensformen und im Endeffekt dann "die Krone der Schöpfung", der Mensch sei. Dies ist eine idealistische Auffassung, die die Realität ignoriert, in der sich der Grossteil der Arten eben nicht in Richtung mehr Komplexität entwickelt hat. Es gibt natürlich wegen der einseitigen Grenze eine Tendenz/Trend (bin für solche Unterschiede zu müde ;) ) in Richtung Komplexität, die aber nur eine kleine Minderheit von Arten umfasst, aus der es auch wieder eine Rückentwicklung gibt (z.B. Parasiten, Muscheln).


So in etwa sehe ich das auch. Fakt ist aber, dass es komplexe Formen gibt. Im Verlauf der Erdgeschichte nahm die Komplexität eindeutig zu. Wie gesagt, die Frage, ob es einen 'Vektor' in der Evolution gibt, ist recht umstritten. Die nach einem Ziel noch viel mehr.

Grüßle

Thomas
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Spock
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Beitrag(#76275) Verfasst am: 16.01.2004, 12:36    Titel: Re: Ur-Krabbe stellt "kambrische Explosion" in Fra Antworten mit Zitat

frajo hat folgendes geschrieben:
"kambrische katastrophe"
Es gab ein Massenaussterben im Kambrium, allerdings am Ende und betroffen war die sogenannte "Kambrische Fauna", die im Gegensatz zu der ebenfalls schon vorhandenen "Paläozoischen Fauna" praktisch ausschließlich im Kambrium vorkommt. Dazu zählen hauptsächlich Trilobiten, die sich in ihrer Vielfalt bis zum Ende nie wieder richtig von diesem Einschnitt erholen sollten.

Es gab eine "Katastrophe" im Jungpräkambrium, die der kamrischen Explosion vorausging, die im Zusammenhang mit dem "Snowball Earth" steht, einem Ereignis, bei dem fast die gesamte Erde unter Gletschern versank, weil sich sich die gesamte Landmasse als Superkontinent am Südpol befand und so die ausgleichenden Meeresströmungen unterbrochen waren. Damals starben wohl 70 % der Arten aus.
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El Schwalmo
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Beitrag(#76277) Verfasst am: 16.01.2004, 12:40    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus Peter

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Gould, S.J. (1996) 'Life's Grandeur. The Spread of Excellence from Plato to Darwin' London, Vintage

Ich hab gerade zufällig die deutsche Version vor mir liegen. Laut Klappe heisst das Original:
Gould, S.J. (1996) 'Full House. The Spread of Excellence from Plato to Darwin' New York, Harmony Books / Crown Publishers


danke, jetzt weiß ich Bescheid. Ich hatte alle Bücher zwar in meiner Datenbank, aber leider 'vergessen', bei den deutschen Übersetzungen die Original-Titel einzutragen. Muss ich gelegentlich nachholen.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Mich hat das Buch mehr geärgert als gefreut. Gould ist ein Angeber, Aufschneider und schlechter Philosoph der Biologie.


Harte Worte. Den ersten beiden Charakterisierungen kann ich zustimmen. Bei der dritten wäre ich vorsichtig. Gould hat zumindest einen breiteren BackGround als seine Kollegen.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Wie er das Beispiel mit dem Betrunkenen auswalzt, ist ärgerlich. Sein komisches Baseball-Rätsel hatte ich schon nach der Beschreinung gelöst, und den Fehlschluss, den er daraus zog, vorhergesehen. Einzig seine Darstellung der "Verbreiterung des rechten Schwanzes" einer nach links begrenzten Zufallsverteilung als (zutreffende) Erklärung der zunehmenden Komplexität des Lebens hat einen gewissen didaktischen Charme. Aber 1. nicht genug, um das zu einem ganzen Buch auszuwalzen. und 2. Nicht als Beweis, dass Fortschritt eine Illusion sei.


Das ging mir ähnlich.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Wobei mich der Strohmann von Fortschrittsbegriff an sich schon geärgert hat. Noch nie habe ich den blödsinnigen Begriff von Fortschritt, von dem Gould behauptet, seine Gegner würden ihn verwenden, in einem Buch gefunden, nicht in einem Schulbuch für Klein-Fritzchen, nicht bei Ditfurth, nicht bei Mayr, nicht bei Wilson und erst recht nicht bei Dawkins oder Dennett. Seit ich mich erinnern kann, etwas über Evolution zu wissen, weiss ich, dass die Höherentwicklung der Evolution dadurch zustande kommt, dass die weniger komplexen ökologischen Nischen besetzt sind, und das Leben in die komplexeren Sphären ausweicht.


Das würde ich nicht so sehen. Es gibt extrem komplexe ökologische Nischen, die von extrem 'einfachen' Wesen besetzt sind. Hier kann 'Forschritt' genau das Gegenteil von dem bedeuten, was man üblicherweise darunter versteht ('Zunahme an Komplexität').

Glaub' mir,die Frage, wie Neuheiten in der Evolution entstehen, ist eine der schwierigsten und IMAO noch ungelösten Fragen der Evolutionsbiologie. Die Frage wurde aus 'strategischen Gründen' bewusst lange 'totgeschwiegen' und die externalitische These, die Du anführst, ist bestenfalls eine unter vielen, die zudem, wenn man genauer hinsieht, entweder so trivial ist, dass sie nichts erklärt oder schwer vertretbar.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Zum Glück habe ich es nur aus der Bibliothek. Bevor ich das nächste Buch von Gould lese, lese ich erst den Blinden Uhrmacher von Dawkins auf türkisch (und das lerne ich gerade erst).


Dann rate ich Dir beim Lesen des Buchs zu überlegen, was der Unterschied zwischen 'bookkeping' und Mechanismen ist und ganz genau darauf zu achten, wo Dawkins beides durcheinander bringt.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Um fair zu sein, muss ich bekennen, dass ich trotzdem froh bin, das Buch bis zu Ende gelesen zu haben. (Ich hätte es fast weggelegt): Wenn man sich im Kapitel 14, "die Macht der bakteriellen Form", erst mal bis zum Abschnitt über SLiME vorgekämpft hat (SLiME = subsurface lithoauthropic microbiql Ecosystem), wird es richtig spannend. Gould schildert dann nämlich die Ergebnisse seines Fastnamensvetters Thomas Gold, der die Hypothese aufgestellt hat, das Leben könne womöglich im inneren der Erde, als anaerobe Lebensformen, die ihre Energie nicht aus der Sonne, sondern aus dem Erdinneren ziehen, entstanden sein. Das hiesse: man hätte bessere Chancen, auf dem Mars Leben zu finden, als erwartet. Allerdings unter der Oberfläche - zu schade, dass die Beagle verloren gegangen ist, die hätte ein bisschen gegraben.


Wenn es über einen Vorgang so wenig Informationen gibt wie über die Abiogenese, dann gibt es entsprechend viele Phantasien. Darwin war auch da vorbildlich: er sagte zwar etwas von einem 'warm little pond', enthielt sich dann aber weiterer Spekulationen.

Klaus Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Ist natürlich eine interessante Frage, ob man, wenn man zunehmende Komplexität feststellt, diese als 'nicht wirklichen Trend' bezeichnen sollte. Was ist eigentlich der konkrete Unterschied zwischen einem wirklichen und einem nicht wirklichen Trend?

Interessant, dass Dir das gleich wie mir aufgestossen ist.


Ist doch eigentlich trivial: 'ganz früher' findet man in Gesteinsschichten nur Einzeller, heute laufen Vielzeller herum. Da die nicht 'vom Himmel gefallen' sind, müssen sie wohl irgendwie entstanden sein. Warum sollte man das nicht als 'Trend' bezeichnen?

Grüßle

Thomas
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Klaus-Peter
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Anmeldungsdatum: 10.01.2004
Beiträge: 1534

Beitrag(#76787) Verfasst am: 17.01.2004, 11:25    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Thomas,

das Mass an Übereinstimmung hat mich ehrllich gesagt überrascht. Ichhatte es kontroverser erwartet.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Glaub' mir, die Frage, wie Neuheiten in der Evolution entstehen, ist eine der schwierigsten und IMAO noch ungelösten Fragen der Evolutionsbiologie. Die Frage wurde aus 'strategischen Gründen' bewusst lange 'totgeschwiegen' und die externalitische These, die Du anführst, ist bestenfalls eine unter vielen, die zudem, wenn man genauer hinsieht, entweder so trivial ist, dass sie nichts erklärt oder schwer vertretbar.

Na ja, ich halte die Entstehung von Neuheiten für geklärt und erklärt. Allerdings ist mir klar, dass Du offensichtlich einen etwas anderen Begriff von dem hast, was "Erklärung" für Dich ist. Ich habe das schon in der Diskussion über die Methoden der Wissenschaft festgestellt, kann es aber noch nicht auf den Punkt bringen. Zu der "externalistischen These, die ich ansprach": ja, ich meinte sie in der trivialen Form, und in dieser ist sie identisch zum Gouldschen Beispiel mit dem rechten Schwanz (bloss um 90 Grad gedreht).

Zitat:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Zum Glück habe ich es nur aus der Bibliothek. Bevor ich das nächste Buch von Gould lese, lese ich erst den Blinden Uhrmacher von Dawkins auf türkisch (und das lerne ich gerade erst).


Dann rate ich Dir beim Lesen des Buchs zu überlegen, was der Unterschied zwischen 'bookkeping' und Mechanismen ist und ganz genau darauf zu achten, wo Dawkins beides durcheinander bringt.

Das hast Du jetzt schön öfter behauptet, das müssen wir gelegentlich mal ausdiskutieren. Ich denke da eher, dass Dawkins nichts verwechselt, aber Gould ein elementares Prinzip des Adaptionismsus nicht verstanden hat. (Bzw. Dass Gould den Adaptionismus ablehnt und deshalb den angeblichen Fehler Dawkins' als Propagandaargument bringt - vielmehr brachte).

Zitat:
Wenn es über einen Vorgang so wenig Informationen gibt wie über die Abiogenese, dann gibt es entsprechend viele Phantasien. Darwin war auch da vorbildlich: er sagte zwar etwas von einem 'warm little pond', enthielt sich dann aber weiterer Spekulationen.

Ich habe zum Thema Spekulationen eine andere Ansicht. Ich halte gute Spekulationen für unumgänglich. Darwin hat sehr viel spekuliert. (Auf seinem Stand war die ganze VErerbung reine Spekulation). Aber er hat ausgezeichnet spekuliert.

Zitat:
Ist doch eigentlich trivial: 'ganz früher' findet man in Gesteinsschichten nur Einzeller, heute laufen Vielzeller herum. Da die nicht 'vom Himmel gefallen' sind, müssen sie wohl irgendwie entstanden sein. Warum sollte man das nicht als 'Trend' bezeichnen?

Da scheint Goulds blinder Fleck zu sein. Er scheint irgendein politischer Idealist zu sein (frag mich nicht welche Richtung), in der es verpönt ist, von Fortschritt zu sprechen. Ich bin zu faul, jetzt die Selbstwidersprüche aus "Illusion Fortschritt" herauszusuchen, die das nahelegen. Warum ich Gould als "schlechten Philosophen der Biologie" bezeichnet habe, ist nicht, weil ich meine, dass er sich nicht in Philosophie auskennt. Sondern weil ich meine, dass seine Anwendung der Philosophie auf die Biologie schlecht ist (zum Beispiel dieses irrationale Beharren, es gäbe keinen Fortschritt, und wenn es doch einen gibt, dann darf man den nicht so nennen). Oder die vollkommen unangemessene Diskussion der Unterschiede zwischen kultureller und biologischer Evolution.
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max
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Beiträge: 3055

Beitrag(#76837) Verfasst am: 17.01.2004, 13:08    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Ich denke da eher, dass Dawkins nichts verwechselt, aber Gould ein elementares Prinzip des Adaptionismsus nicht verstanden hat.

Der Adaptionismus ist schon problematisch. Z.B. ändern Organismen ihre Umwelt und reagieren nicht nur passiv auf diese.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
zum Beispiel dieses irrationale Beharren, es gäbe keinen Fortschritt, und wenn es doch einen gibt, dann darf man den nicht so nennen

Was ist Fortschritt? Eine Zunahme von Komplexität? Warum sollte diese ein Fortschritt sein? Sind komplexere Lebensformen erfolgreicher? Wohl kaum, da sie eine Ausnahme darstellen.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Oder die vollkommen unangemessene Diskussion der Unterschiede zwischen kultureller und biologischer Evolution.

Was meinst du mit unangemessen? Die biologische und kulturelle Evolution haben von den Mechanismen wenig gemeinsam.
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El Schwalmo
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Anmeldungsdatum: 06.11.2003
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Beitrag(#76874) Verfasst am: 17.01.2004, 13:45    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
das Mass an Übereinstimmung hat mich ehrllich gesagt überrascht. Ichhatte es kontroverser erwartet.


ich fürchte, dass wir uns sehr stark unterscheiden. Allerdings auf einer Ebene, zu der wir in der Diskussion erst noch gelangen müssen.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Glaub' mir, die Frage, wie Neuheiten in der Evolution entstehen, ist eine der schwierigsten und IMAO noch ungelösten Fragen der Evolutionsbiologie. Die Frage wurde aus 'strategischen Gründen' bewusst lange 'totgeschwiegen' und die externalitische These, die Du anführst, ist bestenfalls eine unter vielen, die zudem, wenn man genauer hinsieht, entweder so trivial ist, dass sie nichts erklärt oder schwer vertretbar.

Na ja, ich halte die Entstehung von Neuheiten für geklärt und erklärt.


Soll ich so gemein sein und Dich nach einem konkreten Beispiel fragen? Soll ich Dir Beispiele aus der Primärliteratur incl. der dortigen Diskussion nennen? Die Entstehung des Vogelflugs wäre ein gutes Beispiel. Dafür habe ich eine ganze Reihe expliziter Vorstellung, aus der Sichtweise sich gegenseitig widersprechender Evolutionstheorien.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:

Allerdings ist mir klar, dass Du offensichtlich einen etwas anderen Begriff von dem hast, was "Erklärung" für Dich ist. Ich habe das schon in der Diskussion über die Methoden der Wissenschaft festgestellt, kann es aber noch nicht auf den Punkt bringen.


Im Gegensatz zur Mathematik, bei der Du Dich in einem System bewegst, das Du selber erschaffen hast und die Regeln bestimmst, triffst Du in der Natur immer auf 'Anwendungsfälle' allgemeiner Theorien. Und merkst sehr schnell, dass es dort kaum Gesetze, sondern nur Regeln gibt. Eine 'Erklärung' ist dort üblicherweise eine mechanismische Beschreibung des Zustandekommens einer Struktur. Im Bereich der Evolution kommen dann auch noch narrative Elemente hinzu.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Zu der "externalistischen These, die ich ansprach": ja, ich meinte sie in der trivialen Form, und in dieser ist sie identisch zum Gouldschen Beispiel mit dem rechten Schwanz (bloss um 90 Grad gedreht).


Das Problem ist, dass die Umwelt _allein_ nicht verantwortlich sein kann. Es gibt beispielsweise constraints, die eine Anpassung verhindern. Du bist dann entweder im Bereich des Trivialen ('die Umwelt lässt nichts zu, das nicht überleben kann') oder im Bereich, wo Du damit nichts mehr erklärst ('wenn ein Organismus sich irgendwie so verändert, dass er besser an die Umwelt angepasst ist, wird er mehr Nachkommen haben').

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Zum Glück habe ich es nur aus der Bibliothek. Bevor ich das nächste Buch von Gould lese, lese ich erst den Blinden Uhrmacher von Dawkins auf türkisch (und das lerne ich gerade erst).


Dann rate ich Dir beim Lesen des Buchs zu überlegen, was der Unterschied zwischen 'bookkeping' und Mechanismen ist und ganz genau darauf zu achten, wo Dawkins beides durcheinander bringt.

Das hast Du jetzt schön öfter behauptet, das müssen wir gelegentlich mal ausdiskutieren.


Das sehe ich auch so. Soll ich Dir gelegentlich einen Text senden, der explizit macht, wo das Problem liegt?

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Ich denke da eher, dass Dawkins nichts verwechselt, aber Gould ein elementares Prinzip des Adaptionismsus nicht verstanden hat. (Bzw. Dass Gould den Adaptionismus ablehnt und deshalb den angeblichen Fehler Dawkins' als Propagandaargument bringt - vielmehr brachte).


Ich kann Dir gerne Arbeiten nennen, die dasselbe ablehnen wie Gould, obwohl sie Gould ablehnen.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
[Wenn es über einen Vorgang so wenig Informationen gibt wie über die Abiogenese, dann gibt es entsprechend viele Phantasien. Darwin war auch da vorbildlich: er sagte zwar etwas von einem 'warm little pond', enthielt sich dann aber weiterer Spekulationen.

Ich habe zum Thema Spekulationen eine andere Ansicht. Ich halte gute Spekulationen für unumgänglich. Darwin hat sehr viel spekuliert. (Auf seinem Stand war die ganze VErerbung reine Spekulation). Aber er hat ausgezeichnet spekuliert.


Dann empfehle ich Dir, seine 'Gemmulae-Theorie' (AKA Pangenesis) zu lesen. Kann sein, dass das eine ausgezeichnete Spekulation ist.

Okay, als guter Popperianer gehe ich von 'conjectures and refutations' aus. Solange keiner seine Spekulationen von kritischer Prüfung ausnimmt, weil er sie für wahr hält, sehe ich kein Problem.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Ist doch eigentlich trivial: 'ganz früher' findet man in Gesteinsschichten nur Einzeller, heute laufen Vielzeller herum. Da die nicht 'vom Himmel gefallen' sind, müssen sie wohl irgendwie entstanden sein. Warum sollte man das nicht als 'Trend' bezeichnen?

Da scheint Goulds blinder Fleck zu sein. Er scheint irgendein politischer Idealist zu sein (frag mich nicht welche Richtung),


Explizit Marxist, wie Lewontin.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
in der es verpönt ist, von Fortschritt zu sprechen. Ich bin zu faul, jetzt die Selbstwidersprüche aus "Illusion Fortschritt" herauszusuchen, die das nahelegen.


Vielleicht solltest Du Dir überlegen, warum gerade ein Marxist (die explizit von Fortschritt ausgehen) und Paläontologe (unter denen Orthogenesen sehr verbreitet waren) Fortschritt ablehnt. Das müsste zu denken geben.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Warum ich Gould als "schlechten Philosophen der Biologie" bezeichnet habe, ist nicht, weil ich meine, dass er sich nicht in Philosophie auskennt. Sondern weil ich meine, dass seine Anwendung der Philosophie auf die Biologie schlecht ist (zum Beispiel dieses irrationale Beharren, es gäbe keinen Fortschritt, und wenn es doch einen gibt, dann darf man den nicht so nennen). Oder die vollkommen unangemessene Diskussion der Unterschiede zwischen kultureller und biologischer Evolution.


Ich muss vielleicht noch mal in das Buch schauen. Ich weiß nicht, ob auch Gould davon ausgeht, dass die tradigenetische Evolution des Menschen (die genuin lamarckistisch verläuft) sich von der der übrigen Organismen, die darwinistisch erfolgt, so radikal unterscheidet, dass es sinnlos ist, Evolutions'gesetze' aus der Natur auf die Gesellschaft zu übertragen. Umgekehrt ist es genauso sinnlos, wie das 'ontogenetische Paradigma' der Pseudo-Darwinisten wie Haeckel auf das Deutlichste zeigt.

BTW, wenn Du mal ein paar Details über Gould 'aus dem Nähkästchen' lesen möchtest:

Ruse, M. (1999) 'Stephen Jay Gould. Speaking Out for Paleontology' in: Ruse, M. 'Mystery of Mysteries. Is Evolution a Social Construction?' Cambridge, Massachusetts; London, Harvard University Press S. 135-152

Ruse ist für meine Position absolut unverdächtig, er kritisiert Gould sehr stark. Interessant ist auch der Beitrag über Popper und Kuhn im gleichen Buch. Ich kann Dir gerne Scans mailen.

Grüßle

Thomas
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