mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Hallo!
Ich hab mich nach einiger Zeit mal wieder für meine Mitgliedschaft in der GBS interessiert und folglich eher für einen Austritt, da mir diese humanistische, szientistische Weltanschauung einfach nicht mehr zusagt. Auch das, was manche Mitglieder von sich geben interessiert mich nicht mehr wirklich (Abdel-Samad wirkt für mich mit seinem neuen Buch ein wenig fragwürdig aber das ist eine andere Diskussion...)Ganz besonders seltsam finde ich, dass die Psychoanalyse - vor allem als Kulturtheorie - kaum bis überhaupt nicht vertreten ist. Meines Erachtens ist diese Art der Kulturkritik, die in allem Religion und "unwissenschaftliches, irrationales" Denken sieht vollkommen unhistorisch und reduktionistisch und missachtet die Herrschaftsverhältnisse im Kapitalismus in ihrer Historität. Natürlich gibt es Gründe dafür, dass die Psychoanalyse so verdrängt ist im deutschsprachigen Raum (mussten vor gut 70 Jahren ja alle auswandern, die sich damit auskannten). Aber das kann ja nicht der einzige Grund sein dafür, oder? Was hält - wenn ihr noch Teil der GBS seid - euch an der Vereinigung? |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
... da mir diese humanistische, szientistische Weltanschauung einfach nicht mehr zusagt. ... Ganz besonders seltsam finde ich, dass die Psychoanalyse - vor allem als Kulturtheorie - kaum bis überhaupt nicht vertreten ist. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Meines Erachtens ist diese Art der Kulturkritik, die in allem Religion und "unwissenschaftliches, irrationales" Denken sieht vollkommen unhistorisch und reduktionistisch und missachtet die Herrschaftsverhältnisse im Kapitalismus in ihrer Historität. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Natürlich gibt es Gründe dafür, dass die Psychoanalyse so verdrängt ist im deutschsprachigen Raum (mussten vor gut 70 Jahren ja alle auswandern, die sich damit auskannten). Aber das kann ja nicht der einzige Grund sein dafür, oder? |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Was hält - wenn ihr noch Teil der GBS seid - euch an der Vereinigung? |
step hat folgendes geschrieben: | ||
Kannst Du das näher erläutern? Bin mir nicht sicher, wie ich es verstehen soll: Stört Dich, daß die Psychoanalyse von der GBS als unwissenschaftlich angesehen wird, weil Du selbst der Ansicht bist, sie eigne sich gut als Kulturtheorie? |
step hat folgendes geschrieben: | ||
Hmm ... ich persönlich finde, die Kritik an unwissenschaftlichem Denken, Esoterik, Religion usw., hat eine ganz eigene Berechtigung, die sich eher aus dem Inhaltlichen und Methodischen speist und daher als solche aufpassen muß, daß sie nicht in einen ideologischen, z.B. marxistischen oder völkischen, Rahmen gezwängt wird. Ähnlich auch bei der institutionellen Religionskritik: Wenn ich mich gegen Kirchen in Rundfunkräten engagiere oder gegen den RU in Schulen, muß ich das nicht marxistisch begründen. |
step hat folgendes geschrieben: |
Ich denke, wenn man von der GBS hauptsächlich eine marxistische Analyse historischer Herrschaftsverhältnisse erhofft, und eine Deutung aller Inhalte und Phänomene durch diese Brille, ist man da eher falsch. |
step hat folgendes geschrieben: | ||
Ein weiterer Grund ist mE die desaströse Beurteilung der in der Psychoanalyse anzutreffenden wissenschaftlichen Qualitätsmerkmale. Ihr Verhältnis von viel Dogmatik und viel Spekulation einerseits zu wenig Überprüfbarkeit andererseits ist meines Wissens katastrophal. Ich würde daher erwarten, daß die Psychoanalyse auch außerhalb Deutschlands zumindest im akademischen Bereich zurückgedrängt wird. Da sie aber sehr stark archetypisch und auch sexuell geprägt ist, bleibt sie in Kunst, Boulevard und Volk sehr zäh erhalten. Ähnlich wie Religion oder Astrologie, vielleicht nicht so extrem. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Ich denke, psychoanalytische Methoden eignen sich gut um kulturelle Phänomene zu deuten oder zu erklären. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
ME wird die Psychoanalyse dahingehend missverstanden, dass sie auf die Schriften Freuds und einige auswendiggelernte Phrasen begrenzt wird, als habe sie nie einem wissenschaftlichen Diskurs unterstanden. Ich verstehe sie als eine komplexe "Methode des Verstehens", die von durchaus nicht bloß weit hergeholten Annahmen ausgeht (das Unbewusste und den Einfluss auf die Selbstwahrnehmung beispielsweise) ... |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
... und den Menschen als historische Figur annimmt und zeigt, dass er in seiner Selbstbetrachtung stets beeinflusst ist, nie ein neutrales Bild von sich hat. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Das ist doch eine wichtige Message auch hinsichtlich einer Psychologie und Soziologie, die sich Frei der Knechtschaft von Ökonomie wähnt. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Sie nun ausführlich als wissenschaftliche Disziplin verteidigen bin ich jedoch nicht befähigt. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Ich hab mich nach einiger Zeit mal wieder für meine Mitgliedschaft in der GBS interessiert und folglich eher für einen Austritt, da ... |
Sermon hat folgendes geschrieben: | ||
Die GBS ist eine private Stiftung und keine Mitgliederorganisation. Der GBS kann man weder beitreten, noch aus ihr austreten. Maximal hast Du einst erklaert, Dich selbst zum beitragsfreien Freundeskreis der GBS zu zaehlen. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: | ||||
Gerne meine ich genau das. |
schtonk hat folgendes geschrieben: |
Zum Thema PSA und Kultur/Gesellschaftskritik könnte ich was sagen, zur GBS nicht.
Wäre das noch im Rahmen der Fragestellung? |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ||
Wenn du etwas zum Thema PA und Religionskritik weißt, was über wikipedia hinaus geht, das wäre doch toll und passt prima zum Eingangsposting. Wieso bist du so unsicher? |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
...
Was hält - wenn ihr noch Teil der GBS seid - euch an der Vereinigung? |
schtonk hat folgendes geschrieben: | ||||||
Weil ich dieses
als Hauptanliegen des Trööt-Eröffners interpretiere. OT gibts ja genug im Forum, deshalb frage ich lieber vorher. |
Sermon hat folgendes geschrieben: |
Zitat: |
Was ist denn nun eigentlich das religionskritische Potenzial der PA. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
...
Genau genommen war das einer der Gründe für seine Distanzierungsgedanken bzw. seine Enttäuschung über die GBS. Da drängt sich doch direkt die Frage auf: Was ist denn nun eigentlich das religionskritische Potenzial der PA. Mach, wie du denkst ...- |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Mich interessiert besonders, wieso die Psychoanalyse nicht in der Arbeit der GBS vorkommt, bzw. wieso man so wenig psychoanalytische Phrasen liest . |
unquest hat folgendes geschrieben: | ||
Vielleicht hat niemand in der GBS den Initiationsritus der Lehranalyse vollzogen und ist somit nicht Mitglied im Geheimbund der Analytiker? |
schtonk hat folgendes geschrieben: | ||
Ich bin nicht so begabt in Sachen Intrinsik wie du. Außerdem wollte ich höflich sein. (Dass man das erklären muss, tz tz) |
Wilson hat folgendes geschrieben: |
jetzt schreib doch endlich mal was zum thema PSA und Kultur/Gesellschaftskritik. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Im Ernst, dieser Vorwurf der Geheimniskrämerei ist doch bloß eine Ausrede derer, die sich damit nicht beschäftigen wollen. |
unquest hat folgendes geschrieben: | ||
Besser: "Deine Kritik lässt sich als emotionaler Widerstand, bzw. Angstabwehr deuten. Solltest du an deiner Kritik festhalten, könnte es sich auch um eine manifeste Störung handeln." |
schtonk hat folgendes geschrieben: |
Siegfried Bernfeld etwa schrieb 1928 in seinem Aufsatz "Ist Psychoanalyse eine Weltanschauung", dass die PSA eine wissenschaftliche Entdeckung sei, die weltanschauliche Wirkung habe. Er verglich sie dabei mit der Lehre Darwins.
Sandor Ferenci setzte sie in Bezug zum Rechtswesen einer Gesellschaft, Paul Federn zur Revolution unter dem Eindruck der Geschehnisse 1918/19. Und nicht zu vergessen Wilhelm Reichs Massenpsychologie des Faschismus. (...) Aus einem therapeutischen Instrument wurde also eine psychologische Blaupause zum Verständnis gesellschaftlicher Prozesse, die von ihrem abstrakten Niveau abgelöst und individualisiert wurden. (...) Zur Kritik speziell an der Religion aus Sicht der PSA schreibe ich vielleicht später etwas. |
schtonk hat folgendes geschrieben: |
Aus einem therapeutischen Instrument wurde also eine psychologische Blaupause zum Verständnis gesellschaftlicher Prozesse, die von ihrem abstrakten Niveau abgelöst und individualisiert wurden. Zwangsläufig stieß man auf Mechanismen, die eine bestimmte Ordnung aufrecht erhielten, auf die individuellen Besonderheiten derjenigen, die sie befürworteten und dies weitergaben und somit auf - im weitesten Sinne - Traditionen. Also auch historisches Denken wurde zwangsläufig zum integralen Bestandteil dieser Denkschule. |
mondkalbnatur hat folgendes geschrieben: |
Hallo!
Ich hab mich nach einiger Zeit mal wieder für meine Mitgliedschaft in der GBS interessiert und folglich eher für einen Austritt, da mir diese humanistische, szientistische Weltanschauung einfach nicht mehr zusagt. Auch das, was manche Mitglieder von sich geben interessiert mich nicht mehr wirklich (Abdel-Samad wirkt für mich mit seinem neuen Buch ein wenig fragwürdig aber das ist eine andere Diskussion...)Ganz besonders seltsam finde ich, dass die Psychoanalyse - vor allem als Kulturtheorie - kaum bis überhaupt nicht vertreten ist. Meines Erachtens ist diese Art der Kulturkritik, die in allem Religion und "unwissenschaftliches, irrationales" Denken sieht vollkommen unhistorisch und reduktionistisch und missachtet die Herrschaftsverhältnisse im Kapitalismus in ihrer Historität. Natürlich gibt es Gründe dafür, dass die Psychoanalyse so verdrängt ist im deutschsprachigen Raum (mussten vor gut 70 Jahren ja alle auswandern, die sich damit auskannten). Aber das kann ja nicht der einzige Grund sein dafür, oder? Was hält - wenn ihr noch Teil der GBS seid - euch an der Vereinigung? |
funkeimdunkeln hat folgendes geschrieben: |
...
Was sind das für Mechanismen? Ist man diesen Mechanismen eigentlich hilflos ausgeliefert oder gibt es dagegen ein Heilmittel? Und wenn ja, warum hat das keiner vorher entdeckt? |
funkeimdunkeln hat folgendes geschrieben: |
Also, ich würde ja sagen, dass die Menschen dazu neigen sich an die gesellschaftlichen Verhältnisse anzupassen, weil die sozialen Kosten für Widerstand oft sehr hoch sind. Das Gleiche erleben wir heutzutage mit der "political correctness" und funktioniert im Prinzip genauso wie die Gotteslehre der katholischen Kirche im Mittelalter. Wer früher gegen die damals herrschende Ideologie verstieß, wurde verbrannt. Wer heute gegen die herrschenden Ideologien verstößt, wird sozial stigmatisiert. Ergo hat man hohe soziale Kosten und ergo wollen nur wenige die entsprechenden Risiken eingehen.
Okay, soweit würde ich mir das erklären. Ich frage mich aber, warum ich dafür die Psychoanalyse brauche? Mirko |
funkeimdunkeln hat folgendes geschrieben: |
Im Übrigen bin ich nicht dort, um dort nochmal die hundertste neue Weltanschauung zu lernen, sondern weil es dort sehr interessante Menschen gibt.
Mit freundlichem Gruß, Mirko |
Zitat: |
"Eine Vielzahl von Studien bei Kindern (Terr 1983; Malmquist 1986; Pynoos & Nader 1989) und Erwachsenen (Leopold & Dillon 1963) hat gezeigt, daß psychologisch traumatische Ereignisse lebhaft, wenn auch nicht immer akkurat, erinnert werden und regelmäßig von eindrücklichem Wiedererleben in der einen oder anderen Form gefolgt werden. Das Problem bei den meisten Arten von Traumata ist nicht, daß die gewalttätigen Erlebnisse komplett aus dem Bewußtsein getilgt werden, sondern daß die Menschen nicht in der Lage sind, zu vergessen. Amnesien sind selten."
(Dr. Sydney Brandon et al: "Recovered memories of childhood sexual abuse: implications for clinical practice," British Journal of Psychiatry, April 98, S.300 |
output generated using printer-friendly topic mod. Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde