Neuer Realismus
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#1: Neuer Realismus Autor: unquest BeitragVerfasst am: 01.06.2015, 21:23
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Hat jemand das Buch "Warum es die Welt nicht gibt" von Markus Gabriel gelesen.


So präsentiert er als neue Sicht, die Möglichkeit Metaphysik und Konstruktivismus gleichzeitig gelten zu lassen. In seinem Beispiel gibt es "den Vesuv" und "den Vesuv von Fritz". Warum spricht er nicht einfach von Welt 1 und Welt 2?

Und auch seine Sinnfeldontologie erinnert mich an viele Kapitel, die ich bei Luhmann über die Funktion von Sinn gelesen habe.

Ich kann nicht so recht Neues im "Neuen Realismus" erkennen.
Was gibt es da, was ich nicht sehe?

#2: Re: Neuer Realismus Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 01.06.2015, 22:03
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unquest hat folgendes geschrieben:
Hat jemand das Buch "Warum es die Welt nicht gibt" von Markus Gabriel gelesen.


So präsentiert er als neue Sicht, die Möglichkeit Metaphysik und Konstruktivismus gleichzeitig gelten zu lassen. In seinem Beispiel gibt es "den Vesuv" und "den Vesuv von Fritz". Warum spricht er nicht einfach von Welt 1 und Welt 2?

Und auch seine Sinnfeldontologie erinnert mich an viele Kapitel, die ich bei Luhmann über die Funktion von Sinn gelesen habe.

Ich kann nicht so recht Neues im "Neuen Realismus" erkennen.
Was gibt es da, was ich nicht sehe?


Ich denke, das ist ein Buch, welches es lohnt, zu diskutieren.

Die Luhmann'sche Systemtheorie kommt doch von einer anderen Richtung, habe ich den Eindruck.

*Neuer Realismus* klingt wie ein Revival ...- Cool

#3:  Autor: AdvocatusDiaboliWohnort: München BeitragVerfasst am: 01.06.2015, 23:04
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Dieser "Neuer Realismus" erinnert mich an das Thomas-Theorem:
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas-Theorem
"Wenn die Menschen Situationen als wirklich definieren, sind sie in ihren Konsequenzen wirklich"

Wenn Menschen an Einhörner oder Götter glauben, dann sind diese in ihrem alltäglichen Leben real existent, mit denen man koagieren kann. Auch wenn es nicht wirklich funktioniert, man verhält sich danach und geht in die Kirche oder hofft auf den Einfluss eines gehörnten Schimmels...

#4:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 02.06.2015, 21:56
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Hier gab's schon mal einen kurzen Austausch über das Thema.

Ich erinnere mich nur noch, daß ich nicht besonders überzeugt war. Mein Urteil - ohne etwas gelesen zu haben, nur auf einem Interview basierend - ging in Richtung Pop-Philosoph.

#5:  Autor: Defätist BeitragVerfasst am: 03.06.2015, 06:58
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Soll dieser "neue" Realismus einen gebräuchlichen ersetzen oder soll er neben den bereits vorhandenen philosophischen Ausprägungen eine Nische finden? Wenn ersteres, was macht ihn "besser". Wenn zweite Möglichkeit? Was bietet er tatsächlich "Neues"?

Nachdem ich jetzt auch noch die Verlinkung von smallie durchforstet habe, bin ich eher der Ansicht, dass dieser neue Realismus nicht real ist.
nee

#6: Re: Neuer Realismus Autor: zelig BeitragVerfasst am: 03.06.2015, 11:38
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unquest hat folgendes geschrieben:
Hat jemand das Buch "Warum es die Welt nicht gibt" von Markus Gabriel gelesen.

Ich habe es mal angefangen zu lesen, fand aber den postulierenden Stil kaum auszuhalten, und habe es daher bald beiseite gelegt. Vielleicht hatte ich auch nur einen schlechten Tag. Lohnt es sich denn?

#7: Re: Neuer Realismus Autor: unquest BeitragVerfasst am: 03.06.2015, 18:12
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zelig hat folgendes geschrieben:
unquest hat folgendes geschrieben:
Hat jemand das Buch "Warum es die Welt nicht gibt" von Markus Gabriel gelesen.

Ich habe es mal angefangen zu lesen, fand aber den postulierenden Stil kaum auszuhalten, und habe es daher bald beiseite gelegt. Vielleicht hatte ich auch nur einen schlechten Tag. Lohnt es sich denn?

Ob es sich für dich lohnt, weiss ich nicht. Bei mir hatte es zur Folge, dass ich mir von Gottfried Gabriel "Grundprobleme der Erkenntnistheorie" gekauft habe, da ich mir die Abschaffung der Welt nicht so einfach vorstellen kann. Lachen

Und vieles liest sich leider, als sei es Ausdruck kompletter Selbstüberschätzung:
Zitat:
"Meine eigene Antwort auf die Frage, was Existenz ist, läuft darauf hinaus, dass es die Welt nicht gibt, sondern nur unendlich viele Welten, die sich teilweise überlappen, teilweise aber in jeder Hinsicht unabhängig voneinander sind."

Hmm. Er ist der erste Philosoph der diese Vorstellung entwirft?

#8: Re: Neuer Realismus Autor: smallie BeitragVerfasst am: 03.06.2015, 20:26
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unquest hat folgendes geschrieben:
Zitat:
"Meine eigene Antwort auf die Frage, was Existenz ist, läuft darauf hinaus, dass es die Welt nicht gibt, sondern nur unendlich viele Welten, die sich teilweise überlappen, teilweise aber in jeder Hinsicht unabhängig voneinander sind."

Hmm. Er ist der erste Philosoph der diese Vorstellung entwirft?

Darin erkenne ich das esoterische Jeder hat seine eigene Wahrheit wieder.

Irgendwie vergißt Gabriel, daß die Welt zuerst bestand, philosophische Weltbilder hingegen erst seit kurzem.

Siehe auch die Signatur von fwo: "Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe." Sollten fwo und ich uns über einen bestimmten Aspekt der Welt uneins sein, wir wären uns wohl trotzdem einig, in der selben Welt zu leben.

Gabriel hätte von "persönlichen Lebenswelten" sprechen sollen, die sich teilweise überlappen, teilweise völlig unterschiedlich sind. Wahrscheinlich ist er der Meinung, die Welt sei nur ein Konstrukt. Richtig wäre: Unsere Wahrnehmung "konstruiert" etwas Vorhandenes nach, aber nicht immer korrekt.

#9: Re: Neuer Realismus Autor: zelig BeitragVerfasst am: 03.06.2015, 20:41
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smallie hat folgendes geschrieben:
unquest hat folgendes geschrieben:
Zitat:
"Meine eigene Antwort auf die Frage, was Existenz ist, läuft darauf hinaus, dass es die Welt nicht gibt, sondern nur unendlich viele Welten, die sich teilweise überlappen, teilweise aber in jeder Hinsicht unabhängig voneinander sind."

Hmm. Er ist der erste Philosoph der diese Vorstellung entwirft?

Darin erkenne ich das esoterische Jeder hat seine eigene Wahrheit wieder.

Irgendwie vergißt Gabriel, daß die Welt zuerst bestand, philosophische Weltbilder hingegen erst seit kurzem.

Siehe auch die Signatur von fwo: "Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe." Sollten fwo und ich uns über einen bestimmten Aspekt der Welt uneins sein, wir wären uns wohl trotzdem einig, in der selben Welt zu leben.

Gabriel hätte von "persönlichen Lebenswelten" sprechen sollen, die sich teilweise überlappen, teilweise völlig unterschiedlich sind. Wahrscheinlich ist er der Meinung, die Welt sei nur ein Konstrukt. Richtig wäre: Unsere Wahrnehmung "konstruiert" etwas Vorhandenes nach, aber nicht immer korrekt.


Sofern ich mich richtig erinnere, kam es Markus (hihi) Gabriel eben auf die Welt als Gesamtheit an. Die kann es nicht geben.

#10: Re: Neuer Realismus Autor: Er_Win BeitragVerfasst am: 05.06.2015, 12:36
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Skeptiker hat folgendes geschrieben:
unquest hat folgendes geschrieben:
Hat jemand das Buch "Warum es die Welt nicht gibt" von Markus Gabriel gelesen.
[...]


Ich denke, das ist ein Buch, welches es lohnt, zu diskutieren.


ist etwas "weichgespültere" Kritik an der Allerklärungsmacht eines reduktionistisch materialistischen Weltbildes mit durchgängiger (bottom->up) Kausalität. In der Einführung seiner "Sinnfelder" kann ich allerdigs wenig Sinn finden.

Wenn dann gleich die "härteren" Werke wie zB.:
Abschied von der Weltformel: Die Neuerfindung der Physik von Robert B. Laughlin
Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist von Thomas Nagel

zwinkern

#11: Re: Neuer Realismus Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 05.06.2015, 13:51
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Er_Win hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
unquest hat folgendes geschrieben:
Hat jemand das Buch "Warum es die Welt nicht gibt" von Markus Gabriel gelesen.
[...]


Ich denke, das ist ein Buch, welches es lohnt, zu diskutieren.


ist etwas "weichgespültere" Kritik an der Allerklärungsmacht eines reduktionistisch materialistischen Weltbildes mit durchgängiger (bottom->up) Kausalität. In der Einführung seiner "Sinnfelder" kann ich allerdigs wenig Sinn finden.

Wenn dann gleich die "härteren" Werke wie zB.:
Abschied von der Weltformel: Die Neuerfindung der Physik von Robert B. Laughlin
Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist von Thomas Nagel

zwinkern


Klar, Laughlin ist sicher einer der *härteren*. Und darauf stehe ich selbstverständlich. Lachen

Aber M. Gabriel hat einen guten Punkt, nämlich den der von der Erkenntnis unabhängigen Tatsache. Das heisst, er lehnt den Konstruktivismus ganz klar ab und macht wieder einen Schritt in Richtung wissenschaftliches Objektivitätspostulat. Deshalb sozusagen Neo-Realismus ...-

#12: Re: Neuer Realismus Autor: unquest BeitragVerfasst am: 05.06.2015, 16:02
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Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Aber M. Gabriel hat einen guten Punkt, nämlich den der von der Erkenntnis unabhängigen Tatsache. Das heisst, er lehnt den Konstruktivismus ganz klar ab und macht wieder einen Schritt in Richtung wissenschaftliches Objektivitätspostulat. Deshalb sozusagen Neo-Realismus ...-


Aber auch das Leben mit Tatsachen ist nicht unproblematisch.

Der Satz "Der Kapitalismus existiert" würde für uns beide eine Wahrheit darstellen, obwohl wir Unterschiedliches darunter verstehen. Lachen

#13: Re: Neuer Realismus Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 05.06.2015, 16:28
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unquest hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Aber M. Gabriel hat einen guten Punkt, nämlich den der von der Erkenntnis unabhängigen Tatsache. Das heisst, er lehnt den Konstruktivismus ganz klar ab und macht wieder einen Schritt in Richtung wissenschaftliches Objektivitätspostulat. Deshalb sozusagen Neo-Realismus ...-


Aber auch das Leben mit Tatsachen ist nicht unproblematisch.


Nun, da gebe ich dir unumwunden Recht.

Allerdings wäre *das Leben* ohne Tatsachen ebenfalls nicht gerade unproblematisch. Nimm z.B. mal an, man lässt auf einmal sämtliches Wasser aus dem Meer. Was sollen denn da die Fische machen? Etwa an Land gehen? Geht ja dann auch nicht. zwinkern

unquest hat folgendes geschrieben:
Der Satz "Der Kapitalismus existiert" würde für uns beide eine Wahrheit darstellen, obwohl wir Unterschiedliches darunter verstehen. Lachen


Auch das ist wohl wahr. Jedoch haben die Philosophen die Tatsache des Kapitalismus stets nur unterschiedlich interpretiert. Es kommt aber drauf an, eine Tatsache auch einmal abzuschaffen, wenn man sie nicht mehr weiter verbessern kann und sie nur noch wie eine faule Frucht am Baume zu hängen versucht und mit immer mehr Schminke so tut, als sei sie eine frische Frucht unter anderen, wirklich frischen Früchten. Das Gesagte gilt natürlich nicht nur für den Kapitalismus, sondern für alle Tatsachen, deren Entwicklung zu Ende ist ...-! freakteach

#14:  Autor: Realistin BeitragVerfasst am: 16.06.2015, 16:58
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Als Naturalistin halte ich den Konstruktivismus für Mist:
Warum sollte ich mich für etwas verantwortlich machen, für das ich (nach meinen eigenen Wahrnehmungsinhalten) gar nicht verantwortlich bin? Es ist nur eine absurde, nicht verifizierbare Hypothese, für die am Ende noch irgendwelche Verrückten die Quantenmechanik heranziehen. Mit den Augen rollen

Axiom 1: Ich glaube, dass die die Welt (anorganische Materie?) verschwindet, wenn ich die Augen schließe. (tue ich natürlich nicht, aber einfach mal als absurde Hypothese, von der normalerweise Konstruktivisten ausgehen)
Axiom 2: Menschen bestehen aus anorganischer Materie.
Schlussfolgerung: Auch Menschen müssten demnach verschwinden, wenn ich die Augen schließe.
Viele Konstruktivisten sind sich darin einig, die anorganische Materie irgendwie abzulehnen, glauben aber gleichzeitig an eine kulturelle Prägung und intersubjektive Ebene, obwohl sie letztlich in anderen Menschen auch nur Materie und keinen "Geist", kein Bewusstsein entdecken können. Das ist ganz klar WIDERSPRÜCHLICH und somit Stuss. Wenn sie das Ganze zu Ende denken würden, wären sie Solipsisten.
Also ich bezeichne den Solipsismus als logischen Konstruktivismus (weil er im Gegensatz zu letzterem nicht völlig widersprüchlich ist) und den Konstruktivismus als sozialen Solipsismus (weil er den Menschen auf einer intersubjektiven die Idee schmackhaft machen kann, ohne dass ihre Existenz verneint wird zwinkern ).
Zum Glück haben die meisten Menschen kein so egozentrisches Weltbild, denn es ist ganz klar mit den eigenen Wahrnehmungsinhalten, in denen es ständig Einflüsse aus der Außenwelt gibt, nicht kompatibel. Unethisch ist es auch noch, also klar zu verwerfen.

#15:  Autor: Er_Win BeitragVerfasst am: 16.06.2015, 18:53
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Realistin hat folgendes geschrieben:

Axiom 1: Ich glaube, dass die die Welt (anorganische Materie?) verschwindet, wenn ich die Augen schließe. (tue ich natürlich nicht, aber einfach mal als absurde Hypothese, von der normalerweise Konstruktivisten ausgehen)
Axiom 2: Menschen bestehen aus anorganischer Materie.
Schlussfolgerung: Auch Menschen müssten demnach verschwinden, wenn ich die Augen schließe.
[...]


darf ich ein neues freigeistiges Highlight herzlich willkommen heissen Winken

Mit deiner Art Sachverhalte klar analytisch zu verstehen zu analysieren und zu qualifizieren (hier beispielsweise den Konstruktivismus) bist du im FGH genau richtig Sehr glücklich

#16:  Autor: kerengWohnort: Hamburg BeitragVerfasst am: 17.06.2015, 07:30
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Realistin hat folgendes geschrieben:
Axiom 2: Menschen bestehen aus anorganischer Materie.

Bei "anorganisch" pflege ich zu verstehen: "ohne Kohlenstoff". Das ist offenbar nicht gemeint. Was ist gemeint? Nicht lebend? Nicht zum Beobachter gehörend?

#17:  Autor: Effô TisettiWohnort: 75 BeitragVerfasst am: 17.06.2015, 09:27
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Realistin hat folgendes geschrieben:
Axiom 1: Ich glaube, dass die die Welt (anorganische Materie?) verschwindet, wenn ich die Augen schließe. (tue ich natürlich nicht, aber einfach mal als absurde Hypothese, von der normalerweise Konstruktivisten ausgehen)


Das tun "Konstruktivisten" höchstens im Alter von vielleicht drei Jahren ("Hand vor die Augen und dann sieht mich keiner"). Finde weder deinen Querbezug zur Ethik ("mich für etwas verantwortlich machen", "unethisch"), noch den konstruierten (sic!) Widerspruch zum Naturalismus irgendwie nachvollziehbar. Mag aber an mir liegen.



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