Simulierte Intelligenz
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Freigeisterhaus -> Wissenschaft und Technik

#31:  Autor: Tso Wang BeitragVerfasst am: 06.11.2003, 11:12
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Hallo Step,

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob unser Gehirn (nicht mehr als) ein Computer ist.

Step hat folgendes geschrieben:
Beziehen sich Deine Zweifel nur auf die (erweiterte) Turingarbeit, oder zweifelst Du an der vollständigen Physikalität des Gehirns?


Keins von beiden. An der Physikalität des Gehirns zu zweifeln, wäre Unfug. Es sind eher philosophische Bedenken (obwohl ich kein Philosoph bin). Ein Gehirn als Computer erweckt in mir eher ein kreationistisches Weltbild, das einen externen Erbauer (Ingenieur) und sein von ihm getrenntes Geschöpf (Gehirn/ Computer) darstellt. Wer wäre dann der Schöpfer des Gehirns?

Vielleicht spielt bei meinem 'Nichtwissen' auch Tarskis Satz "Die Wahrheit eines Systems läßt sich nicht innerhalb des Systems selbst ableiten"(ähnlich wie Gödel) eine Rolle (so wie sich Münchhausen wohl kaum an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen hat). Aber ich lasse mich da gern eines Besseren belehren. Leider reichen da meine mathematischen Kenntnisse nicht aus. Das ist wohl eher Dein Gebiet, oder Alzi's, der sich offenbar viel mit Mathematik beschäftigt hat.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Es mag an unserer sprachlichen Unzulänglichkeit liegen, aber gibt es einen Unterschied zwischen Intelligenz, Bewußtsein und Geist? Und wenn ja, welchen? Gibt es scharfe Definitionen dieser Begriffe, die jeder sofort einsieht?

Step hat folgendes geschrieben:
Ich denke nicht, aber "Intelligenz" und "Bewußtsein" halte ich immerhin für definierbar. "Geist" hingegen (im Sinne von etwas nicht materiellem) halte ich für einen rein metaphysischen Begriff, der sprachlich nicht operationalisierbar ist. Allerdings fließt in diese Einschätzung bereits meine Haltung zu diesen Fragen ein.


Ich schätze Deine nüchterne Betrachtungsweise. Aber solange jeder unter diesen Begriffen etwas anderes versteht (meine 'Vorstellungen' eingeschlossen) , wird es enorme Verständnisschwierigkeiten (Kommunikationsschwierigkeiten) geben. Schmerzlos hat mal diverse Links zu "sprachkritik.de" (oder so ähnlich) gesetzt. Mal sehen, ob ich da was finde.

:gassho

#32:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 06.11.2003, 12:19
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@ Bynaus: Interessante Frage. Ist simmulierte Intelligenz echte Intelligenz?

Ich würde sagen, sie ist es, wenn sie ein eigenes Ich-Bewusstsein entwickelt.

#33:  Autor: ShadaikWohnort: MG BeitragVerfasst am: 06.11.2003, 12:28
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Die Leute von sprachkritik.de machen eine IMHO elementare Fehleinschätzung:

Sie glauben, dass das Gedächtnis und die Vorstellungen im Kopf in Form von sprachlichen Informationen abgespeichert sind, dier von unserem Kommunikationssystem abhängig sind.
Das ist aber mit wachsender Wahrscheinlichkeit (sprich wachsender Erkenntnis) falsch. Informationen werden als abstrakte, nicht kommunizierbare Einheiten gespeichert und sind somit von der Sprache nur insofern abhängig, wie es die Kommunikation von Sachverhalten betrifft.

#34:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.11.2003, 23:48
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Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Keins von beiden. An der Physikalität des Gehirns zu zweifeln, wäre Unfug. Es sind eher philosophische Bedenken (obwohl ich kein Philosoph bin). Ein Gehirn als Computer erweckt in mir eher ein kreationistisches Weltbild, das einen externen Erbauer (Ingenieur) und sein von ihm getrenntes Geschöpf (Gehirn/ Computer) darstellt. Wer wäre dann der Schöpfer des Gehirns?
Wie kommt diese Erweckung zustande? Sie ist mir vernünftig nicht nachvollziehbar. Hat es etwas damit zu tun, daß heutige Computerprogramme sehr einfache Algorhitmen sind?
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Vielleicht spielt bei meinem 'Nichtwissen' auch Tarskis Satz "Die Wahrheit eines Systems läßt sich nicht innerhalb des Systems selbst ableiten"(ähnlich wie Gödel) eine Rolle (so wie sich Münchhausen wohl kaum an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen hat). Aber ich lasse mich da gern eines Besseren belehren. Leider reichen da meine mathematischen Kenntnisse nicht aus. Das ist wohl eher Dein Gebiet, oder Alzi's, der sich offenbar viel mit Mathematik beschäftigt hat.
Wir könnten uns darauf einigen, daß gar keine "Wahrheit" gezeigt werden muß, sondern nur eine Theorie entwickelt, die bezgl. des Gehirns überprüfbare Voraussagen hinreichender Tragweite macht. Könntest Du ein Kriterium benennen, das Deine Zweifel falsifizierbar macht?
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
... solange jeder unter diesen Begriffen etwas anderes versteht (meine 'Vorstellungen' eingeschlossen), wird es enorme Verständnisschwierigkeiten (Kommunikationsschwierigkeiten) geben. Schmerzlos hat mal diverse Links zu "sprachkritik.de" (oder so ähnlich) gesetzt. Mal sehen, ob ich da was finde.
Auf jedem neuen Gebiet müssen erst Sprachelemente entwicklet werden, auch eine physikalische Theorie ist letztlich nichts anderes als eine in Syntax gepackte Simulationsregel für entsprechend ausgebildete Simulatoren. Aber ob das Objekt der Wissenschaft das Gehirn oder das Atom ist, spielt keine Rolle. Die Untersuchung des Bewußtseins erfolgt ja nicht in wesentlicher Wechselwirkung mit selbigem. Dieser Fehlschluß ist sehr häufig (auch bei schmerzlos) zu bewundern.

gruß/step

#35:  Autor: Tso Wang BeitragVerfasst am: 07.11.2003, 10:28
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Hallo Peter,

Peter hat folgendes geschrieben:
Gibt es eigentlich eine neurobiologische Erklärung für die Tatsache, dass wir den Schimpansen, die uns genetisch zu über 99% gleichen und deren Gehirn prinzipiell genauso komplex ist, in vielen Eigenschaften doch wesentlich überlegen sind?


'Überlegen' ist Definitionssache. Ich nehme an, Du willst auf das 'intellektuelle Potential' hinaus. M.E sollte man sich nicht von der Übereinstimmung genetischer Quantität blenden lassen. Will sagen, entscheidend für Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit von Arten ist nicht die Anzahl der übereinstimmenden Nukleotidsequenzen, sondern die Anzahl der gleichen exprimierten Gene. Entscheidend für Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit ist also nicht so sehr, ob wir nun 90% oder 99% mit einer anderen Art übereinstimmen, sondern inwieweit wir eine bestimmte Gruppe von Genen gemeinsam haben und wie diese Gene gesteuert werden.

Die Lösung liegt in einer kleinen Gruppen von Genen, den sog. homöotischen Genen (von homoios - ähnlich) und den sie regulierenden Proteinen (Regulatorproteine). Hömöotische Gene sind Steuerungsgene, die den Körperbauplan kontrollieren. Bei Wirbellosen (Invertebraten) nennt man sie HOM-Gene und bei Wirbeltieren (Vertebraten) nennt man sie Hox-Gene. Bei der Expression dieser Gene spielen sog. Enhancer und Promotoren eine große Rolle. Kleine, aber auch große Unterschiede in unserem äußeren Erscheinungsbild (vielleicht auch in den 'geistigen' Fähigkeiten) werden offenbar von einer relativ kleinen Anzahl von Genen und den sie steuernden Molekülen bestimmt. Die Aktivität der Steuerungsmoleküle (Transkriptionsfaktoren), die diese homöotischen Gene regulieren, hängt offenbar von Umweltfaktoren/ Umgebungsfaktoren ab. Dies gilt es aber noch genauer zu untersuchen. Hier könnte m.E. ein Schlüssel liegen, wie 'innere und äußere Welt' miteinander interagieren.

Ich zitiere mal ausschnittsweise aus einer Time-Ausgabe (June 2, 2003), in der dieses Thema m.E. recht anschaulich behandelt wurde (falls gewünscht nehme ich mir mal irgendwann die Zeit und übersetze die Passagen; falls sich kein anderer anbietet, hihihi):

TIME:

"Which is stronger-nature or nurture?

[...]Slight alterations in the promoters can lead to dramatic changes in when and where genes are expressed. Various environmental factors can influence how easily a transcription factor binds to the promoter. Consider the example of the Hoxc8 gene, which is responsible for determining the location of the thorax, which includes the chest area, of an animal.
Rats, chickens and pythons seem to have slightly different promoters that allow their respective Hoxc8 genes to be turned on in slightly different configurations during development. Extensive activation produces an animal that's almost all thorax - like the python. Limited activation gives the chicken a short thorax. And the expression of the Hoxc8 gene in the rat, with its medium-size thorax is, as you might expect, intermediate[.......]

Small changes in the promoters can have profound effects on the expression of a hox gene. For example, mice have short necks and long bodies, chickens have long necks and short bodies. If you count the vertebrae in the necks and thoraxes of mice and chickens, you will find that a mouse has 7 neck and 13 thoracic vertebrae, a chicken 14 and 7 respectively. The source of this differences lies in the promoter attached to Hoxc8, a hox gene that helps shape the thorax of a body. The promoter is a 200-letter paragraph of DNA, and in the two species it differs by just a handful of letters. The effect is to alter the expression of the Hoxc8 gene in the development of the chicken embryo. This means the chicken makes thoracic vertebrae in a different part of the body than the mouse. In python, Hoxc8 is expressed right from the head and goes on being expressed for the most of the body.

To make grand changes in the body plan of animals, there is no need to invent new genes, just as there is no need to invent new words to write an original novel (unless your name is Joyce). All you need is switch the same ones on and off in different patterns. Suddenly, here is a mechanism for creating large and small evolutionary changes from small genetic differences. Merely by adjusting the sequence of a promoter or adding a new one, you could alter the expression of a gene.

In one sense, this is a bit depressing. It means that until scientists know how to find gene promoters in the vast text of the genome, they will not learn how the recipe for a chimpanzee differs from that of a person. but in annother sense, it is also uplifting, for it reminds us more forcefully than ever of a simple truth that is all to often forgotten: bodies are not made, they grow. The genome is not a blueprint for constructing a body. It is a recipe for baking a body. You could say the chicken embryo is marinated for a shorter time in the Hoxc8 sauce than the mouse embryo is.

Likewise the development of a certain human behavior takes a certain time and occurs in a certain order, just as the cooking of a perfect souffle requires not just the right ingredients but also the right amount of cooking and the right order of events.
[...]

LanguageHuman beings differ from chimpanzees in having complex, grammatical language. But language does not spring fully formed from the brain; it must be learned from other language-speeking human beings. This capacity to learn is written into the human brain by genes that open and close a critical window during which learning takes place. One of those genes FoxP2, has recently been discovered on human chromosome 7 by Anthony Monaco and his colleagues at the Wellcome Trust Centre for human Genetics in Oxford. Just having the FoxP2 gene, though, is not enough. If a child is not exposed to a lot of spoken language during the critical learning period, he or she will always stuggle with speech."

(Hervorhebungen von mir)

:gassho

#36:  Autor: Tso Wang BeitragVerfasst am: 07.11.2003, 12:15
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step hat folgendes geschrieben:
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Keins von beiden. An der Physikalität des Gehirns zu zweifeln, wäre Unfug. Es sind eher philosophische Bedenken (obwohl ich kein Philosoph bin). Ein Gehirn als Computer erweckt in mir eher ein kreationistisches Weltbild, das einen externen Erbauer (Ingenieur) und sein von ihm getrenntes Geschöpf (Gehirn/ Computer) darstellt. Wer wäre dann der Schöpfer des Gehirns?
Wie kommt diese Erweckung zustande? Sie ist mir vernünftig nicht nachvollziehbar. Hat es etwas damit zu tun, daß heutige Computerprogramme sehr einfache Algorhitmen sind?


Ein Computer wird von einem 'Ingenieur' gebaut, ein Gehirn wächst.

:gassho

#37:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 07.11.2003, 14:49
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Hi Tso Wang,

Deine Bedenken bestanden ja darin, ob unser Gehirn nicht doch mehr als ein Computer sei. Dieses "mehr" scheint wohl darin zu bestehen, daß es nicht von einem bewußten Erbauer und/oder nicht intentional entstand, sondern unbewußt und ohne Zweck.

das Gehirn ist ein Nebenprodukt der Anpassung replikativer Strukturen (in diesem Fall menschlicher Gene) an ihre Nische. Heutige Computerprogramme kann man ebenfalls als Nebenprodukt der Anpassung menschlicher Gene an ihre Nische ansehen. Das "Gehirn" eines KI-Wesens (z.B. eines replizierenden "Computers" mit Bewußtsein) würde nach einer Zeit als Nebenprodukt der Anpassung von KI-Replikatoren an ihre Nische angesehen. Für die KI spilet die Tatsache der ursprünglichen Code-Vorgabe durch den Menschen nur die Rolle einer Nischeneigenschaft, und ist im Gegensatz zu kreationistischen Göttern für die KI prinzipiell empirisch untersuch- und verstehbar.

mE ist also das Phänomen, daß die Entstehung von Computern durch Intentionalitätsgefühle und bewußtes Verstehen anderer Wesen begleitet wird, als prinzipieller Wesensunterschied nicht geeignet.

Es könnte allerdings Auswirkungen in der praktischen Ethik haben.

gruß/step

#38:  Autor: Tso Wang BeitragVerfasst am: 10.11.2003, 16:15
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Hallo Step,

step hat folgendes geschrieben:
Könntest du ein Kriterium benennen, das Deine Zweifel falsifizierbar macht?


Vielleicht liegt hier ein Mißverständnis vor. Ich habe nicht gesagt, daß ich anzweifele (i.S. von 'bestreiten'), daß das Gehirn ein Computer ist bzw mehr (oder weniger) als ein Computer ist. Ich wollte lediglich nur zum Ausdruck bringen, daß ich es nicht weiß, ob es so ist. Ein Falsifikationskriterium von 'ich weiß nicht' wäre vielleicht 'ich weiß' !?

Ein Gehirn ähnelt einem Computer, aber ob er einer ist, wird man erst wissen, wenn man es weiß (hihihi). Vielleicht sind wir (und das ganze Universum) ja auch ein Hologramm, wie die Novemberausgabe von SdW fragend titelt. Aber das alles ist (noch) reine Spekulation.

:gassho

#39: Menschengleiche Maschinen Autor: Graf ZahlWohnort: Universum BeitragVerfasst am: 23.12.2003, 03:06
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Hier ein interessanter Artikel.

Einleitung:
Zitat:
Obsession der Informatiker?

Menschen haben schon immer davon geträumt, Ebenbilder ihrer selbst zu schaffen. Derzeit sind es (einige) Informatiker, die mit beseelten Robotern dieses Ziel erreichen wollen. Zwischen ihnen, Philosophen und Neurobiologen tobt der Streit, ob dies überhaupt möglich sei. Noch ist er nicht entschieden, berührt er doch zutiefst die Frage, was den Menschen ausmacht und welches Bild er von sich hat. Dahinter lauert die weitere Frage, welchen Sinn dieses Unterfangen überhaupt macht und ob die Protagonisten solcher "menschengleichen Maschinen" nicht von einer fixen Idee besessen sind.



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