Freigeist hat folgendes geschrieben: | ||
Soll bei manchen Frauen vorkommen |
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Na, Spass beiseite: in der Realitaet ist es wohl die sehr seltene Ausnahme, dass sich sexuelle Beziehungen auf solche Weise anbahnen, sowohl was die Rollenverteilung als auch den Zeitrahmen betrifft. |
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Wenn Du aber anderer Ansicht bist, lasse ich mir das von Dir gerne mal zeigen |
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Finde ich auch - ich bin aber auch ein Mann
Ah, jetzt wird mir einiges klar: Du bist eine Maennerversteherin! |
Heike N. hat folgendes geschrieben: | ||||
Aber doch nur bei katholisch indoktrinierten, oder? |
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Kommt auf deine Qualitäten an. |
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Ich denke mir, dass Autoren, ja Kuenstler ganz allgemein, ihre eigenen Aengste, Traeume, Begierden und Sehnsuechte in ihren Werken widerspiegeln lassen. Bei diesem Buch wuerde es mich nicht im mindesten wundern, wenn M.S. Salomon hier, als Mann, seine psychische Veranlagung in der Person des Jan Stollberg zum Ausdruck gebracht hat. |
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Warum stellt er also die Vorhoelle der Unkeuschen so explizit pornographisch dar? Weil ihm bzw. uns Maennern das so gefaellt? Dann koennte man ja nicht von "Vorhoelle" sprechen! Ich als Mann denke, dass da mehr dahintersteckt: die meisten Menschen wuerden wohl damit uebereinstimmen, dass der Geschlechtstrieb der Maenner staerker ausgepraegt ist als jener der Frauen (wie gesagt, ich halte Frauen nicht fuer prueder: unter Pruederie verstehe ich, dass man seine eigenen Triebe vor sich und anderen verleugnet). Er wird also von uns als wesentlich machtvoller empfunden. Es ist vermutlich eine Urangst des Mannes, dass sein Geschlechtstrieb, der bisweilen sehr stark sein kann, ihn so ueberwaeltigt, dass er schlicht und ergreifend die Macht ueber sich verliert.
Und genau das geschieht mit Jan Stollberg, der ja, genau genommen, seine Erlebnisse nur fantasiert: seine ureigensten Triebe schalten Vernunft und Verstand, also gerade das, was er als die wesentlichsten Eigenschaften seiner Person sieht, aus und lassen ihn Dinge tun, die er eigentlich gar nicht tun will! Ich meine, wieviele Maenner haetten ernsthaft Lust auf Analverkehr mit grossbusigen Transvestiten? |
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Neben dieser Erklaerung fuer die explizit pornographische Darstellung gibt es natuerlich auch die, dass M.S. Salomon nunmal gerne schockiert, vor allem dann, wenn es um Tabus geht, die von religioeser Heuchelei getragen werden. Und ab und zu ein wenig Provokation ist ja nicht unbedingt schaedlich... |
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Nun zum Geschehen am See: ob Du es glaubst oder nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich insgeheim jeder Mann wuenscht, dass romantische Beziehungen sich auf diese Weise anbahnen wuerden, obwohl sich die meisten wohl bewusst sind, dass das in der Realitaet einfach so nicht funktioniert, eben weil Frauen etwas andere Beduerfnisse haben. Das liegt aber nicht daran, dass Maenner "nur auf das Eine" auswaeren! Im Gegenteil: diese Fantasie ist weniger Folge eines sexuellen Wunsches an sich als eine von Grundaengsten, mit denen Maenner im Gegensatz zu Frauen zu kaempfen haben.
Auch wenn die meisten Maenner es nie zugeben wuerden, aber bevor sie von einer Frau abgelehnt werden, wuerden sich viele vermutlich lieber selbst in den Fuss schiessen! Jaja, von wegen "das starke Geschlecht"! Wenn es darum geht, einer Frau sein romantisches Interesse zu bekunden und sei es nur, sie anzusprechen, und dabei einen Korb zu riskieren, da wird jeder Mann zum Feigling - in starker Korrelation zur Schoenheit der Frau, eben weil dadurch seine sexuellen Triebe mehr Macht ueber ihn gewinnen, wovor Maenner, wie oben beschrieben, ebenfalls Angst haben. Oder wuerdest Du als Frau einem Mann die Initiative bei der Anbahnung von Beziehungen abnehmen wollen? - Eben! Daraus erklaert sich schon einmal der "Rollentausch" am See im "Paradies", wo ja schliesslich Elli, also die Frau, die Initiative ueber- und ihm damit die Angst vor Ablehnung abnimmt! |
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Der Grund, warum also Jan Stollberg sich ertraeumt, dass Elli, die ja genaugenommen die Kulmination all der guten Eigenschaften seiner vergangenen Beziehungen ist, praktisch auf der Stelle mit ihm Sex haben will, ist, weil es ihm die Angst nimmt, dass sie ihn tatsaechlich gar nicht begehrt. Solange eine Frau nicht mit einem Mann geschlafen hat, wird er immer die Angst haben, dass sie mit ihm nur spielt, seine Gefuehle niemals erwidern wird, also die Ablehnung wie ein Damoklesschwert ueber der Beziehung haengt!
Ich habe mir ueberlegt, inwiefern man diese beiden Szenen anders schreiben haette koennen, aber ich glaube, dass sie, psychologisch betrachtet, eigentlich sehr gut zu den "letzten Fantasien" eines Mannes passen: die Vorhoelle der Unkeuschen als die Verwirklichung seiner Uraengste vor der Macht seiner eigenen Sexualitaet; das romantische Paradies als ein Ort, an dem ihm alle Aengste vor sexueller Ablehnung durch eine Frau genommen werden. Ist doch schluessig, oder? |
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Dass die Aengste eines Mannes in einem so geschlechtsspezifischen Bereich wie dem Sexualverhalten anders aussehen als bei Frauen, liegt auf der Hand und erklaert, hoffe ich, warum Du, wie ich vermute, mit der Darstellung in diesen Szenen nicht ganz zufrieden sein koenntest. Vielleicht hilft meine Erklaerung als Mann Deinem Verstaendnis? - Waere natuerlich interessant zu erfahren, wie Du als Frau diese Szenen darstellen wuerdest bzw. was Du von meiner Erklaerung haeltst! |
Freigeist hat folgendes geschrieben: |
Ich habe ja schon immer gewusst, dass ich als Oesterreicher da benachteiligt bin |
Zitat: |
Ich ueberzeuge Dich gerne |
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: |
Freigeist schrieb;
Hmmm, ganz allgemein gesehen stimmt das natürlich. Die Romanfiguren sind Produkte meiner Phantasie, insofern wird sich in ihnen meine Person widerspiegeln. Dies ist beim Romanhelden besonders der Fall, da dieser - wie bereits gesagt - zentrale Elemente meiner eigenen Philosophie transportiert. Dennoch ist Stollberg nicht gleich Salomon... Das wäre zu einfach... |
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Insofern (und damit komme ich auf das Thema zurück), gibt es gute biologische Argumente dafür, dass Männer vielleicht ein wenig stärker auf Pornographie reagieren als Frauen (Pornographie könnte man ja als Versuch des virtuellen Seitensprungs definieren). |
Zitat: |
Andererseits können natürlich auch Frauen großes Interesse an Pornographie, Gruppensex etc. entwickeln. Wahrscheinlich könnte dieses Interesse unter bestimmten kulturellen Bedingungen zwischen den Geschlechtern auch gleichgewichtet sein. Im biologischen Potential des Menschen stecken zumindest beide Strategien... |
Zitat: |
Hmmm, natürlich diese Grundängste existieren... Ob sie beim Mann stärker ausgeprägt sind als bei der Frau? Schwer zu entscheiden... |
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Als "Rollentausch" habe ich die Situation übrigens nicht empfunden. Seltsamerweise habe ich in meinem Leben recht viele Frauen kennengelernt, die keine Scheu hatten, in dieser Hinsicht die Initiative zu übernehmen. Hier ist bestimmt einiges meiner eigenen realen Erfahrungen eingeflossen... |
Zitat: |
Zu den Ängsten in der Vorhölle gehört natürlich auch, dass Jan ja nicht nur sich selbst nicht befriedigen kann, sondern auch die Frauen mit denen er kopuliert (von einer wird er deshalb ja auch brachial weggestoßen...) In der See-Szene hingegen kommt Elli vor Jan, so dass auch diese Angst aufgehoben ist... (Vielleicht beruht seine Scham in der Vorhölle ja zum Teil auch darauf, dass er dort als Einziger einen Orgasmus erleben durfte...) |
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Sofern die Antwort auf diese Frage nicht zu persönlich ausfällt, würde mich das auch interessieren. Inwiefern hätte eine Frau die Szenen anders geschrieben? |
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Natuerlich habe ich dabei nicht an eine 1:1-Entsprechung gedacht. Aber es ist wohl kaum zu leugnen, dass Jan mit Michael doch eine Menge gemeinsam hat... |
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Naja, ich koennte nicht gerade sagen, dass bei mir Frauen aehnlich kooperativ waeren - ich bin aber auch weder Jan Stollberg noch M.S. Salomon |
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dazu möchte ich noch die Anekdote eines Freundes (ich hatte ihm das Buch kürzlich ausgeliehen und er meinte, dass er es - was ihm sonst nie passiert - ohne Pause an einem Stück durchgelesen hat) hinzufügen, der anlässlich eines Spanien-Urlaubs sich auch kurz Lourdes angeschaut hat ...
Er sagte, dass Lourdes HAARGENAU so wäre, wie der erste Ring der Hölle in diesem Buch beschrieben wird ... |
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: |
Das ist insofern nicht verwunderlich, als dass Lourdes Pate stand, als ich das Kapitel schrieb. |
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Was mich wirklich total stört, sind Formulierungen wie "Jan stieß sein Glied hart in ihre Ritze." (S. 79 unten). Diesen Satz finde ich wirklich unter aller Kanone. Kann man das nicht anders beschreiben? Ich kann nicht ein Buch mit einem philosophischen Anspruch schreiben und mich zwischendurch auf das sprachliche Niveau von einem Pornoheft begeben. Gleiches gilt für "Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er sich entlud." (S. 81) und für einige Sätze auf S. 112f, die ich jetzt nicht wörtlich zu zitieren brauche. Es handelt sich hier ja nicht um ein Aufklärungsbuch für Jugendliche, sondern um ein Buch für Erwachsene, die eine derartige Aufklärung nicht nötig haben. Ich gebe allerdings zu, daß eine Darstellung ohne solche von mir beanstandeten Sätze schriftstellerisch wahrscheinlich etwas schwieriger ist als die drastische Detailbeschreibung. Und besonders herausragende schriftstellerische Qualitäten hat M.S. Salomon nicht. Er ist an sich halt Philosoph und kein Schriftsteller. |
Freigeist hat folgendes geschrieben: |
Aber wenn ich ein Buch schreiben wuerde, faenden sich darin bestimmt mehr Sprachbilder und Analogien, mit denen sich insbesondere delikate Szenen elegant darstellen liessen. Nur so als Anregung... |
Stollbergs Inferno hat folgendes geschrieben: |
Kleine weiße Maden tummelten sich auf dem Teller. Sie schwammen in einer dickflüssigen, grünlich-braunen Substanz, die von Schimmel durchsetzt war. Jan würgte. Er konnte es nicht zurückhalten. Sein Magen rebellierte. Er kotzte, bis nur noch Galle kam
[...] Wie gelähmt beobachtete er, wie sein Tischnachbar Maden, Schimmel und Erbrochenes genüsslich in sich hineinschaufelte. |
Heike N. hat folgendes geschrieben: |
Aber warum eigentlich nicht die Dinge beim Namen nennen, auch umgangssprachlich (vorausgesetzt, es ist keine medizinische Abhandlung)?
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Diese Sprachbilder und Analogien, von denen du sprichst erinnern mich immer an Umschreibungen, Marke "Liebe, Leidenschaft und ein feuriger Pirat"-Trivialliteratur: "Er tauchte mit seinem Liebesspeer ein in ihre feuchte Grotte" ( ). Da könnte ich mich jedesmal wegschmeißen vor Lachen (Angelique-Bücher habe ich mit ca. 14 verschlungen). |
Zitat: | ||
Witzigerweise wird sich nur über eine deutliche Sprache mokiert, wenn es um Sexualität geht. Hierüber regt sich keiner auf:
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Was aber soll an einer deutlich beschriebenen sexuellen Handlung negativ sein?
Weil sie rein auf den Orgasmus ausgerichtet ist und wir diese mystische Verbindung "Liebe und Sexualität" nicht aus den Köpfen kriegen? |
Freigeist hat folgendes geschrieben: | ||
Nichts dagegen - aber redest Du in der Umgangssprache wirklich so wie im Buch? Ich gehe mal davon aus, dass Du es nicht wahnsinnig aufregend oder gar erregend, auf jeden Fall aber nicht sonderlich originell finden wuerdest, wenn Dein Partner zu Dir sagte: "Ich stecke Dir jetzt meinen Schwanz in die Ritze!"... |
Zitat: |
Und ich denke nicht im mindesten an laecherliche oder verniedlichende Darstellungen! Sprachbilder koennen durchaus auch schockierender sein als eine unmittelbare Beschreibung der Wirklichkeit. |
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Literatur ist aber nun mal eine Kunstform und muss daher anderen Anspruechen gerecht werden. |
Heike N. hat folgendes geschrieben: |
Abgesehen davon, dass "dirty talking" zwar Geschmacksache ist, aber durchaus reizvoll sein kann: |
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Stollberg hat das nicht gesagt, wenn mich nicht alles täuscht, sondern hier wurde eine Szene beschrieben. Das ist ein Unterschied. |
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Wie hättest du denn eine solche Szenen beschrieben, um eine entsprechend drastische Wirkung zu erzielen? |
Zitat: | ||
Provokation kann auch ein gewollter Teil eines Kunstwerkes sein. Die bizzaren Darstellungen von Hieronymus Bosch bestehen zu einem nicht unerheblichen Teil aus Provokation. |
Freigeist hat folgendes geschrieben: | ||
Klar, manchmal schon, das moechte ich gar nicht bestreiten. Die Frage ist, ob es sich in einem Werk mit philosophischem Anspruch gut macht. Das schlaegt sich halt doch ein wenig. |
Zitat: | ||
Stilistisch betrachtet, macht das fuer mich wenig Unterschied. |
Freigeist hat folgendes geschrieben: |
Ich gehe mal davon aus, dass Du es nicht wahnsinnig aufregend oder gar erregend, auf jeden Fall aber nicht sonderlich originell finden wuerdest, wenn Dein Partner zu Dir sagte: "Ich stecke Dir jetzt meinen Schwanz in die Ritze!" |
Zitat: | ||
Oh je, erwischt Dazu faellt mir nur Folgendes ein: Was ist der Unterschied zwischen einem Kritiker und einem Eunuchen? - Es gibt keinen. Beide wissen genau, wie man es machen muss, koennen es aber nicht. |
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Spass beiseite: man koennte jetzt dazu uebergehen, jedwede Kritik zu unterlassen, da wir, wie schon Leibniz dereinst einleuchtend zeigte, in der besten aller Welten leben - oder vielleicht doch auf noch besseres hoffen. Ich tendiere zu letzterem... |
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Ja, aber seine Darstellungen sind stilistisch brilliant. Das ist ja genau der Punkt auf den ich hinaus will: man kann provokant UND stilvoll sein. Natuerlich kann nicht jeder ein Hieronymus Busch werden. Aber etwas konstruktive Kritik soll durchaus die Motivation dazu steigern |
Zitat: |
Er ist an sich halt Philosoph und kein Schriftsteller. |
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aber man kann explizite oder drastische Schilderungen gewiss auch auf sprachlich hoeherem Niveau erzielen. Zugegeben, das ist schwieriger - aber solchen Anspruechen muss nun mal ein Romanautor auch gerecht werden. |
Heike N. hat folgendes geschrieben: |
Populärwissenschaft, gut gemacht, kann das Interesse an Wissenschaften bei Menschen wecken, die normalerweise einen großen Bogen drum machen würden. |
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Warum soll es also nicht auch legitim sein, auf diese Art und Weise Philosophie Menschen nahezubringen, die sich normalerweise bei der Erwähnung dieses Wortes eine Knoblauchkette um den Hals hängen? |
Zitat: |
Ich habe heute "Stollbergs Inferno" noch einmal angefangen und habe festgestellt, dass die Art und Weise, wie Michael schreibt, mich dahin bringt, dass ich mir Szenarien und Orte bildlich vorstellen kann. Das ist für mich das Hauptanliegen, wenn ich einen Roman lese. Das mag trivial klingen, ist es aber nur scheinbar, wenn die Inhalte, die vermittelt werden, interessante Informationen bieten. |
Freigeist hat folgendes geschrieben: | ||
Eben: man muss den richtigen Stil dazu finden. |
Zitat: | ||
Naja, ich vermute eher, dass das Buch bewirken wird, dass sich Philosophen und andere Freigeister mehr fuer "schmutzigen" Sex interessieren werden |
Zitat: | ||
Da gebe ich Dir recht: das Buch ist absolut verstaendlich geschrieben. Auch finde ich den strukturellen Aufbau ganz gut, die Handlung, wie erwaehnt, sowieso. Auf der untersten Ebene des sprachlichen Ausdrucks koennte man aber gewiss noch einiges verfeinern. |
lemonstar hat folgendes geschrieben: |
Statt der bildhaften Darstellung etwas wie "dann nahm er sie, doch die vollkommene Verschmelzung wurde ihnen nicht zuteil" zu verwenden, vermittelte mE die Intentionen (Versagensängste etc. s.o.) nicht annähernd so gut. |
lemonstar hat folgendes geschrieben: |
Ich meine, dass er jene Szenen durchaus absichtlich so direkt, unverblümt geschildert hat, vor allem deswegen, da solche drastischen Formulierungen besonders schockieren. |
Zitat: |
Bekanntermassen verfügt er ja auch über die Fähigkeiten "kompliziert" zu formulieren. |
Zitat: |
Außerdem richtet, wie Heike schon erwähnte, sich der Ausdruck stark nach der Zielgruppe. |
Zitat: |
Statt der bildhaften Darstellung etwas wie "dann nahm er sie, doch die vollkommene Verschmelzung wurde ihnen nicht zuteil" zu verwenden, vermittelte mE die Intentionen (Versagensängste etc. s.o.) nicht annähernd so gut. |
Zitat: |
Für wahrhaft schockierende Sprachbilder sähe ich gern ein paar Beispiele, sonst sehe ich weiterhin die explizite Darstellung als geeigneter an |
Freigeist hat folgendes geschrieben: |
Ok, ich uebertreibe es mal:
Mit der Gewalt eines Presslufthammers durchpfluegte er sie, als sie sich wie eine kochende Vulkanspalte vor ihm oeffnete. Scharf und bildhaft genug? |
Heike N. hat folgendes geschrieben: | ||
Sex kann niemals schmutzig sein. Aber ich gehe davon aus, dass ich die Anführungsstriche richtig gedeutet habe. |
Freigeist hat folgendes geschrieben: | ||
Naja, kommt auf die Definition von "schmutzig" an. Das kann von "unhygienisch" bis "kriminell" verlaufen. Aber meistens wird der Begriff wohl als Verweis auf (zumeist religioes bedingte) Tabus benutzt. Im letzteren Kontext habe ich den Begriff verwendet und (nona) natuerlich absichtlich unter Anfuehrungsstriche gestellt. |
Zitat: |
Es ist uebrigens interessant, wie es kirchlichen Institutionen erfolgreich in der Oeffentlichkeit gelingt, durch ihre eigenen Missbrauchsfaelle einen Bezug zwischen Suende und Sex aufrechtzuerhalten. So werden z.B. von der Kirche anfangs, wenn auch zoegerlich, Beratungsstellen fuer "sexuellen Missbrauch" eingerichtet, um einerseits der Oeffentlichkeit vorzutaeuschen, dass sie die Sache ernst nehmen, andererseits aber, um zu Vertuschen, dass es auch andere Formen des Missbrauchs durch Kirchenvertreter gibt. Immerhin stehen koerperliche Zuechtigung und erniedrigende Strafen, also physischer und psychischer Missbrauch, in etlichen kirchlichen Betreuungseinrichtungen an der Tagesordnung. Durch die Konzentration auf sexuelle Missbrauchsformen entsteht aber nur die Begriffsverbindung von Sex und Schuld. Als ob es schlimmer waere, von einem Priester "unsittlich" beruehrt zu werden, als von einer Nonne eine in die Fresse zu bekommen. |
Heike Jackler hat folgendes geschrieben: |
Diskussionen, die sich nicht auf das jeweilige Threadthema beziehen, werden grundsätzlich gelöscht. |
Heike N. hat folgendes geschrieben: | ||
Entschuldige bitte mein Gelächter *prust* |
Zitat: |
Gut, du hast Mut bewiesen und deiner Version gepostet. Dabei bist du selber deinem Vergleich von Kritiker und Eunuch untreu geworden. Finde ich aber auch gar nicht schlimm, weil es sehr deutlich zeigt, welche unterschiedlichen Vorstellungen man hat (und die eigenen sexuellen Fantasien sind sehr individuell). |
Heike N. hat folgendes geschrieben: |
Er fasste sie bei den Hüften und stieß in sie. Wieder und wieder. Ihr herausfordernder Gesichtsausdruck, ihr höhnisches und wissendes Lächeln und die bereitwillig geöffneten Schenkel ließen ihn schier wahnsinnig werden. Und das, nach was er sich sehnte, aus früherer Zeit in nur allzu deutlicher Erinnerung, die Erlösung, stellte sich nicht ein. Er ließ ab von ihr und blickte sich wie in Rage um. Den nächsten, sich ihm aufreizend präsentierenden Menschen packte er und drang in ihn ein. Mann oder Frau? Er wusste es nicht, es war ihm egal. Allein wichtig war ihm nun seine Befriedigung geworden. Mensch um Mensch, Frau und Mann, griff er und nahm ihn, wahnsinnig vor Lust, unfähig, Befriedigung zu erlangen. Schließlich hielt er erschöpft inne und spürte eine Berührung an seinem Arm. Er drehte den Kopf, schweißüberströmt, und erblickte Elli.
Wäre vielleicht meine Version gewesen. |
Freigeist hat folgendes geschrieben: |
Siehst Du, habe ich Dich schlussendlich selbst dazu gebracht, Dir zu beweisen, dass es stilistisch besser geht! |
Zitat: |
Ok, ein paar Kleinigkeiten wuerde ich auch an Deinem Text aendern wollen, aber ich will das jetzt nicht gleich in ein Duell ausarten lassen... |
Heike N. hat folgendes geschrieben: |
Um den Bogen wieder zu kriegen: sicherlich wird sich Jan Stollberg in der Vorhölle der Unkeuschen nicht jedesmal ein neues Kondom übergezogen haben. Musste aber auch nicht sein, er war ja eh schon tot. |
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Wir bewegen uns ein bisschen von der eigentlichen Diskussion weg. Das könnte man vielleicht an anderer Stelle weiterdiskutieren. Gerade in diesem Forum ist unsere Forumsadministreuse recht pingelig |
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Das Einzige, was mich ein wenig enttäuschte, war die Tatsache, dass Günter Anders in dem Roman nicht vorkam! Er hätte es doch verdient gehabt, die antiquierten Menschen in den Kampf gegen den noch antiquierteren Gott zu führen, oder? |
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Nun, auch wenn es vielleicht etwaige narzistische Charakterzuege, vor denen wohl kaum ein Mensch ganz gefeit ist, verletzen koennte, aber so unrecht, finde ich, hat sie mit ihrer Kritik nicht. Mir (wie auch ihr) hat das Buch inhaltlich durchaus sehr gefallen, sowohl was die philosophischen Beziehungen betrifft als auch den Aufbau und die Handlung. Aber sprachlich hebt es sich nicht gerade von der Masse ab.
Ich bin ja selber kein Schriftsteller, darum ist mein Rat vermutlich so, als ob ein Blinder den Einaeugigen fuehren wollte. Aber wenn ich ein Buch schreiben wuerde, faenden sich darin bestimmt mehr Sprachbilder und Analogien, mit denen sich insbesondere delikate Szenen elegant darstellen liessen. Nur so als Anregung... |
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Witzigerweise wird sich nur über eine deutliche Sprache mokiert, wenn es um Sexualität geht. Hierüber regt sich keiner auf:
Stollbergs Inferno hat folgendes geschrieben: Kleine weiße Maden tummelten sich auf dem Teller. Sie schwammen in einer dickflüssigen, grünlich-braunen Substanz, die von Schimmel durchsetzt war. Jan würgte. Er konnte es nicht zurückhalten. Sein Magen rebellierte. Er kotzte, bis nur noch Galle kam [...] Wie gelähmt beobachtete er, wie sein Tischnachbar Maden, Schimmel und Erbrochenes genüsslich in sich hineinschaufelte. Und das ist mal wirklich ekelhaft (Mist, ich wollte am Wochenende Geflügel machen und Michael hats mir mal wieder versaut.) |
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Nichts dagegen - aber redest Du in der Umgangssprache wirklich so wie im Buch? Ich gehe mal davon aus, dass Du es nicht wahnsinnig aufregend oder gar erregend, auf jeden Fall aber nicht sonderlich originell finden wuerdest, wenn Dein Partner zu Dir sagte: "Ich stecke Dir jetzt meinen Schwanz in die Ritze!"...
Ok, Ihr vergnuegt Euch sicher nicht wie in der Vorhoelle der Unkeuschen (vermute ich mal Winken), aber man kann explizite oder drastische Schilderungen gewiss auch auf sprachlich hoeherem Niveau erzielen. Zugegeben, das ist schwieriger - aber solchen Anspruechen muss nun mal ein Romanautor auch gerecht werden. |
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Diesbezueglich habe ich die Kritik meiner Mailfreundin urspruenglich auch missverstanden. Es geht nicht um die explizite Darstellung sexueller Handlungen sondern um die sprachliche Einkleidung. Wenn ich ein billiges Pornoheft kaufe, bekomme ich in bezug auf Wortwahl ("Schwanz", "Ritze", "kotzen"), grammatikalische Konstruktionen (simple Hauptsaetze - s.h. Dein Buchzitat, das sich nicht auf Sexualitaet bezieht) und Originalitaet in der Beschreibung qualitativ Gleichwertiges. Auf Pornoheftniveau schreiben kann praktisch jeder - das ist (eben) keine Kunst. Literatur ist aber nun mal eine Kunstform und muss daher anderen Anspruechen gerecht werden. |
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uer mich steht allgemein bei der Beurteilung von Romanen der Handlungsaspekt sehr stark im Vordergrund, weswegen ich anfangs die Stilkritik auch nicht richtig wahrgenommen habe. Aber ich habe mich ueberzeugen lassen, dass sie gerechtfertigt ist: die groesste Schwaeche des Buches ist sicher der sprachliche Stil. Um nicht missverstanden zu werden: er ist fuer mich grossteils ok - aber nicht mehr. Bei den expliziten Stellen, insbesondere den Sexszenen, laesst er aber doch zu wuenschen uebrig. |
Zitat: |
Ich meine, dass er jene Szenen durchaus absichtlich so direkt, unverblümt geschildert hat, vor allem deswegen, da solche drastischen Formulierungen besonders schockieren. Bekanntermassen verfügt er ja auch über die Fähigkeiten "kompliziert" zu formulieren. Außerdem richtet, wie Heike schon erwähnte, sich der Ausdruck stark nach der Zielgruppe.
Statt der bildhaften Darstellung etwas wie "dann nahm er sie, doch die vollkommene Verschmelzung wurde ihnen nicht zuteil" zu verwenden, vermittelte mE die Intentionen (Versagensängste etc. s.o.) nicht annähernd so gut. |
Zitat: |
Meine Idee, die Darstellung zu entschärfen/verbessern, wäre , dass sobald Stollberg zu den kopulierenden Menschen kommt, ein Zeitsprung/Blende stattfindet und mit einer detaillierten Darstellung seiner Verzweiflung, seines Wahnes, nachdem sämtliche Befriedigungsversuche misslungen sind, fortgesetzt wird (kurz bevor Elli ihn findet). |
Zitat: |
Genau das ist es. Stollbergs verzweifelte Kopulationsversuche, wie er hastet von einem zum anderen, eben auch diese wirklich reduzierte Sprache (weil es letztendlich immer mehr um die Reduktion geht), weil die Erregung ihn übermannt und er mit nichts anderem mehr denken kann als mit dem Kleinhirn, ist bestens ausgedrückt. Ups... oder wollte Michael etwas in der Art ausdrücken, dass das männliche Gehirn in tiefere Sphären rutscht? |
Zitat: |
Hm, wer ist denn die Zielgruppe? Waere interessant, von Michael zu erfahren, wen er denn damit wirklich ansprechen wollte! Ich nehme an, dass es sich dabei nicht um uns handelt, denn das entspraeche wohl eher freigeistiger Masturbation... |
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: | ||
Heike N. schrieb:
Zunächst einmal Entschuldigung dafür... |
Zitat: |
In der Tat ist diese Stelle ähnlich drastisch wie die Sexszenen. Mir ging es darum, dem Leser einen adäquaten Eindruck vom Geschehen zu vermitteln. Mittels drastischer Sprache läst sich der Ekel authentisch vermitteln. Das gleiche gilt für die verzweifelte Sexsucht der Vorhölle der Unkeuschen. Die Verwendung stilvoller Metaphern schien mir da unangebracht. Das Geschehen ist nicht stilvoll, sondern entwürdigend, warum also eine würdevolle Sprache wählen? |
Zitat: |
Zu Freigeists und Heikes schriftstellerischen Alternativen:
Heikes Alternative liest sich zwar gut, ist m.E. aber viel zu sanft, um die Kleinhirn-Geilheit von Jan in diesem Moment zu beschreiben... Das wilde Tier, der unbeugsame Trieb, wird für mich dadurch nicht greifbar. Wenn ich das so lese, denke ich mir, naja, Typ, nu hab dich nicht so... |
Zitat: |
Wie gesagt: Das alles ist Geschmackssache, aber auch eine Frage der eigenen literarischen Ästhetik. Für mich gibt es keine Sprache, die an sich auf höherem Niveau angesiedelt ist. Sprache muss den Sachverhalt, um den es geht, möglichst klar zum Ausdruck bringen. Literarisches Niveau zeigt sich für mich darin, wenn es einem Autor gelingt, die richtige Form für seine Inhalte zu finden. Ob mir das in diesem Roman gelungen ist, kann ich nicht natürlich beurteilen. Das kann nur jeder Leser selbst entscheiden. |
Zitat: |
Deshalb finde ich es sehr spannend, mit euch darüber in diesem Forum zu diskutieren... |
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben: |
Was die Verwendung von Sprachbildern, Metaphern etc. angeht: Damit bin ich bewusst sparsam umgegangen. Ich habe da so einen Leitsatz: Je fantastischer deine Geschichte, desto einfacher und realistischer die Sprache, je realistischer die Geschichte (also je näher am Alltag), umso fantastischer kann die Ausdrucksform sein! Ich persönlich mag es nicht, wenn Fantastisches auf fantastische Weise und Alltägliches auf alltägliche Weise erzählt wird. Ich finde sowas unspannend... |
Zitat: |
In der Tat ist diese Stelle ähnlich drastisch wie die Sexszenen. Mir ging es darum, dem Leser einen adäquaten Eindruck vom Geschehen zu vermitteln. Mittels drastischer Sprache läst sich der Ekel authentisch vermitteln. Das gleiche gilt für die verzweifelte Sexsucht der Vorhölle der Unkeuschen. Die Verwendung stilvoller Metaphern schien mir da unangebracht. Das Geschehen ist nicht stilvoll, sondern entwürdigend, warum also eine würdevolle Sprache wählen? |
Zitat: |
Frage: Was ist sprachlich höheres Niveau? Für mich zeichnet sich sprachlich hohes Niveau darin aus, dass es einem Schreiberling gelingt, die richtige Formen für seine Inhalte zu finden... |
Zitat: |
In der Weltliteratur wurden ähnlich drastische Szenen vor allem von Henry Miller und Charles Bukowsky beschrieben... Wenn ihr Spaß daran habt, vergleicht mal die Sex- und Kotzszenen aus dem Inferno mit den Werken dieser beiden von der Kritik (seltsamer Weise?) hoch gelobten Autoren.
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Zitat: |
BTW: Ich glaube, das Wort "Ritze" habe ich zuerst bei diesen beiden gelesen... |
Zitat: |
Hältst du Miller und Bukowsky für keine nennenswerten Schriftsteller? Zu den simplen Hauptsätzen: Auch das ist eine Frage von Form und Inhalt. Wenn kurze prägnante Formulierungen (Hauptsätze) ein Zeichen schlechter Literatur wäre, dürfte man beispielsweise Hemmingway nicht unter die großen Autoren einordnen... |
Zitat: |
Wie gesagt: Das sehe ich genauso. Die Sprache des Romans passt sich dem jeweiligen Geschehen an. Meist hält sich der olympische Erzähler sehr zurück. Er wird in den meisten Szenen gar nicht wahrgenommen, da die Handlung in der Regel durch Dialoge vorangetrieben wird. Es gibt jedoch auch Szenen, in der der Erzähler nicht unbeteiligt ist, in denen er in die Hauptfigur hineinschlüpft und dementsprechend seinen Stil ändert. Dies ist gerade auch in den Sexszenen der Fall. Die Erzählperspektive ist hier nicht mehr objektiv, der Erzähler selbst ist von der gleichen unstillbaren Geilheit befallen wie die Hauptperson... |
Zitat: |
Natürlich ist es das Ziel gewesen, mit diesem Roman auch Personengruppen anzusprechen, die sich jenseits des freigeistigen Gettos bewegen. Soweit ich dies überblicken kann, ist dies auch halbwegs gelungen. Wir müssen allerdings schauen, wie wir das Buch noch besser auf den "Märkten" platzieren können, für die es gedacht ist. Das ist nicht ganz so einfach... |
Zitat: |
Heikes Alternative liest sich zwar gut, ist m.E. aber viel zu sanft, um die Kleinhirn-Geilheit von Jan in diesem Moment zu beschreiben... Das wilde Tier, der unbeugsame Trieb, wird für mich dadurch nicht greifbar. Wenn ich das so lese, denke ich mir, naja, Typ, nu hab dich nicht so... |
Zitat: |
Wie gesagt: Das alles ist Geschmackssache, aber auch eine Frage der eigenen literarischen Ästhetik. Für mich gibt es keine Sprache, die an sich auf höherem Niveau angesiedelt ist. |
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Sprache muss den Sachverhalt, um den es geht, möglichst klar zum Ausdruck bringen. |
Zitat: |
Literarisches Niveau zeigt sich für mich darin, wenn es einem Autor gelingt, die richtige Form für seine Inhalte zu finden. Ob mir das in diesem Roman gelungen ist, kann ich nicht natürlich beurteilen. Das kann nur jeder Leser selbst entscheiden. |
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