Elmo hat folgendes geschrieben: |
Hallo,
also ich verfolge hier die Diskussion mit Interesse und Spannung. Aber ich möchte einmal kurz einwerfen, dass ich nicht verstehe wie ihr "Diktator" definiert. Herr Erdogan wurde nun mal gewählt (erst kürzlich wieder), und hat sich nicht selber ernannt, wenn ich mich recht entsinne. Und daher ist er doch eigentlich quasi per Definition kein Diktator. |
Elmo hat folgendes geschrieben: |
Gut, dass "Demokratie" nicht automatisch demokratisch ist, nur weil die Menschen in dem "demokratischen" Land ein wenig spielen dürfen, das ist mir schon klar.
Aber ich dachte ein Diktator würde sich explizit dadurch auszeichnen, dass er eben nicht gewählt sei. Das sind doch nicht die gleichen Dinge, oder? |
Elmo hat folgendes geschrieben: |
Mit deiner Definition, die also letzten Endes nur die Art der Demokratie bemängelt, müsste man wahrscheinlichi ziemlich viele gewählte Staatsoberhäupter als Diktatoren bezeichnen. liebe Grüße Andrea |
sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | ||
Das Rezept von Mao Tse Tung funktioniert. Auch Erdogan ist als Wohltäter aufgetreten. Mao's Truppen während des "Langen Marsches" haben die chinesischen Bauern nicht ausgeplündert und totgeschlagen wie die Anderen. Maos Leute haben ihre Versorgungsgüter gekauft und bei der Bestellung der Felder und bei der Ernte geholfen. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ||||
Ja, so kann man sich vertun. So wie eine Wahl noch keine Demokratie macht, (ein weit verbreiteter Irrtum, der meint, man müsse in einen nichtdemokratischen Land nur Wahlen abhalten, und die Demokratie käme gewissermaßen wie von selbst. Gegenbeispiele sind zahlreich und dir sicherlich auch bekannt), so muß ein Diktator nicht zwingend per Gewalt an die Macht kommen.
Das Problem ist, daß du Diktatur und Demokratie als idealtypische, absolute Begriffe verwendest, bewissermaßen als Schwarz und Weiß. In der beobachtbaren Wirklichkeit sehen wir dagegen nur verschiedene Abstufungen von Grau, mal mehr, mal weniger, und der Weg von der Demokratie zur Diktatur ist fließend, und leider oft auch recht kurz. Beispiele: Ungarn und Polen. Es ist alte, demokratische Tradition, daß Regierungen entscheidende Position ihrer Staatsgesellschaften, Positionen in Verwaltung, Polizei und Justiz mit ihren Parteigängern besetzen. Solange es sich nur um freiwerdende Positionen handelt, noch genügend Positionen für die Parteigänger der anderen übrig bleiben, die Regierungen schnell genug wechseln, und man sich gegenseitig leben läßt, ist das kein Problem. Wenn aber in einem Land Parteiungen um die Macht kämpfen, die sich gegenseitig als Feinde verstehen, die eigene Machtergreifung als den Willen des Volkes verstehen und als einzig richtigen Weg für die ganze Gesellschaft, und entsprechend die Machtergreifung der Gegenpartei als deren Untergang, dann können die schönsten Wahlen und die besten Gesetze in solch einem Land nicht die Demokratie retten. |
zelig hat folgendes geschrieben: |
In diesem Zweig der Diskussion sollte nicht ignoriert werden, daß es konkret um die Abwägung eines Militärputsches gegen eine gewählte Regierung geht. Gewählte Regierungen können sich selbst delegitimieren, keine Frage. Aber die Demokratie selber delegitimiert sich nicht. Ein Putsch ist jedoch immer auch ein Angriff auf die Demokratie, selbst wenn er sich gegen die delegitimierte Regierung richtet. Insofern sollte man sehr sehr vorsichtig sein. Wenn, dann muss es die türkische Bevölkerung selber schaffen, sich von Erdogan zu befreien - was durchaus wünschenswert wäre. Durch ein demokratisches Votum. Aber das will sie derzeit offensichtlich nicht. Das zu realisieren scheint den Befürwortern des Putsches schwer zu fallen. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Wenn man also so einen Begriff wie *Autokrat* verwendet, muss man trotzdem gucken, welchen Inhalt diese politische (Herrschafts-)Form hat, was in dem Autokraten drin ist ...- |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ||
Vor allem muß man schauen, wie es den Menschen unter solch einem Regime geht. Ich bin nun wirklich kein Freund von Erdogan, aber daß Mao um ganz Größenordnungen schlimmer war, daran besteht sicherlich kein Zweifel. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Ob eine Regierung gewählt ist oder nicht, ist für ihren demokratischen Charakter zweitrangig.[...] Wie viele möchtest du noch, bis klar wird, daß die Wahl einer Regierung nichts, aber auch gar nichts aussagt über den demokratischen Charakter eines Regimes? |
zelig hat folgendes geschrieben: | ||
Mal eine Frage. Wodurch wird Deiner Auffassung nach ein Staat und dessen Repräsentanten legitimiert, wenn die Legitimierung vom Volksssouverän abgekoppelt ist? (Den Rest habe ich wg Übereinstimmung gesnippt). |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ||||
Es geht nicht um den "Volkssouverän". Der ist eine Fiktion, und wird, auch von Erdogan, mit der Mehrheit verwechselt. Dessen Legitimation endete spätestens da, wo der die Abgeordnetenrechte der Opposotion aufheben ließ. Es ist jedesmal der gleiche Irrtum. Regierende dieser Art sprechen davon, das Volk habe sie gewählt, dabei war es günstigenfalls eine Mehrheit. Spätestens dann, wenn sie anfangen, die Rechte der Opposition einzuschränken, Presse-, Versammlungsfreiheit, Rechtsgleichheit und -sicherheit, spätestens dann verliert eine solche Regierung ihre Legitimität, weil sie aus der Herrschaft des Volkes, wozu auch und vor allem das Recht gehört, Macht zu verleihen, aber eben auch wieder zu entziehen, die Tyrannei eines Regimes machen. Dabei ist es egal, ob diese Tyrannei von einer Mehrheit gedeckt wird oder nicht, denn die Minderheit hat eh keine faire Chance mehr, das Gegenteil zu beweisen. |
zelig hat folgendes geschrieben: | ||||||
Du antwortest nicht wirklich auf meine Frage. Wie legitimiert sich Machterlangung, wenn nicht über die Beteiligung der Menschen, über die Macht ausgeübt wird? Ich kann mir keine Antwort vorstellen, die man noch als demokratisch einstufen könnte. Die Abkopplung des Volkssouveräns von der demokratischen Legitimierung in Deiner Argumentation ist selbstwidersprüchlich. Du kannst keine Demokratie verteidigen, deren eine fundamentale Grundlage Du abgeschafft hast. Das ist wie fucking for virginity. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Eine Wahl ist eine notwendige Voraussetzung eines demokratischen Regimes, aber keine hinreichende Bedingung. Hinzu kommen muß Pressefreiheit, Rechtstaatlichkeit und Minderheitenschutz (ist sicherlich keine vollständige Aufzählung). Eine Regierung, die diese abschafft, verliert ihre demokratische Legitimation[...] |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Ob eine Regierung gewählt ist oder nicht, ist für ihren demokratischen Charakter zweitrangig. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
[...] Eine Wahl ist eine notwendige Voraussetzung eines demokratischen Regimes, aber keine hinreichende Bedingung. Hinzu kommen muß Pressefreiheit, Rechtstaatlichkeit und Minderheitenschutz (ist sicherlich keine vollständige Aufzählung). Eine Regierung, die diese abschafft, verliert ihre demokratische Legitimation(...) |
zelig hat folgendes geschrieben: | ||||
Seh ich auch so.
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schtonk hat folgendes geschrieben: | ||
Aus staatsethischen Erwägungen heraus stimme ich dir sofort zu. Aber aus verfassungsrechtlicher Sicht gesehen lässt sich das m.E. nicht so einfach sagen. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ||||
Und genau dahinter versteckte sich anfangs der GröFaZ, und heute Erdogan, Orban und Konsorten. Indem sie den Buchstaben der Verfassung gegen seinen Inhalt ausspielen, schaffen sie die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln ab. Es ist aus meiner Sicht auch keine ethische Frage, sondern eine der Macht, nämlich, ob man es sich gefallen läßt. |
schtonk hat folgendes geschrieben: |
Ok, mache einen Vorschlag. |
Zitat: |
When a real coup happens you learn about it in the morning with all communications gone since you don't want to give the losers the opportunity to regroup. |
Zitat: |
The thing with CHP and MHP is that they are both army lovers. Army, has been the traditional defender of a secular Turkey, and therefore causing parties like AKP and FP who feed on the Muslim heritage of the population feel threatened. Army kept things in check (for the better or the worst). Army has been an issue for AKP a very long time. They never felt enough confident about the lasting effects of the changes they caused within the army. The army was dangerous. |
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | ||
Dann war nach deiner Definition Hitler auch kein Diktator, sondern demokratisch gewählt. Das deutet m.E. darauf hin, dass diese Definition nicht besonders hilfreich ist. |
Zitat: |
Die Präsidentschaftswahl in der Türkei 2014 fand am 10. August 2014 statt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik Türkei waren dabei die türkischen Staatsbürger aufgerufen, den neuen Präsidenten der Republik direkt zu wählen. Ein zweiter Wahlgang erwies sich als nicht erforderlich, da Recep Tayyip Erdoğan bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreichte.
Seit der Verfassungsänderung von 2007 ist die Wahl des Präsidenten durch das Volk für eine Amtszeit von fünf Jahren vorgesehen (Art. 101 Abs. 1, 2 Satz 1 der Verfassung).[1][2] Das neue Präsidentenwahlgesetz (PräsWahlG[3]) trat am 26. Januar 2012 in Kraft.... |
sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | ||||||
Erdogan fängt jetzt richtigen Ärger an:
Ohne stichhaltige Beweise werden die USA das nicht machen. Und Erdogan geht noch einen Schritt weiter - der IS kann zur Zeit von der Türkei nicht bekämpft werden:
Klingt nach einer einfachen Rechnung Erdogans: keine Auslieferung Gülens=Festsetzung der in Incirlik stationierten NATO-Soldaten. Yildirim geht sogar noch weiter:
Markige Worte. Ob sich Erdogan damit einen Gefallen tut und seine Position stärkt, lasse ich mal dahingestellt. |
sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | ||
(...) Yildirim geht sogar noch weiter:
Markige Worte. Ob sich Erdogan damit einen Gefallen tut und seine Position stärkt, lasse ich mal dahingestellt. |
beachbernie hat folgendes geschrieben: | ||||||||
Ich vermute mal, dass der Anfang vom Ende von Erdogans Herrschaft gemacht ist. Mit einem solchen Affront gegen den maechtigsten Verbuendeten duerfte er auch seinen engsten politischen Weggefaehrten Angst machen. Es wird immer klarer, dass der Mann nicht mehr in der Lage ist sein Land halbwegs vernuenftig zu fuehren. Fuer solche Faelle sind normalerweise "Impeachment"-Prozeduren vorgesehen, wenn der Chef "nicht mehr ganz richtig im Kopf" ist und den Verdacht muss man spaetestens seit den von erdogan behaupteten Moscheensichtungen durch Cristoph Kolumbus tatsaechlich haben. |
Lebensnebel hat folgendes geschrieben: | ||||||||||
Ich vermute mal, dass Du falsch vermutest. Erdogan sitzt fester im Sattel als zuvor. Wer sollte denn ein Impeachment-Verfahren anstrengen? Dem Betreffenden würde das nicht gut bekommen. |
Lebensnebel hat folgendes geschrieben: | ||||||||||
Ich vermute mal, dass Du falsch vermutest. Erdogan sitzt fester im Sattel als zuvor. Wer sollte denn ein Impeachment-Verfahren anstrengen? Dem Betreffenden würde das nicht gut bekommen. |
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | ||
Um Erdogan noch überzeugen, ist so etwas wie ein türkischer ***** ***** erforderlich. Allerdings einer mit mehr Glück als dieser. |
Forumsregeln hat folgendes geschrieben: |
2.3 Verbotenes Verhalten Das Einstellen von Inhalten, die nach geltendem Recht ungesetzlich sind, einen Rechtsbruch beinhalten oder dazu zu einem Rechtsbruch auffordern, ist selbstverständlich verboten. ... |
beachbernie hat folgendes geschrieben: |
Es gibt inzwischen zu viele Leute, die ein Interesse daran haben muessen Erdogan loszuwerden und die werden hoffentlich einen halbwegs ungefaehrlichen Weg finden.
Wer kann umgekehrt noch ein Interesse daran haben Erdogan zu behalten? Ausser ein paar tuerkischen politischen Domestiken fallen mir da nicht mehr viele ein. |
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