Der unbekannte Gott apolitischer Atheist
Anmeldungsdatum: 24.07.2003 Beiträge: 1595
Wohnort: Das alte Europa
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(#16619) Verfasst am: 24.08.2003, 17:18 Titel: |
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Der unbekannte Gott (Dionysos)
Der Glockenschlag der Ewigkeit
Vierter Akt
Erste Szene
(Prometheus zur Rechten an seinem Felsen, Persephone bei ihm. Zur Linken nun das Orakel. Die Seherin, mit Augenbinde und in weißem Gewande, sitzt über einer grün rauchenden Öffnung, von drei Säulen umgeben.)
Das Orakel:
Was Zukunft war und ist geworden zum Vergang’nen,
Sah mein wissend Auge Tag für Tag,
Ich sagte, was sie sehen konnten, den Befang’nen,
Stets des Schicksals Wissen ich ertrag.
Nun sehe ich das Ende nahen bald,
Doch schrecket es mich sehr,
Da sich nur bleiche Dunkelheit, so kalt
Mir bietet, wehmutschwer.
Ein Ende ist es, hinter dem ich nichts erblicken kann:
Was ist es nur, das so über uns sich beuget?
Wird es das Ende aller Tage sein? Doch was kommt dann?
Oder wird uns eine neue Welt gezeuget,
In welche ich nicht sehe mehr?
Ich spüre, daß die stillste Stunde naht,
Wo ich versink’ im weiten Meer
Der weißen Ewigkeit, die zu uns trat…
Dunst erhebt sich über meinem Blicke,
Und ein grauer Schleier mir verwehrt,
Was noch einst Euch bringet das Geschicke,
Ob es schmeichelt oder Euch versehrt.
Persephone:
Welches Rätsel gabst Du auf,
Da wir hier um Rat Dich frugen!
Das Orakel:
Es ist Euch des Schicksals Lauf
Nicht gleich denen, die ertrugen,
Daß die Wahrheit ich verschlüsselt gab:
Denn Eure Zukunft ist mir düster.
Nur so Nahes ich für Euch noch hab’:
Und es ist dieses umso wüster!
Zuletzt gebunden ganz allein es naht die Dunkelheit,
Geflohen, arge Furcht umschließt das Herz,
Da allzu Nahes trieb vom einen nur zum andern Leid.
Was band, versagte, da er kam, der Schmerz,
Den die Hoffnung und das Mitleid brachten.
In tiefsten Trümmern sahet Ihr die Quellen,
Hörtet Ihr die Mörder, wie sie lachten,
Spürtet Krankheit zum Tode sich gesellen.
Ein armes Herze ließ allein, was wert ihm war,
In beider Einverständnis, sie zu retten.
Ein Auge schweifte drüber, voll von Sehnsucht gar.
Wenn die Leiden doch ein Ende hätten!
Dies ist mein Spruch: Da Finsternis am Horizont,
Des Lebens Fülle sich ergießt im Jetzt,
Nahmet es auf Euch, tatet, was Ihr je gekonnt,
Vom Absurden so unendlich tief verletzt.
Prometheus:
Was redest Du zu uns, große Schicksalsstimme?
Persephone:
Wie zu handeln? Wir versteh’n es nicht!
Orakel:
Daß das Feuer Eurer Kräfte nicht verglimme,
Gab ich Euch zu offen mein Gesicht.
Doch genug! Die Menschen wälzen sich herauf:
Sie spüren, daß uns etwas naht, was unbegreiflich ist.
Nur eines noch: Du mußt gehen ander’n Lauf,
Dich entfernen vom Geliebten, da nur mit großer List
Du kannst erneut entkommen eherner Macht,
Die einst Dich nahm, der Du nun entflohst,
Daß nicht wieder sie in Unterweltennacht
Dich stürzt, wo Du findest keinen Trost.
Persephone:
Er kehrt zurück, der Gott der Unterwelt?
Hades Pluton, mit finst’rem Blick voll Eis?
Du siehst, Geliebter, uns nun ist bestellt
Das Los, daß ich Dich bald verlassen weiß.
Prometheus:
Ich Dich ebenso, doch bleibt uns keine and’re Wahl.
Du mußt gehen nun. Ich begleite Dich im Inner’n.
Persephone:
Der grausame Gott, der meine Jugend schon mir stahl,
Muß mich auch hierher noch verfolgen, mich erinnern
An die Qualen, die ich verlebt in seinem Reiche.
Und will mich wieder nun dahin entführen!
Doch sei sicher nur, daß von Dir ich niemals weiche!
Prometheus:
Ich werde Deiner Sehnsucht Flamme schüren.
(Der Chor der Menschen drängt sich herauf zum Orakel.)
Der Chor der Menschen:
Uns beweget ein Gefühl zu Dir, der Weisheit,
Das umfängt die Welt der Menschen ganz und gar:
Wir glauben, daß der Tod nun findet seine Zeit
Und kommt zur Erden, die einst so friedlich war.
Das Orakel:
Zwei Mächte tosen nun durch Eure Welt,
Zu nehmen all das Leben, streitend um die Zahl,
Ganz, wie es ihnen rasend so gefällt.
Da ist niemand, der ihnen ihre Macht je stahl!
Der Chorführer der Menschen:
Was zu tun, daß möglichst überleben wir?
So ängstlich dränget sich die Herde!
Das Orakel:
Nicht entrinnen könnet Ihr des Todes Zier,
Wenn blutig segnet er die Erde!
(Persephone geht hinüber und mischt sich unter die Menschen.)
Chor:
Was ist der ganze Sinn? Wie kann dies sein?
Das Orakel:
Es ist doch anders nichts, denn immer schon nahm er die Toten.
Chor:
Wir fühlen alle uns so winzig klein!
Chorführer:
Gib uns Rat! So hilf uns schnell! Welche Mittel sind geboten?
Das Orakel:
Wenn Schicksal sich ergießt auf alles, was da ist,
So nichts dem ew’gen Tode kann entgegensteh’n!
Chorführer:
Bist Du im Bunde, daß auch Du so grausam bist?
Das Orakel:
Was soll ich tun? Ich kann Euch nicht unsterblich seh’n!
(Ein lautes Tosen, wie Meeresbrandung, ertönt. Die Menschen, Persephone unter ihnen, flüchten verängstigt. Hades und Hel treten auf. Hades, finster blickend, ist schwarz gekleidet, trägt ein schwarzes Band um sein Haupt. Hel, grimmig und furchtgebietend, tritt ebenfalls in schwarzem Gewande auf.)
Hades:
Aus der Unterwelt ich stieg,
Um auf Erden mir zu holen großen Menschenraub.
Ich entfachte hier den Krieg,
Da Persephone mir floh wie nun die Menschentraub’.
Ich will sie finden, Rache nehmen hier!
Mit Blut die Welt nur tränken!
Hel:
Was blickest Du im Mordesrausch so stier?
Du solltest auch gedenken
Daß nicht Du allein willst haben diese Seelen!
Aus Niflheim ich wanderte zur Erde
Um zu nehmen Lebensgeist und arg zu quälen
Dies Geschlecht, daß mein blutig Reich hier werde!
Das Orakel:
Da sich all breiten des Verfalles Schwingen
Ihr kamt zur Welt, Regentschaft anzutreten!
Doch wird dies Unterfangen Euch gelingen
Da immer schon die Menschen dieses säten?
Hades:
Mein Zorn und meine Kraft nicht kennen Grenzen!
Ewig hier zu richten ist die Zeit gekommen.
So werde ich mich selbst mit Blut umkränzen,
Wenn den kleinen Menschen ist die Kraft genommen!
Hel:
Nun, so laß im Wettstreit uns durchstreifen
Diese Welt, da so Gleiches wir doch wollen!
Ließen wir die Menschheit lang schon reifen,
Es ist die Zeit, Tribute uns zu zollen!
Hades:
Ja, diesem Vorschlag folge ich zu gerne,
Einst wirst Du schon sehen meinen Sieg!
Hel:
So laß uns nicht mehr aus der hohen Ferne,
Sondern drunten führen unsern Krieg!
(Sie gehen mit dem gleichen Tosen ab, welches ihre Ankunft begleitete.)
Das Orakel:
Welche Macht ist dies! Oh Mensch! Gib Acht!
Sie kommen, Dich zu holen in ihr Reich!
Um Dich wird’s nun tiefste Mitternacht!
Es ist das Schicksal bittern Tränen gleich!
_________________ "Unwissenden scheint, wer Weises sagt, nicht klug zu sein." (Euripides)
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