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Forscher widerlegen Willensfreiheit
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Peter H.
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Anmeldungsdatum: 24.06.2007
Beiträge: 9751

Beitrag(#997539) Verfasst am: 09.05.2008, 12:00    Titel: Antworten mit Zitat

Bei bloßer Determiniertheit würde sich sehr wenig Neues einstellen, der Kreativität wären enge Grenzen gesetzt. Im Großen und Ganzen wäre dann alles ein ewiger Kreislauf, eine ständige Wiederholung.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#997549) Verfasst am: 09.05.2008, 12:26    Titel: Antworten mit Zitat

Peter H. hat folgendes geschrieben:
Bei bloßer Determiniertheit würde sich sehr wenig Neues einstellen, der Kreativität wären enge Grenzen gesetzt. Im Großen und Ganzen wäre dann alles ein ewiger Kreislauf, eine ständige Wiederholung.

Nein, wieso? Die infragestehenden Systeme erlauben die Emergenz sehr komplexer Phänomene wie etwa die Enstehung von Galaxien und einer Erde mit Wetter aus vielen einfachen Kräften und Elementarteilchen. Warum soll nicht auch Bewußtsein und Kreativität entstehen?

Ich kann Dir nicht sagen, wie das genau geht, denn so weit ist die Forschung noch nicht. Sicher ist nur, daß es im wesentlichen determiniert abläuft.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Agnost
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Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#997553) Verfasst am: 09.05.2008, 12:36    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Peter H. hat folgendes geschrieben:
Bei bloßer Determiniertheit würde sich sehr wenig Neues einstellen, der Kreativität wären enge Grenzen gesetzt. Im Großen und Ganzen wäre dann alles ein ewiger Kreislauf, eine ständige Wiederholung.

Nein, wieso? Die infragestehenden Systeme erlauben die Emergenz sehr komplexer Phänomene wie etwa die Enstehung von Galaxien und einer Erde mit Wetter aus vielen einfachen Kräften und Elementarteilchen. Warum soll nicht auch Bewußtsein und Kreativität entstehen?

Ich kann Dir nicht sagen, wie das genau geht, denn so weit ist die Forschung noch nicht. Sicher ist nur, daß es im wesentlichen determiniert abläuft.


Aber so könnte auch "bedingt Freier Willen" entstehen.

Das unser Denken und unsere Exitenz weitgehend determiniert sins zweifelt kaum ein denker User in diesem Forum an.

Nur dass wir "totat" determiniert sind, dagegen streubt sich unser "empirisches" Wissen, und ich denke auch empirisch begründet.

Agnost

A
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Achiever
immun



Anmeldungsdatum: 31.05.2006
Beiträge: 95

Beitrag(#997554) Verfasst am: 09.05.2008, 12:36    Titel: Antworten mit Zitat

Peter H. hat folgendes geschrieben:
Bei bloßer Determiniertheit würde sich sehr wenig Neues einstellen, der Kreativität wären enge Grenzen gesetzt. Im Großen und Ganzen wäre dann alles ein ewiger Kreislauf, eine ständige Wiederholung.


Auch die Evolution ist determiniert. Dennoch dreht sie sich nicht im Kreis!

Nach diesem (Evolutions-)Muster könnten neue "kreative" Gedanken und Ideen (einschl. zahlreicher Varianten davon) entstehen, ohne dass ein "Freier Wille" oder sonst ein "intelligenter" Entscheider dafür notwendig wäre. Ich kann mir kein Wesen vorstellen, weder Mensch noch "Gott", welches dazu fähig wäre etwas völlig Neues zu erschaffen/kreieren ohne dabei ausschliesslich auf das bereits Vorhandene zurückzugreifen.

Kreativität wird überbewertet.
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Agnost
dauerhaft gesperrt



Anmeldungsdatum: 12.11.2006
Beiträge: 5618

Beitrag(#997555) Verfasst am: 09.05.2008, 12:38    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Wir sind mal wieder am Tiepfunkt der Diskussion angekommen. Können wir dann mal wieder 3, 4 Monate Pause machen, ehe es wieder von vorn losgeht?


Das geht nur, wenn es denn "bedingt Freien Willen" gibt.

Agnost
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#997557) Verfasst am: 09.05.2008, 12:45    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Aber so könnte auch "bedingt Freier Willen" entstehen.

Nur unfreier (determinierter) Freier Wille. Manche Kompatibilisten sind sich dessen bewußt und nennen den unfreien FreienWillen "bedingt Freier Wille", damit es besser klingt. Andere verstehen unter "bedingt FW" dagegen einen Willen, der zumindest in einigen wenigen Situation echt frei ist. Diese Sorte bFW ist aber unphysikalisch.

Agnost hat folgendes geschrieben:
Das unser Denken und unsere Exitenz weitgehend determiniert sins zweifelt kaum ein denker User in diesem Forum an. Nur dass wir "totat" determiniert sind, dagegen streubt sich unser "empirisches" Wissen, und ich denke auch empirisch begründet.

Dagegen sträubt sich nicht unser empirisches Wissen, sondern unsere Intuition. Ähnlich schwer ist es auch, die Leute zu überzeugen, daß die Zeit nicht "fließt" oder daß die Wahrscheinlichkeit beim Ziegenproblem 2/3 ist.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#997559) Verfasst am: 09.05.2008, 12:46    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Wir sind mal wieder am Tiepfunkt der Diskussion angekommen. Können wir dann mal wieder 3, 4 Monate Pause machen, ehe es wieder von vorn losgeht?
Das geht nur, wenn es denn "bedingt Freien Willen" gibt.

Falsch! Es geht auch, wenn der Ablauf so determiniert ist.
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Johnnyboy
Stück Scheiße



Anmeldungsdatum: 26.06.2005
Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon

Beitrag(#997563) Verfasst am: 09.05.2008, 13:01    Titel: Antworten mit Zitat

@ Skeptiker:

Zitat:
Ich kenne Sätze von Augustinus aus einigen Vorlesungen in 2 Semestern Philosophie. Kann mich daran aber nicht mehr erinnern und habe deshalb noch mal einiges quer gelesen.

Die Fähigkeit des schnellen und verständigen Quer-Lesen-Könnens ist eine wichtige Fähigkeit in der heutigen schweren Zeit der Informations-Überflutungs-Wellenfunktionen.


Noch wichtiger ist die Fähigkeit des langsamen und genauen Lesens, wenn man sich zu einem Thema äußern möchte.

Zitat:
Aus einem blinden Indeterminismus folgt noch nicht besonders viel.


Korrekt.

Zitat:
Meiner Ansicht nach steht die Annahme eines Schicksals, einer Prädestination und/oder eines Determinismus immer am Anfang.

Dann gab es im Laufe der menschlichen Geschichte verschiedene Begründungsversuche der Vorsehung:

- die religiöse mit Göttern, Geistern, Teufeln, Engeln und Dämonen.
- die biologistische/sozialdarwinistische
- die neurobiologischen Empirien, unterfüttert vom radikalen Konstruktivismus
- nun die physikalistisch-reduktionistische Theorie, die sich an die Quantenmechanik hängt und den Menschen für einen Schachcomputer hält.

Hinreichend oder auch nur wissenschaftlich ist dies alles nicht.


Ja. Nur scheinst du zu übersehen, dass alles was nach deinem fetten "dann" folgt, nicht zwingend mit dem in Verbindung steht, was davor steht...

Zitat:
Gemeinsam ist aber all diesen philosophischen Versuchen, eine über allem stehende absolute Notwendigkeit zu deklarieren.


Aus obigen Grunde vollkommen irrelevant.

Zitat:
Wenn man Luther oder den Faschisten Nicolai nimmt, ist Deine Aussage geradezu krachend wiederlegt.


Nochmal: Wo begründet der Herr Luther oder der Faschist Nicolai (der übrigens eine vollkommen falsche Vorstellung von dem Einfluss der Gene auf den Menschen hat...) an sich logisch ausgehend von dem Determinismus eine "oberste Notwendigkeit" ohne dabei einen naturalistischen Fehlschluss zu begehen? Begriffe in einem Satz nennen kann jeder, aber einen wircklich stringenten Zusammenhang aufzuzeigen, ist wieder etwas ganz anderes. Ich kann auch die "Menschenwürde" mit der "Gottesebenbildschaft" "begründen", nur halt eben nicht wircklich logisch...

Zitat:
Also nimm endlich mal die Realität zu Kenntnis.


Mir scheint, dass ich sie nicht nur zur Kenntis nehme, sondern auch versuche sie differenziert zu betrachten.

Zitat:
Etwas qualitativ völlig anderes ist dagegen das dialektische Verständnis einer Bedingtheit des Bewusstseins nicht einfach nur durch die Physiologie, sondern auch durch langfristige Lebens- und Entwicklungsbedingungen von Menschen, von Individuen.


Da gebe ich dir prinzipiell recht, auch wenn ich der Ansicht bin, dass der Mensch sich natürlich nur von seiner Physiologie ausgehend entwickeln kann (Fliegen wirst du nicht lernen z.b...). Nur steht diese Annahme noch nicht einmal im Widerspruch zur Annahme des Determinismuses.

Zitat:
Ich finde, nicht nur Roth & co. sind mit ihren Experimenten am philosohischen Wunschziel gescheitert. Der ganze Sachverhalt ist zu komplex und wichtig, um ihn solchen Schmalspurtheoretikern zu überlassen.


Schonmal auf die Idee gekommen, dass Roth und Co. unter "Willensfreiheit" das Gleiche verstehen, wie du unter dem "religiösen und idealistischen freien Willen"?
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"Das Leben des Starken erfüllt seinen Sinn, das des Schwachen seinen Zweck".
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#997568) Verfasst am: 09.05.2008, 13:15    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Agnost hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Wir sind mal wieder am Tiepfunkt der Diskussion angekommen. Können wir dann mal wieder 3, 4 Monate Pause machen, ehe es wieder von vorn losgeht?
Das geht nur, wenn es denn "bedingt Freien Willen" gibt.

Falsch! Es geht auch, wenn der Ablauf so determiniert ist.


Mooment!
Können wir nach Deiner Auffassung jetzt entscheiden, ob wir eine Pause einlegen oder nicht?
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Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Johnnyboy
Stück Scheiße



Anmeldungsdatum: 26.06.2005
Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon

Beitrag(#997572) Verfasst am: 09.05.2008, 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Können wir nach Deiner Auffassung jetzt entscheiden, ob wir eine Pause einlegen oder nicht?



Das ist doch so schwer nicht: Du bist dir der Alternativen bewusst. Entscheiden tust du dich nur für eine, der Prozess, der dahintersteck, mag er nun länger oder kürzer sein, ist durchaus nicht "frei" und wenn doch, würde ich mir Sorgen um deine Zurechnungsfähigkeit machen, in dem Sinne nämlich, dass deine Entscheidungen rein zufällig geschehen...

Bzw. "Unfrei" fühlen würdest du dich dann wenn dir jemand die Entscheidung die du im Endeffekt triffst verwehrt, oder eventuell auch dann, wenn von vornerein nur eine Option für dich offen steht, sogar vllt auch dann, wenn es die wäre die du im Endeffekt nehmen würdest, weil man dir gar nicht erst das Recht zugesteht, dir darüber Gedanken zu machen. Man weiss ja durchaus nicht, wohin einen ein Denkprozess, wenn er ersteinmal anfängt, auch trägt.

Das alles setzt in keinster Weise einen Indeterminimus voraus.
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"Das Leben des Starken erfüllt seinen Sinn, das des Schwachen seinen Zweck".
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#997574) Verfasst am: 09.05.2008, 13:28    Titel: Antworten mit Zitat

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Können wir nach Deiner Auffassung jetzt entscheiden, ob wir eine Pause einlegen oder nicht?



Das ist doch so schwer nicht: Du bist dir der Alternativen bewusst. Entscheiden tust du dich nur für eine, der Prozess, der dahintersteck, mag er nun länger oder kürzer sein, ist durchaus nicht "frei" und wenn doch, würde ich mir Sorgen um deine Zurechnungsfähigkeit machen, in dem Sinne nämlich, dass deine Entscheidungen rein zufällig geschehen...

Bzw. "Unfrei" fühlen würdest du dich dann wenn dir jemand die Entscheidung die du im Endeffekt triffst verwehrt, oder eventuell auch dann, wenn von vornerein nur eine Option für dich offen steht, sogar vllt auch dann, wenn es die wäre die du im Endeffekt nehmen würdest, weil man dir gar nicht erst das Recht zugesteht, dir darüber Gedanken zu machen. Man weiss ja durchaus nicht, wohin einen ein Denkprozess, wenn er ersteinmal anfängt, auch trägt.

Das alles setzt in keinster Weise einen Indeterminimus voraus.


Können wir uns jetzt entscheiden ob wir eine Pause einlegen oder nicht?

Lebensweltlich:
[x] Ja (allgemeiner Konsens - behaupte ich mal)
[ ] Nein

Objektiv:
[ ] Ja
[ ] Nein
?

Was ist Deine Auffassung?
_________________
Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Johnnyboy
Stück Scheiße



Anmeldungsdatum: 26.06.2005
Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon

Beitrag(#997576) Verfasst am: 09.05.2008, 13:34    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Können wir uns jetzt entscheiden ob wir eine Pause einlegen oder nicht?

Lebensweltlich:
[x] Ja (allgemeiner Konsens - behaupte ich mal)
[ ] Nein

Objektiv:
[ ] Ja
[ ] Nein
?

Was ist Deine Auffassung?


Ich denke meine Auffassung wird im obigen Beitrag klar genug. Der Punkt ist nämlich, dass ich Schwierigkeiten habe, zu verstehen was du konkret unter "wir" versehst. Selbstverständlich entscheidet unser "Selbst", der Punkt ist nur, dass "wir" unser Selbst ja nicht selbst ausgesucht haben...dementsprechend würde ich zu objektiv "Nein" tendieren, allerdings halte ich diese Annahme gar nicht für schrecklich, sondern eher für banal, denn was bedeutet schon "objektiv"...
Ich glaube nämlich, dass "Entscheidung" nur ein Wort ist, das wir für etwas verwenden, das am Ende eines Prozesses steht. Deswegen verstehe ich auch gar nicht, was genau du dir unter einer "objektiven" Entscheidung genau vorstellen würdest.
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#997583) Verfasst am: 09.05.2008, 13:45    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Willensfreiheit bedeutet für mich, wie schon gesagt, die Fähigkeit des (normalen erwachsenen) Menschen, die eigenen Handlungen und die anderer zu reflektieren und darauf basierend sich auch über die eventuell gegebenen primären Triebe hinwegzusetzen. Um das zu können, ist ein gewisser Determinismus sogar unabdingbar, zum Beispiel in einer ausschließlich zufälligen Welt wäre diese Fähigkeit prinzipiell nicht möglich. Daher sehe ich immer noch keinen Gegensatz zwischen dieser Freiheit und einer ausschließlich naturgesetzlichen Welt. Für diese Fähigkeit ist natürlich die Simulation von eventuellen Verläufen bei bestimmten eventuellen Handlungen notwendig.

Das sehe ich ebenso, außer daß ich darin keinerlei "Freiheit" sehe, sondern den von Dir beschriebenen Prozeß als "Willensbildung", "präferenzbasiertes Handeln" oder ähnlich bezeichnen würde. In der Tat liegt kein Widerspruch zwischen dem von Dir beschriebenen Prozeß und der Determiniertheit, da Du ja im Gegensatz zu einigen anderen FW-Vertretern hier keine echten Möglichkeiten behauptest. Für mich kommt ein gewisser Widerspruch in Deiner Haltung erst durch die Benutzung des Wortes "frei" zustande.

Hm, das wundert mich, dass Du hier einfach so zustimmst. Denn die Behauptungen der Hirnforscher gehen normalerweise weiter, sie behaupten nämlich, man habe keine bewusste Kontrolle über seine Handlungen (was natürlich Unsinn ist). Siehe auch mein Zitat von oben.

Und ja: wir haben offensichtlich einen Dissens darüber, was wir als "frei" ansehen. Dieser Dissens kann aber ganz einfach gelöst werden, indem wir zwei Begriffe dafür verwenden: frei(step) und frei(AP).

step hat folgendes geschrieben:
Beide Fälle sind zunächst gleich zu bewerten in bezug auf ihre Determiniertheit. Sie unterscheiden sich dadurch, daß ein Mensch ein soziales Wesen ist: Sein Entscheidungsprozeß ist komplexer als der des Sacks, er besitzt eine weitere Schnittstelle zu dessen Beeinflussung (Erziehung, Kommunikation, Moral, ...), und daher weisen wir ihm Verantwortung zu: Wir erwarten normgerechtes Verhalten von ihm (wir erwarten auch vom Reissack, daß er stehenbleibt), und zusätzlich wissen wir, daß seine Bewertungsinstanz zu einer gewissen Simulation und Abwägung fähig ist, und wir erwarten, daß dies determiniert in unserem Sinne geschieht. Aus kulturellen bzw. psychologistischen Gründen überladen wir diesen Zusammenhang dann noch, indem wir Verantwortung, Schuld usw. wie Eigenschaften des Menschen deuten.

Hm, diese "Überladung" scheint ein ganz wesentlicher und abzulehnender Punkt für Dich zu sein, mir ist jedoch nicht klar, wieso.

Erwachsene Menschen sind mAn (normalerweise) dazu in der Lage, ihre Handlungen zu überdenken und zu steuern und daher ist mE gegen unsere heutigen Kategorien von Verantwortung und Schuld nichts (grundsätzlich) einzuwenden. Wäre dem nicht so, könnten also zum Beispiel Handlungen gar nicht bewusst gesteuert werden, dann wären diese Kategorien grundsätzlich falsch. Und darum dreht sich mE letztlich diese Diskussion.

Ob man das nun "frei" nennt oder nicht, spielt dabei jedoch überhaupt keine Rolle, es kommt nicht auf die Bezeichnung an.

step hat folgendes geschrieben:
Deine Position hat ja immerhin den Vorteil, daß sie nicht gleich physikalisch widerlegbar ist, denn sie beschreibt (anders als die meisten FW-Vertreter hier) im Prinzip gar keine Friheit, sondern "nur" einen Bewertungsvorgang und daraus resultierenden Handlungsimpuls, also etwas komplett Kausales. Wir streiten uns also nur um das Wort "frei", und dann vielleicht über praktische Ethik wie in der Strafrechtsdiskussion.

Wir sollten uns aber nicht über Worte streiten, das bringt nichts.

Wir sollten uns lieber über Argumente unterhalten. Unbestritten scheint für viele hier das Argument "Determinismus und Freiheit sind unvereinbar" intuitiv richtig zu sein (zum Beispiel für Agnost und Peter H.). Tatsächlich ist das mE aber kein gutes Argument ("intuition pump"). Wir müssten uns zumindest mal über die eigentlichen Argumente für den Inkompatibilismus unterhalten, z.B. über das "Kausalketten-Argument" und das "Konsequenz-Argument" (siehe ebenfalls dort).

Genau genommen basieren beide Argumente auf der Feststellung, dass es nicht möglich ist, sich selber neu zu erschaffen (was notwendig für "frei(step)" wäre), was von mir absolut unbestritten ist.

Nur will ich nicht so recht einsehen, wieso das Auswirkungen auf unsere Kategorien "Verantwortung" und "Schuld" haben sollte.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Oder rationales Verhalten: Ist es besonders "frei" oder besonders berechenbar? Oder beides?

In meinem Standpunkt ist ein Verhalten dann (graduell) frei, wenn es nicht (je weniger, desto freier) durch äußere oder innere Zwänge determiniert wurde.

Und wie ist das nun bei rationalem Verhalten? Also z.B. jemand betrachtet "kühl" verschiedene Varianten und entscheidet sich dann für die nachvollziehbar günstigste? Ist es ein (innerner, äußerer) Zwang, daß die günstigste Vaiante berechenbar ist?

Nein, natürlich nicht, wieso sollte es Zwang sein?


Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 09.05.2008, 13:47, insgesamt einmal bearbeitet
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
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Beitrag(#997584) Verfasst am: 09.05.2008, 13:45    Titel: Antworten mit Zitat

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
[...]allerdings halte ich diese Annahme gar nicht für schrecklich[...]


Da stimmen wir überein, solange wir im Elfenbeinturm bleiben und nicht der Fehler begangen wird, daß aus der spekulativen metaphysischen Unfreiheit die Sinnlosigkeit des lebensweltlichen, politischen, gesellschaftlichen Freiheitsbegriffs abgeleitet wird. Solange nicht behauptet wird, das Dürfen wird überflüssig, da es kein Können gibt.
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Johnnyboy
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Anmeldungsdatum: 26.06.2005
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Beitrag(#997587) Verfasst am: 09.05.2008, 13:50    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin überzeugt, dass es keine halbwegs logische Argumentationskette gibt, die einen "lebensweltlichen" Freiheitsbegriff, irgendwie "nichtig" machen würde. Also ich will niemanden sehen, der mir verbietet das zu tun, was ich will.
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zelig
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Beitrag(#997589) Verfasst am: 09.05.2008, 13:56    Titel: Antworten mit Zitat

Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Ich bin überzeugt, dass es keine halbwegs logische Argumentationskette gibt, die einen "lebensweltlichen" Freiheitsbegriff, irgendwie "nichtig" machen würde. [...]

Doch, das gibt es meiner Einschätzung nach leider.
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Johnnyboy
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Beitrag(#997590) Verfasst am: 09.05.2008, 13:59    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Ich bin überzeugt, dass es keine halbwegs logische Argumentationskette gibt, die einen "lebensweltlichen" Freiheitsbegriff, irgendwie "nichtig" machen würde. [...]

Doch, das gibt es meiner Einschätzung nach leider.


Dann ist deine Einschätzung halt falsch. Damit kann ich leben. Mr. Green
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Beitrag(#997595) Verfasst am: 09.05.2008, 14:07    Titel: Antworten mit Zitat

Agnost hat folgendes geschrieben:
Step wir können vor der roten Ampel stehen bleiben oder nicht.

Diese Handlungsalternativen sind da.

Wir können auch zuerst warten und dann doch rübergehen.


Was ein Outing. Du fängst die ganze Diskussion noch einmal bei NULL an. Du hast offenbar NICHTS begriffen.
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Anmeldungsdatum: 22.12.2006
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Beitrag(#997622) Verfasst am: 09.05.2008, 15:10    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
(...)
Genau genommen basieren beide Argumente auf der Feststellung, dass es nicht möglich ist, sich selber neu zu erschaffen (was notwendig für "frei(step)" wäre), was von mir absolut unbestritten ist.
(...)


http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?id=3034277&prov=M&dok_var=1&dok_ext=htm hat folgendes geschrieben:
Die bewussten und unbewussten Erinnerungen an sie waren ausschlaggebend für seine mit dem Nobelpreis gekrönten Forschungen über die Eigenschaften und Leistungen des Gedächtnisses an der Schnittstelle zwischen Medizin und Biologie. Ausgehend von Untersuchungen an Meeresschnecken konnte er Zusammenhänge zwischen Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis nachweisen und entdeckte, dass mit der Bildung des Langzeitgedächtnisses immer auch eine anatomische Veränderung einhergeht – eine Erkenntnis, die unter anderem Anlass zur Hoffnung auf ein Medikament gegen Altersvergesslichkeit oder Alzheimer gibt.


aktives und bewußtes lernen läßt da aber anderes vermuten.
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PataPata
Agnostiker und Pataphysiker



Anmeldungsdatum: 05.11.2007
Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana

Beitrag(#997625) Verfasst am: 09.05.2008, 15:21    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe Peter Bieris "Das Handwerk der Freiheit" zu lesen begonnen. Das reine intellektuelle Vergnügen! Man merkt sofort, dass Bieri nicht ein simpler Naturwissenschaftler ist, der die Welt durch die Reduktionsbrille anschaut (ich hätte einige Müsterchen über solche zu erzählen - ihre Selbstsicherheit ist oft umgekehrt proportional zu ihrer Kompetenz).

Schon im Prolog beschreibt er das eigentliche fundamentale Dilemma, in welches wir uns begeben, wenn wir über die Freiheit des Willens nachdenken - ein Dilemma, welches die Debatte hier zwar widerspiegelt, aber so nie wirklich klargestellt wurde. Dabei wäre das wohl die Grundlage jeder einigermassen vernünftigen Diskussion.

Ich versuche das hier kurz einmal darzustellen, ohne den ganzen 11-seitigen Prolog abzutippen.

Bieri beginnt darzulegen, dass wir die Welt als verständlich ansehen, d.h. wir streben dazu zu wissen, warum etwas geschieht. (Meine Interpretation: Dies hat sicher auch einen praktischen Sinn, da im Verstehen der Welt sicher ein Überlebensvorteil steckt. Wenn man ein Phänomen versteht, dann kann man voraussehen, wie es sich verhalten wird und man kann es zu seinem Vorteil beeinflussen.) Daher sehen wir ein, dass alles gesetzmässig miteinander verknüpft ist, nur dann meinen wir, es zu verstehen. Und nur so können wir planvoll handeln. Wir postulieren daher einen strengen Zusammenhang zwischen Bedingung, Gesetzmässigkeit und Verstehen - wenn einer dieser Begriffe fehlen würde, gingen uns auch die anderen beiden verloren.

Diese Überlegung führt dazu, dass wir erkennen, dass die Vergangenheit in einer verständlichen Welt eine einzige, eindeutig bestimmte Zukunft festlegt. Das für diese Idee geprägte Wort "Determinismus" will Bieri meiden, da es gedanklich nichts Neues beitrage und es wegen seines "stählernen Klanges eine Aura von unheilvollen Assoziationen, die nur stören" habe (S. 16/17).

Diese Überlegungen haben den Charakter des Selbstverständlichen, meint Bieri, weil sie nur "die Welt draussen" betreffe. Sobald man sich aber auch als Teil der Welt betrachte, dann würden die Probleme beginnen. Er skizziert den Inhalt von Dostojewskis Roman "Verbrechen und Strafe" (war früher einmal "Schuld und Sühne", tönte für mich eigentlich faszinierenderweise unheilvoller...), um Gesetzmässigkeiten und mögliche Freiheiten im menschlichen Verhalten zu illustrieren. Dabei ist es möglich, alles unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmässigkeit zu interpretieren: "Unser Leben ist eine Linie auf der Oberfläche der Erde, die zu beschreiben uns die Natur befielt und von der wir keinen Augenblick abzuweichen vermögen" zitiert er Baron d'Holbach (S.19).

Dann begibt er sich auf die andere Seite: "Die Perspektive von innen, in der wir nicht der Vergangenheit, sondern der Gegenwart und Zukunft zugewandt sind. Da sehen die Dinge ganz anders aus. Da ist uns keine Linie vorgezeichnet. Ganz im Gegenteil, es macht unsere Freiheit aus, dass wir in ganz unterschiedliche Richtungen gehen können. Die Linie unseres Handelns hat eine Vielfalt möglicher Verzweigungen. Wir können überlegen, bevor wir etwas tun, und in diesem Überlegen zeigt sich ein Spielraum verschiedener Möglichkeiten, zwischen denen wir wählen können." ... "Wenn schon zum voraus feststünde, was ich tun werde: Was hätte es dann für einen Sinn, darüber nachzudenken, was ich tun will? Es ist aus dieser Perspektive unmöglich, mir vorzustellen, ich hätte keine Wahl. Das verstiesse gegen die Logik der Innenperspektive und widerspräche meiner manifesten, unbezweifelbaren Erfahrung der Freiheit. Zu dieser Erfahrung nämlich gehört, dass ich der Urheber meines Tuns bin und nicht ein Wesen, das als blosser Spielball des Weltgeschehens eine zuvor gezogene Weltlinie entlanggeführt wird."(S. 19/20).

Das gelte auch, wenn aus dieser Perspektive auf die eigene Vergangenheit zurückgeblickt werde. In jedem Moment hatte ich die Wahl und die Freiheit der Entscheidung. Dasselbe gelte auch für Raskolnikov aus "Verbrechen und Strafe". Auch er hätte sich an jedem Moment anders entscheiden können und war Urheber seines Tuns. Bieri geht dann kurz auf die Idee der Verantwortung ein und unsere unterschiedliche Sicht und Beurteilung auf einen Raskolnikov, der einerseits streng nach Gesetzmässigkeiten oder anderseits nach freiem Willen gehandelt haben könnte.

Dann stellt er diese beiden Gesichtspunkte einander nebeneinander. Dabei macht er nicht den Fehler, sich sein Leben zu vereinfachen, und die eine oder andere Position als die richtige darzustellen (wie gewisse Leute dies hier tun). Nein, er zeigt knallhart, in welchem fundamentalen Kontrast diese Sichtweisen einander widersprechen und doch beide "richtig" sind. "Beide Gedankengänge besitzen ihre eigene Schlüssigkeit, und keinem haftet die Willkürlichkeit eines blossen Gedankenspieles an. Weder die Idee einer verständlichen Welt noch die Idee des freien, verantwortlichen Tuns sind Ideen, die wir einfach aufgeben können - nicht einmal, wenn wir gedanklich unter Druck geraten. Das ist nicht deshalb so, weil wir sie beide sehr mögen. Es ist ernster: Obwohl sie sich widersprechen, brauchen wir beide, um uns und unsere Stellung in der Welt zu artikulieren."(S. 22)

Dann versucht er sie gegeneinander auszuspielen. Behauptet man, dass man in seinem Tun frei sei, dann impliziert man, dass es keine Bedingungen gibt, die unsere Handlungen festlegen. Daraus folgt, dass wir keinen Motiven folgen und daher unser Handeln vollständig zufällig ist (das hat step auch einmal im Zusammenhang mit der Annahme eines "Quantenhirns" gesagt). Solche Taten sind absolut unverständlich. Umgekehrt, wenn all unser Handeln aus Bedingungen entspringt, dann kann man nicht mehr von Willen sprechen. (Mein Kommentar: Bieri versteht unter "Willen" offenbar etwas, das nicht seiner Freiheit vollständig beraubt ist. Ein Automaton hat keinen Willen! Dem kann ich nur beipflichten! Ein fest verdrahteter Reflex kann nur als degenerierter Wille verstanden werden, so wie null auch als Zahl angesehen werden kann, aber keine positive Quantität bezeichnet.) "...Idee des Willens: Seine Bedingtheit droht, ihm die Freiheit und damit den Charakter echten Wollens zu nehmen; seine Unbedingtheit macht ihn zu einem unverständlichen, entfremdeten Willen, dessen pure Zufälligkeit auch nicht der Idee der Freiheit entspricht. Die für unser Selbstverständnis grundlegenden Ideen des Handelns und Wollens, die so vertraut sind und so klar schienen, entpuppen sich als in sich unstimmige Ideen. Und unstimmige Ideen sind keine Ideen." (S.23/24).

Er besteht auf der Wichtigkeit dieses Dilemmas für uns selbst: "Wenn wir feststellen, dass wir, begrifflich gesehen, die Verständlichkeit von Tun und Wollen mit ihrer Unfreiheit bezahlen und die Freiheit mit Selbstentfremdung, so ist das mehr als eine belästigende oder belustigende Irritation. Die Entdeckung bedeutet eine Verwirrung, die das Gleichgewicht der Gefühle in Gefahr bringt. Wir empfanden uns als Teil der Natur und gleichzeitig als frei und verantwortlich, und nun stellt sich heraus, dass die beiden Dinge nicht zusammengehen, wobei es unmöglich scheint, das eine für das andere zu opfern."(S.24)

Dann schreibt er "Treten wir einen Schritt zurück. Ist der Widerspruch im Denken, der sich aufgetan hat, etwas, das wir einfach anerkennen müssen?" Als "wesentliche Unstimmigkeit?" (S. 25) Die Unstimmigkeit sei ja durch unser Denken erst entstanden. Kann unser Denken sie dann auch bereinigen? Oder ist es dessen unfähig? Eine Auflösung von jenseits unseres Denkens her würden wir wohl kaum verstehen. Ein Irrgarten innerhalb eines weiteren Irrgartens...

Wir könnten "das Ganze natürlich einfach vergessen und weitermachen wie bisher" (S.26). Aber z.B ein Richter, der beginnt darüber nachzudenken, kann sich der Frage nicht mehr entziehen. "Man lebt nicht gut mit dem Gefühl, gerade über die wichtigsten Dinge keine Klarheit zu besitzen."

Bieri meint, dass die Philosophie eine Antwort zu geben vermag - diese erwarte ich nun von den drei Teilen des Buches:

I. Bedingte Freiheit
II. Unbedingte Freiheit
III. Angeeignete Freiheit.

Ich empfinde diesen Prolog als eindrückliche Darstellung des Grundproblemes. Schon daraus sollte eigentlich erkennbar sein, dass die Lösung - falls es wirklich eine gibt - ganz sicher nicht in der Beharrung auf dem einen oder anderen Standpunkt liegen kann, sondern in einer Synthese der beiden Standpunkte zu finden ist (hier bin ich echt gewillt, einen dialektischen Standpunkt einzunehmen). Vielleicht werde ich beim weiteren Lesen von Bieris Buch etwas darüber berichten.
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Heiner
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Beitrag(#997628) Verfasst am: 09.05.2008, 15:35    Titel: Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
Der Epiphänomenalismus ist eine dualistische Position. Gerhard Roth vertritt (wie auch ich) die Position des Monismus. Mentale Phänomene dürfen ja gerade nicht abgetrennt von Hirnzuständen betrachtet werden.

Zitat:
AgentProvocateur
Ja, exakt, so sehe ich das auch, denn ich bin ebenfalls ein Monist.

Wie würdest Du aber als Monist folgende Aussage bewerten: "Das Gehirn entscheidet für uns"? Klingt verdammt dualistisch für mich, so als ob das Gehirn etwas grundsätzlich verschiedenes von "uns" sei und außerdem ist es mMn ein Kategorienfehler, der mich als Monist verdammt stört.


Zu dem Satz "das Gehirn entscheidet für mich": Ich finde die Formulierung auch nicht ganz glücklich. Wenn man etwas Richtiges aussagen will, müsste man präziser vielleicht so formulieren: "Unbewusst arbeitende Gehirnareale entscheiden, und nicht das bewusste (!) Ich." Damit äquivalent ist der Satz: "Ich entscheide, aber unbewusst." Es gilt also festzuhalten, dass die unbewussten Anteile zum Ich dazugehören und es konstituieren: Es sind ja meine (!) Erfahrungen, die im Gedächtnis gespeichert sind und auf die bei den unbewussten Entscheidungen zurückgegriffen wird. Nur deshalb erleben wir uns nicht als fremdbestimmt, auch wenn Willensentscheidungen letzten Endes unbewusst getroffen werden (also, von den entsprechenden Gehirnarealen).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Hm? Also, verstehe ich das richtig: die Gehirnforschung sagt, dass bewusste Gedanken und Überlegungen kontrolliert werden können (da sie in bestimmten Gehirnbereichen ablaufen), aber die Handlungen, die eine Person ausführt, prinzipiell nicht (weil sie in anderen Gehirnbereichen ablaufen)?


Hm, ja schon, aber...

Zitat:
Das wäre, wenn dem so wäre, etwas widersprüchlich, finde ich. Denn dann wären die Handlungen unabhängig von den Überlegungen und das würde uns doch sicher auffallen, oder? Oder können wir gar nichts erkennen? Und: es wäre eine Art von Epiphänomenalismus: unsere bewussten Gedanken und Überlegungen wären unabhängig von unseren Handlungen; sie hätten keine Auswirkungen auf unsere Handlungen.


das folgt daraus nicht zwingend: Die Überlegungen können, müssen aber nicht unabhängig von den Handlungen sein. Und: Im Fall der Unabhängigkeit voneinander kann dies der Person auffallen bzw. bewusst werden, muss es aber nicht. Hier sind verschiedene Fälle zu unterscheiden.
Was immer gleich bleibt, ist das Schema: Handlungsabsichten gelangen aus dem Unbewussten(limbisches System) ins Bewusstsein (Präfrontalkortex), im Unbewussten (limbisches System) wird das Signal für die Ausführung der Handlung gegeben.

a) Die Überlegungen sind "passgenau" zur Handlung:

Handlungsmotive a und b gelangen ins Bewusstsein. Motiv b ist stärker. Ich bin mir dessen bewusst und entscheide mich für Handlung gemäß Motiv b. Unbewusst wird das Signal an den motorischen Kortex zur Handlungsausführung (Muskelkontraktion) gemäß Motiv b) gegeben.

b.1) Die bewussten Überlegungen und die Handlung (genauer: die unbewussten Handlungsabsichten) sind divergent. Die Divergenz wird der Person nicht bewusst.

Das umfasst alle Fälle, wo es sich um Rationalisierung von Handlungsabsichten handelt. Beispiel: Motiv a drängt zur Handlungsausführung. Ins Bewusstsein gelangt aber Motiv b. Ich entscheide mich für Handlung gemäß Motiv b. Unbewusst wird das Signal zur Handlungsausführung gemäß Motiv a gegeben. Die Divergenz zwischen bewusstem und unbewusstem Motiv wird mir nicht bewusst: Meine Selbsttäuschung ist perfekt. (Konkrete Beispiel dazu kann sich jeder selbst hinzudenken).

b.2) Die bewussten Überlegungen und die Handlung (genauer: die unbewussten Handlungsabsichten) sind divergent. Die Divergenz wird der Person bewusst.

Hier ein konkretes Beispiel: Ein Mann sitzt in der Kneipe. Er denkt sich: "So, jetzt musst du nach Hause gehen, dein Schatz wartet zu Hause auf dich" - und bleibt sitzen. Die Zeit verstreicht. "So, jetzt aber, auf", denkt sich der Mann - und bleibt weiter sitzen.
Seine Handlung konterkariert seine bewussten Überlegungen. Er mag sich dessen bewusst sein, indem er zu sich sagt: "Du hast ja Nerven, alter Junge, du weißt doch genau, dass du jetzt nach Hause gehen müsstest, und trotzdem bleibst du sitzen..." zwinkern

An solchen Alltagsbeispielen kann man sehen, dass aus einem bloßen Gedanken noch nicht zwingend ein Handlungsimpuls erwächst: Der Handlungsimpuls wird eben nicht bewusst, sondern unbewusst gegeben. Insofern ist es gar nicht so spektakulär, was die Hirnforschung entdeckt hat - jeder kann es mit eigenen Erfahrungen unterfüttern.
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step
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Beitrag(#997631) Verfasst am: 09.05.2008, 15:43    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Agnost hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Wir sind mal wieder am Tiepfunkt der Diskussion angekommen. Können wir dann mal wieder 3, 4 Monate Pause machen, ehe es wieder von vorn losgeht?
Das geht nur, wenn es denn "bedingt Freien Willen" gibt.
Falsch! Es geht auch, wenn der Ablauf so determiniert ist.
Mooment! Können wir nach Deiner Auffassung jetzt entscheiden, ob wir eine Pause einlegen oder nicht?

Die Umstände und Präferenzen bestimmen, wie es in uns entscheidet.
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Beitrag(#997645) Verfasst am: 09.05.2008, 16:19    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... die Behauptungen der Hirnforscher gehen normalerweise weiter, sie behaupten nämlich, man habe keine bewusste Kontrolle über seine Handlungen (was natürlich Unsinn ist).

Beim Thema bewußt/unbewußt traue ich mir derzeit kein endgültiges Urteil zu. Aus meiner Sicht sprechen die Experimente zumindest dafür, daß einige Handlungen, deren Steuerung bisher als bewußt angenommen wurde, bereits unterbewußt initiiert werden. Ob das aber bei moralischen Abwägungen, rationalen Betrachtungen usw. auch der Fall ist, darf man bezweifeln.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und ja: wir haben offensichtlich einen Dissens darüber, was wir als "frei" ansehen. Dieser Dissens kann aber ganz einfach gelöst werden, indem wir zwei Begriffe dafür verwenden: frei(step) und frei(AP).

Das funktioniert zwischen uns, aber das kollektive Bewußtsein asoziiert bei "frei" etwas, das es mE verbietet, frei(AP) noch frei zu nennen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... und zusätzlich wissen wir, daß seine Bewertungsinstanz zu einer gewissen Simulation und Abwägung fähig ist, und wir erwarten, daß dies determiniert in unserem Sinne geschieht. Aus kulturellen bzw. psychologistischen Gründen überladen wir diesen Zusammenhang dann noch, indem wir Verantwortung, Schuld usw. wie Eigenschaften des Menschen deuten.

Hm, diese "Überladung" scheint ein ganz wesentlicher und abzulehnender Punkt für Dich zu sein, mir ist jedoch nicht klar, wieso.

Weil er dazu führt, daß die Ursachenkette verdrängt und der Mensch als "freier Verursacher" angesehen wird. Das wiederum macht es offensichtlich leichter, auch seine Bestrafung irrational zu überhöhen, also ohne eine rationale Begründung auf ein Ziel hin. Vielleicht hat dies sogar mal einen (unreflektierten) Nutzen gehabt, ähnlich wie andere uns heute inhuman erscheinende Praktiken.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wir sollten uns aber nicht über Worte streiten, das bringt nichts.

Es sei denn, die Assoziationen, die Worte tragen, werden dann an anderer Stelle als implizite Legitimation verwendet.

So klingt die Begründung "A wird bestraft, weil er sich frei(AP) für einen Normverstoß entschieden hat" intuitiv nachvollziehbar. Übersetzt man aber frei(AP), so klingt es schon deutlich weniger suggestiv:

"A wird bestraft, weil seine determinierten Präferenzen einen Normverstoß verursachten".

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wir müssten uns zumindest mal über die eigentlichen Argumente für den Inkompatibilismus unterhalten, z.B. über das "Kausalketten-Argument" und das "Konsequenz-Argument" (siehe ebenfalls dort).

Ja. Mich überzeugen aber die Gegenargumente zu keinem der beiden. Bzw. den dort genannten Einwand zum Konsequenzargument verstehe ich gar nicht. Meines Erchatens kann man gegen beide Argumente (die ja auch hier schon gebracht wurden und eng verwandt sind) nur metaphysische Positionen einnehmen oder die Kausalität widerlegen, außer man versucht es mit semantische Wortverdrehungen, à la

"FW ist, daß der Fuchs den Hasen hätte fangen können, wenn er nicht hätte sch... müssen."

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Und wie ist das nun bei rationalem Verhalten? Also z.B. jemand betrachtet "kühl" verschiedene Varianten und entscheidet sich dann für die nachvollziehbar günstigste? Ist es ein (innerner, äußerer) Zwang, daß die günstigste Vaiante berechenbar ist?

Nein, natürlich nicht, wieso sollte es Zwang sein?

Aha. Du verstehst also unter Zwang nicht, daß etwas unausweichlich so abläuft (was ja hier der Fall wäre), sondern vermutlich wenn jemand spürt, daß etwas gegen seine Präferenzen geschieht. Oder?
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Beitrag(#997653) Verfasst am: 09.05.2008, 16:28    Titel: Antworten mit Zitat

@ agnostiker:

Bieri hat folgendes geschrieben:
"Weder die Idee einer verständlichen Welt noch die Idee des freien, verantwortlichen Tuns sind Ideen, die wir einfach aufgeben können - nicht einmal, wenn wir gedanklich unter Druck geraten. Das ist nicht deshalb so, weil wir sie beide sehr mögen. Es ist ernster: Obwohl sie sich widersprechen, brauchen wir beide, um uns und unsere Stellung in der Welt zu artikulieren."(S. 22)

Ja, so kenne ich Bieri, und das ist auch das einzige "Argument", das mir bisher in seinen Schriften begegnet ist: "Wir können den intuitionistischen und widersprüchlichen Glauben an die Willensfreiheit nicht aufgeben, weil wir sie so brauchen". Er redet ewig lang drumherum, und zum Schluß kommt eine letztlich ungemein platte Verwechslung von Wunsch und Wirklichkeit.

Man bemerkt die Armseligkeit dieser Argumentation, wenn man statt der Freiheit des Willens einen anderen widersprüchlichen Glauben einsetzt, etwa den Glauben an ein Leben nach dem Tod. Exakt so wie Bieri argumentieren einige moderne Theologen:

"Wir brauchen die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode, nicht nur, weil wir sie so mögen. Es ist ernster: Obwohl sie widersprüchlich ist, brauchen wir sie, um uns und unsere Stellung in der Welt zu artikulieren."
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Beitrag(#997655) Verfasst am: 09.05.2008, 16:31    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Johnnyboy hat folgendes geschrieben:
Ich bin überzeugt, dass es keine halbwegs logische Argumentationskette gibt, die einen "lebensweltlichen" Freiheitsbegriff, irgendwie "nichtig" machen würde. [...]

Doch, das gibt es meiner Einschätzung nach leider.


Das dräuet und dunkelt auch an meinem Horizont.


step hat folgendes geschrieben:
Aha. Du verstehst also unter Zwang nicht, daß etwas unausweichlich so abläuft (was ja hier der Fall wäre), sondern vermutlich wenn jemand spürt, daß etwas gegen seine Präferenzen geschieht. Oder?


"Naturgesetzlichkeit <=> zwanghafter Entscheidungsablauf"

Kommt dir das nicht mittlerweile doof vor?
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Heiner
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Beitrag(#997664) Verfasst am: 09.05.2008, 17:08    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Bieri:
Umgekehrt, wenn all unser Handeln aus Bedingungen entspringt, dann kann man nicht mehr von Willen sprechen. (Mein Kommentar: Bieri versteht unter "Willen" offenbar etwas, das nicht seiner Freiheit vollständig beraubt ist. Ein Automaton hat keinen Willen! Dem kann ich nur beipflichten! Ein fest verdrahteter Reflex kann nur als degenerierter Wille verstanden werden, so wie null auch als Zahl angesehen werden kann, aber keine positive Quantität bezeichnet.) "...Idee des Willens: Seine Bedingtheit droht, ihm die Freiheit und damit den Charakter echten Wollens zu nehmen


Erwischt. Leicht zu durchschauender argumentativer Trick: Man definiert Wille einfach so, dass es am Ende "passt" - ein unfreier, bedingter Wille ist kein "echter" Wille, ergo muss eine Freiheit des Willens existieren, sonst gäbe es keinen Willen.
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@Agnostiker: Dennoch danke für den aufschlussreichen Einblick in Bieris Argumentation.
Sein Buch werde ich dann wohl nicht lesen. Sehr glücklich
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PataPata
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Beitrag(#997675) Verfasst am: 09.05.2008, 17:17    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
@ agnostiker:

Bieri hat folgendes geschrieben:
"Weder die Idee einer verständlichen Welt noch die Idee des freien, verantwortlichen Tuns sind Ideen, die wir einfach aufgeben können - nicht einmal, wenn wir gedanklich unter Druck geraten. Das ist nicht deshalb so, weil wir sie beide sehr mögen. Es ist ernster: Obwohl sie sich widersprechen, brauchen wir beide, um uns und unsere Stellung in der Welt zu artikulieren."(S. 22)

Ja, so kenne ich Bieri, und das ist auch das einzige "Argument", das mir bisher in seinen Schriften begegnet ist: "Wir können den intuitionistischen und widersprüchlichen Glauben an die Willensfreiheit nicht aufgeben, weil wir sie so brauchen". Er redet ewig lang drumherum, und zum Schluß kommt eine letztlich ungemein platte Verwechslung von Wunsch und Wirklichkeit.

Man bemerkt die Armseligkeit dieser Argumentation, wenn man statt der Freiheit des Willens einen anderen widersprüchlichen Glauben einsetzt, etwa den Glauben an ein Leben nach dem Tod. Exakt so wie Bieri argumentieren einige moderne Theologen:

"Wir brauchen die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode, nicht nur, weil wir sie so mögen. Es ist ernster: Obwohl sie widersprüchlich ist, brauchen wir sie, um uns und unsere Stellung in der Welt zu artikulieren."
Schon klar, dass Du Dich genau auf diesen Satz stürzest! Ich fand selbst, dass die Verben "brauchen" und "artikulieren" hier zu subjektiv und allzu schwach sind - immerhin zeigt er sich auch als sensibler Mensch im Gegensatz zu Dir. Daraus schliessen zu wollen, dass sich das Dilemma nur auf eine "platte Verwechslung von Wunsch und Wirklichkeit" reduziert, einen solchen Fehlschluss kannst nur Du machen. Und das mit einem Leben nach dem Tod gleichzusetzen ist nicht nur logisch falsch (es handelt sich ja um ein diesseitiges Dilemma) sondern fast schon geschmacklos.

Aber ich habe mir ja vorgenommen, mit Dir nicht mehr zu argumentieren - mit einem determinierten Intellekt kann man das ja wohl auch nicht. Und jene, welche Dir blind folgen wollen, kann und will ich auch nicht auf meine Seite ziehen. Das Thema interessiert mich aber weiterhin stark, ich glaube, da ist noch viel zu entdecken. Wenn Du hie und da einen stimulierenden Widerstand gegen die weitere Entwicklung synthetischer Gedanken äusserst, soll mir das recht sein. Dann musst Du Dir aber etwas mehr Mühe geben.
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Heiner
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Beitrag(#997677) Verfasst am: 09.05.2008, 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

Agnostiker hat folgendes geschrieben:
Also, welche Arten von Willen kann man sich vorstellen? Ob sie dann in der Natur realisiert werden, darüber können wir ja diskutieren, aber bitte mit klaren Vorstellungen darüber, worum eigentlich debatiert wird.

"Vorverdrahteter Wille" wäre einer, obwohl ich finde, dass da der Begriff "Wille" etwas stark ausgedehnt worden ist. Vergleichbar mit dem Willen einer Ameise vielleicht, wobei ich der Ameise das Recht zu einem eigenen Willen ja nicht absprechen möchte.

"Antrainierter Wille" wäre eine andere Art von "Wille". ...

"Bewusster Wille" würde einen solchen beschreiben, der sich nach eingehenden Überlegungen äussern kann. ...

"Freier Wille" wäre dann die Krönung des Ganzen. Dieser würde wahrscheinlich alles, was ich vorher beschrieben habe, umfassen und weiter dem Individuum noch die Freiheit zugestehen, "willkürlich" zu entscheiden.

Hier werden alle Willens-Kategorien bunt durcheinandergewürfelt und quer gegeneinander ausgespielt. Die Debatte hat schon lange keinen rationalen Charakter mehr...

EDIT: Am einfachsten ist es natürlich, wenn man dem ganzen Willenskomplex einen rein deterministischen Charakter unterjubelt. Dann ist alles dasselbe - d.h. alles ist vorbestimmt und kausal determiniert. Schöne einfache Welt...


Wir sind uns also einig, dass es neben einem bewussten Willen auch einen vor-bewussten Willen geben kann? Somit ist die Formulierun "bewusstes Wollen" kein Pleonasmus, sondern eine Abgrenzung gegenüber dem "unbewussten Wollen"...
Die Behauptung wäre also vom Tisch, dass es Wille ohne Bewusstsein nicht geben kann.
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Beitrag(#997679) Verfasst am: 09.05.2008, 17:22    Titel: Antworten mit Zitat

@Heiner:

nehmen wir uns doch einfach noch einmal den weiter oben von mir verlinkten Textausschnitt vor:

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
In jüngster Zeit bestreiten renommierte Hirnforscher und Handlungspsychologen wie Gerhard Roth und Wolf Singer die Existenz der menschlichen Willensfreiheit und stützen sich dabei auf neuere neurowissenschaftliche und handlungspsychologische Erkenntnisse der Hirnforschung. Ihrer Einschätzung nach werden die handlungsauslösenden Impulse weitgehend von Hirnarealen gesteuert, die dem Bewusstsein nicht zugänglich sind und folglich von ihm auch nicht kontrolliert werden können.

Wie man hier auf das "folglich" kommt, ist mir nicht klar, aber sei es erst einmal darum. Nehmen wir also an, dass Menschen ihre Handlungen nicht bewusst kontrollieren könnten, was bedeutet, dass Gedanken und Überlegungen keinen Einfluss auf die Handlungen hätten. Es könnte zwar nun irgendwie ganz zufällig sein, dass die Handlungen oft in Übereinstimmung mit den bewussten Überlegungen geschehen, aber eine solche Annahme wäre irgendwie unbefriedigend und ziemlich esoterisch, findest Du nicht? Warum sollte man das annehmen, wenn man keinen Grund dafür sähe?

Fragen wir uns jetzt einmal, was zum Beispiel Handlungen sind:

- die Durchführung von wissenschaftlichen Experimenten zur Hirnforschung
- die Veröffentlichung von Ergebnissen dieser Experimente
- die Teilnahme an Podiumsdiskussionen, die diese Experimente behandeln

Und nun nehmen wir einfach mal an, dieser Wissenschaftler schriebe ein Buch und er hätte keine bewusste Kontrolle über seine Handlungen (und schreiben ist wohl eine Handlung). Was genau wäre nun der Grund für mich, anzunehmen, dass ein solch unbewusst geschriebenes Buch aufgrund von unbewusst durchgeführten Experimenten einen Nutzen für mein Bewusstsein haben sollte (ich gehe hier davon aus, dass das Lesen dieses Buches eine bewusste Aktion ist)? Welchen Nutzen hätte überhaupt noch das Bewusstsein, wenn es völlig unabhängig von den ausgeführten Handlungen wäre und warum überhaupt wäre es notwendig oder auch nur im Geringsten nützlich für mich, etwas verstehen zu können, wenn eh nur mein Unbewusstes handelt und mein Bewusstsein ein auswirkungsloses Anhängsel wäre? Und warum sollte mein Unbewusstes, das eigentlich und auschließlich Handelnde, sich die Mühe machen, mir richtige Informationen zukommen zu lassen? Warum lässt es mein Bewusstsein nicht irgend etwas völlig Beliebiges glauben, wenn es gleichzeitig die Fähigkeit dazu hat, mir eine völlige Plausibilität dessen zu suggerieren?

Wenn man annimmt, (was ich tue), dass Bewusstsein und das Unbewusste verzahnt sind und beides zusammen eine Einheit bildet, (das Bewusstsein eben kein ein überflüssiges Anhängsel ist), dann stellt sich das Problem nicht mehr, allerdings muss man die obige Aussage im Zitat als gar grausam gräßlichen Bullshit bezeichnen.

Leider trifft man auf Schritt und Tritt auf diesen pseudowissenschaftlichen Unfug. Oben das Zitat zum Beispiel steht im Wikipedia-Artikel an prominenter Stelle, mit eigener Überschrift.


Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 09.05.2008, 17:24, insgesamt einmal bearbeitet
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PataPata
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Beitrag(#997680) Verfasst am: 09.05.2008, 17:23    Titel: Antworten mit Zitat

Heiner hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Bieri:
Umgekehrt, wenn all unser Handeln aus Bedingungen entspringt, dann kann man nicht mehr von Willen sprechen. (Mein Kommentar: Bieri versteht unter "Willen" offenbar etwas, das nicht seiner Freiheit vollständig beraubt ist. Ein Automaton hat keinen Willen! Dem kann ich nur beipflichten! Ein fest verdrahteter Reflex kann nur als degenerierter Wille verstanden werden, so wie null auch als Zahl angesehen werden kann, aber keine positive Quantität bezeichnet.) "...Idee des Willens: Seine Bedingtheit droht, ihm die Freiheit und damit den Charakter echten Wollens zu nehmen


Erwischt. Leicht zu durchschauender argumentativer Trick: Man definiert Wille einfach so, dass es am Ende "passt" - ein unfreier, bedingter Wille ist kein "echter" Wille, ergo muss eine Freiheit des Willens existieren, sonst gäbe es keinen Willen.
Mama mia. Traurig
@Agnostiker: Dennoch danke für den aufschlussreichen Einblick in Bieris Argumentation.
Sein Buch werde ich dann wohl nicht lesen. Sehr glücklich
Deine Entscheidung! Den Fehlschluss, Willen so zu definieren dass es "passt" macht aber nicht Bieri und jene, welche die Realität eines Willens akzeptieren, sondern eben die Deterministen. Sie nehmen einfach die degenerierte Version des Willensbegriffes (jene des Automatons) und dann ist für sie alles in Butter. Diese Art "Wille" existiert schon auch, aber sie verdient den Namen Wille nicht!

EDIT: Worum es dann geht, ist die Frage, ob es den nicht degenerierten Willen gibt oder nicht. Diese ist noch nicht beantwortet, da bin ich einverstanden. Ich habe aber ja nur den Prolog hier skizziert, und nicht das ganze Buch!
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Zuletzt bearbeitet von PataPata am 09.05.2008, 17:27, insgesamt 2-mal bearbeitet
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